Reinkarnation
Reinkarnation
Reinkarnation
frhen Christentum
Ein Auszug aus dem Buch
"REINKARNATION" von Ronald Zrrer (ISBN 3-907824-01-6)
Aus den vorangegangenen Zitaten wird erneut deutlich, dass das Wissen um die Karma- und
Reinkarnationsgesetze zur Zeit Jesu noch selbstverstndlich war und wohl auch zum urchristli-
chen Gedankengut gehrte. Wir mssen uns daher an dieser Stelle fragen, wie es dazu kam, dass
dieses Wissen spter verlorenging. Und wenn wir zur Beantwortung dieser Frage die Geschichte
des Reinkarnationsgedankens im Frhchristentum untersuchen wollen, so mssen wir uns zu-
nchst auch ber die folgende wichtige Tatsache, die heute oft vergessen wird, im klaren sein:
Das frhe Christentum kannte in den ersten Jahrhunderten nach Jesus noch keine festen Lehrs-
tze (Dogmen), wie sie heute als unumstliches Fundament der katholischen Kirchenlehre gel-
ten. Als Glaubensgrundlage dienten in erster Linie die Originalhandschriften des Neuen Testa-
ments, wobei zu beachten ist, dass es darin noch keine systematische Aufstellung irgendwelcher
Lehren und keine aus formulierten Abhandlungen ber irgendwelche Grundstze in Religion und
Philosophie gab, sondern nur fragmentarische Erzhlungen mit geringem Bemhen um eine
chronologische Ordnung sowie kurze Gesprche und Briefe. Daneben galten auch die etwas sys-
tematischeren Schriften der Kirchenvter oder Kirchenlehrer als mageblich, welche jedoch die
unterschiedlichsten Themen behandelten und dabei durchaus nicht in allen Punkten berein-
stimmten.
Unter dem Begriff der Kirche wurde auch noch keine feste Organisation oder Institution ver-
standen, sondern sie stellte vielmehr eine lockere Gruppe oder Gemeinschaft derer dar, die be-
strebt waren, die von Jesus und seinen Anhngern verkndete Botschaft zu verstehen und dem-
entsprechend zu leben. Wichtig ist ebenfalls die Tatsache, dass es im Urchristentum noch keine
Trennung in eine griechische und eine rmische Kirche gab und dass die ersten groen Kirchen-
lehrer allesamt dem griechischen Kulturkreis entstammten und der im Entstehen begriffenen
christlichen Lehre folglich zuweilen eine deutlich griechische Prgung gaben. (Die Streitigkeiten
zwischen der rmischen und der griechischen Kirche fhrten erst spter, im Jahre 1054, zum
groen Schisma, d.h. zur Kirchenspaltung in die griechisch-orthodoxe und rmisch-katholische
Kirche.)
In den ersten Jahrhunderten nach Jesus war die Entwicklung der Kirchenlehre also magebend
bestimmt von den theologischen Lehrstzen, die von den fhrenden Kirchengelehrten in speziel-
len Kirchenversammlungen festgelegt wurden. Doch je mehr sich das aufstrebende Christentum
in den kommenden Jahrhunderten zu einer wirtschaftlich und politisch mchtigen Weltreligion
entwickelte, desto mehr gingen auch viele der ursprnglichen Grundgedanken verloren, und an
ihre Stelle traten oft eher "weltliche" berlegungen - um es gelinde auszudrcken. Es ist daher
augenscheinlich, dass uns grundlegende theologische Untersuchungen unweigerlich ins Urchris-
tentum fhren, denn die ersten Christen waren, wie sich zeigen wird, nicht nur zeitlich "nher bei
Christus".
Diesen Sachverhalt mchten wir in der Folge am Beispiel der wohl herausragendsten und ein-
flussreichsten Persnlichkeit des Urchristentums illustrieren: Origenes von Alexandria (185-
254), dessen Name gerade im Zusammenhang mit dem Reinkarnationsgedanken immer wieder
genannt wird - und dies zu Recht.
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Origenes ist der erste und einer der grten Gelehrten und Bibelkenner, die das Christentum je
gekannt hat. Er war ein Wissenschaftler, der alle weltlichen Ehren der damaligen griechischen
Bildungswelt errungen hatte, und er ist auerdem der einzige, der die Lehre des Christentums
auch literarisch in Form eines geschlossenen philosophischen Systems darstellte. Um alle seine
Aussagen auf ein breites biblisches Fundament abzusttzen, erstellte er sich eine umfassende
Textausgabe des Alten Testaments (die "Hexapla"), so dass er seine Lehren immer auf diese
Grundlage beziehen konnte. Er beherrschte neben der griechischen Sprache auch Hebrisch (die
Sprache der alttestamentarischen Urtexte), und erlernte darber hinaus sogar eigens die Mutter-
sprache Jesu, Aramisch, um auch die Texte jener im Original lesen zu knnen, die Jesus persn-
lich gekannt und sein Leben und seine Lehren schriftlich festgehalten hatten. Origenes kann also,
ohne bertreibung, als Universalgelehrter von Weltrang bezeichnet werden. Er ist "Zeuge hchs-
ten christlichen Wissens und dessen berragender Lehrer. Seine literarische Hinterlassenschaft
stellt bis ins 20. Jahrhundert die umfassendste und tiefste Erschlieung der Bibel dar." (aus der
Einleitung des Buches "Origenes der Diamantene" von Robert Struli, 1987). Origenes war zu-
dem der Leiter der berhmten Katechetenschule von Alexandria (im heutigen gypten), wo sich
auch die grte Bibliothek des Altertums befand, mit der umfangreichsten Schriftensammlung
der gesamten damaligen Welt. Viele Fachkenner sind sich darber einig, dass sich mit grter
Wahrscheinlichkeit dort auch zahlreiche vedische Originaltexte in Sanskrit befanden, denn es
herrschte bereits damals ein reger kultureller und philosophischer Austausch zwischen den Ge-
lehrten der griechischen, persischen und indischen Hochkulturen. Diese hchst bedeutende Bib-
liothek wurde indes im Jahre 389 von einem christlichen Glaubensfanatiker, dem Patriarchen
Theophilus, in Brand gesteckt.
Durch diese bedauernswerte Tat wurde wertvollstes Wissen unwiederbringlich zerstrt, was die
historische Forschung heute erheblich erschwert. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass auf-
grund dieser Tatsache keiner der spteren Kirchengelehrten nach Origenes solche Voraussetzun-
gen fr seine wissenschaftliche Arbeit hatte wie Origenes - auch nicht jene, die spter versuchten,
seine Lehren zu widerlegen.
Kurzum: Origenes hatte also Kenntnis smtlicher verfgbaren Originaldokumente des Christen-
tums, sowohl der heiligen Schriften der Juden als auch der Evangelien und Apostelbriefe und der
heute als apokryph (unecht) bezeichneten Schriften, und er verfgte auerdem ber fundiertes
Wissen der griechischen, persischen und vermutlich auch der vedischen Philosophie. Er hatte
Pythagoras, Platon und Plotin gelesen und war ein persnlicher Schler des groen Gelehrten
Ammonius Sakkas aus Alexandria (175-242), des Begrnders der neuplatonischen Lehre.
Die umfassende Gelehrsamkeit des Origenes auf theologischem Gebiet veranlate den damaligen
Bischof von Alexandria, Demetrius, diesen einmaligen Sachkenner auf Missionsreisen zu schi-
cken, insbesondere wenn es darum ging, Meinungsstreitigkeiten unter Theologen zu widerlegen.
Wie erwhnt, vertraute er Origenes auch die Leitung der blhenden Katechetenschule an, verlieh
ihm also ein kirchliches Lehramt.
Der gleiche Bischof Demetrius aber war spter auch der erste, der Origenes der Irrlehre bezich-
tigte, wobei seiner Handlungsweise jedoch offensichtlich ein rein egoistisches Motiv, nmlich
gekrnkte Eitelkeit und Neid, zugrunde lag: Als die Bischfe in Caesarea (Palstina), wo sich Ori-
genes lngere Zeit zu Lehrzwecken aufhielt, diesen aufgrund seiner Beliebtheit und Gelehrsam-
keit zum Presbyter (Priester) weihten, sah Demetrius darin einen Eingriff in seine Rechte und
veranlate in Origenes' Abwesenheit die Aberkennung seiner Priesterwrde und seine Verban-
nung (dies im Jahre 231). Dieser "Fall Origenes" ist in der christlichen Kirchengeschichte wahr-
scheinlich das erste Beispiel eines Konfliktes zwischen einem unabhngigen christlichen Gelehr-
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ten und der Autoritt der ber ihm stehenden kirchlichen Behrde - das erste Beispiel also fr
den Kampf um die Wahrheit gegen den Kampf um die Macht im hierarchischen System. Leider,
so muss man allerdings sagen, bei weitem nicht das einzige und letzte.
In den folgenden Jahrhunderten wurden die Lehren dieses grten aller Kirchengelehrten, der zu
seinen Lebzeiten keinen Sachkenner gleichen Ranges gekannt hatte, immer wieder der Hresie
(Ketzerei) bezichtigt. Dennoch vertraten einige fhrende Theologen auch nach Origenes' Tod
weiterhin seine Ansichten, so dass die theologischen Streitigkeiten um seine Lehren mit einem fr
die heutige Zeit unvorstellbaren Fanatismus ausgetragen wurden.
Weil, vor allem in Palstina, bis ins 6. Jahrhundert (also 300 Jahre nach seinem Tode) teilweise
brgerkriegshnliche Zustnde unter den betroffenen Mnchsgruppen herrschten, bergaben
einige Origenes-Gegner dem im Jahre 542 in Palstina weilenden ppstlichen Gesandten Pelagius
eine Klageschrift an den herrschenden Kaiser Justinian I. in Konstantinopel (Byzanz). Diese
Schrift wie auch andere Motive fhrten in der Folge dazu, dass die Lehren des Origenes offiziell
aus der aufstrebenden christlichen Kirche verbannt wurden. Wir werden im Anschluss noch auf
den genauen Verlauf der Beseitigung seiner Lehren zu sprechen kommen. Vorerst wollen wir
aber diese sogenannt "ketzerischen" Ansichten, die zu derartig tiefgehenden Streitigkeiten und zu
solch blutigen Auseinandersetzungen in der frhchristlichen Geschichte fhrten, etwas genauer
betrachten.
Origenes' Lehre
Origenes verfasste insgesamt rund 2000 Schriften, die spter leider alle grtenteils zerstrt wur-
den. Seine bis in die heutige Zeit berlieferten Werke lagen zudem lange Zeit nicht im Original,
sondern nur in der lateinischen bersetzung des Rufinus von Aquileja vor, der in der Einleitung
selbst zugibt, dass er bei der bertragung vom Griechischen ins Lateinische gezwungen war, ge-
wisse Korrekturen im Sinne der kirchlichen Dogmen vorzunehmen. Erst vor wenigen Jahrzehn-
ten wurden in gypten einige Originale von Origenes' Schriften gefunden, die sich in der Tat von
der bersetzungen des Rufinus an wichtigen Stellen teilweise deutlich unterscheiden. Dennoch
knnen wir anhand der berlieferten Textstellen die Grundzge seiner Lehre skizzieren: Origenes
lehrte, dass es eine Rangordnung unter den Wissenschaften gebe, an deren Spitze nicht mehr die
Philosophie, sondern vielmehr die Theologie, die Wissenschaft ber Gott, zu stehen habe:
"Wenn die Shne der Weltweisen von Geometrie, Musik, Grammatik, Rhetorik und Astronomie
sagen, sie seien die Mgde der Philosophie, so knnen wir von der Philosophie in ihrem Verhlt-
nis zur Theologie dasselbe sagen." Folglich verlangte er von den Theologen, smtliche verfgba-
ren alten philosophischen und wissenschaftlichen Schriften zu kennen und durchzuarbeiten und
allem ein gerechtes Ohr zu leihen, wofr er selbst das beste Beispiel gab.
In seinen Lehren nimmt Origenes denn auch eine weitgehende, ja fr die Kirchenmacht zu weit
gehende Verschmelzung christlicher mit neuplatonischen Gedanken vor. In seinem Hauptwerk
"De principiis" (Von den Grundlehren) beschrieb er, gleich den Neuplatonikern, das Verhltnis
zwischen Gott und den Menschen (d.h. den Seelen) wie jenes zwischen der Sonne und dem
Glanz, der von ihr ausstrahlt - ein Vergleich brigens, der sich, wie erwhnt, bereits im vedischen
Visnu Purana (1.22.53) findet. Jesus steht dabei als Gottes Sohn in gleichem Abstand von beiden
zwischen Gott und den Menschen als Vermittler.
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Weiter lehrte Origenes, dass die gesamte Schpfung - also sowohl die unvergngliche spirituelle
Welt als auch die zeitlich begrenzte krperliche (materielle) Welt - von Gott geschaffen wurde
und dass "kein Wesen existiert, das nicht von Ihm sein Dasein erhalten htte". Mit anderen Wor-
ten, alle Vernunftwesen (von Origenes Logika genannt) gehen ewig aus Gott hervor und sind
demzufolge selbst auch ewig, da sie mit Gott verwandt sind. Im Urzustand waren alle Logika
nichtmaterielle Wesen und gaben sich der unmittelbaren Schau ihres gemeinsamen Vaters hin.
Interessant ist an dieser Stelle auch der Vergleich des zusammenhngenden Welt-, Gottes- und
Menschbildes des Origenes mit den entsprechenden Aussagen der Bhagavad-gita, die ihm, dem
groen Gelehrten, aller Wahrscheinlichkeit nach bekannt war:
Gott sprach: Ich bin der Ursprung sowohl der spirituellen als auch der materiellen Welt. Alles
geht von Mir aus. Die Weisen, die dies vollkommen verstanden haben, beschftigen sich in Mei-
nem hingebungsvollen Dienst und verehren Mich von ganzem Herzen. (Bg. 10.8)
Alle Lebensformen werden durch Geburt in der materiellen Natur ermglicht, und Ich bin der
samengebende Vater. (Bg. 14.4)
Die individuellen Unterschiede zwischen den "himmlischen, irdischen oder unterirdischen We-
sen", so lehrte Origenes, sind erst durch den Fall, das Wegfallen von Gott, entstanden. Grund
und Ursache dieses Falles sind demnach nicht im Schpfer zu suchen, sondern in den Lebewesen
selbst, da, wie er schreibt, "die Ursache der Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit unter den ein-
zelnen Geschpfen von ihren eigenen Bewegungen herrhrt, die teils lebhafter, teils trger sind,
entsprechend ihrer Tugend und Schlechtigkeit, nicht aber aus ungleicher Behandlung durch den
Ordner der Welt." Auch hier ist die Parallele zur vedischen Lehre der drei Erscheinungsweisen
(Gunas) unbersehbar:
Die materielle Natur besteht aus drei Erscheinungsweisen - Tugend, Leidenschaft und Unwis-
senheit. Wenn das Lebewesen mit der Natur in Berhrung kommt, wird es durch diese Erschei-
nungsweisen bedingt. (Bg. 14.5)
Man sollte verstehen, dass die materielle Natur und die Lebewesen anfangslos sind. Ihre Um-
wandlungen und die Erscheinungsweisen der Materie sind Produkte der materiellen Natur. Die
Natur gilt als die Ursache aller materiellen Ursachen und Wirkungen, wohingegen das Lebewesen
die Ursache der verschiedenen Leiden und Gensse in dieser Welt ist. So folgt das Lebewesen in
der materiellen Natur den Wegen des Lebens und trifft mit Gut und Schlecht in den verschiede-
nen Lebensformen zusammen. (Bg. 13.20-22)
Gem Origenes ist bestimmend fr den Ort, an dem sich ein Vernunftwesen aufgrund seiner
"eigenen Bewegung" befindet, sein eigener freier Wille, den ihm der Schpfer als grtes Ge-
schenk mitgegeben hat und durch den es der Seele mglich ist, sich fr oder gegen Gott zu ent-
scheiden. Er schreibt:
Denn der Schpfer gewhrte den Intelligenzen, die er schuf, willensbestimmte, freie Bewegun-
gen, damit in ihnen eigenes Gut entstehe, da sie es mit ihrem eigenen Willen bewahrten. Doch
Trgheit, berdruss an der Mhe, das Gute zu bewahren, und Abwendung und Nachlssigkeit
gegenber dem Besseren gaben den Ansto zur Entfernung vom Guten.
Auch bei einem anderen groen Kirchengelehrten, dem frhen Dalmatier Hieronymos (347-419),
dessen grte Leistung die erste lateinische Bibelbersetzung (die "Vulgata") war, vereinigen sich
klassisch-griechische und biblische berlieferungen. In seinen "Epistulae" heit es:
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Alle krperlosen und unsichtbaren vernnftigen Geschpfe gleiten, wenn sie in Nachlssigkeit
verfallen, allmhlich auf niedere Stufen herab und nehmen Krper an je nach Art der Orte, zu
denen sie herabsinken: zum Beispiel erst aus ther, dann aus Luft, und wenn sie in die Nhe der
Erde kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Krpern, um schlielich an menschliches
Fleisch gefesselt zu werden... Dabei wechselt der Mensch seinen Krper ebenso oft, wie er seinen
Wohnsitz beim Abstieg vom Himmel zur Erde wechselt.
Und in einem Brief an Demetrius schreibt Hieronymos, dass "die Reinkarnationslehre unter den
ersten Christen als geheime, den Laien nicht offenbarte berlieferung behandelt und nur den
Auserlesenen erklrt wurde."
Aus diesen Zeugnissen geht hervor, dass sowohl Origenes als auch andere bedeutende frhchrist-
liche Theologen, Philosophen und Kirchenlehrer - so zum Beispiel auch Justinus der Mrtyrer
(100-165), Tatian (2. Jhd.), Clemens von Alexandria (150-214), Gregorios von Nyssa (334-395),
Synesios von Kyrene (370 413) oder auch der Hl. Augustinus (354-430) und der Bischof Neme-
sios von Emesa (um 400-450) - die Ansicht vertraten, dass die Seelen der Menschen schon vor
der Entstehung der materiellen Welt vorhanden waren. Mit anderen Worten, all diese frhen Kir-
chenlehrer waren von der spter so umstrittenen Prexistenz der Seele vollstndig berzeugt.
Diese wiederum ist, wie bereits dargelegt, eine wichtige Voraussetzung fr die Reinkarnationsleh-
re und wird auerdem durch die folgende Bibelstelle besttigt:
Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich aus-
ersehen, noch ehe du aus dem Mutterscho hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten
fr die Vlker habe ich dich bestimmt. (Jer 1,4-5)
In "De principiis" vertritt Origenes denn auch ganz direkt die Prinzipien von Karma und Rein-
karnation. Es heit dort beispielsweise:
Wenn man wissen will, weshalb die menschliche Seele das eine Mal dem Guten gehorcht, das
andere Mal dem Bsen, so hat man die Ursache in einem Leben zu suchen, das dem jetzigen Le-
ben voranging. Jeder von uns eilt der Vollkommenheit durch eine Aufeinanderfolge von Lebens-
lufen zu. Wir sind gebunden, stets neue und stets bessere Lebenslufe zu fhren, sei es auf Er-
den, sei es in anderen Welten. Unsere Hingabe an Gott, die uns von allem bel reinigt, bedeutet
das Ende unserer Wiedergeburt.
Aufgrund einer Anziehung an das Bse nehmen bestimmte Seelen Krper an, zunchst einen
menschlichen. Nachdem ihre Lebensspanne als Mensch dann abgelaufen ist, wechseln sie auf-
grund irrationaler Begierden in einen Tierkrper ber, von wo sie auf die Ebene von Pflanzen
sinken. Aus diesem Zustand erheben sie sich wieder, indem sie die gleichen Stufen durchlaufen,
und kehren zu ihren himmlischen Orten zurck.
Nach Origenes besteht also letztlich der Sinn und Zweck allen Lebens innerhalb der materiellen
Welt darin, dass sich die Seelen durch viele Inkarnationen hindurch lutern und veredeln, bis alle,
durch Befolgen der Gebote Jesu und durch ihre Liebe und Hingabe zu Gott, schlielich wieder in
die ewige Gemeinschaft Gottes gelangen:
Denn Gott lenkt die Seelen nicht nur im Hinblick auf die, sagen wir, fnfzig oder sechzig Jahre
dieses irdischen Lebens, sondern auf die unendliche Ewigkeit; denn Er hat die geistige Substanz
unvergnglich gemacht und Ihm selbst verwandt, und die vernnftige Seele ist nicht von der Hei-
lung ausgeschlossen, als wre sie auf das Leben hier auf Erden beschrnkt... Diese [Rckkehr zu
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Gott] muss man sich aber nicht als ein pltzliches Geschehen vorstellen, sondern als ein allmhli-
ches, stufenweise im Lauf von unzhligen und unendlich langen Zeitrumen sich vollziehendes,
wobei der Besserungsprozess langsam den einen nach dem anderen erfasst; einige eilen voraus
und streben rascher zur Hhe, andere folgen in kurzem Abstande, und wieder andere weit hinten;
und so gibt es zahllose Stufen von Fortschreitenden, die aus der Feindschaft zur Vershnung mit
Gott kommen, und am Ende steht der "letzte Feind", welcher der "Tod" genannt wird, und der
ebenfalls vernichtet wird, auf dass er nicht lnger ein Feind sei.
Diese letzte Aussage bezieht sich auf die Bibelstelle 1 Kor 15,26, die Origenes wie folgt erklrt:
Die Vernichtung des letzten Feindes ist aber so zu verstehen, dass nicht seine von Gott geschaf-
fene Substanz vergeht, sondern seine feindliche Willensrichtung, die nicht von Gott, sondern von
ihm selbst stammt. Er wird also vernichtet, nicht um knftig nicht zu sein, sondern um knftig
nicht mehr "Feind" und "Tod" zu sein.
Auch gem der vedischen Theologie besteht die einzige Mglichkeit fr die Seele, aus dem
Kreislauf der Seelenwanderung auszubrechen - also "den letzten Feind, welcher der Tod genannt
wird" zu bezwingen -, darin, dass sie sich von ihrer feindlichen Gesinnung Gott gegenber ab-
wendet und sich Ihm wieder zuwendet:
Diejenigen, die Mich verehren, die all ihre Ttigkeiten Mir weihen, Mir ohne Abweichung hinge-
geben sind, sich im hingebungsvollen Dienst beschftigen und immer ber Mich meditieren, in-
dem sie ihren Geist fest auf Mich richten - sie befreie Ich sehr schnell aus dem Ozean von Ge-
burt und Tod. (Bg. 12.6-7)
Wie gesagt ist es hchst bedauerlich, dass das Gesamtwerk der Lehren Origenes' nicht mehr in
vollem Umfang und im Original vorliegt, sondern aus den Schriften anderer, die teilweise seine
Gegner waren, rekonstruiert werden musste. Die Zeugnisse des Wissens um Karma und Rein-
karnation sind jedoch trotzdem noch so zahlreich, dass es verwundert, dass und wie es gelingen
konnte, sie spter bis in die heutige Zeit als bedeutungslos hinzustellen oder zu verschweigen.
Hier finden wir ein Beispiel dafr, wie viel die institutionalisierte Kirche im Laufe der Zeit vom
ursprnglichen Gedankengut wegschnitt und abtrennte, um ihr eigenes, enges, selbstgeschaffenes
Lehrgebude zu errichten. Ja, sie beraubte das Christentum, dessen Verwalter sie zu sein behaup-
tet, um Teile des grundlegenden Wissens ber die Zusammenhnge, die den Unterweisungen
Jesu Christi fr die Menschheit erst Sinn geben. Und die herausgebrochenen Teile dieses Funda-
ments wurden dann notdrftig mit blinden Dogmen ersetzt.
Bei der exakten Untersuchung dieser Sachverhalte steht die heutige historische Wissenschaft vor
dem Problem, dass zahlreiche Glaubensfanatiker der Vergangenheit oftmals bedenkenlos histori-
sche Zeugnisse vernichtet und verflscht haben und ihre Meinungsgegner nicht nur mit geistigen,
sondern vor allem mit politischen oder kriegerischen Mitteln bekmpften. Der aus einem solchen
Kampf hervorgegangene Sieger pflegte dann seine Anschauung als die alleingltige Wahrheit zu
verknden. Will man daher heute feststellen, ob die Lehre der Reinkarnation tatschlich im Ur-
christentum enthalten war, muss man auch die politischen Hintergrnde jener Zeit aufhellen.
Wie wir bereits ausfhrten, hatte das frhe Christentum in der Zeit des Origenes noch keine fes-
ten Dogmen gekannt, und unter dem Begriff der Kirche wurde noch keine feste Institution ver-
standen. Die Entwicklung der Kirchenlehre war also hauptschlich von gewissen theologischen
Lehrstzen bestimmt gewesen, die an Kirchenversammlungen festgelegt worden waren. Erst
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nachdem das Christentum im 4. Jahrhundert rmische Staatsreligion geworden war, entstanden
die ersten Dogmen, wobei der Entstehung dieser kirchlichen Glaubensstze bekanntlich keine
innere Systematik zugrunde lag. Sie wurden nicht als allgemeingltige Glaubenswahrheiten ver-
fasst, sondern waren ursprnglich Leitstze zur Abwehr gewisser Glaubensauffassungen, die mit
kirchlichen Interessen nicht bereinstimmten und daher zu Irrlehren erklrt werden mussten.
Offiziell nach dem Konzil zu Nicaa (das erste groe Konzil der Kirchengeschichte) im Jahre 325
- aber, wie anzunehmen ist, auch schon vorher - begann die bewusste Abnderung oder gar
Ausmerzung missliebiger oder unverstandener Stellen in den Schriften des Neuen Testaments.
Von kirchlichen Behrden eigens zu diesem Zwecke ernannte Corrctores wurden bevollmchtigt,
Schrifttexte im Sinne dessen zu "korrigieren", was nach Ansicht der Machthaber als richtig galt.
Es ist wahrscheinlich, dass in jener Zeit zahlreiche Stellen des Neuen Testaments, welche die
Reinkarnationslehre betrafen, entfernt wurden.
Diese Praxis wurde auch durch die folgenden drei kumenischen Konzilien nicht aufgehalten -
Konstantinopel (381), Ephesus (431) und Chalcedon (451). Im Gegenteil, diese arbeiteten Jesus
Christus immer klarer als den einzigen Erlser unseres Zeitalters heraus und stellten jedem "wah-
ren" Christen die Befreiung aus der Sterblichkeit des materiellen Krpers alleine durch das An-
nehmen Christi und seiner Kirche! - in Aussicht. Dadurch wurde natrlich die Lehre der Rein-
karnation zusehends verdrngt, da sie fr den "wahren" Christen nicht mehr zutreffend (und
auch nicht mehr erwnscht) war, bis sie schlielich auf dem nchsten, dem fnften Konzil (Kon-
stantinopel, 553) endgltig abgeschafft wurde.
Liest man die Geschichte der Konzilien und der Entstehung der Dogmen nach, muss man zu-
dem feststellen, dass diese vielfach von heftigen Auseinandersetzungen ber den rechten Glau-
ben begleitet war. Hierbei ging es meist nicht so sehr um die Grundstze der Religion oder um
das Wohl der Glubigen, als vielmehr um die Fhrungsrolle und den Einfluss der Kirche. Da es
sich also letztlich um eine politische Entscheidung handelte, welche Auffassung sich durchsetzte,
muss man davon ausgehen, dass in den Dogmen in erster Linie eigenntzige kirchliche Interessen
ihren Niederschlag fanden. Die sptere Erklrung, bei der Entstehung der Dogmen habe der
heilige Geist mitgewirkt oder sie seien gar von Gott offenbart, ist unter diesen Voraussetzungen
wenig glaubwrdig.
In diesem Umfeld mssen wir auch die Beseitigung des Wissens um die Reinkarnation betrach-
ten, deren Verlauf im folgenden kurz dargestellt werden soll. Aus vielfltigen, zum Teil machtpo-
litischen und zum Teil egoistisch-menschlichen Grnden waren also nach dem Tode des Orige-
nes zahlreiche theologische Streitigkeiten um seine Lehren entbrannt, insbesondere auf dem Ge-
biet der Eschatologie, der "Lehre von den letzten Dingen". Und weil Origenes als die berragen-
de Gestalt der frhen Kirche berall anerkannt wurde - er galt als die Autoritt schlechthin, und
Gegner wie Befrworter beriefen sich auf ihn -, verknpfte man das Wissen um die Reinkarnati-
on immer mehr mit seinem Namen.
Der Streit und die innerkirchlichen Intrigen um Origenes wurde im Verlauf der darauffolgenden
Jahrhunderte immer heftiger und forderte immer dringender eine endgltige Entscheidung. So
kam es in der Mitte des 6. Jahrhunderts schlielich zu einem folgenschweren Ereignis, welches in
der Konsequenz die Verdrngung und Beseitigung der Reinkarnationslehre aus dem institutiona-
lisierten Christentum auslste.
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Die Synode zu Konstantinopel (543)
Auf Drngen des byzantinischen Kaisers Justinian I. (527-565) wurde im Jahre 543 in Konstan-
tinopel eine Synode der Ostkirche einberufen, die das erklrte Ziel hatte, die theologischen Diffe-
renzen um die Lehren des Origenes (der 300 Jahre zuvor gelebt hatte!) ein fr allemal zu been-
den. Diese Lehren wurden, ohne Rcksicht auf die Haltung des damaligen rmischen Papstes
Vigilius, durch die Synode mit neun Anathemata (Bannflchen) belegt, wobei der fr die Frage
der Seelenprexistenz und der Reinkarnation entscheidende erste Bannfluch lautet:
Wenn einer sagt oder meint, die Seelen der Menschen seien prexistent gewesen, insofern sie
frher Geistwesen und heilige Mchte gewesen seien, es habe sie aber berdruss ergriffen an der
Schau Gottes und sie htten sich zum Schlechten gewendet, darum sei die gttliche Liebe in
ihnen erkaltet ... und seien zur Strafe in Krper hinabgeschickt worden - der sei anathema (ver-
flucht).
Auerdem wurden (im neunten Bannfluch) auch all diejenigen verflucht, die nicht glauben wr-
den, dass es eine ewige Bestrafung der Dmonen und gottlosen Menschen gebe. All diese Verflu-
chungen geschahen auf die uerst persnlich motivierte Anweisung von Kaiser Justinian (und
dessen intriganter Gemahlin Theodora), der sich selbst als Oberherrn der Kirche verstand. ber
diesen zwielichtigen Kaiser schreibt der Historiker Georg Ostrogorsky in seiner "Geschichte des
byzantinischen Staates" (in: "Handbuch der Altertumswissenschaft", 1963):
Auch als Christ blieb Justinian Rmer, und die Idee einer Autonomie der religisen Sphre war
ihm vllig fremd. Ppste und Patriarchen behandelte er als seine Diener. In derselben Weise wie
er das Staatswesen leitete, dirigierte er auch das Kirchenleben, in jede Einzelheit der Kirchenver-
fassung persnlich eingreifend. (S. 65)
Noch deutlicher drcken es B. Altaner und A. Stuiber in "Patrologie - Leben, Schriften und Leh-
re der Kirchenvter" (1966) aus:
Mit terroristischer Politisierung der Theologie versuchte Justinian, die geistigen Anreger der Ver-
gangenheit und Gegenwart zu verketzern, hatte aber auch den Ehrgeiz, selbst als theologischer
Schriftsteller zu glnzen. (S. 513)
Umso leichter hatte es Kaiser Justinian, da in Rom Papst Vigilius residierte, der wegen der Ostgo-
tengefahr auf militrische Hilfe des Kaisers angewiesen war und darber hinaus eine Marionette
der Kaisergemahlin Theodora war, der er das Papstamt (537) letztlich verdankte. Die Persnlich-
keit des Kaisers, die allgemeine Kriegssituation im ostrmischen Reich und dazu die drohende
Gefahr, in Palstina durch origenistisch gesinnte Mnchsgruppen noch einer zustzlichen innen-
politisch-religisen Kriegsfront gegenberzustehen, diese Grnde gaben das politische Motiv zur
Beseitigung des Wissens um die Reinkarnation.
Ein weiteres Motiv gab Justinians ehrgeizige und herrschschtige Frau Theodora. Sie war (nach
Procopius) die Tochter eines Brenwrters im Amphitheater von Byzanz gewesen. Ihren kome-
tenhaften Aufstieg zur Herrscherin des Reiches begann sie als Kurtisane. Um mit ihrer schndli-
chen Vergangenheit ganz zu brechen, lie sie spter als sittenstrenge Kaiserin 500 ihrer ehemali-
gen Berufsgenossinnen misshandeln und martern. Da sie nach den Gesetzen des Karma (die Ori-
genes in seinen Schriften "De principiis" und "Contra Celsum" unmissverstndlich bejaht hatte)
in einem spteren Leben fr diese Grueltaten htte ben mssen, wirkte sie nun beim Kaiser
darauf hin, die Wiedergeburtslehre einfach abzuschaffen. Von der Wirksamkeit dieser Aufhebung
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durch einen "gttlichen Beschluss" muss sie ganz und gar berzeugt gewesen sein.
Aus welchen fragwrdigen Motiven auch immer - Tatsache ist, dass an der Synode der Ostkirche
im Jahre 543 Origenes' Lehren verdammt wurden. Die Bannflche wurden daraufhin unter dem
unnachgiebigen Druck Kaiser Justinians von smtlichen Patriarchen unterzeichnet, einschlielich
Papst Vigilius', der 544 eigens zu diesem Zwecke fast gewaltsam nach Konstantinopel gebracht
wurde. Mit ihrer Unterzeichnung reihte die Kirche den bedeutendsten und herausragendsten
Theologen des frhen Christentums, Origenes, aus rein weltlichen Grnden unter die ketzeri-
schen Irrlehrer. Mit Sicherheit ist anzunehmen, dass in der Folge in den kirchlichen Dokumenten
aufs neue alles entfernt oder verndert wurde, was gegen diese dogmatischen Lehrstze sprach.
Die heutige Geschichtsforschung muss sich also auf Stellen sttzen, die offenbar bersehen wur-
den.
Origenes' Lehre von der Prexistenz und der Reinkarnation der Seele wurde dann zehn Jahre
spter, also 553, durch das fnfte kumenische Konzil zu Konstantinopel nochmals verurteilt, wobei
inhaltlich ungefhr dieselben Bannflche wie zehn Jahre zuvor ausgesprochen wurden. Dadurch
wurde die Reinkarnationslehre offiziell zur "heidnischen Irrlehre" erklrt und rechtmig abge-
schafft, und somit ist es jedem glubigen und kirchentreuen Christen seitdem strengstens verbo-
ten, an die Reinkarnation zu glauben... - Dies jedenfalls glauben bis zum heutigen Tage praktisch
alle Kirchenhistoriker sowie auch der berwiegende Teil der weltweiten Christenheit.
Tatschlich aber fiel das urchristliche Wissen um die Reinkarnation im Jahre 553 einem fatalen
historischen Irrtum zum Opfer. Denn die vermeintlich offizielle Verfluchung der Wiedergeburts-
lehre war, wie oben beschrieben, lediglich auf eine persnlich motivierte Machtdemonstration des
byzantinischen Kaisers Justinian zurckzufhren.
Entweder gingen bedeutende Teile der Konzilsakten, die den Fall Origenes betrafen, durch "Zu-
fall" verloren oder wurden spter aus irgendwelchen Grnden geflscht, oder aber - was wahr-
scheinlicher ist - es wurde an den acht offiziellen Konzilssitzungen ber Origenes und seine Ver-
fluchung gar nicht verhandelt! Denn die Sitzungen befassten sich laut Protokoll lediglich mit dem
Streit um drei von Justinian als Ketzer bezeichnete Gelehrte (den sogenannten "drei Kapiteln"),
gegen die der Kaiser schon vier Jahre zuvor ein Edikt erlassen hatte. Von Origenes jedoch ist
keine Rede. Auch die folgenden Ppste Pelagius I. (556-561), Pelagius II. (579-590) und Gregori-
us (590-604) reden vom fnften Konzil, ohne Origenes auch nur zu erwhnen. Doch obwohl
ber Origenes in den Konzilssitzungen offenbar nicht verhandelt wurde, findet sich im 11.
Canon des Konzils der folgende Bannfluch:
Wer nicht verflucht... Origenes samt seinen gottlosen Schriften und alle anderen Hretiker, wel-
che verflucht sind von der heiligen katholischen und apostolischen Kirche..., der sei verflucht.
Vermutlich wurde dieser seltsame Bannfluch von Kaiser Justinian vor Erffnung des Konzils den
Patriarchen vorgelegt, die dann zur Unterzeichnung gentigt wurden.
Interessant ist auch, dass Papst Vigilius bewut an keiner einzigen Sitzung teilnahm, obwohl er
sich auf Gehei des Kaisers whrend der fraglichen Zeit (5. Mai bis 2. Juni 553) in Konstantino-
pel aufhielt. Aus diesem Grunde stand dem Konzil nicht wie blich der Papst vor, sondern der
Patriarch von Konstantinopel, Eutychius, ein treuer Diener Kaiser Justinians. Ebenfalls interes-
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sant ist, dass von den anwesenden 165 Bischfen nur einige wenige aus den Westlndern zugelas-
sen waren, whrend die anderen eine Teilnahme unter diesen Voraussetzungen ablehnten. Das
heit: Das Konzil zu Konstantinopel war praktisch eine ganz persnliche Versammlung Kaiser
Justinians, auf dem er mit seinen von ihm abhngigen Vasallen (gegen den Protest des Papstes
und der rmischen Bischfe) die Lehre von der Vorexistenz der Seele willkrlich mit Fluch und
Bann belegte und damit der ursprnglich christlichen Lehre der Reinkarnation die Grundlage
entzog.
(Aufgrund der Tatsache, dass sich Papst Vigilius geweigert hatte, am Konzil zu Konstantinopel
teilzunehmen, wird von einigen fortschrittlichen katholischen Gelehrten neuerdings bezweifelt,
ob dieses Konzil und die damaligen "Beschlsse" berhaupt fr die Katholiken kirchenrechtliche
Gltigkeit besitzen, ob, mit anderen Worten, die Lehre von der Reinkarnation nicht nach wie vor
ein Teil des kirchlichen Gedankengutes sei...)
Das vierwchige Konzil endete am 2. Juni 553, aber erst am 8. Dezember 553 unterzeichnete
Papst Vigilius unter dem unnachgiebigen Druck des Kaisers und aus Angst vor der Exkommuni-
kation (!) und vor der Ernennung eines Gegenpapstes schlielich die Konzilsakte - vermutlich
ohne etwas ber die vorherigen Abmachungen gegen Origenes zu wissen. "Alles in allem also
eine hchst zweifelhafte Angelegenheit. Von Rechtmigkeit keine Spur!", schreibt Rudolf Passi-
an in seinem Buch "Wiedergeburt - Ein Leben oder viele?" (S. 223).
Wer sich in kurzer Form ber die Art, wie man Glaubensdifferenzen zu Zeiten der ersten fnf
kumenischen Konzilien auszutragen pflegte, informieren mchte dem sei die kleine Schrift von
Dr. iur. Robert Kehl, "Ein sonderbarer Heiliger Geist", empfohlen. Kehl fordert von den Kir-
chen, "wenn sie wieder glaubwrdig werden wollen", eine klare Distanzierung von jenen Konzi-
lien und den dort (vor dem Hintergrund von Terror und Intrigen) gefassten Beschlssen.
Der dubiose Bannfluch Kaiser Justinians 300 Jahre nach Origenes' Tod ist von der Kirche bis
heute offiziell nicht revidiert worden. Im Gegenteil setzte sich die berzeugung, der Fluch sei ein
Teil der gltigen Konzilsbeschlsse, trotz aller Ungereimtheiten im Laufe der Jahrhunderte all-
mhlich im Denken der Kirche fest. Dennoch bleibt es eine Tatsache, dass das vermeintliche
Verbot der Reinkarnationslehre, wenn wir es genauer betrachten, nichts weiter ist als ein Ge-
schichtsirrtum ohne jede kumenische Gltigkeit.
Oder anders ausgedrckt: Es ist den Christen nicht offiziell verboten, an Reinkarnation zu glau-
ben! - Die Reinkarnationslehre ist dem Christentum durchaus nicht fremd, wohl aber dem Kir-
chentum...
Denn spter wurde die Reinkarnationslehre von der Kirche im Konzil zu Lyon (1274) und im
Konzil zu Florenz (1439) erneut aufs schrfste verurteilt. Daraufhin wurden die Anhnger dieser
Lehre unerbittlich verfolgt und oft sogar hingerichtet. Das in diesem Zusammenhang wohl be-
rhmteste Beispiel ist der bereits in Kapitel 5 erwhnte italienische Gelehrte und ehemalige Do-
minikanermnch Giordano Bruno (1548-1600). Fr sein philosophisches Bekenntnis zur Lehre
der Seelenwanderung brachte man ihn im Jahre 1592 vor das christliche Inquisitionsgericht, das
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ihn nach langer Gefangenschaft schlielich zum Feuertode verurteilte. Am 17. Februar 1600
wurde er auf dem Campo dei Fiori in Rom ffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Als Grnde fr diese Praxis wurden angegeben, dass der Reinkarnationsgedanke im Widerspruch
zu verschiedenen christlichen Dogmen der Eschatologie (Lehre von den letzten Dingen) stnde,
so zum Beispiel zum Dogma der Auferstehung des Leibes oder zur Grundlehre, dass sich in die-
sem einen Leben das Heil oder Unheil des Menschen entscheide und dass die Seele unmittelbar
nach diesem einen Erdenleben in den ewigen Himmel oder in die ewige Hlle gehe. Auerdem
beinhalte sie von der Kirche verurteilte Meinungen wie die der anima separata (vom Leib unab-
hngige Seele) oder der Prexistenz der Seele.
Zeitenschrift
553 n. Chr. wurde die Wiedergeburt von 165 Kirchenleuten verdammt.
Zuvor war sie ein Fundament christlicher Lehre:
Auf den Spuren einer Verschwrung.
Die Reinkarnation ist eine Tatsache. Dass sie im heutigen christlichen Glauben nicht mehr exis-
tiert, ist einer machthungrigen Frau zu verdanken. Sie lie all jene Stellen, die in der frhen Bibel
auf die Reinkarnation hinwiesen, entfernen. Eine scheinbar kleine Tat mit epochalen Folgen: Wie
anders wohl wre die Geschichte der letzten 2000 Jahre verlaufen, htten die Menschen immer
gewusst, dass sie selbst es sind, die die Frchte ihrer (Misse-)Taten ernten werden, indem sie in
einem kommenden Erdenleben die Suppe auslffeln mssen, die sie sich eingebrockt haben?!
Am Anfang der Christenheit war die Reinkarnation eine der Sulen im ganzen Glaubensgebude.
Ohne sie htte (und hat dann auch tatschlich) das Christentum jeder Logik entbehrt. Wie knnte
ein gtiger Gott dem einen Menschen goldene Lffel und dem anderen nur das Hungertuch ge-
ben in seinem angeblich einzigen Erdenleben? Frhe Kirchenfrsten und Theologen wie Orige-
nes, Basilides oder der Heilige Gregor lehrten selbstverstndlich die Wiederverkrperung der
Seele schlielich stand sie ja auch in der Bibel. Mittlerweile wittern viele Christen Gotteslste-
rung, erwhnt jemand die Reinkarnation.
Das Gesetz von Karma und Wiedergeburt. In endloser Reihe kommt jeder Mensch wieder auf
die Erde, bis er gelernt hat, seine Energien zu kontrollieren.
Blenden wir zurck ins 6. Jahrhundert n. Chr., wo sich am Hof des byzantinischen Kaisers Justi-
nian jene diabolische Verschwrung ankndigte, die 1'400 Jahre lang die Menschen in falschen
Vorstellungen ber die Realitt von Leben und Tod gefangen hielt. Noch im Jahrhundert davor
war die Reinkarnation unbestrittene Tatsache in der christlichen Kirche. Dafr stritt man sich
darber, wie sehr Jesus Mensch oder Gott gewesen sei. Nestorius, Abt von Antiochia, war der
Ansicht, man drfe Maria nicht die Mutter Gottes' nennen, schlielich habe sie nur den mensch-
lichen' Jesus geboren. Doch ein Konzil verurteilte Nestorius als Hretiker (Ketzer), schickte ihn
in die Wste und stellte fest, Jesus sei zur gleichen Zeit menschlich und gttlich gewesen. Einer
von Nestorius erbittertsten Gegnern war Eutyches, der wiederum behauptete, Jesus sei nur von
gttlicher Natur gewesen, weil seine Menschlichkeit in der Gttlichkeit aufgegangen sei. Diese
Lehre nennen wir heute Monophysitismus (also die Lehre, nach der die zwei Naturen Christi zu
einer neuen gottmenschlichen verbunden sind.). 451 verurteilte dann das Vierte Allgemeine Kon-
zil den Monophysitismus ebenfalls als Hresie und verfolgte seine Verfechter. Einer der eifrigsten
Hscher war der sptere Kaiser Justinian.
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Konzil von 451 unterstreicht Wiedergeburt
Wie schon erwhnt war whrend dieser religisen Kontroversen die Wiedergeburt nie ein Dis-
kussionsthema gewesen. Man hielt sie fr ein fundamentales Dogma, das am Konzil von 451
sogar nochmals bekrftigt wurde. Wer htte damals ahnen knnen, dass sich die christliche Theo-
logie mit der Thronbesteigung Justinians (527) grundlegend ndern sollte und unter welch tief-
greifenden Auswirkungen die nachfolgenden Jahrhunderte deswegen zu leiden hatten.
Die treibende Kraft im Hintergrund war eine Frau: Theodora, die Gattin von Kaiser Justinian. Sie
hatte einen steilen sozialen Aufstieg hinter sich und die Tochter eines Brenbndigers im Zirkus
von Konstantinopel bediente sich dabei der ltesten Waffe der Frau. Einst war sie eine blutjunge
und hbsche Hure, deren Dienste selbst vom Adel gerne in Anspruch genommen wurden. So
verfiel auch Hacebolus, der junge Statthalter von Pentapolis, ihren Reizen und nahm Theodora
mit sich nach Nordafrika. Doch sie missbrauchte das Vertrauen des Statthalters und hufte sich
auf Kosten der Bevlkerung groe Reichtmer an. Als sie in ihrer Raffgier den Bogen berspann-
te und Hacebolus von Beschwerden des Volkes berhuft wurde, warf er Theodora aus seinem
Palast hinaus und konfiszierte alle ihre Gter. Nur mit den Kleidern auf ihrem Leib kmpfte sie
sich nach Alexandria durch. Vor den Toren der Stadt wurde sie von einem Eremiten namens
Eutyches freundlich in dessen Hhle aufgenommen. Es war jener Eutyches, der den Monophy-
sitismus ins Leben gerufen hatte und nun hier in der Verbannung lebte. Spter sollte sich Theo-
dora dieses gestrzten Mnches erinnern und zur Durchsetzung ihrer finsteren Plne bedienen.
Zurck in Konstantinopel, schlief sie sich zielstrebig die Gesellschaftsleiter hoch. Sie wurde eine
der Konkubinen Justinians, spter seine Lieblingskonkubine und schlielich, im Jahre 523, gar
seine Frau. Vier Jahre spter sollte sie mit ihrem Gatten zusammen die hchste weltliche Macht
erringen: die Kaiserkrone.
Theodora hatte es geschafft wenigstens beinahe. Denn ihr brennender Ehrgeiz trieb sie noch
immer an. Eine weitere Stufe konnte noch erklommen werden, die letzte: Ihre eigene Vergttli-
chung. Erst dann war sie den alten Csaren ebenbrtig geworden. Es war nmlich noch nicht
allzu lange her, dass die rmischen Imperatoren automatisch zu Gttern gemacht wurden und
ihren Eingang in die Tempelhallen fanden. Dieser Sitte hatte das Christentum jedoch ein Ende
gesetzt. Und hier nun erwies sich die biblisch anerkannte Tatsache der Wiederverkrperung als
unberwindlicher Stolperstein: Denn wie knnte frau als Gttin in die Ewigkeit eingehen, wenn
alle Menschen wiedergeboren werden? Was sollte dann verhindern, dass die sndige Kaiserin
nicht wieder als ganz normaler Mensch geboren wrde womglich als einfache Bettlerin? Solan-
ge der Glaube an die Reinkarnation im Bewusstsein der Christen verankert war, wrden die Men-
schen Theodora niemals als Gttin akzeptieren, das wusste sie. Deshalb musste die Lehre von
der Wiedergeburt mit Stumpf und Stiel ausgemerzt werden.
Als willige Helfer erkor sich Theodora die monophysitischen Mnche, die bald darauf von ihrem
Kirchenbann befreit wurden. Sie sollten dafr sorgen, dass die Reinkarnationslehre vollstndig
aus allen kirchlichen Schriften verschwand.
Man knnte nun denken, dass ein solches Ansinnen praktisch nicht durchfhrbar sei. Doch The-
odora hatte ihr eigenes Agentennetz ber das ganze Reich gespannt und dafr gesorgt, dass ihre'
Mnche nach und nach die kirchliche Fhrung bernehmen konnten. Dann stand ihr auch die
gesamte Macht des byzantinischen Kaisers zur Verfgung, denn Justinian war lngst zu ihrem
willigen Werkzeug geworden.
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Der Kaiser besessen?
Es war jedoch nicht allein weltliche Macht, die solches Unheil vollbrachte. Dahinter wirkten d-
monische Krfte, die ihre Chance sehr wohl erkannten und zu nutzen wussten. Denn wenn es
gelnge, den Menschen ihren Glauben an die Wiedergutmachung ihrer Vergehen und die daraus
folgende Wiedergeburt zu nehmen, dann wrde man nicht nur ihr Verantwortungsgefhl unter-
graben, sondern sie auch hilflos und nichtig machen. Die Menschen wrden ihr wahres gttliches
Ziel vergessen (dereinst selbst zu einem Gott zu werden) und sich auf die Gnade eines Gottes
verlassen. Sie wrden auf eine Erlsung warten, die so niemals kommt, weil sich jeder Mensch
nur selbst erlsen kann. Eine solche Menschheit wrde sich und die Welt leicht dem Bsen aus-
liefern.
In Theodora und Justinian hatten die dunklen Mchte zwei Helfer mit groem Einfluss gefun-
den. Es erstaunt somit nicht, dass man von beiden berichtet, sie seien besessen gewesen. Der
zeitgenssische Geschichtsschreiber Procopius fhrt in seiner Apocrypha' besonders viele Bei-
spiele an. So erzhlt er von einem Mnch, der nach Konstantinopel reiste, um dem Kaiser ein an
Bauern begangenes Unrecht vorzutragen. Er wurde sofort vorgelassen, doch kaum hatte der
Mnch einen Fu in den Thronsaal gesetzt, als er zusammenzuckte und zurckwich. Er weigerte
sich, vor den Kaiser zu treten und strzte verngstigt in sein Quartier zurck. Dort sagte er dem
Kmmerer, er habe den Herrn der Dmonen' auf dem Thron sitzen gesehen und seine Gegen-
wart sei so schrecklich gewesen, dass er sie nicht habe ertragen knnen. Man mge sich daran
erinnern, dass zu jener Zeit Hellsichtigkeit sehr weit verbreitet war. Der Dmon, den der Mnch
erblickte, war also beileibe nicht sein eigenes Phantasieprodukt, sondern eine Realitt der Astral-
ebene, die wir heute in der Regel nicht mehr wahrzunehmen vermgen.
An anderer Stelle zitiert Procopius die Mutter Justinians, die einmal ihren Vertrauten gestanden
habe, Justinian sei nicht der Sohn von Sabbatius, ihrem Gatten, noch eines anderen Mannes,
sondern er sei von einem Dmon gezeugt worden.
Was immer man von diesen Berichten halten mag das Vorgehen Theodoras und Justinians war
tatschlich teuflisch. Um ihre Plne verwirklichen zu knnen, musste Theodora zuerst die West-
kirche (des gefallenen westrmischen Reiches) unter ihre Kontrolle bringen. Dazu verhalfen ihr
Belisars Armeen, die den byzantinischen Einfluss auf Rom sicherstellten und es der Perfidie The-
odoras erlaubten, den Papst abzusetzen. An seine Stelle trat ein Gnstling der Kaiserin.
Nachdem sie sich so der Opposition der Westkirche entledigt hatte, konzentrierte sich Theodora
wieder auf Konstantinopel und rief mit der Hilfe des ihr hrigen Patriarchen Mennas die Synode
der Ostkirche von Konstantinopel (543) zusammen. Diese widerrief die Verurteilung des Mono-
physitismus und ebenso die Bekrftigung der Reinkarnationslehre aus dem Jahre 451. Dies war
der erste Todessto, den sie der Reinkarnationslehre versetzten.
Die Synode war fr die nahezu dreitausend ber das ganze Reich verstreuten Bischfe jedoch
nicht bindend. Deshalb wurde ein Konzil einberufen, welches die gefassten Beschlsse sanktio-
nieren sollte. Es wurden an alle Bischfe Einladungsbriefe verschickt. Sie waren jedoch so abge-
fasst, dass man hoffen konnte, keiner der Bischfe der Westkirche wrde am Konzil teilnehmen.
Papst Virgilius, der Verbndete von Theodora, tadelte die Briefe denn auch aufs Heftigste und
bekrftigte dadurch manchen Bischof, dem Konzil fernzubleiben.
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Ein abgekartetes Spiel
Selbst die Kirchenfrsten der Ostkirche schienen der Einladung nicht so recht Folge leisten zu
wollen. So konnte das Fnfte Allgemeine Konzil erst zehn Jahre spter (553) in Konstantinopel
zusammentreten. Von den ber dreitausend Bischfen waren genau 165 anwesend, darunter nur
gerade sechs aus dem Westen.
Theodora war in der Zwischenzeit 39jhrig gestorben (547), vermutlich an Krebs. Doch Justinian
war bereits so den dunklen Krften und dem Ehrgeiz Theodoras verfallen, dass er die unver-
meidlichen Schritte zur Vergttlichung seiner Frau weiterverfolgte. Auf Druck des Kaisers ent-
schied das Huflein Bischfe stellvertretend fr die ganze Kirche, dass von nun an die Reinkarna-
tionslehre als Ketzerei zu gelten habe und jeder, der sie vertrete, verdammt sei.
Kaiser Justinian
Damit verfluchten sie jedoch auch Mnner wie Origenes (185254), den Begrnder der Kirchen-
wissenschaft und Theologie, dessen Schriften Theodora am meisten gefrchtet hatte. Origenes
leitete die berhmte Katechetenschule in Alexandria, wo sich auch die grte Bibliothek des Al-
tertums befand. Kein Kirchengelehrter nach Origenes konnte jemals wieder auf so umfangreiches
Material zurckgreifen, denn die Bibliothek wurde 389 von einem christlichen Glaubensfanatiker,
dem Patriarchen Theophilus, in Brand gesteckt. Diese unglaubliche Schandtat zerstrte wertvolls-
tes Kulturgut und hat die historische Forschung erheblich erschwert. Vermutlich war genau dies
das Motiv von Theophilus' Frevel: In dem Feuer gingen nicht zuletzt die Schriften des Urchris-
tentums unter, die einen sehr genauen Einblick in die Anfnge christlicher Lehre gaben und be-
zeugt htten, dass die Reinkarnation ein fundamentaler Teil des Christentums war.
Origenes nun lehrte die Prexistenz der Seelen, dass also die Seelen der Menschen schon vor der
Entstehung der Welt vorhanden waren. Fr ihn bestand der Sinn allen Lebens in der materiellen
Welt darin, dass sich alle Seelen durch viele Inkarnationen hindurch lutern und veredeln, bis alle,
durch Befolgen der Gebote Jesu und durch ihre Liebe und Hingabe zu Gott, wieder zurck in die
Arme ihres Schpfers gelangen. Und zwar alle Seelen, nicht nur jene, die an Jesus glauben. Ori-
genes schrieb: Diese Rckkehr zu Gott muss man sich aber nicht als ein pltzliches Geschehen
vorstellen, sondern als ein allmhliches, stufenweise im Laufe von unzhligen und unendlich lan-
gen Zeitrumen sich vollziehendes." (Peri Achon III, 6,6).
Wie abgekartet dieses Fnfte Konzil im Grunde war, deutet allein die Tatsache an, dass bedeu-
tende Teile der Konzilakten, die den Fall Origenes betreffen zuflligerweise' verloren gegangen
sind, obwohl man fnfzehn Anathemas gegen den 300 Jahre zuvor verstorbenen Kirchenvater
formulierte.
So heit es an einer Stelle nur: Wer nicht verflucht... Origenes samt seinen gottlosen Schriften
und alle anderen Hretiker, welche verflucht sind von der heiligen katholischen Kirche, ... der sei
verflucht."
Die ersten Evangelien enthielten wie die Schriften Origenes oder Basilides viele Informationen,
fr deren Sicherstellung die heutige Wissenschaft jeden Preis zahlen wrde. Basilides, der um 125
in Alexandria lehrte, soll seine Doktrin von den Aposteln Matthus und Petrus (durch seinen
Schler Glaucus) erhalten haben. Dieser frhe Gnostiker hatte 24 Bcher als Interpretationen
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der Evangelien' geschrieben. Keines seiner Werke ist heute noch vorhanden die Heilige Kirche
hatte sie alle verbrannt. Dabei htten gerade sie ein unschtzbares Licht auf die Anfnge des
Christentums geworfen, da sie viel frher entstanden waren, als die kanonisierte Bibel, welche
325 im Konzil von Nicaea abgesegnet wurde. Doch Dekrete und Gesetze allein knnen einen tief
verwurzelten Glauben nicht so leicht ausradieren. Deshalb dauerte es einige Jahrhunderte, bis die
Kirche endlich alle alten christlichen Schriften konfisziert, zerstrt oder so stark verflscht hatte,
dass die Lehre der Wiederverkrperung kaum mehr in ihnen zu finden war und nach und nach
aus dem Bewusstsein der Menschen schwand.
Denn die Lge von einem einzigen Leben kam vielen raffgierigen und machthungrigen Kirchen-
frsten sehr gelegen. Schon frh gierte die Kirche nach weltlicher Macht, die nicht die ihre sein
durfte und verkaufte die Lehren ihres Herrn, um selbst den Herrn spielen zu knnen. Die Kirche
hufte sich ungeheure Reichtmer und riesige Lndereien an und ihre Fhrer gebrdeten sich wie
Frsten.
Sie hatten die Macht an sich gerissen. Denn wo frher dank der Wiedergeburt die Vershnung
Gottes mit allen Seelen gnadenvoll leuchtete, herrschte nun das Dogma der ewigen Verdammnis
mit eiserner Faust. Seit dem sechsten Jahrhundert hatte jeder Mensch nur noch ein Leben zur
Verfgung, das ihn unter gewissen Umstnden ins Himmelreich fhren konnte. Der Schlssel
dazu war der Glaube an die Erlsertat' von Jesus dem Christus. Und auf Jesus hatte die Kirche
das Monopol. Sie war die einzige Mittlerin zwischen Ihm (dem Himmelreich also) und den Men-
schen. So stand zum Beispiel zu Zeiten von Franz von Assisi (um die Jahrhundertwende 12./13.
Jh.) auf den privaten Besitz einer Bibel die Todesstrafe! Und wer nicht an Jesus glaubte, bezie-
hungsweise an die Kirche als alleinige Stellvertreterin Jesu, fiel der ewigen Verdammnis anheim.
Htten wir Christen hingegen weiterhin an die Wiedergeburt geglaubt, so wre die Kirche schnell
aller weltlichen Macht enthoben worden. Dies belegen die Beispiele der hinduistischen und bud-
dhistischen Kirchen', die niemals auch nur annhernd eine solche Machtflle angestrebt oder
besessen hatten wie die katholische. Wir wssten, dass es eine ewige Verdammnis nicht gibt und
jeder Mensch irgendwann zu Gott zurckkehrt. Und wir wssten vor allem, dass in Wirklichkeit
keine Kirche der Welt uns den Weg zu Gott versperren und Wegezlle fordern kann.
Doch im Mittelalter bestimmte die katholische Kirche, wieviel der Glaube an den Erlser und die
Eintrittskarte ins Paradies zu kosten hatte.
Kaiserin Theodoria I
Sie entschied, welcher Geldbetrag einen von der Snde des Betrugs, Ehebruchs oder noch
schlimmeren freisprach. Und sie verdiente gut dabei. So erstaunt es nicht, dass die Reinkarnation
im Konzil zu Lyon (1274) und im Konzil zu Florenz (1439) erneut verurteilt wurde. Mit dem
Abla prete die Heilige Kirche ihre Schflein wie reife Zitronen aus. Zur Zeit der Gegenppste
in Avignon hingen den Jesus-Figuren am Kreuz sogar Geldbeutel um die Hften als Zeichen
dafr, dass der Herr Geld auch nicht abgeneigt gewesen sei. Welche Hresie!
Es ist diese Krmerseele der Kirche, die noch heute Anekdoten wie jene ber den Kster kursie-
ren lsst, der nach der Messe mit einem fleiigen Vergelt's Gott' vom Kirchenvolk Geld ein-
sammelte und nachdem alle gegangen waren vor den Altar trat, das Geld in die Luft warf und
sagte: Lieber Vater, nimm Dir, was Du haben mchtest den Rest behalte ich!"
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Die Bibel lehrt es noch immer
Die Kirche verrichtete hervorragende Arbeit, als sie die Wiedergeburt aus der christlichen Lehre
eliminierte. Eine solch effektive Verflschung htte selbst den Kommunismus stolz gemacht.
Doch wie beim Kommunismus war auch in der Kirche schlampig gearbeitet worden. So entgin-
gen den Augen der federbewehrten Liquidatoren' einige wenige Hinweise auf die Wiedergeburt,
die sich noch heute in jeder Bibel finden lassen:
Der Engel aber sagte zu ihm: Frchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhrt worden. Dei-
ne Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebren: dem sollst du den Namen Johannes geben. Gro-
e Freude wird dich erfllen, und auch viele andere werden sich ber seine Geburt freuen. Denn
er wird gro sein vor dem Herrn. Wein und andere berauschende Getrnke wird er nicht trinken,
und schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfllt sein. Viele Israeliten wird er zum
Herrn, ihrem Gott, bekehren. Er wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vo-
rangehen, um das Herz der Vter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur
Gerechtigkeit zu fhren und so das Volk fr den Herrn bereit zu machen. (Lukas 1: 1317)
Verschiedentlich wird in der Bibel darauf hingewiesen, dass Johannes der Tufer der wiederge-
kehrte Prophet Elija sei. So auch in der Prophezeihung des Maleachi, der vier Jahrhunderte nach
Elija lebte: Bevor aber der Tag des Herrn kommt, der groe und furchtbare Tag, seht, da sende
Ich zu euch den Propheten Elija." (Maleachi 3: 23)
Das Matthus-Evangelium bezieht sich an drei Stellen auf diese Prophezeiung, die anderen
Evangelien an sieben Stellen. Wie man den Bemerkungen der Jnger entnehmen kann, wurde
unter den Juden schon viel ber die Rckkehr Elijas und anderer hebrischer Propheten speku-
liert. Als Jesus beispielsweise mit seinen Jngern vom Berg der Verklrung hinabstieg, fragten sie
ihn: Warum sagen denn die Schriftgelehrten, Elija msse zuerst kommen? Er gab zur Antwort:
Ja, Elija kommt, und er wird alles wieder herstellen. Ich sage euch aber: Elija ist schon gekom-
men; doch sie haben ihn nicht erkannt, sondern mit ihm gemacht, was sie wollten. Ebenso wird
auch der Menschensohn durch sie leiden mssen. Da verstanden die Jnger, dass er von Johan-
nes dem Tufer sprach. (Matthus 17: 1013)
Als sie gegangen waren, begann Jesus zu der Menge ber Johannes zu reden; er sagte: ...Er ist der,
von dem es in der Schrift heit: Ich sende Meinen Boten vor dir her, er soll den Weg fr dich
bahnen... Und wenn ihr es gelten lassen wollt: Ja, er ist Elija, der wiederkommen soll. Wer Ohren
hat, der hre! (Matthus 11: 7, 10, 1415)
Der Tetrarch Herodes hrte von allem, was geschah, und wusste nicht, was er davon halten soll-
te. Denn manche sagten: Johannes ist von den Toten auferstanden. Andere meinten: Elija ist
wiedererschienen. Wieder andere: Einer der alten Propheten ist auferstanden. Herodes aber sagte:
Johannes habe ich selbst enthaupten lassen. Wer ist dann dieser Mann, von dem man mir solche
Dinge erzhlt? (Lukas 9: 79, auch Markus 6: 1417)
Als Jesus in das Gebiet von Csarea Philippi kam, fragte er seine Jnger: Fr wen halten die Leute
den Menschensohn? Sie sagten: Die einen fr Johannes den Tufer, andere fr Elija, wieder an-
dere fr Jeremia oder sonst einen Propheten. (Matthus 16: 1314; Markus 8: 2728; Lukas 9:
1819)
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Diese Bibelstellen beweisen, dass die Menschen zu Jesu Lebzeiten an die Wiedergeburt glaubten.
Deshalb war es fr sie klar, dass sich die alten Propheten erneut inkarnieren (in carnere' ins
Fleisch kommen) wrden, um Jesus zu helfen. Somit war Johannes der Tufer in einem frheren
Leben tatschlich der Prophet Elija gewesen. Er war auch Ezechiel. Dies allerdings geht nicht aus
der Bibel hervor.
Damals wusste man, dass alle Menschen wiedergeboren werden: Unterwegs sah Jesus einen
Mann der seit seiner Geburt blind war. Da fragten ihn seine Jnger: Rabbi, wer hat gesndigt? Er
selbst? Oder haben seine Eltern gesndigt, so dass er blind geboren wurde? Jesus antwortete:
Weder er noch seine Eltern haben gesndigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar
werden. (Johannes 9: 13)
Dieser Vorfall belegt, dass die Jnger das Gesetz von Karma und Reinkarnation kannten; denn es
ist klar, dass ein Mann, der bereits blind geboren wurde, nicht in diesem Leben gesndigt haben
konnte. Jesus besttigt wiederum, dass Menschen tatschlich aufgrund Verfehlungen in frheren
Leben krank geboren werden knnen, weist aber darauf hin, dass dieser Mensch nur deswegen
blind sei, damit er von Jesus geheilt und an ihm das Wirken Gottes offenbar werden knne.
Literaturhinweise:
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