Psychiatrie
Psychiatrie
Psychiatrie
F. Schneider
S. Weber-Papen
Psychiatrie,
Psychosomatik und
Psychotherapie
… in 5 Tagen
123
Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Aachen
RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
[email protected]
www.psychiatrie.ukaachen.de
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gebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
SPIN 12559343
Vorwort
Das vorliegende Werk wurde speziell für Medizinstudentinnen und -studenten zur schnellen Prüfungs-
vorbereitung auf das so genannte »Hammerexamen« geschrieben: für das schnelle und kurzfristige Wieder-
holen examensrelevanter Fakten.
Der formale Aufbau entspricht einem 5-tägigen Repetitorium, in dem der kompakt, aber dennoch umfas-
send dargestellte Lernstoff maximal innerhalb einer Woche erarbeitet werden kann. Inhaltlich orientiert sich
das Buch am Gegenstandskatalog und an den prüfungsrelevanten Themen aller Hammerexamina der letz-
ten Jahre. Besonderen Wert haben wir darauf gelegt, dass bisherige und potenzielle Fragen des IMPP nach
dem Durcharbeiten des vorliegenden Buches korrekt beantwortet werden können.
Natürlich soll das Buch nicht nur eine schnelle und zielgerichtete Prüfungsvorbereitung ermöglichen, son-
dern eignet sich auch als vorlesungs-, kurs- und praktikumsbegleitende Lektüre – zum raschen Nachschla-
gen wesentlicher Sachverhalte ohne unnötigen Ballast. Optimalerweise sollte man während des Studiums
ein ausführlicheres Psychiatrie-Lehrbuch studiert haben. Aber auch ohne eine solche Lektüre, soll dieses
Buch dazu verhelfen, dass unsere Leser sicher durch das »Hammerexamen« kommen.
Unser besonderer Dank gilt zwei Mitarbeitern der Aachener Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie: dem
Juniorprofessor Dr. med. Ingo Vernaleken, der mit großer Sorgfalt und Fachkenntnis die Manuskripterstel-
lung begleitet hat und der Ärztin und PJ-Mentorin der Klinik, Annegret Drangmeister, die uns durch ihre
kritische Durchsicht der Kapitel unterstützend zur Seite stand. Den Aachener Medizinstudenten, die frühere
Fassungen des Manuskriptes gelesen und gelernt haben, danken wir für die vielen kritischen Hinweise auf
Ballast und Unnötiges, wodurch dieses Kompendium so kurz und verständlich wie möglich gehalten werden
konnte. Auch den verantwortlichen Mitarbeitern des Springer Verlages, Renate Scheddin und Axel Treiber,
sowie der Lektorin Ursula Illig, möchten wir ganz herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit danken.
Sie alle halfen uns, Sachverhalte noch kürzer und noch prägnanter zu beschreiben.
Wir wünschen allen Lesern viel Erfolg bei den schriftlichen und mündlichen Prüfungen des »Hammer-
examens«! Über eine Rückmeldung, ob das vorliegende Werk auch Ihnen eine wertvolle Hilfe war, wären
wir unseren Lesern nach ihrem Examen sehr dankbar.
Inhaltsverzeichnis
1 Gesundheitsstörungen 4.9 Allgemeine Psychopharmakotherapie
und Psychopathologie . . . . . . . . . . . 1 im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
1.1 Aufmerksamkeits- und Konzentrations- 4.10 Psychopharmakainduzierte Notfälle . . . . 78
störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2 Bewusstseins- und Orientierungs- 5 Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . 81
störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 5.1 Psychotherapeutische Ansätze . . . . . . . 82
1.3 Formale Denkstörungen . . . . . . . . . . . 6 5.2 Verhaltenstherapie . . . . . . . . . . . . . . . 83
1.4 Ich-Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 5.3 Psychoanalytische Therapieverfahren . . . 89
1.5 Mnestische Störungen . . . . . . . . . . . . 9 5.4 Gesprächspsychotherapie . . . . . . . . . . 93
1.6 Neuropsychologische Symptome . . . . . 11 5.5 Systemische Paar- und Familientherapie . 93
1.7 Probleme im Sozialverhalten . . . . . . . . 12 5.6 Entspannungsverfahren . . . . . . . . . . . . 94
1.8 Selbst- und Fremdgefährdung . . . . . . . 13 5.7 Biofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
1.9 Störungen der Affektivität . . . . . . . . . . 14 5.8 Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . 95
1.10 Störungen der Krankheitsbewältigung . . 18 5.9 Schulenübergreifende Psychotherapie . . 95
1.11 Störungen von Antrieb
und Psychomotorik . . . . . . . . . . . . . . 19 6 Weitere Therapieformen . . . . . . . . . . 97
1.12 Vegetative Störungen . . . . . . . . . . . . . 21 6.1 Elektrokrampftherapie . . . . . . . . . . . . 98
1.13 Wahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 6.2 Lichttherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
1.14 Wahrnehmungsstörungen . . . . . . . . . . 25 6.3 Schlafentzugstherapie . . . . . . . . . . . . . 100
1.15 Zwänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6.4 Physiotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
6.5 Soziotherapie, Versorgung, Rehabilitation 100
2 Psychiatrische Diagnostik . . . . . . . . . 29
2.1 Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 7 Schizophrenie . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
2.2 Psychopathologischer Befund . . . . . . . . 31
2.3 Körperliche Untersuchung . . . . . . . . . . 32 8 Affektive Störungen . . . . . . . . . . . . . 115
2.4 Testpsychologische Diagnostik . . . . . . . 35
2.5 Klassifikation psychischer Erkrankungen . 39 9 Angststörungen . . . . . . . . . . . . . . . . 129
1 Gesundheitsstörungen
und Psychopathologie
1.1 Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen – 4
1.4 Ich-Störungen – 8
1.4.1 Entfremdungserlebnisse – 8
1.4.2 Psychotische Ich-Störungen – 9
1.13 Wahn – 22
1.13.1 Formale Wahnmerkmale – 23
1.13.2 Inhaltliche Wahnmerkmale – 23
1.14 Wahrnehmungsstörungen – 25
1.14.1 Halluzinationen – 25
1.14.2 Illusionen – 26
1.14.3 Körperschemastörung – 26
1.14.4 Wahrnehmungsanomalien, einfache Wahrnehmungs-
veränderungen – 26
1.15 Zwänge – 27
4 Kapitel 1 · Gesundheitsstörungen und Psychopathologie
Definition
Aufmerksamkeitsstörung: Störung der Fähigkeit, das Bewusstsein –
aktiv oder passiv – einer bestimmten Tätigkeit, einem bestimmten men-
talen oder physischen Gegenstand oder Sachverhalt zuzuwenden.
Konzentrationsstörung: eingeschränkte Fähigkeit, die Aufmerksamkeit
ausdauernd einem bestimmten Gegenstand/Sachverhalt oder einer
bestimmten Tätigkeit zuzuwenden; Maß für die Intensität der Aufmerk-
samkeit.
Definition
Bewusstsein: alle Zustände, die von einem Individuum erlebt werden.
Bewusstseinsstörungen: Bewusstseinsverminderungen (quantitative
Bewusstseinsstörungen) oder Bewusstseinsveränderungen (qualitative
Bewusstseinsstörungen).
Orientierungsstörungen: mangelnde Orientierung über zeitliche,
räumliche, situative und/oder persönliche Gegebenheiten.
1.2 · Bewusstseins- und Orientierungsstörungen
5 1
1.2.1 Bewusstseinsstörungen Eigene Notizen
1.2.2 Orientierungsstörungen
4 Verlust der Orientierung häufig in der Reihenfolge Zeit (Z) – Ort (O)
– Situation (S) – eigene Person (P)
4 Insbesondere im Rahmen organischer psychischer Erkrankungen (De-
lir, Demenz, amnestisches Syndrom), bei starkem Affekterleben, akuten
Intoxikationen sowie akuten psychotischen Störungen
6 Kapitel 1 · Gesundheitsstörungen und Psychopathologie
Definition
Störungen des Denkablaufs, zeigen sich in sprachlichen Äußerungen
des Betroffenen.
4 Im Gegensatz zur Zerfahrenheit (»roter Faden« nicht mehr nachvoll- Eigene Notizen
ziehbar) ist der Gedankengang noch nachvollziehbar (»roter Faden«
noch nachvollziehbar)
> Ideenflucht ist typisch für die Manie.
1.3.4 Kontaminationen
1.3.5 Perseverationen
1.4 Ich-Störungen
Definition
Veränderungen des Ich-Erlebens (Ich-Erleben = Erleben des eigenen
Seins in den Ausdrucksformen von Denken, Fühlen und Handeln und als
Urheber derselben).
1.4.1 Entfremdungserlebnisse
Definition
Störungen von Behalten und Abrufen von Erinnerungen, Wissen und
Fertigkeiten.
1.5.1 Amnesie
1.5.3 Konfabulationen
1.5.4 Merkfähigkeitsstörungen
1.5.5 Paramnesien
5 Ekmnesie: Störung des Zeiterlebens bzw. der zeitlichen Einord- Eigene Notizen
nung, wobei die Vergangenheit als Gegenwart erlebt wird (z. B. bei
Demenzen und in affektiven Ausnahmezuständen)
5 Hypermnesie: gesteigerte Erinnerungsfähigkeit (z. B. unter Dro-
geneinfluss, aber auch bei schweren schizophrenen Psychosen)
5 Flashbacks: für Sekunden bis Minuten anhaltende, intensiv erlebte
»szenische Nachhallerinnerungen«
J Vorkommen als wiederkehrendes Rauscherlebnis (Echorausch)
nach Drogenerlebnissen (Halluzinogenen) ohne erneute Drogen-
einnahme oder als Wiedererleben traumatischer Erlebnisse bei
posttraumatischen Belastungsstörungen
J Können durch Schlüsselreize ausgelöst werden
5 Intrusionen: sich aufdrängende Erinnerungen an ein traumati-
sches Erlebnis; charakteristisch bei posttraumatischen Belastungs-
störungen
1.5.6 Zeitgitterstörungen
Definition
Störungen komplexer neuropsychischer Funktionen, die auf zerebrale
Funktionsstörungen hindeuten.
1.7.3 Schulschwierigkeiten
Definition
Selbstverletzendes bis suizidales bzw. hochgradig fremdaggressives
Verhalten, das Anlass zur notfallmäßigen Unterbringung in einer psy-
chiatrisch-psychotherapeutischen Klinik sein kann.
1.8.1 Aggressivität
1.8.2 Selbstbeschädigung
1.8.3 Suizidalität
Definition
Störungen der Affekte (kurzdauernde »Gefühlswallungen«) und Stim-
mungen (längerdauernder Gefühlszustand) sowie der Intensität, An-
sprechbarkeit und Dauer affektiver Zustände.
1.9.1 Affektinkontinenz
1.9.2 Affektlabilität
1.9.3 Affektstarrheit
1.9.4 Affektstauung
1.9.6 Ambivalenz
1.9.7 Anhedonie
1.9.8 Ängste
4 Angst
5 Menschliches Grundgefühl
5 Besorgnis und unlustbetonte Erregung in als bedrohlich empfun-
denen Situationen
5 Äußert sich im Erleben, Verhalten und in körperlichen Symp-
tomen
5 Pathologische Angst als unspezifisches Symptom vieler psychischer
Erkrankungen, Leitsymptom der Angststörungen
4 Phobie: Angst vor einem umschriebenen Objekt oder einer umschrie-
benen Situation, die meist Vermeidungsreaktionen zur Folge hat
4 Panikattacken: plötzliche, anfallsartig auftretende Angstzustände,
i. d. R. mit körperlicher Symptomatik (z. B. Herzklopfen, Schweißaus-
brüche, Schwindel, Atemnot)
5 Wiederkehrende Panikattacken bei der Panikstörung
4 Hypochondrische Befürchtung
5 Ängstlich getönte Beziehung zum eigenen Körper mit offensichtlich
unbegründeter Befürchtung, körperlich krank zu sein oder zu werden
16 Kapitel 1 · Gesundheitsstörungen und Psychopathologie
1.9.9 Depressivität/Deprimiertheit
1.9.10 Dysphorie
1.9.11 Euphorie
1.9.12 Gereiztheit
1.9.14 Hoffnungslosigkeit
1.9.16 Insuffizienzgefühle
1.9.17 Klagsamkeit
4 Alberne Heiterkeit, der Situation und dem Status der Person nicht an-
gemessen
4 Vorkommen v. a. bei hebephrener Schizophrenie, aber auch bei Manien
oder nach Cannabiskonsum
18 Kapitel 1 · Gesundheitsstörungen und Psychopathologie
1.9.21 Ratlosigkeit
1.9.22 Schuldgefühle
4 Selbstvorwürfe, Gefühl, für eine Tat, für Gedanken oder Wünsche ver-
antwortlich zu sein, die nach Ansicht des Betroffenen vor einer welt-
lichen oder religiösen Instanz, anderen Personen oder sich selbst gegen-
über verwerflich sind
4 Häufig bei depressiven Störungen
1.9.23 Verarmungsgefühle
Definition
Störungen bei der Auseinandersetzung des Betroffenen mit seiner Er-
krankung und bei der Bewältigung krankheitsbedingter Anforderungen.
1.11 · Störungen von Antrieb und Psychomotorik
19 1
4 Mangel an Krankheitsgefühl: Patient fühlt sich nicht krank, obwohl er Eigene Notizen
aktuell krank ist; Einschätzung von Therapeut und Patient gehen über
den Schweregrad auseinander
4 Mangel an Krankheitseinsicht: Patient erkennt die pathologischen
Symptome nicht als krankheitsbedingt an
4 Non-Compliance: Nichteinhalten ärztlicher Ratschläge bzw. die Nicht-
erfüllung oder Ablehnung therapeutisch notwendiger Maßnahmen
Definition
Störungen, welche die Energie, Initiative und Aktivität betreffen (An-
trieb) sowie die durch die psychischen Vorgänge beeinflusste Gesamt-
heit des Bewegungsablaufs (Psychomotorik).
1.11.1 Antriebsstörungen
1.11.4 Katatonie
1.11.6 Theatralismus
4 Patienten erwecken den Eindruck, als würden sie sich selber darstellen
(darstellerisches Ausdrucksverhalten)
4 Insbesondere bei histrionischer Persönlichkeitsstörung
Definition
Durch Beteiligung des vegetativen Systems bestehende Symptome.
1.12.1 Appetitstörungen
1.12.2 Schlafstörungen
1.13 Wahn
Definition
Störungen des Urteilens. Objektiv falsche Überzeugung, an der festge-
halten wird, obwohl sie im Widerspruch steht zur Erfahrung und zur
Überzeugung gesunder Mitmenschen.
Eigene Notizen 4 Beziehungswahn: Menschen, Dinge und Abläufe der Umwelt werden
1 wahnhaft auf sich selbst bezogen (z. B. Fernsehsendungen, die der Pa-
tient auf sich bezieht)
5 Häufigste inhaltliche Wahnform, häufig bei Schizophrenien
5 Beispiel: Liebeswahn: wahnhafte Überzeugung, von einer be-
stimmten Person geliebt zu werden; häufiger im Rahmen wahn-
hafter Störungen bei Frauen (bei Schizophrenien, Manie mit psy-
chotischen Symptomen)
4 Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn: wahnhafte Überzeugung,
das Ziel von Feindseligkeiten, Beeinträchtigungen und Verfolgung zu
sein; Sonderform: Vergiftungswahn
5 Häufig bei Schizophrenien
4 Eifersuchtswahn: wahnhafte Überzeugung, vom Partner betrogen zu
werden
5 Insbesondere bei Schizophrenien oder als alkoholischer Eifersuchts-
wahn
4 Größenwahn: wahnhafte Selbstüberschätzung und Selbstüberhöhung
bis hin zur Identifizierung mit berühmten Persönlichkeiten (z. B. Über-
zeugung, Jesus Christus zu sein)
5 Häufig bei paranoider Schizophrenie und bei Manie mit psycho-
tischen Symptomen
4 Hypochondrischer Wahn: wahnhafte Überzeugung, an einer schweren
Krankheit mit Siechtum und Tod zu leiden (trotz gegenteiliger Be-
funde)
5 Häufig bei wahnhafter Depression
4 Schuld- oder Versündigungswahn: wahnhafte Überzeugung, gegen
Gott, die Gebote, Gesetze oder sonst eine sittliche Instanz verstoßen zu
haben; Überzeugung, nichts geleistet, nichts geschafft, alles versäumt zu
haben
5 Häufig bei wahnhafter Depression
4 Nihilistischer Wahn: Verneinung der eigenen Existenz oder Umwelt
5 Häufig bei wahnhafter Depression
5 Sonderform Cotard-Syndrom (»nihilistischer Todeswahn«):
Wahnhafte Überzeugung, Körperteile seien abgestorben bis hin zur
eigenen Todesüberzeugung
4 Verarmungswahn: wahnhafte Überzeugung, finanziell verarmt zu sein,
nicht genug Mittel zum Lebensunterhalt zu haben
5 Häufig bei wahnhafter Depression
> Wahninhalte depressiver Patienten entsprechen meist der Affekt-
lage (oft Verarmungs-, Schuld- oder Versündigungs-, hypochondri-
scher oder nihilistischer Wahn). Wahninhalte schizophrener Patien-
ten sind häufig bizarrer, magisch-mystischer Art.
1.14 · Wahrnehmungsstörungen
25 1
1.14 Wahrnehmungsstörungen Eigene Notizen
Definition
Sinnestäuschungen; vermeintliche Wahrnehmung von etwas nicht oder
so nicht Vorhandenem.
1.14.1 Halluzinationen
1.14.2 Illusionen
1.14.3 Körperschemastörung/Leibgefühlsstörung
1.15 Zwänge
Definition
Gedanken, Impulse oder Handlungen, die sich immer wieder aufdrän-
gen, gegen die gleichzeitig ein innerer Widerstand besteht und die als
weitgehend unsinnig erlebt werden, sich aber nicht oder nur schwer un-
terbinden lassen, da bei Unterdrückung dieser Phänomene Angst auf-
tritt.
2 Psychiatrische Diagnostik
2.1 Anamnese – 30
2.1.1 Aktuelle Krankheitsanamnese – 30
2.1.2 Vegetative Anamnese – 30
2.1.3 Sucht- und Medikamentenanamnese – 30
2.1.4 Gynäkologische Anamnese – 30
2.1.5 Psychosexuelle Anamnese – 30
2.1.6 Soziale Anamnese (Biografie und Lebenssituation) – 31
2.1.7 Frühere Erkrankungen – 31
2.1.8 Familienanamnese – 31
4 Soziale Herkunft
4 Frühkindliche Entwicklung, Primordialsymptome (Nägelkauen, Bett-
nässen, verlängertes Daumenlutschen, Ängste, Stottern), Besonder-
heiten der Entwicklung in Pubertät und Adoleszenz
4 Schule und Beruf: Schulbildung und -leistung, Berufsausbildung
4 Aktuelle berufliche und wirtschaftliche Situation
4 Partnerschaften, Ehe, Kinder
4 Soziale Kontakte außerhalb der Familie/Freizeit
5 Soziale Integration, außerfamiliäre soziale Beziehungen, Partner-
beziehungen/-konflikte
5 Lebensgewohnheiten
5 Soziale und kulturelle Interessen, Freizeitgestaltung/Hobbies
2.1.8 Familienanamnese
Eigene Notizen 4 Grundlage der Beurteilung sind Selbstaussagen des Patienten sowie
Beobachtungen durch den Untersucher, aber auch nachvollziehbare
fremdanamnestische Angaben
2 4 Unterstützendes, standardisiertes System zur Erfassung der Psycho-
pathologie: AMDP-System (Arbeitsgemeinschaft für Dokumentation
und Methodik in der Psychiatrie)
4 Zu erhebende psychopathologische Merkmalsbereiche (7 Kap. 1)
5 Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, Körperpflege)
5 Gestik und Mimik
5 Verhalten in der Untersuchungssituation (Kooperation, Kontaktver-
halten, Tendenz zu Aggravation, Simulation oder Dissimulation)
5 Sprechverhalten bzw. Sprache (Klang, Modulation, Sprechstörun-
gen wie Stammeln und Stottern, Sprachverständnis und Ausdrucks-
vermögen)
5 Bewusstseinsstörungen (quantitativ und qualitativ)
5 Orientierungsstörungen (zeitlich, örtlich, situativ, zur eigenen Person)
5 Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen
5 Formale Denkstörungen (z. B. gehemmt, verlangsamt, eingeengt,
weitschweifig)
5 Inhaltliche Denkstörungen (Wahn sowie nicht-wahnhafte Phäno-
mene wie Befürchtungen und Zwänge)
5 Sinnestäuschungen (Illusionen, Halluzinationen)
5 Ich-Störungen (Entfremdungserlebnisse: Derealisation, Deperso-
nalisation; Fremdbeeinflussungserlebnisse: Gedankenentzug, -aus-
breitung, -eingebung)
5 Störungen der Affektivität
5 Antriebs- und psychomotorische Störungen
5 Zirkadiane Besonderheiten
5 Sonstige Merkmale: Aggressivität, Selbstverletzung, Suizidalität,
Krankheitseinsicht, -gefühl, Behandlungseinsicht, sozialer Rückzug
oder soziale Umtriebigkeit
5 Einschätzung des allgemeinen Intelligenzniveaus (ergänzend: An-
wendung von standardisierten Intelligenztests 7 Kap. 2.4.1)
> Der psychopathologische Befund muss immer vollständig erhoben
werden, d. h. alle Merkmalsbereiche müssen beurteilt werden!
4 Untersuchung von Kopf und Hals, Meningismus, Lymphknoten, Schild- Eigene Notizen
drüse
4 Inspektion, Palpation, Perkussion des Thorax, Auskultation von Lunge
und Herz, periphere Pulse, Blutdruck
4 Untersuchung von Abdomen, Wirbelsäule und Extremitäten
4 Hirnnervenstatus
4 Reflexstatus
5 Eigenreflexe und physiologische Fremdreflexe
5 Pathologische Fremdreflexe (Pyramidenbahnzeichen): Babinski-,
Gordon-, Oppenheim-, Chaddock-Reflex
5 Kloni (Patellarklonus, Fußklonus)
4 Nervendehnungszeichen: Lasègue, umgekehrter Lasègue, Kernig, Brud-
zinski, Lhermitte
4 Motorik und Kraft: Muskeltrophik, Tonus, Armvorhalteversuch, Bein-
vorhalteversuch, Feinmotorik, Kraftprüfung
4 Koordination: Finger-Nase-Versuch, Finger-Finger-Versuch, Knie-
Hacken-Versuch, Bárány-Zeigeversuch, Diadochokinese, Romberg-
Versuch, Unterberger-Tretversuch, Gangprüfung, Schriftprobe
4 Sensibilität: Berührungsempfindung, Schmerzempfindung, Spitz-
Stumpf-Diskrimination, Graphästhesie, Temperaturempfindung, Lage-
sinn, Vibrationsempfindung
2.3.3 Labordiagnostik
2
2.3.4 Apparative Diagnostik
Elektroenzephalographie (EEG)
4 Messung der summierten elektrischen Aktivität der Hirnrinde durch
Aufzeichnung von Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche
5 Alpha-Wellen: 8–13/s (Vorkommen v. a. im entspannten Wachzu-
stand bei geschlossenen Augen)
5 Beta-Wellen: 14–30/s (v. a. im aufmerksamen Wachzustand)
5 Theta-Wellen: 4–7/s (typischerweise in leichten Schlafphasen)
5 Delta-Wellen: 0,5–3/s (charakteristisch für die Tiefschlafphasen)
4 Unspezifisches Screening für hirnorganische Störungen (v. a. Epilep-
sien); Anwendung auch in der Schlafmedizin; Medikationseffekte
4 Grundsätzlich suspekt
5 Allgemeinveränderungen (Grundrhythmusverlangsamungen oder
-beschleunigungen)
5 Herdbefunde (kortikale Funktionsstörung über einer umschrie-
benen Hirnregion, z. B. fokale Kurvenverlangsamung)
5 Abnorme Potenzialschwankungen (z. B. spezifisch epileptogene Po-
tenziale iktal und interiktal bei Epilepsien)
Eigene Notizen 4 Vor allem bei der Durchführung von Leistungstests ist die Verhaltens-
beobachtung bedeutsam, um
5 Erkenntnisse über die Leistungseinstellung (Leistungsmotivation
2 und Anstrengung) zu gewinnen
5 Widersprüche und Kontraste innerhalb der Gesamtleistung aufzu-
klären
5 Simulations- und Verfälschungstendenzen aufzudecken
5 Beziehungen zu Alltagsleistungen herstellen zu können
2.4.1 Leistungsdiagnostik
Intelligenztests
Definition
Intelligenz = Das, was der jeweilige Intelligenztest misst. Daher bei
Intelligenzmessungen immer das verwendete Verfahren mit angeben.
Spezielle Leistungstests
4 Beurteilung von Konzentration und Aufmerksamkeit
5 Zum Beispiel d2-Test (Aufmerksamkeitsbelastungstest; Durch-
streichtest zur Messung selektiver Aufmerksamkeit)
4 Beurteilung exekutiver Funktionen wie kognitive Flexibiltät, Planen,
Entscheiden, Problemlösen, logisches Schlussfolgern, Inhibitions-
prozesse (= kognitive Prozesse, die der Unterdrückung einer Handlung/
Handlungstendenz dienen), Arbeitsgedächtnisleistungen (= kurzfris-
tige Manipulation/Bearbeitung von Informationen im Gedächtnis)
Definition
Exekutive Funktionen = höhere mentale Funktionen, die es erlauben,
selbstständig und zielstrebig zu handeln durch Kontrolle, Steuerung
und Koordination verschiedener kognitiver Subprozesse; Beeinträchti-
gungen von Exekutivfunktionen werden häufig auf frontale zerebrale
Dysfunktionen zurückgeführt.
2.4.2 Persönlichkeitsdiagnostik
Psychometrische Persönlichkeitstests
4 Persönlichkeitsstrukturtests: erfassen Merkmale im Bereich »norma-
ler«, gesunder Persönlichkeit; Beispiele:
5 Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI): Selbstbeurteilungsverfah-
ren zur Erfassung von 10 weitgehend unabhängigen Persönlich-
keitsmerkmalen aus dem »normalpsychologischen« Bereich
5 NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI): Selbstbeurteilungsinven-
tar, welches 5 Persönlichkeitsdimensionen erfassen soll (Neurotizis-
mus, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit)
4 Einstellungs- und Interessentests
4 Klinische Verfahren: erfassen meist ein oder mehrere klinische Merk-
male
5 Zum Beispiel Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI;
Inventar zur Persönlichkeitsdiagnostik bzw. Erfassung psychischer
Auffälligkeiten)
5 ! Cave Allein auf Grundlage eines Persönlichkeitstests darf keine
Diagnose einer Persönlichkeitsstörung gestellt werden!
Persönlichkeitsentfaltungsverfahren
4 Projektive Verfahren: beruhen auf der Vorgabe von uneindeutigem
Reizmaterial, das beim Probanden ein breites Reaktionsspektrum aus-
lösen kann; Ziel: unbewusste, nicht verbalisierbare Aspekte der Persön-
lichkeit sollen erfassbar gemacht werden
5 Zum Beispiel Rorschach-Test (inhaltlich-assoziative Interpreta-
tion von Klecksbildern), thematischer Apperzeptionstest (zu Bil-
dern, die mehrdeutige Situationen zeigen, sind Geschichten zu er-
zählen)
2.5 · Klassifikation psychischer Erkrankungen
39 2
5 Ergebnisse sind stark vom Untersucher abhängig; projektive Tests Eigene Notizen
genügen nicht den testtheoretischen Gütekriterien, Aussagewert
solcher Verfahren ist gering
3 Forensische Psychiatrie
3.1 Zivilrecht – 42
3.1.1 Betreuungsrecht – 42
3.1.2 Einwilligungsfähigkeit – 43
3.1.3 Geschäftsunfähigkeit – 44
3.2 Strafrecht – 45
3.2.1 Schuldfähigkeit – 45
3.3 Unterbringungsrecht – 46
3.3.1 Unterbringung nach Länderrecht (PsychKG, UBG) – 46
3.3.2 Zivilrechtliche/betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB) – 47
3.3.3 Freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung – 48
3.4 Sozialrecht – 49
3.4.1 Erwerbsminderung – 49
3.4.2 Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) – 50
3.1.1 Betreuungsrecht
4 Betrifft volljährige Patienten, die über eine längere Zeit ihre Angelegen-
3 heiten aufgrund einer psychischen Erkrankung (oder körperlichen oder
geistigen Behinderung) ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen
können
4 Löst frühere Rechtsvorschriften zu Entmündigung, Vormundschaft
und Pflegschaft ab
4 Betreuerbestellung auf Antrag des Betroffenen selbst (unabhängig von
seiner Geschäftsfähigkeit) oder »von Amts wegen«, d. h. vom Betreu-
ungsgericht (Dritte, z. B. behandelnde Ärzte, können bei dem zuständi-
gen Amtsgericht eine Betreuung anregen)
5 !Cave Bei allein körperlicher Behinderung ist die Einrichtung
einer Betreuung nur auf Antrag des Betroffenen möglich.
4 Einrichtung einer Betreuung gegen den Willen des Betroffenen nur,
wenn dieser krankheitsbedingt zu freier Willensbestimmung nicht
mehr in der Lage ist
4 Betreuerbestellung nur für Aufgabenbereiche, in denen eine Betreuung
notwendig ist (anderen, privaten oder öffentlichen Hilfen gegenüber
nachrangig)
4 Typische Aufgabenbereiche
5 Aufenthaltsbestimmung
5 Gesundheitsfürsorge
5 Vermögenssorge
5 Wohnungsangelegenheiten
5 Vertretung gegenüber Behörden
> Höchstpersönliche Willenserklärungen (z. B. Testamentserrichtung,
Eheschließung) sind grundsätzlich von der Betreuung ausgeschlos-
sen, dies können die Betroffenen weiter selbst bestimmen. Der
Betreuer hat die Wünsche des Betreuten zu berücksichtigen und
immer in dessem Sinne zu handeln.
> Bei gefährlichen ärztlichen Eingriffen, Unterbringung auf einer Eigene Notizen
geschlossenen Station oder vergleichbaren Einrichtung oder bei
unterbringungsähnlichen Maßnahmen wie Fixierungen ist neben
der Zustimmung des Betreuers zusätzlich die Genehmigung des
Betreuungsgericht notwendig!
3.1.2 Einwilligungsfähigkeit
Definition
Fähigkeit, rechtswirksam in eine ärztliche Maßnahme einzuwilligen, was
voraussetzt, dass der Betroffene Art, Bedeutung und Tragweite der ärzt-
lichen Maßnahme versteht und nach dieser Einsicht entscheiden kann.
Eigene Notizen ten, d. h. wenn keine Zeit bleibt, die Entscheidung des Betreuers/
Bevollmächtigten/Gerichts abzuwarten, kann der Arzt auch ohne
Einwilligung die aus seiner Sicht notwendigen und dem mutmaß-
lichen Willen des Patienten entsprechenden Maßnahmen lege artis
durchführen (rechtfertigender Notstand).
3
3.1.3 Geschäftsunfähigkeit
3.2.1 Schuldfähigkeit
Definition
§ 20 StGB. Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen: Ohne
Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften see-
lischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder
wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartig-
keit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Ein-
sicht zu handeln.
§ 21 StGB. Verminderte Schuldfähigkeit: Ist die Fähigkeit des Täters,
das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln,
aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei der Begehung der Tat er-
heblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Eigene Notizen > Die 4 Eingangsmerkmale sind rein juristische Termini, die sich
nicht mit der psychiatrischen Nomenklatur decken.
Die verwendeten Begriffe sind historisch zu verstehen und im
medizinischen Sinne teilweise obsolet (z. B. »Abartigkeit«).
3.3 Unterbringungsrecht
3.3.2 Zivilrechtliche/betreuungsrechtliche
Unterbringung (§ 1906 BGB)
Eigene Notizen 5 die Unterbringung ist zur Durchführung einer notwendigen Unter-
suchung, Heilbehandlung oder eines notwendigen ärztlichen Ein-
griffs erforderlich, und der Patient kann aufgrund seiner Erkran-
kung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder
nicht nach dieser Einsicht handeln
3 5 Betreuer mit dem Aufgabenkreis »Aufenthaltsbestimmung« ist be-
stellt (oder es gibt einen entsprechenden Bevollmächtigten), der die
Unterbringung beantragt (ansonsten: Einrichtung einer Eilbe-
treuung oder das Betreuungsgericht selbst kann im Rahmen einer
»einstweiligen Maßregel« die Unterbringung verfügen)
5 Genehmigung der Unterbringung durch das Betreuungsgericht
(kann unverzüglich nachgeholt werden, wenn mit dem Aufschub
der Unterbringung eine Gefahr für Gesundheit und Leben des Be-
troffenen droht)
4 Unterbringungsähnliche Maßnahmen (Fixierungen, Bettgitter, sedie-
rende und primär auf die Ruhigstellung des Patienten ausgerichtete
Medikamente) sind unter denselben Voraussetzungen zulässig wie die
Unterbringung
5 Richterlich genehmigungspflichtig, wenn sie über einen längeren
Zeitraum oder regelmäßig erfolgen
> Die Freiräume des Patienten und die Flexibilität der Behandlung
sind bei der zivilrechtlichen im Vergleich zur landesrechtlichen
Unterbringung größer. Der zeitliche Aufwand für die Einrichtung
einer Betreuung ist jedoch höher.
3.4 Sozialrecht
3.4.1 Erwerbsminderung
3 Definition
Simulation: bewusstes Vortäuschen nicht vorhandener somatischer
oder psychischer Krankheitssymptome bzw. ihre absichtliche Herbeifüh-
rung.
Aggravation: bewusst übertriebenes Betonen vorhandener Krankheits-
symptome.
Definition
Fahrtüchtigkeit: Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs zu einem kon-
kreten Zeitpunkt.
Definition
Fahreignung: generelle, nicht auf eine bestimmte Situation bezogene
Fähigkeit einer Person zum Führen von Fahrzeugen.
3.5 · Fahreignung und Fahrtüchtigkeit
51 3
4 Psychopharmakotherapie
4.1 Antidepressiva – 56
4.1.1 Tri-/tetrazyklische Antidepressiva – 57
4.1.2 Monoaminoxidase-Inhibitoren (MAO-Hemmer) – 58
4.1.3 Selektive Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) – 59
4.1.4 Selektive Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SNRI) – 60
4.1.5 Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren
(SSNRI) – 60
4.1.6 Alpha-2-Antagonisten – 61
4.1.7 Noradrenalin-Dopamin-Rückaufnahme-Inhibitoren (NDRI) – 61
4.1.8 Johanniskraut-Extrakte (Phytopharmaka) – 61
4.1.9 Wirksamkeit der Antidepressiva – 62
4.1.10 Kontraindikationen für Antidepressiva – 62
4.3 Antipsychotika – 66
4.3.1 Konventionelle Antipsychotika – 67
4.3.2 Atypische Antipsychotika – 68
4.3.3 Nebenwirkungen der Antipsychotika – 69
4.3.4 Kontraindikationen für Antipsychotika – 72
4.3.5 Depot-Antipsychotika – 72
4.4 Benzodiazepine – 73
4.5 Nichtbenzodiazepin-Hypnotika – 74
4.6 Nichtbenzodiazepin-Anxiolytika – 75
4.1 Antidepressiva
4 Präparate
5 Reboxetin zur Behandlung depressiver Störungen
5 Atomoxetin, zugelassen zur Behandlung der ADHS im Kindes- und
Jugendalter
4 Wirkmechanismus: selektive Blockierung präsynaptischer Noradre-
nalintransporter
4 Vor allem adrenerge Nebenwirkungen, insbesondere
5 Miktionsstörungen, Harnverhalt
5 Mundtrockenheit
5 Obstipation
5 Verstärktes Schwitzen
5 Tachykardie
5 Innere Unruhe mit Schlaflosigkeit
4.1.6 Alpha-2-Antagonisten
4 Präparat: Mirtazapin
4 Noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum (NaSSA)
5 Zentral wirksamer präsynaptischer α2- (schwächer auch α1-) Anta-
gonist → indirekte Verstärkung der Freisetzung von Noradrenalin
und Serotonin
5 Zusätzliche antagonistische Effekte auf postsynaptische 5HT2- und
5HT3-Rezeptoren → relativ höhere Stimulierung von 5HT1-Rezep-
toren → Verminderung unerwünschter serotonerger Nebenwir-
kungen
4 Außerdem sedierende Wirkung über Blockade von H1-Rezeptoren
4 Relativ gut verträglich; wesentliche Nebenwirkungen:
5 Müdigkeit, Sedierung (häufig erwünscht)
5 Teilweise erhebliche Gewichtszunahme
4.1.7 Noradrenalin-Dopamin-Rückaufnahme-Inhibitoren
(NDRI)
4 Präparat: Bupropion
4 Kombinierter Noradrenalin- und Dopamin-Rückaufnahmehemmer
4 Häufige Nebenwirkungen
5 Mundtrockenheit
5 Schlaflosigkeit
5 Kopfschmerzen
5 Gastrointestinale Störungen
5 Appetitlosigkeit ( ! Cave kein Einsatz bei Patienten mit Anorexia
oder Bulimia nervosa!)
5 Kann dosisabhängig die Krampfschwelle senken ( ! Cave Kein
Einsatz bei Patienten mit zerebralem Krampfleiden!)
4 Zugelassen auch zur Raucherentwöhnung
4
4.1.9 Wirksamkeit der Antidepressiva
4.2.2 Carbamazepin
4 4.2.4 Lamotrigin
4.3 Antipsychotika
Sedierung
4 Sedierende Wirkung v. a. durch H1- und α1-Antagonismus
4 Bei nieder- und mittelpotenten konventionellen Antipsychotika ge-
wünschter Effekt; bei einigen Atypika (Clozapin, Quetiapin, Olanzapin)
ebenfalls vorhanden
4 Stehen sedierende Effekte im Vordergrund: Klassifizierung bzw. Einsatz
auch als Hypnotikum
Herzrhythmusstörungen
4 Durch direkte Wirkungen auf Natrium- und Kaliumkanäle des kardi-
alen Reizleitungssystems
5 QTc-Zeit-Verlängerungen (v. a. für Sertindol, Thioridazin und
Ziprasidon beschrieben)
5 Selten auch Torsades-de-pointes-Syndrom und plötzlicher Herztod
(Risiko substanz- und dosisabhängig um das 2- bis 3-fache erhöht,
höchstes Risiko für Thioridazin)
4 Arrhythmogenes Potenzial auch durch anticholinerge Effekte
> Wichtig sind EKG-Kontrollen bei Antipsychotikabehandlung.
Weitere Herz-Kreislauf-Risiken
4 Orthostatische Dysregulationen mit reflektorischer Tachykardie v. a. bei
Substanzen mit α1-antagonistischen Effekten (Thioridazin, Olanzapin,
Clozapin)
4 Selten antipsychotikainduzierte Myokarditiden und Kardiomyopathien
(v. a. bei Clozapin)
4 Erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheit (u. a. via metabolischem
Syndrom)
4.3 · Antipsychotika
71 4
Stoffwechselstörungen Eigene Notizen
4 Gewichtszunahme, v. a. bei Clozapin, Olanzapin
4 Erhöhtes Risiko für metabolische Störungen (Adipositas, Diabetes mel-
litus, Lipidstörungen)
> Regelmäßige Kontrolle von Gewicht und Bauchumfang!
Leberfunktionsstörungen
4 Transaminasenerhöhungen und Erhöhungen der alkalischen Phospha-
tase (v. a. bei Clozapin, Phenothiazinen und Thioxanthenen)
Blutbildveränderungen
4 Antipsychotika-induzierte Störung der Leukopoese → Leukopenie,
Agranulozytose (selten)
4 Treten meist innerhalb der ersten 18 Behandlungswochen nach Eindo-
sierung auf
> Agranulozytosen v. a. unter Clozapin auftretend.
Zentralnervöse Komplikationen
4 Auslösung von deliranten Syndromen (v. a. bei zerebraler Vorschädi-
gung), insbesondere durch anticholinerge Effekte
4 Viele Antipsychotika senken die Krampfschwelle
Weitere Nebenwirkungen
4 Für die meisten Antipsychotika sind allergische, dermatologische und
ophthalmologische Nebenwirkungen beschrieben
72 Kapitel 4 · Psychopharmakotherapie
4.3.5 Depot-Antipsychotika
4 Wirkungen
5 Sedierung
5 Schlafinduktion
5 Anxiolyse
5 Muskelrelaxation (→ Sturzgefahr, v. a. bei Älteren)
5 Antiepileptischer Effekt
4 Indikationsgebiete
5 Schlaflosigkeit
5 Akute Erregungszustände (wenn nicht intoxikationsbedingt)
5 Angsterkrankungen
5 Somatoforme Störungen
5 Depressive und manische Erkrankungen
5 Schizophrene Erkrankungen
5 Stupor
5 Alkohol- und Benzodiazepinentzugssyndrome
5 Delir
5 Zerebrale Krampfanfälle
4 Einteilung anhand der Wirksamkeitsdauer (Eliminationshalbwertszeit
t1/2) in 3 Gruppen
5 Lang wirksame Benzodiazepine: z. B. Diazepam (t1/2 20–40 h)
5 Mittellang wirksame Benzodiazepine: z. B. Lorazepam (t1/2 8–24 h),
Oxazepam (t1/2 4–15 h)
5 Kurz wirksame Benzodiazepine: z. B. Triazolam (t1/2 1,5–5 h)
4 Abbau der meisten Benzodiazepine (ausgenommen Lorazepam, Oxa-
zepam, Temazepam) durch CYP3A4 (und CYP2C19) → verlängerte
Eliminationshalbwertszeit durch CYP3A4-Inhibitoren
4 Bei älteren Patienten (→ verlangsamter Metabolismus), gestörter Leber-
funktion, Kombination mit CYP3A4-Inhibitoren und lang wirksamen
Benzodiazepinen → starke Kumulationsneigung
4 Nebenwirkungen
5 Hohes Abhängigkeits- und Toleranz-Risiko (häufig Niedrigdosis-
abhängigkeit, 7 Kap. 19), gilt v. a. für Präparate mit kurzer Halb-
wertszeit
> Keine Eignung als Dauermedikation (Einnahme nicht länger als
4–6 Wochen) wegen Missbrauchs- und Abhängigkeitsrisiko. Keine
ambulante Verschreibung bei bekannter Abhängigkeitsanam-
nese. Größte Zurückhaltung bei chronischen Erkrankungen, die
eine langfristige Therapie erforderlich machen.
5 Sedierung (kann erwünscht oder unerwünscht sein), evtl. hang-
over mit Tagesmüdigkeit, eingeschränktem Reaktionsvermögen
74 Kapitel 4 · Psychopharmakotherapie
4 Wichtige Kontraindikationen
5 Akute Intoxikationen mit zentral dämpfenden Substanzen
5 Chronische Ateminsuffizienz (z. B. Schlafapnoesyndrom, obstruk-
tive Atemwegserkrankungen)
5 Myasthenia gravis (aufgrund der muskelrelaxierenden Wirkung der
Benzodiazepine)
5 Akutes Engwinkelglaukom
5 Stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen (außer Alkohol- und
Benzodiazepinentzugssyndrome)
4.5 Nichtbenzodiazepin-Hypnotika
4 Präparat: Buspiron
4 Wirkmechanismus: partieller Agonist an serotonergen 5HT1A-Rezep-
toren
4 Keine Toleranz- und Abhängigkeitsentwicklung
4 Keine sedierenden und muskelrelaxierenden Wirkungen
4 Nachgewiesene Wirksamkeit für die generalisierte Angststörung
4 Insgesamt relativ günstiges Nebenwirkungsprofil
5 Übelkeit
5 Schwindel
5 Kopfschmerz
5 Gelegentlich Agitiertheit und Schlafstörungen
4 ! Cave Kein sofortiger Wirkeintritt wie bei Benzodiazepinen!
4.7.1 Acetylcholinesterase-Hemmer
4.7.2 Glutamatmodulatoren
4 Präparate: z. B. Memantin
4 Spannungsabhängige, nichtkompetitive Antagonisten an NMDA-Re-
zeptoren → Erniedrigung der Glutamatkonzentration
76 Kapitel 4 · Psychopharmakotherapie
4 4.8 Stimulanzien
4.8.1 Methylphenidat
4 Symptomatik
5 Trias aus Fieber, neuromuskulären Symptomen (Myoklonien, Tre-
mor, Hyperreflexie, Hyperrigidität) und psychischen Auffälligkeiten
(Verwirrtheit, Desorientiertheit, Bewusstseins- und Aufmerksam-
keitsstörungen, z. T. Erregungszustände)
5 Häufig auch gastrointestinale Beschwerden, Flush-Symptomatik
5 Vital bedrohliche Komplikationen: Herzrhythmusstörungen, epi-
leptische Anfälle, Koma, Multiorganversagen, Verbrauchskoagu-
lopathie
4 Ursache: serotonerge Überaktivität, meist aufgrund einer kontraindi-
zierten Kombinationstherapie oder zu hoher Dosen serotonerg wir-
kender Substanzen (SSRI, TZA, Venlafaxin, MAO-Hemmer, Trypto-
phan u. a.)
4 Auftreten der Symptome meist innerhalb von 24 h nach Substanzein-
nahme
4 Notfalltherapie
> Potenziell lebensbedrohliche Erkrankung: stationäre Überwachung.
5 Sofortiges Absetzen der Medikation (in 90% der Fälle ausreichend)
und ggf. symptomatische Therapie mit Kühlung und Volumensubs-
titution
5 Bei Persistenz (selten): Cyproheptadin (Serotonin- und Histamin-
Antagonist); bei Komplikationen intensivmedizinische Therapie
4 Symptome
5 Zentrale Symptomatik
J Agitierte Verlaufsform: delirante Symptomatik, Verwirrtheit,
Desorientiertheit, Unruhe, Halluzinationen (v. a. optische), evtl.
Krampfanfälle
J Sedative Verlaufsform: Somnolenz bis hin zum Koma
5 Periphere Symptomatik: trockene Haut und Schleimhäute infolge
verminderter Schweiß-, Schleim- und Speicheldrüsensekretion,
Hyperthermie, Mydriasis, Harnverhalt, Obstipation, Tachykardie,
Gesichtsröte als Ausdruck einer Vasodilatation
80 Kapitel 4 · Psychopharmakotherapie
5 Psychotherapie
5.1 Psychotherapeutische Ansätze – 82
5.2 Verhaltenstherapie – 83
5.2.1 Grundprinzipien der Verhaltenstherapie – 83
5.2.2 Traditionelle lerntheoretische Modelle – 83
5.2.3 Kognitive Verhaltenstherapie – 84
5.2.4 Verhaltenstherapeutische Diagnostik – 85
5.2.5 7-Phasen-Modell des verhaltenstherapeutischen Prozesses – 85
5.2.6 Expositionsverfahren/Konfrontationsverfahren – 86
5.2.7 Operante Verfahren – 86
5.2.8 Kognitive Verfahren – 87
5.2.9 Aufbau von Kompetenzen – 88
5.4 Gesprächspsychotherapie – 93
5.6 Entspannungsverfahren – 94
5.7 Biofeedback – 94
5.8 Psychoedukation – 95
Eigene Notizen 4 Wirksamkeit von Psychotherapie gilt für viele psychische Erkrankungen
als erwiesen
4 Faktoren, die auf das Behandlungsergebnis Einfluss nehmen können
5 Therapiemethode
5 Patienten- und Therapeutenmerkmale
5 Therapeutische Beziehung
5 Externe bzw. soziokulturelle Kontextfaktoren
Therapeut Haltung des Thera- Haltung des Thera- Haltung des Thera-
peuten: strukturie- peuten: neutral-in- peuten: »non-direk-
rend; different; tiv«, wertschätzend,
Therapeut als Be- Therapeut als »Pro- empathisch, kon-
rater und Planer jektionsfläche« für gruent;
das Seelenleben des Therapeut als Be-
Patienten gleiter auf dem Weg
zur Selbstexploration
und Selbstverwirk-
lichung
5.2 · Verhaltenstherapie
83 5
> Die Entwicklung der Psychotherapie geht dahin, die verschie- Eigene Notizen
denen Psychotherapieformen indikationsbezogen und auf den
individuellen Patienten abgestimmt kombiniert einzusetzen und
den alten Schulenstreit (v. a. zwischen psychoanalytischen Ver-
fahren und Verhaltenstherapie) zu überwinden → allgemeine Psy-
chotherapie und störungsspezifische Psychotherapie.
5.2 Verhaltenstherapie
4 Seit den 60er- und 70er-Jahren auch Einbeziehung von mehr intrapsy-
chischen, nicht direkt beobachtbaren Prozessen im Individuum
4 Erweiterung der traditionellen Verhaltenstherapie um Ansätze, die
menschliche Informationsverarbeitungsprozesse zur Erklärung des Ver-
haltens miteinbeziehen sowie sozialpsychologischer Lerntheorien (»kog-
nitive Revolution«/»kognitive Wende«), kognitiv-behaviorale Therapie
4 Lernen am Modell (sozial-kognitive Lerntheorie von A. Bandura)
5 Lernen durch Beobachtung Anderer (auch Beobachtungslernen,
Imitationslernen, Modelllernen)
5 Ermöglicht den Aufbau neuer Verhaltensweisen, die noch nicht im
Verhaltensrepertoire vorhanden sind und die Modifizierung kom-
plexer Verhaltens- und Reaktionsweisen, aber auch den Erwerb von
Normen, Wertvorstellungen und Einstellungen
5 Entscheidend hierbei sind Prozesse wie Motivation, Aufmerksam-
keit, selektive Speicherung im Gedächtnis und motorische Repro-
duzierbarkeit
5 Im therapeutischen Kontext können Therapeut, aber auch andere
Mitpatienten in Gruppentherapien als Modell dienen
> Lernen am Modell ist ein wichtiges Element beim sozialen Kompe-
tenztraining sowie bei Rollenspiel-Übungen.
4 Kognitive Modelle
5 Erklären Verhalten als Resultat überdauernder Vorstellungen,
Wahrnehmungen oder Denkmuster
5 Versuchen, dysfunktionale Wahrnehmungs- und Denkprozesse zu
verändern, z. B. mittels
J Analyse automatischer Gedanken
J Reattribuierung (Ersetzen dysfunktionaler Kognitionen durch
angemessenere Kognitionen)
J Selbstinstruktionen
5 Beispiele kognitiver Techniken: Selbstinstruktionsverfahren, ratio-
nal-emotive Therapie (nach A. Ellis), kognitive Therapie (nach
A.T. Beck)
5.2 · Verhaltenstherapie
85 5
5.2.4 Verhaltenstherapeutische Diagnostik Eigene Notizen
SORCK-Modell
4 Annahme: Verhalten entwickelt sich aus dem Einwirken situativer/so-
zialer Reize (Stimuli: S), die unter bestimmten individuellen Bedin-
gungen (Organismus: O) zu bestimmten Reaktionen (Reaktion: R) füh-
ren; in Abhängigkeit von Kontigenzverhältnis (C) und Konsequenz (K)
formt sich entsprechendes Verhalten
5 S: Stimulus (Reize, Situationen)
5 O: Organismus (biologisch-somatische Faktoren, Kognitionen)
5 R: Reaktionen (emotional, kognitiv, motorisch, physiologisch)
5 C: Kontingenz (contingency; Zusammenhänge zwischen Reaktion
und Konsequenz, Verstärkungsplan)
5 K: Konsequenzen (kurzfristig und langfristig)
4 Herausarbeitung der für Reizeinwirkung, Verstärkung und Konditio-
nierung verantwortlichen Bedingungen und damit einhergenden Kog-
nitionen
4 Patient setzt sich Situationen aus, die für ihn stark angstbesetzt sind und
soll diese bis zum Rückgang der Angst »ertragen«, um die Erfahrung zu
machen, dass die Angst wieder verschwindet und die gefürchteten Kon-
sequenzen ausbleiben
4 Konfrontationsverfahren werden v. a. angewandt bei Angst- und
Zwangserkrankungen
4 Durchführung in massierter oder graduierter Form und in vivo (Reiz-
konfrontation in der Realität) oder in sensu (Reizkonfrontation in der
5 Vorstellung)
Expositionsverfahren
4 Systematische Desensibilisierung
5 Basiert auf dem Prinzip der reziproken Hemmung (Angst kann
durch Entspannung antagonisiert werden → Gegenkonditionie-
rung)
5 Vorbereitend Erarbeitung einer Angsthierarchie und Einübung
einer Entspannungstechnik (z. B. Progressive Muskelrelaxation)
5 Schrittweise Heranführung des Patienten an angstauslösende Ob-
jekte oder Situationen im tiefentspannten Zustand, zunächst in der
Vorstellung (in sensu), evtl. später auch in der Realität (in vivo);
angefangen wird mit dem am wenigsten aversiven Reiz
4 Flooding (Reizüberflutung): Reizkonfrontation in der Realität direkt
in höchster Intensität
4 Implosion: Konfrontation mit Angststimuli nur in der Vorstellung, je-
doch in voller Intensität und z. T. ins Unrealistische übersteigert
4 Habituationstraining: abgestufte Reizkonfrontation in der Realität, im
Sinne einer Annäherungshierarchie
4 Topographisches Modell
5 Unterscheidung von Bewusstsein, Vorbewusstsein und Unterbe-
wusstsein (Unterbewusstsein = Sitz der Triebe; wird nur unter be-
stimmten Umständen bewusst, z. B. beim »Sich-versprechen«, in
Träumen)
4 Instanzen-/Strukturmodell
5 Es: unbewusste Triebe und Impulse; handelt nach dem »Lustprin-
zip« (sofortige Bedürfnisbefriedigung)
90 Kapitel 5 · Psychotherapie
5.3.2 Therapie
Eigene Notizen 4 Regression und Übertragung sind erwünscht, damit Konflikte erkannt
und gedeutet werden können; Patient kann frühere Konflikte erneut
durchleben und mit Hilfe des Therapeuten adäquat lösen
4 Widerstände: Übertragungen und Regressionen erwecken Ängste, die
innere Widerstände als Abwehrprozesse auslösen
5 Widerstände richten sich v. a. gegen das Bewusstwerden unange-
nehmer Inhalte
5 Widerstandsphänomene: z. B. Patient vermeidet unangenehme
Themen oder Affekte, kann sich nicht erinnern, versäumt Therapie-
stunden
5 4 Analyse von Übertragungen und Widerständen als Manifestationen des
Unbewussten
4 Gegenübertragung: Empfindungen, die der Patient beim Therapeuten
auslöst bzw. spezifische Reaktionen des Therapeuten auf eine ihm entge-
gengebrachte Übertragung (Therapeut muss sich dieser bewusst sein
und sie zu deuten wissen; liefern wertvolle diagnostische Erkenntnisse)
4 Abstinenzregel: Therapeut bleibt neutral, vermeidet Ratschläge oder
Handlungen, Kontakt mit Patienten bleibt auf Therapiesitzungen be-
schränkt → soll bewirken, dass Übertragungen und Gegenübertra-
gungen sich ungestört entwickeln können
4 Wichtigste therapeutische Intervention ist die Deutung: Therapeut deckt
die im Unterbewusstsein verborgenen Konflikte auf, indem er Inhalte der
freien Assoziation, das unmittelbare Verhalten gegenüber dem Thera-
peuten, Träume, Kindheitserinnerungen und Versprecher deutet
4 Langzeittherapie (klassische Psychoanalyse: mehrmals pro Woche über
Jahre)
4 Psychodynamische Therapien als Modifikationen der klassischen Psy-
choanalyse: Unterscheiden sich z. B. durch Verminderung der Thera-
piestundenfrequenz, Begrenzung der Behandlungsdauer, Therapie im
Sitzen statt im Liegen
5 Zum Beispiel Fokaltherapie als tiefenpsychologisch orientierte
Kurztherapie: Ausrichtung auf einen Hauptkonflikt/-fokus
4 Weitere psychoanalytische Schulen: Individualpsychologie nach A. Ad-
ler, analytische Psychologie nach C.G. Jung, Existenzanalyse (Logothe-
rapie) nach V. Frankl (wichtige Intervention der Logotherapie: paradoxe
Intervention = Patient soll genau das anstreben, wovor er Angst hat bzw.
was er vermeiden will)
> Psychoanalytische Therapien zielen darauf ab, unbewusste Kon-
flikte aufzudecken, durch Deutung des Therapeuten aufzulösen,
dem Patienten so Einsicht in die Ursachen seines Leidens zu ge-
ben und dem Patienten eine Nachreifung der Persönlichkeit zu er-
möglichen.
S. Freud: »Wo Es ist, soll Ich werden« → verdrängte Triebkon-
flikte sollen aufgedeckt und die Triebe besser in das Ich integriert
und von diesem beherrscht werden.
4 Betrachten eines Paares bzw. der Familie als System, das essenzielle Be-
deutung für die Entwicklung eines Individuums innerhalb dieses
Systems hat
4 Psychische Erkrankung eines Individuums wird als Manifestation einer
gestörten Interaktion innerhalb des gesamten Systems betrachtet, nicht
als individuelles Problem
94 Kapitel 5 · Psychotherapie
Eigene Notizen > Annahme: Probleme zeigen sich zwar beim Individuum, haben
dort aber nicht ihre primäre Ursache.
4 Systeme weisen eine Eigendynamik auf und organisieren sich selbst;
selbstorganisierte Systeme können von außen (vom Therapeuten) ange-
stoßen werden, um eine angemessenere, befriedigendere Organisa-
tionsform zu finden
4 Therapeut als »Gesprächsmoderator«
4 Ziel: Aufdecken und Verändern dysfunktionaler Denkmuster eines oder
mehrerer Systemmitglieder sowie von Beziehungsstörungen, indem
neue Denkmöglichkeiten v. a. durch das systemische Fragen (zirkuläre
5 Fragen: der Befragte soll die Perspektive eines Dritten einnehmen, z. B.
was glaubt Person A wie Person B sich fühlt) erzeugt werden
5.6 Entspannungsverfahren
5.7 Biofeedback
5.8 Psychoedukation
6 Weitere Therapieformen
6.1 Elektrokrampftherapie – 98
6.2 Lichttherapie – 99
6.1 Elektrokrampftherapie
6.2 Lichttherapie
6.4 Physiotherapie
Eigene Notizen 5 Nachtklinik: Patienten schlafen nur nachts in der Einrichtung und
gehen tagsüber einer regelmäßigen Beschäftigung nach
4 Ambulante Versorgung durch niedergelassene Fachärzte, Institutsam-
bulanzen, Tageszentren, sozialpsychiatrischen Dienst
6.5.3 Rehabilitation
7 Schizophrenie
104 Kapitel 7 · Schizophrenie
Ätiologie
4 Multifaktorielle Genese
5 Genetische Einflüsse (genetische Disposition ca. 50%)
5 Prä- und perinatale Einflüsse und Komplikationen oder frühkind-
liche Hirnschädigung
5 Psychosoziale Einflüsse
5 Drogenkonsum
4 Äthiopathogenetisches Modell: Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Mo-
dell
5 Auf Basis subklinischer Vulnerabilität (Disposition) für die Krank-
heitsmanifestation können Stressoren (Auslöser) bei nicht ausrei-
chenden Bewältigungsmöglichkeiten (Coping) zur manifesten Er-
krankung führen
5 Berücksichtigung neurobiologischer, psychologischer und sozialer
Faktoren
5 Vulnerabilitätsfaktoren: genetische und nicht-genetische Einflüsse
(z. B. Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Virusinfek-
tion, Drogenkonsum der Mutter, schizotype Persönlichkeitsmerk-
male, verminderte kognitive Informationsverarbeitungsgeschwin-
digkeit); Grundlagen der Vulnerabilität wahrscheinlich strukturelle
und funktionelle zerebrale Veränderungen
J Erweiterung der Ventrikelräume
J Hirnsubstanzminderung, besonders in fronto-temporalen Regio-
nen; verminderte zerebrale Asymmetrie
J Vor allem dopaminerge Funktionsstörungen (aber auch Stö-
rungen anderer Transmitter)
J Funktionelle Dysregulation, v. a. im limbischen System
7 · Schizophrenie
105 7
Epidemiologie
4 Lebenszeitprävalenz der Schizophrenie weltweit: ca. 1%
4 Lebenszeitrisiko für Angehörige schizophren Erkrankter: Geschwister
ca. 10% (monozygote Zwillinge bis ca. 50%), Kinder ca. 10–30% (bei 2
betroffenen Elternteilen bis ca. 50%)
4 Prävalenzraten der Schizophrenie variieren weltweit zwischen ca. 2 und
4 Betroffene pro 1000 Einwohner
4 Morbiditätsrisiko höher
5 In städtischen Gebieten
5 Bei Migrationshintergrund
5 Bei Personen, die während der Wintermonate geboren wurden
5 Bei Alleinstehenden
5 Bei niedrigem sozioökonomischem Status (Diskussion, ob dies auf
soziale Mitverursachung oder sozialen Abstieg der Betroffenen –
»social drift« – rückführbar ist)
4 Erkrankungsbeginn meist zwischen 15. und 35. Lebensjahr; Unter-
schied zwischen den Geschlechtern: Männer erkranken bis zu 5 Jahre
früher als Frauen (aber kein Geschlechtsunterschied hinsichtlich Er-
krankungshäufigkeit)
4 Hohe Mortalität und Suizidalität (ca. 10% der Ersterkrankten unterneh-
men innerhalb eines Jahres nach Krankheitsmanifestation einen Suizid-
versuch)
4 Fremdaggressivität überschätzt (wenn diese auftritt, sind häufig Ange-
hörige betroffen)
4 Hohe Komorbidität mit Suchterkrankungen (höchste Komorbidität),
Depressionen sowie mit somatischen Erkrankungen (v. a. kardiovasku-
läre, respiratorische oder Infektionskrankheiten)
Klinik
> Störungen von Konzentration und Aufmerksamkeit, inhaltliche
und formale Denkstörungen, Störungen der Ich-Funktion, der
Wahrnehmung, des Antriebs und der Psychomotorik sowie der
Affektivität (Bewusstsein und Orientierung sind i. d. R. nicht be-
troffen).
106 Kapitel 7 · Schizophrenie
Diagnostik
4 Differenzialdiagnostische Abklärung
5 Schizotype Störung (7 Kap. 17): Störung mit exzentrischem Verhal-
ten und Auffälligkeiten des Denkens und der Stimmung, die schizo-
phren wirken, aber Fehlen hinreichender charakteristischer schizo-
phrener (Produktiv-)Symptome; chronischer Verlauf, gelegentlich
Entwicklung einer Schizophrenie
J Konzeptuell unklarer Begriff; wird z. T. im Sinne einer Prodro-
malsymptomatik oder einer leichter verlaufenden Krankheits-
ausprägung gesehen, z. T. aber auch den Persönlichkeitsstörungen
7 zugerechnet
5 Paranoide Persönlichkeitsstörung (7 Kap.17)
5 Anhaltende wahnhafte Störungen: Wahnentwicklung als wesent-
liches psychopathologisches Symptom; flüchtige Halluzinatio-
nen, sonstige Symptome der Schizophrenie fehlen; manchmal
depressive Symptome; chronische Verlaufstendenz (Dauer min-
destens 3 Monate)
J Wahnthemen sind – im Gegensatz zur Schizophrenie – nicht so
bizarr (nicht so ungewöhnlich und unverständlich)
J In der Regel stabiler monothematischer Wahn
J Typische Wahnthemen: Verfolgungswahn, Eifersuchtswahn, Lie-
beswahn, hypochondrischer Wahn, dysmorphophober Wahn,
querulatorischer Wahn, Größenwahn
J Oft vorausgehendes längerdauerndes Stadium mit überwertigen
Ideen und einzelnen Wahnideen
J Erkrankungsbeginn meist im mittleren bis späten Erwachsenen-
alter; soziales Funktionsniveau i. d. R. weniger beeinträchtigt als
bei Schizophrenie
J Häufig schlechteres Therapieansprechen
5 Induzierte wahnhafte Störung (»folie à deux«): Wahnbildung, bei
der eine Person in sehr engem Kontakt mit einem Erkrankten des-
sen Wahnvorstellungen übernimmt und sogar weiter ausbaut
5 Akute vorübergehende psychotische Störungen
J Akute polymorphe psychotische Störung: Psychose mit plötzlichem
Beginn (innerhalb von 2 Wochen) und rascher Rückbildung; rasch
wechselndes und unterschiedliches Erscheinungsbild (polymorph)
J Akute schizophrenieforme psychotische Störung: akuter Beginn
(innerhalb von 2 Wochen), Kriterien für Schizophrenie erfüllt,
aber Dauer der Symptome weniger als 1 Monat
5 Schizoaffektive Störung: gleichzeitiges Vorkommen (d. h. in dersel-
ben Krankheitsphase) eindeutig schizophrener und eindeutig affek-
tiver Symptome; schizoaffektive Episoden können mehr manisch,
mehr depressiv oder gemischt (manisch sowie depressiv) sein
7 · Schizophrenie
111 7
Pharmakotherapie
4 Wirkt primär auf die Produktiv-Symptomatik
4 Behandlung mit Antipsychotika: alle Antipsychotika sind D2-Antago-
nisten oder Partialagonisten
4 Mittel der Wahl: atypische Antipsychotika außer Clozapin (z. B. Ami-
sulprid, Aripiprazol, Olanzapin, Paliperidon, Quetiapin, Risperidon,
Sertindol, Ziprasidon)
5 Vor allem empfohlen für längerfristige Behandlungen, möglicher-
weise auch wirksam in Bezug auf Negativsymptomatik und kogni-
tive Beeinträchtigungen
5 ! Cave Atypikum Clozapin sollte erst bei Therapieresistenz ver-
7 schiedener anderer Antipsychotika oder sehr ausgeprägter Negativ-
symptomatik eingesetzt werden wegen Gefahr der Agranulozytose
(in ca. 1% der Fälle) und sonstiger Nebenwirkungen; keine Kombi-
nation von Clozapin mit Benzodiazepinen wegen Gefahr kardiovas-
kulärer Synkopen und/oder des Herzstillstands!
> Bevorzugung atypischer Antipsychotika gegenüber klassischen
Antipsychotika aufgrund vergleichbarer Wirkung auf Positiv-
symptomatik, überlegener Wirksamkeit auf Negativsymptomatik
und geringerer Rate extrapyramidalmotorischer Nebenwirkungen.
8 Affektive Störungen
116 Kapitel 8 · Affektive Störungen
Einteilung
4 ICD-10: Abgrenzung episodenhafter affektiver Störungen (manische
8 oder depressive Episode) von chronisch anhaltenden Störungen (Dys-
thymia/Zyklothymia); daneben Klassifizierung der Episoden im Rah-
men einer unipolaren oder bipolaren affektiven Störung
5 Depressive Episode
J Leicht/mittel/schwer
J Jeweils mit oder ohne psychotische Symptome
J Jeweils mit oder ohne somatische Symptome
5 Manische Episode
J Manie (jeweils mit oder ohne psychotische Symptome)
J Hypomanie
5 Rezidivierende depressive Störung (unipolar)
5 Bipolare affektive Störung (Depression und (Hypo-)Manie)
5 Anhaltende affektive Störungen (Zyklothymia, Dysthymia)
> Rezidivierende manische Episoden (mindestens 2 manische Epi-
soden) werden nach der ICD-10 auch als bipolare affektive Störung
klassifiziert.
Ätiologie
4 Gesicherte multifaktorielle Genese aus biologischen und psychosozi-
alen Faktoren
4 Genetische Disposition (insbesondere bei bipolarer affektiver Störung)
5 Erkrankungsrisiko der Kinder bei einem erkrankten Elternteil
für unipolare Depression ca. 10%, für bipolare affektive Störung
ca. 20%
5 Konkordanzrate für eineiige Zwillinge bei bipolarem Verlauf ca.
80%, bei unipolarem ca. 50%
4 Neurobiologische Hypothesen oder Befunde (diese können aber entwe-
der die Entstehung affektiver Erkrankungen nicht vollständig erklären,
sind experimentell teilweise nicht reliabel nachweisbar oder zeigen
keine Erkrankungsspezifität!)
8 · Affektive Störungen
117 8
Epidemiologie
4 Ca. 65% affektiver Störungen sind unipolare Depressionen (= nur de-
pressive Phasen), ca. 30% verlaufen bipolar, d. h. (hypo-)manische und
depressive Phasen; unipolare Manien sind selten (nur ca. 5% aller affek-
tiven Störungen)
4 Meistens phasenhafter, rezidivierender Verlauf (zeitlich umschriebene
Krankheitsepisoden mit gesunden Intervallen dazwischen)
Depression
4 Lebenszeitprävalenz ca. 17%
4 Punktprävalenz für unipolare Depression in Deutschland ca. 6%
4 Häufigkeitsgipfel der Erstmanifestation im 3. Lebensjahrzehnt; im
höheren Lebensalter häufigste psychische Erkrankung
4 Frauen etwa doppelt so häufig betroffen
4 Suizidalität hoch
5 Etwa ein Drittel depressiv Erkrankter unternehmen einen Suizid-
versuch
5 Suizidmortalität liegt je nach Patientenkollektiv und Erhebungs-
methodik bei bis zu 15%
> Immer Suizidalität erfragen und bei depressivem Syndrom jeder-
zeit damit rechnen!
8 · Affektive Störungen
119 8
Klinik
Depression
4 Störungen der Affektivität
5 Leitsymptom: depressive Verstimmung
5 Insuffizienzgefühle
5 Schuldgefühle
5 Hoffnungslosigkeit
5 Anhedonie
5 Verlust emotionaler Schwingungsfähigkeit
5 Gefühl »innerer Leere«, Gefühl der Gefühllosigkeit
5 Diffuse Ängste oder Zukunftsängste
5 Suizidgedanken/Suizidalität
4 Störungen des Antriebs und der Psychomotorik
5 Geminderte/gehemmte Antriebslage bis hin zum depressiven Stu-
por (bei agitierter Depression gesteigerte Psychomotorik)
5 Interessenverlust
5 Entscheidungsunfähigkeit
4 Störungen des Denkens
5 Denkhemmung
5 Eingeengtes, grübelndes Denken
5 Konzentrations- und Gedächtnisstörungen (→ »depressive Pseudo-
demenz«)
4 Psychotische Symptome: mögliches Auftreten synthymer (= stim-
mungskongruenter) – selten aber auch stimmungsinkongruenter –
Wahnideen und/oder Halluzinationen
120 Kapitel 8 · Affektive Störungen
> Die Einteilung des Schweregrads der Depression wird nicht über
die Tiefe der Niedergestimmtheit, sondern über die Anzahl be-
troffener Symptom-Cluster definiert.
Eigene Notizen 4 Im Anschluss an eine depressive Phase bei ca. 10% hypomane Nach-
schwankung, möglicherweise auch Umkippen in eine manische Phase
(kann u. U. durch antidepressive Therapie bedingt sein)
8
Manie
4 Hauptsymptom: Euphorisch gehobene oder gereizte Stimmung
4 Zusätzlich müssen mindestens 3 der folgenden Symptome für mindes-
tens 1 Woche vorliegen mit resultierenden Beeinträchtigungen sozialer
und beruflicher Funktionen (nach ICD-10)
5 Gesteigerte Aktivität (hoher Tätigkeitendrang, evtl. Kaufrausch mit
unüberlegten Geldausgaben, Abschließen von Verträgen ( ! Cave
Akute manische Episode bedingt i. d. R. Geschäftsunfähigkeit!)
5 Gesteigerte Gesprächigkeit, starker Rededrang (Logorrhö)
5 Ideenflucht (assoziativ gelockertes Denken), subjektives Gedanken-
rasen
5 Verlust sozialer Hemmungen, Distanzlosigkeit (reicht von Auf-
dringlichkeit bis zur Promiskuität)
5 Vermindertes Schlafbedürfnis
5 Größenwahn oder überhöhte Selbsteinschätzung
5 Ablenkbarkeit, andauernder Wechsel von Aktivitäten
5 Tollkühnes oder rücksichtsloses Verhalten
5 Gesteigerte Libido oder sexuelle Taktlosigkeit
4 Mit oder ohne psychotische Symptome
4 Keine Krankheitseinsicht in manischer Phase
4 Keine Tagesschwankungen wie bei Depression
4 Hypomanie: Leichte Ausprägung der Manie
4 Unipolare Manie (d. h. monophasisch) relativ selten; Auftreten ma-
nischer Phasen meistens im Rahmen einer bipolaren Störung
4 Durch unerwartet einschießende, nur kurze depressive Verstimmungen
sind auch manische Patienten suizidgefährdet
4 Komorbid besteht häufig vermehrter Alkoholkonsum und Drogenmiss-
brauch
8 · Affektive Störungen
123 8
Bipolare affektive Störungen Eigene Notizen
4 Anamnestisch liegen sowohl depressive als auch (hypo-)manische Epi-
soden vor (nicht notwendigerweise abwechselnd: gemischte Episode =
die meiste Zeit während einer Krankheitsepisode kommen sowohl
(hypo-)manische als auch depressive Symptome vor)
→ Vorkommen von mindestens 2 affektiven Episoden, davon mindes-
tens 1 (hypo-)manische Episode
4 Zwischen den Krankheitsepisoden liegen i. d. R. symptomfreie Inter-
valle
4 Untergruppen bipolarer Störungen (nach DSM-IV)
5 Bipolar Typ I: Depression und Manie wechseln
5 Bipolar Typ II: Depression und Hypomanie wechseln
4 Rapid cycling: sehr hochfrequente Verläufe: mehr als 4 depressive und/
oder (hypo-)manische Episoden pro Jahr
Diagnostik
4 Differenzialdiagnostischer Ausschluss
5 Somatogener oder substanzinduzierter Depression
J Endokrinologisch-metabolisch, z. B. Hypo-/Hyperthyreose,
Hypogonadismus, M. Cushing, M. Addison, Hypo-/Hyperpara-
thyreodismus, Akromegalie, Phäochromozytom, Urämie, Leber-
insuffizienz, Hypoglykämie, Diabetes mellitus, Porphyrie
J Infektionen, z. B. Meningitis
J Neoplasien (Hirntumor oder -metastasen)
J Kollagenosen, z. B. systemischer Lupus erythematodes
J Zerebrale Erkrankungen, z. B. M. Alzheimer, M. Parkinson, mul-
tiple Sklerose, Epilepsie
J Medikamente und andere Substanzen, z. B. Antihypertensiva
(v. a. β-Blocker, Clonidin), Steroide, Antibiotika, orale Kontrazep-
tiva, Antiarrhythmika, Benzodiazepine, Alkohol, Opioide
4 ! Cave Depressive Störung auch bei primär körperlichen Be-
schwerden in Betracht ziehen: Depressive klagen häufig über soma-
tische Beschwerden.
5 Somatogener oder substanzinduzierter Manie (z. B. durch Hyper-
thyreose, multiple Sklerose, Epilepsie, zerebrale Neoplasien, Anti-
124 Kapitel 8 · Affektive Störungen
Therapie
Unipolare Depression
4 In der Regel Kombination aus Psychopharmako- und Psychotherapie
(alleinige psychotherapeutische Behandlung ist möglich bei leichter bis
mittelgradiger Symptomatik und fehlender Selbstgefährdung, Kontra-
indikationen gegen antidepressive Pharmakotherapie, Ablehnung me-
dikamentöser Therapie durch den Patienten)
Psychopharmakotherapie
4 Psychopharmakologische Behandlung leichter Depressionen nicht
zwingend empfohlen
4 Bei mittelschweren und insbesondere akuten schweren depressiven Epi-
soden notwendiger Einsatz eines Antidepressivums
8 · Affektive Störungen
125 8
Nichtmedikamentöse Maßnahmen
4 Supportive Psychotherapie (verständnisvolles, stützendes ärztliches
Gespräch)
4 Kognitiv-behaviorale Therapie
5 Modifikation von Denkschemata
5 Schrittweiser Aufbau von Aktivitäten nach dem Verstärker-Prinzip
126 Kapitel 8 · Affektive Störungen
Manie
Akuttherapie
4 Pharmakotherapie
5 Lithium (Lithium-Monotherapie reicht wegen verzögertem Wir-
kungseintritt – ca. 1 Woche – und fehlender Sedierung für Akut-
therapie alleine nicht aus)
5 Antikonvulsiva: Valproinsäure, Carbamazepin
8 · Affektive Störungen
127 8
> Schon nach einer ersten manischen Episode sollte eine langfristi-
ge Phasenprophylaxe erwogen werden (Rückfallrisiko mit ca. 95%
sehr hoch!).
8
9
9 Angststörungen
130 Kapitel 9 · Angststörungen
Ätiologie
4 Komplexe, multifaktorielle Ätiologie (im Sinne eines Vulnerabilitäts-
Stress-Modells)
4 Genetische Disposition im Sinne erhöhter Vulnerabilität für Angstan-
fälligkeit
4 Individuelle Umweltfaktoren (z. B. Erziehung, traumatische Erfahrun-
gen, unsichere Bindungserfahrungen → ängstliche Grundpersönlichkeit)
4 Neurobiologische Faktoren: Fehlfunktion oder Überempfindlichkeit
des sog. Angstnetzwerks (zentrales Regulationsorgan: Amygdala) → Stö-
rung des Neurotransmitterhaushalts (eine wichtige Rolle spielen sero-
tonerges, noradrenerges, adenosinerges und GABA-System)
4 Lerntheoretische Modelle
5 Modelllernen (z. B. Ängste der Eltern)
5 Zwei-Faktoren-Theorie (klassische und operante Konditionierung)
9 zur Erklärung phobischer Angststörungen
J Entstehung: Kopplung eines angsterzeugenden Stimulus mit
einem zunächst neutralen Reiz (klassische Konditionierung)
J Aufrechterhaltung der Angststörung: Angst-/Spannungsabbau
durch Vermeidung des konditionierten Stimulus führt zur Ver-
stärkung des Vermeidungsverhaltens (operante Konditionie-
rung)
> Nicht alle Reize tauchen mit gleicher Wahrscheinlichkeit als phobi-
sche Objekte auf: bestimmte Reiz-Reaktionsverbindungen werden
leichter gelernt, weil sie biologisch vorbereitet sind (Preparedness-
Theorie).
4 Kognitive Modelle: dysfunktionale Wahrnehmungs- und Bewertungs-
muster, Fehlinterpretation eigener Körperempfindungen als gefährlich,
Unterschätzung eigener Handlungsmöglichkeiten in vermeintlich ge-
fährlichen/angstauslösenden Situationen
4 Psychoanalytische Modelle
5 Angsterregende Gegenstände haben Symbolcharakter
5 Phobie als Verschiebung bei einem unbewussten Konflikt: nicht ver-
meidbarer, bedrohlicher innerer Konflikt wird unbewusst transfor-
miert in eine ausweichbare äußere Bedrohung
5 Strukturmodell: massive Ich-strukturelle Schwäche, geringe Frustra-
tionstoleranz, d. h. starke Angst schon bei minimalen Belastungen
4 Organische Erkrankungen (v. a. das ZNS oder Herz-Kreislauf-System
betreffend), Medikamente und andere Substanzen (Nikotin, Alkohol)
können Einfluss auf Entstehung, Aufrechterhaltung und Verlauf einer
Angstsymptomatik nehmen
9 · Angststörungen
131 9
Epidemiologie Eigene Notizen
4 Gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen
4 Lebenszeitprävalenz insgesamt ca. 15%, Punktprävalenz der Angst-
störungen insgesamt ca. 7%
4 12-Monats-Prävalenz einzelner Störungen in Deutschland
5 Phobische Störungen ca. 8%
5 Generalisierte Angststörung: ca. 1,5%
5 Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie: ca. 4%
4 Frauen zu Männer = 2:1 (nur bei sozialer Phobie sind Männer häufiger
betroffen)
4 Erstmanifestationsalter
5 Spezifische Phobien: v. a. Kindheit
5 Soziale Phobie: v. a. Pubertät
5 Panikstörung und Agoraphobie: v. a. ab 20. Lebensjahr
5 Generalisierte Angststörung: 2 Erkrankungsgipfel (Adoleszenz und
40. Lebensjahr)
4 Verlauf der Angststörungen eher chronisch
4 Hohe Komorbidität mit depressiven Störungen sowie Alkohol- und
Medikamentenmissbrauch und der Angststörungen untereinander
Klinik
Agoraphobie
4 Im engen Wortsinn: »Platzangst«
4 Klinisch weiterreichende furchtinduzierende Situationen: deutliche und
anhaltende Furcht vor mindestens 2 der folgenden Situationen
5 Menschenmengen
5 Öffentlichen Plätzen
5 Allein Reisen
5 Reisen mit weiter Entfernung von zu Hause
4 Vermeidung der phobischen Situation
4 Psychische oder vegetative Symptome als primäre Manifestation der
Angst
4 Agoraphobie tritt häufig gemeinsam mit Panikattacken auf (Agora-
phobie mit Panikstörung)
Soziale Phobie
4 Auf bestimmte soziale Situationen beschränkte, intensive Angst
5 In relativ kleinen Gruppen (häufig in Gegenwart von fremden Men-
schen, Autoritätspersonen oder Menschen des anderen Geschlechts
besonders stark ausgeprägt)
5 In sozialphobischen Reizsituationen (Leistungs- und Interaktions-
situationen): z. B. beim Essen vor anderen Menschen, Sprechen in
der Öffentlichkeit, Zeigen von Leistungen in der Öffentlichkeit, Re-
klamationen in Geschäften, Betreten eines Raumes in dem bereits
andere Menschen sitzen
4 Auftreten körperlicher Symptome (Erröten, Zittern, Übelkeit, Harn-
drang)
4 Meist verbunden mit niedrigem Selbstwertgefühl
132 Kapitel 9 · Angststörungen
Spezifische Phobien
4 Angst ist auf ein bestimmtes Objekt oder eine umschriebene Situation
beschränkt
4 Ausgeprägte Angstreaktion und vegetative Begleitsymptomatik bei
Kontakt mit dem phobischen Stimulus
4 Vermeidung der phobischen Situation
4 Häufige Phobien: Spinnenphobie, Schlangenphobie, Klaustrophobie
(Angst vor Aufenthalt in geschlossenen Räumen), Akrophobie (Höhen-
angst), Aviophobie (Flugangst), Blut-Spritzen-Verletzungs-Phobie
9
Panikstörung
4 Wiederholte Panikattacken, die nicht auf eine spezielle Situation oder
ein spezifisches Objekt bezogen sind und spontan auftreten
4 Panikattacke
5 Einzelepisode intensiver Angst oder Unbehagen
5 Plötzlicher Beginn ohne Anlass
5 Dauer: meist 10–30 min; Beschwerden erreichen nach wenigen
Minuten einen Höhepunkt
5 Körperliche Symptome: Schweißausbrüche, Palpitationen, Herz-
rasen, thorakale Schmerzen, Beklemmungsgefühle, Zittern, Hitze-
wallungen, Atemnot, Schwindel, Benommenheit, Übelkeit
5 Häufig auch Furcht zu sterben, verrückt zu werden, Furcht vor Kon-
trollverlust, Ohnmachtsgefühle, Depersonalisations- oder Dereali-
sationserleben
4 Angstfreie Zeiträume zwischen den Attacken, jedoch oft auch Erwar-
tungsangst (»Angst vor der Angst«), infolgedessen sich eine Agora-
phobie entwickeln kann
Generalisierte Angststörung
4 Andauernde (an den meisten Tagen der Woche, mindestens mehrere
Wochen lang), generalisierte Angst, nicht an bestimmte Situationen
oder Objekte gebunden (»frei flottierend«)
4 Ängste entsprechen eher Befürchtungen, Sorgen (z. B. um die Gesund-
heit, die Zukunft, den Beruf)
4 Begleitende Symptome: Unruhe, Angespanntsein, Spannungskopf-
schmerz, Schwitzen, Schwindel, vegetative Übererregbarkeit, häufig
auch Schlafstörungen
9 · Angststörungen
133 9
Diagnostik Eigene Notizen
4 Ausführliche Eigen- und Fremdanamnese
5 Gezielte Exploration von angstauslösenden Situationen, Kognitio-
nen, (körperlichen) Begleitsymptomen, Vermeidungsverhalten, re-
sultierenden Beeinträchtigungen
5 Sucht- und Medikamentenanamnese: häufig Angstsymptomatik bei
(missbräuchlichem) Konsum von
J Amphetaminen
J Cannabinoiden
J LSD
J Ecstasy
J Benzodiazepinen
J Alkohol
J Opiaten
J Koffein
J Nikotin
J Appetitzüglern
J Schilddrüsenhormonen
J Bronchodilatatoren
J Natriumglutamat
4 Zum Ausschluss organischer Ursachen körperliche Untersuchung,
Labor, 24-h-EKG, EEG, ggf. cCT oder cMRT; evtl. muss eine Konsiliar-
untersuchung veranlasst werden
5 Wichtige somatische Differenzialdiagnosen
J Kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. Herzrhythmusstörungen,
koronare Herzkrankheit, Angina pectoris, Myokardinfarkt)
J Neurologische Störungen (z. B. Multiple Sklerose, zerebrale An-
fallsleiden, M. Parkinson, Chorea Huntington, M. Wilson, de-
menzielle Erkrankungen)
J Schwindel, synkopale Ereignisse
J Endokrinologisch-metabolische Erkrankungen (z. B. Hypoglyk-
ämie, Hypo-/Hyperthyreose, Phäochromozytom)
J Elektrolytstörungen (z. B. Hypokaliämie, Hypokalziämie)
J Karzinoid
J Lungenerkrankungen (z. B. Asthma, COPD)
4 Ausschluss anderer psychischer Erkrankungen
5 Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis (Ängste sind
i. d. R. bizarr und beziehen sich auf Themen wie Verfolgung und
Fremdbeeinflussung)
5 Depressive Störungen (gehen fast immer mit Ängsten einher)
5 Essstörungen (Angst – trotz objektivem Unter- oder Normalgewicht
– zu dick zu sein)
5 Somatoforme Störungen (Ängste beziehen sich auf körperliche Er-
krankungen oder Befürchtungen, an einer körperlichen Erkrankung
oder einem vermeintlichen Makel zu leiden)
5 Anpassungs- und Belastungsstörungen (gehen mit ängstlicher
Symptomatik einher)
134 Kapitel 9 · Angststörungen
Therapie
4 Psychoedukation
5 Teufelskreismodell der Angst: sich selbst aufrecht erhaltender Kreis-
lauf von körperlichen Vorgängen, deren Wahrnehmung und Bewer-
tung und erneuten körperlichen Veränderungen (physiologische
Erregung)
5 Vulnerabilitäts-Stress-Modell: Erkrankungen entstehen auf dem
Boden einer Disposition (Vulnerabilität) und zusätzlicher akuter
oder chronischer Belastungen (Stressoren)
4 Reizkonfrontationsverfahren (7 Abschn. 5.2.6): systematische Desensi-
bilisierung, Flooding, graduierte Exposition (Habituationstraining)
4 Kognitive Therapie: Reattribuierung körperlicher Missempfindungen,
Erarbeitung alternativer Bewertungsmöglichkeiten, Bearbeitung dys-
funktionaler kognitiver Grundannahmen
4 Bearbeitung krankheitsaufrechterhaltender Faktoren: Training von
9 Problemlösefertigkeiten, Training sozialer Kompetenz
4 Entspannungsverfahren (Progressive Muskelrelaxation, Autogenes
Training)
4 Psychodynamische Therapie in Einzelfällen hilfreich
4 Psychopharmakotherapie als begleitende oder unterstützende Therapie
(v. a. indiziert bei begleitender Komorbidität einer depressiven Stö-
rung)
5 Antidepressiva sind Mittel der Wahl, in der Reihenfolge:
J Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), z. B. Citalo-
pram, Escitalopram, Paroxetin
J Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehem-
mer (SSNRI): Venlafaxin
J Trizyklische Antidepressiva (TZA): Clomipramin
J Wirkungseintritt: nach 2–4 Wochen; zur Rückfallvermeidung Be-
handlung über mindestens 6–12 Monate
5 Benzodiazepine sind schnell wirksam (innerhalb Minuten), haben
aber ein hohes Abhängigkeitspotenzial; indiziert ausschließlich als
Akutbehandlung sowie zur Überbrückung des Zeitraums bis zum
Wirkungseintritt des Antidepressivums; Benzodiazepine bei
Angsterkrankungen möglichst vermeiden und durch andere Subs-
tanzen kompensieren (z. B. sedierende Antipsychotika in niedriger
Dosierung)
5 Buspiron (Nichtbenzodiazepin-Anxiolytikum) bei generalisierter
Angststörung wirksam
5 Pregabalin (Antikonvulsivum) bei generalisierter Angststörung
5 Moclobemid (MAO-Hemmer) insbesondere bei sozialer Phobie
9 · Angststörungen
135 9
> Oft ist eine kombinierte Behandlung aus Psychotherapie und Eigene Notizen
Psychopharmakotherapie wirksamer als eine Monotherapie.
Ausnahme: gleichzeitige Einnahme von Benzodiazepinen
kann einen negativen Effekt auf die Wirkung der Psychotherapie
haben (hindert den Patienten durch Abschirmung von der Angst
daran, zu lernen, die Symptome aushalten und kontrollieren zu
können).
10
Tag 3 – Spezielle Krankheitsbilder I
10 Zwangsstörungen
138 Kapitel 10 · Zwangsstörungen
Ätiologie
4 Genetische Disposition
4 Neurobiologische Faktoren, v. a.
5 Dysregulation serotonerger und dopaminerger Neurotransmission
5 Auffälligkeiten in orbitofrontalem Kortex (neuronale Überaktivität,
»Enthemmung« von Frontalhirnfunktionen), Basalganglien (insbe-
sondere Ncl. caudatus als Filterstelle orbitofronto-thalamischer Ver-
bindungen) und Thalamus
→ gestörter neuronaler Regelkreis zwischen Frontalhirn, Basalgan-
glien und limbischem System
4 Lerntheoretische Ansätze: Konditionierungsprozesse, 2-Faktoren-Mo-
dell (klassische und operante Konditionierung sind an Entstehung und
Aufrechterhaltung der Zwangshandlungen beteiligt)
4 Kognitives Modell: infolge unangemessener Bewertung aufdringlicher
Gedanken werden diese als bedeutsam und bedrohlich erlebt und füh-
ren zu Unbehagen und Angst; kurzfristige Bewältigung bzw. »Neutrali-
10 sation« durch verhaltensbezogene oder kognitive Rituale
4 Psychoanalytische Ansätze
5 Fixierung auf »anale Phase« durch forcierte Sauberkeitserziehung
(»analer« Charakter: u. a. Zwanghaftigkeit; anale Trias: Sparsamkeit,
Ordnungsliebe, Eigensinn)
5 Zwangssymptomatik als Kompromiss zwischen Erfüllung des Trieb-
impulses und der Triebabwehr
Epidemiologie
4 Lebenszeitprävalenz ca. 2%
4 12-Monats-Prävalenz in Deutschland ca. 1%
4 Erkrankungsbeginn meist in Adoleszenz oder frühem Erwachsenen-
alter
4 Beide Geschlechter gleich häufig betroffen
Klinik
4 Zwangssymptome wenigstens 2 Wochen lang an den meisten Tagen
4 Wiederholen sich ständig und werden als unangenehm empfunden
(Ausführung einer Zwangshandlung ist jedoch meist von einer vorüber-
gehenden Spannungs- und Angstreduktion begleitet)
4 Sind als eigene Gedanken oder Impulse für den Patienten erkennbar
(nicht von anderen Personen oder Einflüssen eingegeben)
4 Versuch, Widerstand zu leisten (wenn auch erfolglos)
4 Oft magisch-mystische Vorstellungen (z. B. Vorstellung, wenn eine be-
stimmte Zwangshandlung nicht ausgeführt wird, passiert etwas
Schlimmes)
10 · Zwangsstörungen
139 10
Zwangsgedanken
4 Gedanken, die sich immer wieder aufdrängen, als weitgehend unsinnig
erlebt werden, aber nicht unterdrückt werden können (z. B. Gedanke,
Jemanden beim Vorbeifahren verletzt zu haben, ohne es zu merken)
> Im Gegensatz zu Erkrankungen aus dem schizophrenen Formen-
kreis werden die Gedanken als eigene Gedanken interpretiert und
nicht als fremdartig oder eingegeben.
4 Typische Inhalte: sexuelle, aggressive oder religiöse Inhalte, Gesundheit,
Schmutz/Kontamination, Ordnung, Symmetrie, Kontrolle
Zwangsimpulse
4 Wiederkehrende, sich aufdrängende Impulse zu bestimmten, oft
aggressiven Verhaltensweisen (z. B. Angst, seinem Kind impulsiv etwas
anzutun)
4 Große Angst, die Handlungen auch tatsächlich auszuführen
> Aggressive Zwangsimpulse werden so gut wie nie in die Tat umgesetzt.
Zwangshandlungen
4 Sich immer wieder aufdrängende Handlungsmuster als Reaktion auf
Zwangsgedanken
4 Ausführung führt zur Spannungsreduktion
4 Typische Inhalte: Kontroll- oder Waschzwang (die beiden häufigsten
Zwänge), Ordnungszwang, Zählzwang
Diagnostik
4 Anamneseerhebung
5 Medikamenten-/Suchtanamnese: dopaminerge Substanzen (z. B. L-
Dopa, Amphetamine) können Zwangsphänomene verursachen (=
substanzinduzierte Zwänge)
4 Allgemeinkörperliche und neurologische Diagnostik, evtl. einschließ-
lich EEG (Ausschluss Anfallsleiden) und cCT/cMRT (Ausschluss pa-
thologischer zerebraler Prozesse); wichtige neurologische Differenzial-
diagnosen
5 Chorea Sydenham
5 Bilaterale Nekrosen des Ncl. pallidus
5 Schädel-Hirn-Traumata
5 Raumfordernde Prozesse
4 Ggf. Zusatzdiagnostik mittels störungsspezifischer Screeninginstru-
mente
140 Kapitel 10 · Zwangsstörungen
Therapie
4 Exposition mit Reaktionsverhinderung
5 Patient wird in zwangsauslösenden Situationen daran gehindert,
Zwangshandlungen auszuführen und erfährt dadurch auch ohne
Ausübung der Zwangshandlung nach einer gewissen Zeit einen
10 Angst-/Spannungsabfall
5 Anwendung des Expositionsprinzips auch auf gefürchtete Zwangs-
gedanken, die aufgrund eines Anstiegs von Angst und Spannung
nicht zu Ende gedacht werden: Patient wird angehalten, die Gedan-
ken so lange zu denken, bis automatisch ein Angstabfall eintritt
4 Kognitive Techniken
5 Kognitive Umstrukturierung, z. B. Entkatastrophisierung und Rea-
litätskontrolle (Patient soll z. B. die Wahrscheinlichkeit, sich an einer
Türklinke mit HIV zu infizieren, auf einer Skala von 0 bis 100 rea-
listisch einschätzen)
5 Bei Zwangsgedanken: Gedankenstopp (sich aufdrängende, uner-
wünschte Gedanken werden durch autosuggestives »Stopp« abge-
brochen)
4 Behandlung mit Antidepressiva (im Vergleich zur Depressionsbehand-
lung in höherer Dosierung)
5 Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI): Mittel der
1. Wahl (z. B. Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin)
5 Trizyklische Antidepressiva (TZA): Clomipramin (Mittel der
2. Wahl)
4 Bei Therapieresistenz: Augmentationstherapie (Kombinationstherapie
aus Antidepressivum und einer anderen Substanz, die für sich alleine
keine oder kaum antidepressive Eigenschaften zeigt, zur Wirksamkeits-
steigerung des Antidepressivums)
5 Augmentation mit atypischem Antipsychotikum
11
Tag 3 – Spezielle Krankheitsbilder I
Ätiologie
4 Prädisponierend: erhöhte Vulnerabilität, unzureichende Bewältigungs-
strategien, unzureichendes soziales Unterstützungssystem
4 Vorliegen eines spezifischen, umschriebenen Auslösers
5 Akute Belastungsreaktion: Erleben einer außergewöhnlichen psy-
chischen und/oder physischen Belastung
5 Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, PTSD)
J Erleben eines kurz- oder lang-andauernden Ereignisses von außer-
gewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmaßes, das bei
nahezu jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde
J Verbunden mit subjektiv erlebtem Verlust von Kontrolle über das
Geschehen
5 Anpassungsstörung: einschneidende Lebensveränderungen oder
belastende Lebensereignisse von weniger katastrophalem Ausmaß
wie bei den Belastungsstörungen (z. B. Scheidung, Trauerfall, schwe-
re körperliche Erkrankung)
> Kennzeichen der Anpassungs- und Belastungsstörungen: ätiolo-
11 gische Rückführbarkeit auf ein Trauma/belastendes Ereignis, ohne
das die Störung nicht aufgetreten wäre.
4 Neurobiologische Faktoren und Befunde bei posttraumatischer Belas-
tungsstörung
5 Tendenz zu überschießenden vegetativen Reaktionen im Rahmen
einer Stressbelastung → erhöhte Aktivierung des Katecholaminsys-
tems → Inhibition orbitofrontaler Hirnregionen → Desinhibition der
Amygdalaaktivität (Hyperaktivierung der Amygdala)
5 Im Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-System ver-
stärkte Suppression der Kortisol-Ausschüttung nach Dexametha-
son-Gabe → Hypokortisolismus → gestörte autoregulatorische Inhi-
bition stressbedingter Katecholaminfreisetzung
5 Volumenminderung im Hippokampus (→ Einbußen im deklara-
tiven/expliziten Gedächtnis)
5 Annahme, dass die Angstwahrnehmung (unbewertet, fragmentiert
und mit hoher vegetativer Erregung) direkt über den Thalamus an
die Amygdala geht, ohne modulierenden Einfluss kortikaler und
hippokampaler Strukturen (»hot circle«)
Epidemiologie
Anpassungsstörungen
4 In der Allgemeinbevölkerung relativ selten (<1%), in klinischen Stich-
proben häufiger vorkommend: Prävalenzraten bei ambulant und sta-
tionär behandelten psychisch Kranken bis zu 20%
11 · Anpassungs- und Belastungsstörungen
143 11
Belastungsreaktionen Eigene Notizen
4 Lebenszeitprävalenz der PTBS ca. 8%, Punktprävalenz in der deutschen
Bevölkerung bis ca. 3%
4 Frauen sind etwa doppelt so häufig von einer PTBS betroffen wie
Männer
4 Insgesamt entwickeln ca. 15% aller Betroffenen nach einem Trauma
eine PTBS
5 Erkrankungshäufigkeit der Belastungstörungen ist jedoch abhängig
von der Traumaart
J Circa 50% der Opfer nach einer Vergewaltigung, ca. 7% der Be-
troffenen nach schweren Unfällen entwickeln eine PTBS
J Naturkatastrophen verursachen eine geringere PTBS-Prävalenz
als durch Menschen absichtlich herbeigeführte Traumatisie-
rungen
Klinik
Anpassungsstörungen
4 Vor allem depressive und ängstliche Symptomatik: gemischtes Bild von
depressiver Stimmung, Angst, übergroßer Besorgnis, Sorge, mit der ge-
genwärtigen Situation nicht zurechtzukommen mit Möglichkeit des
Übergangs in eine andere Störungsform bzw. der komorbiden Störung
(Komorbidität v. a. mit affektiven Störungen, Substanzmissbrauch/-ab-
hängigkeit, Persönlichkeitsstörungen)
4 Bei Jugendlichen oft auch Störungen des Sozialverhaltens
4 Eventuell auch Entwicklung somatoformer oder dissoziativer Symp-
tome
4 Beeinträchtigungen sozialer Funktionen und Leistungen
4 Auftreten innerhalb eines Monats (gemäß ICD-10) nach Einsetzen
eines belastenden Ereignisses oder einer einschneidenden Lebensverän-
derung
4 Persistenz nicht länger als 6 Monate nach Beendigung der Belastungssi-
tuation (bzw. 2 Jahre bei einer sog. längeren depressiven Reaktion im
Rahmen einer Anpassungsstörung)
4 Kriterien einer depressiven Episode dürfen nicht erfüllt sein
4 Gefahr der Chronifizierung bei Anhalten der Ereignisse
4 Gefahr suizidaler Handlungen (häufig raptusartig und unter Alkohol-
einfluss)
4 Anpassungsstörung als Risikofaktor für die Entwicklung einer depres-
siven Störung
Akute Belastungsreaktion
4 Entwickelt sich nach einem Trauma bei einem psychisch nicht manifest
erkrankten Menschen
4 Beginn mit »Betäubung«, nachfolgend meist depressive Stimmung,
Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität oder Rückzug, ohne längeres
Vorherrschen eines Symptoms
4 Evtl. dissoziative Phänomene (in Form von Wahrnehmungsverände-
rungen, Amnesie für das traumatische Ereignis, emotionaler Losgelöst-
144 Kapitel 11 · Anpassungs- und Belastungsstörungen
Diagnostik
4 Bei der Anamneseerhebung v. a. zeitlichen Zusammenhang zu einem
traumatischen oder belastenden Ereignis und Krankheitsverlauf (Be-
ginn, Dauer) explorieren
4 Körperliche Untersuchung zum Ausschluss einer organischen Erkran-
kung (v. a. bei traumatischen Erfahrungen mit körperlichen Auswir-
kungen); wichtige somatische Differenzialdiagnosen
5 Endokrine Störungen (z. B. Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkran-
kungen)
5 Neurologische Störungen (z. B. Anfallsleiden, zerebrovaskuläre Er-
krankungen)
5 Kardiovaskuläre Erkrankungen
5 Intoxikationen
11 · Anpassungs- und Belastungsstörungen
145 11
Therapie
4 Grundsätzlich: Stärkung des Selbstwertgefühls und Ausbildung von
Problemlösefertigkeiten
Anpassungsstörungen
4 Stützende Gespräche
4 Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit berufsrehabilitative Maß-
nahmen
4 Pharmakologische Intervention mit Antidepressiva: v. a. selektive Sero-
tonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), aber auch trizyklische Anti-
depressiva (TZA) und MAO-Hemmer
Akute Belastungsreaktion
4 Krisenintervention: Suizidalität abklären (bei akuter Suizidalität statio-
näre Aufnahme), beruhigendes Zureden und stützende Gespräche, Or-
ganisation sozialer Unterstützung
4 Konkrete Hilfestellung bei faktischen Problemen des Patienten
4 Höchstmaß an Sicherheit vermitteln
4 Beratung nahestehender Personen
4 Gegebenenfalls kurzfristige Gabe von Benzodiazepinen
Posttraumatische Belastungsstörung
4 Initial Stabilisierung: Schaffen einer sicheren Umgebung ohne weitere
Traumaeinwirkungen, Organisation sozialer Unterstützung
4 Psychoedukation
4 Einüben von Entspannungsverfahren
4 Evtl. Einbindung in Selbsthilfegruppen
4 Soziotherapie und bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit berufsre-
habilitative Maßnahmen
4 Spezifische psychotherapeutische Interventionen
5 Traumaverarbeitung durch behutsame, schrittweise Exposition mit
traumatischen Inhalten zur Integration in die eigene Biografie als
Erfahrung, das Trauma überlebt zu haben
5 Kognitive Umstrukturierung
5 Weitere spezifische Verfahren: z. B. Hypnotherapie (psychothera-
peutische Anwendung der Hypnose), EMDR (Eye-Movement De-
sensitization and Reprocessing Therapie: Annahme, dass trauma-
tische Erinnerungen mit Unterstützung sakkadischer Augenbewe-
gungen einem entlastenden Veränderungsprozess unterliegen;
Therapiemethode umstritten)
146 Kapitel 11 · Anpassungs- und Belastungsstörungen
4 Psychopharmakologische Intervention
5 Mittel der Wahl: SSRI
5 Bei Nichtansprechen Umstellung auf TZA (2. Wahl) oder MAO-
Hemmer (3. Wahl)
11
12
Tag 3 – Spezielle Krankheitsbilder I
12 Dissoziative Störungen
(Konversionsstörungen)
148 Kapitel 12 · Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen)
Ätiologie
4 Primär neurologische Ursachen sind per definitionem ausgeschlossen
4 Beginn ist häufig mit einem traumatisierenden Ereignis, unerträglichen
Konflikten oder gestörten Beziehungen verbunden
5 Auslöser können akute Situationen (Missbrauch, Gewalterfahrung
etc.) als auch chronisch sein (z. B. ungelöste Partnerschaftssympto-
matik)
4 Nach psychoanalytischen Vorstellungen: Abwehr und Umwandlung
verdrängter psychischer Konflikte
5 »Übersetzung« in körperliche Symptome (Konversion) oder
5 Abspaltung von der Realität (Dissoziation)
4 Aufrechterhaltung und Symptomverstärkung durch primären Krank-
heitsgewinn (z. B. Verringerung innerer Anspannung durch Umgehen
12 des Konflikts) und sekundären Krankheitsgewinn (z. B. Zuwendung,
Entlastung von Pflichten)
4 Anamnestisch finden sich häufig neurologische und andere körper-
liche Erkrankungen, die in die Symptomausgestaltungen mit ein-
fließen
4 Neurobiologische Faktoren: häufige Stresserfahrungen können in Dys-
funktionen der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse
und Störungen im Regelkreis Thalamus–Amygdala–Hippokampus–
präfrontaler Kortex resultieren
Epidemiologie
4 Keine zuverlässigen Prävalenzangaben, stark kulturabhängig
4 Circa 3-mal häufiger bei Frauen als bei Männern
4 Erkrankungsbeginn meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr
Klinik
> Es liegen keine die Symptome hinreichend erklärenden körper-
lichen Erkrankungen vor.
Die Symptome bei Konversionsstörungen entsprechen den
Vorstellungen des Patienten über die funktionellen Zusammen-
6
12 · Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen)
149 12
hänge im Körper und weniger den wahren anatomischen oder Eigene Notizen
physiologischen Gegebenheiten.
Es handelt sich nicht um Simulation, denn die Symptombil-
dung erfolgt nicht absichtlich bzw. nicht bewusst!
Unterformen
Dissoziative Amnesie
4 Amnesie für wichtige persönliche Informationen, traumatische Ereig-
nisse oder Probleme
4 Häufig sind nur einzelne Gedächtnisinhalte betroffen (selektive und
systematisierte Amnesie)
4 Hinsichtlich des Zeitraums für die Amnesie kann dieser zeitlich einge-
grenzt sein (häufiger), aber auch bis hin zur seltenen kontinuierlichen
Amnesie reichen
4 Integrales Symptom dissoziativer Fugue und multipler Persönlichkeits-
störung
Dissoziative Fugue
4 Plötzliches Verlassen der eigenen Umgebung und Annahme einer neu-
en Identität, ohne dass den Betroffenen dies bewusst ist oder Verwir-
rung über die eigene Identität
4 Betroffene verhalten sich dabei oft unauffällig
4 Häufig dissoziative Amnesie für den Zeitraum der Fugue
4 Zeitdauer kann von Stunden bis zu Jahren (selten) reichen
Dissoziativer Stupor
4 Verringerung oder Fehlen willkürlicher Bewegung und normaler Reak-
tionen auf externe Reize, Sprachverarmung im Sinne eines Mutismus
Dissoziative Krampfanfälle
4 Plötzliche krampfartige Bewegungen ohne Bewusstseinsverlust
4 Im Gegensatz zu epileptischen Anfällen meist fehlend: Hinstürzen mit
Verletzungen, Zungenbiss, Urin-/Stuhlabgang, epilepsietypische EEG-
Potenziale, Prolaktinerhöhung
4 ! Cave Auftreten auch im Rahmen von sicheren Epilepsie-Erkran-
kungen möglich!
Ganser-Syndrom
4 Demonstrativ wirkendes Vorbeiantworten auf einfachste Fragen oder
Vorbeihandeln
4 »Pseudodemenz«; Betroffene erwecken den Eindruck einer akuten In-
telligenzeinbuße
12 4 Auftreten meist in »gewinnbringenden« Situationen
4 Häufig schwierige differenzialdiagnostische Abklärung, ob bewusst-
seinsnahe oder dissoziative Störung
Arc de cercle
4 Starke Dorsalflexion des Körpers
4 Zu Freud’s Zeiten oft beschriebene Störung im Rahmen einer früher
sog. Hysterie, heute kaum noch beobachtbar
Diagnostik
4 Exploration möglicher Traumata, Belastungen, Konflikte, die in zeit-
lichem Zusammenhang mit dem Auftreten der Symptomatik stehen
12 · Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen)
151 12
Therapie
4 Symptome ernst nehmen, keine vorschnelle Konfrontation mit einem
Psychogenesemodell
4 Zunächst Symptomreduktion (z. B. durch Physiotherapie, Entspan-
nungsverfahren), Aufbau von Sicherheitserleben und Einübung von
zum Rückzug in dissoziative Zustände alternativen Verhaltensweisen
4 Psychoedukation, langsame Erarbeitung eines bio-psycho-sozialen
Krankheitskonzepts
4 Klärung aktuell belastender Lebensbedingungen, Erarbeitung des un-
bewussten Konflikts und Reintegration der abgespaltenen Erfah-
rungen
4 Integration körperbetonender Therapieformen bei Konversionsstörun-
gen
4 Ggf. ergänzend Psychopharmaka zur Behandlung komorbider Stö-
rungen, z. B. selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) bei
depressiven Symptomen
13
Tag 3 – Spezielle Krankheitsbilder I
13 Somatoforme Störungen
154 Kapitel 13 · Somatoforme Störungen
Ätiologie
4 Allgemein: Interaktion biologischer (insbesondere genetische Disposi-
tion) und psychosozialer Faktoren
4 Neurobiologische Faktoren: Hypofrontalität (reduzierter Metabolismus
im Frontalhirn), Hyperaktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Ne-
bennierenrinden-Achse, immunologische Veränderungen, Störung im
serotonergen System
4 Biografische Belastungen, traumatische Erfahrungen (z. B. Verlust-
erfahrungen, schwere Erkrankungen oder Missbrauch in der Kind-
heit)
4 Lerntheoretische Ansätze: Modelllernen (viele Krankheitserfahrungen
bei Familienangehörigen), Verstärkung durch primären (inneren) und
sekundären (durch die Umwelt bedingt, z. B. Entlastung von Verpflich-
tungen, vermehrte Zuwendung) Krankheitsgewinn
4 Gestörte Wahrnehmung und Bewertung von Körperempfindungen
(»interozeptiver Wahrnehmungsstil«, Interpretation normaler Empfin-
dungen als pathologisch), dysfunktionale Kognitionen (»Katastrophen-
denken«)
5 Somatosensorische Verstärkung: selektive Aufmerksamkeit auf
Körpervorgänge, verstärkte Wahrnehmung von Körpermissemp-
findungen und »katastrophisierende« Fehlinterpretation
13 4 Auslöser/»Trigger«: z. B. Muskelverspannungen, Krankheit, physiolo-
gische Erregung, schlechter Schlaf
4 Psychoanalytische Ansätze: Abwehr unannehmbarer Triebimpulse,
diese werden ins Körperliche umgesetzt (Konversionsmodell)
Epidemiologie
4 12-Monats-Prävalenz somatoformer Störungen in der deutschen Allge-
meinbevölkerung ca. 10%
4 Häufiges Vorkommen insbesondere in Allgemeinarztpraxen
4 Beginn meist im frühen Erwachsenenalter
4 Häufiger Frauen betroffen (ca. doppelt so hohes Risiko)
Klinik
Allgemeine Charakteristika somatoformer Störungen
4 Wiederholte Präsentation körperlicher Symptome oder Krankheitsbe-
fürchtung ohne hinreichend erklärendes organisches Korrelat
4 Fixierung auf eine organische Ursache der Beschwerden
5 Hartnäckige Forderung nach weiteren medizinischen Untersu-
chungen
13 · Somatoforme Störungen
155 13
Undifferenzierte Somatisierungsstörung
4 Nicht alle Kriterien der Somatisierungsstörung sind erfüllt (unvollstän-
diges Bild)
Hypochondrische Störung
4 Objektiv unbegründete, anhaltende Besorgnis, an einer schweren kör-
perlichen Erkrankung zu leiden (z. B. AIDS, Krebs) oder anhaltende,
übertriebene Beschäftigung mit einem subjektiven Schönheitsmakel
156 Kapitel 13 · Somatoforme Störungen
Eigene Notizen (z. B. zu große Nase), was zu erheblichem Leidensdruck führt (dysmor-
phophobe Störung)
4 Persistenz über mindestens 6 Monate
4 Angst steht im Vordergrund, nicht die körperlichen Beschwerden an sich
4 Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind:
5 Hypochondrische Befürchtung: Beschwerden halten weniger als
6 Monate an
5 Hypochondrischer Wahn: Patienten können sich auch kurzfristig
nicht von ihrer Überzeugung distanzieren
Verwandte Syndrome
Neurasthenie (»Chronisches Erschöpfungssyndrom«)
4 Anhaltende Klagen über gesteigerte Ermüdbarkeit nach geistiger oder
körperlicher Betätigung (auch nach geringsten Anstrengungen)
4 Begleitende unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel,
erhöhte Reizbarkeit, Schlafstörungen
4 Auftreten manchmal nach einer körperlichen Erkrankung (z. B. Virus-
infektion)
Fibromyalgie
4 Kontrovers diskutierte Erkrankung (somatisch vs. psychisch) mit nicht
erklärbaren Muskel- und Muskelansatzschmerzen, verminderter
Schmerzschwelle, Schwellungsgefühlen
4 Symptome stammbetont
4 Daneben unspezifische Veränderungen im Hypothalamus-Hypophy-
sen-Nebennierenrinden-System, im Histokompatibilitätsantigen- und
Zytokin-System
4 Häufiges Vorkommen mit depressiven Syndromen, Angstsyndromen
und Müdigkeit
13
Multiple chemical sensitivity
(multiple Chemikalienunverträglichkeit)
4 Vielgestaltige körperliche Symptomatik, die auf Umweltgifte attribuiert
wird
4 Kontrovers diskutierte Erkrankung
Burn-out-Syndrom
4 Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, oft depressive Verstim-
mung, Angst oder aggressive Impulse, körperliche Symptome wie Kopf-
schmerzen, Schlafstörungen, Herzbeschwerden, sexuelle Störungen,
manchmal Zynismus, Gleichgültigkeit und Pessimismus
4 Betroffene sind oft in helfenden, beratenden oder pflegenden Funk-
tionen für andere Menschen tätig (z. B. Lehrer)
4 Begriff entspricht nicht der ICD-10, sondern einem populärwissen-
schaftlichen Verständnis von Depression, Angst und Belastung
13 · Somatoforme Störungen
157 13
Diagnostik Eigene Notizen
4 Detaillierte Anamnese von Belastungsfaktoren, Funktionalität der Be-
schwerden, sekundärem Krankheitsgewinn
4 Sorgfältige körperliche Untersuchung zum Ausschluss organischer Ur-
sachen (rasche und klare diagnostische Abklärung und Vermeidung
unnötiger Untersuchungen zur Verhinderung weiterer Chronifizierung
und somatischer Fixierung)
4 Differenzialdiagnostisch sind außerdem folgende komorbide oder allei-
ne zutreffende Diagnosen abzugrenzen
5 Affektive Störungen
5 Schizophrenien
5 Angst- oder Belastungsstörungen
5 Artifizielle Störungen (körperliche Symptome durch Manipulation;
es lässt sich ein objektiver Befund erheben)
5 Dissoziative und Konversionsstörungen (v. a. »pseudoneurolo-
gische« Störungen)
5 Persönlichkeitsstörungen
5 Simulation
Therapie
4 Vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung in besonderer Weise wich-
tig
4 Im Vordergrund stehen verhaltenstherapeutische Maßnahmen
4 Zeitkontingente (nicht symptomkontingente) ärztliche Kontakte
4 Behutsame Vermittlung eines rationalen Krankheitskonzepts (Psycho-
edukation, Verhaltensexperimente, Symptomtagebücher, Biofeedback
zur Verdeutlichung psychophysiologischer Zusammenhänge) ohne die
Beschwerden abzuwerten
> Beschwerden des Patienten ernst nehmen und anhören!
4 Einüben von Entspannungsverfahren
4 Sport- und Bewegungstherapie, um inadäquates Schonverhalten abzu-
bauen
4 Reduktion der Aufmerksamkeit für Körpervorgänge und Förderung des
Interesses an der Umwelt (Freizeitbeschäftigungen und Hobbies för-
dern)
4 Reattribuierung der körperlichen Symptome durch Entwicklung von
Alternativerklärungen, Identifikation dysfunktionaler Annahmen und
kognitive Umstrukturierung
4 Ggf. berufsrehabilitative Maßnahmen
4 Bei chronischer Schmerzstörung ggf. Gabe von trizyklischen Anti-
depressiva in niedriger Dosierung
4 Anxiolytikum Opipramol (Reduktion von Angst und Depression bei
Patienten mit somatoformer Störung)
14
Tag 4 – Spezielle Krankheitsbilder II
14 Essstörungen
160 Kapitel 14 · Essstörungen
Ätiologie
4 Multifaktorielle Genese
4 Genetische und neurobiologische Faktoren (Störungen bei der Regula-
tion von Hunger und Sättigung: eine Rolle spielen Regulationszentren
im Hypothalamus, periphere Regulationsmechanismen wie Signale aus
dem Gastrointestinaltrakt, bestimmte Neuropeptide und Neurotrans-
mitter wie Serotonin und Leptin)
4 Soziokulturelle und psychosoziale Faktoren wie Schlank sein als Schön-
heitsideal, ungünstige Familienverhältnisse (überbehütender Erzie-
hungsstil, Rigidität, hoher Leistungsanspruch), Lernerfahrungen; dys-
funktionale Kognitionen, Körperschemastörung
4 Prämorbide Persönlichkeit: ängstlich, wenig selbstbewusst, leistungs-
orientiert
4 Auslöser z. B. belastende Lebenssituationen
4 Psychoanalytische Ansätze: Ablehnung der eigenen Geschlechtsrolle;
Autonomie-Abhängigkeits-Konflikte; Essstörung als Versuch der Ver-
zögerung des Ablösungsprozesses vom Elternhaus bzw. als Versuch,
Autonomie und Kontrolle ohne offene Trennung zu erzielen
14 Epidemiologie
4 Anorexia nervosa: v. a. junge Frauen (durchschnittlicher Erkrankungs-
beginn um das 16. Lebensjahr) aus Mittel- und Oberschicht; Frauen zu
Männer ~12:1; Lebenszeitprävalenz für Frauen ca. 1%
4 Bulimia nervosa: v. a. Frauen zwischen 20. und 30. Lebensjahr; Frauen
zu Männer ~20:1; Lebenszeitprävalenz für Frauen ca. 1,5%
4 Binge-Eating-Störung: häufigste Essstörung, Lebenszeitprävalenz ca. 3,5%
(Frauen) bzw. 2% (Männer); kein Altersgipfel; Frauen zu Männer ~1,5:1
4 Hohe Mortalitätsrate bei Anorexie (5–20%) durch extreme Unterernäh-
rung, Elektrolytstörungen (Herzrhythmusstörungen) oder Suizid
Klinik
4 Gemeinsame zentrale Charakteristika von Anorexia nervosa und Buli-
mia nervosa
5 Gestörte Körperwahrnehmung (Körperschemastörung)
5 Ausgeprägte Angst vor Gewichtszunahme (»Gewichtsphobie«)
14 · Essstörungen
161 14
Anorexia nervosa
4 BMI ≤17,5 oder Körpergewicht mindestens 15% unterhalb des erwar-
teten Normalgewichts
4 Selbst herbeigeführter Gewichtsverlust
5 Restriktiver Typus: Fasten ohne Auftreten von Essanfällen
5 Bulimischer Typus: Auftreten von Essanfällen und gegensteuernden
Maßnahmen (selbstinduziertes Erbrechen, Missbrauch von Laxan-
zien oder Diuretika)
4 Körperschemastörung: verzerrte Wahrnehmung der eigenen Figur
und des eigenen Gewichts (Selbstwahrnehmung als »zu fett«), verbun-
den mit der Angst – trotz objektivem Untergewicht – zu dick zu sein
4 Endokrine Störung (Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gona-
den-Achse: Amenorrhö bei Frauen, Libidoverlust bei Männern)
4 Verzögerung der Pubertät (bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät)
4 »Living in a food world«: ausgeprägtes Interesse an allem, was mit Essen
zusammenhängt, Horten von Nahrung, Bekochen Dritter, ritualisiertes
Essverhalten
4 Häufig Hyperaktivität/Extremsport
4 Sozialer Rückzug, Isolation wegen Heimlichkeit und Scham (»splendid
isolation«)
4 Körperliche Schwäche, mangelnde Leistungsfähigkeit
4 Geringe bis keine Krankheitseinsicht
Organische Komplikationen
4 Durch wiederholtes Erbrechen sowie Laxanzien- und Diuretikamiss-
brauch Störungen des Elektrolyt- und des Säure-Basen-Haushalts
5 Hypokaliämie ( ! Cave Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörun-
gen, irreversible Nierenschädigung!), Hyponatriämie, Hypochlor-
ämie, Hypozinkämie
5 Metabolische Azidose infolge Laxanzienmissbrauchs, metabolische
Alkalose als Folge des Erbrechens
5 Muskelschwäche, Tetanie, Krampfanfälle
162 Kapitel 14 · Essstörungen
Diagnostik
4 Anamneseerhebung (v. a. Essverhalten, Heißhungerattacken, Gewichts-
veränderungen, gewichtsreduzierende Maßnahmen, Menarche, Mens-
truationszyklus, Libido, Leistungsverhalten, Krankheitseinsicht)
4 Schätzen des eigenen Körpergewichts (Körperschemastörung)
4 Körperliche Untersuchung (v. a. Inspektion, Labor, EKG)
5 Typischerweise veränderte Laborparameter können z. B. sein: Blut-
bildveränderung (Anämie, Thrombo-/Leukozytopenie; charakte-
ristisch bei Anorexie), Elektrolytentgleisungen, Lipidstoffwechsel-
veränderung
> Body-Mass-Index (Quetelet-Index) = BMI (kg/m²) = Körpergewicht
(kg)/[Körpergröße (m)]²
4 Gewichtsklassifikation bei Erwachsenen (altersabhängige Einordnung)
5 BMI <16: Kritisches Untergewicht
5 BMI 16–18,4: Untergewicht
5 BMI 18,5–24,9: Normalgewicht
5 BMI 25–29,9: Übergewicht
5 BMI 30–34,9: Adipositas Grad I
5 BMI 35–39,9: Adipositas Grad II
5 BMI ≥40: Adipositas Grad III (Adipositas permagna)
164 Kapitel 14 · Essstörungen
Therapie
> Grundsätzlich umfassenden Gesamtbehandlungsplan mit den
Elementen Psychotherapie inklusive Psychoedukation und Ernäh-
rungsberatung, Soziotherapie und ggf. Pharmakotherapie auf-
stellen!
Anorexia nervosa
4 In akuten Fällen: Gewichtsnormalisierung mittels Magensonde oder
parenteral (zu schnelle Gewichtszunahme vermeiden! Durchschnitt-
liche wöchentliche Gewichtszunahme von 500–1000 g wird empfohlen)
und stützende Gespräche
4 Anschließend v. a. kognitive Verhaltenstherapie (Therapie erster Wahl),
i. d. R. stationär beginnend, mit ambulanter Nachsorge
5 Möglichst strukturierte Therapie mit schriftlich vereinbarten (rea-
listischen!) Zielen der Gewichtszunahme
5 Wenn Selbstregulation nicht möglich: Einsatz von Verstärkern
(kontingenter Vertrag)
4 Darüberhinaus polyvalente Therapiestrategie
5 Körperwahrnehmungstraining
5 Ernährungstraining
14 5 Kommunikationstraining (lernen, Bedürfnisse über Nahrungs-un-
abhängige Modi zu steuern)
5 Familientherapie und -beratung
4 Ggf. vorhandene anhaltende depressive Verstimmung auch psycho-
pharmakologisch behandeln (v. a. selektive Serotoninwiederaufnahme-
hemmer)
Bulimia nervosa
4 In der Regel ambulante Psychotherapie (v. a. kognitive Verhaltensthera-
pie), ähnliche Module wie o. g.
4 Ggf. selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (Fluoxetin)
Binge-Eating-Störung
4 In der Regel ambulante Psychotherapie (v. a. kognitive Verhaltensthera-
pie, s. o.)
4 Multimodales Gewichtsmanagement: Bewegungstraining, Ernährungs-
beratung, mäßige Reduktionsdiät, Psychoedukation
15
Tag 4 – Spezielle Krankheitsbilder II
15 Schlafstörungen
166 Kapitel 15 · Schlafstörungen
Ätiologie
4 Lern-/Konditionierungsprozesse, dysfunktionale Schlafgewohnheiten
und falsches/fehlendes Wissen über Schlafhygiene, Fokussierung der
Aufmerksamkeit auf Schlaf, kognitive Faktoren (z. B. Grübeln)
4 Stress/Belastungen, Umweltfaktoren (z. B. Lärm, Temperatur), Pro-
bleme des zirkadianen Rhythmus durch Schichtarbeit oder Jet-Lag
4 Psychische oder somatische Erkrankungen, Nebenwirkungen von Psy-
chopharmaka und anderen Medikamenten (dann keine primäre Schlaf-
störung mehr)
4 Zentrale Störung der Schlafregulation oder der Bewegungssteuerung
4 Periphere Störung der Ventilation
4 Insomnie: Hyperarousalkonzept (gesteigertes physiologisches Aktivie-
rungsniveau)
Epidemiologie
4 Mindestens 10% chronische, behandlungsbedürftige Schlafstörungen
in der deutschen Allgemeinbevölkerung (v. a. Frauen und ältere Men-
schen betroffen)
15 Klinik
Nichtorganische Insomnie
4 Ein- oder Durchschlafstörungen oder schlechte Schlafqualität min-
destens 3-mal/Woche mindestens 1 Monat lang
4 Gedankliche Beschäftigung mit dem Schlaf, ständige Sorge, nicht
schlafen zu können
4 Deutlicher Leidensdruck mit Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten
Nichtorganische Hypersomnie
4 Trotz ausreichender Schlafdauer exzessive Tagesschläfrigkeit, Schlaf-
anfälle während des Tages oder verlängerter Übergang zum vollen
Wachzustand mindestens 1 Monat lang oder in wiederkehrenden Perio-
den kürzerer Dauer
15 · Schlafstörungen
167 15
Schlafbezogene Atmungsstörungen
4 3 große Gruppen:
5 Obstruktive Schlafapnoesyndrome
J Häufigste Form schlafbezogener Atmungsstörungen
J Schlafbedingte Erschlaffung der Muskulatur der oberen Atem-
wege → Obstruktion der Atemwege und Minderventilation →
Schnarchen und Atemaussetzer → konsekutive Minderung der
Schlafqualität und Tagesmüdigkeit → Blutdruckerhöhung, er-
höhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
J Therapie der Wahl: nasale CPAP-Beatmung (continuous positive
airway pressure)
5 Zentrales Schlafapnoesyndrom
J Apnoephasen sind primär durch zentrale (Hirnstamm-)Regula-
tionsstörungen bedingt
J Gehäuft bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und zerebralen Er-
krankungen; physiologisch in geringem Umfang während der
REM-Schlaf-Phasen
J Folgen sind ähnlich wie bei obstruktiver Apnoe
5 Zentral-alveoläre Hypoventilationssyndrome
J Langanhaltende Belüftungsstörung der Lunge (z. B. muskulär,
Thorax-Deformierung, Adipositas)
Schlafbezogene Bewegungsstörungen
4 Syndrom der ruhelosen Beine (Restless-Legs-Syndrom = RLS)
5 Quälende Missempfidnungen, besonders an den unteren Extremi-
täten
5 In Ruhe Bewegungsdrang, der bei Bewegung nachlässt → Störung
des Einschlafens
5 Behandlung primär durch DOPA-Präparate oder Dopamin-Ago-
nisten
168 Kapitel 15 · Schlafstörungen
Parasomnien
4 Primär bei Kindern und Jugendlichen
4 Schlafwandeln (Somnambulismus): Verlassen des Bettes und Umher-
gehen bei schwerer Erweckbarkeit und häufig fehlender Erinnerung an
das Geschehen; i. d. R. im ersten Nachtdrittel auftretend
4 Nächtliches Aufschrecken (Pavor nocturnus): Erwachen aus dem
Schlaf mit Panikschreien, häufig massiver Angst, fehlender oder frag-
mentarischer Erinnerung an Trauminhalte; i. d. R. während des ersten
Drittels des Nachtschlafes auftretend
4 Albträume: Aufwachen mit lebhafter Erinnerung an Angstträume;
i. d. R. in der zweiten Nachthälfte auftretend
Diagnostik
4 Schlafbezogene Exploration (ggf. Schlaftagebücher, Schlaffragebögen)
5 Schlafdauer, Ein- oder Durchschlafstörungen, morgendliches Früh-
erwachen, Tagesmüdigkeit, Schlafanfälle
5 Schlafgewohnheiten, Umgebungsbedingungen
5 Probleme des zirkadianen Rhythmus, z. B. durch Schichtarbeit oder
Jetlag
15 5 Tagesbefindlichkeit, Leistungsfähigkeit
5 Berufliche und private Lebenssituation (Konflikte, Belastungen)
4 Medikamentenanamnese, allgemeinmedizinische (somatische Erkran-
kungen?) und psychiatrische Anamnese (fast alle psychischen Erkran-
kungen gehen mit Schlafstörungen einher!)
4 Körperliche Untersuchung
Therapie
4 Schlafstörungen sind bei angemessener Therapie grundsätzlich gut the-
rapierbar
4 ! Cave Bei ungenügender Behandlung Gefahr der Chronifizierung
und Entwicklung oder Begünstigung anderer Erkrankungen wie Hyper-
tonie, KHK, substanzbedingte Störungen und andere psychische Er-
krankungen!
4 Schlafhygienische Maßnahmen (regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus,
kein Mittagsschlaf, Koffein- und Nikotinkarenz, keinen/wenig Alkohol,
leichte Abendmahlzeiten, regelmäßig Sport, kühles, gelüftetes und ver-
dunkeltes Schlafzimmer, kein TV oder Radio im Schlafzimmer, ent-
spannende Abendgestaltung)
4 Chronotherapie (allmähliche Verschiebung der Schlafphasen bis zum
Erreichen der adäquaten Schlafzeit) oder Lichttherapie zu bestimmten
Tageszeiten bei Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
4 Entspannungsverfahren, kognitiv-verhaltenstherapeutische Techniken
(z. B. paradoxe Intervention, Umstrukturierung des dysfunktionalen
Schlafdialogs oder Gedankenstopp zur Durchbrechung nächtlicher
Grübelketten)
170 Kapitel 15 · Schlafstörungen
15
16
Tag 4 – Spezielle Krankheitsbilder II
16 Sexualstörungen
172 Kapitel 16 · Sexualstörungen
Ätiologie
4 Sexuelle Funktionsstörungen
5 Mögliche somatische Ursachen: Nebenwirkung von Medikamenten
(z. B. β-Blocker, Pille, Antidepressiva), vaskuläre, neurologische,
endokrinologische Erkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus (z. B.
bei Erektionsstörungen) oder lokale anatomische oder dermatolo-
gische Anomalien/Krankheiten (z. B. bei Dyspareunie)
5 Mögliche psychische Faktoren: (beruflicher, privater) Stress/Belas-
tungen, Partnerschaftskonflikte, Versagensängste, elterliche Erzie-
hung, psychosexuelle Traumatisierung
4 Störungen der Geschlechtsidentität: Ätiologie weitgehend unbekannt
4 Störungen der Sexualpräferenz
5 Multifaktoriell bedingt, neurobiologische Ursachen wahrscheinlich
(z. B. Störungen auf der Hypophysen-Gonaden-Achse; unspezi-
fische zerebrale Beeinträchtigungen, Erkrankungen wie Epilepsie
oder M. Parkinson können die Störungen begünstigen)
5 Diskutiert werden auch: Störungen der Frühsozialisation (unsichere
Bindung an die Mutter, traumatische Erfahrungen); lerntheoretisch:
Fehlkonditionierung (klassische Konditionierung der sexuellen Er-
regung auf unangemessene Quellen, ggf. Verstärkung durch ope-
rante Konditionierung)
5 Frustrationen in der aktuellen Lebenssituation (z. B. in Partner-
schaft oder Beruf) als mögliche Auslöser
Epidemiologie
4 Sexuelle Funktionsstörungen sind die häufigsten Sexualstörungen
5 Bei der Frau v. a. sexuelle Appetenzstörungen, aber auch Orgasmus-
störungen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
16 5 Beim Mann v. a. Ejaculatio praecox und Erektionsstörungen
Klinik
Sexuelle Funktionsstörungen
4 Störung der Appetenz oder einer der sexuellen Phasen
5 Appetenzstörungen: Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen
(»Alibidinie«), sexuelle Aversion
5 Störungen der sexuellen Erregung: Erektionsstörungen, Lubrika-
tionsstörungen
5 Störungen der Plateauphase: Sexuelle Erregung kann nicht auf-
recht erhalten werden
5 Orgasmusstörungen: Anorgasmie, Ejaculatio praecox/retarda
16 · Sexualstörungen
173 16
Therapie
Sexuelle Funktionsstörungen
4 Psychotherapeutische Komponenten: Aufklärung, Beratung, übende
Verfahren und Paartherapie
5 PLISSIT-Modell als Interventionsmodell mit verschieden intensiven
Intervention (je nach Schwere der Störung)
J Permission: Gesprächsangebot (Angelbot, sexuelle Themen zu
besprechen)
J Limited Information: Übermittlung gezielter Informationen über
entsprechende sexuelle Störungen
J Specific Suggestions: spezifische Ratschläge/Anweisungen zur
Problemlösung
J Intensive Therapy: gezielte, intensive Therapie
5 Masters-Johnson-Therapie: klassische Sexualtherapie (als Paar-
therapie) nach verhaltenstherapeutischen Regeln; beinhaltet Abbau
von Leistungsängsten, vorübergehendes Koitusverbot, Training
sexueller Sensibilität und Erlebnisfähigkeit
4 Medikamentöse/Interventionelle Therapie
5 Bei Erektionsstörungen des Mannes: Phosphodiesterasehemmer
wie Sildenafil, Tadalafil oder Vardenafil, Schwellkörper(auto)injek-
tionstherapie (SKIT und SKAT), Vakuumtherapie oder Schwellkör-
perimplantate
5 Bei Hormondefizit-Situationen: Hormonsubstitution
( ! Cave Karzinomrisiko erhöht!)
> Kein alleiniger Einsatz von somatischen Therapieverfahren bei
psychisch (mit-)bedingten Sexualstörungen!
17 Persönlichkeitsstörungen
178 Kapitel 17 · Persönlichkeitsstörungen
Ätiologie
4 Allgemein Annahme eines Zusammenspiels genetischer Faktoren, prä-,
peri- und postnatal erworbener hirnorganischer Normabweichungen
sowie psychosozialer Faktoren
4 Ergebnisse zur Heredität (Zwillingsstudien) legen eine Varianzauf-
klärung von 40–50% im Durchschnitt der Persönlichkeitsstörungen
nahe
4 Hirnorganische Auffälligkeiten, z. B. weisen Bildgebungsuntersu-
chungen bei impulsiven Personen mit dissozialer Persönlichkeitsstö-
rung oder Borderline-Störung auf hirnstrukturelle und -funktionelle
Auffälligkeiten präfrontaler, temporaler sowie subkortikal-limbischer
Areale hin
> Neurobiologische Disposition führt nicht zwangsläufig zu einem
entsprechenden abweichenden sozialen Verhalten, sondern kann
durch Umweltfaktoren und Erziehungsstile weitgehend kompen-
siert werden.
4 Psychosoziale Faktoren, z. B.
5 Dissoziale Persönlichkeitsstörung: problematische frühe Bezie-
hungserfahrungen wie fehlende emotionale Wärme durch Bezugs-
personen, inkonsistente oder fehlende Erziehungsmaßnahmen
5 Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ:
schwere Störung des Bindungsverhaltens durch problematische
frühe Beziehungserfahrungen, schwere Traumatisierungen in der
Kindheit wie Misshandlungen oder Verlusterlebnisse
4 Dysfunktionale Kognitionen, z. B. Borderline-Störung: dichotomes
17 Denken (»Schwarz-Weiß-Denken«)
4 Psychoanalytische Konzepte
5 Störung der psychosexuellen Entwicklung, der Entwicklung der Ich-
Funktionen und der Objektbeziehungen
5 Persönlichkeitsstörungen als Charakterneurosen durch Erwerb
eines stabilen Musters von Abwehrmechanismen; z. B. vorherr-
schende Abwehrtypen bei der Borderline-Störung: Projektion
(Wahrnehmung innerer Impulse als von außen kommend), Agieren
(Ausdrücken unbewusster Wünsche/Konflikte durch Handlungen,
z. B. durch impulsive oder autodestruktive Verhaltensweisen)
17 · Persönlichkeitsstörungen
179 17
Epidemiologie Eigene Notizen
4 Prävalenz: bis ca. 10% der deutschen Allgemeinbevölkerung, ca. 50%
unter den psychiatrischen Patienten
4 In Städten und niedrigen sozialen Schichten höhere Prävalenzrate als in
ländlichen Gebieten und höheren sozialen Schichten
4 Am häufigsten: ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung
Klinik
4 Allgemeine Symptome
5 Unflexibel, wenig angepasst
5 Starres Denken: Schwarz-Weiß-Denken, Gut oder Böse, Entweder-
Oder, Alles oder Nichts
5 Gestörte Gefühlsreaktionen
5 Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen
4 Meist große Einschränkungen beruflicher und sozialer Leistungs-
fähigkeit
4 Erhebliches subjektives Leiden beim Patienten oder im sozialen Umfeld
(obligat für die Diagnose!)
4 Einteilung in 3 Cluster
5 Cluster A (sonderbar, exzentrisch): paranoide, schizoide sowie
schizotypische (schizotype) Persönlichkeitsstörung
5 Cluster B (emotional, dramatisch, launisch): emotional instabile,
dissoziale, histrionische und narzisstische Persönlichkeitsstörung
5 Cluster C (ängstlich, furchtsam): ängstliche, anankastische und ab-
hängige Persönlichkeitsstörung
4 Beginn immer schon im Kindes- oder Jugendalter, Manifestation auf
Dauer im Erwachsenenalter
4 Häufige Komorbidität mit anderen psychischen Erkrankungen (affek-
tiven Störungen, Angst- und Zwangserkrankungen, Essstörungen,
Suchterkrankungen, somatoformen Störungen, posttraumatischer Be-
lastungsstörung, Sexualstörungen)
Schizoide Persönlichkeitsstörung
4 Einzelgängerisches Verhalten
4 Soziale Kontaktschwäche und eingeschränkte Erlebnis- und Ausdrucks-
fähigkeit, Verschlossenheit, emotionale Kälte
180 Kapitel 17 · Persönlichkeitsstörungen
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
17 4 Großartigkeit und Einzigartigkeit in Phantasie und Verhalten bei gleich-
zeitig erhöhter Kränkbarkeit
4 Überschätzung der Wichtigkeit der eigenen Person (als Kompensation
eines brüchigen Selbstwertgefühls)
4 Verzweifeltes Bemühen um Anerkennung und Bewunderung; sehr
funktionales Verhältnis zu Bezugspersonen (Spannung zwischen Auf-
und Abwertung)
4 Mangel an Empathie, häufig überhebliche Verhaltensformen
17 · Persönlichkeitsstörungen
183 17
Sonstige Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen Eigene Notizen
Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen
4 Körperliche Beschwerden mit gesicherter somatischer Ursache halten
aufgrund des psychischen Zustands des Betroffenen länger an oder
werden übertrieben dargeboten (obsolete Begriffe: Renten-/Begehrens-
neurose, Unfallneurose)
Artifizielle Störungen
4 Wiederholtes Vortäuschen oder Erzeugen körperlicher oder psychischer
Symptome
4 Wiederholtes Drängen auf Untersuchungen und medizinische Behand-
lungen
4 Im Vordergrund steht häufig sekundärer Krankheitsgewinn
4 Z. B. Münchhausen-Syndrom: Vortäuschen körperlicher Symptome
durch absichtliche Selbstschädigung, mit phantastischer Ausgestaltung
der Biografie und »Krankenhauswandern«
Diagnostik
4 Ausschluss organischer und Suchterkrankungen (körperliche Untersu-
chung, Labordiagnostik einschließlich Drogenscreening, bildgebende
Verfahren)
4 Auffälligkeiten in der Kindheit? Situationsgebundenes oder -unabhän-
giges Verhalten? Bedeutsamer Leidensdruck beim Betroffenen oder des
sozialen Umfelds? (Eigen- und Fremdanamnese!)
4 Testpsychologische Persönlichkeitsdiagnostik
5 Strukturierte Interviews: z. B. Strukturiertes Klinisches Interview
für DSM-IV, Achse II (SKID-II) oder International Personality Dis-
order Examination (IPDE)
5 Fragebögen zur Selbsteinschätzung: z. B. Minnesota Multiphasic
Personality Inventory (MMPI), Freiburger Persönlichkeitsinventar
(FPI-R)
5 Störungsspezifische Instrumente: z. B. Borderline-Persönlichkeits-
Inventar (BPI), revidierte Psychopathie-Checkliste (PCL-R)
5 Kontinuierliche Übergänge von adaptiven Persönlichkeiten über
Persönlichkeitsakzentuierungen bis hin zu Persönlichkeitsstörun-
gen, nur unzureichende Abbildung der Persönlichkeit in Form
kategorialer Unterschiede
184 Kapitel 17 · Persönlichkeitsstörungen
Therapie
4 Schwierig und langwierig aufgrund tief verwurzelter und seit früher
Jugend bestehender Verhaltensmuster und Ich-syntonem Erleben der
»störenden« Verhaltensmuster
4 Andauerndes Erkrankungsbild, aber spezifische Behandlungen können
durchaus erfolgreich sein
4 Wichtig: Schaffen einer vertrauensvollen, verlässlichen therapeutischen
Beziehung mit eindeutigen Vereinbarungen
4 Zentrales Element: Schließen eines Behandlungsvertrages mit festge-
legten Therapiebedingungen und anschließendem konsequentem Vor-
gehen
4 Psychotherapeutische Interventionen
5 Techniken zur Verbesserung der Eigenwahrnehmung (Gefühle und
Bedürfnisse) und sozialen Wahrnehmung
5 Maßnahmen zum Erlernen von Verantwortungsübernahme für das
eigene Verhalten
5 Training sozialer Kompetenzen und von Selbstsicherheit
5 Aufbau adäquater Verhaltensweisen mittels operanter Techniken
5 Kognitive Verhaltenstherapie
5 Evtl. Entspannungsverfahren als »Einstieg«, zur Erleichterung wei-
terer therapeutischer Interventionen
4 Störungsspezifische Therapiekonzepte, Beispiel Borderline-Persön-
lichkeitsstörung:
5 Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) nach M.M. Linehan
J Integriert Elemente aus der kognitiven Verhaltenstherapie, der
Gestalttherapie (humanistisches Therapieverfahren), der Hypno-
therapie und aus dem ZEN
17 J Kombination von Einzeltherapie, Fertigkeitentraining in der
Gruppe, Telefonkontakt im Notfall und Supervision
5 Schematherapie nach J.E.Young
J Entstand in Anlehnung an kognitive Therapieelemente, emo-
tionsfokussierte und psychodynamische Vorstellungen
J Annahme: Primär ursächlich für Persönlichkeitsstörungen sind
dem Bewusstsein schwer zugängliche Schemata, die infolge un-
günstiger Kindheitserlebnisse entstanden sind
17 · Persönlichkeitsstörungen
185 17
Ätiologie
4 Persönlichkeitsfaktoren wie z. B. Impulsivität oder sog. »sensation see-
king« (Reize suchen, um Langeweile zu vermeiden)
4 Lernprozesse
4 Neurobiologische Faktoren (verminderte Aktivität des serotonergen
sowie dopaminergen Systems, Funktionsstörung frontaler Hirnregio-
nen, verstärktes Ansprechen des Belohnungssystems)
Epidemiologie
4 Für viele dieser Störungen keine validen Angaben zur Epidemiologie
4 Pathologisches Spielen derzeit wahrscheinlich die häufigste Impuls-
kontrollstörung (ca. 2% der Allgemeinbevölkerung)
4 Beginn liegt meist in der Adoleszenz, ausgenommen Trichotillomanie,
die auch schon im Kindesalter auftreten kann
Klinik
4 Allgemeine Symptome
5 Fehlende Kontrolle über die Handlungsimpulse
5 Wachsende Anspannung und Erregung vor der Handlung, Erleich-
terung, Euphorie oder Lustempfinden während und häufig sofort
nach der Handlung
5 Wiederholtes Auftreten trotz negativer psychosozialer Folgen
5 Handlung hat keinen objektivierbaren Nutzen oder wird nicht des-
wegen durchgeführt
5 Meist Bewusstsein von der Sinnlosigkeit und Unrichtigkeit der
Handlungen sowie Erleben der Handlungen als wesensfremd
> Ähnlichkeiten bestehen v. a. zu Zwangserkrankungen; im Unter-
schied zu diesen erleben Betroffene mit Impulskontrollstörungen
aber i. d. R. angenehme Gefühle während der Handlung.
18 Spezifische Impulskontrollstörungen
4 Pathologisches Spielen: Unfähigkeit, dem Drang zum wiederholten
Glücksspiel zu widerstehen; Stimulierung wird gesucht, weniger der
Geldgewinn an sich
4 Pathologische Brandstiftung (Pyromanie): unwiderstehlicher Drang,
Feuer zu legen und großes Interesse an der Beobachtung von Bränden
sowie Faszination an allem, was mit Feuer und Bränden in Beziehung
18 · Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
189 18
steht; häufig Indifferenz gegenüber möglichen Personen- oder Sach- Eigene Notizen
schäden
4 Pathologisches Stehlen (Kleptomanie): wiederholter Drang, Dieb-
stähle zu begehen, ohne dass die gestohlenen Gegenstände dazu dienen,
sich oder andere daran zu bereichern; Bewusstsein über das Verboten-
sein der Taten, daher häufig Schuldgefühle oder depressive Verstim-
mungen nach der Tat
4 Trichotillomanie: Unvermögen, dem Drang zu widerstehen, sich Haare
auszureißen mit der Folge sichtbaren Haarverlusts; jede Körperregion
kann betroffen sein, am häufigsten betroffen sind Kopf und Augen-
region; gelegentlich werden anschließend Haarwurzeln untersucht oder
Haare verschluckt (Trichophagie)
4 Kaufsucht: unwiderstehlicher Drang, Gegenstände zu kaufen (diese
sind für sich genommen nützlich, von der Menge her aber übertrieben
und die Käufe damit sinnlos)
4 Pathologischer Internet-/Mobiltelefon-Gebrauch: unwiderstehliches
Verlangen nach Internet-/Mobiltelefonnutzung, exzessiver Internet-/
Mobiltelefon-Gebrauch über eine längere Zeitspanne als beabsichtigt
mit resultierenden psychosozialen Komplikationen
4 Störung mit intermittierend auftretender Reizbarkeit: wiederholte Epi-
soden, in denen aggressiven Impulsen nicht widerstanden werden kann
und die in Angriffen gegen Personen oder Sachbeschädigung enden
Diagnostik
4 Eigen- und Fremdanamnese
4 Ausschluss organischer Erkrankungen (körperliche Untersuchung, Labor-
diagnostik einschließlich Drogenscreening sowie bildgebende Verfahren)
4 Persönlichkeitsdiagnostik mittels psychometrischer Verfahren
(7 Kap. 2.3.5, 7 Kap. 17)
4 Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind v. a.
5 Suchterkrankungen
5 Zwangserkrankungen
5 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
Therapie
4 Psycho- und Soziotherapie
5 Vor allem kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen: Erler-
nen von Stimuluskontrolle, Expositionsverfahren, systematische De-
sensibilisierung, kognitive Umstrukturierung und Aufbau von Alter-
nativverhalten; Stressbewältigungstraining, soziales Kompetenz-
training, Training zur Verbesserung des Problemlöseverhaltens
5 Anschluss an eine Selbsthilfegruppe
5 Soziotherapeutische Maßnahmen (z. B. bei pathologischem Spielen
Einbeziehen und Zusammenarbeit mit Angehörigen und Institu-
tionen wie Banken, Spielstätten, Schuldnerberatung)
4 Psychopharmakotherapie: Unterstützend insbesondere (selektive) Sero-
tonin-Wiederaufnahmehemmer oder das trizyklische Antidepressivum
Clomipramin
19
Tag 4 – Spezielle Krankheitsbilder II
Ätiologie
4 Multifaktorielle Genese
4 Interaktion von
5 Individuellen Faktoren
J Genetische Disposition: für alle Substanzgruppen, aber v. a. für
Alkoholabhängigkeit gut belegt (genetischer Faktor eher Subs-
tanzklassen-unabhängiger Risikofaktor für eine Abhängigkeitser-
krankung; es gibt aber auch Hinweise auf Substanz-spezifische
Effekte)
J Persönlichkeitsmerkmale/-struktur: Selbstwertproblematik, ab-
hängige oder ängstliche Strukturen sind abhängigkeitsfördernd,
aber auch geringe Frustrationstoleranz, dissoziale oder emotional
instabile Persönlichkeitsstörung als Prädiktor für Alkohol- und
sonstige Drogenabhängigkeit; Regression und Fixierung auf orale
Entwicklungsstufe (nach psychoanalytischer Auffassung)
19 J Lernerfahrungen; kritische, stressreiche Lebensereignisse
J Chronische Schmerzen, Schlafstörungen
5 Sozialen Faktoren (beeinflussen v. a. Erstkonsum): z. B. Verhalten
Gleichaltriger, gesetzliche Regelungen, kulturelle Einflüsse
19 · Missbrauch und Abhängigkeit
193 19
Epidemiologie
4 Alkohol
5 Riskanten Konsum betreiben ca. 10 Mio. Menschen in Deutschland
(= Kriterien für Missbrauch oder Abhängigkeit nicht erfüllt, Subs-
tanz wird aber übermäßig konsumiert: tägl. Konsum von >30 g
reinen Alkohols bei Männern – entspricht ca. 0,75 l Bier oder 3/8 l
Wein – bzw. >20 g reinen Alkohols bei Frauen – entspricht ca. 0,5 l
Bier oder 1/4 l Wein)
5 Missbrauch ca. 3 Mio. Menschen in Deutschland
5 Abhängigkeit ca. 2 Mio. Menschen in Deutschland (entspricht
ca. 3% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland; ca. 5% der
Männer und ca. 2% der Frauen)
4 Tabak/Nikotin
5 Nahezu 20 Mio. Raucher in Deutschland, wovon nach ICD-10 Kri-
terien 70–80% als abhängig einzuschätzen sind
4 Arzneimittel
5 Abhängigkeit ca. 1,4 Mio. Menschen in Deutschland, davon
ca. 1 Mio. benzodiazepinabhängig
4 Cannabis
5 Abhängigkeit ca. 240.000 Menschen in Deutschland
4 Sonstige illegale Drogen
5 Abhängigkeit ca. 175.000 Menschen in Deutschland
4 Polytoxikomanie (Mehrfachabhängigkeit, wobei die Substanzaufnahme
variabel verläuft) ca. 20% aller Abhängigkeiten
Klinik
4 Diagnostische Kriterien der Substanzabhängigkeit (nach ICD-10): In-
nerhalb eines Jahres müssen gleichzeitig mindestens 3 der folgenden
Kriterien erfüllt sein:
1. Körperliche Entzugssymptome bei Beendigung oder Reduktion des
Konsums (Symptome sind hierbei oft entgegengesetzt zur akuten
Substanzwirkung)
2. Toleranzentwicklung gegenüber den Substanzeffekten, so dass
zunehmend höhere Dosen konsumiert werden müssen, um er-
wünschten Effekt herbeizuführen
3. Starker Wunsch oder Art Zwang, die Substanz zu konsumieren
194 Kapitel 19 · Missbrauch und Abhängigkeit
Eigene Notizen 4. Verminderte Kontrolle über Beginn, Beendigung oder Menge des
Konsums
5. Einschränkung/Vernachlässigung wichtiger anderer Aktivitäten
6. Fortsetzung des Substanzkonsums trotz nachweislicher Schädigung
(z. B. drogeninduzierte Psychose, Hepatitis)
Cannabis (+) ++ +
Halluzinogene 0 ++ +++
(LSD, Meskalin)
Diagnostik
4 Typische Laborveränderungen bei Alkoholabhängigkeit bzw. chro-
nischem Alkoholmissbrauch (laborchemisch keine Unterscheidung
zwischen Abhängigkeit und Missbrauch möglich)
5 Erhöhung von γ-GT, MCV, CDT (CDT hat die höchste Spezifität
von allen 3 Markern; diagnostisches Fenster: 2–4 Wochen)
5 Erhöhung der Lebertransaminasen (GOT, GPT) bei Leberschädi-
gung (wenig spezifisch)
4 Kurzzeitmarker des Alkoholkonsums (wenige Stunden oder Tage zu-
rückliegende Alkoholaufnahme): Ethylglukuronid (EtG) im Serum
oder Urin
4 Aktueller Alkoholkonsum
5 Bestimmung der Atemalkoholkonzentration (nicht forensisch ver-
wendbar)
5 Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (BAK): Berechnung an-
19 hand der Widmark-Formel (v. a. für forensische Fragestellungen
relevant)
19 · Missbrauch und Abhängigkeit
195 19
Therapie
4 »Königsweg«: Erzielen dauerhafter Abstinenz
4 Alternativen: Substitution als ultima ratio im Sinne einer »harm
reduction«/»Schadensbegrenzung« (substitutionsbasierte Therapien
v. a. relevant bei Opioidabhängigkeit)
4 Allgemeine Prinzipien der Suchttherapie: 4 Therapiestufen
5 Kontaktphase: Ambulanz, Praxis, Beratungsstellen: Erkennen, Mo-
tivationsarbeit, Problembewusstsein und Veränderungsbereitschaft
schaffen
5 Entgiftungsphase: Körperliche Entgiftung, wegen möglicher Kom-
plikationen meist stationär
J In der Alkoholabhängigkeitsbehandlung hat sich zunehmend die
sog. »qualifizierte Entgiftung« etabliert: Entgiftung nach ein-
deutigen qualitativen Standards unter Einbeziehung motivations-
fördernder und psychotherapeutischer Therapieelemente, zusätz-
lich sozialpsychiatrische Intervention
5 Entwöhnungsphase: psychotherapeutische, sozialpsychiatrische
und rehabilitative Maßnahmen, insbesondere zur Behandlung der
psychischen Abhängigkeit, Festigung von Abstinenz; ambulant, teil-
stationär oder stationär
5 Nachsorgephase: Stabilisierungsphase, ambulant; Besuch von
Selbsthilfegruppen
4 Motivierende Gesprächsführung als grundlegender Interaktionsstil
Substanzgruppen
Alkohol (Ethanol)
4 Klinische Hinweiszeichen der Alkoholabhängigkeit (häufig unspezi-
fisch oder erst in Spätstadien)
5 Foetor ex ore (möglicherweise überdeckt z. B. durch Lutsch-
pastillen)
5 Rötung von Gesicht, Dekolleté, Handinnenflächen, Palmar-
erythem
5 Rhinophym, Rosacea
5 Dupuytren-Kontraktur
5 Atrophie der Muskulatur, v. a. der Waden
196 Kapitel 19 · Missbrauch und Abhängigkeit
Rückfallprophylaxe
4 Zur pharmakologischen Rückfallprophylaxe nach Entgiftung: Einsatz
von Anticravingsubstanzen wie Acamprosat (NMDA-Rezeptormodu-
lator) oder ggf. aversiv wirksames Disulfiram (greift in Abbauweg des
Alkohols ein)
4 Ambulante suchtspezifische Psychotherapien, Festigung der Abstinenz
durch Analyse von Rückfallsituationen, Rollenspiele zur Rückfallpro-
phylaxe, Verhaltensanalyse und kognitive Umstrukturierung, Stärkung
von Selbstvertrauen und Selbstsicherheitstrainings, soziales Kompe-
tenztraining, Kommunikationstraining
4 Ermutigung zum Besuch von Selbsthilfegruppen (z. B. Anonyme Alko-
holiker, Blaukreuzler, Guttempler)
> Bei alkoholabhängigen Patienten: Keine Verordnung von Benzo-
diazepinen etwa zur »Beruhigung« oder zur Behandlung von
Schlafstörungen → trägt häufig nur zur Chronifizierung der Sucht-
erkrankung bei.
Tabak (Nikotin)
4 Dosisabhängige Wirkung von Nikotin an nikotinergen Acetylcholin-
rezeptoren
5 In geringen Dosen als Agonist: cholinerg-katecholaminerge Akti-
vierung → anregende und antriebssteigernde Wirkung
5 In höheren Dosierungen als Antagonist: cholinerge Blockade und
β-Endorphinfreisetzung → entspannende/beruhigende Wirkung
4 Auftreten von psychischer und physischer Abhängigkeit mit Toleranz-
entwicklung
4 Charakteristische klinische Hinweiszeichen einer Tabakabhängigkeit
5 Vergröberte, vorgealterte Haut
5 Gelbverfärbung von Fingern der dominanten Hand
5 Foetor ex ore (evtl. durch Lutschpastillen überdeckt)
5 Entzugssymptome
5 Zusammentreffen typischer Folgeerkrankungen (z. B. COPD,
Angiopathien)
4 Erfassung der Stärke der Abhängigkeit mit dem Fagerström-Test für
Nikotinabhängigkeit
4 Nikotinintoxikation (bei versehentlicher oraler Aufnahme oder exzes-
siver Inhalation)
202 Kapitel 19 · Missbrauch und Abhängigkeit
Eigene Notizen 5 Symptome: Tachykardie, Hypertonie (in hohen Dosen auch Brady-
kardie und Hypotonie), periphere Vasokonstriktion, Kopfschmer-
zen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Diarrhö, Tremor, Schwä-
chegefühl in den Beinen
J Bei schweren Intoxikationen: tonisch-klonische Krämpfe, Schock,
Koma, Atemlähmungen, Herzrhythmusstörungen, Herzstillstand
5 Letale Dosis von Nikotin: ca. 50 mg (bei Erwachsenen)
4 Nikotinentzugssyndrom
5 Kann bereits nach kurzzeitiger (stundenweiser) Abstinenz auftre-
ten; dauert ca. 1–4 Wochen an
5 Symptome
J Starkes Verlangen nach Nikotin
J Konzentrationsstörungen
J Krankheitsgefühl oder Schwächegefühl, Müdigkeit
J Kopfschmerzen
J Vermehrtes Hungergefühl und Gewichtszunahme
J Unruhe, Nervosität, Ängstlichkeit, Erregtheit, Gereiztheit, depres-
sive Verstimmung
J Schlafstörungen
J Obstipation, Übelkeit, Erbrechen
4 Therapie/Tabakentwöhnung
5 Rauchstopp: auf den Tag festgelegter, sofortiger Stopp (»Punkt-
Schluss-Methode«) hat gegenüber schrittweiser Reduktion eine hö-
here Erfolgsquote
5 Medikamentöse Entwöhnungshilfen
J Substitutionsstrategien: Nikotinersatzpräparate (Nikotinpflaster,
-kaugummis, -nasensprays, Sublingualtabletten)
J Bupropion: dopaminerg/noradrenerges Antidepressivum
J Vareniclin: partieller Nikotinrezeptoragonist
5 Psychotherapeutische Maßnahmen (i. d. R. als Gruppentherapien):
Psychoedukation, Motivationsförderung, Identifikation von Ri-
sikosituationen, Problemlösetraining, Erlernen mentaler Strate-
gien mit denen die Aufmerksamkeit vom Rauchen wegverlagert
werden kann, operante Verstärkung, Entspannungstraining, Aku-
punktur
4 Besonders gefährdet sind Personen mit chronischen Schmerzen, Schlaf- Eigene Notizen
störungen, Angsterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, anderen
Suchterkrankungen und Angehörige medizinischer Berufe
4 Akute Wirkungen der Benzodiazepine
5 Anxiolyse
5 Sedierung und Schlafinduktion
5 Verschlechterung von Kognition und Reaktionsfähigkeit
5 Muskelrelaxation
4 Benzodiazepinintoxikation
5 Symptome
J Somnolenz bis hin zum Koma
J Arterielle Hypotonie
J Atemdepression bis hin zum Atemstillstand
J Muskelhypotonie bis hin zu Stürzen bzw. Steh- und Geh-Unfähig-
keit
5 Therapie
J Akut: Sicherung der Vitalfunktionen und Giftelimination; evtl.
Antidot Flumazenil (kompetetiver Benzodiazepin-Antagonist)
4 Chronische Effekte bei fortgesetztem Benzodiazepinkonsum
5 Sekundäre Angst- und Schlafstörungen
5 Körperliche Schwäche, Antriebslosigkeit, eingeschränkte Mobilität
5 Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen
5 Affektive Indifferenz
4 Benzodiazepinentzugssyndrom (tritt häufig verzögert auf)
5 Schlaflosigkeit
5 Ängstlichkeit, dysphorische Stimmung
5 Innere Unruhe, Reizbarkeit
5 Delir
5 Krampfanfälle, Myoklonien, Tremor
5 Wahrnehmungsstörungen (Metallgeschmack, Lichtscheue, Hyper-
akusis, Gefühl elektrischer Schläge, Depersonalisationssymptome)
5 Konzentrationsstörungen
5 Kopf- und Muskelschmerzen
5 Vegetative Entzugssymptome wie beim Alkoholentzug sind eher
seltener (dann: Hyperhidrosis, Hypertonie, Tachykardie, Übelkeit,
Erbrechen, Diarrhö)
> Bei jedem ätiologisch unklaren Krampfanfall oder Delir muss die
Möglichkeit eines Benzodiazepin-Entzugssyndroms bedacht werden.
4 Therapie
5 Bei Benzodiazepinentzugssyndrom initial Substitution, am besten
mit der gleichen Substanz, mit der der Konsum durchgeführt wurde
5 Langsame, schrittweise Dosisreduktion (schwere zerebrale Krampf-
anfälle und Delire bei sofortigem Absetzen!), Verlauf i. d. R. über
bis zu 4–6 Wochen (die letzten mg sind die Schwierigsten!); Kumu-
lation bzw. lange Halbwertszeit von einigen Benzodiazepinen be-
achten
204 Kapitel 19 · Missbrauch und Abhängigkeit
Eigene Notizen 5 Unterstützende Gabe von Antikonvulsiva (z. B. Pregabalin, zur Ver-
hinderung schwerwiegender Entzugserscheinungen und Anfalls-
schutz) und Antidepressiva (v. a. bei Schlafstörungen und Ängst-
lichkeit)
5 Motivationsförderung, Stärkung von Selbstvertrauen, Problemlöse-
training, soziales Kompetenztraining, Erlernen von Entspannungs-
verfahren zur Reduktion innerer Unruhe und Nervosität, Teilnah-
me an Selbsthilfegruppen
Opiate/Opioide
Eigene Notizen 5 Großes Problem stellt die Frage nach sinnvollem Prozedere bei
nachgewiesenem Beigebrauch dar: Konzepte im Sinne der »harm
reduction« (außer Substitution) sind
J Fixer-Stuben
J Sicherung des Unterhalts/der Wohnungssituation
J Information, Diagnostik und Therapie von Folgekrankheiten
J Street-working
5 Entwöhnung und Nachsorge
J Zur medikamentösen Unterstützung der Entwöhnungsbehand-
lung nach erfolgter Opioidentgiftung: Naltrexon (μ-Opiat-Anta-
gonist)
5 Diagnostisch abzuklären und entsprechend zu therapieren sind
auch körperliche Begleiterkrankungen wie z. B. Hepatitis B und C,
HIV, Lues, Tuberkulose
Cannabinoide
4 Häufig Einstiegsdroge für andere Suchterkrankungen
4 In der Regel aus Hanfpflanzen hergestellte Produkte (Haschisch: Harz
der Blüten; Marijuana: getrocknete Blüten und Blätter)
4 Wichtigster Wirkstoff: Tetrahydrocannabinol (THC) mit CB1-Antago-
nismus
4 Dosisabhängige Wirkung: anregend bei geringeren Dosen, dämpfend
bei hohen Dosen
4 Charakteristische Wirkungen: Euphorie, Entspannung, Verzerrung von
Sinneseindrücken, verändertes Zeitgefühl; in höheren Dosierungen
auch Halluzinationen
4 Evtl. Auftreten sog. »Horrortrips« (starke Angstzustände mit Gefühl
der Bedrohung) bzw. »Flashback-Psychosen« (psychotische Episode
Tage oder Wochen nach Cannabiskonsum)
> Regelmäßiger Cannabiskonsum steigert das Risiko für die Entwick-
lung einer psychotischen Erkrankung.
20 Psychische Faktoren
bei somatischen Erkrankungen
20.1 Psychische Komorbiditäten bei körperlichen Erkrankungen – 214
4 Patienten mit Diabetes mellitus haben ein etwa doppelt so hohes Risiko
an einer Depression zu erkranken als Nicht-Diabetiker (Kausalzusam-
menhang noch nicht hinreichend geklärt)
4 Hypoglykämien können zu akuten psychischen Symptomen führen wie
Angst und Erregung, sehr schwere rezidivierende Hypoglykämien kön-
nen das Risiko für die Entwicklung einer Depression erhöhen
4 Assoziation von Depression und Diabetes mellitus ist bidirektional: De-
20 pression kann auch das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mel-
litus Typ 2 erhöhen
20.2 · Psychosomatische Aspekte bei ausgewählten organischen Erkrankungen
215 20
20.2.5 AIDS
20
21
Tag 5 – Spezielle Krankheitsbilder III
21 Aufmerksamkeitsdefizit-
Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
220 Kapitel 21 · Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
4 Hyperkinetische Störung
4 »Zappelphilipp«-Phänomen
Ätiologie
4 Besonders relevant sind genetische und neurobiologische Faktoren (v. a.
dopaminerge, geringer auch serotonerge und noradrenerge Funktions-
störung, frontolimbische Hypoaktivität), Schwangerschafts- und Ge-
burtskomplikationen
4 Psychosoziale und familiäre Faktoren (z. B. negative Eltern-Kind-Inter-
aktionen, unvollständige Familien, hohe Wohndichte) werden als be-
deutsam für die Persistenz und den Schweregrad der Erkrankung ange-
sehen (keine primäre ätiologische Bedeutung)
Epidemiologie
4 Eine der häufigsten psychischen Erkrankungen im Schulalter, bei ca.
5–10% der 4- bis 10-Jährigen deutlich ausgeprägte Kernsymptome der
ADHS
4 Ca. 4-mal mehr Jungen betroffen
4 Beginn vor dem 6. Lebensjahr
4 Mindestens in 1/3 der Fälle Andauern der Erkrankung bis ins Erwach-
senenalter, Prävalenz der ADHS im Erwachsenenalter: ca. 1%; Ge-
schlechterverhältnis im Erwachsenenalter: Männer zu Frauen ca. 2:1
Klinik
4 Leitsymptome
5 Störung der Aufmerksamkeit und Konzentration: erhebliche Ab-
lenkbarkeit, geringe Ausdauer
5 Hyperaktivität: ausgeprägte motorische Unruhe mit Nicht-Sitzen-
Können (neigen zu Unfällen!), ständigem Reden und Lärmen und
ziellosen Aktivitäten
5 Impulsivität mit niedriger Frustrationstoleranz und häufigen Stim-
mungsschwankungen mit Wutausbrüchen
4 Diagnosekriterien hyperkinetischer Störungen (nach ICD-10)
1. Situationsübergreifendes Vorkommen der Kardinalsymptome Auf-
merksamkeitsstörung und Hyperaktivität
2. Begleitsymptome (für die Diagnose nicht notwendig, diese jedoch
stützend): impulsive Missachtung sozialer Regeln, Distanzlosigkeit
in sozialen Beziehungen, Unbekümmertheit in Gefahrensituationen
4 Einteilung der hyperkinetischen Störungen
5 Einfache Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung, wenn
allgemeine Kriterien der hyperkinetischen Störung (Aufmerksam-
keitsstörung, Hyperaktivität, Impulsivität) erfüllt sind
5 Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens, wenn allgemeine
Kriterien der hyperkinetischen Störung erfüllt sind bei zusätzlichem
Vorliegen einer Störung des Sozialverhaltens
21 · Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
221 21
4 Oft negative Auswirkungen auf die Schulleistungen mit resultierenden Eigene Notizen
Konflikten in Elternhaus und Schule, niedrigem Selbstwertgefühl
4 Häufig bestehen entwicklungsneurologische Auffälligkeiten, kognitive
Beeinträchtigungen und komorbid Ticstörungen, umschriebene Ent-
wicklungsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens sowie affektive
und Angststörungen
4 Erhöhtes Risiko für eine dissoziale Entwicklung sowie für Suchterkran-
kungen
4 ADHS im Erwachsenenalter: Persistenz der zentralen Symptome in
altersspezifischer Ausprägung: statt motorischer Unruhe eher innere
Unruhe, emotionale Instabilität und Desorganisiertheit
5 Keine eigenen ICD-10-Kriterien für das Erwachsenenalter, es gelten
die gleichen Kriterien wie im Kindesalter
5 Wender-Utah-Kriterien (spezifisch für Erwachsene entwickelt, zur
Unterstützung der Diagnosestellung)
1. Aufmerksamkeitsstörung
2. Motorische Hyperaktivität
3. Affektlabilität
4. Desorganisiertes Verhalten
5. Mangelnde Affektkontrolle
6. Impulsivität
7. Emotionale Überreagibilität
Punkte 1 und 2 sind für die Diagnose obligatorisch; zusätzlich müs-
sen noch mindestens 2 der anderen Kriterien erfüllt sein (Problem:
teilweise Überlappung der Kriterien)
> Voraussetzung für die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter
ist das Vorliegen einer ADHS bereits im Kindesalter.
Diagnostik
4 Ausführliche Eigen- und Fremdanamnese inkl. Medikamentenanam-
nese zum Ausschluss medikamentöser Ursachen (z. B. Barbiturate, Anti-
histaminika, Sympathikomimetika, Theophyllin, Steroide, Antipsycho-
tika und andere Psychopharmaka) und Suchtanamnese (missbräuch-
licher Konsum psychotroper Substanzen?)
4 Körperliche Untersuchung (inkl. EEG und Laborstatus) zum Ausschluss
organischer Ursachen (altersabhängig), v. a.
5 Schilddrüsenerkrankungen
5 Epilepsie mit Absencen
5 Chorea
5 Schädel-Hirn-Traumata
5 Vigilanzstörungen bei Schlafstörungen wie Narkolepsie, Restless-
Legs-Syndrom, Schlafapnoe-Syndrom
4 Testpsychologische Verfahren, störungsspezifische Fragebögen
4 Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind insbesondere
5 Hirnorganische Störungen
5 Intelligenzminderungen
5 Störungen des Sozialverhaltens
222 Kapitel 21 · Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
Therapie
4 Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie
4 Verhaltenstherapeutischen Maßnahmen, z. B. Psychoedukation, Acht-
samkeitstraining, Verstärkerprogramme, Übungen zur Verhaltens-
kontrolle und Handlungsplanung, kognitive Therapien
4 Methoden zum Spannungsabbau (z. B. Entspannungsverfahren, Sport)
sowie Maßnahmen zur Strukturierung des Tagesablaufs und Organisa-
tionshilfen können hilfreich sein
4 Psychopharmakotherapie
5 Psychostimulanzien (zugelassen bei Kindern ab dem 6. Lebensjahr):
Methylphenidat und Amphetaminderivate (D,L-Amphetamin)
5 Selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI): Ato-
moxetin (Medikament der 2. Wahl)
5 Antidepressiva mit noradrenerger Wirkkomponente (z. B. Reboxe-
tin, Venlafaxin, Bupropion) als Medikamente der 3. Wahl zur Be-
handlung der ADHS im Erwachsenenalter
22
Tag 5 – Spezielle Krankheitsbilder III
22 Ticstörungen
224 Kapitel 22 · Ticstörungen
Epidemiologie
4 Ticstörungen insgesamt bei ca. 7% der Bevölkerung
4 Gilles-de-la-Tourette-Syndrom bei ca. 1,5% der Bevölkerung
4 Ticstörungen sind ca. 10-mal häufiger bei Kindern/Jugendlichen als bei
Erwachsenen
4 Hauptmanifestationsalter um das 7. Lebensjahr
4 Häufiger bei Jungen (ca. 4:1)
Klinik
4 Erleben der Tics als unwillkürlich; willkürliche Unterdrückung ist je-
doch zeitweise möglich
4 Vermehrtes Auftreten unter emotionaler Beteiligung (z. B. bei Anspan-
nung, Angst, Ärger, Freude, Stress, Müdigkeit), Nachlassen unter Ablen-
kung, Entspannung, Konzentration auf eine Tätigkeit; Nichtauftreten
im Schlaf
4 Gelegentliches Wahrnehmen eines »sensomotorischen Vorgefühls«
(eine Art Drang, Kribbeln oder Spannungsgefühl, das dem Tic voraus-
geht und durch Ausführung des Tics vorübergehend gelöst wird)
4 Unterscheidung der Tics nach ihrer Qualität (motorisch, vokal) und
ihrer Komplexität (einfach, komplex)
4 Motorische Tics
5 Einfache: z. B. Blinzeln, Gesichts-, Hals-, Schulterzuckungen
5 Komplexe: z. B. Springen, Klatschen, Berühren, Echopraxie (zwang-
haftes Nachahmen und Wiederholen vorgezeigter Bewegungen),
Kopropaxie (unwillkürliche obszöne Gesten)
4 Vokale Tics
5 Einfache: z. B. Räuspern, Grunzen, Bellen, Husten
5 Komplexe: z. B. Wörter, Sätze, Kurzaussagen, Echolalie (zwanghaftes
Wiederholen von Worten oder Sätzen des Gesprächspartners), Pa-
lilalie (zwanghaftes Wiederholen eigener Worte oder Sätze), Kopro-
lalie (Ausstoßen fäkaler oder obszöner Worte)
4 Zu Beginn der Erkrankung treten häufig einfache motorische Tics im
Bereich des Gesichts auf
22 · Ticstörungen
225 22
Diagnostik
4 Eigen- und Fremdanamnese, Verhaltensbeobachtung
4 Allgemeinkörperliche und neurologische Untersuchung zum Aus-
schluss organischer Ursachen der Tics oder Tic-ähnlichen Phänomene,
z. B. (altersabhängig)
5 Chorea Huntington
5 Chorea minor Sydenham
5 Verschiedene Dystonieformen
5 Ballismus
5 Myoklonus
5 Epilepsien
5 Zerebrale Erkrankungen und Schädigungen wie Insult, Enzephali-
tis, Schädel-Hirn-Traumata, CO-Vergiftung, Lyme-Borreliose
4 Auftreten auch im Rahmen des Konsums bestimmter Substanzen mög-
lich (Medikamenten- und Suchtanamnese!)
5 Amphetamine
5 L-Dopa
5 Opiatmissbrauch
5 Spätdyskinesien im Rahmen einer Antipsychotikabehandlung
4 Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind auch stereotype Bewe-
gungsstörungen
5 Willkürliche, wiederholte, stereotype, oft rhythmische und nicht
funktionelle Bewegungen (»Jaktationen«) wie Körper- oder Kopf-
schaukeln, Haarezupfen, Fingerschnippen oder Händeschütteln
5 Selbstschädigendes Verhalten wie wiederholtes Kopfanschlagen,
Ins-Gesicht-schlagen, In-den-Augen-bohren und Beißen
5 Häufig bei intelligenzgeminderten, vernachlässigten oder autisti-
schen Kindern
Therapie
4 Aufklärung von Betroffenen und Bezugspersonen über das Erkran-
kungsbild
226 Kapitel 22 · Ticstörungen
Definition
Durchgängiges Muster erheblich abweichenden, dissozialen, aggressiven
oder aufsässigen Verhaltens.
23
4 Synonyme Begriffe: Dissozialität, antisoziales Verhalten in Kindheit und
Jugend
Ätiologie
4 Wechselwirkungen:
5 Genetische Disposition
5 Neurobiologische Faktoren, z. B. Zusammenhang zwischen aggressi-
vem Verhalten und hirnstrukturellen und -funktionellen Auffälligkei-
ten im präfrontalen Kortex und temporo-limbischen Strukturen; As-
soziation von Aggression und Dysfunktion des serotonergen Systems
5 Psychosoziale Faktoren, z. B. ungünstige Familienverhältnisse und
familiäre Kommunikationsmuster, Delinquenz der Eltern, aggres-
sive elterliche Verhaltensweisen, Misshandlung, niedriger sozioöko-
nomischer Status, negative Einflüsse der peer-group (Bezugsgruppe
der Gleichaltrigen)
Epidemiologie
4 Bis zu 8% aller Kinder und Jugendlichen weisen Störungen des Sozial-
verhaltens auf
4 Häufiger bei Jungen und in städtischen Gebieten
Klinik
4 Aggressives Verhalten gegen Personen, Tiere oder Gegenstände
4 Verminderte Frustrationstoleranz, häufig heftige Wutausbrüche, Im-
pulsivität, Streitlust
4 Häufig Lügen, Schuleschwänzen, Weglaufen, Tierquälerei, Übertretung
von Normen und Gesetzen und Verletzung der Rechte anderer Per-
sonen (z. B. Eigentumsdelikte, Brandstiftung), Drogenkriminalität
4 Dissoziales Verhalten in verschiedenen Lebenskontexten mit dem Ziel,
einen unmittelbaren Vorteil zu gewinnen
4 Unterscheidung einer Gruppe mit frühem Beginn (vor dem 10. Lebens-
jahr) und spätem Beginn (nach dem 10. Lebensjahr)
5 Bei frühem Beginn eher ungünstiger chronischer Verlauf hin zur
dissozialen Persönlichkeitsstörung
4 Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens
5 Aggressives Verhalten fast nur im häuslichen Umfeld bzw. bei Fami-
lienmitgliedern
4 Störung des Sozialverhaltens mit fehlenden sozialen Bindungen
5 Andauerndes aggressives Verhalten, das zu Störungen in den Bezie-
hungen zu anderen Personen führt (insbesondere zur peer-group,
meist auch zu Erwachsenen)
23.2 · Emotionale Störungen des Kindesalters
229 23
Diagnostik
4 (Familien-)Anamnese und Fremdanamnese, Erhebung des sozialen
Umfeldes
4 Allgemeinkörperliche und neurologische Untersuchung (inkl. EEG)
Therapie
4 Konfliktbewältigungsstrategien, Problemlösetraining, Förderung der
Ich-Entwicklung, Verbesserung der Beziehungsfähigkeit, der sozialen
Wahrnehmung und Kognition
4 Einüben prosozialer Verhaltensweisen, z. B. in Rollenspielen
4 Ablösung von dissozialen Gruppen
4 Familientherapie
4 Jugendhilfemaßnahmen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz
(KJHG) in Kooperation mit dem Jugendamt
4 In Einzelfällen (z. B. bei schwerem impulsivem, aggressivem Verhalten)
können atypische Antipsychotika wie Risperidon unterstützend einge-
setzt werden oder Lithium
Definition
Störungsgruppe, die insbesondere Ängste und depressive Symptome
umfasst.
Ätiologie
4 Vor allem Lernerfahrungen durch Erziehungseinflüsse und Bindungs-
erfahrungen; wahrscheinlich auch genetische Disposition
Epidemiologie
4 Gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen des Kindesalters
Klinik
4 Emotionale Störung mit Trennungsangst
5 Extrem starke Furcht vor Trennung von Bezugspersonen
5 Häufig psychosomatische Beschwerden bei bevorstehenden Tren-
nungen
5 Verweigerung des Besuches des Kindergartens oder der Schule
(Schul»phobie«)
230 Kapitel 23 · Emotionale und soziale Verhaltensstörungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
Eigene Notizen > Insbesondere im Alter von 6–8 Lebensmonaten sind Trennungs-
ängste normal (sog. »Fremdeln«).
Diagnostik
4 (Familien-)Anamnese, Beobachtung der familiären Interaktion
4 Bei Schulverweigerung differenzialdiagnostische Abgrenzung von
Trennungsangst, Schulangst (Leistungs- und Sozialängste) und Schule-
schwänzen (keine Lust auf Schule)
Therapie
4 Elternberatung/-training, psychotherapeutische Maßnahmen wie z. B.
Reaktionsexposition und Angstmanagement, systematische Desensibi-
lisierung, soziales Kompetenztraining
4 Bei massiven Ängsten sowie bei chronischen Verlaufsformen ggf. unter-
stützend Pharmakotherapie (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-
hemmer, ggf. in Krisensituationen kurzfristig Benzodiazepine)
23.4 · Bindungsstörungen
231 23
23.3 Elektiver/selektiver Mutismus Eigene Notizen
Definition
Störung mit starker Beeinträchtigung der sprachlichen Kommunikation.
Selektives Nichtsprechen gegenüber bestimmten Personen/Personen-
gruppen und/oder in bestimmten Situationen.
Ätiologie
4 Begünstigende Faktoren: sprachliche Entwicklungsverzögerung, ängst-
liche Persönlichkeitsstruktur und auffällige, disharmonische Familien-
verhältnisse
Epidemiologie
4 Seltene Erkrankung, häufiger bei Mädchen
4 Meist zwischen dem 4. und 8. Lebensjahr auftretend
Klinik
4 Nichtsprechen bei erhaltenem Sprechvermögen und Abschluss der
Sprachentwicklung
4 Auftreten nur in bestimmten Situationen oder gegenüber ausgewählten
Personen (oft normales Sprechen zu Hause oder mit engen Freunden)
4 In sozialen Situationen oft ängstlich und zurückhaltend, zu Hause eher
aufsässig und oppositionell
Diagnostik
4 Entwicklungsanamnese und test-/neuropsychologische Diagnostik
Therapie
4 Vor allem nonverbale psychotherapeutische Maßnahmen (Musik-, Bewe-
gungs-, Kunsttherapie), verhaltenstherapeutische Anwendung des Prin-
zips der operanten Konditionierung für bestimmtes Sprechverhalten
4 Ggf. Herausnahme aus einer belastenden familiären Situation
4 Ggf. unterstützende pharmakologische Behandlung komorbider Stö-
rungen (häufige Komorbidität mit Ängsten und depressiven Störungen)
23.4 Bindungsstörungen
Definition
Störungsbild mit abnormem Beziehungsmuster, einer Störung sozialer
Funktionen und mit emotionalen Auffälligkeiten, die insbesondere in
sozialen Interaktionen deutlich werden.
Ätiologie
4 Relevant sind v. a. biografische Faktoren wie verwahrlostes Milieu, De-
privation, Misshandlung oder Missbrauch in den ersten Lebensjahren
232 Kapitel 23 · Emotionale und soziale Verhaltensstörungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
Eigene Notizen 4 Unsichere Bindung als Risikofaktor für die Entwicklung einer Bin-
dungsstörung
Epidemiologie
4 Unsicheres Bindungsverhalten in der frühen Kindheitsentwicklung ist
relativ häufig (unsicher-vermeidend, unsicher-ambivalent), keine zu-
23 verlässigen epidemiologische Daten zu den Bindungsstörungen
4 Bindungsstörungen sind häufiger bei Jungen als bei Mädchen
Klinik
4 2 Grundformen
5 Gehemmte Form mit Rückzug, Vermeidung, Hypervigilanz
5 Ungehemmte Form v. a. mit wahllosem, distanzlos-diffusem Kon-
taktverhalten
4 Reaktive Bindungsstörung des Kindes (gehemmter Typ)
5 Ambivalentes Beziehungsverhalten zu Betreuungspersonen (An-
näherung, Vermeidung, Widerstand, »frostige Wachsamkeit«/
beobachtende Übervorsichtigkeit)
5 Gehemmtes, ängstliches oder aggressives Verhalten gegenüber sich
selbst und anderen Personen, eingeschränkte soziale Interaktionen
mit Gleichaltrigen
5 Emotionale Auffälligkeiten (Mangel an emotionaler Ansprechbar-
keit, apathisch, unglücklich, furchtsam)
5 In einigen Fällen Wachstumsverzögerung
5 Beginn vor dem 5. Lebensjahr
4 Bindungsstörung des Kindes mit Enthemmung
5 Wahllose, unkritische Anklammerungstendenzen und Distanzlosig-
keit gegenüber Erwachsenen, aufmerksamkeitssuchendes Verhalten
5 Beziehungsstörung zu Gleichaltrigen: oberflächliche Kontakte,
Schwierigkeiten beim Aufbau enger, länger dauernder Beziehungen
5 Oft rasche Stimmungswechsel und Regelverletzungen (Diebstähle,
Lügen), aggressive Verhaltensweisen gegen sich selbst und andere
5 Beginn vor dem 5. Lebensjahr
5 Tendenz, trotz Änderungen der Milieubedingungen zu persistieren
Diagnostik
4 Entwicklungsanamnese, Verhaltensbeobachtung (Beobachtung des
Bindungsverhaltens, z. B. Video mit Trennung und Wiederannäherung
von Kind und Bezugsperson, Spielbeobachtung)
4 Somatische Abklärung mit entwicklungsneurologischer Untersuchung,
v. a. bei Minderwuchs
Therapie
4 Milieutherapeutische Maßnahmen (ggf. Einschaltung des Jugendamtes
und Herausnahme aus dem Milieu)
4 Spieltherapeutische Maßnahmen mit dem Ziel einer Verbesserung der
Beziehungsfähigkeit des Kindes
4 Familientherapie, -beratung
4 Ggf. unterstützende pharmakologische Behandlung komorbider Stö-
rungen (Ängste, depressive Störungen)
24
Tag 5 – Spezielle Krankheitsbilder III
24 Entwicklungsstörungen
24.1 Umschriebene Entwicklungsstörungen – 234
Definition
Teilleistungsstörungen: Fähigkeiten liegen in einzelnen Leistungsbe-
reichen unterhalb des Niveaus der sonstigen intellektuellen Kapazität.
4 Umschriebene Entwicklungsstörungen
5 des Sprechens und der Sprache: Sprachstörung (Störung von Sprach-
24 verständnis und/oder sprachlichem Ausdruck), Sprechstörung
(Störungen des Sprechablaufs/-flusses)
5 der schulischen Fertigkeiten: Lese- und Rechtschreibstörung (Le-
gasthenie), Rechenstörung (Dyskalkulie)
5 der motorischen Funktionen
Ätiologie
4 Vor allem genetische und hirnorganische Faktoren (Störungen zentral-
nervöser Reifungsprozesse)
4 Begünstigung durch psychosoziale Faktoren, v. a. fehlende Förderung
Epidemiologie
4 Ca. 7% der Kinder zeigen Teilleistungsschwächen im verbalen, ca. 5%
im nonverbalen Bereich
4 Insgesamt sind Jungen häufiger betroffen
Klinik
4 Beginn der Störung im Kleinkindalter/in der Kindheit
4 Stetiger Verlauf der Erkrankung (keine Remissionen/Rezidive)
4 Sprachstörungen
5 Artikulationsstörung (Stammeln, Dyslalie): Fehlen, Ersetzen oder
Entstellen einzelner Laute oder Lautverbindungen
5 Expressive Störung: Fähigkeit des Kindes, die expressiv gesprochene
Sprache zu gebrauchen (aktiver Wortschatz, Grammatik, Fähigkeit,
Inhalte sprachlich auszudrücken) liegt deutlich unterhalb des sei-
nem Intelligenzalter angemessenen Niveaus; Sprachverständnis
liegt i. d. R. im Normbereich
5 Rezeptive Störung: Sprachverständnis des Kindes liegt deutlich
unterhalb des seinem Intelligenzalter angemessenen Niveaus
4 Sprechstörungen: Störungen des Sprechablaufs/des Redeflusses
5 Stottern (Hemmung oder Unterbrechung des Sprechflusses) oder
Poltern (hohe fehlerhafte Sprechgeschwindigkeit, unrhythmisch
und ruckartig)
> Leichtes Stammeln, Stottern und Poltern sind im Vorschulalter
physiologisch.
4 Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie)
5 Lesestörung: z. B. Schwierigkeiten, das Alphabet aufzusagen, Buch-
staben zu benennen, Laute zu unterscheiden; Auslassen, Ersetzen,
Verdrehen oder Hinzufügen von Worten oder Wortteilen, sehr lang-
24.1 · Umschriebene Entwicklungsstörungen
235 24
Diagnostik
4 Intelligenz- und Entwicklungsdiagnostik (z. B. Hamburg-Wechsler-In-
telligenztest für Kinder), Lese- und Rechtschreibtests, Rechentests oder
Prüfung motorischer Fertigkeiten
4 Ausschluss neurologischer und sensorischer Störungen: Körperliche
Untersuchung inkl. EEG, Hör- und Sehprüfung, Sprachdiagnostik
Therapie
4 Elternberatung
4 Individuell angepasste Förder- und Therapiemaßnahmen
4 Sprach-/Sprechstörungen: Logopädische Behandlung
4 Störung schulischer Fertigkeiten: spezifisches Training des Lesens, der
Rechtschreibung oder des Rechnens; Piracetam (ein Nootropikum)
wirkt unspezifisch bei schwerer Legasthenie
4 Motorische Störungen: Ergotherapie, Mototherapie und Krankengym-
nastik
4 Bei sekundärer Ausbildung emotionaler Störungen (z. B. Ängste, De-
pressionen, Schulverweigerung) ggf. zusätzliche psychotherapeutische
Maßnahmen
236 Kapitel 24 · Entwicklungsstörungen
Definition
Erhebliche Beeinträchtigungen mehrerer Entwicklungsbereiche
(Kommunikation, soziale Interaktion, Interessen, Aktivität).
24 Ätiologie
4 Genetische Einflüsse, Hirnfunktionsstörungen und biochemische Auf-
fälligkeiten (z. B. Störungen im Serotonin- und Dopaminstoffwechsel
sowie anderer Transmitter), Störungen der kognitiven und emotionalen
Informationsverarbeitung
> Für tiefgreifende Entwicklungsstörungen ist »falsche Erziehung«
sicher nicht ursächlich.
Klinik
4 Frühkindlicher Autismus/Kanner-Syndrom: vor dem 3. Lebensjahr
beginnende, tiefgreifende Störung von Sprache, Empathie, Kontakt, In-
teressen, Entwicklungsfähigkeit
5 Qualitative Beeinträchtigungen wechselseitiger sozialer Aktionen
(z. B. unangemessene Einschätzung und geringer Gebrauch sozialer
und emotionaler Signale, Vermeidung von Blickkontakt)
5 Qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation; keine oder ver-
zögerte Sprachentwicklung; wenn Sprache vorhanden: stereotype
Wort- und Satzfolgen, Neologismen, Echolalie, pronominale Um-
kehr (Vertauschung von »Du« und »Ich«), Störung der Intonation
und des Sprachrhythmus
5 Affektiv indifferent und wenig schwingungsfähig
5 Beschränkte Interessen und stereotype Verhaltensmuster (stereoty-
per Spielzeuggebrauch, oft intensive Bindung an bestimmte Gegen-
stände, repetitives und oft ritualisiertes Verhalten mit panischer
Veränderungsangst)
> Stereotypien wie Augenbohren, Schlagen mit den Händen auf die
Ohren können als Selbststimulation von Sinnesbereichen inter-
pretiert werden.
5 Starke Selbstbezogenheit
5 Häufig Intelligenzminderung (in ca. 80% der Fälle) und neurolo-
gische Auffälligkeiten (z. B. zerebrale Krampfanfälle) sowie weitere
neuropsychologische und psychopathologische Symptome (Schlaf-
und Essstörungen, aggressives Verhalten, Selbstverletzungen, Hy-
peraktivität)
5 Kernsymptomatik (basale Kommunikationsstörung, häufig Stereo-
typien und Selbststimulation, eingeschränkte Interessen und beein-
trächtigte Fähigkeit zur Kontaktaufnahme) bleibt auch im Erwach-
senenalter erhalten
24.2 · Tiefgreifende Entwicklungsstörungen, Autismus
237 24
Kanner-Syndrom Asperger-Syndrom
Diagnostik
4 Diagnosestellung vorwiegend durch klinische Beobachtung, Entwick-
lungs- und Intelligenzdiagnostik, störungsspezifische Untersuchungs-
24 instrumente, allgemeinkörperliche und neurologische Untersuchung
inkl. EEG zum Ausschluss von Epilepsie (Vorkommen bei bis zu 30%
der Betroffenen mit frühkindlichem Autismus)
> Frühsymptome autistischer Störungen
4 Fehlender Blickkontakt
4 Kein Lächeln im Sozialkontakt (normalerweise: »soziales
Lächeln« – noch unselektiv auf menschliche Stimmen und
Gesichter – ab ca. 2. Monat; selektives soziales Lächeln zu
vertrauten Personen ab ca. 7. Monat)
4 Kein angemessener Gesichtsausdruck
4 Bizzare Haltungen
4 In Zweierbeziehung keine geteilte gemeinsame Aufmerksam-
keit wie Dinge zeigen oder der zeigenden Geste einer anderen
Person folgen
4 Differenzialdiagnostisch abzugrenzen
5 Frühkindliche Schizophrenien
5 Intelligenzminderungen
5 Seh- oder Hörstörungen
5 Mutismus (im Gegensatz zu autistischen Störungen ist die nonver-
bale Kommunikation i. d. R. unauffällig)
5 Deprivationssyndrom (Hospitalismus): Vorkommen von Kontakt-
störungen, jedoch äußern sich diese eher in depressiver Symptoma-
tik, manchmal in distanzlosem Verhalten
Therapie
4 Spezielle pädagogische Betreuung, familiäre Unterstützung und Bera-
tung, verhaltenstherapeutische Maßnahmen (Training sozialer und
kommunikativer Fertigkeiten, Abbau unerwünschter und Aufbau er-
wünschter Verhaltensweisen nach lerntheoretischen Gesichtspunkten)
4 Spezifische medikamentöse Therapie existiert nicht, aber einige Symp-
tome können medikamentös beeinflusst werden
5 Antikonvulsiva bei epileptischen Anfällen
5 Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bei Stereotypien und
ritualisierten Verhaltensmustern
5 Atypische Antipsychotika (z. B. Risperidon) bei Erregungszustän-
den, motorischer Unruhe, Angst, Impulsivität oder selbstverlet-
zendem Verhalten, Stereotypien
5 Psychostimulanzien bei hyperaktivem, impulsivem, aufmerksam-
keitsgestörtem Verhalten
24.3 · Enuresis und Enkopresis
239 24
24.3 Enuresis und Enkopresis Eigene Notizen
Definition
Störungen der Ausscheidung. Enuresis: Bettnässen; Enkopresis: Einkoten.
Ätiologie
4 Genetische und psychosoziale Faktoren haben bei den unterschied-
lichen Formen der Ausscheidungsstörungen eine unterschiedliche Ge-
wichtung
4 Nächtliches Einnässen (Enuresis nocturna)
5 Genetische Disposition ätiologisch am bedeutsamsten (meist auto-
somal-dominanter Erbgang)
5 Bei sekundärer Enuresis nocturna wirken belastende Lebensereig-
nisse wie Trennung der Eltern oder Geburt eines Geschwisterkindes
als Auslöser
4 Einnässen am Tage (Enuresis diurna)
5 Einige Unterformen (Drang- und Lachinkontinenz) sind v. a. gene-
tisch bedingt, bei den anderen sind Umweltfaktoren vorherrschend
sowie morphologisch-funktionelle Auffälligkeiten (z. B. geringe
Blasenkapazität)
4 Enkopresis
5 Geringe genetische Komponente disponiert zur Stuhlretention (bei
Enkopresis mit Obstipation)
5 Somatische Faktoren (z. B. schmerzhafte Defäkation) als Auslöser
oder psychosoziale Faktoren (belastende Lebensereignisse, gestörte
familiäre Interaktionsmuster, zu strenge oder nachlässige Reinlich-
keitserziehung, psychosoziale Retardierung)
Epidemiologie
4 Häufige Störung im Kindesalter mit hoher spontaner Remissionsrate
4 Enuresis ist häufiger als Enkopresis, aber hohe Komorbidität von Enu-
resis und Enkopresis
4 Jungen sind insgesamt öfter betroffen (nur bei Enuresis diurna mehr
Mädchen betroffen)
Klinik
4 Nichtorganische Enuresis: unwillkürlicher Harnabgang ohne orga-
nische Ursache, ab dem 5. Lebensjahr diagnostizierbar
5 Primär (persistierend): Andauern der infantilen Inkontinenz
5 Sekundär (»Rückfall«): Erneutes Einnässen nach bereits mindestens
6 Monate bestehender Blasenkontrolle
5 Enuresis diurna: Einnässen am Tag; häufigste Form des Einnässens
am Tage: ideopathische Dranginkontinenz (= Detrusor-Instabilität,
häufige Miktion, Drangsymptome)
5 Enuresis nocturna: nächtliches Einnässen (insgesamt am häufigsten)
4 Nichtorganische Enkopresis: unwillkürliches oder willkürliches wie-
derholtes Absetzen von Stuhl in Kleidung oder an dafür nicht vorgese-
240 Kapitel 24 · Entwicklungsstörungen
Diagnostik
4 Anamnese
4 Körperliche Untersuchung zur organischen Abklärung der Enuresis
einschließlich 24-h-Miktionsprotokoll, Urinstatus, Sonographie, ggf.
Uroflowmetrie mit Beckenboden-EMG
4 Organische Abklärung der Enkopresis: Defäkationsprotokoll, allge-
meinkörperliche und neurologische Untersuchung mit Sonographie,
ggf. MRT des Beckenbodens, ggf. Sphinktermanometrie
Therapie
4 Bei Enuresis
5 Beratung und Aufklärung der Familie, Motivationsaufbau
5 Bei nächtlichem Einnässen v. a. apparative Verhaltenstherapie
(Klingelgeräte → Lernprozess der klassischen Konditionierung) und
Verstärkerprogramme
5 Bei ideopathischer Dranginkontinenz v. a. kognitiv-verhaltensthe-
rapeutische Maßnahmen mit dem Ziel der zentralen Kontrolle der
Drangsymptome ohne motorische Haltemanöver
5 Ggf. pharmakologischer Einsatz von trizyklischen Antidepressiva
(Imipramin), Desmopressin (synthetische Form des antidiure-
tischen Hormons Vasopressin) oder – bei ideopathischer Drangin-
kontinenz – ein Anticholinergikum wie Oxybutynin (wirkt spasmo-
lytisch, anticholinerg und lokal-analgetisch)
4 Bei Enkopresis
5 Elternberatung und Elterntraining, Beruhigung, Motivationsauf-
bau
5 Bei Enkopresis mit Obstipation: zunächst Darmentleerung (mittels
Einläufen, Purgativa oder Laxanzien), ballaststoffreiche Diät
5 ! Cave Bei Enkopresis ohne Obstipation sind abführende Maß-
nahmen nicht indiziert, können hier sogar zu einer Symptomver-
schlechterung führen!
5 Regelmäßige Toilettengänge → strukturiertes Toilettentraining mit
Verstärkerprogrammen, Beckenbodengymnastik, Perzeptionstrai-
ning (evtl. Biofeedback)
25
Tag 5 – Spezielle Krankheitsbilder III
25 Intelligenzminderung
242 Kapitel 25 · Intelligenzminderung
Ätiologie
4 In ca. 50% der Fälle kann die Ursache nicht klar beschrieben werden,
häufig auch multifaktorielle Genese
4 Pränatal
5 Noxen: Mütterlicher Alkoholkonsum → Alkoholembryopathie;
25 Drogenkonsum, Strahlenbelastung der Mutter
5 Schwangerschaftsinfektion: z. B. Röteln, Toxoplasmose, Lues, Zyto-
megalie
5 Chromosomale Aberrationen: z. B. Trisomie 21, fragiles X-Syndrom
5 Angeborene Stoffwechselstörungen (z. B. Phenylketonurie)
4 Perinatal
5 Komplikationen unter der Geburt (z. B. Hypoxie)
5 Unreife des Neugeborenen
4 Postnatal
5 Zerebrale Infektionen (z. B. Meningitis)
5 Hirntraumen
5 Zu wenig stimulierende Umgebung
Epidemiologie
4 Prävalenz: mittelschwere bis schwere Intelligenzminderung (IQ <50)
ca. 0,5% der deutschen Allgemeinbevölkerung
4 Jungen etwas häufiger betroffen als Mädchen, nach dem 12. Lebensjahr
scheinen sich Geschlechtsdifferenzen aber auszugleichen
Klinik
4 Beeinträchtigung der Intelligenzfunktion, Differenzierung der Schwere-
grade nach dem Intelligenzquotienten (IQ)
> In der Regel hat der IQ einen Mittelwert von 100 und eine Standard-
abweichung von 15 (d. h. die mittleren 68% der Bevölkerung weisen
IQ-Werte zwischen 85 und 115 auf).
4 Lernbehinderung: IQ zwischen 70 und 84
4 Intelligenzminderung allgemein IQ <70
Diagnostik
4 Familienanamnese, Auffälligkeiten in frühkindlicher Entwicklung oder
während Schwangerschaft/Geburt
4 Körperliche Untersuchung, ggf. genetische Abklärung
4 Einschätzung der Intelligenz durch klinischen Eindruck, Anpassungs-
verhalten (Eigen- und Fremdanamnese), intellektuelle Leistungsfähig-
keit (testpsychologische Leistungsdiagnostik)
5 Standardisierte IQ-Messung, z. B. mittels Wechsler-Intelligenz-Test
für Erwachsene (WIE) oder Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für
Kinder (HAWIK)
> IQ-Werte innerhalb der Diagnostik sind als Richtwerte zu verste-
hen. Es kommt insbesondere auf die Fähigkeit/Unfähigkeit an,
sich im Alltagsleben zurechtzufinden.
4 Abklärung häufiger somatischer (z. B. Epilepsie, Taubheit, Seh- oder
Bewegungsstörung) und psychischer Komorbiditäten (z. B. frühkind-
licher Autismus, Rett-Syndrom, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivi-
tätsstörung)
4 Differenzialdiagnostische Demenzabklärung (umschriebener Abbau
bereits ausgebildeter Intelligenzfunktionen)
5 Frühkindliche Dementia infantilis (Heller-Syndrom; desintegra-
tive Störung): Beginn nach normaler Entwicklung im 3.–4. Lebens-
jahr; fortschreitend intellektueller Abbau bis zu schwerer Demenz
innerhalb weniger Monate, mit affektiven Verstimmungszuständen,
innerer Unruhe, sozialem Rückzug, Wahrnehmungsstörungen,
»Puppengesicht« (wenig modulierter Gesichtsausdruck) und Ver-
lust des Sprachverständnisses
244 Kapitel 25 · Intelligenzminderung
26 Demenzen
246 Kapitel 26 · Demenzen
Ätiologie
4 Demenz-Erkrankungen entstehen grundsätzlich auf der Grundlage
einer somatischen Pathologie (z. B. primär neurodegenerative Prozesse,
vaskulär bedingte Effekte oder auch sekundäre zerebrale Pathologien
bei systemischen somatischen Erkrankungen)
4 Primär neurodegenerative Demenzen: Alzheimer-Demenz, frontotem-
porale Demenz, Lewy-Körper-Demenz
26 4 Multifaktorielle Genese, Beispiel Alzheimer-Demenz
5 Genetische Faktoren
J Nur bei wenigen (<10%) Alzheimer-Patienten: familiäre Häufung
(Mehrzahl der Alzheimer-Demenzen tritt sporadisch auf)
J Bei einem kleinen Teil familiär gehäufter Alzheimer-Demenz:
Mutationen auf Chromosomen 1 (Presenilin-2-Gen), 14 (Prese-
nilin-1-Gen) oder 21 (Amyloid-Precursor-Protein)
J Genetischer Risikofaktor für eine Alzheimer-Krankheit: ε4-Allel
des Apolipoprotein-E-Gens
5 Charakteristische neuropathologische Veränderungen
J Progrediente primär parietotemporale und frontale Hirnatrophie,
Neuronenverlust v. a. in Hippokampus und parahippokampalen
Arealen
J Durch kortikalen Synpasenverlust → kortikokortikales Diskon-
nektionssyndrom (verminderte Vernetzung kortikaler Felder,
v. a. hippokampaler und parahippokampaler)
J Extrazelluläre kortikale »senile« Plaques (β-Amyloid-Ablage-
rungen; diffuse und neuritische Plaques)
J Intrazelluläre Fibrillenbündel aus hyperphosphoryliertem Tau-
Protein (»tangles« in hippokampalen und kortikalen Neuronen)
→ durch abnorme Proteinablagerungen Degeneration von Neu-
ronen
5 Neurochemische Veränderungen: Verminderung von Cholinacetyl-
transferase und Acetylcholin (= cholinerges Defizit) sowie weiterer
Neurotransmitter (z. B. Glutamat) und Neuromodulatoren
5 Risikofaktoren für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz
J Lebensalter (wichtigster Risikofaktor)
J Demenzielle und/oder andere neurologische Erkrankungen bei
Erstgradangehörigen
J Weibliches Geschlecht
J Schädel-Hirn-Traumata in der Vorgeschichte
J Kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes mellitus
J Geringe psychosoziale Betätigung
J Geringe Schulbildung
26 · Demenzen
247 26
Epidemiologie
4 Häufigste Demenzform: Alzheimer-Demenz (ca. 60% aller Demenzen)
5 Ca. 2% der 65-Jährigen, ca. 5% der 70-Jährigen; Prävalenz verdoppelt
sich alle 5 Jahre etwa ab dem 60. Lebensjahr bis zum 85. Lebensjahr
5 Verhältnis Frauen zu Männer ca. 3:2
4 Vaskuläre Demenzen als zweithäufigste Demenzform (bis ca. 20% aller
Demenzen)
4 Mischformen von Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz machen
bis zu 15% aller Demenzen aus
4 Lewy-Körper-Demenz gilt als zweithäufigste degenerative demenzielle
Erkrankung (bis zu 20% aller Demenzen), gefolgt von frontotemporaler
Demenz (etwa 5% aller Demenzen)
4 Etwa 10% aller Demenzen lassen sich auf eine potenziell reversible
Grundstörung zurückführen
Klinik
4 Allgemeine Demenz-Kriterien (demenzielles Syndrom): seit minde-
stens 6 Monaten
5 Abnahme des Gedächtnisses (zunächst von Kurz-, später auch Lang-
zeitgedächtnis)
5 Abnahme der Leistung in mindestens einem weiteren kognitiven
Bereich (z. B. Urteilsvermögen, Denkvermögen wie Planungsfähig-
keit, Informationsverarbeitung, kognitive Flexibilität)
5 ! Cave Keine Störung des Bewusstseins (im Gegensatz zu den
meisten akuten organischen psychischen Erkrankungen (7 Kap. 27))
5 Beeinträchtigung der Affektkontrolle, des Antriebs und/oder des
Sozialverhaltens
5 Beeinträchtigung der Alltagskompetenz
248 Kapitel 26 · Demenzen
Eigene Notizen > Demenz = Verlust einer früher vorhandenen intellektuellen Lei-
stungsfähigkeit (im Gegensatz zu angeborenen Intelligenzminde-
rungen, 7 Kap. 25).
4 Kognitive Störungen werden i. d. R. begleitet von
5 Emotionalen und motivationalen Auffälligkeiten
5 Auffälligkeiten im Sozialverhalten
5 Störungen der Sprachproduktion
5 Im fortgeschrittenen Stadium Persönlichkeitsveränderungen (bei
frontotemporaler Demenz auch im Frühstadium), psychotischen
Symptomen, motorischen und weiteren neurologischen Störungen
4 Unterscheidung kortikaler und subkortikaler Demenzen (Demenzfor-
men lassen sich aber klinisch nicht immer klar einer Gruppe zuordnen)
26 5 Gemeinsame Merkmale kortikaler Demenzen: Amnesie, Aphasie,
Agnosie, Apraxie (z. B. Alzheimer-Demenz) bzw. frühe Persönlich-
keitsstörungen (z. B. Demenz bei M. Pick)
5 Gemeinsame Kennzeichen subkortikaler Demenzen (z. B. subkor-
tikale vaskuläre Demenz, Demenz bei M. Parkinson, Demenz bei
Chorea Huntington): extrapyramidalmotorische Störungen, Ver-
langsamung, Vergesslichkeit, Verstimmtheit
Alzheimer-Krankheit
4 Charakteristika
5 Demenzielles Syndrom (allgemeine Demenz-Kriterien)
5 Schleichender Beginn (meist mit Merkfähigkeitsstörungen und
leichten Verhaltensänderungen wie depressive Verstimmung, sozi-
aler Rückzug und Antriebsminderung), Auftreten i. d. R. nach dem
60. Lebensjahr
5 Langsam-progredienter Verlauf ohne sprunghafte Zustandsände-
rungen
5 Deutliche Störung der Sprachproduktion im Sinne einer graduellen
semantischen Aphasie
5 Fehlen von neurologischen Herdzeichen und von Hinweisen auf
eine System- oder andere Hirnerkrankung
> Alzheimer-Krankheit ist eine Ausschlussdiagnose (sicherer Nach-
weis nur post mortem möglich) und bedarf daher umfangreicher
Diagnostik, um reversible Demenzformen zu erkennen.
4 Begleitende nicht-kognitive Störungen
5 In frühem Stadium häufig depressive Verstimmung, Antriebsmin-
derung, sozialer Rückzug
5 Im weiteren Verlauf auch
J Angst
J Apathie oder Erregung, motorische Unruhe, Aggressivität
J Schlafstörungen (z. B. Umkehr des Schlaf-Wach-Rhythmus)
J Wahnsymptome, Halluzinationen (v. a. optische)
J Neuropsychologische Symptome (Apraxie, semantische Aphasie
mit deutlichen Wortfindungsstörungen, Alexie, Agraphie, Akal-
kulie, Störungen der Visuomotorik)
26 · Demenzen
249 26
Weitere Demenzformen
4 Vaskuläre Demenzen
5 Plötzlicher oder auch langsam-progredienter Beginn
5 Stufenförmige Verschlechterung, Symptomatik eher fluktuierend
5 Häufig neurologische Herdzeichen (z. B. Hemiparesen, Sensibili-
tätsverluste, Koordinationsstörungen, Gesichtsfeldausfälle)
5 Vaskuläre Risikofaktoren
5 Nachweis einer zerebralen Infarzierung und zeitlicher Zusammen-
hang mit dem Auftreten des demenziellen Syndroms
5 Gelegentlich zerebrale Krampfanfälle in der Anamnese
5 Grobe Unterscheidung einer Multiinfarkt-Demenz (Zustand nach
mehreren Infarkten, kortikal) und einer subkortikal arteriosklero-
tischen Demenz (eher progredienter Verlauf, subkortikal, entmar-
kend)
4 Gemischte Demenz: Vorliegen von Befunden, die sowohl für eine Alz-
heimer- als auch für eine vaskuläre Demenz sprechen (z. B. Patienten
mit Alzheimer-Krankheit und intrakranieller Blutung aufgrund Amy-
loidangiopathie oder mit begleitenden ischämischen Infarkten)
4 Lewy-Körper-Demenz (schwierige Differenzialdiagnostik zur Parkin-
son-Demenz; nosologische Trennung zwischen Lewy-Körper-Demenz
und Parkinson-Demenz umstritten)
5 Manifestiert sich vorwiegend ab dem 60. Lebensjahr, häufiger Män-
ner betroffen
5 Leichtes Parkinson-Syndrom ( ! Cave Antipsychotikaüberemp-
findlichkeit, leichtes Ansprechen für extrapyramidalmotorische
Nebenwirkungen!)
5 Halluzinationen (v. a. optische); z. T. mit deutlichem Bedrohungs-
erleben, bereits früh beginnend
5 Störungen des REM-Schlafs
5 Fluktuierende kognitive Defizite bzw. transiente Verwirrtheitszu-
stände
250 Kapitel 26 · Demenzen
Diagnostik
> Nachweis oder Ausschluss potenziell reversibler Ursachen kogni-
tiver Störungen.
4 Ausführliche Eigen- und Fremdanamnese
5 Medikamenten- und Suchtanamnese (z. B. Einnahme anticholiner-
ger Arzneimittel?)
5 Schädel-Hirn-Traumata, Infektionen (z. B. Enzephalitis?), vaskuläre
Risikofaktoren in der Vorgeschichte, neurologische oder endokri-
nologische Vorerkrankungen?
4 Allgemeinkörperliche Untersuchung einschließlich EKG (Hinweise auf
kardio- oder zerebrovaskuläre Ereignisse?) sowie neurologische Unter-
suchung inklusive EEG
26 · Demenzen
251 26
4 Laborchemische Untersuchung (z. B. HIV-Test bei Verdacht auf HIV- Eigene Notizen
assoziierte Demenz, Bestimmung von Kupfer und Coeruloplasmin bei
Verdacht auf M. Wilson, Vaskulitis-Parameter)
4 Ggf. Liquordiagnostik (Alzheimer-Krankheit: Tau-Protein und Phos-
pho-Tau-Werte im Liquor erhöht, ß-Amyloidpeptide (Aß1-42) ernied-
rigt; Demenz bei Creutzfeld-Jakob-Erkrankung: Nachweis des 14-3-3-
Proteins)
4 Ggf. molekulargenetische Diagnostik (Diagnosesicherung z. B. bei Ver-
dacht auf Chorea Huntington; ggf. Apo-E-Genotypisierung bei Ver-
dacht auf Alzheimer-Demenz)
4 Bildgebung
5 cCT, besser cMRT (raumfordernde oder vaskuläre Prozesse,
Normaldruckhydrozephalus, Atrophien?)
5 FDG-PET (Goldstandard zur in-vivo-Positivdiagnostik der Alzhei-
mer-Demenz: fokal betonter Hypometabolismus im parietotempo-
ralen und frontalen Assoziationskortex), ggf. fakultativ SPECT (z. B.
parietotemporale Hypoperfusion bei Alzheimer-Demenz)
4 Testpsychologische Zusatzdiagnostik
5 Häufig eingesetzte Kurztests: Mini-Mental-Status-Test (MMST),
Uhrentest; beide im Frühstadium einer Demenz wenig sensitiv
5 Sensitivere Screeninginstrumente: Demenz-Detektionstest (Dem-
Tect), Test für die Diagnostik der Demenzen mit Depressions-
abgrenzung (TFDD)
4 Einschätzung der Alltagskompetenz
4 Wichtige psychiatrische Differenzialdiagnosen der Demenz
5 Depressive Pseudodemenz im Rahmen einer depressiven Störung
(v. a. im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit schwierig differen-
zialdiagnostisch abzugrenzen); bei depressiver Pseudodemenz (im
Gegensatz zur »echten« Demenz)
J Erhebliches Klagen über kognitive Beeinträchtigungen (»typi-
scher« Alzheimer-Patient dissimuliert eher)
J Alltagsleistungen sind besser als Leistungen in testpsychologi-
schen Verfahren
J Besserung der kognitiven Beschwerden bei antidepressiver Be-
handlung
5 Leichte kognitive Störung (7 Kap. 27)
5 Schizophrene Psychosen oder isolierte Wahnerkrankungen
Therapie
4 Kausale Therapie bei identifizierbarer, behandelbarer Ursache; sonst
symptomatische Kombinationstherapie aus Psycho-, Sozio- und Phar-
makotherapie (Ziel: Besserung der Symptomatik und v. a. Verlangsa-
mung der Symptomprogression)
4 Psychopharmakotherapie mit Antidementiva (können nicht nur kogni-
tive Störungen, sondern auch Verhaltensauffälligkeiten positiv beein-
flussen)
5 Acetylcholinesterase-Inhibitoren bei leichter bis mittelschwerer
Alzheimer-Demenz (zugelassene Indikation); (wahrscheinlich)
252 Kapitel 26 · Demenzen
Eigene Notizen wirksam aber auch bei schwerer Alzheimer-Demenz, Einsatz auch
bei vaskulären Demenzen sowie Lewy-Körper-Demenz empfohlen
J Rivastigmin
J Galantamin
J Donepezil
5 NMDA-Rezeptorantagonist (Glutamatmodulator) Memantin bei
mittelschwerer und schwerer Alzheimer-Demenz (zugelassene In-
dikation); Einsatz auch bei vaskulären Demenzen empfohlen
5 Bei mittelgradiger und schwerer Symptomatik oder Nichtanspre-
chen auf Monotherapie: Kombinationsbehandlung von Memantin
und Acetylcholinesterase-Inhibitoren möglich
> Effektivität der Antidementiva liegt in akuter Verbesserung von
26 Kognition und Verhalten; möglicherweise kann auch der weitere
Verlauf verlangsamt werden.
4 Pharmakotherapie von komorbiden Störungen und demenzassoziier-
ten Verhaltensauffälligkeiten
5 Bei mittelgradigen bis schweren depressiven Symptomen: bevorzugt
selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
5 ! Cave Keine tri-/tetrazyklischen Antidepressiva (TZA) aufgrund
der anticholinergen Wirkkomponente!
> Jegliche Medikation muss auf ihr zentral anticholinerges Potenzial
hin geprüft werden. Die Schwelle zur Ausbildung eines anticholiner-
gen Delirs ist bei dementen Patienten deutlich erniedrigt.
5 Bei Aggressivität, paranoider und psychotischer Symptomatik: aty-
pische Antipsychotika (z. B. Risperidon, Olanzapin)
5 ! Cave Hochpotente Antipsychotika wie Haloperidol – aber auch
atypische Antipsychotika in abgeschwächter Form – sind wegen ex-
trapyramidal-motorischer Nebenwirkungen gerade bei älteren Pa-
tienten problematisch (v. a. bei Patienten mit Lewy-Körper-Demenz
erhöhte Empfindlichkeit für antipsychotische Wirkungen und Ne-
benwirkungen!); wenn indiziert, besonders niedrig dosieren!
> Bei älteren Patienten mit demenziellem Syndrom besteht für alle
Antipsychotika ein erhöhtes Risiko für zerebrovaskuläre und kar-
diale Ereignisse.
5 Bei psychomotorischer Unruhe, Angst- und Erregungszuständen:
niederpotente Antipsychotika (Melperon, Pipamperon) oder Atypi-
ka (Risperidon, Olanzapin) (verträgliche Dosis ist aber auch hier
deutlich niedriger)
5 ! Cave Benzodiazepine sollten möglichst vermieden werden,
denn sie verstärken kognitive Defizite und erhöhen die Sturzgefahr;
bei Demenz-Patienten treten in gesteigertem Maße auch paradoxe
Reaktionen auf (Unruhe, Erregungszustände).
5 Bei Schlafstörungen niederpotente Antipsychotika (Melperon, Pi-
pamperon) oder sedierende Antidepressiva (z. B. Mirtazapin) (bei
Nicht-Ansprechen Benzodiazepin-ähnliche Substanzen wie Zalep-
lon, Zopiclon, Zolpidem)
26 · Demenzen
253 26
> Auf erhöhte Empfänglichkeit für Sedierung, Orthostase, extra- Eigene Notizen
pyramidalmotorische Symptome und anticholinerge Wirkungen
ist bei der Psychopharmakotherapie älterer Patienten zu achten.
Häufig sind renale Clearance vermindert und hepatischer Meta-
bolismus verzögert.
→ Bei der Psychopharmakotherapie älterer Patienten mit nied-
rigeren Dosierungen beginnen.
Definition
Akute hirnorganische Störungen mit Bewusstseins- und Orientierungs-
störungen sowie kognitiven Beeinträchtigungen.
Ätiologie
4 Ursächlich zurückführbar auf eine akute zerebral-organische oder sys-
temische Störung oder eine exogene Noxe
4 Durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingte Delire
werden in der ICD-10 nicht unter die organischen psychischen Stö-
rungen klassifiziert
4 Häufigste Ursachen bzw. Begleiterkrankungen
5 Intoxikationen (z. B. mit tri-/tetrazyklischen Antidepressiva), Ent-
zugssyndrome (v. a. Alkohol, Benzodiazepine)
5 Medikamente im Rahmen von Überdosierung, Unverträglichkeit,
Wechselwirkungen, Alter oder zerebraler Vulnerabilität (v. a. Anticho-
linergika, aber auch Gyrasehemmer, Opiate oder Antiarrhythmika)
5 Postoperative Zustände
J Vor allem in höherem Alter oder bei bekannter Demenz
J Häufig nach kardialen, ZNS- oder großen osteosynthetischen
Operationen
27.1 · Delirante Syndrome
257 27
Klinik
Diagnostik
4 (Fremd-)Anamneseerhebung, v. a. auch Medikamenten- und Sucht-
anamnese
4 Allgemeinkörperliche und neurologische Untersuchung
4 Labor (metabolische, toxische Störungen, Infektionen?)
27 4 EEG (Anfallsleiden?)
4 EKG (kardiale Ursachen?)
4 Röntgen-Thorax (kardiale/pulmonale Ursachen?)
4 cCT/cMRT (zerebrale Läsionen?)
4 Ggf. Liquordiagnostik (Meningitis?)
4 Differenzialdiagnostische Abgrenzung Delir vs. Demenz: beim Delir
(im Gegensatz zur Demenz)
5 Akuter Beginn
5 Bewusstseinsstörung
5 Fluktuationen der Symptomatik im Tagesverlauf
5 Häufig Halluzinationen
Therapie
4 Prophylaxe
5 Bereits vor einer Operation oder stationären Einweisung Risikofak-
toren screenen, Aufklärung von Patienten und Angehörigen und
ggf. Acetylcholinesterase-Inhibitoren oder Antipsychotika (niedrig-
dosiert) präoperativ einsetzen
4 Kausale Behandlung bei nachgewiesener Ursache
4 Absetzen anticholinerger Medikation; kritische Prüfung von Opiat-
oder Benzodiazepin-Einsatz
4 Nichtmedikamentöse Therapie
5 Reizabschirmung, Schaffen einer sicheren und ruhigen Atmosphä-
re, Kommunikation in klaren und eindeutigen Sätzen
5 Ermöglichen einer Tag/Nacht-Triggerung (keine fensterlosen Räu-
me; möglichst wenig Intervention in der Nacht; Aktivierung, z. B.
Krankengymnastik am Tag)
5 Zuwendung und pflegerische (noch besser familiäre) Betreuung
4 Medikamentöse Notfalltherapie
4 Symptomatik
5 Störungen v. a. des Kurzzeitgedächtnisses, weniger stark des Lang-
zeitgedächtnisses; Immediatgedächtnis (= unmittelbare Wieder-
gabe) ist nicht beeinträchtigt
5 Antero- und retrograde Amnesie mit zeitlicher Desorientiertheit
5 Weitere häufig anzutreffende Symptome: Konfabulationen, man-
gelnde Einsichts- und Entschlussfähigkeit, Apathie
4 Nicht beeinträchtigt sind Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Bewusst-
sein und allgemeine intellektuelle Fähigkeit
4 Nachweis einer zerebralen Schädigung oder Erkrankung (z. B. Insult,
Schädel-Hirn-Traumata)
4 Potenziell reversibel (abhängig von zugrundeliegender zerebraler
Läsion)
4 Häufiger ist ein amnestisches Syndrom aufgrund eines jahrelangen
missbräuchlichen Alkoholkonsums (Korsakow-Syndrom 7 Kap. 19;
wird nicht bei den organischen psychischen Erkrankungen klassifi-
ziert)
260 Kapitel 27 · Delir und weitere organische psychische Erkrankungen
4 Allgemeine Kriterien
5 Nachgewiesene zerebrale Erkrankung, Verletzung oder Funktions-
störung oder eine systemische somatische Erkrankung, die mit einer
entsprechenden psychischen Symptomatik einhergehen kann
5 Zeitlicher Zusammenhang (Tage, Wochen oder Monate) zwischen
Auftreten der zugrundeliegenden/vermuteten Krankheit und den
psychischen Symptomen
5 Rückbildung der psychischen Symptomatik nach Rückbildung oder
Verbesserung der zugrundeliegenden/vermuteten Krankheit
5 Kein überzeugender Hinweis für eine andere mögliche Ursache
4 Organische Halluzinose
5 Ständige oder wiederholt auftretende Halluzinationen (v. a. op-
tische)
5 Besondere Form: Dermatozoenwahn (wahnhafter Ungezieferbefall;
nach ICD-10 als taktile Halluzinose einzuordnen), äußert sich z. B.
in Kribbelparästhesien (»Ameisenlaufen«), die vom Patienten als
Zeichen einer parasitären Infektion wahrgenommen werden
5 Weitere Kriterien: Keine Trübung des Bewusstseins, kein Abbau in-
tellektueller Funktionen, keine auffälligen Störungen der Stimmung
und kein Vorherrschen von Wahnideen
4 Organische katatone Störung
5 Stupor (mit teilweisem oder vollständigem Mutismus, Negativismus
und Haltungsstereotypien)
5 Erregung
5 Rascher und unvorhersehbarer Wechsel zwischen Hypo- und Hyper-
aktivität
27.4 · Andere psychische Erkrankungen aufgrund einer zerebralen Schädigung
261 27
28 Suizidalität
264 Kapitel 28 · Suizidalität
Sachverzeichnis
D Dialektisch-behaviorale Therapie
(DBT) 184
Extrapyramidalmotorische
Störungen (EPMS) 69, 70
Dissoziation 5 Eye-Movement Desensitization
Darmerkrankungen, chronisch- Dissoziative Störungen 147–151 and Reprocessing Therapie
entzündliche, psychosomatische Double depression 123 (EMDR) 145
Aspekte 216 DSM-IV 39
Debriefing 146 Dyskalkulie 235
Delir 198, 256–259
Dementia infantilis 243
Dyskinesien 69
Dyslalie 234
F
Demenz 245–253 Dyspareunie 173
– Alzheimer 246–253 Dysthymia 119, 127 Fahreignung 50
– frontotemporale 250 Dystonie, akute 78 Fahrtüchtigkeit 50
– gemischte 249 Familientherapie, systemische
– Lewy-Körper-Demenz 249 93, 94
– sekundäre 247
– vaskuläre 249
E Fetischismus 173
Fibromyalgie 156
Denken Flashback 11, 144, 206, 208
– eingeengtes 6 Echolalie 20 Flexibilitas cerea 20
– gesperrtes 6 Echopraxie 20 Flooding 86
– grübelndes 6 Ehefähigkeit 44 Fremdgefährdung 13
– ideenflüchtiges 6, 7 Eifersuchtswahn 24 Frotteurismus 173
– umständliches 7 – alkoholischer 199 Frühdyskinesien 78, 79
– verlangsamtes 7 Eilbetreuung 42 Fugue, dissoziative 149
– zerfahrenes 7, 8 Einkoten 7 Enkopresis Funktionsstörungen, sexuelle
Denkhemmung 7 Einnässen 7 Enuresis 172–174
Denkstörungen Einsichtsfähigkeit 46
– formale 6 Einwilligungsfähigkeit 43
– inhaltliche, Definition 6
Depersonalisation 8
Einwilligungsvorbehalt 42
Ekmnesie 11
G
Depot-Antipsychotika 72 Elektroenzephalographie (EEG) 34
Depression 116–126 Elektrokrampftherapie (EKT) GABA 73
– atypische 121 98, 99 Ganser-Syndrom 150
– gehemmte 121 Endokrinopathien 212 Gedächtnisstörungen 10
– Involutionsdepression 121 Enkopresis 239, 240 Gedankenabreißen 6
– Kindesalter 122 Entspannungsverfahren 94 Gedankenausbreitung 9
– larvierte 121 Entwicklungsstörungen Gedankendrängen 6
– postschizophrene 108 – tiefgreifende 236–238 Gedankeneingebung 9
– psychotische/wahnhafte 121 – umschriebene 234–235 Gedankenentzug 9
– saisonale 121 Enuresis 239, 240 Gedankenstopp 140
– Wochenbettdepression 121 Ergotherapie 101 Gegenübertragung 92
Depressivität 16 Ermüdungssyndrom, chronisches Generalisierte Angststörung 132
Deprivationssyndrom 238 19, 156 Geschäfts(un)fähigkeit 44
Derealisation 8 Erwerbsfähigkeit, Minderung 50 Geschlechtsidentität, gestörte
Dermatozoenwahn 25, 260 Erwerbsminderung 49 173, 174
Desensibilisierung, systematische Essstörungen 159–164 Geschwisterrivalität 230
86 Exekutive Funktionen 37 Gesprächspsychotherapie 93
Diabetes mellitus, psycho- Exhibitionismus 173 Gilles-de-la-Tourette-Syndrom
somatische Aspekte 214, 215 Expositionsverfahren 86 225
Sachverzeichnis
269 D–N
Glutamatmodulatoren 75, 76
Größenwahn 24
Intelligenzquotient 242
Intelligenztests 36, 243
L
Interpersonelle Psychotherapie
(IPT) 126 Labordiagnostik 33
H Intervention, paradoxe 92
Intrusionen 11
Legasthenie 234
Leistungen zur Teilhabe 102
Leistungsdiagnostik 36–38
Habituationstraining 86 Lese-Rechtschreibstörung
7 Legasthenie
Halluzinationen 25
Halluzinogenintoxikation 207
J Lichttherapie 99
Halluzinose Liebeswahn 24
– chronisch taktile 25, 260 Johanniskraut 61, 62, 125 Lithium 63, 64
– organische 260 Logorrhö 19
Heißhungerattacken 160, 162 Lösungsmittel, flüchtige 208, 209
Heller-Syndrom 7 Dementia
infantilis
K
Herzkrankheit, koronare, psycho-
somatische Aspekte 215 Kanner-Syndrom 236
M
Hilflosigkeit, erlernte 119 Katalepsie 20
Hospitalismus 7 Deprivations- Kataplexie 167 Magersucht 7 Anorexia nervosa
syndrom Katatonie 20 Magnetresonanztomographie,
Hyperaktivität 220 – perniziöse 20, 108 kraniale (cMRT) 34
Hyper-/Hypokinesen 20 Kaufsucht 189 Malignes neuroleptisches Syndrom
Hypermnesie 11 Kleptomanie 189 78
Hypersomnie 166, 167 Kognitive Störung, leichte 261 Manie 116, 118, 119, 122, 126,
Hyper-/Hypothyreose 117, 212 Kognitive Triade 117 127
Hypnotika 73, 74 Kokain Manierismen 20
– Abhängigkeit 202 – Abhängigkeit 207, 208 MAO-Hemmer 58, 59
Hypochondrie 155 – Intoxikation 207 Marchiafa-Bignami-Syndrom 200
Hypomanie 122 Kompetenztraining, soziales Maßregeln der Besserung und
88, 89 Sicherung 48, 49
Konditionierung 83 Merkfähigkeitsstörungen 10
I Konfabulationen 10
Konfrontationsverfahren 86
Missbrauch, Definition 192
Mnestische Störungen 9–11
Kontamination 7 Modelllernen 84
ICD-10 39 Konversion 90, 148 Multiple Persönlichkeitsstörung
Ich-Störungen 8, 9 Konversionsstörungen 147–151 7 Identitätsstörung, dissoziative
Ideenflucht 6, 7 Konzentrationsstörungen 4 Münchhausen-by-proxy-Syndrom
Identitätsstörung, dissoziative Körperschemastörung 26, 160, 183
150 161 Münchhausen-Syndrom 183
Illusionen 26 Korsakow-Syndrom 200 Mutismus 20, 231
Implosion 86 Krampfanfall, dissoziativer 150
Impulsivität 220 Krankhafte seelische Störung 45
Impulskontrolle, gestörte 188–189
Insomnie 166
Krankheitsbewältigung, Störungen
18, 19
N
Intellektualisierung 90
Intelligenz 36 Narkolepsie 167
Intelligenzminderung 241–244 Negativismus 20
270 Sachverzeichnis