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Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter
Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter
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eBook293 Seiten2 Stunden

Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter

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Über dieses E-Book

Psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter sind weit verbreitet und führen beim Kind und dessen Umfeld zu Beeinträchtigungen und starkem Leidensdruck. Mit der kognitiven Verhaltenstherapie liegt ein wissenschaftlich fundiertes und nachhaltig wirksames Therapieverfahren vor. Das Buch vermittelt einen Überblick über die Verhaltenstherapie, ihre Anwendung und die Indikation konkreter Behandlungsmethoden für die häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum3. Juni 2020
ISBN9783170334779
Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter

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    Buchvorschau

    Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter - Tina In-Albon

    Pfeiffer

    1          Ursprung und Entwicklung des Verfahrens

    Die Bezeichnung »Verhaltenstherapie« wurde das erste Mal von Lazarus 1958 verwendet und von Wolpe (1958), Skinner (1938) und Eysenck (1959) geprägt. Im Laufe der Jahre hat sich die Verhaltenstherapie kontinuierlich weiterentwickelt und umfasst heute ein breites Spektrum psychotherapeutischer Methoden. Die Verhaltenstherapie basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zur effektiven Behandlung psychischer Störungen und befindet sich in einer ständigen Weiterentwicklung. Es existiert daher keine allgemeingültige Definition der Verhaltenstherapie. Den verhaltenstherapeutischen Modellen der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen liegt eine lerntheoretische Sichtweise zugrunde, nach der alle Lernformen (respondentes, operantes, soziales und kognitives Lernen) in der Entwicklung des Kindes eine Rolle spielen. Es wird angenommen, dass der Entwicklungsstand eines Kindes aus seiner individuellen Lerngeschichte heraus resultiert.

    Zu Beginn der lerntheoretischen Forschung wurden ausschließlich Experimente an Tieren durchgeführt. In diesem Kontext sind John B. Watson (1913; Einführung des Begriffs »Behaviorismus«), Iwan P. Pawlow (1927; »Klassische Konditionierung«) und Burrhus F. Skinner (1930; »Operante Konditionierung«) zu nennen, deren Experimente die lerntheoretische Sichtweise bis heute prägen. Die Psychologie wurde hierbei als objektive Naturwissenschaft gesehen, in der die inneren Prozesse, wie Kognitionen, nicht beachtet wurden. Allmählich erfolgte die Übertragung auf den Menschen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden zunehmend lerntheoretische Verfahren zur Behandlung psychischer Störungen, z. B. durch Joseph Wolpe (1958; »Systematische Desensibilisierung«) oder Orval H. Mowrer (1960; »Zwei-Faktoren-Theorie der Angst«), eingesetzt. Im Zuge der kognitiven Wende in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts lag der Fokus nicht nur auf beobachtbarem Verhalten, sondern auch auf den Veränderungen der kognitiven und gedanklichen Schemata. Bedeutende Vertreter sind z. B. Frederic H. Kanfer (1970; »Selbstregulation«), Albert Bandura (1994; »Soziales Lernen«), Albert Ellis (1973 »Rational-Emotive-Therapie«) und Aaron T. Beck (1976; »Kognitive Therapie«). Im Sinne einer dritten Welle werden die Rolle der Emotionen sowie ein stärkerer Bezug zu biographischen Faktoren mehr in den Vordergrund gerückt.

    Die Verhaltenstherapie zeichnet sich in (Teil-)Abgrenzung zu anderen psychotherapeutischen Verfahren durch bestimmte Grundprinzipien aus (Margraf 2018). Sie ist problemorientiert, d. h. die Therapieplanung erfolgt anhand der aktuell beschriebenen Probleme. Anhand eines individuellen Störungsmodells wird der Behandlungsplan erstellt, der spezifisch und individuell auf die Verringerung der vorhandenen Probleme ausgerichtet ist. Im Störungsmodell werden prädisponierende, auslösende und aufrechterhaltende Faktoren für die beschriebene Problematik identifiziert und Behandlungsbausteine mit dem Fokus der Identifikation auslösender Faktoren und der Reduktion von aufrechterhaltenden Faktoren abgeleitet. Die Verhaltenstherapie ist ziel- und handlungsorientiert. Mit Patienten und Eltern werden konkrete Ziele zu Beginn der Therapie gemeinsam erarbeitet, die realistisch erreichbar sind. Die Zielerreichung wird während der Behandlung regelmäßig überprüft und ggfs. angepasst. Zur Erreichung der Ziele steht das aktive Mitwirken des Patienten und ggfs. der Eltern im Vordergrund. Die Patienten sollen selbst zu Experten für den Umgang mit den eigenen Symptomen werden. Im Rahmen von Psychoedukation wird den Patienten auf eine verständliche Art und Weise Wissen über ihre psychische Störung vermittelt und die Ableitung des Behandlungsplans transparent gestaltet. Im Vordergrund steht das Neulernen oder der Wiedererwerb eines funktionalen Umgangs mit psychischen Symptomen (z. B. Exposition bei Angststörungen), welche auch im Alltag geübt und erprobt werden. Der Transfer von erarbeiteten Strategien in den Alltag und der Aufbau von funktionalem Verhalten sind in der Verhaltenstherapie von zentraler Bedeutung. Hausaufgaben sind ein wesentlicher Bestandteil der Verhaltenstherapie, die in den Sitzungen jeweils vor- und nachbesprochen werden. Der Psychotherapeut hilft hierbei den Patienten und den Eltern, einen funktionalen Umgang mit psychischen Symptomen zu erwerben, mit Strategien, die dem Patienten nach Abschluss der Therapie weiterhin zur Verfügung stehen. Die Verhaltenstherapie sieht sich als Hilfe zur Selbsthilfe, fördert die Eigenständigkeit und stärkt das Selbstwirksamkeitserleben des Patienten.

    Merke

    Ein entscheidender Unterschied zu anderen Therapieverfahren ist, dass historisch in der Verhaltenstherapie nicht konzeptionell zwischen dem Vorgehen bei Kindern und Erwachsenen getrennt wurde, sondern lerntheoretische Konzepte gleichermaßen angewendet wurden. Es ging also in der Verhaltenstherapie mehrheitlich um Methoden, die bei Kindern und Erwachsenen den gleichen Gesetzmäßigkeiten folgen, im Gegensatz zur Psychoanalyse, für die z. B. Anna Freud (1927) und Melanie Klein (1934) spezifische Behandlungsmethoden für Kinder entwickelten.

    2          Verwandtschaft mit anderen Verfahren und Disziplinen

    Verhaltenstherapeutische Verfahren basieren historisch auf lerntheoretischen Grundlagen ( Kap. 4). Allerdings zeigte sich, dass diese in der Behandlung psychischer Störungen nicht ausreichten und weitere Faktoren für die Wirksamkeit einer Psychotherapie eine wichtige Rolle spielen. Die Verhaltenstherapie zeichnet sich unter anderem durch ihre Aktualität ( Kap. 1) und das Prinzip der Weiterentwicklung aus (Margraf 2018). Sowohl die theoretischen Konzepte als auch die Behandlungsmethoden werden empirisch überprüft und in Bezug auf ihre Wirksamkeit weiter ausdifferenziert. Die Verhaltenstherapie begründet sich daher nicht auf einem durchgängigen universellen Prinzip, sondern entwickelt sich ständig weiter und beinhaltet eine Vielzahl von wissenschaftlich evaluierten psychotherapeutischen Methoden. Sie zeichnet sich demnach auch durch eine integrative Grundorientierung vor einem empirischen Hintergrund aus.

    In der kognitiven Welle der Verhaltenstherapie wurden introspektive Prozesse in die Methoden der Verhaltenstherapie integriert, zu der neben den kognitiven Verfahren aktuell auch metakognitive Verfahren gehören (Simons 2019). In der sogenannten »Dritten Welle der Verhaltenstherapie« in den 1990er/2000er Jahren wurden die kognitiv-behavioralen Ansätze der Verhaltenstherapie durch achtsamkeitsbasierte Verfahren erweitert, wie zum Beispiel die Acceptance Commitment-Therapie (ACT) (Hayes et al. 1999) und die Mindfulness Based Stress Reduction-Therapie (MBSR) (Kabat-Zinn 2005) bzw. die Mindfulness Based Cognitive-Therapie (MBCT) (Segal et al. 2002). Achtsamkeit (»Mindfulness«) ist eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit, die absichtsvoll ist, sich auf den gegenwärtigen Moment bezieht (statt auf die Vergangenheit oder die Zukunft) und nicht wertend ist (Kabat-Zinn 2005). Die aktuelle Studienlage deutet auf eine Effektivität von MBSR und ACT in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen hin (Kallapiran et al. 2015). Insgesamt schränkt allerdings zum Teil eine geringe Qualität vorhandener Studien die Ergebnisse ein, weshalb es einer besseren Studienlage bedarf, um die Wirksamkeit tatsächlich beurteilen zu können (siehe dazu Michalak und Heidenreich 2018). Bei ACT (Hayes et al. 1999) werden verhaltenstherapeutische Methoden mit achtsamkeits- und akzeptanzbasierten Methoden kombiniert. Während es bei den kognitiven Verfahren der Verhaltenstherapie vor allem um den Inhalt der Kognitionen geht, steht bei ACT die Funktion der Kognition im Vordergrund. Hierbei wird die eigene Lerngeschichte in Bezug zum Verhalten gesetzt sowie Werte und Lebensziele formuliert. Das Ziel ist hierbei nicht zwangsweise eine Symptomreduktion, sondern die Erhöhung der psychischen Flexibilität, die für ein werteorientiertes Leben unter ständig wechselnden inneren und äußeren Lebensbedingungen notwendig ist. ACT kann bei Jugendlichen mit Depressiven Störungen oder chronischen Schmerzen, in der Prävention von Risikoverhalten sowie bei Eltern von Kindern mit Autismusspektrumstörungen wirksam sein (Coyne et al. 2011). Weiterhin zeigt sich bei Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörungen eine Reduktion von Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität sowie komorbider internalisierender Symptome mit mittleren bis großen Effektstärken (Linderkamp und Lüdeke 2019). Auch in der Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung (Linehan 1993) wird Achtsamkeit als Skill eingesetzt ( Kap. 6).

    Neben anderen psychotherapeutischen Verfahren spielt auch die Integration anderer Disziplinen eine wichtige Rolle. Kenntnisse über die Entstehung und den Verlauf von psychischen Störungen (Entwicklungspsychopathologie) sind wichtig für die Diagnostik, die Behandlungsplanung und die Prognose bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen. So sind viele Verhaltensweisen in einem bestimmten Alter normal (Trotzphasen, Trennungsängste) und werden erst zu einem späteren Zeitpunkt, in einer längeren Dauer und Intensität psychopathologisch. Weiterhin ermöglichen sie auch eine Prognose für den weiteren Verlauf und die Erfolgschancen einer Behandlung sowie über die Rückfallgefahr im Anschluss an die Psychotherapie. Auch Kenntnisse der Bindungsforschung (Grossmann 2003) und Kenntnisse über die psychosoziale Entwicklung (Erikson 1988) sind wichtig für ein komplexes Verständnis von psychischen Störungen bei Kindern. Fundiertes Wissen über physiologische Prozesse und Medizin sind eine Grundvoraussetzung für das Verständnis psychischer Störungen. Im Sinne eines biopsychosozialen Modells spielen sie vor allem in der Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen eine Rolle und sind auch in der Behandlung von sozialen und psychischen Folgeerkrankungen (z. B. bei Schmerzstörungen, chronischen Erkrankungen oder Krebserkrankungen) von Bedeutung. Darüber hinaus sind auch Kenntnisse über die Wirkung und Nebenwirkungen von Psychopharmaka sowie ein interdisziplinäres Arbeiten mit Kinder- und Jugendpsychiatern diesbezüglich wichtig.

    Im Vergleich zur Psychotherapie mit Erwachsenen besitzt der Einbezug des Umfelds in der Arbeit mit Kindern in der Regel einen deutlich höheren Stellenwert. Ein interdisziplinäres Arbeiten ist hierbei für die effektive psychotherapeutische Arbeit unabdingbar. Hierzu gehören unter anderem die Bezugspersonen, Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogische Familienhilfen, Erziehungsbeistände, das Jugendamt, Kinderärzte, Kinder- und Jugendpsychiater und Ergotherapeuten. In vielen Fällen übernimmt der Therapeut im Sinne des Wohlergehens des Kindes oder Jugendlichen die Funktion, Interdisziplinarität zu fördern und die Informationen aus verschiedenen Quellen zu bündeln.

    Die Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter beinhaltet neben individuellen und elternzentrierten Therapieansätzen auch familientherapeutische und schulzentrierte Interventionen (Dattilio 2013; Döpfner et al. 2013; Sanders 1999; Shadish 1992; Turner et al. 2007). Ein systemisches Grundverständnis ist notwendig, um die Komplexität der Familien- und Helfersysteme zu verstehen. Hierbei ist auch die Auftragsklärung in der Arbeit mit Familien von Bedeutung, denn nicht selten kommt es vor, dass Kinder und Eltern oder auch Lehrer unterschiedliche Behandlungsaufträge an die Therapeuten herantragen, die es zunächst zu erfassen gilt. Auch die Ressourcenorientierung spielt in der Verhaltenstherapie genauso wie in der systemischen Therapie eine wichtige Rolle. Weitere Gemeinsamkeiten sind der Gegenwartsfokus, die Lösungsorientierung (Operationalisierung), die Handlungsorientierung sowie der Fokus auf aufrechterhaltende Prozesse bei psychischen Störungen. Die Wirksamkeit der systemischen Familientherapie für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter ist hierbei für Störungen des Sozialverhaltens und jugendliche Delinquenz, Substanzstörungen, Anorexia nervosa, psychische Faktoren bei somatischen Krankheiten sowie Depressionen und Suizidalität gut belegt (van Sydow et al. 2006, 2013). Für Angststörungen liegt bislang eine Studie vor, die keinen zusätzlichen Effekt durch eine systemische Therapie zur Verhaltenstherapie zeigte (Siqueland et al. 2005). Zudem sind weitere Vergleichsstudien mit anderen evidenzbasierten Verfahren im Vergleich zu Wartelistenkontrollgruppen notwendig.

    Ein Beispiel für ein wirksames Verfahren, in dem sowohl Methoden der psychodynamischen Kurzzeittherapie als auch der Verhaltenstherapie eingesetzt werden, ist die Interpersonelle Psychotherapie für Jugendliche (IPT-A) (Mufson et al. 2004; O’Shea et al. 2015) zur Behandlung von unipolaren Depressionen. Der Behandlungsfokus der IPT-A liegt hierbei auf gegenwärtigen Beziehungen und Belastungen im zwischenmenschlichen Kontext. Die interpersonellen Belastungen werden als Auslöser, Folge wie auch als aufrechterhaltende Bedingung der Depression angesehen.

    Zusammenfassung

    In der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen besitzt der Einbezug des Umfelds des Kindes einen zentralen Stellenwert. Daher gehört die interdisziplinäre Zusammenarbeit beinahe zur täglichen Arbeit. Auch beinhaltet die Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter sehr häufig familientherapeutische und schulzentrierte Interventionen. Vor diesem Hintergrund sind die Bestrebungen, zukünftig vermehrt interdisziplinäre Behandlungszentren aufzubauen, sehr sinnvoll. Des Weiteren bedarf es vermehrt der Erforschung, für welche Patienten welches Verfahren am wirksamsten ist.

    3          Wissenschaftliche und therapietheoretische Grundlagen des Verfahrens

    Im folgenden Kapitel werden lerntheoretische und kognitive Grundlagen der Verhaltenstherapie vorgestellt. In Kapitel 6 werden die psychotherapeutischen Interventionen näher erläutert, die sich aus den therapietheoretischen Grundlagen ergeben ( Kap. 6).

    3.1       Lernformen

    Die Grundlage der Verhaltenstherapie ist ein lerntheoretischer Ansatz. Im folgenden Abschnitt soll eine Übersicht über die verschiedenen Lernformen gegeben werden. Unter Lernen versteht Lefrançios (2006) alle Verhaltensänderungen, die aufgrund individueller Erfahrungen zustande kommen. Zimbardo und Gerrig (1999) definieren Lernen als einen Prozess, der zu einer relativ stabilen Veränderung von Reiz-Reaktions-Beziehungen führt. Er ist eine Folge der Interaktion des Organismus mit seiner Umgebung mittels seiner Sinnesorgane. Die ursprüngliche verhaltenstherapeutische Krankheitslehre bezieht sich dabei auf die allgemeine Psychologie des Lernens und nimmt an, dass psychische Störungen auf abnormes, gelerntes Verhalten zurückzuführen sind und abnormes Verhalten denselben lerntheoretischen Gesetzmäßigkeiten wie funktionalem Verhalten unterliegt. So ist eine Grundidee, dass das störungsbedingte Verhalten erlernt wurde und gleichermaßen wieder verlernt werden kann bzw. dass angemessenere Verhaltensweisen erlernt werden können. Aus heutiger Sichtweise können alle Formen des Lernens unter dem Begriff der Informationsverarbeitung zusammenfasst werden. Lernen findet dann statt, wenn das Individuum bedeutsame Informationen über das Auftreten von externen oder internen Bedingungen oder deren Valenz erhält, die sein zukünftiges Befinden, Denken, Verhalten und/oder seine physiologischen Reaktionen beeinflussen.

    3.1.1     Klassische Konditionierung

    Bei der klassischen Konditionierung nach Iwan P. Pawlow (1927) werden ursprünglich neutrale Reize bzw. Stimuli zum Auslöser einer Reaktion, die sie zuvor nicht auslösten ( Tab. 3.1). Dieser neutrale Stimulus kann eine biologisch vorprogrammierte, automatische Reaktion auslösen und wird gemeinsam mit einem unkonditionierten Stimulus dargeboten. In der Vorbereitungsphase seines klassischen Experiments an Hunden konnte Pawlow folgendes zeigen: Der Glockenton löst als neutraler Stimulus (NS) eine Orientierungsreaktion (OR) mit Zuwendung zur Reizquelle aus. Als Reaktion auf Futter (unkonditionierter Stimulus, US) zeigen Hunde einen biologisch vorprogrammierten reflexhaften Speichelfluss, also eine nicht gelernte, unkonditionierte Reaktion (UCR). In der darauffolgenden Trainingsphase wird der NS wiederholt mit dem US dargeboten. Das Tier lernt, auf den ursprünglichen NS mit einer UCR zu antworten. Somit wurde der NS zu einem konditionierten Stimulus (CS). Die UCR wird zur konditionierten bzw. bedingten Reaktion (CR). Um zwei Reize miteinander verknüpfen zu können, müssen sie in einen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang gesetzt werden. Hierbei ist es notwendig, dass UCS und NS zeitlich dicht beieinander liegen (Gesetz der Kontiguität), um eine CR auszulösen. Diese Kopplung zwischen NS und UCS wird als Verstärkung bzw. Bekräftigung (reinforcement) bezeichnet. Die CR muss hierbei nicht vollkommen der UCR entsprechen (z. B. eine Schmerz-Furcht Reaktion als UCR und eine Angstreaktion als CR).

    Tab. 3.1: Schematischer Ablauf der klassischen Konditionierung

    3.1.1.1    Extinktion und Gegenkonditionierung von konditionierten Reaktionen

    Beim Assoziationslernen spielen auch die Begriffe Löschung (Extinktion) und Spontanerholung eine wichtige Rolle. In einer Löschungsphase wird der CS (Glocke) ohne die Kopplung mit dem UCS (Futter) dargeboten. Nach einigen dieser Darbietungen ist eine Abnahme in der konditionierten Reaktion zu erkennen. Folglich kann unerwünschtes Verhalten unterbunden werden, wenn die Verstärkung für dieses Verhalten ausgeschaltet wird. Bei erneuter Darbietung des CS nach einer Pause tritt die zuvor gelöschte Reaktion wieder auf, allerdings in deutlich geringerem Ausmaß. Dies wird als Spontanerholung bezeichnet. Nicht alle situativen Stimuli sind gleichermaßen als CS geeignet. Es scheint eine biologische Prädisposition auf bestimmte Reize zu geben, im Sinne einer Preparedness (Seligman 1971). Auf diese Reize lässt sich besonders leicht eine stabile konditionierte Reaktion entwickeln. Somit tritt die klassische Konditionierung bei

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