Bauman: Vom Nutzen Der Soziologie

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Exzerpt Einleitung Soziologie Wozu?

Exzerpt des ersten Kapitels Einleitung Soziologie Wozu? aus Zygmunt


Baumans Vom Nutzen der Soziologie (Frankfurt a. Main, 2000). Verfasst am 22.
Okt. 2015.
Soziologie ist schwer zu definieren. Anders als bei anderen Gegenstnden oder
auch abstrakten Begriffen lsst sich nicht mit einem konkreten Beispiel fest
machen was Soziologie eigentlich ist. Das Wort Soziologie bezeichnet einen
bestimmten Wissenskorpus und bestimmte Verfahren, um dieses Wissen zu
nutzen und zu erweitern. Dieser Wissenskorpus scheint anderen sehr nahe zu
sein, bspw. dem der Politik- oder Wirtschaftswissenschaften. Auch diese
beschftigen dich mit der vom Menschen geschaffenen Welt, und nicht mit von
Natur aus Existierendem, wie es die Naturwissenschaften tun. Das Feld der
Soziologie wrde ohne Zutun des Menschen berhaupt gar nicht existieren. Doch
wie kann man die Soziologie von anderen Geisteswissenschaften abgrenzen?
Die Soziologie behandelt zeitlich unabhngige Handlungen in unserer
Gesellschaft. Definiert man die anderen Geisteswissenschaften, so kommt man
schnell zu dem Schluss, dass die Soziologie eine Residual-Wissenschaft ist, also
eine Disziplin, die sich auf das strzt, was andere Wissenszweige vernachlssigt
haben.
Doch betrachtet man unsere wirkliche Welt, so stellt man fest, dass sie
Abgrenzungen die die verschiedenen Geisteswissenschaften zueinander
festgelegt haben nicht etwa von sich aus da sind, sondern nur existieren, weil wir
Menschen sie so festgelegt haben, und jetzt dieses in unseren Kpfen
entstandene Weltbild in die Praxis umsetzen.
In der Praxis der verschiedenen Geisteswissenschaften gibt es kaum
Unterschiede. Alle versuchen nach dem gleichen Verfahren vorzugehen. Sie
versuchen lckenlos Fakten zu sammeln, um Aussagen ber diese zu treffen, und
sind dabei stets bemht dieses Wissen aktuell zu halten und simpel zu
prsentieren. Alle versuchen Widersprche in ihren Aussagen mit anderen
Aussagen zu vermeiden. Kurz gesagt: alle versuchen ihrer Verpflichtung treu zu
bleiben, die Ergebnisse in verantwortlicher Weise zu erarbeiten (also der
Wahrheit verpflichtet). Es gibt also keinen Unterschied im Selbstverstndnis der
Forschenden, auch nicht in ihrer Vorgehensweise.
Der einzige Unterschied der besteht, ist der der kognitiven Perspektive, also
der Art der Fragestellung, mit der eine Geisteswissenschaft menschliches
Handeln betrachtet. Hier stellt man fest, dass die Soziologie versucht
menschliche Handlungen als Bestandteile einer nicht zuflligen, in einem Netz
gegenseitiger Abhngigkeit befangenen Gruppe von Handelnden zu betrachten.
Die soziologische Fragestellung ist hierbei, wie sich dieses Verknpftheit auf die
tatschlichen Handlungen der Beteiligten auswirkt. Somit ist das Hauptgebiet der
Soziologie die Untersuchung der Zusammenhnge menschlichen Handelns.
Die zentrale Frage der Soziologie lautet demnach: Welche Folgen ergeben sich
daraus, dass die Menschen bei dem, was sie tun oder tun knnten, von anderen
Menschen abhngen; welche Folgen ergeben sich daraus, dass sie stets mit
anderen Menschen zusammenleben, mit ihnen kommunizieren und in Austausch,
Wettbewerb oder Zusammenarbeit mit ihnen stehen?

Ein besonders Verhltnis hat diese Form des soziologischen Denkens zum
common
sense,
dem
gesunden
Menschenverstand.
Die
meisten
Wissenschaften definieren sich ber Grenzen, welche sie von anderen
Wissenschaften trennen, haben dadurch also kein Verhltnis zum gesunden
Menschenverstand oder beschftigen sich gar nicht erst mit seiner Existenz. Das
liegt daran, dass die Themenbereiche besonders der Naturwissenschaften fr den
Laien berhaupt nicht verstndlich oder zugnglich sind, whrend das womit die
Soziologie sich beschftigt so alltglich ist, dass jeder jeden Tag damit in Kontakt
kommt und die Meisten sich auch schon einmal (wenn auch unbewusst) mit
soziologischen Fragestellungen befasst haben.
So ist auch jeder soziologische Begriff bereit durch den gesunden
Menschenverstand mit einer Bedeutung versehen, fr jedes soziologische Thema
gibt es bereits mehr oder weniger elaborierte Theorien, auch als Bestandteil des
gesunden Menschenverstandes.
Hier entsteht auch eines der grten Probleme des Soziologen, nmlich dass er
versucht mit wissenschaftlichen Beobachtungen und Theorien aus seinem
eigenen Leben umzugehen, diese jedoch nicht aus der Perspektive des
Individuums, sondern viel mehr aus einer neutralen Perspektive zu treffen.
Hierbei ist es wichtig zu verinnerlichen, dass man (auch wenn man es denkt)
nicht aus eigenen Intentionen agiert, sondern vielmehr durch ein komplexes
System sozialer Vernetzungen sich die eigene Handlung ergibt.
Hier versucht die Soziologie ein Denkmuster zu brechen, und wann immer ein
solches gebrochen wird, so tut sich das Umfeld, welches noch in diesem Muster
ist, schwer daran das Neue zu akzeptieren, somit hat auch die Soziologie
Schwierigkeiten akzeptiert zu werden, doch bricht man erst einmal seine
Denkstruktur und beginnt soziologisch zu denken, so erffnen sich unzhlige
neue Mglichkeiten und Freiheiten.
Dies steht jedem offen, daher wurde die Soziologie auch immer gerne als die
Macht der Machtlosen bezeichnet.

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