VDI 2230 Blatt-2 E 2011-11
VDI 2230 Blatt-2 E 2011-11
VDI 2230 Blatt-2 E 2011-11
Schraubenfeld Balkenverbindung
Die Gesamtheit der ĺEinschraubenverbindungen Alle Schraubenachsen befinden sich senkrecht zu
in einem Verbindungsbereich, die gekennzeichnet einer Ebene und der Abstand zwischen den
ist durch die Anzahl der Schrauben (mindestens Schrauben ist deutlich größer als die größte Ab-
zwei), deren Anordnung zueinander sowie deren messung des in der Regel konstanten Querschnitts.
Lage zur Belastungsrichtung.
Flansch
Anmerkung: Im Regelfall weisen aus Kosten- und Ferti- Rotationssymmetrische Kreisringplatte mit in der
gungsgründen alle Schrauben innerhalb eines Felds den glei- Regel auf einem Teilkreis gleichmäßig verteilten
chen Nenndurchmesser auf und die Klemmlänge ist konstant.
Schrauben.
Schnittlasten (Schnittgrößen) Anmerkung: Sind zwischen den Platten im Hauptschluss
Reaktionskräfte und/oder -momente in einer virtu- Dichtungen angeordnet, so ist die Berechnung nicht nach
ellen Schnittebene der Struktur oder des Schrau- VDI 2230, sondern nach EN 1591 und DIN EN 13445 durch-
zuführen.
benfelds.
Statisch unbestimmte Systeme/Strukturen Kreisplatte
Reaktions- bzw. Schnittlasten lassen sich nicht Im Bereich des Randes verschraubte rotations-
alleine aus den Gleichgewichtsbedingungen mit symmetrische Platte mit auf einem oder mehreren
der äußeren Belastung berechnen. Es ist das Ge- Teilkreisen angeordneten Schrauben bei in der
samtverformungsverhalten der Struktur und des Regel gleichmäßiger Verteilung auf dem Teilkreis.
Schraubenfelds zu ermitteln, um die Schnittlasten Rechteckflansch (symmetrisches Schraubenfeld)
berechnen zu können. Die Schrauben sind auf einer in der Regel recht-
Trennfuge eckigen Platte doppelt symmetrisch, das heißt in
Kontaktfläche zwischen den zu verbindenden bzw. Form eines Rechtecks oder Quadrats mit in der
verschraubten Bauteilen die an der Kraftübertra- Regel gleichen Abständen verteilt.
gung beteiligt ist. Anmerkung: Hierzu zählt auch der Fall einfach symmetrisch
angeordneter Schrauben, wenn sich die Symmetrie auf die
Anmerkung 1: Es wird von einer flächenhaften Auflage
Kraftrichtungs- bzw. Momentenachse bezieht.
ausgegangen, die in der Regel keine Absätze aufweist und in
erster Näherung ideal eben ist. Die Trennfuge kann verschie-
dene Grundrissformen haben. Die Schrauben sind senkrecht 3.3 Belastungsfälle
zu ihr angeordnet. Kontaktsteifigkeiten sind gegebenenfalls Belastungen können statisch, periodisch oder sto-
bei einer elastomechanischen Berechnung zu berücksichtigen.
chastisch auftreten, gegebenenfalls sind zusätzliche
Anmerkung 2: Die Verteilung des Drucks/der Pressung in der Massenkräfte zu berücksichtigen.
Trennfuge wird hauptsächlich bestimmt von der Geometrie
Anmerkung 1: Äußere Belastungen (an der Struktur) können
der Struktur im Bereich der Verbindungsstelle, von der An-
bezogen auf die Hauptachsen des Schraubenfelds vorliegen
ordnung der Schrauben und den Abständen zwischen ihnen,
(auch überlagernd) als:
von der Art, Größe und dem Angriffsort der äußeren Belas-
x Biegemomente
tung, den Exzentrizitäten der Verspannung und Belastung und
den Nachgiebigkeiten der Grundkörper und der Anziehtechno- x Torsionsmomente
logie. x Zug- oder Druck-Längskräfte
x Querkräfte
Verbindungsbereich x Thermisch induzierte Kräfte
Geometrisch abgegrenzter Bereich, über den Be- Anmerkung 2: Bezüglich der Trennfuge des Schraubenfelds
lastungen von einem Bauteil zum anderen mittels ist zwischen folgenden Belastungen zu unterscheiden:
Schraubenverbindung übertragen werden. x Normalkräfte (Zug/Druck)
x äußeres Biegemoment
Anmerkung: Die Abstände zwischen benachbarten
x Querkräfte
ĺEinschraubverbindungen innerhalb des Verbindungsbe-
reichs überschreiten nicht die Grenzabmessung nach x Torsionsmomente
VDI 2230 Blatt 1.
Anmerkung 3: Bezogen auf eine einzelne Schraube des
Schraubenfelds wirken infolge der Feldbelastung und des
3.2 Arten von Schraubenfeldern Verformungsverhaltens der Struktur:
x Normalkräfte
Gemäß VDI 2230 Blatt 1, Bild 3.1/1 ist zu unter- x Querkräfte
scheiden: x inneres Biegemoment
Asymmetrisches Schraubenfeld
Auf einer Platte beliebiger Geometrie sind Schrau-
ben weder kreisförmig noch doppelt symmetrisch
verteilt.
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 5
Mithilfe des Starrkörpermodells sind nur axiale gen. Hinweise enthalten Abschnitt 6.3 und Ab-
Kräfte in den Schraubenachsen und senkrecht dazu schnitt 6.6.
berechenbar, das heißt Biegemomente in den
Schrauben und Trennfugen infolge exzentrischer 5.3 Verfahren der Elastomechanik
Krafteinleitung werden vernachlässigt. In diesen Die im Allgemeinen mehrfach statisch unbestimm-
Fällen kann kein Abstand a ermittelt werden. In ten MV können generell mit den Methoden der
der Folge kann diese Betrachtung zu deutlich grö- Elastomechanik berechnet werden (im Prinzip
ßeren, aber auch kleineren Schrauben- und Rest- basieren die Berechnungsformeln der VDI 2230
klemmkräften, als sie in der Realität auftreten, Blatt 1 auch auf elastomechanischen Betrachtun-
führen. Da die Biegebeanspruchung bei einer gen der statisch unbestimmten EV). Dies kann zum
Schwingbeanspruchung sich maßgeblich auf die einen durch Reduzierung des Systems auf ein sta-
Dauerhaltbarkeit auswirken kann, ist das Starrkör- tisch bestimmtes System bei Berücksichtigung der
permodell für den Nachweis bei schwingender geometrischen Randbedingungen und der Verfor-
Belastung nur eingeschränkt nutzbar. mungen (Kraftgrößenverfahren) oder durch das
Konzept der virtuellen Formänderungsarbeit erfol-
gen [1].
Aus der Literatur sind nur für wenige Standardfälle
Lösungen in Abhängigkeit von den geometrischen
Parametern und den Einspannbedingungen bekannt
[2; 3]. Mit dem Grad der Unbestimmtheit wird die
Berechnung aufwendiger.
Ziel ist es, die Beanspruchung der Einzelschraube
durch Ersatzkräfte und -momente in der Trennfuge
näherungsweise zu ermitteln und daraus den Ab-
stand a der exzentrischen Krafteinleitung zu be-
rechnen. Hierzu wird der konkrete Verschrau-
bungsfall meist durch ein relativ einfach berechen-
bares Biegebalkensystem beschrieben. Es gilt die
geometrischen Größen möglichst realitätsnah fest-
zulegen, um sinnvolle Werte für die Flächenträg-
heitsmomente zu erhalten. Besonders schwierig
Bild 1. Berechnungsmodell für Starrkörper stellt sich die Modellbildung im Bereich der
a) Hauptlagerdeckel einer Kurbelwelle Schrauben selbst und ihrer unmittelbaren Umge-
(statisch bestimmt) bung dar.
b) Ersatzmodell
Den Berechnungen (siehe Abschnitt 6.4) liegen,
Allgemeingültige Ansätze können höchstens für neben denen laut Abschnitt 5.1, folgende weitere
bestimmte Gruppen von MV mit geometrisch re- Bedingungen zugrunde:
gelmäßiger Schraubenanordnung, z. B. Ring- x Ein Abheben oder partielles Klaffen der Ver-
flanschverbindungen, definiert werden. Für viele bindungen ist ausgeschlossen, da die Schrauben
andere MV-Varianten müssen spezifische Lösun- definiert vorgespannt sind und eine ausreichen-
gen gefunden werden. Der Lösungsansatz wird de Anzahl der Schrauben angeordnet sind
dabei wesentlich sowohl von der Art der vorlie- (Grenzabmessungen sind eingehalten).
genden Belastung, also ob Längs- oder Querkräfte x Es wird von ideal ebenen Trennfugen und voll-
und/oder Momente vorhanden sind, als auch von flächigem Kontakt der Bauteile, vor allem im
der Anordnung und den Abständen der Schrauben Verbindungsbereich um die Schraube ausge-
beeinflusst. gangen.
Querbelastungen sind grundsätzlich, ausgenommen x Schubverformungen werden vernachlässigt.
Passschrauben, über die Reibung in den Trennfu-
gen zu übertragen. Die notwendige Normalkraft ist 5.4 Numerische Methoden
vom gesamten Schraubenfeld aufzubringen. In Ein weit verbreitetes Näherungsverfahren zur me-
welchem Anteil die einzelnen Schrauben an der chanischen Analyse von Bauteilen und damit auch
Übertragung der Querkraft beteiligt sind, hängt Schraubenverbindungen ist die Finite-Elemente-
vom konkreten Fall ab. Verläuft die Querkraft Methode (FEM). Dabei wird ein beliebig geform-
nicht durch den Schwerpunkt des Schraubenfelds, ter und belasteter Körper, der geschlossen nicht
so ist ein zusätzliches Moment My zu berücksichti- analytisch beschreibbar ist, in viele kleine analy-
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 9
tisch näherungsweise beschreibbare Teilkörper ßig von allen Schrauben aufgenommen werden,
die Elemente zerlegt, die über Knotenpunkte in während dies gleichzeitig bei anderen (z. B.
ihrer Lage bestimmt und verknüpft sind. Biegemoment) nicht der Fall ist.
Bei entsprechend genauer Modellierung, Diskreti- x Angriffspunkt bzw. -fläche und Richtung der
sierung und Festlegung der Randbedingungen Belastungen. Exzentrizitäten können sich ver-
werden an MV bei Umgehung analytischer Be- stärkend auswirken, die Lage (Höhe) des Kraft-
rechnungen die Schraubenkräfte FS oder Schrau- einleitungspunkts beeinflusst das Kraftverhält-
benzusatzkräfte FSA und die Restklemmkräfte FKR nis )en*.
ermittelt. Damit ist die Ermittlung des Abstands a Aus der Sicht des Zusammenspiels der Belastungs-
ebenso nicht erforderlich wie die der Exzentrizität zeit und der Größe der Last muss zwischen stati-
ssym und des Krafteinleitungsfaktors n, meist auch scher, periodischer und stochastischer Belastung
nicht die der anteiligen Betriebskraft FA. Detaillier- unterschieden werden. Wie in allen technischen
te Hinweise zum Einsatz der FEM enthält Ab- Systemen können die letzten Beiden als wechseln-
schnitt 7. de Belastung mit konstanter oder variabler Ampli-
tude bei variabler Mittellast beschrieben werden.
6 Analytische Berechnungen Darauf wird aber nicht weiter eingegangen.
6.1 Lastverteilung und Schraubenbelastung 6.2 Vorgehensweise
Die auf eine MV einwirkenden Belastungen führen Gesucht wird zum Nachweis der Funktions- und
nur im Ausnahmefall zu einer gleichmäßigen Be- Tragfähigkeit die anteilige Belastung der Schrau-
anspruchung aller Schrauben eines Schraubenfelds. ben im Schraubenfeld oder der MV. Hierzu sind
In der Regel wird die Schraubenbelastung infolge die für die MV bekannten bzw. ermittelten Belas-
der Lage des Lastangriffs, der Anordnung der tungen anteilig auf die einzelnen Schraubenverbin-
Schrauben und der spezifischen Strukturmerkmale dungen umzurechnen. Anschließend ist aus dem
unterschiedlich sein. Schraubenfeld die kritische EV virtuell herauszu-
Beeinflusst wird die Lastverteilung insbesondere lösen und diese einer Berechnung nach VDI 2230
durch folgende Faktoren, die im Zusammenhang Blatt 1 zu unterziehen. Als kritische EV ist diejeni-
zu betrachten sind: ge Verbindung anzusehen, bei der zuerst mit einem
x Gesamtkonstruktion der umgebenden Struktur Versagen infolge überschreiten der zulässigen Be-
(Anschlusssteifigkeiten) und die Geometrie der triebsbeanspruchung, der zulässigen Schwing-
verschraubten Bauteile. Die Verformungsfähig- festigkeit oder Klaffen zu rechnen ist. Eventuell sind
keit des Schraubenfelds und der Struktur weist deshalb mehrere Schrauben zu untersuchen.
dabei einen großen Einfluss auf, in der Praxis Für typische und häufig vorkommende Arten von
ist bzgl. der Struktur zwischen folgenden Fällen MV lassen sich unter bestimmten Annahmen und/
zu unterscheiden: oder bestimmten Voraussetzungen analytische
Biegeschlaffe Strukturen (mit E · I = 0) Näherungsberechnungen anwenden. Diese bauen
im Wesentlichen auf den in Abschnitt 5 dargestell-
Biegeweiche Strukturen (mit E · I > 0) ten grundsätzlichen Verfahren auf.
Starre Platten/Bauteile (unendlich biegesteif, Welches Verfahren angewendet werden sollte oder
siehe Abschnitt 6.2) kann, hängt wesentlich ab
Von Bedeutung ist das Verhältnis der Steifig- x von den Anforderungen an die Genauigkeit des
keit der Struktur zu jener der Schrauben, was zu Ergebnisses,
folgenden relevanten Fällen führt:
x von der Anordnung der Schrauben im Zusam-
Vergleichsweise weiche Verbindung: die menhang mit der Belastungseinleitung,
Steifigkeit der Struktur nähert sich jener der
Schrauben an. Einfache Näherungsverfahren x vom Grad der statischen Unbestimmtheit,
sind nur in Sonderfällen möglich. x von den Steifigkeitsverhältnissen,
Hinreichend steife Verbindung: Die Struktur x von der Möglichkeit ein verwendbares Ersatz-
ist um ein Mehrfaches steifer als die Schrau- Modell zu finden, und
ben (Regelfall). x vom zu erwartenden Berechnungsaufwand.
x Art, Größe und eventuell Kombination ver- Die Verfahren der Starrkörpermechanik dienen zur
schiedener Belastungen. Hierzu zählen auch näherungsweisen Ermittlung der Schraubenbelas-
thermische Zusatzkräfte. Einzelne Komponen- tung, das heißt der anteiligen Betriebskraft FA. Die
ten (z. B. eine Querlast) können auch gleichmä- Güte des Berechnungsergebnisses hängt allerdings
10 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
in besonderem Maß von dem Verhältnis der Stei- Beanspruchung der Schrauben wesentlich beein-
figkeiten (oder Nachgiebigkeiten) ab. flussen. Dabei ist prinzipiell wie folgt vorzugehen:
Die ermittelten Reaktionskräfte können auch in 1) Ermittlung des Schwerpunkts des Schrauben-
eine nachfolgende elastomechanische Berechnung felds S
einfließen, um den Hebelarm a der exzentrischen 2) Bestimmung der Hauptachsen x und z
Belastung zu ermitteln. Ist eine elastomechanische
3) Ermittlung der Flächenträgheitsmomente bezo-
Berechnung möglich, so sollte diese auch vorge-
gen auf das Hauptachsensystem
nommen werden (siehe Bild 2). Dem hat ein Her-
auslösen eines definierten Abschnitts (Ausschnitt, 4) Transformation aller Belastungsgrößen in S als
Segment und dergleichen) mit der oder den Drehmomente um die Hauptachsen
höchstbelasteten SV vorauszugehen, wobei die 5) Berechnung der Belastung jeder SV
Anschlussstrukturen zu beachten sind. Letztlich ist Für die Schwerpunkte im x*-z*-Koordinaten-
das Einspannmoment ME oder der Biegemomen- system, Bild 3, gelten bei nS Schrauben:
tenverlauf zu ermitteln, um daraus den Hebelarm a
x MV mit einem Schraubennenndurchmesser
zu erhalten.
nS
¦z
1
zS* *
i (1)
nS i 1
nS
¦x
1
xS* *
i (2)
nS i 1
¦A z i
*
i
zS* i 1
nS
(3)
¦A i 1
i
nS
¦A x i
*
i
xS* i 1
nS
(4)
¦A i 1
i
§ ʌd2 2·
nS
I yy ¨
i 1 ©
¦ ¸
¨ 4 xi ¸
¹
(8)
oder vereinfacht:
¦ z
nS
I xx 2
i Ai (10)
i 1
M y rmax M y §¨ x 2 z 2 ·¸
© ¹ max
FqM max (12)
¦
nS nS
¦r
i 1
i
2
i 1
xi2 zi2
M x zi M z xi
FA M i nS
nS
(22)
¦
i 1
zi2 ¦i 1
xi2
FB zS l zi FB xS l xi
Bild 9. Angriff einer axialen Zugbelastung im FA M i nS 2
nS 2
(23)
§l · §l ·
Schwerpunkt einer MV ¦
2 ¨ zi ¸
i 1© 2 ¹
¦
2 ¨ xi ¸
i 1© 2 ¹
14 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
Unter Beachtung der Zuglast folgt bei nS Schrauben: Bei frei angreifenden Momenten an axialsymmet-
rischen Schraubenfeldern (Bild 12) ergibt sich
FA,max FA M FB / nS (24) eine gleichmäßige Belastung innerhalb einer
i
Schraubenreihe. Auf der Momentenachse liegende
Welche Schraube am höchsten durch das Moment Schrauben werden nicht belastet. Für die anteilige
belastet wird, ist anhand der Abmessungsverhält- Betriebskraft je Schraube gilt analog Glei-
nisse zu untersuchen. Im Regelfall wird die chung (20).
Schraube mit der geringsten Entfernung zur Kraft-
einleitung am höchsten belastet. Im Schraubenfeld
nach Bild 10 betrifft die Schraube R1/S1:
§1 z x ·
FA,max FB ¨¨ S S ¸¸
© 4 2 lz 2 lx ¹ (25)
6.3.1.4 Momentenbelastung in der x-z-Ebene
Wirken Momente um eine x- oder z-Achse in ei-
nem Schraubenfeld, so sollten die Schraubenreihen
parallel zur Drehachse verlaufen, um die Belastung
Bild 12. Rechteckige MV unter Momentbelastung
zu verringern und zu vergleichmäßigen.
(hier nSB = 4)
Indem für das Flächenträgheitsmoment nur der
dominierende Einfluss des Steiner-Anteils beachtet
werden braucht, gilt für nur eine Schraubenreihe je
Seite gemäß Bild 10 mit der Anzahl der be- oder
entlasteten Schrauben nSB:
2 MB MB
FA (27)
nSB l x nSB xS
Die gleiche Beziehung ergibt sich in diesem Fall
auch bei einer Herleitung über das Momenten-
gleichgewicht.
6.3.1.5 Kombinierte Belastungen
Die Belastungen sind unter Beachtung der Rich-
tung und der zeitlichen Abhängigkeiten vektoriell
zusammenzufassen. Bei Unklarheiten und Belas-
tungsvarianten ist vom Fall der größten möglichen
Bild 11. Momentenbelastetes Schraubenfeld mit Schraubenbelastung auszugehen.
fixer Drehachse
Für eine Zugbelastung im Schwerpunkt und
Für ein Moment MBges = Mx ergibt sich mit Glei- gleichzeitige Momentenbelastung (Bild 13) gilt
chung (20) bei maximalem Abstand zmax die größte z. B. bei ns Schrauben unter Verwendung von (Ab-
Zug-Kraft an der am weitesten entfernten Schrau- schnitt 6.3, Gleichung (22)):
benreihe: FA i FA B FA M
A zmax M Bges / I xx
i
FA max
(26) FB,Zug M x zi M z xi
Wegen des Einflusses des Flächenträgheitsmomen- nS nSB
2
nSB
2
tes (primär des Steiner-Anteils) wird die Schrau- ¦ zi ¦ xi
i 1 i 1
(28)
benbelastung umso kleiner, je weiter die fixe
Drehachse vom Schraubenfeld entfernt ist. Im Bei Schrägzug (Bild 14) ist die Kraft FB in Kom-
Fall 1 gemäß Bild 11 ergibt sich für die Reihe I ponenten zu zerlegen
eine 2,5-fach höhere Schraubenbelastung als im FAB FB sinD
Fall 2. Gleiches trifft für den Fall zu, dass das
Moment in der Reihe II angreift [5]. Weiterhin und
wird die Reihe II entweder nicht auf Zug (Fall 1) FQB FB cosD (29)
oder geringer als Reihe I (Fall 2) belastet.
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 15
Zugbelastung ¦ xi2
i 1
Verläuft die Wirkungslinie der Belastung durch FAB
den Schwerpunkt, so gilt für eine Verbindungsstel- Mit FA B i (35)
nS
le:
FAB folgt für die äußersten Schrauben:
FA i
nS FA,max FA B i FA M (36)
(30) max
6.3.2 Rotationssymmetrische
Schraubenfelder: Kreisflansch
Bei der Sonderform einer MV, dem Kreisflansch,
liegen in der Regel axiale zentrische Belastungen
(durch den Schwerpunkt verlaufend) und/oder ein
an der Hauptachse angreifendes Moment My vor,
sodass in diesen Fällen von einer gleichmäßigen
Belastung aller Schrauben ausgegangen werden
kann. Dies ändert sich bei Beaufschlagung durch
ein Biegemoment MB.
Bild 14. MV unter Schrägzug und mit Wirkungsli-
nie der Betriebskraft durch den Schwerpunkt des 6.3.2.1 Belastung durch Querkräfte
Schraubenfelds
Es wird vereinfachend von einer gleichmäßigen
Wird das Schraubenfeld exzentrisch belastet Belastung aller Schrauben ausgegangen, wenn die
(Bild 15) ergibt sich ein um S drehendes Mo- Querkraft FQB durch den Schwerpunkt des Schrau-
ment: benfelds verläuft (Bild 16) und über die Struktur
Mz FQB h FAB xS (z. B. Welle, Rohranschluss) eingeleitet wird:
(31)
Fq FQB / nS (37)
Wird die Querkraft nicht zentrisch, sondern als Bei der klassischen Einleitung des Momentes in-
Umfangskraft FQB,exz eingeleitet (Bild 16), entsteht nerhalb des Schraubenfelds folgt gemäß Glei-
ein Moment um die y-Achse, das zu einer zusätzli- chung (15) für Bild 17:
chen Schraubenbelastung analog Gleichung (38) My
mit My = FQB,exz re , siehe unten, führt. Fqmax (42)
nS rS,min
Der exzentrische Angriff bewirkt bezüglich der
Querkraftkomponente eine ungleichmäßige Last- 6.3.2.3 Belastung durch Betriebsmoment und
verteilung, siehe auch Abschnitt 6.3.1. Axialkraft
6.3.2.2 Belastung durch ein Torsionsmoment Bei Belastung durch ein (reines äußeres) Betriebs-
My bzw. Biegemoment berechnet sich die größte Be-
Die aus dem Moment resultierenden Umfangskräf- triebskraft analog Gleichung (34).
te FU bewirken eine Querbeanspruchung in der Wirkt zusätzlich noch zentrisch eine Längskraft,
Trennfuge. Bei gleichmäßiger Teilung und einem gilt unter der Voraussetzung, dass es nicht zum
Schraubenkreis liegt als Gesamtbeanspruchung partiellen Klaffen kommt, bei steifen Anschlüssen
vor: in Näherung [4] für die maximale Zug-
My Betriebskraft an der äußeren Schraube (1) bei An-
FQM FU (38) ordnung auf der Achse x-x mit MB = Mz:
rS
Mz § F d ·
Vereinfacht kann von einer identischen Belastung FA,z max ¨¨ B t 4 ¸¸ (43)
nS d t © Mz ¹
aller Verschraubungsstellen ausgegangen werden,
sodass je Schraube gilt: Für die maximale Druckbetriebskraft gilt (Schrau-
My be 2):
Fq FQM nS (39) § F d ·
rS nS FA,Dmax
Mz
¨¨ B t 4 ¸¸ (44)
nS d t © Mz ¹
Bei mehr als einem Schraubenkreis (nT > 1)
(Bild 17), gelten die Annahmen in Ab-
schnitt 6.3.1. Wird ein Moment außerhalb des
Schraubenfelds (siehe auch Bild 8a) eingeleitet,
gilt für die höchstbelasteten Verschraubungsstellen
auf dem größten Radius analog (Gleichung (12)):
M y rS, max
Fq max n
¦r
S
2
Si
i 1 (40)
Im Fall der gleichen Anzahl Schrauben je Teilkreis
gilt bei nT Radien:
M y rS,max
Fq max n
¦r
T
nS 2
Si
i 1 (41)
x Im ersten Schritt werden die Schraubenfelder belastung in der Symmetrieachse, ist direkt zu
durch punktförmige Lagerungen ersetzt. Unter VDI 2230 Blatt 1 zu wechseln. Andernfalls wird
Ausnutzung der Symmetrien entsteht das glei- die äußere Belastung mittels geeigneter elastome-
che elastomechanische Modell wie zuvor. So- chanischer Modelle auf die übrigen Schrauben
mit wirkt auf jeden der der Belastung am nächs- verteilt.
ten liegenden Verbindungsbereiche eine
6.4.3 Lagerungsvarianten
Schnittlast in Höhe der äußeren Belastung.
Die Lagerung hat einen großen Einfluss auf die
x Im zweiten Schritt wird diese Schnittlast auf
Verformungen. Da die Schnittlasten stets aus den
die vier Schrauben des Schraubenfelds verteilt
Verformungen berechnet werden, hängen auch sie
(Bild 24). Wird nur die Kraft FB berücksichtigt,
von der Lagerung ab. Das Beispiel in Bild 25 soll
kann das mittels eines gelenkig gelagerten Bie-
verdeutlichen, wie unterschiedlich die Verformun-
gebalkens geschehen.
gen sein können.
recht dazu belastet werden. Sie eignen sich für oder Polynome zu verwenden, da diese leicht ab-
z. B. zur Beschreibung von zugbelasteten Blechen leitbar sind.
oder torsionsbelasteten Flanschen. Die Koeffizienten ai werden anhand der Gleichge-
Platte
wichtsbedingungen aus dem Prinzip der virtuellen
Verschiebungen bestimmt. Je mehr Funktionen fi
Als Platte bezeichnet man einen ebenen Träger, der mit ihren Koeffizienten ai gewählt werden, desto
ausschließlich durch Kräfte senkrecht zu seiner besser fällt die Näherung aus. Nach Bestimmung
Mittelebene belastet wird und durch Momente um der Koeffizienten ai für die Näherung der Ver-
Achsen, die in der Plattenebene liegen. Die Plat- schiebung werden aus deren Verlauf die Schnittlas-
tendicke muss klein im Vergleich zu den übrigen ten ermittelt.
geometrischen Ausdehnungen sein.
Der Begriff der Platte in der Elastomechanik ist 6.4.8 Höchstbelastete SV
daher von dem Begriff der Platte in der Richtlinie Nachdem die Belastungen auf die MV aus den
VDI 2230 Blatt 1 zu unterscheiden. Schnittlasten oder den Auflagerlasten bestimmt
In [15] und [16] finden sich ausführliche Herlei- sind, gilt es, die höchstbelastete Schraubenverbin-
tungen der Differenzialgleichungen und Lösungen dung, gegebenenfalls unter Beachtung der erfor-
für Kreis-, Kreisring- und Rechteckplatten. derlichen Klemmkraft, zu ermitteln und nach
VDI 2230 Blatt 1 zu berechnen. Dafür liefert die
Plattenstreifen elastomechanische Berechnung folgende Größen:
Ein Plattenstreifen ist eine Platte mit zwei paralle- x maximale Zugbelastung
len Rändern in der einen Richtung und einer un-
x maximale Belastungsamplitude
endlichen Ausdehung in der anderen Richtung. Die
Lasten an den parallelen Rändern müssen entlang Diese Größen können an verschiedenen SV auftre-
dieser Ränder gleichmäßig sein [15]. ten, sodass mehrere SV nach VDI 2230 Blatt 1
berechnet werden müssen. Weiter treten die maxi-
Der Plattenstreifen verhält sich wie ein breiter
male Zugbelastung und die maximale Belastungs-
Biegebalken. Seine Verformungen w lassen sich
amplitude nicht zwingend an derselben SV auf.
auch auf die Verformungen eines Biegebalkens
Schließlich gilt es noch zu beachten, dass die Trag-
zurückführen:
fähigkeit für die höchstbeanspruchte SV nachge-
wPlatte
wBalken 1 v 2 (51) wiesen werden muss. Wenn im Schraubenfeld
Für Stahl mit einer Querkontraktionszahl von unterschiedliche Schraubendurchmesser verwendet
Ȟ = 0,3 nehmen die Verformungen um ca. 10 % ab. werden, kann auch eine geringer belastete SV die
höchstbeanspruchte SV sein.
6.4.7 Näherungsverfahren nach Ritz
6.4.9 Abstand a
Um die Schnittlasten anhand der zuvor beschriebe-
nen mechanischen Modelle zu bestimmen, müssen Anhand der elastomechanischen Berechnung erge-
jeweils die charakteristischen Differenzialglei- ben sich an jeder SV Schnittlasten für die Biege-
chungen gelöst werden. Das kann schon bei ein- momente, Schraubenlängskräfte und Schrauben-
fach anmutenden Geometrien und Belastung sehr querkräfte. Für die Berechnung nach VDI 2230
aufwendig oder gar unmöglich sein. Daher emp- Blatt 1 kann die SV entweder als zentrisch belastet
fehlen sich Näherungsverfahren. mit äußerem Biegemoment MB oder als exzentrisch
belastet betrachtet werden. Der Abstand a wird aus
Das Näherungsverfahren nach Ritz ist auf alle zu- dem Quotient aus Einspannmoment ME und
vor beschriebenen mechanischen Modelle an- Schraubenlängskraft FA berechnet, siehe auch
wendbar [16; 17]. Es basiert darauf, dass das elas- Bild 31:
tische Potenzial aus Formänderungsarbeit und
Arbeit der äußeren Belastungen ein Minimum an- ME
a (53)
nimmt. FA
Für die Verschiebung wird ein Ansatz bestehend
6.5 Herauslösen einer einzelnen Verbindung
aus n Gliedern gewählt:
n
Beim Herauslösen der EV sind alle die Platten-
~
w|w ¦a f
i 1
i i (52) Bereiche im Umkreis zu beachten, die das Verfor-
mungsverhalten der Verbindung signifikant beein-
Darin sind fi sinnvoll zu wählende Funktionen, die flussen und somit in die Berechnung der Ersatzau-
jede für sich die geometrischen Randbedingungen ßendurchmesser der Trennfuge DA und des Grund-
erfüllen. Am einfachsten ist es, Winkelfunktionen körpers DA' eingehen.
22 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
Bei benachbarten Schrauben ist die EV so heraus- am nächsten liegende Durchgang zu verwenden,
zulösen, dass sich der Verformungskörper in der der die Exzentrizität a repräsentiert. Somit ist im
betrachteten Schnittebene gedanklich bis zum Regelfall ein Anschlusskörper vorhanden, dessen
Rand der benachbarten Bohrungen ausbreiten kann Lage und Größe für die Berechnung des Kraftein-
wenn es die Abmessungen und der Kegelwinkel leitungsfaktors und gegebenenfalls der Platten-
zulassen. Eine Überlappung zweier Verformungs- nachgiebigkeit benötigt wird.
körper ist dabei wegen der Stützwirkung nicht zu Bezüglich benachbarter Schrauben gelten die
beachten, Bild 30 (VDI 2230 Blatt 1, Bild 5.2/7). gleichen Hinweise wie in Abschnitt 6.4.1.
Damit geht diese Abmessung (2t dh) in die Be-
rechnung von DA und DA' ein.
Für die Berechnung der erforderlichen Klemmkraft Hierzu liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnis-
wird die Anzahl der kraftübertragenden inneren se vor, sodass gegebenenfalls experimentelle oder
Trennfugen qF benötigt, siehe auch VDI 2230 numerische Untersuchungen notwendig werden.
Blatt 1. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich eine Bei einschnittigen Verbindungen mit nur einer
Beeinflussung des Kraftflusses durch das Klemm- Spalte Schrauben kann es bei kleinen Klemmlän-
längenverhältnis, was bei kleinen Klemmlängen- gen (ca. lK/d < 1), einer außerhalb der inneren
verhältnissen von lK/d < 2 zu einer rechnerischen Trennfuge liegenden Kraftwirkungslinie und ent-
Vergrößerung von qF auf qF,eff führt, Bild 35. sprechend entfernter Einspannung zum Kippen
Dieser Effekt kann zur Optimierung derartiger kommen (Bild 36), woraus eine vergrößerte Be-
Verbindungen genutzt werden. Bei DSV ist dieser lastung der Verschraubungsstelle entsteht. Dies ist
Effekt in abgeschwächter Größe vorhanden. mit einer geeigneten Vergrößerung (z. B. 20 %
Zuschlag) von FQB zu beachten.
6.6.3 Berechnungsmodell
6.6.3.2 Querlängsbelastung
6.6.3.1 Belastung senkrecht zur
Schraubenreihe Es liegt eine ungleichmäßige Lastverteilung vor,
die wesentlich von der Quersteifigkeit der Plat-
Wie in Abschnitt 6.3.1 ausgeführt, ist bei senkrech-
te(n), der Biegesteifigkeit der Schraube und von
ter Lage einer Schraubenreihe zur Kraftrichtung
der Schraubenanzahl bestimmt wird.
die Verteilung annähernd gleichmäßig (Bild 5),
wenn die Kraft zentrisch angreift: ESV
Fq FQBx /nSR (55) Als Grenzfall wird in Näherung das Bauteil (Plat-
te) mit dem Einschraubgewinde als in Belastungs-
Wird die Querkraft nicht zentrisch zur Reihe ein-
richtung starr betrachtet (Bild 37). Für die zu über-
geleitet, so ist das entstehende Moment um den
tragende Querkraft an einer Verschraubungsstelle
Schwerpunkt der Schraubenreihe zu beachten; es
gilt, beginnend an der äußersten Schraube 1, mit
ist dann analog Abschnitt 6.3.2 zu verfahren. Bei
der Schraubenanzahl in der Reihe nSR und dem
geringem Abstand der Krafteinleitung von der
Quersteifigkeitsverhältnis N [12]:
Schraubenreihe und deutlich kleinerer Krafteinlei-
tungsbreite (Streckenlast) als Schraubenreihenlän- Fq i 1 1 N Fqi (56)
ge (Extremfall: punktförmiger Angriff von FQBx)
ist von einer ungleichmäßigen Belastung der Ver- FqnSR Fqmax 1 N nSR 1 Fq1 (57)
schraubungsstellen auszugehen, wobei die am
nächsten liegenden am größten belastet werden.
Bild 35. Besonderheit der rechnerischen Anzahl kraftübertragender Trennfugen bei kleinen Klemmlängen-
verhältnissen und ESV [8]
Bild 36. Verhalten einer einschnittigen Verbindung kleiner Klemmlänge mit einer Schraube bzw. einer
Schraubenreihe senkrecht zur Belastung
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 25
Bild 38. Querbelastung der Verbindungsstellen bei in einer Reihe angeordneter ESV (einschnittig) mit
nSR = 5 Schrauben in Abhängigkeit vom Quersteifigkeitsverhältnis N
26 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
Bild 39. Querbelastung der Verbindungsstellen bei in einer Reihe angeordneter DSV aus 2 Platten gleicher
Dicke (einschnittig) mit nSR = 5 Schrauben in Abhängigkeit vom Quersteifigkeitsverhältnis N
Bild 40. Theoretische Grenzfälle der Lastverteilung einer Laschenverbindung mit Passschrauben (analog
Bild 32 und Bild 37) je nach Modellsteifigkeit der Platten [12]
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 27
Für ESV können für die maximale Querkraft an tragen werden (siehe oben). In diesem Fall ist die
der Verschraubungsstelle folgende konservative Anzahl von Schrauben in Abhängigkeit von der
Empfehlungen gegeben werden: Verformungsfähigkeit in Analogie zum Kran- und
2 Schrauben (nSR = 2): Stahlbau möglichst auf fünf, maximal aber auf acht
zu begrenzen (siehe DIN 15018-2).
Fqmax =Fq2 = FQB (66)
Ziel muss es sein, alle Verschraubungsstellen
nSR = (3
5):
gleich zu belasten. Bestehen z. B. Schraubenfelder
Fqmax = 0,9 FQB (67) aus mehreren Reihen in Kraftrichtung, so sollten
Bei DSV gelten folgende Empfehlungen: zur besseren Verteilung der Belastung auf alle
nSR =2: Fqmax = 0,5 FQB (68) Schrauben die Spalten gegeneinander versetzt
werden (Bild 41). Die Belastung ist zentrisch
nSR = (3
5): Fqmax = 0,45 FQB (69) einzuleiten bzw. das Schraubenfeld konzentrisch
Der Sicherheitsnachweis geschieht über den zur Krafteinleitung anzuordnen.
Scherquerschnitt (siehe VDI 2230 Blatt 1), das Die Belastung der Verbindungsstellen einer
heißt unter der Annahme, dass die Querkräfte voll- Schraubenreihe längs zur Querkraft kann unter
ständig von den Passschäften aufgenommen wer- Beachtung des Konstruktionsprinzips geringe
den. Aber auch die Lochleibung ist nachzuweisen. Dehnungsdifferenzen durch Angleichung der
Wegen unvermeidlicher Toleranzprobleme ist Bauteilquerschnitte (Minimierung der Dehnungs-
nicht die gesamte Schraubenbohrungskontakt- differenzen zwischen den Platten) vergleichmäßigt
fläche tragend. Soweit nicht anders gefordert, soll- werden (Bild 42).
te die rechnerische Gesamtfläche sinnvoll reduziert
werden, z. B. auf 75 %. Um bei einer Reihe senkrecht zur Kraftrichtung die
in Bild 36 gezeigten Kippeffekte zu verhindern,
6.6.5 Gestaltungshinweise sind Maßnahmen wie eine 2. Spalte und/oder Ver-
Grundsätzlich sind in einer Reihe mindestens zwei größerung der Klemmlänge und/oder das Verlegen
Schrauben anzuordnen. In Kraftrichtung ist dabei der Kraftwirkungslinie in die Trennfuge zu ergrei-
die Anzahl zu begrenzen, da an den inneren Ver- fen (Bild 43).
schraubungsstellen kaum noch Belastungen über-
Bild 41. Optimierung eines Schraubenfelds aus mehreren Reihen und Spalten durch versetzte Anordnung
ten, dass durch die Berücksichtigung von nichtli- x Modellklasse III bildet die Schraube als Er-
nearem Material oder Systemverhalten der Be- satzvolumenkörper ab. Die Schraube wird dabei
rechnungsaufwand enorm ansteigt. Eine Superpo- ohne Gewinde modelliert. Durch das Anpassen
sition einzelner Lastfälle ist nicht mehr möglich. der Geometrie oder des Werkstoffgesetzes ist
Damit ist jede Last und Lastkombination gesondert sicherzustellen, dass diese Ersatzschraube, ins-
zu untersuchen. Daher ist in der Regel eine lineare besondere im Bezug auf die Gewinde- und
Berechnung anzustreben. Kopfnachgiebigkeit, die gleichen Eigenschaften
Weitere Hinweise für die allgemeine Anwendung wie die reale Schraube besitzt. Die Nachgie-
der FEM sind im Anhang zusammengefasst. bigkeit der Schraube kann aus Versuchen oder
nach der VDI 2230 Blatt 1 angepasst werden.
7.2 Modellierung Neben dem Kontakt in der Trennfuge kann
auch der Kontakt in den Auflageflächen der
7.2.1 Modellklassen
Schraube und der Mutter berücksichtigt werden.
Um die Verknüpfung des Modellierungsaufwands
sowie der Anforderungen an die Modellbildung x Modellklasse IV steht für die detailliert model-
mit dem erzielbaren Beitrag zur Auslegung der SV lierte Schraube und wird inklusive des Gewin-
zu verdeutlichen, werden vier Grundarten von FE- des und der Kontaktbedingungen in allen Kon-
Modellen betrachtet. Diese werden in dem vorlie- taktflächen modelliert. Damit ist mit diesem
genden Abschnitt kurz beschrieben. Die detaillierte Modelltyp eine detailgetreue Abbildung der
Beschreibung der Möglichkeiten der Modellklas- Schraube möglich.
sen erfolgt in Abschnitt 7.2.2. Die Modellklasse IV ist hier nur aufgrund der
In der Praxis ist die Zuordnung zu genau einer der Vollständigkeit aufgeführt. Für die Berechnung
Modellklassen I, II, III und IV in eindeutiger Wei- von Schraubenverbindungen im Sinn der
se nicht immer möglich; vielmehr können in einem VDI 2230 Blatt 1 ist die Verwendung einer solchen
FE-Modell Merkmale verschiedener Grundmodelle detaillierten Modellierung im Allgemeinen nicht
vorhanden sein. Eine Übersicht über die unter- notwendig. Eine Zusammenfassung der Möglich-
schiedlichen Modelltypen zeigt Tabelle 1. Die keiten der unterschiedlichen Modellierungsarten
spezifischen Merkmale der Modellklassen gestal- und eine Einschätzung über den Aufwand zeigt
ten sich wie folgt: Tabelle 2.
x Modellklasse I beschreibt die Möglichkeit der Im Gegensatz zu der in VDI 2230 Blatt 1 verwen-
Schraubenauslegung, wie sie z. B. im Beispiel deten vereinfachten Modellvorstellung, die von
B4 der VDI 2230 Blatt 1 angewendet wird. Bei einer konstanten Beanspruchungsverteilung über
der Modellklasse I wird weder die Schraube an der Schraubenlänge ausgeht, ergibt sich in den FE-
sich noch die Trennfuge berücksichtigt. Es wird Analysen mithilfe der Modelle II bis IV in der
lediglich das Bauteil abgebildet. Die zu ver- Regel ein veränderlicher Verlauf der Beanspru-
schraubenden Bauteile werden im Bereich der chung über der Schraubenlänge. Auf die Bewer-
Verspannung, definiert über die Grenzabmes- tung wird in Abschnitt 7.3.2 näher eingegangen.
sung G bzw. G' aus VDI 2230 Blatt 1, als ein 7.2.2 Spezifische Modelleigenschaften
Kontinuum modelliert. Die Auswertung des
Modells erfolgt über die Schnittlasten (Kräfte 7.2.2.1 Vorbemerkungen
und Momente) am Ort der gedachten Trennfu- Inhalt und Umfang der Auswertung der FE-
ge. Der Tragfähigkeitsnachweis für die SV er- Berechnung als Grundlage für die Schraubenausle-
folgt nach VDI 2230 Blatt 1. gung hängt im Wesentlichen von der Modellklasse
x Modellklasse II bildet die Schraube in der FE- ab. Die maßgeblichen Modellparameter sind:
Berechnung als Linienelement, also als Zug- x Nachgiebigkeiten der Schraube und der ver-
stab, Balken oder Federelement ab. Die Anbin- spannten Teile
dung an das Bauteil erfolgt über eine Kopplung x Schraubenvorspannung
in der Kopf- bzw. Mutternauflagefläche. Er-
gebnis sind die Schnittgrößen in der Schraube, x äußere mechanische und thermische Belastun-
die direkt als Eingangswerte für das in gen
VDI 2230 Blatt 1 enthaltene Nennspannungs- x Kontaktbedingungen in der Trennfuge
konzept dienen. Der Kontakt in der Trennfuge x Modellierung der Mutter- und Schraubenkopf-
kann berücksichtigt werden. auflage
30 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
Charakteristikum Schraube und Trennfuge Schraube wird als Ersatzmodell Schraube wird komplett
bleiben unberücksichtigt (Balken oder Ersatzvolumen) modelliert, inklusive Ge-
(Vorspannkraft wird nicht berücksichtigt (Vorspannkraft winde, Vorspannung und
mit abgebildet) und Trennfugenkontakt können Trennfugenkontakt
berücksichtigt werden)
Ziel der Berechnung Schnittgrößen in der Tren- Schnittgrößen (Nenngrößen) Schnittgrößen (Nenngrö-
nfuge als Eingangsgröße der Schraube ßen) der Schraube. Örtli-
in die Berechnung nach che Beanspruchung in der
der VDI 2230 Blatt 1 Schraube und im Ver-
(vgl. Beispiel B4) oder spannungsbereich
Verformungen der Aufla-
geflächen
Tabelle 2. Einteilung der FE-Modelle hinsichtlich der Modellierung und der erforderlichen Parameter
Modellklasse I II/III IV
Modellierung der Schraubenverbindung
Aufwand gering mittel groß
Idealisierung der Schraube nicht modelliert vereinfacht detailliert modelliert
Kontaktbedingungen in der nicht modelliert modelliert modelliert
Trennfuge
Vorspannung ohne mit mit
Erforderliche Parameter aus VDI 2230 Blatt 1 (angegeben ist der jeweilige Abschnitt)
Nachgiebigkeit der Schrau- 5.1.1 5.1.1/im Modell enthalten im Modell enthalten
be GS
1)
Nachgiebigkeit der Platten 5.1.2 im Modell enthalten im Modell enthalten
GP (GP*, GP**)
1)
Krafteinleitungsfaktor n 5.2.2 im Modell enthalten im Modell enthalten
Anziehfaktor DA 5.4.3 5.4.3 5.4.3
Setzbetrag fz 5.4.2.1 5.4.2.1 5.4.2.1
1)
mit Einschränkung, siehe Abschnitt 7.3
x Kontakt zwischen Schraubenschaft und Plat- Bezug auf die Eigenheiten der unterschiedlichen
tenbohrung Modellklassen beschrieben.
x lineares oder nichtlineares Material- und Mo- Innerhalb des Anwendungsgebiets der VDI 2230
dellverhalten Blatt 1 gelten die folgenden Hinweise zum Um-
x Modellierung der Gewindebereiche fang einer FE-Berechnung:
x Setzeffekte x Der Modellvorstellung der VDI 2230 Blatt 1
folgend, die den vereinfachten analytischen Be-
Somit wird bereits bei der Modellerstellung der rechnungsansätzen zugrunde liegt, ist die
spätere Berechnungsweg weitestgehend definiert. Schraube bei ausreichender Klemmlänge als ein
Gesichtspunkte, die bei der Idealisierung dieser Balken anzusehen, der eine axiale Nachgiebig-
Merkmale zu beachten sind, werden im Folgenden keit und eine Biegenachgiebigkeit besitzt. Für
zunächst in allgemeiner Hinsicht und danach mit die Berechnung der Nennbeanspruchung der
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 31
Schraube ist es daher ausreichend, in dem FE- der in unmittelbarer Nähe von zu steif modellierten
Modell die Nachgiebigkeiten der Schraube ge- Lasteinleitungsstrukturen angeordneten Schrauben
eignet wiederzugeben. Der Begriff Nennbean- zu hoch berechnet werden.
spruchung umfasst dabei die Nennzugspan- Für die Nachgiebigkeit der Schraube ist es im All-
nung, Nennbiegespannung und Nennschub- gemeinen ausreichend, die gemäß VDI 2230
spannung im bemessungsrelevanten Querschnitt Blatt 1 bestimmte Schraubennachgiebigkeit in dem
(z. B. Spannungsquerschnitt oder Taillien- FE-Modell zu berücksichtigen. Dabei ist bei der
schaftquerschnitt). Vorgabe der Biegenachgiebigkeit darauf zu achten,
x Die Nachgiebigkeit der Platte wird zwar durch dass diese für die Schraube nicht konstant über die
die Rechenansätze in VDI 2230 Blatt 1 gut Länge verteilt ist. Der Schraubenkopf hat bei-
wiedergegeben, da die Lasteinleitungsbedin- spielsweise eine geringere Nachgiebigkeit als das
gungen (ausgedrückt durch den Krafteinlei- eingeschraubte Gewinde. Daraus resultiert auch
tungsfaktor n) allerdings immer schwierig zu eine ungleichförmige Momentenverteilung entlang
bewerten sind, sollte die Platte (also das zu ver- der Schraubenachse. Unterschiedliche Biegenach-
bindende Bauteil) in der FEM als Volumenkör- giebigkeiten einzelner Teilbereiche lassen sich in
per abgebildet werden. der Berechnung mit Modellklasse II und III abbil-
x Wird ein Klaffen oder Rutschen der Verbin- den. In der Modellklasse IV sind diese ohnehin
dung ausgeschlossen, kann das Modell im Be- enthalten. In der Regel sollte eine Modellierung
reich des Verspannungskegels durchgängig mit der mittleren Nachgiebigkeit nach VDI 2230
vernetzt werden. Wird ein teilweises Abheben, Blatt 1 ausreichend sein. Für die anderen Fälle sei
oder Klaffen oder Rutschen der Verbindung zu- auf [19; 20] verwiesen.
gelassen, ist die Berücksichtigung von Kon- Schraubenvorspannung
taktbedingungen in der Trennfuge notwendig.
Die Berücksichtigung der Schraubenvorspannung
x Durch die Berücksichtigung von elastisch- in der FE-Berechnung ist unabdingbar für die Be-
plastischem Materialverhalten lässt sich mithil- wertung
fe der FEM auch die plastische Verformung in
x der durchgängigen Beurteilung der Schrauben-
der Verbindung analysieren. Vorspannkraftver-
beanspruchung bis in den Bereich des Klaffens
luste aufgrund einer Belastung im Betrieb über
(in Verbindung mit der Modellierung des
die Streckgrenze hinaus können so bestimmt
Trennfugenkontakts),
werden. Alternativ hierzu ist nach VDI 2230
Blatt 1, Abschnitt 5.5.2 zu verfahren. x einer realistischen Abbildung der Pressung in
der Trennfuge und einer detaillierten Analyse
7.2.2.2 Modellübergreifende Merkmale des Klaffens der Verbindung (in Verbindung
mit der Modellierung des Trennfugenkontakts),
Nachgiebigkeiten
Die Nachgiebigkeiten werden im FE-Modell durch x des Rutschens in der Trennfuge bei querbean-
die Zuordnung der Materialparameter (in der Regel spruchten Verbindungen und
Elastizitätsmodul und Querkontraktionszahl) und x der mechanischen Beanspruchung der ver-
die Abbildung der Geometrie (Abmessungen und schraubten Bauteile; insbesondere in der Nähe
Gestaltung) festgelegt. Die erforderliche Netzfein- der Verschraubung (z. B. in Sacklöchern).
heit steigt mit dem Detaillierungsgrad oder mit Falls die Schraubenvorspannung in der FE-
zunehmender Modellklasse. Die Größe der Ele- Modellierung nicht enthalten ist, kann das FE-
mente orientiert sich dabei an den charakteristi- Modell nur die Schraubenzusatzbelastung FSA und
schen Abmessungen der Verschraubungselemente MSA bewerten. Die Überlagerung mit der Vorspan-
(z. B. Schaft- und Kopfdurchmesser der Schraube, nung erfolgt dann wie in VDI 2230 Blatt 1 be-
Klemmlänge, Auflagefläche der Mutter) und der schrieben.
verspannten Komponenten inklusive der An- Um den Einfluss der Schraubenvorspannung auf
schlusskörper. das mechanische Verhalten der Verbindung mithil-
Die Verteilung der äußeren Belastung auf die ein- fe der FE-Analyse realistisch zu erfassen, ist es
zelnen Schrauben einer MV wird wesentlich durch sinnvoll, auch die Möglichkeit des Klaffens in der
die Nachgiebigkeitsverteilung im gesamten Bauteil Trennfuge durch eine geeignete Modellierung der
und insbesondere durch die Steifigkeiten der An- Kontaktbedingungen zuzulassen. Dies gilt insbe-
schlussstrukturen in unmittelbarer Nähe der Ver- sondere dann, wenn die Trennfuge lokal aus der
bindungsstellen bestimmt. In dieser Hinsicht ist zu Überlagerung der Vorspannung und der externen
beachten, dass im Allgemeinen die Belastungen Belastung abheben kann. Der Aufwand in der Be-
32 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
zu berücksichtigen. Dies ist zumindest immer dann gleichmäßig verteilte Druckspannung definiert ist
der Fall, wenn in der nominellen Trennfuge Zug- (siehe VDI 2230 Blatt 1). Lokale Spannungsspit-
spannungen berechnet werden, die aus physikali- zen werden bei dieser Nachweisführung nicht be-
scher Sicht nicht auftreten können. In der Regel trachtet.
sollte daher die Trennfuge nur in der Grenzabmes-
sung G bzw. G' als verbunden modelliert werden. Gewinde
Die in der Trennfuge zu definierende Reibung ist Die Art und Weise, wie die Gewindebereiche von
in Abhängigkeit der Oberflächengüte in der Trenn- Schraube und Mutter im FE-Modell idealisiert
fuge zu wählen. In der Regel ist es ausreichend, die werden, beeinflusst
coulombsche Reibung zu berücksichtigen. Typi- x die Nachgiebigkeit der Verschraubung und
sche Reibungszahlen sind beispielsweise in somit die Belastung der einzelnen Komponen-
VDI 2230 Blatt 1, Tabelle A6 angegeben. ten und
Setzen
x die Möglichkeit, die lokale Beanspruchung im
Gewindebereich zu erfassen (Modellklasse IV).
Setzeffekte, die beim Vorspannen in der Trennfuge
auftreten, können in der FE-Analyse im Allgemei- Die Nachgiebigkeit des Gewindebereichs kann
nen (Ausnahme: siehe Hinweise zu Modellklasse insbesondere dann relevant werden, wenn bei ab-
IV unten) nicht durch entsprechende Modellie- nehmender Klemmlänge und bei EV der Anteil der
rungsansätze berechnet werden. Sie werden durch Gewindenachgiebigkeit an der Gesamtnachgiebig-
Unebenheiten und mikroplastische Effekte in den keit steigt. Die örtliche Beanspruchungsermittlung
Auflageflächen erzeugt und würden somit eine spielt dann eine Rolle, wenn der Festigkeitsnach-
entsprechend feine Vernetzung sowie die Verwen- weis der Schraube nicht mit Nennspannungen (wie
dung von geeigneten elasto-plastischen Material- in VDI 2230 Blatt 1), sondern mit lokalen Bean-
gesetzen oder spezielle Versuche zur Bestimmung spruchungen durchgeführt werden soll [22; 23; 24].
der Nachgiebigkeit der Oberfläche erfordern. Da- Die mit der Modellklasse IV mögliche realistische
her sind Setzbeträge zur Ermittlung der minimal Berechnung der Steifigkeit der Gewindebereiche
vorliegenden Schraubenvorspannung mithilfe der mithilfe der FEM ist beschränkt durch
Vorgaben in VDI 2230 Blatt 1 zu berechnen. Die x die notwendiger Weise sehr feine Vernetzung
minimale Montagevorspannkraft FMmin aus der Gewindegeometrie,
VDI 2230 Blatt 1 ist für die Berechnung noch um x die Geometrie- und Oberflächentoleranzen, die
den Setzkraftverlust FZ zu vermindern. nicht vollständig in einem FE-Modell darstell-
Möglich ist auch die direkte Vorgabe des Setzbe- bar sind und zu lokal unterschiedlichem Trag-
trags als Lastfall in der FE-Berechnung. Der Vor- verhalten und/oder Setzeffekten führen können,
spannkraftverlust ist dann auch ein Ergebnis der und
FE-Analyse.
x die angenommene Reibung im Gewinde, die die
Kopf- und Mutterauflage Relativverschiebungen und damit prinzipiell
Die Kontaktbedingungen in den Auflageflächen auch die Nachgiebigkeit beeinflusst. Dieser
der Mutter und des Schraubenkopfs sind im All- Einfluss ist allerdings als gering zu bewerten.
gemeinen und verglichen mit denjenigen in der Kontakt zwischen Schraubenschaft und
Trennfuge für die Auslegung der Verschraubung Plattenbohrung
von untergeordneter Bedeutung. Ihre Modellierung Die kinematischen Bedingungen zwischen Schrau-
mithilfe von Kontaktbedingungen ist daher in den benschaft und Plattenbohrung sind zu berücksich-
meisten Fällen nicht notwendig. Ausnahmen von tigen, wenn
dieser Vorgehensweise ergeben sich z. B. dann,
wenn Gleitbewegungen der Kontaktflächen be- x eine Passschraube eingesetzt wird,
rechnet werden, um z. B. die Neigung zum selbst- x es auch ohne die Verwendung von Passschrau-
tätigen Losdrehen bewerten zu können [21]. ben aufgrund der Fertigungstoleranzen und der
Eine detaillierte Modellierung der Auflagebereiche Verformungen zu einem Kontakt zwischen bei-
von Schraubenkopf und Mutter durch eine feine den Komponenten kommen kann und
Vernetzung und Kontaktbedingungen ist auch für x es zum Rutschen in der Verbindung kommen
die Beurteilung der dort induzierten Druckspan- kann.
nungen unnötig. Der Festigkeitsnachweis erfolgt Das Kontaktmodell muss den Bereich der Passung
üblicherweise mithilfe der werkstoffabhängigen wiedergeben. So kann beispielsweise der Durch-
Grenzflächenpressung, die wiederum als globale, messer der Schraube für die Kontaktdefinition von
34 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
Bild 46. Beispiel zur Modellierung der Trennfuge in Modellklasse I bei Nichteinhaltung der Grenzabmessung
G als Kontinuum (a) und über starre Kopplungen (b)
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 35
Kontakt zwischen Schraubenschaft und ordnet werden. Diese lassen sich aus den Nachgie-
Plattenbohrung bigkeiten der Schraube gemäß VDI 2230 Blatt 1,
Der Kontakt zwischen Schraubenschaft und Plat- Abschnitt 5.1.1 berechnen. Wird die Schraube als
tenbohrung wird bei der Modellierung nicht be- ein Balken mit konstantem Querschnitt idealisiert
rücksichtigt. betrachtet, so ergeben sich die Ersatzquerschnitts-
werte Aers und Iers aus den Nachgiebigkeiten GS und
Nichtlineares Materialverhalten
ES der VDI 2230 Blatt 1 zu
Da die Schraube als solches sowie die Vorspan-
lK
nung in FE-Modellen der Modellklasse I nicht Aers
abgebildet werden, kann der unmittelbare Einfluss ES G S
(70)
von Materialnichtlinearitäten oder von Tempera- lK
I ers
turfeldern auf die Vorspannung der Schraube nicht ES E S
berechnet werden.
Die Anbindung der Balken- bzw. Federelemente
Andererseits bietet die FE-Analyse die Möglich- an die Bauteile im Bereich der Kopf- und Mutter-
keit auflage bzw. im Bereich des Sacklochs erfolgt wie
x das allgemeine Temperaturniveau an der Stelle in Bild 47, skizziert über eine starre Kopplung.
der Schraubenverbindung und Das Bauteil wird als Volumenkörper modelliert.
x durch nichtlineare (plastische) Verformungen Damit lässt sich die Plattennachgiebigkeit genau
veränderte Steifigkeiten in den Bauteilen erfassen. Die Anbindung des Balkens an das Bau-
zu erfassen und diese Information in der nachfol- teilvolumen muss wie in Bild 47 skizziert flächig
genden Schraubenauslegung einfließen zu lassen. erfolgen, damit die lokale Nachgiebigkeit direkt an
der Anbindung die Gesamtnachgiebigkeit nicht
7.2.2.4 Modellklasse II verfälscht.
Nachgiebigkeiten Schraubenvorspannung
Die Schraube wird mit Balkenelementen oder Fe- Die Schraubenvorspannung kann nach den in Ab-
derelementen mit translatorischen und rotato- schnitt 7.2.2.2 beschriebenen Methoden in der FE-
rischen Freiheitsgraden abschnittsweise idealisiert. Analyse berücksichtigt werden. Die Verteilung der
Um die Nachgiebigkeit realistisch abzubilden, Druckspannungen in der Trennfugenebene wird im
müssen diesen Elementen entsprechende Material- Allgemeinen nur bei größeren Klemmlängen und
und Geometrie- bzw. Steifigkeitsparameter zuge- bei DSV hinreichend realistisch abgebildet.
Bild 47. Anbindung des Balken- oder Federelements an die Gesamtstruktur/Modellierung der Schraube mit
einem (a) und mehreren Querschnitten (b) bei Modellklasse II
36 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
7.3 Ableitung der Berechnungsgrößen aus sen lässt. Formal lässt sich die beschriebene Me-
der FE-Rechnung thodik zwar auch für Mehrschraubenverbindungen
Bei der Berechnung von Schraubenverbindungen anwenden, das Ergebnis ist dann allerdings ein
können zwei grundsätzliche Lastfälle unterschie- Gleichungssystem, das die Interpretation in den
den werden: Schrauben zugeordnete Einzelsteifigkeiten nicht
1) Montagezustand, das Aufbringen der Montage- mehr zulässt.
beanspruchung Für ESV lassen sich die Nachgiebigkeiten aus der
2) Betriebszustand, die Simulation der Betriebsbe- Auswertung von Einheitsbelastungsfällen mithilfe
lastung (z. B. Innendruck, Einzelkräfte, thermi- der FEM berechnen. Die hierfür notwendigen Ein-
sche Belastung usw.) heitsbelastungen 1 und 2 sind in Bild 49 dar-
gestellt. Die Einheitsbelastungen sind im Bereich
Diese Lastfälle sind daher auch bei der FE-Analyse
der Auflageflächen flächig aufzubringen. Für die
zu unterscheiden. In der Berechnung sind diese
Bewertung der Nachgiebigkeiten sind die mittleren
Lastfälle in der ungünstigen Kombination zu über-
Verformungen zu verwenden.
lagern.
Die Ergebnisse der FE-Analyse, die direkt für den
Nachweis der Schraubenverbindung verwendet
werden können, sind Reaktionskräfte und Span-
nungen in der Schraube und in der Platte (zu ver-
bindende Bauteile) sowie das Verformungsverhal-
ten der Kontaktflächen in der Trennfuge. Die Er-
läuterungen im Folgenden beziehen sich im We-
sentlichen auf die Auswertung von FE-Ergebnissen
zur Bestimmung der Eingangsgrößen für die An-
wendung des Nachweises nach VDI 2230 Blatt 1.
Für alternative Auswertungen und Nachweisfüh-
rungen werden lediglich Hinweise gegeben. Die
Nachweisführung ist in Abschnitt 7.4 beschrieben.
7.3.1 Nachgiebigkeiten
7.3.1.1 Modellklasse I
Plattennachgiebigkeit
Für die Berechnung der Plattennachgiebigkeiten ist
zu beachten, dass sich die in VDI 2230 Blatt 1
unterschiedenen Nachgiebigkeiten aus der Herlei- Bild 49. Einheitsbelastungsfälle zur Berechnung
tung der analytischen Beziehungen ergeben. Eine der Plattennachgiebigkeit, Modellklasse I
direkte Ermittlung der einzelnen Größen ist
Für das zentrisch verspannte System (ssym = 0)
schwierig, da hierzu spezielle Berechnungen not-
ergibt sich:
wendig sind, die die vereinfachten Modellannah-
men in VDI 2230 Blatt 1 nachstellen. Dies betrifft f P' 1'
GP (71)
insbesondere die Bestimmung von GP**. Die Tren- ' 1'
nung zwischen n und GP** folgt alleine aus dem Für das exzentrisch verspannte System (ssym 0)
Aufbau des Formelapparats in der VDI 2230 ergibt sich:
Blatt 1. In dem FE-Modell, das die Verschraubung f P' 1'
als Kontinuum abbildet, ist eine Trennung zwi- G P* (72)
schen dem Krafteinleitungsfaktor n und der Nach- ' 1'
giebigkeit GP** nur schwer möglich. Für die Be- Das Produkt {n GP **} ergibt sich zu
^ `
rechnung der Schraubenzusatzkraft ist immer das f P ' 2'
Produkt n und GP** von Interesse. Daher wird im n G P** (73)
' 2'
Folgenden auch nur die Ermittlung von {n GP**}
Für die Modellklasse I resultiert aus dieser Vorge-
beschrieben.
hensweise der Fehler, dass die Bohrung in dem
Für Mehrschraubenverbindungen lassen sich die FE-Modell nicht berücksichtigt wird. Die Platte
Nachgiebigkeiten nur bestimmen, wenn sich aus besitzt damit eine zu geringe Nachgiebigkeit.
der Mehrschraubenverbindung eine ESV herauslö-
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 39
Plattennachgiebigkeit Plattennachgiebigkeit
Für die Plattennachgiebigkeit gelten die für die Für die Plattennachgiebigkeit gelten die für die
Modellklasse I formulierten Zusammenhänge. Die Modellklasse II formulierten Zusammenhänge.
Schraube wird in dem FE-Modell nicht mit model-
Schraubennachgiebigkeit
liert. Bei der Berücksichtigung von Kontakt in der
Trennfuge ergeben sich die Abmessungen des Zur Berechnung der Schraubennachgiebigkeit wird
Druckkegels und damit die Grenzabmessungen G empfohlen, die Schraube inklusive der Mutter oder
bzw. G' direkt aus der Berechnung. Ohne Kontakt- des eingeschraubten Gewindes aus dem Gesamt-
bedingungen ist die Trennfuge im Bereich der modell herauszulösen und in einem separaten Mo-
Grenzabmessung G bzw. G' gemäß VDI 2230 dell die Verformungen unter definierten Belastun-
Blatt 1 als fest gekoppelt anzunehmen. Für die gen zu ermitteln. Dies ist in Bild 50 gezeigt.
Bestimmung von GP* kann der Lastfall Vorspan- Die Gesamtnachgiebigkeit ergibt sich über die
nung genutzt werden. Beziehungen
fS' 3'
Schraubennachgiebigkeit GS (74)
Die Berechnung der Schraubennachgiebigkeit ist ' 3'
mit der Modellklasse II nicht möglich, sie ist als IS' 4'
ES (75)
Eingangsgröße im Modell enthalten. ' 4'
7.3.1.3 Modellklasse III Hieraus folgt die gemittelte Nachgiebigkeit für die
Schraube, die mit den Nachgiebigkeiten aus der
Plattennachgiebigkeit VDI 2230 Blatt 1 zu vergleichen sind. Unterschie-
Für die Plattennachgiebigkeit gelten die für die de in der Nachgiebigkeitsverteilung über der
Modellklasse II formulierten Zusammenhänge. Schraubenlänge verschwinden dabei.
Die Ermittlung der einzelnen Teilnachgiebigkeiten
Schraubennachgiebigkeit
aus der FEM ist ebenfalls in Bild 50 am Beispiel
Da die Schraube als Volumenmodell in der FE- der Kopfverdrehung gezeigt (für die anderen Ver-
Berechnung abgebildet wird, ist die Ermittlung der formungsanteile gilt dies analog). Hierfür ist bei
Schraubennachgiebigkeit exklusive des einge- der Berechnung der einzelnen Teilnachgiebig-
schraubten Gewindebereichs möglich (vgl. Be- keiten nur der Verformungsbetrag in Rechnung zu
rechnung der Einzelnachgiebigkeiten bei Modell- stellen, der auf den jeweiligen Abschnitt entfällt.
klasse IV). Die Nachgiebigkeit des eingeschraub- Bei der Ermittlung der Verformung an Kerbstellen
ten Gewindebereichs ist nach VDI 2230 Blatt 1 zu ist darauf zu achten, dass die Verformungen einen
berechnen und durch geeignete Modellierung zu starken Gradienten aufweisen können.
Daher ist die mittlere Verformung (gemittelt über 7.3.3 Schraubenzusatzbeanspruchung durch
die Flächen) zu betrachten. Für die Teilnachgie- äußere Betriebslasten
bigkeiten gilt: Im Folgenden wird modellklassenabhängig die
'fS' 3',i Ermittlung der Schraubenzusatzbeanspruchung aus
Gi (76) der äußeren Betriebslast beschrieben. Da der Tor-
' 3' sionsanteil aus der Montage in den Modellen nicht
'IS' 4',i berücksichtigt wird, ist die Schraubenbeanspru-
ES (77)
' 4' chung für den Nachweis um den Torsionsanteil aus
Im Allgemeinen treten die Verdrehungen nicht um dem Anziehdrehmoment gemäß VDI 2230 Blatt 1
eine Achse auf, sondern frei im Raum. Daher sind Abschnitt 5.5.2 zu ergänzen.
aus den Verdrehungen die Hauptverdrehungen 7.3.3.1 Modellklasse I
bezogen auf ein Koordinatensystem mit der
Durch die Modellierung gemäß der Modellklasse I
Schraubenlängsachse als Koordinatenachse zu
kann die Schraubenbeanspruchung nicht direkt,
ermitteln.
sondern nur über Hilfsgrößen bestimmt werden.
7.3.2 Schraubennennbeanspruchung Die Auswertung kann auf zwei verschiedene Arten
Montagezustand erfolgen:
Die Montagebeanspruchung setzt sich außer bei a) Berechnung der Schnittgrößen aus der Normal-
den rein längenden Verfahren aus der Vorspann- und Schubspannungsverteilung in der Trennfu-
kraft und dem aus dem Anziehdrehmoment resul- ge und eine anschließende Bewertung der Ver-
tierenden Torsionsmoment zusammen. In den Mo- bindung nach der VDI 2230 Blatt 1
dellklassen II bis III kann allerdings nur die Mon- b) Bestimmung der Verschiebungen und Verdre-
tagevorspannkraft mit abgebildet werden. Daher ist hungen am Ort der Schrauben und Mutteraufla-
diese Beanspruchung wie in VDI 2230 Blatt 1, ge und eine anschließende Berechnung der
Abschnitt 5.5.1 beschrieben zu ermitteln. Schraubenbeanspruchung über die Verformung
Die Beeinflussung der Vorspannkraft durch die und die Nachgiebigkeit
Reihenfolge des Anziehens infolge der Überlage- Die unter a genannte Möglichkeit ist bei Mehr-
rung der unterschiedlichen Druckkegel kann in der schraubenverbindungen im Wesentlichen an die
Berechnung durch das schrittweise, rein axiale, Bedingung geknüpft, dass die gekoppelten Knoten
also torsionsmomentenfreie Vorspannen nähe- der Trennfuge eindeutig einer Schraubenposition
rungsweise abgebildet werden. Das Modell ist zugeordnet werden. Ist dies möglich, so lässt sich,
gemäß den Modellklassen II IV aufzubauen. Im wie in Bild 51 skizziert, die Trennfugenbean-
Allgemeinen sind diese Effekte jedoch zu vernach- spruchung ermitteln und daraus die Größen FA , a
lässigen. und FQ bestimmen (siehe hierzu auch VDI 2230
Für eine detaillierte FE-Analyse der Montagebean- Blatt 1, Beispiel B4).
spruchung aus Torsionsmoment und Axialkraft
wird auf [22] verwiesen.
Bild 51. Auswertung der Trennfugenbeanspruchung und Rückrechnung der Größen a und FA mithilfe der
Modellklasse I
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 41
Der Abstand a ergibt sich aus der Auswertung der 7.3.3.2 Modellklasse II
Schnittgrößen in der Trennfuge zu: Die Schraubenbelastung resultiert direkt aus den
M Kl FQ h Schnittkräften FS und MS der als Balken idealisier-
a (78) ten Schraube. Wird die Vorspannung mit berech-
FKl
net, ergibt sich die Schraubenzusatzbelastung aus
mit FA FKl (79) der Differenz des Lastfalls Vorspannung (FV, MV)
mit dem Betriebslastfall (FS, MS). Es gilt:
Dabei ist
h halbe Klemmlänge FSA FS FV
(81)
Die unter zweitens genannte Möglichkeit ist we- M SA MS M V
sentlich allgemeiner zu verwenden. Eine explizite Die Umrechnung in Nennspannungen für die
Zuweisung einer Kraft FA und eines Hebelarms a Nachweisführung muss für den bemessungsrele-
zu der jeweiligen Schraube muss nicht erfolgen. vanten Querschnitt (z. B. Spannungsquerschnitt
Die SV wird gemäß der Vorgehensweise der Mo- oder der Taillienquerschnitt) erfolgen. Bei variab-
dellklasse I modelliert und berechnet. Aus dem len Schnittgrößen entlang der Schraubenachse ist
Modell lassen sich die Verformungen an den ge- konservativ die Maximalbeanspruchung anzuset-
dachten Auflageflächen von Schraubenkopf und zen, auch wenn dieses nicht am Ort des ersten tra-
Mutter ablesen (vgl. Bild 52). genden Gewindegangs vorliegt.
Wird vorausgesetzt, dass sich die Auflagepunkte in
7.3.3.3 Modellklasse III
ihrer Projektion nicht relativ zueinander verschie-
ben (ein S-Schlag der Schraube tritt nicht auf), Direkte Ergebnisse der Modellierung mit der Mo-
ergibt sich die Schraubenzusatzbelastung zu: dellklasse III sind die Spannungen und Dehnungen
an der Schraube. Bei der Ermittlung der Schrau-
FSA fo f u / GS bennennbeanspruchung ist darauf zu achten, dass
(80)
M SA M o M u / E S die Spannungen, die in der FEM berechnet werden,
in der Regel nicht mit den für das jeweilige Be-
Die grundlegende Modellvorstellung für diesen messungskonzept notwendigen Nennspannungs-
Ansatz ist, dass die Schraube wesentlich nachgie- definitionen übereinstimmen. Daher ist für die
biger ist als die Platte und damit die Verformung Ermittlung der Nennbeanspruchung die folgende
durch das Bauteil aufgezwungen bekommt. Die Vorgehensweise zu wählen (vgl. Bild 53):
Schraubennachgiebigkeit ist dabei näherungsweise
durch die Vernachlässigung der Bohrung in der 1) Auswertung des Spannungsverlaufs entlang
Berechnung der Gesamtverformung berücksichtigt. der Schraubenlängsachse in einem Abschnitt
ohne Querschnittssprünge (keine Kerbstellen)
der Schraube auf der Biegezug- und -druck-
seite
2) Extrapolation des Spannungsverlaufs in die
Ebene des ersten tragenden Gewindegangs und
in die Ebene unterhalb des Schraubenkopfs
3) Berechnung der vorhandenen Schnittkräfte und
-momente aus der extrapolierten maximalen
Spannung und den im Modell abgebildeten
Bezugsquerschnitten (ABz, WBz)
V re V li
FS ABz
2 (82)
V re V li
MS WBz
2
Die Schraubenzusatzbelastung ergibt sich aus der
Differenz der Schnittgrößen aus dem Lastfall Vor-
spannung mit dem Betriebslastfall. Es gelten R0
bis R11 in Abschnitt 7.4.
Bild 53. Auswertung der Spannungsverteilung zur Rückrechnung der Nennbeanspruchung, Modellklasse III
Aus den so gewonnenen Schnittgrößen lassen sich 1
die Nennbeanspruchungen gemäß der jeweiligen pB max ³ pmax x, y dA
APmin APmin
Nennspannungsdefinition des Nachweiskonzepts (83)
bestimmen. Die hierfür notwendigen Quer- FSmax
schnittswerte unterscheiden sind im Allgemeinen APmin
von denen aus Gleichung (81).
Auch hier kann es, wie in Bild 53 angedeutet, zu 7.3.5 Abheben, Klaffen, Rutschen
einem Gradienten der Beanspruchung über der 7.3.5.1 Modellklasse I
Schraubenlänge kommen. Für einen Nachweis
Mit der Modellklasse I lässt sich das Tragverhalten
sollte hier auf der sicheren Seite liegend die Ma-
nur bis zum Beginn des Abhebens beschreiben.
ximalbeanspruchung angesetzt werden, auch wenn
Die Änderung des Tragverhaltens durch Rutschen
dieses nicht am Ort des ersten tragenden Gewinde-
oder Klaffen kann nicht betrachtet werden. Der
gangs vorliegt.
Beginn des Klaffens kann durch eine Überlagerung
7.3.3.4 Modellklasse IV der Spannungen am Ort der Trennfuge und der
Nach der Modellklasse IV lassen sich die örtlichen Spannungsverteilung aus der Montagevorspann-
Beanspruchungen in jeder Kerbstelle ermitteln und kraft erfolgen. Klaffen tritt dann auf, wenn sich die
über ein entsprechendes örtliches Nachweiskon- Spannungen aus der Montage und dem Betrieb
zept bewerten [20; 22; 23; 24]. gerade aufheben. Für die Abschätzung der Span-
nungsverteilung aus der Montage kann der in
Eine Auswertung der Nennbeanspruchung erfolgt VDI 2230 Blatt 1 definierte Druckkegel herange-
wie für die Modellklasse III beschrieben. zogen werden. Ansonsten ist das Klaffen nach
7.3.4 Flächenpressung VDI 2230 Blatt 1 zu bewerten, wobei GP mithilfe
Mit den Modellklassen III und IV kann die Flä- des FE-Modells ermittelt werden kann.
chenpressung in der Schraubenkopf- und Muttern- 7.3.5.2 Modellklasse II
auflage detailliert analysiert werden. Auf eine aus- Im Gegensatz zu VDI 2230 Blatt 1 kann bei der
reichend feine Diskretisierung ist zu achten. Die Berechnung mithilfe der FEM partielles Klaffen
Geometrie der Kanten sollte abgerundet modelliert
zugelassen werden, wenn die daraus resultierende
werden. Untersuchungen hierzu sind in [25] ent- Zusatzbeanspruchung auf die Schraube bei den
halten. Festigkeitsnachweisen berücksichtigt wird und aus
Der Nachweis der Grenzflächenpressung erfolgt dem Klaffen, insbesondere bei einer zyklisch wir-
allerdings mit der Nennpressung in den Auflage- kenden Beanspruchung, keine Beeinträchtigung in
flächen. Spannungsspitzen werden nicht bewertet. der Nutzung folgt. Der nichtlineare Zusammen-
Eine feine Modellierung der Grenzflächen ist da- hang zwischen der Betriebskraft und der Schrau-
mit im Allgemeinen nicht notwendig. Die Auswer- benzusatzbelastung ist dabei zu beachten.
tung erfolgt wie in VDI 2230 Blatt 1 beschrieben:
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 43
Alternativ kann die Aufteilung der Betriebskraft sprechend der jeweiligen Auswertung der Modell-
und die Bestimmung des Kraftverhältnisses wie in klasse (vgl. Abschnitt 7.3.3).
der VDI 2230 Blatt 1 beschrieben erfolgen, wobei Bei FE-Analysen ab Modellklasse II kann die Be-
die Nachgiebigkeiten, die anteilige Betriebskraft wertung der Beanspruchung mit der auf den rele-
FA und der Hebelarm a mithilfe der FEM bestimmt vanten Querschnitt bezogenen Nennspannung er-
werden (Abschnitt 7.3.3). folgen. Da bei der Simulation der Vorspannung die
R4 Vorspannkraftänderung
Verdrehung der Schraube im Allgemeinen nicht
erfasst wird, ist die dadurch erzeugte Torsions-
Die Ermittlung der Vorspannkraftänderung infolge spannung nach VDI 2230 Blatt 1, Gleichung
von Setzbeträgen kann nach der VDI 2230 Blatt 1 (R8/3) zu berechnen und mit der mithilfe der FEM
erfolgen, wobei die Nachgiebigkeit der verspann- ermittelten Schubspannung zu überlagern. Bei der
ten Teile der FE-Berechnung entnommen werden Überlagerung der verschieden Spannungsanteile
sollte. Vorspannkraftänderungen, hervorgerufen können um eine allzu konservative Auslegung
durch unterschiedliche Wärmeausdehnungen oder zu vermeiden die entsprechenden Verteilungen
Plastifizierungen in der Schraube aufgrund einer der verschiedenen Spannungsanteile über der
Überbeanspruchung, können durch entsprechende Querschnittsfläche berücksichtigt werden.
Werkstoffgesetze in der FE-Berechnung berück-
sichtigt werden. Für die Berechnung von VZ werden nach VDI 2230
Blatt 1, Gleichung (R8/2) für ein verspanntes Sys-
Bei komplexeren Temperaturfeldern und Material-
tem die Biegeanteile vernachlässigt. Es gilt:
eigenschaften (z. B. Temperaturgradienten, tran-
sienten Vorgängen, Į ausgeprägt von T abhängig) VZ
FS,max
(84)
ist durch FE eine deutlich genauere Berechnung A0
von 'FVT als mit VDI 2230 Blatt 1 zu erwarten. Ob diese Annahme für den jeweiligen Anwen-
dungsfall zutrifft, ist zu prüfen.
R5/R6 Mindest-/Maximalmontagevorspannkraft
Bei der Modellklasse I wird die Mindest- und Ma- R9 Schwingbeanspruchung
ximalmontagevorspannkraft mithilfe der VDI 2230 Der Nachweis der Schwingfestigkeit erfolgt nach
Blatt 1 ermittelt. VDI 2230 Blatt 1, Gleichung (R9/2). Die Schrau-
Bei den Modellklassen II bis IV kann die Mindest- bennennbeanspruchung ergibt sich aus den mit der
vorspannkraft iterativ bestimmt werden. Die Min- jeweiligen Modellklasse (vgl. Abschnitt 7.3.3)
dest- und Maximalmontagevorspannkraft ergibt bestimmten Schraubenzusatzkraft und der zusätzli-
sich gemäß VDI 2230 Blatt 1, R5 und R6. chen Momentenbeanspruchung auf die Schraube
zu
R7 Montagebeanspruchung FSA,o M SA,o
Die Beanspruchung im Montagefall ist stark von V SAbo ;
AS WS
der Reibung im Gewinde und unter Kopf sowie (85)
von dem Montageverfahren abhängig. Hierfür FSA,u M SA,u
V SAbu
existiert eine Reihe von Berechnungsverfahren, die AS WS
in der Praxis Anwendung finden. Eine Berechnung
der Montagebeanspruchung mit der FEM ist zwar R10 Flächenpressung
möglich, empfiehlt sich jedoch aufgrund des ex- Eine detaillierte Berechnung der lokalen Flächen-
trem hohen numerischen Aufwands nicht (Ab- pressung mit FEM ist nicht notwendig, da der Fes-
schnitt 7.3.2). Daher sollte die Berechnung der tigkeitsnachweis gemäß R10/1 auf Ap min bezogene
Montagebeanspruchung nach der VDI 2230 Blatt 1, Druckspannungen beruht und daher aus FMzul abzu-
Abschnitt 5.5.1 erfolgen. leiten ist. Nur für den Sonderfall, dass z. B. keine
Kennwerte für die zulässige Flächenpressung pG
R8 Betriebsbeanspruchung
vorliegen und ausgeprägte Biegeeffekte zu erwar-
Die Ermittlung der in diesem Rechenschritt benö- ten sind, kann eine direkte Berechnung über FEM
tigten Größen ist mit Modellklasse I nicht möglich, sinnvoll sein.
das heißt die Rechenergebnisse (Reaktionskräfte)
In der Regel ist der Nachweis der Flächenpressung
sind mithilfe der Gleichungen (R8/1) bis (R8/6-2)
über VDI 2230 Blatt 1, Gleichung (5.5/39) zu füh-
in VDI 2230 Blatt 1 vollständig aufzubereiten. Die
ren, wobei pB max direkt der FE-Berechnung ent-
Ergebnisse bzgl. der Gesamtkraft in der Schraube
nommen werden kann (Abschnitt 7.3.4).
oder der Schraubenzusatzkraft ergeben sich ent-
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 45
Anhang Hinweise bei der Durchführung Berechnungsumfang bestimmt werden und sich
von FEM-Berechnungen für mit zunehmendem Erkenntnisstand ändern können,
Mehrschraubenverbindungen sind die nachfolgenden Ausführungen notwendi-
A1 Allgemeines gerweise allgemein gehalten, damit sie in vielen
Im Folgenden werden die Anforderungen und Fällen anwendbar bleiben. Zusätzlich zu einer
Empfehlungen hinsichtlich der Festlegung von kurzen Darstellung derzeit üblicher Vorgehenswei-
Ziel, Art und Umfang einer Festigkeitsanalyse, der sen werden Hinweise gegeben, die bei der Model-
Berechnung sowie Einzelheiten zur Auswertung lierung, Analyse und Bewertung zu beachten sind.
beschrieben. Der erforderliche Umfang ist von der Weitere Angaben und Hinweise sind gegebenen-
Aufgabenstellung abhängig und kann von den hier falls der weiterführenden Fachliteratur sowie den
beschriebenen Forderungen abweichen. Programmbeschreibungen zu entnehmen.
A1.1 Einleitung (4) Art und Umfang der Berechnung hängen in
erster Linie vom Aufbau der SV ab. In der Regel
(1) Das Ziel dieser Hinweise besteht darin,
stehen bei Festigkeitsanalysen die folgenden Ver-
Informationen und Hinweise für Festigkeitsanaly-
bindungsverhalten im Vordergrund:
sen der Mehrschraubenverbindungen (MV) mithil-
fe der Methode der Finiten Elemente (FEM) auf x Spannungen und Verformungen bei vorgegebe-
der Basis der in den Richtlinien spezifizierten For- nen Belastungszuständen
derungen zu geben. Dadurch sollen Fehler bei der x Versagensverhalten sowie Höhe der Versagens-
Wahl der Verfahren, bei der Modellierung und last
Durchführung der Analyse und bei der Interpreta- Die Berechnungsergebnisse werden entweder un-
tion der Ergebnisse vermieden und eine Bewertung mittelbar bewertet oder in weiterführenden Be-
der Resultate ermöglicht werden, die unabhängig rechnungen verwendet.
vom Bearbeiter und der verwendeten Programme
(5) Als Belastungen werden äußere Lasten und
zu zutreffenden und sinnvollen konstruktiven
gegebenenfalls zusätzlich Kräfte aus Eigengewicht
Schlussfolgerungen führen. Die Hinweise dienen
und beschleunigten Massen berücksichtigt. Bei
als anwendungsbezogene Ergänzung der allgemei-
zeitlich veränderlicher Belastung ist gegebenen-
nen Richtlinien und Empfehlungen, die zur Quali-
falls das dynamische Verhalten der MV in Form
tätssicherung von Finite-Elemente-Analysen bei-
von dynamisch überhöhten Belastungen zu berück-
tragen. In diesem Zusammenhang sei auf die wei-
sichtigen oder es sind dynamische Analysen
terführende Fachliteratur verwiesen, u. a. auf die
durchzuführen, die hier nicht weiter behandelt
Publikationen der NAFEMS (International Associ-
werden.
ation for the Engineering Analysis Community).
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich (6) Es ist zu beachten, dass die Verbindungs-
primär auf Metallstrukturen. Für Strukturen aus verhalten linear oder nichtlinear von der Belas-
faserverstärkten Kunststoffen gelten die nachfol- tungshöhe abhängen kann. Nichtlineare Effekte
genden Ausführungen sinngemäß. können in folgenden Fällen von Bedeutung sein:
(2) Im Allgemeinen besteht die Festigkeitsana- x generell bei einer Analyse des Versagensver-
lyse aus folgenden Teilschritten, die in den nach- haltens der Verbindung
folgenden Abschnitten detaillierter beschrieben x geometrische Nichtlinearität: bei relativ flexib-
werden: len Strukturen mit großen Verformungen
x Modellierung der Struktur und der Randbedin- x strukturelle Nichtlinearität: bei Kontaktproble-
gungen men bzw. veränderlichen Randbedingungen,
x Ermittlung und Modellierung der maßgebenden zum Beispiel klaffende Schraubverbindungen
Belastungen bzw. Belastungsfälle x werkstoffbedingte Nichtlinearität: nichtlineares
x Durchführung der Berechnung Werkstoffverhalten durch Plastifizierung von
Strukturbereichen
x Überprüfung des Modells
(7) Aufgrund der konstruktiven Gegebenhei-
x Auswertung und Bewertung der Ergebnisse
ten lassen sich die Verformungen und Spannungen
(3) Bei der Modellierung der Struktur sowie im Allgemeinen in folgende Kategorien aufteilen:
der Randbedingungen und Belastungen sind je
x globale Verformungen und Spannungen der
nach Berechnungsziel und Art der Struktur be-
Hauptkomponenten (Nabe, Maschinenträger,
stimmte Vereinfachungen möglich oder notwen-
Turm etc.)
dig. Da diese von den Möglichkeiten der verfügba-
ren Programme und Rechner sowie vom geplanten
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 47
x lokale Verformungen und Spannungen der Die resultierenden lokalen Spannungen sind eben-
Hauptkomponenten und deren Konstruktionsde- falls Nennspannungen (siehe Abschnitt A1.3, Ab-
tails (z. B. Schrauben) satz 2), die sich den globalen Spannungen überla-
x örtlich erhöhte Beanspruchungen an Konstruk- gert haben. Diese Überlagerung kann z. B. durch
tionsdetails Außermittigkeiten oder andere Umlenkungen im
Kraftfluss entstehen, die lokale Zusatzmomente
Das Ziel der Festigkeitsanalyse und die Modellie- oder -kräfte erzeugen. Zusätzlich können örtliche
rung, Belastung und Auswertung kann sich auf Spannungserhöhungen an Konstruktionsdetails
eine dieser Kategorien beziehen. auftreten.
A1.2 Festlegung von Ziel, Art und Umfang
A1.5 Örtlich erhöhte Beanspruchungen
der Festigkeitsanalyse
An konstruktiven Details und Unstetigkeiten kön-
Ziel, Art und Umfang einer Festigkeitsanalyse
nen örtlich erhöhte Beanspruchungen auftreten, die
müssen eindeutig festgelegt werden, da diese die
besonders im Hinblick auf die Ermüdungsfestig-
Modellierung der Struktur und der Belastung ent-
keit zu bewerten sind.
scheidend beeinflussen.
Die maximale Beanspruchung gekerbter Bauteile
Das Berechnungsziel ergibt sich aus den unter
(Schraube) kann die Elastizitätsgrenze des Werk-
Abschnitt A1.1, Absatz 4 beschriebenen Alternati-
stoffs überschreiten. Anstelle der nichtlinearen
ven, wobei die in der Analyse zu betrachtende
Kerbspannung und -dehnung darf im Normalfall
Kategorie der Spannungen und Verformungen
die Kerbspannung unter Annahme linear-
festzulegen ist, siehe auch Abschnitt A1.1, Ab-
elastischen Werkstoffverhaltens ermittelt und be-
satz 7 und Abschnitt A1.3 bis Abschnitt A1.5.
wertet werden. Bei scharfen Kerben kann die örtli-
Die Berechnungsart beinhaltet entweder eine linea- che Stützwirkung des (duktilen) Werkstoffs be-
re oder eine geometrisch, strukturell und/oder rücksichtigt werden.
werkstoffbedingt nichtlineare Analyse, siehe Ab-
Neben einer direkten Berechnung der örtlich er-
schnitt A1.1, Absatz 6.
höhten Beanspruchungen bieten sich fallweise
Der Berechnungsumfang richtet sich in erster Linie katalogisierte Formzahlen oder Kerbfälle an. Bei
nach dem gewählten Modellumfang und der not- der Verwendung von Formzahlen und Kerbfällen
wendigen Elementeinteilung, siehe hierzu auch sind die zugehörigen Nennspannungen entspre-
Abschnitt A2.1 bis Abschnitt A2.3. chend ihrer Definition genügend genau zu ermit-
A1.3 Globale Verformungen und teln. Außerdem sind die Anwendungs- und Gültig-
Spannungen keitsbereiche der katalogisierten Daten zu beach-
(1) Das Strukturverhalten unter Zug-, Schub-, ten.
Biege- und Torsionsbelastung besteht aus globalen, A2 Modellierung der MV
das heißt großräumigen Verformungen und Span- A2.1 Modellumfang
nungen. Vor allem bei komplexen Geometrien
FE-Modelle für MV werden in der Regel kompo-
(z. B. Maschinenträger) oder Belastungen (z. B.
nentenweise erstellt. Bei diesen Modellen ist dar-
Nabe) sind Strukturverhalten zu erwarten, die nicht
auf zu achten, dass sinnvolle Randbedingungen
durch die Gesetze der Balken oder Plattentheorie
eingeführt werden, die die Interaktion mit den be-
erfasst werden können.
nachbarten Bauteilbereichen in geeigneter Weise
(2) Die resultierenden Spannungen sind Nenn- repräsentieren. Gegebenenfalls sind weitere an-
spannungen, das heißt Spannungen, die sich auch grenzende Komponenten im Modell zu berücksich-
aus integralen Größen der Schnittlasten und Quer- tigen. Nichtlineare Effekte sind gegebenenfalls zu
schnittswerte ergeben würden. Globale Nennspan- berücksichtigen oder durch geeignete Vereinfa-
nungen beinhalten keine örtlichen Spannungserhö- chungen zu linearisieren. Wenn die Gefahr besteht,
hungen. Diese müssen zusätzlich überlagert wer- dass Ergebnisse durch idealisierte Randbedingun-
den, siehe Abschnitt A1.4 und Abschnitt A1.5. gen verfälscht werden, sollte ein entsprechend
A1.4 Lokale Verformungen und Spannungen vergrößerter Abstand zwischen Modellrand und
In Konstruktionsdetails von MV wie Schrauben dem betrachteten Bauteilbereich vorgesehen wer-
und Flansche können infolge der örtlichen Bean- den.
spruchung zusätzliche lokale Verformungen und Teil- oder Submodelle dienen der lokalen Festig-
Spannungen auftreten. keitsanalyse von Teilen der Konstruktion. Wie
Zu den Konstruktionsdetails von Bauteilen können 3-D-Gesamtmodelle werden Teil- oder Submodelle
unter anderem Radien und Übergänge gehören. zur Analyse des komplexen, dreidimensionalen
Festigkeitsverhaltens verwendet.
48 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
Lokale Modelle dienen der Festigkeitsanalyse von den Elementtypen genutzt werden. Bei Verwen-
untergeordneten oder speziellen Bauteilen sowie dung eines Volumenelements über die Dicke muss
von Konstruktionsdetails. Im Vordergrund der ein höherwertiger Verformungsansatz (z. B. mit
Untersuchungen steht die Analyse des lokalen zusätzlichen Kantenzwischenknoten) oder eine
Verbindungsverhaltens und/oder der örtlich erhöh- feinere Elementteilung gewählt werden, wenn ein
ten Spannungen an Konstruktionsdetails und Un- entsprechendes Biegeverhalten ermöglicht werden
stetigkeiten, die an einem groben Modell mitmo- soll.
delliert werden können, aber keinen oder nur ge- Bei lokalen Modellen sind alle Steifigkeitsanteile,
ringen Einfluss auf das derzeitige Ziel der Festig- auch von Konstruktionsdetails, von Bedeutung,
keitsanalyse haben (vergleiche Abschnitt A1.1, sodass sich hier Platten-, Schalen- oder Volumen-
Absatz 3). elemente anbieten.
A2.2 Elementwahl Im Hinblick auf die Auswertung der Ergebnisse
Die Wahl der Elementtypen hängt in erster Linie kann die Anordnung von Schalenelementen auf der
von dem Berechnungsziel ab. Die Elementierung Modelloberfläche zur Anzeige der Oberflächen-
muss die Steifigkeitsverhältnisse der Konstruktion spannung sinnvoll sein, da hier ein zweiachsiger
und die zu analysierenden Spannungen ausrei- Spannungszustand vorliegt. Dabei ist zu beachten,
chend genau wiedergeben können. Bei der Durch- dass die Schalenelemente keinen Einfluss auf die
führung einer Festigkeitsanalyse ist die Kenntnis lokale Steifigkeit nehmen dürfen.
der Eigenschaften der verwendeten Elemente aus A2.3 Elementeinteilung
den Programmbeschreibungen und der weiterfüh-
Die Elementeinteilung ist unter Beachtung der
renden Fachliteratur Voraussetzung.
Elementeigenschaften so vorzunehmen, dass die
Üblicherweise werden bei Festigkeitsberechnun- Steifigkeitsverhältnisse der Konstruktion, die zu
gen von MV die folgenden Elementtypen verwen- analysierenden Spannungsarten und gegebenen-
det: falls das Versagensverhalten ausreichend genau
x Stabelemente (1-D-Elemente mit Axialsteifig- wiedergegeben werden. Die Wahl des Elementtyps
keit, jedoch ohne Biegesteifigkeit) und die Feinheit des Netzes üben besonders großen
x Balkenelemente (1-D-Elemente mit Axial-, Einfluss auf die Berechnung örtlich erhöhter Bean-
Schub-, Biege- und Torsionssteifigkeit) spruchungen sowie der Versagenslast aus. Nicht
ausreichend feine Netzteilungen führen häufig zu
x Schalenelemente (2-D-Elemente mit Membran-,
einer deutlichen Unterschätzung örtlicher Span-
Biege- und Torsionssteifigkeit)
nungsspitzen und Überschätzung der Versagens-
x Volumenelemente (3-D-Elemente) last.
x Kopplungselemente Bei der Elementeinteilung sind die konstruktions-
x Federelemente bedingte Geometrie sowie die Lage von Lasteinlei-
x Kontaktelemente tungen oder Lagerungen zu berücksichtigen.
Bei Verwendung verschiedener Elementtypen ist Die Elementproportionen sind unter Beachtung der
auf die Verträglichkeit der Verformungsansätze Elementeigenschaften so zu wählen, dass die Stei-
sowie auf die Übertragbarkeit der Randlasten und - figkeiten und die resultierenden Verformungen und
spannungen zu achten, insbesondere bei der Kopp- Spannungen nicht verfälscht werden. Bei einfachen
lung von Elementen mit und ohne Biegesteifigkeit Verformungsansätzen sollte das Verhältnis der
an den Knoten. Elementkantenlängen nicht größer als 3 : 1 sein.
Die gewählten Elementtypen müssen die Verfor- Bei der Berechnung örtlich erhöhter Spannungen
mungen und Spannungen bei den zu analysieren- ist die Elementteilung entsprechend dem Span-
den Belastungszuständen bzw. das Versagens- nungsanstieg graduell zu verfeinern. Weitere Hin-
verhalten bei Ermittlung der Höhe der Versagens- weise zur Elementeinteilung bei der Berechnung
last darstellen können. Fallweise können bestimm- örtlich erhöhter Beanspruchungen können der ein-
te Effekte, die von untergeordneter Bedeutung schlägigen Literatur entnommen werden (z. B.
sind, durch die Wahl der Elemente ausgeklammert NAFEMS).
werden. A2.4 Vereinfachungen
Generell ist festzulegen, inwieweit und auf welche Aufgrund der Komplexität der Konstruktion sind
Weise die Biegung von Bauteilen bei der Festig- Vereinfachungen bei der Modellierung in der Re-
keitsanalyse zu berücksichtigen ist. In Fällen mit gel notwendig, insbesondere bei globalen Festig-
reinem Biegeverhalten können die Gesetze der keitsanalysen. Vereinfachungen sind zulässig, so-
Balken- oder Schalentheorie mit den entsprechen-
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 49
lange davon die Ergebnisse nur unwesentlich be- ment) ergeben. Nichtlineare Randbedingungen
einflusst werden. sind zu berücksichtigen und können gegebenen-
Kleine, untergeordnete Bauteile oder Details, die falls linearisiert werden (z. B. klaffende Fugen bei
die Steifigkeit des globalen Modells nur gering Flanschverbindungen, Lastübertragung bei Wälz-
beeinflussen, können bei der Modellierung ver- und Gleitlagern nur über Drucklasten).
nachlässigt werden. Beispiele hierfür sind kleine A2.6 Kontrolle der Eingabedaten
Ausschnitte, Bohrungen und Radien; deren lokale Die Eingabedaten zur Modellierung der Struktur-
spannungserhöhende Wirkung ist jedoch in geeig- geometrie und für die Werkstoffeigenschaften sind
neter Form zu berücksichtigen (z. B. durch An- sorgfältig auf Fehlerfreiheit zu prüfen. Die Effekti-
wendung von Kerbfaktoren). vität der Datenkontrolle kann durch Visualisierung
Größere Ausschnitte beeinflussen die Steifigkeit der Daten erheblich gesteigert werden.
des globalen Modells und haben somit einen Ein- Die Geometrie des FE-Netzes sollte generell auf
fluss in den lokalen Bauteilen. Sie müssen in je- visuelle Art überprüft werden. Dabei ist auch die
dem Fall berücksichtigt werden. Möglichkeit zu berücksichtigen, dass einzelne
Änderungen der Plattendicke oder Profilabmes- Elemente versehentlich doppelt eingegeben sind
sungen sollten möglichst an den Elementgrenzen oder angrenzende Elemente nicht miteinander ver-
liegen. Sofern sie nicht an den Elementgrenzen bunden sind. Außerdem sind nicht unmittelbar
liegen, sind zur Erzielung einer äquivalenten Stei- sichtbare Geometriedaten wie die Dicken von 2-D-
figkeit entsprechend angepasste Elementdaten oder Elementen oder die Querschnittsdaten von 1-D-
-eigenschaften zu berücksichtigen. Elementen zu kontrollieren.
Flächenelemente sollen generell in der Mittelfläche Neben den Geometriedaten müssen auch die
der entsprechenden Bauteile angeordnet werden. Werkstoffdaten sowie die eingeführten Randbe-
A2.5 Randbedingungen und Lagerung dingungen und Lager sorgfältig überprüft werden.
Es sei angemerkt, dass diese generell einen großen
Die Lagerung des Modells durch Unterdrückung
Einfluss auf die Ergebnisse ausüben.
oder Vorgabe von Verschiebungen oder Verdre-
hungen dient zu mehreren Zwecken: Die durchgeführten Prüfungen sollten protokolliert
werden.
x zur Unterdrückung von Starrkörperverschie-
bungen und -verdrehungen des Modells A3 Belastung der Struktur
A3.1 Allgemeines
x zur Modellierung physikalisch vorhandener
Die relevanten Lasten für Festigkeitsanalysen von
Lagerstellen
MV sind entsprechend zu verwenden.
x zur Modellierung der Interaktion an den Mo- A3.2 Modellierung der Belastung
dellrändern mit den benachbarten Strukturbe-
Die Belastung ist realistisch zu modellieren.
reichen
Verteilte Lasten (z. B. Linien- oder Flächenlasten)
Es ist darauf zu achten, dass durch die Lagerung
sind gegebenenfalls in äquivalente Knotenkräfte
keine unrealistischen Behinderungen der Verschie-
und -momente unter Beachtung des Verformungs-
bungen oder Verdrehungen verursacht werden.
ansatzes der Elemente umzurechnen.
Physikalisch vorhandene Lagerstellen, die Kräfte
Werden an lokalen Modellen die Randverformun-
und Momente aufnehmen, sollen möglichst reali-
gen aus grob eingeteilten Modellen größerer Struk-
tätsnah mit der tatsächlich vorhandenen Lastbreite
turbereiche vorgegeben, sind an den Zwischenkno-
oder Federsteifigkeit modelliert werden.
ten entsprechend interpolierte Werte vorzugeben.
Bei der Festigkeitsanalyse von Teilbereichen der
A3.3 Kontrolle der Lasteingabe
Bauteile sollte die Interaktion an den Modellrän-
dern mit benachbarten Konstruktionsbereichen Die Eingabedaten zur Belastung sind sorgfältig auf
ebenfalls möglichst realitätsnah modelliert werden. Fehlerfreiheit zu prüfen. Wie bei der Strukturgeo-
Diese kann an Symmetrieebenen durch Symmet- metrie kann auch hier die Effektivität der Kontrolle
rie- oder Antimetriebedingungen erfolgen, sofern durch geeignete Prüfprogramme und Visualisie-
die Belastung und die Struktur jeweils symmet- rung der Daten erheblich gesteigert werden.
risch oder antimetrisch sind. Fallweise kann die Besonders wichtig ist die Prüfung der Summen der
Interaktion auch durch vorgegebene Spannungen, Kräfte und Momente. Bei ausgeglichenen Lastfäl-
Kräfte oder Verformungen am Rand dargestellt len ist darauf zu achten, dass die Restkräfte und -
werden. Diese können sich beispielsweise aus momente vernachlässigbar klein sind und die Re-
Strukturanalysen größerer Bereiche (Submodell- aktionskräfte und -momente den eingeprägten Las-
technik) oder aus Balkenschnittlasten (z. B. Seg- ten entsprechen.
50 VDI 2230 Blatt 2 Entwurf
Die durchgeführten Prüfungen sollten protokolliert Die Spannungen sind hinsichtlich der in Ab-
werden. schnitt 5 definierten zulässigen Werte zu überprü-
A4 Berechnung und Auswertung der fen. Dabei ist die vorliegende Spannungskategorie
Ergebnisse zu beachten (vgl. Abschnitt A1.1, Absatz 7).
A4.1 Plausibilität der Ergebnisse Bei der Spannungsauswertung sind die Verände-
Bei der Auswertung sind die Ergebnisse auf ihre rungen der Spannungen zwischen Elementmitte
Plausibilität zu prüfen. Hierzu gehören insbesonde- und Elementrand bzw. -ecke zu beachten. Verein-
re die visuelle Darstellung und die Überprüfung fachungen im Modell gegenüber der realen Kon-
der Verformungen darauf, ob ihre Größenordnung struktion sind in die Bewertung einzubeziehen.
im erwarteten Bereich liegt und ihre Verteilung mit Werden Ausschnitte in Modellen mit grober Ele-
Blick auf die Belastungen und Randbedingungen mentteilung auf vereinfachte Weise berücksichtigt,
oder Lager sinnvoll ist. sind die Spannungen auf den Restquerschnitt ne-
ben dem Ausschnitt zu beziehen.
Außerdem ist zu prüfen, ob die Kräfte und Mo-
mente in den Lagern in der erwarteten Größenord- Bei Modellen mit relativ grober Elementteilung
nung liegen oder vernachlässigbar klein sind. sind örtliche Spannungserhöhungen an vorhande-
nen Bauteildetails und Unstetigkeiten bei der Be-
Bei lokalen Modellen mit vorgegebenen Randver-
wertung zu beachten, sofern deren Wirkung nicht
formungen aus Modellen größerer Strukturbereiche
gesondert betrachtet wird.
ist zu überprüfen, ob die Spannungen in der Nähe
der Ränder in beiden Modellen übereinstimmen Bei werkstofflich nichtlinearen Analysen ist neben
(Verifizierung des Submodells). der örtlichen elastisch-plastischen Spannung im
Allgemeinen auch die örtliche Dehnung zu ermit-
Spannungsspitzen sind hinsichtlich Ort, Verteilung
teln und zu bewerten.
und Höhe der Spannungen mit Blick auf die Belas-
tungen und Randbedingungen auf Plausibilität zu Beim Betriebsfestigkeitsnachweis von Schrauben-
überprüfen. Sofern die Definition von Nennspan- verbindungen sind die Randspannungen aus der
nungen möglich ist, können anhand der Span- Zug- und Biegebeanspruchung zu berücksichtigen.
nungsverteilung Formzahlen ermittelt und mit A4.4 Ermüdungsfestigkeit
tabellierten Formzahlen verglichen werden. Betriebsfestigkeitsaspekte sind generell bei dyna-
Bei nichtlinearen Rechnungen ist außerdem zu mischen Beanspruchungen zu berücksichtigen.
prüfen, ob die Lösung im nichtlinearen Bereich mit Bei der Bewertung der Beanspruchungen hinsicht-
ausreichender Genauigkeit gefunden wurde. lich Ermüdungsfestigkeit ist die Spannungsart zu
A4.2 Verformungen beachten, das heißt, ob mit dem gewählten Modell
Die Verformungen der MV sollen generell der Nennspannungen oder örtlich erhöhte Kerb- oder
Plausibilitätskontrolle dienen. Strukturspannungen berechnet werden, siehe auch
A4.3 Spannungen Abschnitt A1.1, Absatz 7.
Bei Festigkeitsanalysen für bestimmte Belastungs-
zustände (z. B. Extremwertlasten) sind generell die
Spannungen des gesamten Bauteils zu überprüfen.
Entwurf VDI 2230 Blatt 2 51