Tarski-WFS (1936)
Tarski-WFS (1936)
Tarski-WFS (1936)
..
dienen. Der Umstand, dass man jedem Ausdruck (und besonders
jeder Aussage) der betrachteten Sprache in der Metasprache
einerseits einen individuellen Namen dieses Ausdrucks und
andrerseits einen Ausdruck, welcher die bersetztrug dieses
Ausdrucks in die Metasprache ist, zuordnen kann, wird eine
entseheidenrle Rolle bei der Konstruktion der Definition der
Wahrheit spielen, wovon sich der Leser im nchsten Paragraphen
berzeugen wird.
Als Variable werde ich in der "Metasprache die Sym-
bole (1) "au, "b"', (2) "f"', "g"', "h"', (3) "ku, "zu, "m",
"n", "p'\ (4) "t", "u", "w", "x", "y",
11
z" und (5) "X", "Y'
verwenden; sie reprsentieren in dieser Ordnung die Namen:
(1) der Klassen von Individuen von beliebigem Charakter Ul),
(2) der Folgen von solchen Klassen, (3) der natrlichen Zahlen
und der Folgen von natrlichen Zahlen, (4) der Ausdrcke
19
)
und der Folgen von Ausdrcken und (5) der Klassen von
A nsdrcken.
Wir wenden uns dem Axiomensystem der Metasprache zu.
Zunchst bemerke ich, dass dieses System - den zwei Kate-
19
) Trotzdem ich in den Fllen (1) und (4) verschiedene Variable
verwende, behandle ih hier die Ausdrcke alt! spazielle Klassen von
Individuen, nmlich oJfl Klassen konkreter Schriftzeichenreihen (vgl. l)).
(2HJ
Der VVahrheitsbegriff
289
gorien von Ausdrcken der :Metasprache entsprechend zwei
ganz verschiedene Arten von Aussagen umfasst: einerseHR
rlie allgemein-logischen Axiome, die zur Grundlegung
eines gengend umfangreichen Systems der mathematischen
Logik hinreichen, andrerseits die s p e z i fischen Axiome
rl e r .IVf e t a sprach e
1
welche gewisse elementare und mit der
A m;chaunng bereinstimmende Eigenschaften der oben bespro-
ehAnon strukturell-deskriptiven Begriffe beschreiben. Es er-
brigt s-ich wohl, die auch sonst gut bekannten Axiome der
ersten Art hier explicite anzufhren
20
) ; als Axiomtl der zweiten
Art kann man z. B. folgende Aussagen annehmen
21
):
Axiom 1. ng, sm, al und in sind A-usdrcke; unter
diesen tier A usdriicken gibt es keine zwei identischen.
Axiom 2. v
1
, ist ein Ausdr1.tek dann und nur dann,
UJenn k eine von 0 verschiedene natrliche Zahl ist; vk ist von
den Ausdrcken ng, sm, al, in und auch, wenn k g:: l, von
jedem dm A u.r;;dr.eke v
1
verschieden.
A x i o m 3. x " y ist ein Ausdruck dann und nur dann,
wenn x und y A UlKlrcke sind; x n y ist '/}On den Ausdrcken
ng, sm, al, in und 1Jon jedem der A u.sdrcke vk verschieden.
Axiom 4. Sind x, y, z und t Ausdrcke, so gilt
x y = z n t dann und nur dann, wenn eine der folgtmden Bedin-
gungen erNlllt ist: ( a) x z und y t; () es gibt einen solchen
A u, dass X = z n u und t = u n y; (y) es gibt einen
solche-n Ausdruck u, dass z = X n u und y = u n t.
Axiom 5. (das Prinzip der vollstndigen In-
duktion). Sei X eine Klasse, welche folgende Bedingungen
erHtllt: (a) ngeX, srneX, aleX und inEX; () ist k eine
vnn 0 'lJCrschiedene natrliche Zahl, so vk e X; (y) ist x e X
und y e X, so auch x ,... y e X. Dann gehrt jeder Ausdruck
zur Klasse X.
Der inhaltliche Sinn der Axiome 1-4 bedarf keiner nhe-
ren Erluterungen; im Axiom 0 findet der TJmRta,nd
1
dass jeder
20
) Man knnte sie wieder dem Werke "\Vhitehead-Russell
1
ent-
Iwhmen (vgl. 1S)).
Definition 11. vk ist eine freie (reelle) Variable
der Aussagefunktion x dann und nur dann, wenn lc eine
von 0 verschiedene natrliche Zahl und x eine Aussagefunktion
ist, welche eine von den folgenden vier Bedingungen erfllt:
(a) e-S gibt eine solche nat,rliche Zaltll, dass x=tk,l oder x=t
1
,
1
,;
() es gibt e-ine solche Aussa-gefunktion y, dass v" eine f1eie
Variable der Funktion y ist und dabei X=y; (y) es gibt solche
A ussagefnnlctionen y und z, dass v" eine freie Variable der
Aussagefunktion y ist und dabei x=y+z oder mwh x=z+y;
(0) es gibt eine solche von k ve1schiedene Zahl l und eine solche
Aussagefunktion y, dass v" eine freie Variable der Funktion y
ist und dabei X= n
1
y.
Variable, die in einer Aussagefunktion auftreten, aber
keine freien Variablen dieser Funktion sind, werden gewhnlich
gebundene (scheinbare) Variable genannt
211
).
betrachteten Falle eine solche Umformung rnglid1 erklrt sich durch
die spezielle Bescha:fl'onheit der in der Definition auftretenden Begrifi'tJ
(nmlich dadurch
1
dass jeder Ausdruck aus einer endlichen Anzahl von
Zeichen besteht und dass die in den Bedingungen (/J)=(J) angegebenen
Operationen immer Yon krzeren zu lngeren Ausdrcken fhren). Wenn
ich ti:otzdem in dieser Arbeit mehrmals Definitionen dieser Art an Stelle von
ihllen quivalenten normalen Definitionen angebe (Def. 10, 11, 14,22 und 24),
so tue ich es deshalb, weil diese Definitionen bedeutende Vorzge ganz
anderer Natur besitzen: sie heben den Inhalt der definierten Begriffe klarm
als die normalen Definitionen hervor und bedrfen dabei - zum Unter-
schied von den gewhnlichen induktiven Definitionen- keiner vorherigen
Einfhrung von Hilfsbegriffen, die im brigen nutzlos sind (z. B. des
lHlfsbegrift'es einer Aussagefunktion des ntlln Grades).
26) Vgl. Hilbert-AckermannH S. 52-54.
[35]
Der Waltrhuitsbegrifr
295
Definition 12. x ist eine Au,ssage (oder eine sinn-
volle Aussage)- symbolisch xcAs- dann undnur dann,
wenn x eine Aussagefunktion ist und wenn dabei keine Va-
riable vk eine freie Variable der Funktion x ist.
So sind z. B. die Ausdrcke: n
1
t
1
,
1
, n
1
nz t
1
,
2
,
n
1
U, t
1
.:
1
,
+ n
1
U, t
2
,
1
) Aussagen, dagegen sind die
Funktionen: t
1
,
11
n
2
t
1
,
2
, t1,
1
+ n
1
U
2
t
2
,
1
keine Aussagen, da
sie die freie Variable v
1
enthalten. Das Symbol "As" bezeichnet
laut obiger Definition die Klasse aller sinnvollen Aussagen 27).
DaH System der Grundstze des Klassenkalkls wird
zwei Kategorien von Aussagen umfassen. Die Anssagen der
end .. en Kategorie gewinnen wir in der \Veise, dass wir ein be-
liebiges Axiomensystem in Betracht ziehen, welches zur Grund-
leglmg des Aussagenkalkls gengt und die Zeichen der Nega-
tion und der logischen Summe als einzige Konstante ent-
hlt, also z. B. das aus folgenden vier Axiomen:
,ANpApq", ,ANApqAqp" und ,ANANpqANArpArq" beste-
hende
28
); in diesen Axiomen ersetzen wir die
Aussagevariablen "p"'
1
"q" und "r" durch beliebige Aussage-
funktionen und an den so erhaltenen Ausdrcken vollziehen wir,
falls sie nicht schon Aussagen sind, beliebig oft die Operation
c?-es Generalisierens, bis alle freien Variablen verschwunden sind.
:\ls Beispiolc knnen die llANAJJx, Ix,x, IIx, Ix, x, ",
"IIx, fix
11
ANlx, x
11
ALr, x
11
lx
11
x, u: u. s. w. dienen. Um zu den
Aussagen der zwoiten Kategorie zu gelangen, nehmen wir als
Ansgangspunkt irgend ein Axiomensystem des noch nicht for-
malisierten Klassenkalkls, welches das Zeichen dor Inldu-
sion als einziges Grundzeichen enthlt
29
), und bersetzen die
2
') Begriffe, die ich im weiteren Verlauf des 2 bef'lprochen werde
1
kommPn in der Definition der wahren Aussage selbst nicht vor. Ich werde
tla.gegen von ihnen in den vorbereitenden Betrachtungen am Anfang des
::\ welche die endgiltige Form der Definition begrlinden, Gebrauch
maehcn, sowie auch bei der Formulierung gewisser Konsequenzen dieser
Deflnition (Stze 3-6 aus 3), welehe charakteristische, inhaltlich Wich-
tige Eigenschaften der wahren Aussagen ausdrcken.
1
s) Dieses Axiomensystem ist das ReHultat einer Modifikation und
Yen)infac1hung des Axiomensystems, welches sich in dem Werke White-
head-Russellt (Vol. L, S. 96-97) findet; vgl. Hilb.ertAckermann
1
,
s. 22.
Ich meine hier claf'l t!ystem von Postulaten, welches im Artikel
Huntington
11
S. 297 angegeben ist (dieses System haben wir jedoch
296
Alfred 'rarski
[36J
Axiome dieses SysteiDS in die hier betrachtete Sprache; selbst-
verstndlich haben wir vorher die mit Hilfe des Inklusions-
zeichens definierten Konstanten zu eliminieren, sowie alle Termini
aus dem Gebiete des Aussagen- und Funktionenkalkls, die sich
bei inhaltlicher Deutung von dem Allzeichen, dem Negations-
zeichen und dem Zeichen der logischen Summe unterschei-
den. Als Beispiele von Aussagen dieser Kategorie fhre ich
,
1
Ilx,Ix/F
1
" und "Ilx,llx,,Ilx
1
,,ANix,x,,ANix,,x,,,Ix,x,,,"' an.
Definition 18. x ist ein Axiom (ein Grundsatz)
dann und nur dann, wenn x eine von den zwei folgenden
Bedingungen erfllt: (a) xEAs und es gibt solche Aussage-
funktionen y, z und u, dass x eine GeneraliBation einer von den
vier Funktionen 3t: y + y + y, y + (y + z), y + z + (z + y) und
y+ z+(u+y+ (u+z)); () x ist mit einer von den fnf Aus-
sagen identisch: n
1
't,
1
, n, na
+t
1
,
3
), n
1
n, Us
(,1,3. ,,,s .n" ( +'i" +'s,4)), n1 n, Us (,aol. ts,,. n4 (t4,1 + '"2 +
+ t,,,)) und n, U, (n, n, ls..l (t-;:;- + ' + t,,,))
. n, (.,,,+ u, (,,,. . ,,,) )) .
Bei Formulierung der Definition des Folgerungsbegrif:'f:'s
werde ich u. a. folgenden Ausdruck gebrauchen: nU ist
ein aus der Aussagefunktion w durch Einsetzung
der Variablen vk fr die Variable V
1
gewonnener
Ausdruck". Der inhaltliche Sinn dieses Ausdrucks ist klar
und einfach, trotzdem nimmt die Definition eine etwas kompli-
zierte Form an :
Definition 14. x ist ein aus der A ussagefunk-
tion y durch Einsetzung der {frtden) Variablen v,.
fr die (freie) Variable 'th gewonnener Ausdruck
dann und nur dann, wenn lc und l natrliche, von 0 verschiedene
Zahlen und x und y Aussagefunktionen sind, welche eine von den
sechs folgenden Bedingungen erfllen: (a) X= t,.,k und y= 'u;
() es gibt eine solche natrliche, von l verschiedene Zahl m,
dass x = tk,m und y = t
1
_.,. oder auch t.", k und y = tm,
1
;
vereinfacht, indem wir u. a. gewisse Voraussetzungen von existentialem
Charfl.kter eliminiert haben).
[37]
Der WahrheitsbegTiff
297
(y) v
1
ist keine frele Variable der Funktion y und x = y;
( 0) es gibt solche Aussagefunktionen z und t, dass x = -z, y = t
und z ein nus der Funktion t du1ch Einsetzung der Variablen vk
fr die Variable v, gewonnener Ausdruck ist; (E) es gibt solche
Aussagefunktionen z, t, u und w, dass x=z+u, y=t+w, wobei z
und u beziehungsweise aus den Funktionen t und w durch Ein-
setzung der Variablen vk fr die Variable vz gewonnene Aus-
drilcke sind, es gibt solche Aussagefunktionen z, t und eine
solche natrliche, von k und l verschiedene Zahl m, dass X= n m z,
y '-= nm t und z ein aus der Funktion t durch Einsetzung der
Variablen vk fr die Variable v
1
gewonnener Ausdruck ist
50
).
So sind z. B. laut obigor Definition die Ausdrcke:
n
3
(t
3
,
1
+t
1
,
3
) und t
1
,
3
+ n
2
t
2
,
3
beziehungsweise aus den Funk-
tionen: 1
2
,
2
, (t
3
,
2
+r
2
,
3
) und 1
2
,
3
+
durch die Einsetzung
dAr Variablen v
1
fr die Variable v
2
gewonnen; den Ausdruck
n
1
1
1
,
3
kann mau dagegen auf diesem Wege aus der Funktion
n
2
t
2
.:
3
nicht gewinnen, ebensowenig den Ausdruck n
1
1
1
.1
aus der Funktion n
2
t
2
,
1
-
Zu den Folgerungen aus einer gegebenen Klasse von Ans-
sagon z.hlen wir in erster Reihe alle Aussagen dieser Klasse,
ferner alle Aussagen, welche wir aus ihnen gewinnen knnen,
indem wir an ihnen vier Operationen beliebig oft vollziehen,
nmlich die Operationen dAr Einsetzung, der Abt re n-
nnng, ferner der Hinzufgung und der Weglassung
des Allzeichens
31
). Wollten wir diese Operati011en nicht
30
) Eine normale, der obigen rekursiven (luiva1ente Definition
ist die folgende (vgl. 25)):
x ist ein aus der Aussn,qefnnktion y dnroh Einsetzung der Va-
riablen vk fiir die Variable v, gewonnener Ausdruck dann und nur
dann, wenn lc und l natrliche, von 0 '/Jersohiedene Zahlen sind nnd
wenn jede Relation R, toelche die sechs folgenden Bedingungen erfllt:
(u) 1
1
. k R t
1
,
1
; () ist m eine natrliche, von 0 und von l verschiedene
:Lahl, so 1k,mR t
1
,m und tm,kR t",,
1
; (y) ist z eine Aussagefunktion
und ic;t v
1
keine freie Variable der Funktion z, so zRz; (tl') ist zRt.
so z Rt; (c) ist zRt und uRw, so z+u R t+w; (i;:) istmeine na-
t,rtiche, von 0, k und l verschiedene Zahl und ist zRt, 8o nm z R n". t.-
auch der Formel; xRy geniigt.
Auf einer ganz anderen Idee beruhen die Definitionen der Ein-
l',etzung in den Arbeiten LeSniewski
1
, S. 73 (T. E. XLVII) und
LeSnic\vski
2
, S. 20 (T. E. XLVII
0
).
31
) \.,-gl. Lukfl.sie\vicz
1
, 8.159-163;
S. <16.
Alfred Tarski
f58]
ausschliesslich an Aussagen, sondern an beliebigen Aussage-
fLmktionen vollziehen und. als Ergebnis ebenfalls Aassage-
funktionell erhalten, dann wrde die Def. 14 den Sinn der
Einsetzungsoperation in vollstndiger "'.,.eise bestimmen, die
Operation der Abtrennnng wrde den Funktionen y und Y+ z
die Funktion z zuordnen, die Operation der Hinzufgung des
Allzeichens wrde in der Bildung der Funktion y+ nkz
aus der- Funktion y+z bestehen (unter dor Bedingung, dass
vk keine freie VariaLle der Funkt,ion y ist), die Operation der
Vl eglassung des Allzeichens wrde dagegen in umgekehrter
Hichtung fortschreiten - von der Funktion y+ nkz zur Funk-
tion y+z
31
). Hier wollen wir uns jedoch auschliesslieh auf
Aussagen (im Sinne der Def. 12) beschrnken, und deshalb
werden wir obige Operationen in der "\V eise modifizieren, dass
wir an Stelle der betreffenden AnssagAfunktionen die .ii_ussagen
betrachten werden, welche Generalisationen dieser Funktio-
nen sind.
Um die Konstruktion zu vereinfachen, definiere ich vorerst
den Hilfsbegriff der Folgerung nten Grades:
Definition 16. x ist eine Folgerung ntcr Grades
aus der Aussagenklasse X dann und nur dann, wenn
xeAs, XCAs, n eine natrliche Zahl ist und dabei entweder
(a) n=O und xeX, oder n>O und eine der folgenden fnf
Bedingungen erfllt () x ist eine Folgerung n-1
1
en Grades
aus der ](lasse X; (y) es gibt solche Aussagefunktionen u und w,
eine solche Aussage y und solche natrliche Zahlen k und l,
dass x die GeneraliBation der Funktion u, y die Generali-
satiun der Funktion w ist, u sich aus der Funktion w durch
Einsetzung der Variablen vk fr die Variable Vt ,qewinnen lsst
und dass y eine Folgerung n-lten Grades aus der ](lasse X ist;
(Q) es gibt solche Aussagefunktionen u und w sowie .Aussagen y
und z, dass x, y und z beziehungsweise Generalisalianen der
Funktionen u, w + u und w sind und dass y und z Folgerungen
des n--lten Grades aus der Klasse X sind; (E) es gibt solche Aus-
sagefunlctionen u und w, e'ine solche Aussage y und eine solche
natrliche Zahl k, dass x eine GeneraliBation der Funletion
u + nk w, y eine Generalisation der Funletion u-t-w, Vk keine
freie Variable der Funktion u ist und dass y eine Folgerung
Grades aus der Klasse X ist; (S') es gibt solche Aussage-
l3D]
Der Wahrheitsbegriff
funktionen u und w, eine solche Aussage y und eine solche
natrliche Zahl k, dass x eine GeneraliBation der Funktion
u + w, y eine Generalisation der Funletion u + n k w ist und
dabei y eine Folgerung des n-1
1611
Cl-rades aus der Klasse X ist.
Definition 16. x ist eine Folgerung aus der Aus-
sagenklasse X - symboli:wh xeFl (X) - dann und nur
dann, wenn es eine solche natrliche Zahl n gibt, dass x eine
Folgerung nten Grades aus der Klasse X ist
32
).
Definition 17. x ist ein be-weisbarer (oder anM'
kannter) Satz- symbolisch xeBw - dann 'Und n:ur dann,
wenn x eine Folgerung aus der Klasse aller Grundslitze ist.
\"Vio man leicht ersieht, gehren zu den anerkannten
Stzen im Sinne der obigen Definition sowohl alle A_ussagen,
rl.ie man aus den Lehrstzen des Aussagenkalkls auf .ganz
gleiche \VT eise erhalten kann, auf welche die Grundstze der
ersten Kategorie (d. i. diejenigen, welche die Bedingung (a) der
Def. 13 erfllen) aus donAxiomendieser Theorie entstanden sind,
wie auch alle bekannten Stze des nicht formalisierten Klassen-
kalkls, falls sie nur vorher in die Spraehe, die den Gegenstand
der Betrachtungen bildet, bersetzt wurden. Um sich davon zu
Den Begriff der Folgerung knnte man auch unmittelbar (d. i
ohne Hilfe der Folgerung des nten Grades) z. B. in folgender \V eise
einfhren:
xeFl(X) dann undnur dann, wenn XC Asundwennjede Klasse Y,
wp,lchefolgende jiiuf Bedin[jUngen erfllt: (a) X c Y; (fl) wenn yeAs, y
einl-! Generalisation der Funkbion u, :z eine Generalisation der
tion w ist, u sich aus der .l<Unktiun w durch Einsetzung der Variablen vk
f1 rlie V"rinhle v
1
uewinnen lt.i:sst und dabei z r Y, so auch y t: Y;
(y) wenn ysA, y, z und t beziehungsweise Gencralisationen der Funk-
tionen u., w+u Ullld w sinrl und dabei ze Y und tc Y, so anoh ye Y;
(rl) wenn ysA, u und w Aussagej'unkUonen sind, y eine GeneraliBation
dc.1 Funld1on u+n
1
,w, z eine Generalisation der Funktion u+w ist,
nk keine freie Variable dm Funktion u ist und i!a.lmi zs Y, so aurh
'!Jf Y; (P) wenn ysA. u und w Aussagefunktionen sind, y eine Generali-
sation der Fnnlrtion u-1 w, zeine Ueneralisation der Funktion u+nkw
it>t und riobei ze Y, so auch y 1- Y, - zugleich der Formel: xe Y geniigl .
.Es ist jedoch l'.u bemerken, dass wir durch Umformung der eben
angegebenen Definition in eine rekursive Aussage vom Typus der Def. 10
eine Ant::sage gewinnen, welche weder der obigen Definition noch irgend
einer 1tnderen normalen Definition quivalent ist (vgl. 25)).
300
A lfred Tarski
[40]
ahmen wir in jedem konkreten Fall den entspre-
chenden Beweis aus dem Gebiete des Aussagenkalkls oder
des Klassenkalkls in der MetMvissenschaft nach. So z. B.
lsst sich in der oben erwhnteu Weise u. a. aus dem
bekannten Lehrsatz des Aussagenkalkls "ANpp" die Aus-
sage nl + 11,1) gewinnen. Indem wir den Beweis diescH Lehr-
satzes
33
) transponieren, legen wir der Reihe nach dar, das8 laut
der Def. 13 n, +i;:; + ,,.,), n, (t,,, + (t,,, + t,,,)) und
n
1
1
+t
1
,
1
+
+ (t
1
,
1
+t
1
.
1
) + + t
1
,
1
))) Grundstze
sind; demnach ist n
1
(t
1
,
1
+(t
1
,
1
-!-t
1
,
1
)-!-(t
1
,
1
+tu)), der Def.15
gemss, eino Folgerung des lWn Grades und
eine Folgerung des 2tE>n Grades aus der Klasse aller Grundstze.
n
(
i+
1
) ist also, mit Rcksicht auf die Def. 16 und 17,
1 1,1 1,1
ein anerkannter Satz.
An de-n Beispielen solcher Schlsse kann man sich die
Schwierigkeiten vorstellen, welche sofort entstehen wrden,
wenn man aus den Axiomen der J\fetawissenschaft die in ihnen
enthaltenen Voraussetzungen existentialer Natur eliminieren
wollte. Der L:"mstand, dass die Axiome uns jetzt nicht mehr
die Existenz dor einzelnen AnsRagen gewhrleisten wrden,
von denen wir dartun mchten, dass sie beweisbar sind, :fiele
weniger ins Gewicht; wesentliche Bedeutung besitzt erst der
Umstand, dass wir, sogar unter der Voraussetzung der Existenz
dieser oder jener konkreten Aussage, ihre Beweisbarkeit
nicht begrnden knnten, denn im Beweise mssten wir uns
auf die ]jxistenz anderer, in der Regel komplizierterer Aus-
sagen berufen (wie man schon aus dem Beweis des Satzes
"n
1
+ t
1
,J eBwv., den wir oben skizziert haben, ersieht,).
So lange wir OR mit speziellen Stzen vOm Typus "xeBw" zu tun
htten, knnten w:ir uns in der \Veise Rat schaffen, dast'1 wir
diese Stze mit Prmissen versehen, welche die Existenz der
zum Beweise notwendigen Aussagen gewhrleisten. Die Schwie-
rigkeiten wrden bedeutend wachsen, wenn wir zu Stzen
von allgemeinem Charakter bergingen, die besagen, dass
alle Anssagen gewisser Art beweisbar oder - noch allge-
meiner - Folgerungen aus der gegebenen Aussagenklasse sind;
33
) Vgl. Whitehead-Hussell
1
, Vol. I., S. 101, *21.
[41]
Der Wahrheitsbegriff
301
oft mssten wir dann in die Prmissen allgemeine existentiale
Voraussetzungen aufnehmen, die nicht schwcher wren als
diejenigen, welche wir ans Grnden der Evidenz aus den
Axiomen eliminiert htten M).
Auf Grund des oben Gesagten knnte man den Stand-
punkt einnehmen, dass die Def. 17 im Falle der Verwerfung
der existentialen Voraussetzungen nicht mehr alle Eigenschaf-
ten erfasst, welche wir dem Begriff des anerkannten Satzes
zuschreiben. Es entsteht dann aas Problem einer geeigneten
"Korrektur" der obigen Definition; prii.ziser ausgedrckt - es
"\Viirde sich um die Konstruktion einer Definit,jon cles aner-
kannten Satzes handeln, welche der Def. 17 auf dem Gebiet,e
der existentialen Voraussetzungen quivalent wre und dabei -
bereits unabhngig von diesen Voraussetzungen - jeden Satz
YOm Typus 1'lwenn die Au..ssage x existiert
1
so xeBuJI.I. nach sich
ziehen wrde, falls man nur Uen entsprechenden Satz nXEBw"
mit Hilfe der betra,chteten Voraussetzungen beweisen knnte.
Ich skizziere hier kurz einen Versuch der Lsung dief-loS Problems.
Man kann leicht nachweisen, dass das in der MetawjsRon-
schaft angenommene Axiomensystem eine Interpretation in der
Arithmetik dor natrlichen Zahlen beRitzt,: zwischen den Aus-
driicken und den natrlichen Zahlen lsst sich eine eineindeu-
tige Zuordnung durchfhren, wobei man den Operationen an
Ausdrcken Operationen an Zahlen von denselben formalen
Eigenschaften zuordnen kann. Wenn man diese Zuordnung
in Betracht zieht, kann man aus der Gesamtheit aller Zahlen
jene aussondern, welche den Aussagen zugeordnet sind, unter
ihnen die "Grund "-Zahlen hervorheben, den Begriff der ilFol-
gf:'.rung'' aus einer gegebenen Klasse von Zahlen einfhren und
endlich die "anerkannten" Zahlen als "Folgerungen" aus der
Klasse aller "Grund "-Zahlen definieren. \V enn wir nun ans
den Axiomen die existentialen Voraussetzungen eliminieren,
so verschwindet die eineindeutige Zuordnung: jedem AuRdrnck
wird auch weiterhin eine natrliche Zahl,- aber nicht jeder
Zahl ein ..A_uRdruck entsprechen; trotzdem darf man den vorhin
e ~ t i m m t e n Begriff der "anerkannten" Zahl beibebalten und
die anerkannten Stze als solche r:lefinieren, die den "an-
3
') Dies kann man leicht am Beispiele der Stv.e 11, 12, 24 und 28
aus dem B B er:->ehen.
302
Alfred Tarski
[42]
erkannten(( Zahlen zugeordnet sind. Wenn wir auf Grund
dieser neuen Definition zu erweisen versuchen, dass eine kon-
krete Aussage anerkannt ist, werden wir - wie leicht zu
erRehen ist - nicht mehr gezwungen sein, uns auf die Existenz
irgend welcher anderer Aussagen zu berufen. Nichtsdestoweniger
wird der Beweis - was mit Nachdruck betont werden muss-
auch weiterhin eine (wenn auch schwchere) existentiale Vor-
aussetzung erfordern, nmlich die Voraussetzung, dass es gen-
gend viele natrliche Zahlen oder - was auf dasselbe hinaus-
luft - gengend viele verschiedene Individuen gibt. Lm
also aus der neuen Definition alle erwnschten Schlsse abzu-
leiten, mssten wir in der Metawissenschaft das sog. Axiom
der Unendlichkeit annehmen, d. i. die Voraussetzung,
nach welcher die Klasse aller Individuen unendlich ist:f15). Es
ist mir kein anderer, wenn auch noch weniger natrlicher uud
Weg bekannt, der unabhngig von obigem
Axiom zu einer zufriedenstellenden Lsung Ues gegebenen
Problems fhren wrde.
Im Zusammenhang mit
und des anerkannten Satzes
erwhnt. Wenn man nmlich
Wissenschaft selbst und nicht
den Begriftn der Folgerung
habe ich sog. Schlussregeln
den Aufbau einer deduktiven
die auf dem G-ebiete der Meta-
Wissenschaft durchzufhrende Erforschung einer solchen Wis-
senschaft beabsichtigt, so gibt man anstatt der Def. 17_ eine
R,egel an, nach der man zu einer Wissenschaft jede Folgerung
aus den Axiomen dieser Wissenschaft als anerkannten
hinzufgen darf. In unserem l!'allo knnte man diese Hegel in
vier Regeln zergliedern - den vier Operationen entsprecheud
7
die wir bei der Konstruktion der Folgerungen anwenrleu.
Mit Hilfe der Begriffe der Aussage und der Folgerung
lassen sich schon in die Metawissenschaft alle wichtigsten
methodologischen Begriffe einfhren) insbesondere die Begriffe
des deduktiven Systems, der Widerspruchsfrei-
heit und der Vollstndigkeit3t.).
Definition 18. X ist ein deduktive.'? System dann
und nur dann, wenn Pl (X) C XC As.
J'l) Vgl. Whitehen.d-Russel1
1
, Vol. II.
7
R. 208.
36) Vgl.
+ + 12,
3
)))
unter die anerkannten Stze aufzunehmen, was indes gewhnlich nicht
Zum Problem des gegenseitigen Verhiiltnisses beider Begriife:
des anerkannten Satzes und der wahren Aussage werde ich im Laufe
tlor Untersuchung noch mehrmals zurckkehren.
l4ii J
Der Wahrheitsbegrift'
305
bedeut,ende Anssage; so z. B. entsprechen der Aussage
.Jlx,Ilx
11
Aix,x
11
lx"x," der Name
und die
Aussage ,,fr beliebige Klassen a und b - aCb oder bCa''.
Um den Inhalt des Begriffs der \Vahrheit in Bezug auf
irgend eine konkrete Aussage der hfltrachteten Sprache zu cr-
liintcrn, knnen wir dieselbe Methode anwenden, die wir im 1
hei der Formulierung der Aussagen (3) und (4) verwendet
haben: wir nehmen nmlich das Schema (2) (vgl. S. [8]) und
ersetzen dort das Symbol "x" durch den Namen der gegebenen
Aussage und "p"' durch eine Aussage, welche die bersetzung
der gegebenen Aussage in die Metasprache ist. Alle auf diesem
\Vege gewonnenen Stze, z. B. "n
1
n
2
(t
1
,
2
+t
2
,
1
) ist eine
wahre A u,ssage dann und nur dann, wenn - fr beliebige
Klassen a und b - a C b oder b C a", gehren selhstverstnd-
lieh 1\i[etasprache und erklren in prziser und mit dem
Sprachgebrauch bereinstimmender Weise die Bedeutung der
in ihnen auftretenden Redewendungen von der Form "x ist eine
wahre Aussage"'. Von einer allgemeinen Definition der wahren
Aussage soll man also - im Grunde genommen - nicht viel
mehr verlangen, als dass sie, die gewhnlichen Bedingungen
der methodologischen Korrektheit erfllend, alle Teildefini-
tionen von diesem Typus als Sonderflle umfasse, dass sie
sozusagen ihr logisches Produkt sei; hchstens kann man noch
verlangen, dass zum Umfang des definierten Begriffs aus-
schliesslich Aussagen gehren, dass sich also auf G1und der
konstruierten Definition alle Stze vom Typus "x ist keine
wahre Aussage" beweisen lassen, in denen an Stelle des "x"
der Name eines beliebigen Ausdrucks (oder eines anderen
Gegenstandes), der keine Aussage ist, auftritt.
'Venn wir zur Bezeichnung der Klasse aller wahren Aus-
sagen das Symbol "Wru einfhren, so werden ohige Postulate
In folgender Konvention ihren Ausdruck finden:
Konvention W. Eine formal korrekte, in den Termini
der Metasprache formulierte Definition des Symbols "W'r" wer-
den wir eine zutreffende Definition der Wahrheit
nennen, wenn sie folgende Folgerungen nach sich zieht:
(a) alle Stze, die man aus dem Ausdruck "xeWr dann
und nur dann, wenn p" gewinnt, indem man fr das Symbol x
006
Alfred Tarsld
[46]
eitum
(cl, L "1XnZ
111
") dann. und nur dann$ wenn aCb.
\Vir ge-hen schliesslich zu1n allgemeinen Falle ber, wo
die gegebene Aussagefunktion eine beliebige Zahl von freien
Yariablen enthlt. Um eine einheitliche Ansdrucksweise zu
erhalten, werden wir von nun an nicht sagen
1
dass gege-
bene sondern dass eine gegebene 11 n end l
ehe Folge von Gegenstnden eine gegebene Aus-
sagefunktion erfllt. Wenn wir uns dabei auf die Be-
t.raehtung der Funkt.ionen aus dem Klassenkaikill beschrnken,
so wird die Festsetzung einer eindeutigen Erklrung dieser
Wendung durch den "Cmstsnd erleichtert, dass alle Variablen,
die in der Sprache dieser Wissenschaft auftreten, in einer Folge
angeordnet. {numerierl) sind. Bei der Erwgung der
welche Folgen die gegebene Aussagefunktion erfllen, werden
wir nmlich immer eine derartige eindeutige Zuordnung ge-
'.viAser (Uieder der Folge f zu den freien Variablen der betrach
h'ten Ji'unktion im Auge haben, bei welcher jeder Va..r:iablen
da, Glied der :Folge mit demselben Index entspricht" (d. h.
dor Variablen 1.1;; - das G-lied Oie Glieder dagegen, die
Variablen zugeordnet sind, werden wir tiberhaupt nicht
heriicksiohtigen
40
). Den Gang der in Aussicht. gestellten Erkl-
N) Dies ist brigens eine. Erlel.chterung reiu technischer Natur,
SB;!mt wenn wir nicht alle Variablen einer gegebenen Sprache in einer
J:'olge n.nnrdnen knnten {z. B. dBshalb, weil man als Va:riable Sym-
heliebiger Gestalt verwenden so kunten wir aJle Zei-
chen, alsr, alle Va.rifJ.h]en jedos g9gebenen Ausdrucks fUr sich
nruner:.:.reu, z. B. auf Gruwl ihre-r natrlichen Ordnung, in welcher sie
310
AlfreJ. Ta,rski
[50]
rnng selbst kann man am besten an konkreten Beispielen erlu-
tern. Ziehen wir z. B. die schon vorher besprochene Funktion
n
2
c
1
,
11
in Betracht; diese :E'unktion enthlt nur eine freie
Variable v
1
, wir beachkn also nur die ersten Glieder der Folgen.
Und zwar sagen wir, daAs die unendliche Fol_qe f von Klassen
die Aussagefunktion n
2
t
1
,
2
dann und nur dann erfiillt, wenn
rlie Klasse f
1
diese Funktion im frheren Sim1 erfllt, d. i., 'Wenn-
fr eine beliebige Klasse b - f
1
C b. In analoger Weise erfllt
die unendliche Folge f von Klassen die Aussagefunktion t
2
,
3
dann und nur dann, wenn die Klassen f
2
und fs die Funktion
im frheren Sinn erfllen, d. h., wenn (
2
C (
8
Allgemein lsst
sieh dieser in folgender Weise beschreiben.
Ziehen wir folgendes Schema in Betracht:
Die Folge f erfllt die Aussagefunktion x dann und nnr
dann, wenn f eine unendliche Folge von Klassen ist und wenn p.
Haben wir eine Aussagefunktion aus dem Klassenkalkl, so
ersetzen wir in diesem Schema das Symbol ,,x" durch einen
individuellen (strukturelldeskriptiven), in der Metasprache
formulierten Namen dieser :FUnktion, das ."p" dagegen durch
einen A usdrnck, den wir aus der betrachteten ],unktion ge-
winnen, indem wir sie in die Metasprachf' bersetzen m1d
gleich in ihr alle freien Variablen vk, v
1
u. s. w. durch ent-
sprechende Symbole ,.,fk", rlt' u. s. w. ersetzen.
Um eine allgemeine Definition des Erflltseins einer Aus-
sagefunktion durch eine Folge von Klassen zu formulieren,
welche alle aus dem angefhrten Schema in der obon beschrie-
benen Weise gewonnenen Teildefinitionen dieses Begriffs als
Sonderfalle umfasst, werden wir die rekursive Methode anwen-
den. Zu diesem Zweoke gengt es - unter Bercksichtigung
der Definition der A nssagefunktiou anzugeben, welche
im Ausdruck aufeinander folgen: das am weitesten links stehende Zei-
chen wrden wir das erste, das nchste das zweite nennen u. c;, w. Auf
diesem Wege knnten wir wieder eine ge\visse Zuordnung (lcr freien
Variablen einer gegebenen Funktion zu den Gliedern der J<'olge l18rstellen.
Diese Zuordnung \vrde selbstverstndlich mit der Gestalt der betrach-
teten Funktion variieren (im Gegensatz zu jener Zuordnung
1
die wir im
Texte beschrieben haben); dies wrde ziemlieh bedeutende Komplikat,ionen
in der Formulieruug der unten angegebenen Def. 22
1
und zwar Uer
Bedingungen (y) und (J) nach sich ziehen.
Der Wahrheitsbegriff
:m
Folgen die Inklusionen ""
1
erfllen, und weiterhin
wie sich der betrachtete Begriff verhlt, wenn an den Aussage-
funktionen eine von den drei Grundoperationen: des Negierens,
des Addicrens und des Generalisierens vollzogen wird.
Besondere Beachtung verdient hiobei die Operation des
Generalisierens. Es sei x eine beliebige Aussagefunktion; neh-
men wir an, dass es uns schon bekannt ist, welche Folgen die
Funktion x erfllen. Indem wir den Inhalt der betrachteten
Operation bercksichtigen, werden wir nur dann von der Folge f
behaupten, dass sie die Funktion n" X (wo k eine bestimmte
natrliche Zahl ist) erfllt, falls diese Folge die Funktion x
selbst erfllt und sie sogar dann nicht zu erfllen aufhrt,
wenn das kte Glied dieser Folge auf beliebige Weise variiert;
mit anderen Worten ----'- wenn jede Folge, die sich von der
gegebenen Folge hchstens an der kteo. Stelle unterscheidet,
diese Funktion erfllt. So z. B. wird die Funktion n
2
t
1
,
2
durch eine solche und nur eine solche Folge f erfllt, welche
die Formel: {
1
Cfll verifiziert und dies ohne Rcksicht darauf,
wie wir das zweite Glied dieser Folge variieren lassen (wie
man leicht ersieht, ist dies nur dann mglieh, wenn das erste
G Iied die leere Klasse ist).
Nach diesen Erluterungen wird das Verstndnis der
folgenden Definition dem Leser keine grl';seren Schwierig-
keiten bieten:
Definition 22. Die Folge f erfllt die Aussage-
runkt i o n x dann und nur dann, wenn f eine unendliehe Folge
von Klassen und x eine Aussagefunktion ist, welche eine von
den vier folgenden Bedingungen erfllen: (a) es gibt solche
natrliche Zahlen k und l, dass X=tk, t und f" C fz; () es gibt
eine solehe Aussagefunktion y, dass x=y 1.t-nd f die Funktion y
nicht erfllt; (y) es gibt solche AuHSagefwnktionen y und z,
dass X=?J+z und dass f entweder y oder z erfllt; (0) es gibt
eine solche natrliche Zahl k und eine solche Aussagefunktion y,
dass X= n k y und dass hiebei jede U'IWndliche Folge VO'It Klassen,
d:ie sich von f hchstens an der Jctel Stelle unterscheidet, die
Funkt,ion y erfllt
4
1).
'J) Die normale Definition, die obiger rekursiver Definition qui-
valent ist
1
lautet (vgL 36J):
312
Tarski
[o21
Hier einige Beispiele fiir die Anwendung obiger Definition
auf konkrete Aussagofunktionen: die unendliche f erfllt,
die Inklusion t
1
,
2
dann und nur dann, wenn f
1
C f
2
, die Funk-
tion
+t
3
,
2
dagegen dann und nur dann, wenn f
2
=I= f
3
; die
Funktion nz 1
1
,
2
, bzw. n
2
t
2
,
3
erfllen diejenigen und nur die-
nigen Folgen f, in welchen {
1
die leere Klasse, bzw. (
1
die volle
Klasse (d. i. die KlaRse aller Inrlividuen) ist; rjede nnondliche
Folge von Klassen erfllt schliesslieh die Funktion 1
1
,1, keim
derartige Folge dagegen erfiillt die Funktion t
1
,
2
tl>
2
Der eben definierte Begriff' besitzt eine hervorragende
Bedeutung fr die Hnter:suchungen ber die Semantik der
Sprache; mit seiner Hilfe lsst sich der Sinn einer ganzen
Reihe von Begriffen aus diesem Gebiete leicht przisieren,
z. B. die Begriffe des Bezeichncns, der Definierbarkeit
42
) und
der Wahrheitsbegri:ff, der uns hier vor allem interressiert.
Die Folge f erfllt die AussagefunktJion x dann und nur danu,
wenn Jede Relation R, welche folgender Bedingun,q gengt:
fiir beliebige g und y- damit gRy, ist es notwendig und hinrei-
r!hend, dass g ei11e unendUche Folge 1lOn Klassen, y eine Aussagefunk-
tion ist wnd dass es weiterMn entmeder (a) solche natrliche Zahlen Tc
und l gibt, dass
1
und gk C gl' oder () eine solChe Ausb'age-
funktion z gibt, dass y=Z und dass die Formel: gRz nicht besteht;
oder (y) solche Aussagefunktionen z und t gibt, dass y=z+t und dabei
g R z oder g R t; oder endlich ( ) eVne solche natrUche Zahl k und eiue
Aussagefunktion z gibt, dass y=n"z und dass dabei hRz fr
jede unendliche .F'olge h von Klassen, die sich von g hohstens an der
ht"n Stelle unterscheidet,
- auch dfe Formel: JR::v befriedigt.
U) Zu Hagen, dass der Name x einen gegebenen Gegenstand a
bezeichnet, ist dasselbe, wie festzustellen, dass der Gegenstand a (bz>v.
jede Folge
1
deren entsprechendes Glied a ist) eine Aussagefunktion von
einem bestimmten Typus erfllt; in der Umgangssprache handelt es sich
hier um Anssagefunktionen, die aus drei Teilen in dieser R.eihm1folgR
bestehen: aus einer Varialllen, aus dem Worte "ist" und aus O..em gege-
benen Namen x. - Was den Begriff der Dofinierbarkeit anbetrifft, so
werde ich seinen Inhalt nur in einem besonderen Falle zu erklren
suchen. Wenn wir nmlich berlegen, \volche J<jigenschaften der Klassen
wir (in Hinsicht auf das hier errterte System des Klassenkalkls) als
lieJinierbar betrachten, gelangen wir zu folgenden Formulierungen:
lVir sagen, dass die Aussagefunktion x die Eigenschaft
E von Klassen dann wnrl nur dann bestimmt, wenn - fr eine
natrliche Zahl k - () :.r als e-i-nzige freie Vmirrble i\ enthiilt und
() damit die unendliche F'olge f von Klassen x erflle, etJ nutwendip
Der V\'ahrheit.sbegriff
313
Begriff der "\Vahrheit gelangen wir auf folgende
'V eise. Auf Grund der .Def. 22 unrl der ihr vorangesuhickten
Betrachtungen anschaulicher A.rt kann man sich leicht ver-
gegenwrtigen, dass der Umstand, ob eine gegebene Folge eine
gegebene Aussagefunktion erfllt, nur von jenen Gliedern
der Folge abhngt, die (in Hinsicht auf ihre Indizes) den
fri:Jien Variablen der betreffenden Aussagefunktion entsprechen.
Im extremen Fall also, wenn die betraehtete Funktion eine Aus-
sage ist, demnach berhaupt keine freien Variablen enthlt (was
dio Def. 22 keineswegs ausschliesst), hngt das Erflltsein einer
_Funktion durch eine Folge berhaupt. nicht von den Eigen-
schaften der Glieder der Folge ab. Es bleiben dann nur zwei
Mglichkeiten brig: entweder erfllt jede unendliche Folge
von Klassen die gegebene Aussage, oder es erfllt sie keine Folge
(vgl. die unten angegebenen Lemmata A und B). Die Aussagen
der erston Art, z. B. U
1
'
1
,
11
sind eben die wahren Aussagen;
die A m;.sagen der zweiten Art, z. B. n
1
knnen dern-
eutspreehfmd falsche Aussagen genannt werden.
Definition 28. x ist eine wahre Aussage- sym-
bolisch XE Wr - dann und nur dann, wenn xc As und wenn jede
unendliche Folge von Klassen x erfllt "!.I).
Nun ergibt sich vor allem die Frage, ob die eben ange-
gebene Definition, deren formale Korrektheit keinem Zweifel
nnd hinreichend ist, dass fk die l!J besitzt; wir sngen, dass
die .1-:igenschaft E von Klassen dann und nur dann definie1bar
ist, wenn es eine Aussagefunktion x gibt, welche E bestimmt.
Auf Grund dieser Festset.zungen knnte man z .. R zeigen, dass
solche F.igenHchaften von Klassen wie die Leerheit, das Enthalten nur
eines :FJlementes, bzw. zweier) dreier u. s. w. Elemente definierbar sind.
lTnrlefinierbar ist dagegen die F.igensc.haft des Enthaltens unendlich vieler
Elemente (vgl. die im Zusammeuhang mit den Stzen 14-16 unten ange-
fhrten Bemerkungen). Man sieht auc.h, dass bei dieser Interpretation
iier Begri-ff rler Definierbarkeit gar nicht davon abhngt, ob die Forma.li-
si.erung- der untersuchten Wisse-nschaft die Mglichkeit der Konstruktion
von Definitionen zttlsst (vgl. 11)). Genauere Ausfhrungen ber die Defi-
nierbarkeit findet man in der Arbeit
"
3
) In der ganzen obigen Konstruktion knnte man anstatt mit unen-
tlt'tchen Folgen mit endlichen Folgen von einer variablen Anzahl von Glie-
dern operieren. Es wre dabei bequem, den Begriff der endlichen Folge
zu veratl gemeinern: bei der bisherigen Interpretation dieses Terminus
(vgl. S. [27]) muss eine Folge, die das nte Glied besitzt, aueh alle Glieder
314
Alfred Tarski
r54J
unterliegt, auch sachlich riehtig ist - wenigstens in dem Sinne,
\Velcher vorher in der lConvention 1U festgesetzt worden ist.
Man kann zeigen, dass die Antwort auf diese :Frage positiv
ansfllt: die Def. 23 ist m:ne zutreffende Definition der Wahrheit
im Sinne der Konvention 'ill, da sie alle in dieser K ouvention
angefhrten .E'olgernngen nach sich zieht. Man ersieht jedoch
ohne Schwierigkeit (schon daraus, dass die Anzahl diosor Fol-
gerungen unendlich ist), dass die exakte und allgerneine Be-
grnduHg dieser Tatsache in dem Rahmen der bisherigen
Untersuchungen keinen Platz findet: der Beweis wrde den
_i\ nfbau eines gnzlich neuen Apparats erfordern, und zwar
vor allem den bergang zu der - um eine Stufe hher lie-
genden - Meta-.Metawissenschaft, welchem die Forma-
li:'lierung der MetawisRonschaft, die die Grundlage unserer Unter-
suchungen bildet, vorangehen msste
38
), Wer jedoch den Boden
der bisherigen Erwgungen nicht verlassen will, dem bleibt
nur der empirische Weg - die Verifizierung der besprochenen
Eigenschaft der Def. 23 an einer Reihe konkreter Beispiele.
mit Indi?.es, die kleiner als n sind, besitzen, - nun htte man von diesem
Postulat abzugehen und jede eindeutige Relation, deren Gegengebiet aus
einer endlichen Anzahl natrlicher, vou 0 verschiedener Zahlen besteht,
eine endliche }'olge zu nennen. Die Modifikation der Konstruktion wrde
darin bestehen, dass aus den Folgen, welche die gegebene Aussagefunk-
tion erfllen, alle "berflssigen'' Glieder eliminiert wrden, welche auf
das ErfLltsein der }'unktion koinen Einfluss ausben: falls in der Funktion
als freie Variable v", v
1
u. s. w. (selbstverstndlich in endlicher Anzahl)
auftrfi.ten, wrden in der l<'olge, die diese Funktion erfllt, ausschliess-
lich Glieder mit den Indizes k, l u. s. w. verbleiben; so z. R. wrden
die Funktion "
4
die und nur die Folgen f von Klassen erfllen, die
nur aus zwei Gedern J2 und ./4
1
welche die :Formel: JiCf, verifizieren,
bestehen. Der Wert einer solehen Modifikation leuchtet vom Standpunkt
der Natrlichkeit und der bereinstimmung mit dem blichen Vorgehen
ein, nichtsdestoweniger treten bei ihrer genauen Durchfhrung gewisse
Mngel logischer Natur a.uf: die Def. 22 nimmt eine kompliziertere Form
an. Was den Begriff der Wahrheit anbetrifft, so ist zu bemerken,
dass - nach obiger Auffassung - nur eine Folge, nmlich die
Folge, die kein einziges Glied besitzt., eiiw Aussage, d. i. eine Funktion
ohne freie Variable erfllen kann; wahr wird man demnach solehe
Aussagen zu nennen habeu, welche die "leere'' Folge tatschlicl! erfllt.
Eine gewisse Knstlid1l>eit dieser Definition wird bei alten
Anstoss erregen, die mit den spezifischen Verfahruugsweisen, welche man
in den mathematischen Kon:;Jtruktionen anzuwenden p:flP:gt, nicht gen-
gend vertraut sind,
[55]
Der Wahrheitsbegriff
315
Betrachten Wlr z. B. die Aussage n1 Ulltl,2 J d. i.
,, /J:x
1
N llx
11
Nix, x
1
/'. Der Def. 22 gernss erfllen die Aussage-
funktion 1
1
,ll jene und nur jeue Folgen f von Klassen, fr wel-
che Cf
2
, ihre Negation dagegen, d. i. die Funktion nur
jene Folgen: fr die f
1
c= f
2
gilt. Infolgedessen erfllt eine
F'olge f die Funktion n, t
1
,
2
nur dann, wenn jede },olge g,
w8lche sich von f hchstens an 2ter Stelle nnterscheirlet, die
Funktion erfllt, also die Formel: g
1
c= g
2
verifiziert; da
g
1
= f
1
und die Klasse g
2
eine ganz beliebige sein kann, so
erfiillen die Funktion n
2
t
1
,
2
nur derartige Folgen f, dass -
fr eine beliebige Klasse b - !
1
Ci= b. Schliessen wir in ana-
loger Weise weiter, so erhalten wir das Ergebnis, dass die
}'olge f die Funktion U
11
t
1
,
2
) d. i. die Negation der Funktion
nt
nur dann erfllt, wenn es eine Klasse b gibt, fr die
f
1
c b gilt; des weiteren ist die Aussage n
1
U
2
t
1
,
2
nur dann
(durch eine beliebige f) erfllt, wenn es - fr eine be-
liebige Klasse a Klasse b gibt, fr die aC b. Indem
wir hier schliesslich die Def. 23 anwenden, gewinnen wir sofort
einen von den Stzen, die in der Bedingung (a) der Konven-
tion 'lU beschrieben wurden:
n
1
U
2
1
1
,
2
c Wr dann und nur dann, wenn es -fr eine
beliebige Klasse a - eine Klasse b gibt, fr die a C b.
Darans sehEessen wir unter Bentzung der bekannten
Sittze des Klassenkalkls nunmehr ohne Schwierigkeit, dass
n
1
U
11
t
1
,
2
eine wahre Aussage ist.
Ganz analog knnen wir mit jeder anderen Anssage der
betrachteten Sprache verfahren: wenn wir fr eine derartige
Aussage eine entsprechende in der Bedingung (a) beschriebene
Behauptung konstruieren und dasselbe Schlussverfahren wie oben
anwenden, knnen wir ohne die geringste Schwierigkeit beweisen,
dass iliese Behauptung eine Konsequenz der von uns angenom-
menen Definition der "\Vahrheit ist. In zahlreichen Fllen kn-
nen wir mit alleiniger Hilfe der einfachsten Gesetze der Logik
(aus dem Gebiete des Aussagen- und des Klassenkalkls) aus
den auf diesem Wege gewonnenen Stzen definitive Schlsse
ber die Wahrheit bzw. ]
1
alschheit der betrachteten Aussagen
ziehen: so z. B. erweist sich U
1
U
2
als wahre,
n
1
n
2
als falsche Aussage. In Bezug auf andere Aussagen,
3Hi
Alfred Tarski
[5ti]
z. B. in Bezug auf die n s ~ a g e n
1
n
2
ns (t
1
,
2
+r
2
,
3
+t
3
,
1
) oder
ihre Negation, knnen wir die analoge Frage nicht entscheiden
(wenigstens HO lange nicht, als wir nicht zu den speziellen
Voraussetzungen der Metawissenschaft von existentialem Cha-
rakter greifen - vgl. S. [30]) : die Def. 23 allein gibt nm-
lich kein allgemeines Kriterium fr die 'Vahrheit einer Aus-
sage
44
); nichtsdestoweniger wird jedoch durch die gewonnenen
Stze der Sinn der entsprechenden Ausdrcke vom Typus
"zE Wr" verstndlich und eindeutig. - Es soll ausserdem noch
bemerkt worden, dass auch der in der Bedingung () der Kon-
vention W angefhrte Satz eine. evidente Konsequenz der be-
sprochenen Definition ist.
Durch diese Erwgungen wird der Leser zweifellos die
subjektive Gewissheit gewinnen, dass die Def. 23 tatschlieh
die Eigenschaft besitzt, um die es sich uns handelt: sie gengt
allen Bedingungen der Konvention 'ilJ. Um die auf diesem \Vege
gewonnene berzeugung von der sachlichen Riehtigkeit der
konstruierten Definition zu festigen, lohnt es sich, einige
charakteristische allgemeine Stze kennen zu lernen, welche
man aus ihr ableiten kann. Um die Belastung der Arbeit, mit
rein deduktivem Material zu vermeiden, fhre ich fliese Stzo
ohne genaus Beweise an '
5
).
Satz 1 (der Satz vom Widerspruch). Frjede belie-
bige Aussage x gilt entt.veder z -i W r oder x E W r.
Dies lst eine fast unmittelbare Konsequenz der Def. 22
und 23.
u) Dies ist brigens, wenigstens vom methodologischen Gesichts-
punkt aus gesehen, kein Mangel der betrachteten Definition; sie unter-
scheidet sich in dieser Hinsicht keineswegs von einem. bedeutenden '1\:dl
der in den deduktiven Wissenschaften auftretenden Definitionen.
t
5
) Den Beweisen liegen die aUgemeinen Gesetze der Logik, die
spe?dfischen Axiome der Metawissenschaft und die Definitionen der in
den Stzen auftretenden Begriffe zu Grunde. In einigen Fllen ist die
Anwendung der allgemeinen Eigenschaften der Begriffe der Folgtmmg,
des deduktiven Systems u. s. w., walehe ich in der A.J:beit 'l
1
arski
1
angegeben habe, angezeigt j die dort erzielten Ergebnisse drfen wir
verwenden, denn die hiBr eingefhrten Begriffe der Aussage und der
Ji'olge.rung erfllen, wie leicht. gezeigt werden kann, alle Axiome, auf die
sich die erwhnte Arbeit sttzt.
Der Wahrheitsbegriff
317
Satz 2 (der Satz vom ausgeschlossenen Drit-
ten). Filr jede beliebige Aussage z gilt entweder xe TVr,
oder x E Wr.
Im Beweise spielt folgendes Lemma, welches aus den
Def. 11 und 22 folgt, eine wesentliche Rolle:
Lemma A. Erfllt die Folge f die Aussagefunktion x
und gengt die unendliche Folge g von Klassen folgender Bedin-
gung: h"i,r jedes k gilt = gk, wenn nur t'k eine freie Variable
der Punktion ist, so erfllt auch die Folge g die Funktion
Als unmittelbare Folgerung aus diesem Lemma und der
Dnf. 12 erhalten wir das Lemma B, welches im Verein mit
den Def. 22 und 23 nunmehr leicht zum Satz 1 fhrt:
Lemma B. Wenn zeAs und wenn mindestens eine un-
endliche Folge von Klassen die Aussage x erfllt, so erf-llt
jede nnendliche Folge von Klassen die Aussage x.
Satz 3. Ist XC Wr, so auch Fl(X)CWr; i'IU!besondere
also Fl (Wr) C Wr.
Diesen Satz beweisen wir durch vollstndige Induktion,
hauptschlich auf Def. 15, 16, 22 und 23 gesttzt; es ist hier
auch folgendes einfaches Lemma von Nutzen:
L e m m a C. Wenn y eine Generalisation der Aussage-
funlction z ist, so ist es dafr, dass jene unendliche Folge von
Klassen z erfllt, notwendig und hinreichend, dass jede unend-
liche Folge von Klassen y erfllt.
Als ResumS der in den Stzen 1-3 enthaltenen Ergeh-
nisse gewinnen wir (mit Hilfe der Def. 18-20) den
Satz 4. Die. Klasse Wr ist ein widerspruchsfreies und voll-
stndiges deduktives System.
8 atz 5. Jeder beweisbare Satz ist eine wahre A
m. a. W. BwC Wr.
Dieser Satz folgt unmittelbar aus Def. 17, aus Satz 3
und ans Lemma D, dessen Beweis (u. a. auf Grund von Def. 13
und Lemma C) keine Schwierigkeiten macht:
Lemma D Jeder Grundsatz ist eine wahre Aussage.
Satz 5 lsst sich nicht umkehren:
318
Alfred Tu1"Ski
[58)
Bat z (J. Es gibt wahre Aussagen, die nicht beweisbar sind#.
"Tn. a. JV. Tf'"r c:=:- Bw.
Dies ist eine unmitt.elba:re Folgerung aus Satz 2 und aus
folgendem dessen exakter Beweis nicht ganz Binfach ist;
Lem.ma E. Sowoltl n
1
ns t
1
,
2
-c-Rw, alsauch (it i Bw
46
).
Al'S eine Nebenkonsequenz der Sb:e 1, 5 und 6 fhre kh
RchliesfSlich noch folgenden Satz an:
-.'?atz 7. Ih:e Klasse Bw lst ein wickrspt"lwksftcir:.<r, a.bff
k,eln voltstndiges deduktives System.
In den Forschungen) dia gegenwrtig auf dem Gebiete der ::Metho--
tlologie tler deduktiven WissensMaften Letrieben (:insbesondere
in den Arbeiten der Gttinger Schule: die sii.J.l um Hilbert gruppiert}
spielt eine viel Itolle als der absolute Begriff der \Vn.lnht::dt
1
von dem bisher die Rede ein anderer Begdff von relativom
welcher jenen als Sonllerfa.U ntnlic.h der Begriff deT in einem
Individuenbereich a richtigen oder wahren Aussn.gc}s).
unter verstehen wlr ga.ul': tollgemein und unexakt gesproehen jede
lf) w-urden wir (wie es oft geschieht vgl. 37)) die Aussago
n
1
nt den anerkannten Aussagen angliedern, so knnten wir hiel'
1
augtatt Lemma l:, T..emmo. F,' anwenden:
Lemma E'. 8owohlntn"2 (r
1
,1+ t2,
1
f;Bu;, f 13/L'.
Die ldee das Beweises dlSer boiden Lenm:mta ist dieselbe. wie die
drJr Beweise der Widerspl'ne.hsfreiheit und der T:nvoUstndigkeit des sog.
engeren F'unktionenkalklsl wefehe wir im Bu;;Jl.B Hilhtnt--
Aekermann1, 8. 05--68 flnrlon,
H) Der Leser, de:r fft-r die Begriffe und Untt>:r!nwb.mge-n
aus dem Gebiete der Methodolgie der dednktiven WissenschMteu kein
grsaeres lnte:resse hat, kann div. hie:r :im Kleindn1ck
runge11 der 3 nnd 4 ilbergohen (im engeren Zusammenhang mit deY
Grundidee dieser Aeboit stehen nur .die Ausfhrungen aufS.
tk,t+t
.
Definition 31. x=;:" dann und nur daun, wenn euiweder n=D
atnd a:=f/
0
, oder n:;:f:: 0 und
Wie es a-ns diesen Definitionen folgt, stellen die Aussagen {i., bxw. }'
1
,
{wobei_ n eine beliebige natrliche Zahl fest, dass es hchst>mH n
bzw. gouan *"" verschiedene eiaolomoutige Klassen, oUer - was daseBlbe
be.:sugt verschiedene Individuen gibt.
[61.)
Der W nh.rheitsbagrlf1
321
Definition S2. x i.st eine quantitative Aussage (oder
oine Au8saoe ber die .Anzahl der [JJ,dividue-n) dann und nur
dann, u;enn es eine solche endUohe i<olge p t-"on n natiirlioJw.n Zaklen
gif,t, dass entweder oder
IC'h werde jetzt eine Reihe von charakterist.ischen Eigenscliaft.en
der dc.flnlerton Begriffe und von wiehtigeren Znsa.mmonhugen angeben,
wfllche sie mit J'rtlher angef!lhrten Begriffen verbinden; es werden
:hiet 11. a. einige ResultJttc von mehr spe;;ieller Natur ihren Platz finden,
die mit spezifischen Eigcns<:haft,en des Klassenkttlk:la in Verbindung
t<tehen oud gidt triebt auf andere Ihstiplinen vou verwandter logiseher
Struktm ausdehnen lassen (z. B. die Stze 11 24 und 28).
Satz 8. J1l"enn a eine Klasse von Indi:tWlu.en und k die
keit dieser ist, so ist es daf-ii.r, dass x eiue im lndit:fdue:nbe-
reir:h a. riChtige Aussage ist; notwendig tt1td hiureirlteru:I, dass x Rtk.
Dt Beweis grndet u, a. auf folgendes welches aus
lM, 24 folgt:
F, Es sekm a und b zwei Klassen von Iwdi"'Wtuen
und R eine Relation, die fol!Jend.en Bedi'llgungen geniigt: (a) fr belie-
bige /' umrl u' - wenn f' Rg', so ist f' eine wnendliche Fol!J8 con Unter-
klassen. der Klasse a, ,q' dagegen der Klasse b; (p) ist f eine beUel>ige
1/nmulliohe POlge oon Unterklasse-n der Klasse a, so gibt es eine solche
Fol[!t: g', da.tJs f' Ru'; (y) i:St t/ eine belieln{le unendliche Fol-ue von Unter-
klttssen der Klasse b, so gibt es ein-e sok:he Folge j'', dass f' Ru';
fr beUebige f', !l I j"', tl', k und l - wenn r Ru', f" Ru'' und k
ti,nd l n-ntiirliohe, 'IXm 0 verschirA.ettR Zahlen s-ind, so gilt fr.._' c: f." dann
und nwr da.;-m} u.:m:H u; c U/' Wenn dann fRg und die Folge f die
Au.sMgf'J'unktion x im lnili-1Yidtumberei-oh a erfllt, so 0rfU:t die Folge fJ
die.se n Indiv-iduenbereich b.
A u_s diesem Lemma wir leicht mit Hilfe der Def. 25
folgendes Lemma-. G
1
welches im Verein mit Def. 26 sofort dan Satz 8
(;}gibt:
Lemma G. W'"enn die Klassen 1'-?n 11-Klividuett a und b o!eich-
miiohtio sind und a:; eine '.im a riohtige Aussage W"
so ist :<:: auch eine im Inditnduenberm:ch b richUge Aussage ...
Nach Satz 8 {bzw. J ... emma.- G) hngt der Umfang des Begriffs
,eine im Individuenbereich a richtige Aussa.ge'' ausschliesslich von einer
e:inz\gen Eigenschaft der Klasse a ab, niimHeh von ihrer Mchtigkeit;
ili& erlaubt uns im weiteren rerlaufe uns<:l'J:'er berlegungen alle diesen
J:ler;riff betrdenden Ergebnlsso unber{lksichtigt zu lassen, weil ma.n
sie U11mi:ttelbar aus den ent:<Jpreehenden St4cn, die sich a.uf die
sen Jli
1
, beziehen, ableiten kann.
Mit R:lfa der Def. 24 und 213 k.'!.nn man die SAtze und die
L:mrnitta A-D verallgemeinern, indem man iu ihnen bm'.a.l1 tlie Ausdrcke
Alod 'l'arskl
[62]
Folge von IGas.?en", .,die Folge ... erfiil+t ,lie AussageJu'n/r-
tion .. . ", ..,wnhre. Aussage u. t-:, w. hexiehungs'\\'aise du-tch .,wnendtiehe
Folge von Unterkl<Wsen rler Klasse a", Folge.,. afllt die Aus-
sagefzml:Uon ... i:m I1tdit,ifiuenheJeirh a" ,.eine im InrNcidt,wnbereirh a
rkJ!lt{Je A.uslf;!age* u. s. w. etsobt; Satz; S sich die so
gewonnenen Ergebnisse ihrerseits atlf Aussagen auAdehneu, zu den
RtL gehren. Auf dies.em Vlege '\dl' u, o,, zu folg.::dc-n
YerallgemeinG:run:gen der Stze 4-6:
Satz }1. Fr jerle beliebige Kardinalzdht k ist die l({as.<Je Rtk ein
widmspt""lUihsfrei& un 1;olZstr.furliges deduAtivt.B SyateHt.
Satz- 10. Fr jede ludiebi:;e Ka.rditUilzahl k ot lltJ.' c Rtk, da-
gegen Rt,. er:: liw.
In Hinblick auf Sam 10 tauc.ht folgendes Pro"blem wie soH
mau di& Lisie der Grundstze "i.n ffflf. 13 varvoHstndlgen
1
damit die
KlaSriC' aller Folgerungen dieser e:rweitexten Kla:,;se von C+rundo11iltzen
mit der f:'Bgebeuen Klasse Rt/{. zns::unmf'nfalle? Die Bfltv.e 1J und 12,
!lie ich gleich anfUhren werde, enthalt1m die Lsung dieses ProbleDs
und be\'-'Clscn dase man -- in He,.;ug auf die Bp1Mhe desl\lr.ssen-
kalkiUs - die uns De:finJtion df.?.t' in einem Bereicho mit k Jo.:.Ie-
menten richtigen (Def. 26) durch eine andere, qaiva.lente, erS-<.'Itzen
kann
1
die der DeiLuition des bewe;sbaren SatzQs (Th.f, 17) analog ist und
die Uarum strukturtollen Charakter besitzt,
Satz 11. T-Venn lc ei-ne nau'.trliohe ZaJU und X die aus slitJ-dli-
chen A;ziomen u;nd den Aunsagett a und i';; be8li:lwnde Klasse i.st.
so ist Ilt, l!'l (X).
Satz 12. lVenn 1" unendliche I{ardinalzahl 1-tHd X die aus
smtlichen Ax4omlY11-, au-s der Au88f1ge rr un.-1 auFJ aUrw Aussagen t
1
(mo l ei:ne ll8!iebige natWrUolw Zaltl ist) bestehende KfaFJse iPt) so ist
Rt,-FtiX).
Der Dewtlis dieser S.tze stt:zt sich hauptsachlieh auf die Si:7;e n
und 10 und auf ilie dn;i folgenden Lemmat.s,:
Lemma 11. Fr jede lwlt-ih1ge J{ard4nalzahl k gilt
Dem m a I. k eine natrliche Zahl und l e.b-u:. von k Vffl"-
schif>.dene Kardinalf:ahl ist: so gilt r:. c und Y;r,; e R
1
, dage_qeH Y,, 11 Rx.
und r"' e R
1
Le.m ma K. 'flTenn XEAs und X die aus sii-michen _.t1xio-me-n und
der Au-ssage a besr-eJ<ende Klasse ist, .so gibt es ei-rle de:r 411-tssage x
mit Tliiekt'rfht auf die Klnsse X quit)a{ente Aussage y, derart dasi'J
&nttveder v eine quantitative Aussage ist odeJ< y e Bw oder f"'rtdlieh Y t Bw.
Lemma H und J sind fast (Wident, wogegen der Beweis sehr
wichtigen und an &ic1 interessanten Lemmas R nicht ganz einfach
.5n) llia,<re,"1 Lemn:,a i.st in seinem wesentlichen Teilo in den
taten entla.Iten, welche Mich in der .tbbeit Skolem" S. jiuden.
[R3]
32B
!-fit Hilfe von Satz 9 und Lemma l kann man aus Satz 12 fol-
gtHle Kouseq11em; ahleiten
1
welche im Verein rrJt Satz 11 die
lbten;ehit-40 hervortreten lsst, die in der logischen Struktur der
_1\.la;;san litg auft.reten, Je nachdem, ob l?.i6 Kardinalzahl k e-ndlich oder
uneudlkh iH1:
Srrtz lVemt k eine unendliche Kardinalzahl 'ist, so u-ibt es
k..eiv.r Klasse X, welche unter ihren E.'l{}menten eine endUohe Zahl
1'011 ,.:l/1-.'J8(11JCn besitzt, die keirw Aa:iome sind, u-nd dabei die POtmel:
Rt( = l<'l(X) 1:et{fi.:t-srtto).
Als leiclit zu gewinnewie Folgeruv.gen aus Lemma I und den
S!ttzeu 11 uud 12 fnhre ich ferner an:
8atz 14. ll"enn k eine natlitrUohe Zahl wnd l e?n.e t'On lt verschie-
rlene Katdutlzllhl -ist, so giU Rtk G::- Rt, und Rt, ('= Rt".
Satz 15. lVcnn k und l unemllkhe l(ardinal;;ahlen sind, so gilt
Rt;. Rt
1
l)atR 10. IVennk eineunendliche KatYl'inalzahl istund Xt:!Rtk, so
gWt es efne solche natrliche Zahl l, dass x s lltr ('m. a. U": die Rte
ist 1n dflr Summe aller diesc>r Kla.ssen Rt
1
enthalten).
Gemi-lss d.en Stzen 14-16 (bzw. Lomma. I) gibt os fr jede natr-
liche Zahl lc .;ine solche Aua<;:age,. welche hl jedem Bereiche mit k
Blemento:o und in keinem Bereiche von n.nder&r richtig ist;
dagegen jede in cinum unendlichen Bereiche richt-ige Aussage auch
in jedem unendlich{ill Bereiche (ohne auf seine
t:igkeit) und ansserdem in gewlstmn tmdlichen Bereichen richtig. Wlr
schliessen daraus, dass die betrachtete. Sprache &S gestattet, eine darartige
Eigenschaft von KlasHm von Individuen auszudrcken, wie das Bestehen
,.,,u", t,'"+:nat:: /c Elemeuten
1
wo k eine beliebige na.trliche Zahl ist; wir t1 nen
Jagegen in diooer Spmcho keiu M.ittel, um irgend eine Art
von 'CnendEchke.it (z. n. die AhY-llhlbfl..rkeit) &tlSZUzeichnen, und wir ve-r-
mgen nicht mit Hilfe einer einzigen oder t:-iner -endlichen Zahl
von Aussagen zwei E:igenschn.ften von Klll.ssen
1
wie Endliehkeit
unU Unemll'it',hkeit, voueinandel' zu u:Jt,ersoheiden M).
Lr) Die dea :Beweises dieses Satues ist dieselbe ;.Yie in den
Hewei"tm iler 81Ltze L 24 und I, 25 in der Arbeit 'l'arski
1
, S.
\Vurden wir aus dieser Arbeit die Def. l 3, S. 375 hie:r bernehmen und
zngle.ieh den Folgerungsbe.gdff, w.it dem wir operieren, erweitern
1
"rit ntLmHeh in der BefUngung (a) dsr Def. 15 die ."oder ;r ist &in
Aa;i-om" so knnten wir aus den Str-en 11 und 13 folgende
a-blciten:
D;;,mU die !(lasse ein xiomatisicrbares dedulctwcs System set,
i,<ri es notwwdig und htnrei.cl!rnti, dass k t:>ine Ftati-irtiC'Jm Zahl ist.
5
'1) Diese Ergebnisse: wie anch der angefhrte Satz 19, stam-
men von I,wEndtelm; vgl. Lwenhei11lt (besonderE Satz 4
1
8. 459)
und Skolem
1
324
Alfred Tarski
[64]
Mit Hilfe del." Stze 9, 11 und 12 beweisen wir den
Satz 17. Wenn X eine widerspruchsfreie Klasse 'llOn Aussagen
ist, die unter ihren Elementen smtliche Axiome und dt"e Aussage a
enthlt, so gibt es eine solche KardVnalzahl k, dass X c ntk; tDenn
hiebei X ein vollstndiges deduktives System ist,- so ist X= ntk.
\.Venn wir diesen Satz mit den Stzen 11 und 12 zusammem;tellen,
erhalten wir e1ne strukturelle Beschreibung aller vollstndigen deduktiven
Systeme, welche unter ihren Blementen smtliche Grundslitze und die
Aussage a enthalten. Es ist zu bemerken, dass das Vorhandensein der
Aussage a hier wesentlich ist: die Mannigfaltigkeit der Systeme, die
diese Aussage nicht enthalten, ist bedeutend grsser und ihre erschpfende
Beschreibung wi1rde nicht besonders einfach ausfallen
53
).
Die weiteren berlegungen betreffen Aussagen, die in jedem Indi-
viduenbereich richtig sind, d. h. :>:ur Klasse Rt gehren.
Satz 18. Damit Xl:Rt, ist notwendig und hinreichend, dass-
f!r jede Kardinalzahl k- xeRtk (m. a. W. die KlaBse Rt ist d&r
Durchschnitt aller dieser Klassen Rtk).
Dieser Satz, welcher eine unmittelbare Konsequenz der Def. Z7
und des Satzes 8 bildet, lsst sich mit Hilfe der Stze Ll und 16 wesentlich
verschrfen:
Satz 19. Damit a: e Rt, ist es notwendig und hilnreidhend, dass-
fr jede natrliche Zahl k - x c Rt,..
Die Richtigkeit einer Aussage in allen endlichen Bereichen zieht
somit schon ihre Richtigkeit in jedem Individuenbereich nach sic.h.
Aus den Stzen 9, 14 und 18 leiten wir ferner folgende zwei
Korollare ab:
Satz 20. Fr jede beliebige Kardirtalzahl k gilt RtCRtk, da-
gegen R t, CC Rt.
Satz 21. Die Klasse R ist ein widerspruohsfreies, aber keitn
vollstndiges dedUkUves
Satz 22. Bw c Rt, dagegen Rt Cl-= Bw.
Dieser Satz folgt aus den Stzen 10, 18 und dem Lemma L:
Lem'ma L. ctf.Rt, dagegen aeBw.
5
3) Mit Problemen von diesem Typus, d. i. mit der strukturellen
Beschreibung aller vollstndigen Systeme einer gegebenen Vlissenschaft!
habe ich mich in den .T ahren 1926--28 beschftigt, und zwar in An-
wendung auf verschiedene elementare deduktive Wissenschaften (Klassen-
kalkl, Arithmetik der reellen Zahlen, Geometrie der Geraden, Theorie
der Ordnung, Theorie der Gruppen); ber die noch nicht verffentlichten
Ergebnisse dieser UntersuC"hungen wurde in den Seminarbungen aus
dem Gebiete der Methodologie der deduktiven Wissenschaften berichtet,
die ich an der Warschauer Universitt in den Jahren 1927;28 und 1928/29
leitete. Vgl. PresburgerH S. 92-101 (besonders Anm. S. 95).
[65]
Der Wahrheitsbegriff
325
Dass a e Rt, gewinnen wir sofort ans Lemma H und Satz l8j deT
exakte des zweiten Teiles des Lemmas ist bedeutend schwieriger.
Satz 23. TVenn x eine quantitati-ve Ausl!>a-ge ist, so x eR.
Der Beweis, der sich auf Lemma I, Sat.z 18 und Def. 32 sttzt, bietet
keine Sc-hwierigkeiten.
Satz 24. Wenn X die aus siimtlichen Grundstzen und der
Aussage a bestehende Klasse ist, t>a gilt R t = Fl (X).
Diesen Satz kann man am leichtesten mit Hilfe der Stze lll 12
und 18 beweisen.
Indem wir das Lemma K anwenden, gewinnen wir daraus un-
mittelbar:
Satz 25. nrenn xeAs, xeRt und x e Rt, so gibt es eine quan-
titaUve Au-ssage y, die mit der Au.ssage x mit Rcksicht aufdie Klasse Rt
quivalent ist.
In Hinblick auf Lemma L und Satz 24 finden wir folgende
tuation vor: der Begriff der in jedem Individuenbereir.h richtigen Aus-
sage besitzt einen weiteren Umfang als der Begriff der anerkannten
Aussage, denn die Aussage a gehrt zum Umfang des ersten, aber nicht
des zweiten dieser Begriffe; wenn wir jedoch das System der Grundstze
durch eben diese einzige Aussage a vervollst.ndigen, werden die beiden
Begriffe umfangsgleich. \Veil es mir wnsehenswert scheint, dass - in
Bezug auf den Klassenkalkl - die Begriffe der anerkannten und der
in jedem Individuenbereich richtigen Aussage sich hinsichtlich des Um-
fangs nieht unterscheiden
5
4), wrde ich es eo ipso angezeigt finden, die
Aussage a zu den Axiomen der betrachteten VVissenschaft hinzuzufgen.
Es bleibt noch die Prage dos Verhltnisses des in Def. 23 einge-
fhrten absoluten Wahrheitsbegriffs zu den zuletzt untersuchten Begriffen
7.U klren.
Vergleichen wir die Def. 22 und 23 mit den Def. 24 und 25 und
wenden wir den Satz 8 an, so gewinnen wir leicht folgendes Resultat:
M) Von dieser Tendenz wird noch im nchsten Paragraphen die Rede
sein. J:<Js ist zu erwhnen, dass schon Schrd er, der brigens von anderen
Erwgungen ausgeht, den Vorschlag gemacht hat: das System der Vor-
aussetzungen des KlassenkalktUe durch Uie Aussage a zu vervollstndigen
(und sogar !lurch noch andere Aussagen, die ,jedoch - was man leicht
zeigen kann - in einfacher VVeise aus der Aussage folgen); vgl.
Scbrder
1
, II. Bd. 1. Abt., S. In diesem Zusammenhang
lmmerke ich, dass mir die IJinschaltung der Aussage a in das "formale"
System der Algebra der Logik (von dem der Klassenkalkl eine Inter-
pretation ist) nicht zweckentsprechend zu sein scheint: es sind ja viele
Interpretationen dieses Systems bekannt, in denen die betrachtete Aussage
nicht erfllt ist.
326
Alfred Tarski
[66]
Satz 26. Ist a die Klasse aller Indi1'1iduetl, so piU XE TVr rlann
und nur dann, wenn x eine im Bereichert richtige Aussage ist; wenn also
die Kardinalzahl k die AfdchUgkeit der Klasse a ist, so ist Wr = Rtk.
Eine unmitt-elbare Folgerung aus Satz 20 und 26 bildet
Satz 27. Rt c tVr, dagegen Wr (J..= Rt.
Wenn wir Satz 26 mit den SiLtzen 14 bzw. 11 und 12 zusa.mmen-
stellen, kommen wir zum Schluss, dass diejenigen Voraussetzungen der
Metawissenschaft, vermge welcher man bestimmen kann, welche Mch-
tigkeit die Klasse aller Indivluen besitzt (und die im Beweise des
Satzes 26 selbst nicht intervenieren), auf den Umfang des Terminus ,,wahre
Aussage" einen wesentlichen J<Jinuss ausben: der Umfang des betraclJ-
teton 'l'orminus ist verschieden je nachdem, ob jene Kla.sSH endlich oder
unendlich ist; im ersten Falle hngt der Umfang sogar davon ab, wie gross
die Mchtigkeit der besprochenen Klasse ist.
Weil man insbesondere auf dem Boden des hier angenmnmeneu
Systems von Voraussetzungen zeigen kann, dass die Klas",;e aller Indivi-
duen unendlich ist (vgl. S. [30]), ermglicht der Satz 26 im Verein mit
Satz 12 eine strukturelle Charakteristik der wahren Aussagen:
Satz 28. Damit xs Wr, ist es notwtmdig und hinreiche-nd, dass :r
ei:ne Folgerung aus der Klasse ist, d ~ aus smtUohen Axiomen, der
Aussage a und allen Aussagen y; besteht, wo l eine belieb1:ge natrliche
Zahl ist.
Dieser Satz knnte mit Rcksicht auf seine Form offen bar als
.Definition der -..vahren Aussage betrachtet werden; es wre dies fline
rein strukturelle, der Def. 17 des beweisbaren Satzes vollkommPn ana-
loge Definition. E.'l muss jedoch mit Nachdruck betont werden, dass die
Mglichkeit, eine derartige Definition zu konstruieren, eine rein zufllige
Erscheinung ist: wir verdanken sie den spezifischen Eigentmlichkeiten
der betrachteten Wissenschaft (jenen Eigentmlichkeiten, die u. a, in tlem
Lemma K, welches die wesentlichste Prmisse im Beweise der Siitze 12
und 28 bildet, ihren Ausdruck gefunden haben) sowie - in gewissem
Grade - den in der Metawissenschaft angenommenen starken exist-en-
tialen Vorausset,.;ungen; dagegen liegt hier - im Gegensatz zu der
ursprnglichen Definition keine allgemeine Konstruktionsmethode
vor, die man auch auf andere deduktive Wissenschaften anwenden
knnte.
Es ist bemerkenswert, dass man durch die Analyse des Beweises
des Satzes 28 und der Lemmata, aus denen dieser Satz folgt, ein allge-
meines strukturelles Kriterium der -Wahrheit. fr alle Aussagen der unter-
suchten Sprache gewinnen kann: aus dem Satze 28 lsst sich leicht ein
solches Kriterium fr quantitative Aussagen ableiten, und der Beweis
des Lemmas K gestattet es, jeder Aussage der Sprache eine ihr qui-
valente Aussage effektiv zuzuordnen, die, wenn sie nicht quantitativ ist,
[li7]
Der Wahrheitsbegriff
327
offeusi.cht.lich \vahr oder offensichtlich falsch ist. Bine analoge Bemerkung
giH fr den Begriff der Richtigkeit in einem gewissen, bzw. in jedem
Individuell bereiche.
DiP wichtigsten in diesem Abschnitt gewonnenen Ergeb-
nisse zusammenfassend, knnen wir folgendes feststellen:
es ist uns fr die Sprache rles Klas-
das zn kon:-;truieren, was wir vorher
erfolglos in Bezug auf ilie Umgangssprache ver-
sucht haben, nmlich eine formal korrekte und
zutreffende semantische Definition des
Ausdrucks "wahre Aussage-";
unter Ausntzung der spezifischen Eigentmlichkei-
ten des Klassenkalkls haben wir es dann erreicht, diese
Definition in eine ihr quivalente strukturelle Definition
umzuformen, aus der sieh sogar ein allgemeines Kriterium
der V{ahrheit fr die Aussagen der untersuchten Sprache
ableiten lsst.
4. Der Begriff der wahren Anssage in den Sprachen
endlicher Ordnnng.
Die Konstruktionsmethode, deren ich mich im vorigen
Abschuitte bei der Untersuchung der Sprache des Klassenkalkls
bedient habe, kann man - ohne besonders wesentliche Vern-
derungen - auf viele andere formalisierte Sprachen, sogar von
bedeutend komplizierterer logischer Struktur, anwenden. Die
folgenden Ausfhrungen sollen die Allgemeinheit dieser Me-
thode hervorheben, die Grenzen ihrer A nwendbarke.it bestimmen
und die 1\f odifikationen skizzieren, welchen fliese 1viothode in
den verschiedenen Fllen ihrer konkreten Anwendung unterliegt.
Es ist keineswegs meine Abslcht, in diesen Untersuchungen
alle Sprachen zu bercksiehtigen, die man sich berhaupt
denken kann oder die irgend jemand irgendwann konstruieren
mohte und knnte; ein derartiger Versuch msste im vor-
hinein zur Erfolglosigkeit verurteilt sein. In dem, was ich hier
f:!agcn \verde, werde ich naturgernss ausschliesslich Sprachen
von derselben Struktur, wie die untl gege1nvrtig beka.nnten,
in Betra.eht ziehen (in der vielleicht unbegrndeten berzeu-
gung, dass sie, wie bisher, so auch knftig ein gengAndes Fun-
dament, fr Jie Grundlegung des gesamten deduktiven Wissens
328
Alfred Tarski
[68]
bilden werden). Und sogar diese Sprachen weisen in ihrem
Aufbau so gross:e Unterschiede aLlf, dass der Versuch, sie in
einer ganz allgemeinen nnd dabei przisen \V eise zu unter-
suchen, auf bedeutende Schwierigkeiten stossen msste. Es sind
dies allerdings Unterschiede oher "kalligraphischer" Natur: so
treten z. B. in manchen Sprachen ausschliesslich Konstante
und Variable auf, in anderen knnen wir den Gebrauch
von sog. technischen Zeichen (Klammern, Punkten u. s. w.)
nicht vermeiden; in manchen Sprachen verwenden wir als
Variable Symbole von gerrau bestimmter Gestalt, wobei die
Gestalt der Variablen von ihrer Rolle und Bedeutung abhngig
ist, in anderen dagegen knnen als Variable ganz beliebige
Symbole verwendet werden, wenn sie sich nur ihrer Gestalt
nach von den Konstanten unterscheiden; in manchen Sprachen
wieder ist jeder Ausdruck ein von "linear geordne-
ten" d. i. in einer Zeile der Reihe nach aufeinander folgenden
Zeichen, in anderen knnen sich die Zeichen, die Bestandteile
eines und desselben Ausdrucks sind, in verschiedener Hhe,
nicht nur nebeneinander, sondern auch untereinander befinden.
Diese "Kalligraphie" der Sprache bt jedoch einen ziemlich
Starken Einfluss auf die Form der Konstruktionen im Gebiete
der Metas-prache aus, was ohne Zweifel schon bei einer flch-
tigen Durchsicht der vorangehenden Paragraphen in die Augen
springt
65
). Bereits aus diesem Grunde tragen die folgenden
Ausfhrungen einen skizzenhaften Charakter; dort, wo sie eine
mehr przise Form annehmen, betreffen sie konkret beschrie-
bene Sprachen, die auf dieselbe Weise wie die uns bekannte
Sprache des Klassenkalkls aufgebaut sind (also Sprachen ohne
technisehe Zeichen, mit gerrau bestimmter Gestalt der Variablen,
mit linearer Ordnung der Zeichen in jedem Ausdruck u. s. w.) !:'
6
).
55
) V gl. hiezu z. B. S. [ 49], besonders to).
5
fi) Um die folgenden Ausfhrungen in eine ganz przise, konkret.e
und dabei gengend allgemeine Form zu wrde es gengen, als
Gegenstand der Untersuchungen die Sprache irgend eines vollstiiudigou
Systems der mathematischen Logik zu whlen. Eine solche Sprache kann
nmlich als Sprache betrachtet worden, und zwar in dem
Sinne, dass alle anderen formalisierten Sprachen- wenn man von Unter-
schieden Natur absieht - entweder Bruchst.cke von
ihr sind oder sich aus jener Sprache bzw. aus ihren B-ruchstcken durch
Hinzufgung dieser oder jener Konstanten gewinnen lassen, wobei seman-
[69]
Der Wah1heitsbegriff
329
Ehe wir an unsere Hauptaufgabe - die Konstruktion der
Definition der wahren Aussage - herantreten, mssen wir in
jedem konkreten Falle den Aufban einer entsprechenden Meta-
sprache nnd die Grundlegung der Metawissenscha.ft; die das
eigentliche Untersuchungsgebiet bildet, vornehmen. Eine unse-
ren Bedrfnissen entsprechende Metasprache muss drei Gruppen
von Grundausdrcken enthalten: (1) Ausdrcke von allgemein-
logischem Charakter; (2) Ausdrcke, die mit allen Konstanten
der zu errternden Sprache gleichbedeutend sind oder zum
Definieren solcher gleichbedeutender Ausdrcke (unter Zugrunde-
legung der in der Metawissenschaft angenommenen Definitions-
regeln) hinreichen; (3) Ausdrcke von strukturell-deskriptivem
Typus, die einzelne Zeichen und Ausdrcke der betrachteten
Sprache, ganze Klassen und Folgen solcher Ausdrcke oder
tische Kategorien der betrefTenden Konstanten (vgl unten S. [74] :ff.)
Rchon tlurch gewis._.:;e Ausdrcke der gegebenen Sprache reprsentiert sind;
die Anwesenheit oder Abwesenheit derartiger Konstanten bt, wie wir
uns berzeugen werden, nur einen minimalen Einfluss auf die Lsung
des uns interessierenden Problems aus. Nichtsdestoweniger konnte ich mich
hier nicht entschliessen die "Untersuchungen in der erwhnten Richtung
v.u konkretisieren, und zwar aus folgendem Grunde. Das einzige mir
})ekannte vollstndige System der mathematischen Logik, dessen Forma-
lisierung- im Gegensatz z. B. zum System
keine Einwnde zulsst und vollkommene Przision aufweist, ist das
von I.e.Sn iewski begrUndete System, das bisher in seiner Gnze noch
nicht verffentlicht worden ist (vgl. LeSnjewski
1
und I.e.Sniewski
2
).
Leider scheint mir dieses System wegen gewisser Eigentm-
lichkeiten ein beraus undankbares Objekt fr: methodologische und
semantische Untersuchungen zu sein. Die Sprache dieses Systems ist nicht
als etwas potentiell
11
Fertiges" gedacht, sondern als etwas "Wachsendes":
es sind nicht im vorhinein alle Zeichen und Sprachformen vorgesehen,
welche in den Stzen des Systems erscheinen knnen; dagegen sind
genaue Regeln angegeben, welche in jedem Aufb11ustadium des Systems
seine sukzessive Bereicherung durch neue Ausdrcke und Formen ermgli-
chen; im Zu.<;ammenhang damit besitzen solche Termini wie "Aussage",
1
,Folgerung''
1
Satz", "wahre Aussage" in Bezug auf das
besprochene System keine absolute Bedeutung und mssen auf den jewei-
ligen aktuellen Zustand des Systems bezogen werden. Formal genommen
wrde es sogar schwer fallen, dieses System der allgemeinen, am Anfang
rleE! R 2 gegebenen Charu.kterisiorung der formalisierten dedukti:ven Wis-
sensdmften unterzuordnen. Lm unter diesen Umstltnden das System
Lebniewski's den Bedrfnissen der vorliegenden Untersuchungen anzu-
passen, msste es einer recht grndlichen Umarbeitung unterzogen werden.,
was jedoch den Rahmen. dieser Arbeit vollstndig sprengen wrde.
il30
.Alfred Tarski
[70]
endlich die zwischen ihnen Lestehenden Relat.ionen bezeichnen.
Die Unentbehrlichkeit dor Ausdrcke der ersten Gruppe ist
evident. Die Ausdrcke der zweiten Gruppe gestatten jede
konkrete Aussage oder, allgemeiner ausgedrckt, jeden sinn-
vollen A_usdrnck der betrachteten Sprache in die Met.asprache
zu bersetzen und die Ansdrcke der dritten Gruppe ermgli-
chen es, jedem solchen Ausdrucke einen ihn bezeichnenden
Einzelnamen in der Metasprache zuzuordnen; diese beiden
Umstnde spielen zusammengenommen eine wesentliche Rolle
bei der endgiltigen Formulierung der gesuchten Df>:finition.
Entsprechend den drei Gruppen der Grundausdrcke umfasst
das volle Axiomensystem der Metawissenschaft drei Gruppen
von Aussagen: (1) Axiome von allgemein-logischem Charakter;
(2) Axiome: die mit den Axiomen der untersuchten Wissen-
schaft gleichbedeuten.d oder logisch strker als sie sind, die
aber jedenfalls (unter Zugrundelegung der angenommenen
Schlussregeln) zur Begrndung aller mit den Lehrstzen der
betrachteten VVissenschaft gleichbedeutenden Aussagen hin-
reiahen
57
); schliesslich (3) Axiome, welche die fundamentalen
Eigenschaften der Grundbegriffe von strukturell-deskriptivem
Typus bestimmen. Die GrundaaRdrcke und Axiome der erstem
Gruppe (sowie die Definitions- und Schlussregeln) entnehmen
wir irgend einem gengend ausgebauten System der mathe-
matischen Logik; die Ausdrcke und Axiome der z\veiten
Gruppe sind naturgernss von den spezifischen Eigentmlich-
ll
7
) \Vie bereits bemorkt wurde (S. uns hier aus-
schliesslich solche deduktive Wissenschaften, die keine "formalen" 1\Tis-
senschaften in einer besonderen :Bedeutung dieses Wortes sind; ieh
habe dabei verschiedene Bedingungen - nicht formaler, sondern inhalt-
licher Natur - angefhrt, denen die hier untersuchten Wissensel1aften
gengen: ein streng bestimmter und fr uns verstndlicher S.inn der
Konstanten, die Evidenz der Axiome, die "'C"nfehlbarkeit der Schlussregcln.
Ein usseres Merkmal dieses Standpunkts ist eben der Ullistand, dass
-unter den GrundausdrUcken und den Axiomen der Metawissenschaft u. a.
die Ausdrcke und Axiome der zweiten Gruppe auftreten: denn sobald
wir gewisse Ausdrcke fr verstndlich halten odm a.n die Wahrheit
ge\visser Aussagen glauben, besteht keJ.:u HiiJdrnis, sich ihrer je nach
Bedarf zu bellienen; dies trifft auch auf die Schlussregeln zu, die wir im
Bedarfsfalle aus der \Vissenschaft. in die Metawissenschaft transponieren
dilifen. "Tir werden uns im -..veiteren Verlauf unserer berlegungen ber-
zeugen, dass in dem gegebenen Falle dieses Bedrfnis tatschlich besteh-t.
[71]
Der '\V ahrhei ts begriff
331
keiten der untersuchten Wissenschaft abhngig; fr die dritte
Gruppe e]l(llich werden entRprechende Muster in den Ansfh-
rungen des 2 geliefert. Es ist zn bemerken, dass die zwei
ersten Gruppen der GrLindausdrcke und Axiome sich teilweise
decken und in jenen Fllen, in denen die mathematische
Logik oder ihr Bruchstck Gegenstand der Untersuchung bildet
(wie dies z. B. beim Klassenkalh:l der Fall war), sogar ganz
zu einer Gruppe ver:fliessen.
Ist die Grundlegung der Metawissenschaft durchgefhrt,
so entsteht fr uns zunchst die Aufgabe, aus der Gesamtheit
aller Ausdrcke der Sprache die besonders wichtige Kategorie
der Aussagefunktionen und insbesonclere der Aussa-
gen auszuzeichnen. Die Ausdrcke der untersuchten Sprachen
bestehPn ans Konstanten unrl Variablen. Unter den
Konsta.nten, deren A11zahl gewhnlich endlich ist, finden wir
in der Regel gewisse Zeichen aus dem Gebiete des Aussagen-
kalkls uml des Funktionenkalkls, wie z. B. die Zeichen der
Negation, der logischen Summe, des logischen Produkts, der
Implikation, der quivalenz sowie die All- und Existenz-
zeichen - Zeichen, ctie uns teilweise schon aus 2 bekannt sind;
daneben begegnen wir manchmal auch anderen Zeichen, welche
mit dem individuellen Charakter der betrachteten Sprache
zusammenhngen und in inhaltlicher Deutung konkrete Indi-
viduen, Klassen oder Relationen bezeichnen, wie z. B. das
lnklusionszeichen in der Sprache des Klassenkalkls
1
das eine
bestimmte Relation zwischen Klassen von Individuen bezeich-
net. Die Variablen treten gewhnlich in unendlicher Anzahl
je nach ihrer Gestalt und der Interpreta.tion der Sprache
reprsentieren sie Namen von Individuen, Klassen oder Hela-
tionen (manchmal haben wir es auch mit Variablen zu tun,
welche Aussagen vertreten, d. h. mit den sog. Aussageva-
ria.blen
58
)). Unter den Ausdrcken, die aus den Zeichen beider
H) In vielen Sprachen treten ausserdem verschiedene andere Kate-
gorien von Konstanten und Variablen auf, u. a, die sog. namenbUdenden
die in Verbinrlung mit Variablen zusammengesetzte Ausdrii.eke
hildon, durch die Namen von Individuen, Klassen und Relationen ver
treten 'Werden (z. R das \\'ort "Vater" in der Umgangsprache oder dtts
Zeichen fies Komplements in rler vollstndigen Sprache des Klassenkal-
kls -- vgl. 'l und 16J). Die Sprachen, die wir in dieser Arbeit betrachten,
enthalten keine derartigen Zeichen und Ausdrcke.
332
Alfred TarHki
[72]
Arten gebildet s i n ~ werden vor allem die fundamentalen (ele-
mentaren) Aussagefunktionen, die den Inklusionen t",
1
des
Klassenkalkls entsprechen, ausgezeichnet. Diegenaue Beschrei-
bung der Gestalt dieser Aussagefunktionen und die Bestim-
mung ihres inhaltlichen Sinnes sind von den speziellen Eigen-
tmlichkeiten der betrachteten Sprache abhngig. Jedenfalls
sind dies gewisse Komplexe von Konstanten, die Namen von
Individuen, Klassen oder Relationen sind, und von Variablen,
welche diese Namen reprsentieren. Das erste Zeichen eines
solchen Komplexes ist immer der Name einer Klasse oder einer
Relation, bzw. eine entsprechende Variable, und wird (aus-
sagebildender) Funktor der gegebenen fundamen-
talen Aussagefunktion genannt59); die brigen Zeichen
nennenwirArgumente,nmlich pea, 2te", ... ktesArgument-
je nach der Stelle, die sie einnehmen. Fr jede Konstante und
Variable der untersuchten Sprache - mit Ausnahme der Kon-
stanten aus dem Gebiete des Aussagenkalkls sowie der All-
und Existenzzeichen - lsst sich eine fundamentale Funktion
bilden, die dieses Zeichen enthlt (die Aussagevaria bleu kom-
men, selbst wenn sie in der Sprache auftreten, in den funda-
mentalen Funktionen als Funktoren oder Argumente nicht vor,
dagegen wird jede von ihnen als selbstndige fundamentale
69
) Es werden hier also die aussagebildenden Funktoren, deren
Argumente Namen sind, mit den Namen von Klassen bzw. Relationen
identi:fiziert (und z;war die ein-argumentigen Funktoren mit den Namen
von Klassen und die brigen mit den Namen von zwei- oder mehrglied-
rigen Relationen). Bei derjenigen Interpretation des Terminus "Fnnktor",
welche an einigen Beispielen in
7
) festgesetzt wurde, erscheint diese
Identifizierung knstlich; jedenftt.lls stimmt sie sicher mit dem Geiste
und der formalen Struktur der Umgangssprache nicht berein. Dagegen
scheint mir aus vielen Grnden, auf die ich nicht nher eingehen werde,
die Unterscheidung dieser beiden Kategorien von Ausdrcken (d. i. aus
sagebildender Funktoren und Namen von Klassen bzw. Relationen) in
Bezug auf formalisierte Sprachen keineswegs notwendig oder zweck-
mssig. Diese ganze Frage hat brigens eher einen terminologischen
Charakter und ist ohno Einfluss auf den weiteren Gang der Untersuchung;
man kann nach Belieben entweder die im Texte angegebene Definition
des Funktors rein formal auffassen und von der bisherigen Interpretation
dieses Terminus absehen, oder aber die Interpretation von Tennini wie
nNa.me einer Klasse", "Name einer Relation': so erweitern, daRs wir Aus-
drcke mit einbeziehen, die im blichen Sinne keine Namen sind.
[73]
Der \Vahrheitsbegri:'
333
Funktion betrachtet). Ferner fhren wir die sog. Grundope-
rationen an Ansdrcken ein, mit deren Hilfe man aus
einfacheren Ausdrcken zusammengesetztere bilden kann. Neben
den Operationen des des logischen Addierens und
iies Gtmralisierens, die aus 2 bekannt sind (Def. 2, 3
und G), kommen hier noch andere analog definieTte Operationen
in Betracht, wie das logische Multiplizieren, das Bilden der
Im_plikation und quivalenz sowie das Pa.rtikularisieren; jede
von diesen Operationen besteht darin, dass vor den betrach-
teten Ausdruck oder vor zwei auf einanderfolgende Ausdrcke
(je nach der Art der Operation) entweder eine der zur Sprache
gehrenden Konstanten des Aussagenkalkls oder auch das
All- bzw. Existenzzeichen samt der unmittelbar darauf fol-
genden Variablen gestellt wird. Die Ausdrcke, die wir aus
den fundamentalen Funktionen gewinnen, indem wir an ihnen
beliebig oft in beliebiger Reihenfolge irgend welche von den
Grundoperationen vollziehen, nennen wir eben Aussagefunk-
tlonen. Unter den Variablen, die in einer gegebenen Aussage-
funktion auftreten, kann man - z. B. mit Hilfe rekursiver
Definitionen - freie und gebundene Variable unter-
scheiden; Aussagefunktionen ohne freie Variable heissen Aus-
sagen (vgl. Def. 10-12 im 2).
Ferner definieren wir noch andere Begriffe, die eng mit
dem deduktiven Charakter der Wissenschaft, welche Gegen-
stand der Untersuchung ist, zusammenhngen, und zwar die
Begriffe des Axioms, der Folgerung und des beweis-
baren Satzes. Zu den Axiomen zhlen wir in der Regel
gewisse Aussagen logischen Charakters, welche auf hnliche
Vl eise konstruiert sind, wie die Axiome der ersten Kategorie
des Klassenkalkls (vgl. 2, Def. 13); im brigen hngt jedoch
die Definition des Axioms gnzlich von den individuellen Eigen-
tmlichkeiten der untersuchten \Vissenschaft, manchmal sogar
von zuflligen Faktoren ab, die mit ihrer historischen Ent-
wicklung zusammenhngen. Bei der Przisierung des Begriffs
der Jfolgerung dagegen richten wir uns wieder - mutatis
mutandis - nach den Mustern des - 2: die Operationen, :mit
deren Hilfe wir aus den Aussagen einer gegebenen Klasse
ihre Folgerungen bilden, unterscheiden sich in keinem wesent-
lichen Punkt von den Operationen: die in der Def. 15 ange-
334 Alfred Tarski
[74]
geben wurden; die Folgerungen aus den Axiomen werden
beweisbare Stze genannt.
Nach dieser Vorarboit wenden wir uns bereits an unsere
Hauptaufgabe - die Konstruktion der richtigen Definition der
wahren Aussage. 'Vie sich aus 3 ergibt) fhrt die uns
zur V crfgung stehende Konstruktionsmethode zuntLehst ber
die Definition eines anderen Begriffs allgemeinerer Natur, der
fr die Porschungen auf dem Gebiet der Semantik der Sprache
fundamentale Bedeutung hat; ich meine den Begriff: Erfllt-
sein einer Aussagefunktion durch eine Folge von
G e g e n s t n d P n. Im gleichetl Paragraphen habe ich versucht,
die bliche, in der Sprache vorgefundene Bedeutung des soeben
angefhrten Ansilrucks zu klren. Ich habe auch darauf hinge-
wiesen, dass man sich beim Aufban einer korrekten Definition
des Begriffs des Erflltseins der rekursiven Definition bedienen
kann; zu diesem Zwecke gengt es - wenn man die rekursive
Definition iler Aussagefunktion beachtet sowie den inhaltlichen
Sinn der fundamentalen Aussagefunktionen und der Grund-
operationen an Ausdrcken im Auge behlt - zwei Umstnde
festzustellen: (1) welche Folgen die fundamentalen Funktionen
erfllen, und (2) wie sich der Begriff des Erflltseins bei An-
wendung irgend welcher Grundoperationen verhlt (oder gerrauer
ausgedrckt: welche Folgen jene Aussagefunktionen erfllen,
die aus den gegebenen Aussagefunktionen mit Hilfe einer der
Grundoperationen gewonnen werden; vorausgesetzt, dass bereits
festgelegt- ist, welche }'olgen die gegebenen Aussagefunktionen
erfllen). Sobald die Pr.zisierung des Sinnes des betrachteten
Begriffs gelungen ist, bietet die Definition der Wahrkeit keine
Schwierigkeiten mehr: die wahren Aussagen lassen sich als
diejenigen Aussagen definieren, die durch eine beliebige Folge
von Gegenstnden erfllt sind.
Bei der Rea1isation des eben skizzierten Planes in Bezug
auf verschiedene. konkrete Sprachen st.ossen wir jedoch auf
Hindernisse prinzipieller Natur, und zwar in dem Augenblick,
in dem wir die korrekte Definition des Begriffs des Erflltseins
ei:1dgiiltig zu formulieren versuchen. Um das Wesen dieser
Schwierigkeiten klar zu machen, muss vorher ein Begriff
errtert werden, den einzufhren sich bisher keine Gelegenheit
geboten hat, nmlich der Begriff der semantischen (oder
Bedeutungs-) Kategorie.
[75'
J
Der Vv" ahrhoitsbegrifi
335
Dieser Begriff, welcher von E. Husse r l stammt, wurde
durrh LeSniewski in die Untersu-chungen ber die Grunii-
lagen der deduktiven Wissenschaften eingefhrt. Formal be-
trauhr.et, ist die Rolle dieseR Begriffs boi dem Aufban einer
\Vissenschaft analog (ler Rolle des Begriffs des Typns lm
System Principia Mathernatica von \V h i t ehe a d und Ru s-
s e ll; was aber seinen Ursprung und :-;einen Inhalt anbelangt,
entspricht er (annherungsweise) eher dem aus der Grammatik
der Umgangssprache wohl bekannten Begriff des l{.edeteiles.
\Vhrend. die Typentheorie hauptschlich als elne Art Vorbeu-
gungsmittel gedacht war, das die deduktiven \Vissenschaften
vor eventuellen Antinomien bewahren sollte, dringt die Theorie
der semantischen Kategorien so tief in die fundamentalen, die
SinnhnJtigkeit der Ausdrcke betreffenden Intuitionen hinein,
dass es kaum mglich ist, sich eine wissenschaftliche Sprache
vorzustellen, deren Aussagen einen deutlichen inhaltlichen Sinn
besitzen, deren Bau jedoch mit der in Rede stehenden 'rheorie
in einer ihrer Auffassungen nicht in Einklang gebracht wer-
den kann
60
).
Aus Grnden, von denen schon am Anfang dieses Para-
graphen die Rede war, mssen wir hier auf die Angabe einer
przisen strukturellen Definition der semantischen Kategorie
verzichten und uns mit folgender annhernden F01mulierung
begngen: zweiAusdrcke gehren zu derselben seman-
ti c h e n K a t egoriet wenn es (1) eine Aussagefnnktion gibt,
die einen dieser Ausdrcke enthlt, und wenn (2) keine Funk-
tion, die einen dieser Ausdrcke enthlt, den Charakter einer
Aussagefunktion verliert, falls man in ihr diesen Ausdruck
dt1rch den anderen ersetzt. Es folgt daraus, dass die Relation
der Zugehrigkeit zu derselben Kategorie reflexiv, symmetrisch
und transitiv ist. Wenn man also das sog. Abstraktionsprinzip
61
)
6
n) Vgl. hiezu LeSn iewski
1
, besonders S. 14 und 68; Ajd ukie-
wiez2, S. 9 un 148. In formaler Hinsicht ist die Theorie der semanti-
schen Kategorien von der urFlprnglichen Typentheorie der Principia
...:".Io!hematica (Whitehead-Russell
1
, Vol. J, S. 37 ff.) ziemlichentfernt
1
sie unterscheiaet sich dagegen wenig von der sog. vereinfachten Typen-
tbeorio (vgl. Chwistek
1
, S. 12-14; Carnap
11
S. 19-22) und ist eher
einn Enveiterung derselben.
61
) Vgl. Carnap
1
, S. 48-50.
336
Alfred Tarski
[7]
anwendet, kann man alle Ausdrcke der Sprache, die Be$tand-
teile von Aussagefunktionen sind, in Klassen ohne gemeinsame
Elemente einteilen, indem man nmlich zwei Ausdreke dann
und nur dann zu einer und derselben Klasse zhlt, wenn sie
zu derselben semantischen Kategorie gehren; jede solche
Klasse nennen wir eben eine semantische Kategorie. Als ein-
fachste Beispiele der semantischen Kategorien, die man in ver-
schiedenen bekannten Sprachen antrifft, gengt es die Kate-
gorie der Aussagefunktionen anzufhren, ferner die Kategorien,
die beziehungsweise die Namen von Individuen, von Klassen
von Individuen, von zweigliedrigen Relationen zwischen Indivi-
duen u. s. w. umfassen; Variable (bzw. Ausdrcke mit VariaR
bleu), welche Namen der gegebenen Kategorie reprsentieren,
gehren ebenfalls zu derselben Kategorie.
Im Zusammenhang mit der Definition der semantischen
Kategorie taucht folgende Frage auf: ist zur Feststellung des
Umstandes, dass zwei gegebene Ausdrcke zu ein und derselben
semantischen Kategorie gehren, die Bercksichtigung aller
mglichen Aussagefunktionen, welche einen von den gegebenen
Ausdrcken enthalten, und die Untersuchung ihres Verhaltens
bei Ersetzung dieses Ausdrucks durch einen anderen notwendig,
oder gengt die Beobachtung der in Rede stehenden
nungineinigen oder sogar in nur einem Falle? Will man sich
an den blichen Sprachgebrauch anlehnen, so erscheint die
zweite Eventualitt viel natrlicher: damit zweiAusdrcke r.u
derselben semantischen Kategorie gehren, gengt es, wenn es
nur eine Funktion gibt, die einen dieser Ausdrcke enthlt
und die nach der Ersetzung dieses Ausdrucks durch den
anderen eine Aussagefunktion bleibt. Dieses Prinzip, das man
das Hauptprinzip der Theorie der semantischen
Kategorien nennen knnte, wird dem Aufbau der hier unter-
suchten formalisierten Sprachen streng zugrunde gelegt
02
).
Auf konkrete Sprachen angewendet, erfordern die im Texte
gebeneu Formulierungen - sowohl die der Definition der semantiselten
Kategorio
1
wie auch die des soeben erwhnten Prinzips - verschiedene
Korrekturen und Erg!otnzungen. Sie sind jedenfalls zu allgemein
1
denn
sie umfassen auch solche Ausdrcke, denen wir gewhnlich kein(l selbstn-
dig-e Bedeutung zuschreiben, und reiben sie oft in dieselben semantiselten
Kategorien ein
1
zu welchen sinnvolle Ausdrcke gehren (so wrden z. B.
in der Sprache des Klassenkalkls zu derselben Kategorie die Ausdrcke
f77]
Der \Vahrheitsbegrifl'
337
Es wird vor allem bei der Przisiernng des Begriffs der Aus-
sagefunktion bercksichtigt; auch bt es einen wesentlichen
Ein:B.uss auf die Definition der Operation der Einsetzung aus
1
cl. i. einer von jenen Operationen, mit deren Hilfe wir aus den
Aussagen einer Klasse ihre Folgerungen bilden; wollen wir
nmlich, dass diese Operation, an einer beliebigen Aussage aus-
gefhrt, als Resultat immer eine neue Aussage gebe, so mssen
wir uns darauf beschrnken, fr die Variablen nur solChe Aus-
drcke einzusetzen, welche zu derselben semantischen Kategorie
gehren wie die entsprechenden Variablen
63
). Mit diesem Prinzip
hngt ein allgemeines Gesetz eng zusammen, das die seman-
tischen Kategorien aussagebildender Funktoren betrifft: die
Funktoren zweier fundamentaler Aussagefunktionen gehren
dann und nur dann zu derselben Kategorie, wenn die Zahl
der Argumente in beiden Funktionen die gleiche ist und wenn
zwei beliebige, ihrer Stelle nach einander entsprechende Argu-
mente dieser Funktionen zu derselben Kategorie gehren.
Daraus folgt insbesondere, dass kein Zeichen gleichzeitig ein
Funktor zweier Funktionen sein kann
1
die eine verschiedene
Anzahl von Argumenten besitzen
1
oder zweier solcher Funk-
tionen 1,anch wenn sie die gleiche Anzahl von Argumenten
besitzen), in denen zwei ihrer Stelle nach einander entspre-
chende Argumente zu verschiedenen Kategorien gehren.
"! .. l", "Jix," und
11
Aix,x,," gehren); in Bezug auf diese sinnlosen Aus-
drcke verliert sogar - wie mau leicht erweisen kann - das Haupt-
prinzip der Theorie der semantischen Kategorien seine GeltuiJg. Diese
Tatsache ist. fr unsere "Gntersuchungen von keiner wesentlichen Bedeu-
tung, denn wir werden hier den Begriff der semantischen Kategorie nicht
auf zusammengesetzte Ausdrcke, sondern ausschliesslich auf Variable
anwenden. Andrerseits zeigen die Beispiele, die wir im weiteren Verlaufe
der Arbeit kennen lernen werden, dags obige Formulierungen in konkreten
Fllen sehr weitgehende Ve:roinfachungen zulassen: dank einer entspre-
ehendon Auswahl der beim Bau der Ausdrcke der Sprache verwendeten
Zeichen entscheidet schon die blosse Gest,alt des Zeichens (und sogar
des ZllSammengesetzten Ausdrucks) ber seine Kategorie. Infolgedessen
ist es mglich, dass in den meihodologischen .und semantischen Unter-
suchungen, die eine konkrete Sprache betreffen, dor Begriff der seman-
tischen Kategorie explicite berhaupt nicht auftritt.
63
) In der Sprache des Klassenkalkls und in jenen Sprachen, die
ich im weiteren Verlauf der ~ U b e i t nher beschreiben werde, knnen
derartige Ausdrcke nur andere Variable sein; so erklrt sich die For-
mulierung der Def. 14 des 2.
338
Alfred Tarski
(78]
Wir brauchen eine Klassifikation der semantischen Kate-
gorien: jeder Kategorie wird eine bestimmte natrliche Zahl
zugeordnet, die Ordnung der Kategorie heisst; diese
Ordnung wird zugleich allen Ausdrcken zugeschrieben, welche
diese Kategorie umfasst M). Der Sinn des in Rede stehenden
Terminus lsst sich auf rekursivem Wege bestimmen. Zu diesem
Zwecke nehmen wir folgende Konvention an (wobei wir nur
jene Sprachen ins Auge fassen, die hier nher behandelt werden
sollen) und ausschliesslich die semantischen Kategorien der
Variablen bercksichtigen): (1) die lte Ordnung schreiben wir
nur den Namen von Individuen und den sie reprsentierenden
Variablen zu; (2) als Ausdrcke der n+lten Ordnung, wo n
eine beliebige natrliche Zahl ist, bezeichnen wir die Funktoren
aller jener fundamentalen Funktionen, deren Argumente ins
gesamt hchstens von nter Ordnung sind, wobei mindestens
eines gerrau von nter Ordnung sein muss. Allen Ausdrii.cken
1
die zu einer gegebenen semantischen Kategorie gehren, kommt
kraft obiger Konvention dieselbe Ordnung zu, die deshalb die
Ordnung der betrachteten Kategorie genannt wird
Dagegen
Vgl. hiezu Carnap
1
, S. 31-32.
"") Diese Kla.ssiiikation umfasst keineswegs alle semant:lchen Kate
gorien, die man in den formalisierten Sprachen antrifft. Sie umfasst z. B.
nicht die Aussagevariablen und die Funktoren mit Aussageargumenten -
also Zeichen, die im Aussagenkalkl auftreten, - und ebensowenig solche
J<'unktoren, die samt den entsprechenden Argumenten Ausdrcke bilden,
die zu einer von den Aussagefunktionen verschiedenen Kategorie gehren,
wie z. B. die namenbildenden Funktoron, die ich in erwhnt habe.
Angesichts deRsen knnte man die im Texte angefhrte Deiinition
-der Ordnung in folgender weise erweitern: (1) die IW Ordnung schreiben
>Vir den Aussagen, den Namen von Individuen und den sie reprsentie-
renden AusdrUcken zu; (2) zu den Ausdrcken n+IWr Ordnung rechnen
wir jene Funktoren mit einer beliebigen Anzahl von Argumenten der
Idnung z-: n, die zusammen mit diesen Argumenten Ausdrcke der On{.
nung .s, n bilden, aber tlabei selbst keine Ausdrttcke nter oder niedrigerer
Ordnung sincl. Auch diese Definition umfasst noch nicht alle sinnvollen
Ausdrcke, die in den deduktiven Wissenschaften vorkommen. fallen
nmlich unter diese Definition keine Zeichen, die Variable "binden"
(also solche Zeichen wie rlie All- und Existenzzeichen, die Zeichen
1
:2''
und "IP' aus der Mengenlehre und Analysis oder das Integralzeichen),
Zeichen, die man- im Gegensatz zu den Funktoren - Operatoren
nennen knnte (v. Neuma.nn
1
spricht in diesem Zusammenbange von
Abstraktionen). Dagegen ist die letzte Klassiiikation vollkommen dem
[78]
Der W a.hrheitsbegritf
339
ist die Kategorie keineswegs durch die Ordnung bestimmt:
jede nat,rliche Zahl, die grsser ist als 1, kann Ordnung
yjeler verschiedener Kategorien sein; so z. B. sind sowohl die
Namen der Klassen von Individuen wie auch die Namen der
zwei-, drei- und mehrgliedrigen Relationen zwischen Individuen
Ausdrcke t ~ r Ordnung.
Es lohnt sich die Aussagefunktionen der SpraChe
1
ent-
sprechend den semantischen Kategorien der in diesen Funk-
tionen auftretenden freien Variablen
1
einer Klassifikation zu
unterwerfen: von zwei Funktionen wollen wir nmlich sagen,
dass sie denselben semantischen '1.
1
ypus besitzen
wenn die Anzahl der freien Variablen jeder semantischen Kate-
gorie in beiden Funktionen dieselbe ist (oder m. a. W.) wenn
man den freien Variablen der einen Funktion eineindeutig
die freien Variablen der andern Funktion zuordnen kann, und
zwar in der Vl eise, dass jeder Variablen eine V a1-iable derselben
Kategorie entspricht); die Klasse aller Aussagefunktionen, die
denselben Typus wie eine gegebene Funktion besitzen, knnen
wir einen semantischen Typus nennen.
Den Terminus "semantische Kategorie" gebrauchen wir
manchmal in bertragener Bedeutung, indem wir ihn nicht auf
die Ausdrcke der Sprache, sondern auf die von ihnen bezeich-
neten Gegenstnde anwenden; derartige "Hypostasen" sind
in logischer Hinsicht nicht ganz korrekt, aber sie vereinfachen
die :E'ormuEerung vieler Gedanken. So sagen wir z. B., dass
alle Individuen zu derselben semantischen Kategorie gehren,
dass aber keine Klassen oder Relationen zu eben dieser Kate-
gorie gehren. Aus dem oben angefhrten ttllgemeinen Gesetze,
das die aussagebildenden Funktoren betrifft, folgern wir, dass
zwei Klassen dann und nur dann zu derselben Kategorie
gehren, wenn alle ihre Elemente zu ein und derselben Kate-
System von LeSniewski angepasst, von dem in
56
) die Rede war; dieses
Syst.em enthlt nmlich berhaupt keine Operatoren mit alleiniger Aus-
nahme des Allzeichens, da.s zu keiner semantischen Kategorie gezhlt-
wird. Ich bemerke noch, dass - meiner Ansicht nach - das Fehlen von
Operatoren im System von LeSniewski eine Lcke bildet, welche in
einem gewissen Grade seinen ,,universalen" Charakter einschrnkt; wegen
der grossen Bedeutung dieser Zeichen f'Ur die mathematischen Forschungen
wre eine entsprechende Ergnzung des Systems sehr erwnscht.
340
Alfred Ta1ski
(80)
gorie gehren ; zwei zweigliedrige Relationen gehren dann
und nur dann zu derselben Kategorie, wenn ihre Bereiche zu
ein und derselben Kategorie gehren und wenn ihre Gegen-
bereiche gleichfalls zu einer Kategorie gehren: insbesondere
gehren zwei Folgen dann und nur dann zu derselben Kate-
gorie, wenn alle ihre Glieder zu ein und derselbon Kategorie
gehren; eine Klasse und eine Relation oder zwei Relationen
mit verschiedener Gliederzahl gehren zu derselben
Kategorie. Ferner folgt daraus, dass es keine Klasse geben kann.
deren Elemente zu zwei oder mehreren semantischen Kate-
gorien gehren; in analoger Weise kann es keine Folge geben.
die zu verschiedenen semantischen Kategorien gehrenGe
besitzt. Individuen werden manchmal Gegenstnde 1 w Ordnung:
Klassen von Individuen und die zwischen ihnen bestehenden
Relationen Gegenstnde 2ter Ordnung genannt u. s. w.
Die Sprache eines vollstndigen Systems der Logik soll
bereits - aktuell oder potentiell - alle mglichen seman-
tischen Kategorien enthalten, die in den Sprachen der deduk-
tiven Wissenschaften auftreten. Eben dieser Umstand verleiht
der erwhnten Sprache einen in gewissem Sinne "universalen
Charakter, und er ist einer jener Faktoren, denen die Logik
ihre fundamentale Bedeutung fr das gesamte deduktive \Vissen
verdankt. In verschiedenen fragmentarischen Systeme-n der
_Logik sowie in anderen deduktiven Wissenschaften kann die
Mannigfaltigkeit der semantischen Kategorien einer bedeutenden
Beschrnkung unterliegen - sowohl in Bezug auf ihre Zahl
wie auch auf ihre Ordnung. Wie wir uns berzeugen werden,
hngt der Grad der Schwierigkeit) die wir bei der Konstruktion
einer korrekten Definition der 'vahren Aussage in Bezug anf
diese oder jene konkrete SpracLe zu berwinden haben, in
erster Reihe Yon eben dieser Mannigfaltigkeit der in der Sprache
auftretenden semantischen Kategorien ab) - genauer gesagt
davon, ob (tie Ansdrcke und speziell die Variablen der unter-
su-chten Sprache zu einer endlichen oder unendlichen Anzahl
von Kategorien gehren, in letzterem Fall auch noch davon,
ob die Ordnungen aller dieser Kategorien von oben beschrnkt
sind oder nicht. rnter diesem Gesichtspunkt kann man vier
Arten von Sprachen unterscheiden: (1) Sprachen, in denen
alle Variablen 2<11 einer und derselben semantischen Kategorie
!81]
Der W s.hrheitsbegriff
341
gehren; (2) Sprachen, in denen die Anzahl der die Variablen
umfassenden Kategorien grsser als 1, aber endlich ist; (3) Spra-
chen, in denen die Variableu zu unendlich vielen verschiedenen
semantischen Kategorien gehren, wobei aber die Ordnung
dieser Variablen eine im vorhinein gegebene natrliche Zahl n
nicht berschreitet, und endlich (4) Sprachen, die Variable
beliebig hoher Ordnung enthalten. Die Sprachen der ersten
drei Arten werden wir Sprachen endlicher Ordnung
nennen im Gegensatz zu den Sprachen der vierten Art - den
Sprachen unendlicher Ordnung; die Sprachen endli-
eher Ordnung knnte man weiterhin in Sprachen lter, 2t
11
r Ord-
nung u. s. w. einteilen - je nach der hchsten Ordnung der
in der Sprache auftretenden Variablen. In Ergnzung der am
Anfang des Paragraphen entworfenen Skizze des Aufbaus
einer Metawissenschaft muss hier bemerkt werden, dass die
Metasprache, auf deren Boden wir die Untersuchung fhren
1
wenigstens mit allen jenen semantischen Kategorien ausge-
stattet sein soll, die in der untersuchten Sprache vertreten
sind: dies ist notwendig
1
falls wir es wnschen, uns die ber-
setzung eines beliebigen Ausdrucks aus der Sprache in die
:Metasprache zu ermglichen Go).
Hinsichtlich ihrer logischen Struktur sind die Sprachen
1 ter Art offenbar die einfachsten. Als ihr typisches Beispiel
kann die uns bekannte Sprache des Klassenkalkls dienen.
\Vir haben im 3 gesehen, dass in Bezug auf diese konkrete
Sprache die Definition des Erflltseins einer Aussagefunktion
durch eine Folge von Gegenstnden und dadurch auch die
Definition der wahren Aussage keine grsseren Sohwierigkeiter.
bietet. Die dort skizzierte Konstruktionsmethode lsst sich in
ihrer Gnze auf andere Sprachen 1 Wr Art anwenden. Es ist klar,
dass dabei in Einzelheiten gewisse Abweichungen auftreten
knuen; u. a. operieren wir nach Bedarf anstatt mit Folgen
von Klassen mit Folgen anderer Art, z. B. mit Folgen von
Individuen oder Relationen - je nach der inhaltlichen Inter-
pretation und semantischen Kategorie der in der Sprache auf-
tretenden Variablen 7).
ti
5
) Es gelten hier -- mutatis mutandi",; - die Bemerkungen aus
5
;).
m) Gewisse Komplikationen, auf die ich hier nicht nher eingehen
werde. entstehen, wenn in der betrachteten Sprache neben Variablen auch
342
lfre(l Tarski
[82]
Beachtenswert ist ein besonders einfaches Beispiel der
Sprachen 1 ter Art, und zwar die durch Einfhrung des All-
und Existenzzeichens erweiterte Sprache des blichen Aas-
sagenkalkls
68
); die Einfachheit dieser Sprache beRteht u. a.
darin, dass sich der Begriff der Variablen mit dem Begriff der
fundamentalen Anssagefunktion deckt. In der Metawissenschaft
des Aussagenkalkls gibt man bekanntlich zwei verschiedene
Definitionen des beweisbaren Satzes, deren Aquivalenz keines-
wegs evident ist: die eine sttzt sich auf den Begriff der
Folgerung und ist den Def. 15-17 des 2 analog, die zweite
hngt mit dem Begriff der zweiwertigen Matrix zusammen;
dieser zweiten Definition ist es zu verdanken, dass wir -
wenn uns die Gestalt einer beliebigen Aussage bekannt ist -
leicht feststellen knnen, ob sie beweisbar ist
68
). V\T enn wir
nun fr die betrachtete Sprache eine De:finitjon der wahren
Aussage streng nach den im B angegebenen Mustern konstru-
ieren, so berzeugen wir uns leicht, dass sie eine einfache
Umformung der zweiten der erwhnten Definitionen des beweis-
baren Satzes darstellt und dass infolgedessen in diesem Fall
die beiden Termini "beweisbarer Satz" und
71
wahre Aussage"
denselben Umfang besitzen; dieser Umstand liefert uns u. a.
ein allgemeines strukturelles Kriterium der Wahrheit fr die
Aussagen der betrachteten Sprache. Die in vorliegender Arbeit
begrndete Konstruktionsmethode knnte man also in gewissem
Sinne als eine Verallgemeinerung der aus den Untersuchungen
ber den Aussagenkalkl bekannten Matrizenmethode betrachten.
Ernste Schwierigkeiten entstehen erst dann, wenn wir
8prachen von komplizierterer Struktur betrachten, also Spra-
chen der 2ten, gten und 4ten Art. Wir mssen nunmehr diese
Schwierigkeiten analysieren und die Methoden beschreiben, die
wenigstens ihre teilweise Uberwindung ermglichen. Um unsere
Ausfhrungen mglichst klar und przis zu gestalten, werde
ich einige konkrete formalisierte Sprachen etwas gena uer be-
zusammengesetzte Ausdrcke tlerselben semantischen Kategorie auftreten;
als Beispiel kann tlie vollstaudige Sprache des Klassenkalkls dienen
1
von der in
16
) die Rede war, oder die im Artikel Presburger
1
unter-
suchte Sprache eines t;'ystems der Arithmetik (vgl. auch fJBi).
68
) Vgl. Hilbert-Ackermann
1
, S. 84-85; Lukasiewicz
1
,
S. 154 ff.; Lukasiewicz-Tarski
1
, 4.
[83]
Der Vil a.hrhcit.sbegrifl'
343
sprechen je eine von jeder Art.; ich werde versuchen, mg-
lichst einfache Beispiele zu whlen, die von allen weniger
we!':entlichen, untergeordneten Komplikationen frei und dabei
insofern typisch sind, als die erwhnten Schwierigkeiten auf
ihrem Boden im ihrem ganzen Umfang und in aller Krassheit
auftreten.
Die Sprache, die uns als Beispiel der Sprachen 2ter Ord-
nung dienen wird, kann als Sprache der Logik der zwei-
gliedrigen Relationen bezeichnet werdenr,
11
). Die einzigen
Konstanten dieser Sprache sind: das Zeichen der Kegation
das Zeichen der logischen Summe ,,A iJ. und das Allzeichen . .,II .
Als Variabler bedienen wir uns der Zeichen 'rlx,/',
und "X,",
,.,X
11
/' Das aus dem Symbol ,}z:" und
aus k kleinen, unten angefgten Strichen zusammengesetzte
Zeichen nennen wir eine Variable kkr Gestalt l
1
er Ord-
nung und bezeichnen es mit dem Symbol ,.,vk''; das in ana-
loger \Veise aus dem Symbol "X" gebildete Zeichen heisst
Variable kter Gestalt 2ter Ordnung, symbolisch :
1
Vk"
Bei inhaltlicher Deutung reprsentieren die Variablen per Ord-
nung Namen von Individuen, die Variablen 2ter Ordnung Kamen
von zweigliedrigen Relationen zwischen Individuen; von inhalt-
lichem und brigens in bereinstimmung mit der weiteren
Beschreibung der Sprache auch von formalem Gesichtspunkt
ans gehren also die Zeichen .,.,Vtrl.l. und
11
V"" beziehungsweise
zn zwei verschiedenen semantischen Kategorien. Als funda-
mentale Aussagefunktionen betrachten wir die Ausdrcke vom
T)"'JlUS '!lXyz", wo an Stelle von ::X"' eine beliebige Variable
2t"r Ordnung, an Stelle von ,;Y" und nZ" Variable per Ord-
nung auftreten. Diese Ansdrcke lesen wir: ndas Individuum y
:,>teht in der Relation X zum Individuum z" und bezeichnen
>1ie -- je nach der Gestalt der Variablen- mit den Symbolen
,, '"'': unter Anwendung des aus 2 (S. [28]) bekannten
Zeichens n"l.l. setzen wir nmlich fest:
(Vkr.v
1
)nv,n.
Die Definitionen der Grundoperationen an Ausdrcken sowie
Jene der Aussagefunktion, rler Aussa.ge, der Folgerung, des
u'l) Es ist dies ein Bruchstck der Spra.che der Algebra der
<ci ve: deren Grundlagen das Werk Schrderll III. Bd. - ein
Bruchstck, das jedoch zum Ausdruck jedes Gedankens hinreicht, welcher
sich in der erwhnten Sprache formulieren lsst (vgl. 16)).
344
Alfred Tarski
[84]
beweisbaren Satzes u. S-. w. sind den Definitionen des 2
ganz analog. Man muss jedoch immer im Auge behalten
1
in der eben betrachteten Sprache zwei verschiedene Kategorien
VOll Variablen auftreten und dass rlie Ausdrcke Qu. m die Rolle
der Inklusionen s.,,
1
spielen. Im Zusammenhang mit dem erst.en
der obigen Umstande betrachten wir anstatt ein er Operation
d<"s Generalisiereus (resp. des Partikularisierens, Def. 6 und 9)
zwei analoge Operat,ionen: das Generalisieren (Partikularisieren)
in Bezug auf t21ine V a.riable Itt>r Ordnung sowie in Bezug auf
eine Variable Ordnung, deren Ergebnisse mit den Symbolen
und 1,n,/'':t" {bzw. nU/x" und
bezeichnet
werden; dementsprechend fhren wir zwei Operationen des
EU1setzens ein. Zu den Axiomen der Logik d-er R.ela.tionen
zhlen wir Aussagen, welche die Bedingung (a) der Def. 13
erfllen, also Einsetzrmgen der Axiome des Aussagenkalkls
und Generalisat.ionen dieser Einsetzungen, und U:usserdem alle
Aussagen) die Genemlisa.tionen der Ausdrcke vom Typus
U,/' nJI n...,' (qk, l,m. y 4 !,. i/) siud, wo k, l und m beliebige
natrliche Zahlen (loj=m) sind und 11 eine beliebige Aussage-
funktion ist, in der die freie Variable v,_ nicht vorkommt; die
A::ritne der letzteren Kategotie knnte man mit Rcksicht auf
ihren inhaltlichen Sinn Pseudodefinitionen nem1en
10
).
Um eine korrekte und richtige Definition des Erflltseins
in Bezug a.uf die unterAuuht.e Sprache zu erhalten, mssen wir
zunchst die bisherige inhaltliche Kenntnis dieses Begriffes
einigennassen vertiefen. Im ersten Stadium de-s Operierens mit
diesem Begriffe sprachen wir von dem Erflltsein der
funktion durch einen, zwei; drei u. s. w. Gegenstnde nac-h
der Zahl der in der gegebenen Funktion auftretenden freien
Ye.riablen (vgl. 8. [48]li'.), Der Begriff des Erflltseins hatte dort
einen in semantischer Hinsicht ausgeprgt mehrdeutigen Cha-
u) Dieser Terminus stammt von Le$nie w dar auf die Notwen
d:igkeit aufmerksam mMhte, Psendodefiuitione-n unter die . ;\:xiorue der
deduktiven Wissenschaften in jenen Pllen einzuac.ha.ltenl in denen die For-
tnalisierung der Wissenschaft die M<igHehkeit der Konstrukt-ion geeigneter
Definitionen nicht (vgl. 11;). Die Paeudodefinitionen ka.nn man als
rsatz f"Ux das sog . Red uzibil ittsaxiom behandeln, das im System
{V-ol. L, S. 5-5 ff.) vorkommt; es wre auch nicht
schwer, den Zusammenhang dieser Au...<>sagen mit einer AxiomengrupPf-1
a:ufzudt:ekt\n
1
die in der Arbeit v. Neumann
1
(S. 18) angenomme-n wird.
[85]
Der Wa.hrheitshegrlft'
rakter; er umfasste nmlich Relationen mit versohiedener Glie-
derzahl, Relationen, deren letzter Bereich eine Klasse von
Auss:agefunk;tionen war, whrend die anderen Bereiche - in
dem dort betrachteten Falle der Sprache des Klassenkalkls
<iUS Gegenstnden einer und derselben Kategorie
nmlich aus Klassen von Individuen. Im Grunde genommen
Jtar,t.en wir es nicht mit einem Begriffe zu sondern mit
einer unendlichen Anzahl analoger Begriffe, die verschiedenen
:::emantischeu Kategorie11 angehrten; htten wir die Meta-
;;<:pra.che formalisiert) so mssten wir an.statt des einen Ter-
minus ,erfllt"' unendlich viele verschiedene Termini verwen-
den. - Die semantische Mehrdeutigkeit des betra<Jhteten Be-
grifl's wchst noch
1
wenn wir zu Sprachen von komplizierterer
logischer Struktur bergehen. Wenn wir nmlich <lie inhaltli-
ehen Betrachtungen des 3 fortsetzen, die dort angegebenen
Heispiele analysieren und naeh ihrem Muster -neue-
so wird ans bald kla.r
1
zwischen den tl:eien Variablen
der Aussagefunktion und den dieS<l Funktion erfllenden Ge-
genstnden eine strenge sema:ntwhe Zuordnung besteht: jede
freie V a.riahle gehrt zu ders:elben semantisehen Kategorie
wie rler Name des ihr entsprechenden Gegenstandes, Kommen
also unter den Variablen der Sp.ta.che wenigstens zwei verN
Kategorien vor wie in dem eben untersuchten
Falle -: so kann man sich nicht darauf beschrnken) bei
der Errterung des :Begriffs des Erflltseins nur eine einzige
Kategorie von Gegenstnden zu betrachten; die Bereiche der
einzelnen Relat-ionen
1
die wir mit dem Terminus ")Erfllt-
sein
4
umfassen
1
verlieren also ihre semantische Eindeutigkeit
/nur der letzte Bereich besteht wie vorher ,ausschliesslich ans
Anss.agefunktionen). Da aber die semantische Kategorie einer
.Relation nicht nur yon der Artzahl ..der Bereiche
1
d. i. von der
Anzahl der Relationsglieder abhngt, sondern auch von den
Kategorien aleser Bereiche, so ist auch di< Kategorie des
Begri:ft's des Erfllt-seins, odf-r vielmehr die Kategorie jedes
dieser Begriffe
1
von zwei Umstnden abhngig
einerseits von der Anzahl) andrerseits von den Kategorien
dt:T freien Variablen, dle in den Aussagefunktionen auftreten,
anf sie-h der betrachtet-e Begriff bezieht; mit einem
\Yortei davonr was wir als semantisehen Ty1ms der Aussage-
36
Alfred Tarski
[86]
fnnktion bezeichnet haben: den Funktionen, die zwei verSchie-
denen Typen angehren, entsprechen stets zwei semantisch
verschiedene Begriffe des Erflltseins
71
). Ich werde dies an
einigen Beispielen veranschaulichen. Von den Gegenstnden
R, a und b werden wir sagen, dass sie die Funktion ()1,
2
, 3
dann und nur dann erfllen, wenn R eine Relation ist,
a und b Individuen sind und wenn aRb gilt (d. h. wenn a
in der Relation R zu b steht); die Funktion ()
1
,
2
,
2
(Js,
2
,
2
wird
durch die GPgenstnde R, a und S dann und nur dann
erfllt, wenn R und 8 Relationen sind, a ein Individuum
:ist und sowohl a Ra, wie auch a 8 a gilt. Die Funktion
n
2
' ns'(Qt,2,3 + (Jt,a,2) wird durch jene und nur jene Rela-
tionen R erfllt, welche symmetrisch sind, d. h. durch solche
Relationen, dass - fr beliebige Individuen a und b - die For-
mel: aRb stets: bRa ergibt; die Funktion n
1
" (e
1
,2,3 + Qt,s,2)
erfllen jene und nur jene Individuen a und b, die der folgen-
den Bedingung gengen: fr jede beliebige Relation R -
wenn a Rb, so b Ra, also Individuen, die identisch sind.
In den oben angefhrten Beispielen treten Anssagefunktionen
auf, die zu vier verschiedenen semantischen Typen gehren,
und deshalb hatten wir es auch mit vier verschiedenartigen
Relationen des Erflltseins zu tun, obzwar die Anzahl der freien
\'" ariablen und demzufolge auch die Anzahl der Relationsglie-
der in den zwei ersten Beispielen dieselbe war.
Die dem Begriff des Erflltseins in seiner ursprnglichen
Fassung anhaftende semantische Mehrdeutigkeit machte eine
genaue Charakterisierung diBses Begriffs durch eine einzige
Aussage oder sogar durch eine endliche Anzahl von Anssagen
unmglich und verhinderte dadurch die Anwendung der ein-
zigen uns bis jetzt bekannten Konstruktionsmethode fr eine
Definition der wahren Aussage. Um diese Mehrdeutigkeit zu
v-ermeiden, nahme11 wir bei der Untersuchung des Klassen-
kalkls zu einem Kunstgriff Zuflucht, der auch sonst
n) Auch Funktionen eines semantischen Typus knnen brigens
mehrere semantisch verschiedene Begrifl'e des Erflltseins entsprechen,
falls nur die freien Variablen dieser Funktionen mindestens zu zwei ver-
schiedenen semantischen Kategorien gehren; neben der Anzahl und den
Kategorien der Variablen kommt hier nmlich auch ihre Anordnung
ln Betracht.
[87]
Der WahrheitsbegrifF
347
von Logikern und Mathematikern in hnlichen Situationen
verwendet 'vird: statt uns unendlich vieler Begriffe des Erfllt-
Reins einer Aussagefunktion durch einzelne Gegenstnde zu
bedienen) versuchten wir, mit dem semantisch einheitlichen,
wenn auch etwas knstlichen Begriff des Erflltseins einer
Funktion durch eine Folge von Gegenstnden zu operieren;
es erwies sich, dass dieser Begriff insofern allgemeiner als die
vorhergehenden ist, a.ls er - anschaulich gesprochen - sie
alle als Spezialfalle "umfasst" (den logischen Charakter dieses
:-1 Umfassens" zu przisieren wrde brigens ein wenig schwierig
:-:;ein). 1\'[an kann sich leicht klar machen, dass sich diese
l\.fethode nicht ohne weiteres auf die gegenwrtigen Betrach-
tungen bertragen lsst. Das Erflltsein ist in der neuen Fas-
sung eine zweigliedrige Relation, deren Bereich ans Folgen
und deren Gegenbereich aus Aussagefunktionen besteht. \Vie
frher, so besteht auch hier zwischen den freien Variablen
einer Aussagefunktion und den entsprechenden Gliedern der
sie erfllenden Folgen eine strenge Abhngigkeit semantischer
Natur. \Venn also die Sprache der Logik der Relationen Va-
riable zweier verschiedener semantischer Kategorien enthlt,
so mssen wir in unseren Betrachtungen ebenfalls wenigstens
zwei Kategorien von Folgen verwenden. So wird z. B. die
Funktion ni'ns' + Ql,S,J ausschliesslich durch Folgen
zweigliedriger Relationen zwischen Individuen erfllt (nmlich
durch jene und nur jene Folgen F, deren erstes Glied F
1
eine
Relation ist); die Funktion nt'' + Q1, :u)
dagegen erfllen ausschliesslich Folgen von Individuen (und
zwar solche Folgen f, fr die f
2
= f
8
gilt I. Der Bereich der
Relation des Erflltseins und eo ipso die Relation selbst Yer-
liert damit von neuem ihre semantische Eindeutigkeit; wir
haben es wiederum nicht mit einem, sondern mitwenigstens
zwm verschiedenen Begriffen des Erflltseins zu tun. Aber
noch schlimmer : es zeigt sich bei nherer Analyse, dass die
neue Interpretation des Begriffs des Erflltseins sich nicht
mehr zur Gnze aufrechterhalten lsst. Oft enthlt nmlich
eine und dieselbe Aussagefunktion freie Variable zweier Yer-
sehiedener Kategorien. Mit Rcksicht auf derartige Funktionen
mssten 'vir mit Folgen operieren, deren Glieder dann eben-
falls 7.11 zwei Kategorien gehren wrden; so msste z. B. das
348
Alfred Tarski
[88]
erste G Iied der Folge, welche die Funktion e
1
, u erfllt, eine
Relation sein, die zwei folgenden ahnr Individuen. Es ist jedoch
bekannt, dass die Theorie der semantischen Kategorien das
e.stk}hen solcher ,,inhomogener" Folgen berhaupt nicht zulsst:
damit fallt die ganze Auffassung, So hat die nderung der
ursprnglichen Deutung des Begrif-fs des Erflltseins nur eine.
nebenschliche Ursache seiner semantischeu Meht'deutigkeit
beseitigt, nmlich die verschiedene Gliederzahl der Relationen,
die Gegenstand deii Begriffs sind; ein anderer, weit wesent-
licherer
:r,nr Klitsse FrLk-t).zl-1 gehrt (die aus Folgen mit derselben
Anzahl von Gliedern besteht).
"\Venn wir uns hingegen wnschen, mit der Methode der
Vereinheitlichung der Variablen gleich bis ans Ende zu kommen,
so sttzen wir uns darauf, dass man zwischen beliebigen Indivi-
duen und gewissen Klassen von endlichen Folgen wieder eine
eineindeutige Zuordnung festsetzen kann, und zwar z. B. auf
die Weise, dass man jedem Individuum a die Kla.sse a* zu-
ordnet, die als einziges Element eine Folge enthlt, dere.n
einziges Glied eben das gegebene Individuum ist. Davon aus-
gehend modifizieren wir die Interpretation der Variablen ltoer Ord-
nung, und zwar genau in derselben Richtung, in der wir frher
die Deutung der Variablen 2ter Ordnung modifiziert haben; die
fundamentalen Funktionen von der Form "Xzy . .. z"', die l + 1
Zeichen enthalten, betrachten wir nunmehr als gleichbedeutend
mit WendungE-n vom Typus ,.,die l-gliedrige Individuenfolge g,
die die Bedingungen: gf = x, u: = y, ... = z erfllt, gehrt
zur Klasse X, die auR Folgen mit l Gliedern Bei
dieser inhaltlichen Interpretation gehren bereits alle Variab-
len zu derselben semantischen Kategorie. Die weitere Kon-
struktion enthlt keine wesentlich neuen Momente und ihre
Durchfhrung wird dem Leser keinC'. Schwierig-
keiten bieten.
Die Methode der semantischen Vereinheitlichung der Va-
riablen kann man mit demselben ErfOlg bei der Untersuchung
beliebiger Sprachen 'er Art anwenden
72
). Eine etwas grssere
Schwierigkeit kann nur die Festsetzung der vereinheitlichenden
Kategorie bieten. Ebenso wie im Falle der Sprachen 2ter Art
ist es auch hier unmglich, sich auf die Kategorien zu beschrn-
ken, die in der betrachteten Sprache vorkommen; im Gegensatz
zu jenen Sprachen kann man hier nicht einmal immer die Wahl
tmter den Kategorien einer jener Ordnungen treffen, die in der
8pmche vertreten sind. Diese Schwierigkeit ist brigens nicht
wesetlich und betrifft ausschliesslich die Sprachen niedrigster
Ordmmg: es lsst sich nachweisen, dass fr jene Sprachen,
in dehen die Ordnung der Variablen eine gegebene Zahl n nicht
358
Alfred Tar-'"1ki
[98]
berschreitet, wobei n > 3 ist
1
als vereinheitlichende Kategorie
eine beliebige Kategorie nter Ordnung dienen kann.
Auf diese \Veise ermglichen die Methoden, ber
die wir verfgen - in dieser oder jener Form - die
Przisierung des Begriffs des Erfllt.seins und
somit die Konstruktion einer richtigen Definition
der "\\rahrheit fr eine beliebige Sprache endli-
eber Ordnung. \Vir werden uns im nchsten Paragraphen
berzeugen, dass diese 2\.-fethoden nicht weiter reichen: die
Gesamtheit der Sprachen endlicher Ordnung erschpft den
Bereich der Anwendbarkeit unserer Methoden. Es ist daher
nun an der Zeit, die wichtigsten Konsequenzen, die ans den
konstruierten Definitionen folgen, zusammenzufassen.
Zunchst ist die Definition der wahren Aus-
sage eine richtige Definition der Wahrheit im
Sinne der Konvention W aus 3: sie umfasst als
zial!lle smtliche Teildefinitionen, die in der Bedingung (a)
dieser Konvention beschrieben wurden und die in prziser und
sachlich richtiger Weise den Sinn der Wendungen vom Typuf3
"x ist eine wahre Aussage" erHiutern. Obzwar diese Definition
an und fr sich kein allgemeines Kriterium der Wahrheit
bietet, so gestatten die erwhnten Teildefinitionen in vielen
Fllen doch, die Frage der Wahrheit bzw. Falschheit der
suchten Aussage endgtig zu entscheiden.
Insbesondere knnen wir - gesttzt auf die in der
Metawissenschaft angenommenen Axiome der zweiten Gruppe
(vgl. S. [70]) -nachweisen, dass alle Axiome der unter-
suchten \Vissenschaft zu den wahren Aussagen
gehren. In hnlicher Weise knnen wir - indem wir in
\Vesentlicher Weise den Umstand ausntzen, dass die in der
Metawissenschaft angewendeten 8chlussregeln logisch nicht
schwcher sind als die entsprechenden Regeln der Wissenschaft
selbst 5
7
),- beweisen, das alle Folgerungen aus wahren
Aussagen wahr sind. Diese beiden Tatsachen zusammen
gestatten uns zu behaupten, dass die Klasse der wahren
Aussagen alle beweisbaren Stze der untersuchten Wissen-
schaft umfasst (vgl. Lemma D und Stze 3 und 5 aus 3).
Zu den wohl wichtigsten Konsequenzen allgemeiner Natur
die aus der Definition der Wahrheit folgen, muss man den
(99]
Der Vt ahrheitsbegriff
Satz vom Widerspruch und den Satz vom ausge-
schlossenen Dritten zhlen. Diese beiden Stze, gemeinsam
mit dem schon erwhnten Satz ber die Folgerungen aus den
wahren Aussagen, zeigen, dass die Klasse aller wahren
Aussagen ein widerspruchsfreies und vollstn-
diges deduktives System bildet (Satz 1, 2 und 4).
Als unmittelbare, wenn auch ein wenig abliegende Kon-
sequenz dieser Tatsachen gewinnen wir den Satz, dass die
Klasse aller beweisbaren Stze ebenfalls ein
wider s p rn eh s freies (obwohl nicht notwendig vollstndiges)
deduktives System bildet. Auf diese Weise knnen wir
fr jede Wissenschaft, fr die wir die Definition der Wahrheit
zu bilden imstande sjnd, auch den Beweis ihrer Widerspruchs-
freiheit erbringen. Der mit Hilfe dieser Methode durchgefhrte
Beweis besitzt allerdings keinen grossen Erkenntniswert, denn
er sttzt sich auf Prmissen, die mindestens ebenso stark sind
wie die Voraussetzungen der untersuchten Wissenschaft
78
).
Nichtsdestoweniger scheint es bemerkenswert, dass es eine
allgemeine Methode derartiger Beweise gibt, die sich auf eine
umfangreiche Kategorie von deduktiven Wissenschaften an-
wenden lsst; dabei ist - wie ersichtlich - diese Methode
vom deduktiven Gesichtspunkt aus nicht ganz trivial und
eine einfachere oder sogar eine von ihr verschiedene ist bisher
in vielen Fllen berhaupt nicht bekannt.
In jenen Fllen, in denen die Klasse der beweisbaren Stze
nicht nur ein widerspruchsfreies, sondern auch ein vollstn-
diges System ist, deckt sie sich - wie man leicht zeigen kann -
mit der Klasse der wahren Aussagen. Falls wir also beide
Begriffe - den der wahren Aussage und den des beweisbaren
Satzes - identifizieren, so gelangen wir zu einer neuen Defi-
nition der \Vahrheit, die rein strukturellen Charakter besitzt
und sich darum wesentlich von der ursprnglichen, semantischen
;s) Wie Ajdukiewicz in einem etwas anderen Zusammenhange
richtig bemerkt hat (vgl. Aj du ki e w i c z
1
, S. 89-40), folgt daraus keines-
wegs, dass dieser Beweis in methodologischer Hinsicht nicht korrekt sei
und etwa - in dieser oder jener Form - eine
11
petitio principii'
4
ent-
halte: die Behauptung, die wir d. i. die Widerspruchsfreiheit
der Wissenschaft, tritt nmlich keineswegs unter den Voraussetzungen
des Beweises auf.
360
Alfred Tarski
[100]
Definition dieses Begri:ffR unterscheidet
79
). Und selbst dann
7
wenn die beweisbaren Stze kein vollstndiges System bilden
7
ist die Frage des Aufbaus einer strukturellen Definition nicht
a priori hoffnungslos: manchmal gelangt man dadurch, dass
man das Axiomensystem der Wissenschaft in entsprechender
Weise durch Hinzufgung gewisser strukturell beschriebener
Aussagen erweitert, zu einem solchen System, dass sich bereits
die Klasse aller seiner Folgerungen mit der Klasse aller wahren
Aussagen deckt. Von einer allgemeinen Konstruktionsmethode
kann hier jedoch keine Rede sein. Ich vermute, dass der Ver-
'
9
) Ich habe im Laufe der Untersuchung schon mehrmals die seman-
tischen Definitionen der wahren Aussage den strukturellen Definitiont>n
gegenbergestelltj dies bedeutet aber keineswegs, dass ich hier beab-
die Unterschiede zwischen diesen beiden Arten von Definitionen
:in exakter Weise anzugeben. Vom inhaltlichen Gesichtspunkt aus treten
diese Unterschiede ziemlich deutlich hervor. Die Def. 23 aus 3 - wie
auch die anderen auf dieselbe 'V eise gebauten Definitionen - betrachte
ich aus dem Grunde als semantische Definition, weil sie in gewissem
Sinne (den nher zu przisieren es schwer fallen wrde) eine ,,nELtrliche
Verallgemeinerung", sozusagen ein "unendliches logisches Produkt'' jener
Teildefinitionen darstellt, die in der Bedingung (a) der Konvention 'lU
beschrieben wurden und die eine unmittelbare Zuordnung zwischen den
Aussagen der Sprache und den Namen dieser Aussagen festlegen. Zu den
strukturellen Definitionen zhle ich dagegen jene, die auf Grund des fol-
genden Schemas konstruiert werden: man beschreibt eine Klasse von
Aussagen oder anderen Ausdrcken, und zwar so, dass man aus der
Gestalt jedes Ausdrucks erkennen kann, ob er zur gegebenen Klasse
gehrt oder nicht; man gibt weiterhin solche Operationen an den Aus-
clrUcken an, dass man, wenn uns gewiSbe AusdrUcke in endlicher Anzahl
gegeben sind und wenn man die Gestalt eines beliebigen anderen Aus-
drucks kennt, schon entscheiden kann, ob er sieh a.us den gegebenen
Ausdrcken mit Hilfe einer der angegebenen Operationen gewinnen lsst:
schliesslich definiert man die wahren Aussagen als jene, die man dadurch
gewinnt, dass man an den Ausdrcken der gegebenen Klasse beliebig
oft die angegebenen Operationen vollzieht (es ist zu bemerken, dass auch
eine solche strukturelle Denition selbst noch keineswegs ein allgemeines
Kriterium der "Wahrheit liefert). tJberdies lassen sich gewisse Unterschiede
formaler Natur zwischen diesen beiden Arten von Definitionen erfassen
So erfordert die semantische Definition den Gehrauch von Termini hherer
Ordnung als alle Variableu der Sprache, die Gegenstand der Untersuchung
ist,. z. B. den Gebrauch des Terminus "erfullt"; zur Formulierung einer
strukturellen Definition dagegen gengen die Termini von et-wa zwei
oder drei der nied1igsten Ordnungen. Bei der Konstruktion einer seman-
tisehen Definition verwenden wir - explicite oder implicite - jene Aus-
[101]
Der Wahrheitsbegriff
361
such, eine strukturelle Definition zu konstruieren, sogar in
relativ einfachen Fllen - z. B. in Bezug auf die im vorlie-
genden Paragraphen untersuchte Logik der zweigliedrigen
Relationen - auf ernstliche Schwierigkeiten stossen kann. Diese
Schwierigkeiten wrden gewiss bedeutend wachsen, wenn es
sich um die Angabe eines allgemeinen strukturellen Kriteriums
der \Vahrheit einer Aussage handeln wrde, obzwar wir es
schon mit zwei Sprachen - jener des Klassenkalkls und jener
des Aussagenkalkls - zu tun hatten, fr welche sich diese
Aufgaba verhltnismssig leicht lsen lsst
80
),
In allen jenen Fllen, in denen wir imstande sind, die Definitionen
des Erfllteeins und der wahren Aussage zu konstruieren, knnen wir
auch - mittels eiller Modifikation dieser Definitionen - zwei noch allge-
meinere Begriffe von relativem Charakter przisieren, nmlich die Begrfe
des Erflltseins und der richtigen (wahren) Aussage- beide
in Bezug auf einen gegebenen Individuenbereich a
4
;). Diese
beruht auf einer entsprechenden Einengung des Bereiches
Uer betrachteten Gegenstnde: anstatt mit beliebigen Individuen, Klassen
von Individuen, Relationen zwischen lndividuen u. s. w .. operieren wir
ausschliesslich mit den Elementen der gegebenen Individuenklasse a,
den Puterklassen dieser Klasse, den Relationen zwischen den Elementen
diesei u, s. w. "\\'ie daraus ersichtlich, decken sich in dem Spezial
falle, in dem a die Klasse aller Individuen ist,, die neuen Begriffe mit
den frheren (vgl. Det 24, 25 und Satz 26). Wie ich schon im 3 betont
habe, spielt der allgemeine Begriff der in einem gegebenen Bereiche rich
tigen Aussage eine grosse Rolle in den gegenwrtigen methodologischen
Forschungen; man muss jedoch hinzufgen, dass dies nur jene Forschungen
betrifft. deren Gegenstand die mathematische Logik und ihre einzelnen
-Bruchstcke sind: auf dem Boden der speziellen Wissenschaften intere!;-
tlrcke der Metasprache, die mit den AusdrUcken der untersuchten Sprache
gleichbedeutend sind, whrend sie beim Bau einer strukturellen Definition
berhaupt keine Rolle spielen; dieser Unterschied verwischt sich, wie
leicht ersichtlich
1
wenn die untersuchte Sprache ein Bruchstck der Logik
ist, Die ganze angegebene Unterscheidung ist brigens nicht sehr deutlich
und scharf, wovon schon dieser Umstand zm1gt, dass man in Bezug auf
den Aussagenkalkl die semantische Definition als formale Umformung
der strukturellen, auf die Matrizenmethode gesttzten Definition ansehen
kann. Dabei muss man noch in Betracht ziehen, dass die Konstruktion
der semantischen Definition, die sich auf die uns schon bekannten
Methoden sttzt, von dem strukturellen Bau der Definitionen der Aussage
der Aussagefunktion wesentlich abhngig ist.
Vgl. die Bemerkungen aufS. [661 f. und [82]; auf diese Probleme
1\'erde ich noch im 5 zurckkommen (vgl 9dJ).
362
Alfred Tarski
[102]
sieren uns a.usschliesslich die in ganz bestimmten Individuenbereichen
richtigen Aussagen, wodurch der allgemeine Begriff seine Bedeutung
verliert. GleichfalL"l nur in Bezug auf Disziplinen, die Brnchstcke der
Logik sind, behalten einigo allgemeine, im 3 fr die Sprache des Klassen-
kalkls nachgewiesene Eigenschaften des betrachteten Begritts weiterhin
ihre Giltigkeit. Es stellt sich z. B. heraus, dass in diesen Disziplinen der
T'"mfang des Terminus "die im Individuenbereich a richtige Aussage-'
aussehliesslich von der )lchtigkeit. d.er Klasse a abhngt; man kann
also in den Untersuchungen diesen Terminus durch einen anderen, beque-
mflren er;;:.etzen, nmlich dureh den Terminus "die in einem Bereiche
mit k Elementen richtige Aussage"' (Def. 26, Satz 8). Auf den
Begriff der in einem gegebenen Bereich richtigen Aussage lassen sich die
schon frher l)esprochenen ber den erstrecken,
wie ;;:. B. der Satz vom Widerspruch und ,jener vom ausgeschlosseneu
Dritten. Besondere Beachtung verdient der Begriff der in jedem
vidnenbereiche richtigen Aussage (Def. 27). Seinem llmfang nach
steht er in der Mi_t.t-e zwischen dem Begriff des beweisbaren und
jenem ller wahren Aussage: die Klasse der in jedem Bereiche richtigen
Aussagen umfasst alle beweisbaren Stze und besteht ausschliesslich aus
wahren Aussagen (Satz 22 und 27). Dabei ist diese Klasse in der Regel
enger als die Klasse aller wahren Aussagen: sie enthlt z. B. keine
sagen, deren Giltigkeit davon abhngt, wie gross die Anzahl aller
vidne11 ist (Satz 23). Wer heilich das System der beweisbaren Stze jeder
untersuchten Wissenschaft zu einem vollstndigen ausgestalten wilL der
muss in das System Stze eillfgen, die die Frage
1
wieviel Individuen es
berhaupt gibt, vorweg in rliesem oder jenemSinneentseheiden. Verschiedene
Umstnde Jassen jedoch einen anderen Standpunkt als besser begrndet
erscl1einen, nmlich den, dass man die Entscheidung ber solche Probleme
den speziellen dedukt.iven Wissenschaften berlsst, in der Logik und
in ihren Bruchst!icken dagegen nur zu erreichen sucht, dass sich der
Begriff des beweisbaren :::iatzes hinsichtlich seines emfangs mit dem
Begriff einer in jedem Individuenbereiche richtigen AUssage deckt. Fr
die Anhnger dit1ser Tendenz gewinnt die Frage, ob der Umfang der
beiden genannt.en Begriffe tatschlich illentisch ist., grosse Bedeutung:
im Fallo einer negativen Antwort ensteht das Problem, das
system der untersuchten Wissenschaft derart .zu vervoJlstndigen, dass
die so erweiterte Klasse der beweisbaren Stze sich bereits mit der Klasse
cler in jedem Bereiche richtigen Aussagen deckt. Die:ms Problem, das
eigentlich mit der Frage naeh einer strukturellen Charakteristik de'!
zuletzt betrachteten Begriffs quivalent ist, konnte nur in wenigen Fllen
positiv entschieden werden (vgl. Satz 24)
81
); im allgemeinen bietet diese
Frage nicht minder wesentliche Schwierigkeiten als das analoge Problew
einer strukturellen Charakteristik der wahren Aussage. Auf hnliche
In Bezug auf den engeren FunktionenkalkUl wurde dieses in
Hilbert-Ackermann
11
S. 68 gestellte Problem unlngst von K. Gdel
entschieden (Gdel
1
).
[103]
Der Wahrheitsbegriff
363
Schwierigkeiten stossen wir auch dann, wenn wir den Begriff der ln einern
Bereiche mit k Elementen richtigen Aussage strukturell zu definieren
versuchen. Rinzig in dem Falle, in dem k eine endliche Zahl ist, kann
man leicht eine allgemeine Methode angeben, die der aus den Untersu-
chungen ber den erweiterten Aussagenkalkl bekannten Matrizenme-
thode nachgebildet ist und eine strukturelle Charakteristik des betrach-
teten Begriffs ermglicht; auf diesem VvT ege gewinnen wir sogar ein
allgemeines Kriterium, welches auf Grund der Gestalt einer beliebigen
Aussage zu entscheiden gestattet, ob sie in einem Bereicl1e mit vorgege-
bener endlicher Anzahl der Elemente richtig ist
Ich mchte mich hier in spezielle Lntersuchungen ber die zuletzt
betrachteten Begriffe nicht nher einlassen; einige hieher gehrende
Ergebnisse, die sich auf den Klassenkalkl beziehen, habe ich beispiels-
weise im 3 angegeben. Ich bemerke hier nur, dass man in den letzten
Jahren zahlreiche Hesultate gewonnen die gestatten, aus der Richtig-
keit in speziellen Individuen hereichen oder aus (len strukturellen Eigen-
schaften gewisser Aussagen auf deren Richtigkeit in ,jedem Bereiche
1
also
auch auf ihre Wahrheit zu schliessen Es ist evident, dass alle diese
Ergebnisse eTst dann einen klaren und deutlichen Inhalt gewinnen und
sich erst dann ganz exakt beweisen lassen, wenn man als Grundlage der
Betrachtung eine konkrete, przis formulierte Definition der richtigen
Aussage annimmt.
5. Der egrilf der wahren Aussage in den Sprachen
unendliche!" Ordnung.
"\\rir wenden uns nunmehr den Sprachen der 4hm Art zu,
also den Sprachen unendlicher Ordnung, die schon ausserhalb
des Anwendungsbereiches der im vorigen Paragraphen skiz-
zierten Konstruktionsmethoden liegen. Als Beispiel wird uns
die Sprache der allgemeinen Klassentheorie dienen.
Diese Sprache ist aus dem Grunde beachtenswert, weil sie -
trotz ihrer elementaren Struktur und trer Armut an gramma-
82
) Vgl.
S. 352.
So sind nach den bekannten Stzen von Lwenheim_ und
f:\kolem gewisse Kategorien von in jedem Gebiete richtig,
wenn sie nur in allen endlichen und abz.hlbaren Gebieten richtig sind;
diese Stze umfassen z. B. alle Aussagen der in diesem beschriebenen
I"ogik der zwei- und mehrgliedrigen Relationen, die Generalisierungen
von Aussagefunktionen sind, in denen Variable 2ter Ordnung ausschliess-
lich als freie Variable auft_reten. In Bezug auf die Aussagen des Klassen-
kalkls lii.sst sich dieses Ergebnis - wie dies die Stze 15 und 19 aus
3 erweisen - wesentlich verschrfen. Ein engeres Anwendungsgebiet
besitzen gewisse Resultate von Beruays, Schnfinkel und Acker-
34
Alfred Ta1ski
[104]
tischen Formen - schon zur Formulierung jedes Gedankens
gengt, der sich in der gesamten Sprache der mathematischen
Logik ausdrcken lsst; eine einfachere Sprache, die das leistet,
kann man sich schwer vorstellen
84
).
In der allgemeinen Klassentheorie treten dieselben Kon-
stanten auf wie in den vorher untersuchten \Vissenscha.ften,
mann: sie gestatten, Aussagen von einer speziellen Struktur eine he-
stimmte natrliche Zahl k derart zuzuordnen, dass schon aus der Hichtigkeit
einer gegebenen Aussage in dem Bereiche mit k Elementen (also - wie
uos schon bekannt ist - aus rein strukturellen Eigenschaften der Aus-
sage) ihre Richtigkeit in ,jedem Bereiche folgt. Vgl. hiezu Ackermann
1
,
Bernays-Schnfinkel
1
, Herbrand
1
, Lwenheim
1
. Skolem
1
, Sko-
lem2 und Skolem
3
6
') Die Sprache der allgemeinen Klassentheorie steht hinsic.htlicli
des Reichtums an semantischen Kategorien weit hinter der Sprache des
Systems Whi tehead-Russell
1
und weit mehr noch hinter der Sprache,
tlie Le Sn ie w sk i in seinem System verwendet (vgl. tii3J und IThJ). Insbesou-
dere treten in der betrachteten Sprache berhaupt keine Aussagevariablen
und weder Namen von zwei- und mehrgliedrigen Relationen, noch Variable,
die diese Xamen vertreten, auf. Lber die Entbehrlichkeit der Aussage>a-
riablen entscheidet der schon in 72) erwhnte Umstand: jeder Aussage.
die Aussagevariable enthlt, kann man eine logisch quivalente Aussage
zuordnen, die diese Variablen nicht enthlt. Die Ausfhrungen deH * 2, ins-
besondere die Def. 18-17, unterrichten uns dabei hinreichend darber, wie
derartige Variable bei der Anlage einer Axiomenliste und bei der Ableitung
der Stze der untersuchten Wissenschaft vermieden werden knnen; vgl,
auch v. e um mn n
1
(insbesondere Anm. 9) aufS. 38). Die Mglichkeit der
zweigliedriger Relationen ergibt sich aus folgender berlegung.
Jeder Relation R lsst sich in eineindeutiger Weise eine Klasse von geordue-
ten Paaren zuordnen, nmlich die Klasse aller jener geordneten Paare! deren
Glieder x und y die Formel: :.rRy erfllen. Wenn die .Relation R dahei
homogen ist, d. h., wenn der Bereich und der Gegenbereich dieser Rela-
tion zu derselben semantischen Kategorie gehren
1
so kann man das ge-
ordnete Paar anders interpretieren, als wir das auf S. [26] getan haben,
und zwar als Klasse, deren Elemente zwei Klassen sind: die Klasse, die ::r
als einziges Element enthlt, und die Klasse, die aus"zwei Elementen .r
und y besteht. Um eine analoge Methode auf nichthomogene Relationen
anwenden zu knnen, muss man ihnen vorher eineindeutig homogene
.Relationen zuordnen, was keine grSseren Schwierigkeiten bietet . .Analog
verfahren wir mit mehrgliedrigen Relationen. In dieser Weise lsst sich
jede Aussage ber zwei- und mehrgliedrige Relationen beliebiger Kate
gorie in eine quivalente Aussage ber Individuen, Klassen von Indivi-
duen, Klassen solcher Klassen u. s. w. umformen. Vgl. hiezu E:ura-
!owskin S. 171 und Chwistek
2
, insbesondere S. 722.
[105]
Der wahrheitsbegriff
365
cl. i. die Zeichen der N egatiou und der logischen Summe
sowie das Allzeichen. Als Variable verwenden wir SymUole
wie
11
X:", "x;,", "X:'" u. s. w., d. i. Zeichen, die aus dem
Zeichen "X" und einer Anzahl kleiner Striche unten und
oben gebildet sind; das Zeichen, welches k Striche unten und
n oben enthlt, nennen wir Variable kter G-eHtalt nter Ord-
nung und bezeichnen es mit dem Symbol nv:u. Die Variablen
vt, vZ, vt ... reprsentieren beziehungsweise Namen von Indi
viduen - also von Gegenstnden 1 t.er Ordnung: von Klassen
von Individuen - Gegenstnden 2ter Ordnung; von Klassen
solcher Klassen - Gegenstnden tt>r Ordnung u. s. w.; diese
Variablen gehren offenbar zu unendlich vielen semantischen
Kategorien. Als fundamAntals Aussagefunktionen betrachten
wir die Ausdrcke vom Typus nXY", wo an statt "X" eine
beliebige Variable n+Iter Ordnung und anstatt "Y" eine Variable
nter Ordnung auftritt; diese Ausdrcke lesen wir: "die Klasse X
(n+ per Ordnung) enthlt als Element den Gegenstand Y
(nw Ordnung)", oder ,.,die Eigenschaft X kommt dem Gegen-
stand Y zu u.. Zur Bezeichnung der fundamentalen Fnnktionen
d
. d. a b I n " d . v+l V"
wen en wn 1e o e r/1.-,
1
an, 1n em Wir IJJ.-,
1
= k (\ ,
setzen. Der weitere Aufbau der \Vissenschaft weist keine
wesentlichen Unterschiede 7.. B. gegenber der Logik der zwei-
oder mehrgliedrigen Relationen d:uf. Die Generalisation und
Partikularisation der Aussagefunktion x hinsichtlich der Va-
riablen bezeichnen wir beziehungsweise mit den Symbolen
"n; x" und "U: x"'. Zu den Axiomen zhlen wir (1) Aussagen,
die die Bedingung (a) der Def. 13 des 2 erfllen, die also
a.us den Axiomen des Aussagenkalkls durch Einsetzung, gege-
benenfalls auch durch nachfolgende. Generalisierung entstehen;
, 2) Psendodefinitionen, d. h. Aussagen, die Generalisationen
YOn Aussagefunktionen vorn Typus u;.+i n; ( i' y + I. y)
sind, wobei y eine beliebige Anssagefunktion ist, die nicht die
freie Variable enthlt; (3) die Gesetze der Exten-
sion a 1 i t . t, d. i. Aussagen von der Form:
n
p+2 np+i np+i (U' (ep + --;p Ep ) + ,N-1 + E:t+1)
1: l m n l,n' m.n l.n' m.n k,l k.n l
clie dass zwei Klassen, die sich nicht in ihren Ele-
menten unterscheiden, sich auch in keiner ihrer Eigenschaften
unterscheiden, also identwh sind. Um in der untersuchten
366
Alfred Tarski
(106]
Wissenschaft eine hinreichende Basis fr die Grundlegung ver-
schiedener Teile der Mathematik, insbesondere aber der ganzen
theoretischen Arithmetik zu gewinnen, mssen wir zu dem
obigen System noch (4) das Axiom der Unendlichkeit
hinzufgen, d. i. die Aussage
'( 2 2 '(-,-- '( 2 1 1 --,-- 1( 1 --,--))))
u1 u1 EJ,i. nl E1,1 + Uz E1,2. nt(e1,1 +t:2,1). Ut 1,1. E2,1 '
die die Existenz unendlich vieler Individuen gewhrleistet
85
).
Bei der Ableitung der Folgerungen aus den Axiomen wenden
wir die Operationen der Einsetzung, der Abtrennung, der Hinzu-
fgung und der VVeglassung des -Anzeichens an, analog den
in den Bedingungen (y)-(s) der Def. 15 des ~ 3 beschriebenen
Operationen.
Wenn wir versuchen, den Begriff des Erflltseins in Bezug
auf die untersuchte p r ~ c h e zu przisieren, stossen wir auf
Schwierigkeiten, die wir nicht berwinden knnen. Angesichts
der unendlichen Verschiedenartigkeit der in der Sprache repr-
sentierten semantischen Kategorien ist es hier - hnlich wie
im Fall der Logik der mehrgliedrigen Relationen - a priori
ausgeschlossen, die Methode der mehrzeiligen Folgen anzu-
wenden. Aber noch schlimmer ist es, dass auch die :Methode der
semantischen Vereinheitlichung der Variablen uns im Stich lsst.
Tatschlich kann - wie m:ls aus 4 bekannt ist - die verein-
heitlichende Kategorie nicht von niedrigerer Ordnung als irgend
eine der Variablen der betrachteten Sprache sein; Folgen,
deren Glieder zu dieser Kategorie gehren, und umsomehr die
Relation des Erflltsems, die zwischen derartigen Folgen und
den entsprechenden Aussagefunktionen besteht, mssen also
von hherer Ordnung sein als alle jene Variablen. In der
Sprache, mit dor wir es hier zu tun haben, treten ja Variable
beliebig hoher (endlicher) Ordnung auf; bei Anwendung der
Methode der Vereinheitlichung mssten wir somit mit Aus-
drcken
71
unendlicher Ordnung" operieren. Doch weder die
Metasprache, die den Boden der vorliegenden Untersuchungen
bildet, noch irgend eine andere der existierenden Sprachen
S5) Dadurch, dass wir das "Unendlichkeitsaxiom annehmen, ver-
zichten wir freilich auf das Postulat, nach dem nur die in jedem Indi-
viduenbereiche richtigen Aussagen beweisbare Stl!:e der Logik sein sollen
(vgl. S. [102] ).
[107]
Der \Vahrheitsbegriff
367
enthlt derartige Ansdrcke; es ist uns sogar nicht reeht klar,
welchen inhaltlichen Sinn man solchen Ausdrcken zuschreiben
knnte.
Diese Bemerkungen scheinen zu zeigen, dass es unmglich
ist, fr die untersuchte Sprache einen allgemeinen, semantisch
eindeutigen Begriff des Erflltseins zu konstruieren, der auf
alle Aussagefunktionen ohne Rcksicht auf ihren semantisehen
Typus anwendbar w,re. Dagegen bemerken wir keine prinzi-
piellen Schwierigkeiten, die die konsequente Anwendung des
Begriffs des Erflltseins in seiner ursprnglichen Fassung,
oder vielmehr - der semantischen Mehrdeutigkeit dieser Fas-
sung wegen - einer unendlichen Anzahl solcher Begriffe
unmglich machen wrden; jeder dieser Begriffe wre in seman-
tischer Hinsicht schon bestimmt und wrde sich ausschliesslich
auf Funktionen eines bestimmten semantischen Typus beziehen
(z. B. auf Funktionen) die eine Variable lter Ordnung als einzige
freie Variable enthalten). Tatschlich erweckt - unabhngig
von der logischen Struktur der Sprache - der inhaltliche Sinn
keines dieser Ausdrcke irgend welchen Zweifel; fr jede belie-
bige konkrete Aussagefunktion knnen wir sogar diesen Sinn
genau przisieren) indem wir fr jede \\r ... endnng vom rl'ypus
,.,die Gegenstnde a, b, c. . . erfllen die gegebene Aussage-
funktion" eine inhaltlich quivalente Wendung konstruieren,
die gnzlich in Termen der Metasprache formuliert ist. Nichts-
flestoweniger bietet das Problem der Konstruktion einer kor-
rekten Definition fr jeden der besprochenen Begriffe wiederum
wesentliche Schwierigkeiten. Auf dem Boden der Sprachen,
die wir frher untersucht habon, konnte man jeden speziellen
Bogriff des Erflltseins leicht durch eine gewisse Spezialisie-
rung des allgemeinen Begriffs gewinnen; im gegenwrtigen
Falle ist dieser Weg freilich nicht gangbar. Der Gedanke,
in Anlehnung an die Definition der Aussagefunktion in dieser
oder jener Form die rekursive :Methode anzuwenden, muss sich
schon nach kurzer berlegung, trotz seiner Natrlichkeit, als
verfehlt herausstellen. 'Vie man leicht einsieht) lassen sich nm-
lich die zusammengesetzten Funktionen von einem bestimmten
semantischen Typus nioht immer ans einfacheren Funktionen
von demselben Typus bilden; wir mssen im Gegenteil) um
beliebige Funktionen von einem gegebenen Typus konstruieren
368
Alfred Tarski
[lOSj
zu knnen
1
Aussagefunktionen von allen mglichen semanti-
schen Typen als l\faterial verwenden
86
). Im Zusammenhang
damit mssten wir bei der rekursiven Definition irgend eines
speziellen Begriffs des Erflltseins mit e,in und demselben rekur-
siven Prozess unendlich viele analoge Begriffe umfassen --
was aber ausserhalb der sprachlichen Mglichkeiten liegt.
Im engen Zusammenhang mit diesen Erwgungen steht
das zentrale Problem unserer Arbeit - die Konstruktion der
Definition der Wahrheit. Wrde es gelingen, wenn schon
nicht den allgemeinen, so doch irgend einen der speziellen
Begriffe des Erflltseins zu przisieren, so wrde diese Aufgabe
nicht die mindesten Schwierigkeiten bieten
87
). Andrerseits aber
kennen wir keine Konstruktionsmethode, die nicht - mittelbar
oder unmittelbar - ber eine vorherige Definition des Begriffs
des Erflltseins fhren wrde. Somit drfen wir - in Anbe-
tracht der Erfolglosigkeit der bisherigen Versuche - jedenfalls
feststellen, dass wir gegenwrtig fr die untersuchte Sprache
keine korrekte und sachlich zutreffende Definition der wahren
Aussage konstruieren knnen.
~
6
) Ein usserer Ausdruck dieses Sachverhalts ist es, dass in den Defi-
nitionen des Erflltseins nicht nur freie Variable wesentlich bercksich-
tigt werden mssen, sondern auch alle gebundenen Variablen der betrach-
teten Funktion, obzwar diese Variablen keinen Einfluss auf den seman-
tischen Typus der Funktion ausben und es keineswegs von den diesen
Variablen entsprechenden Gliedern der Folge abhngt: ob die Relation
dos Erflltseins besteht oder nicht (vgl. Def. 22 des B, Bedingung (&) ). -
Es sei daran erinnert, dass analoge Schwierigkeiten wie die im Texte
erwhnten schon frher auftauchten, nmlich bei dem Versuch, auf un-
mittelbarem \'1.,.. ege eine rekursive Definition der Wahrheit zu konstruieren
(vgl. S. [471).
~ ) Stellen wir uns z. B. vor, dass es uns in irgend einer Weise
gelungen ist, den Begriff des J<hllltseins in Bezug auf solche Aussage-
funktionen zu definieren, die eine Variable tter Ordnung als einzige freie
Variable enthalten; wir knnen dann mit Vlendungen vom Typus "das
Individuum a erfllt die Aussagefunktion y;' frei operieren. Wenn wir
nun irgend eine konkrete Aussagefunktion in Betracht ziehen! :;:. B.
ui E },1' die durch jedes beliebige Individuum erfllt wird, so gewinnen
wir sofort folgende Definition der wahren Aussage: x ist dann und nur
dann eine wahre Aussage, wenn Jedes Indivirluum a die Funktion
x. Ui F ~ . t (d. i. die Konfu.nkt-ion der Aussage :::r und der Funktion Ui e },
1
)
erfllt. Auf ganz analogem Wege kann man von jedem anderen der spe-
ziellen Begriffe des Erflltseins zum Begriff der v,.-r-ahrheit berg-ehen.
[109]
Der Wahrheitsbegriff
369
Angesiehts dieser Sachlage taucht clie Frage auf, ob unser
Misserfolg zuflligen Charakter hat und etwa nur an der
Unvollkommenheit der tatschlich augewandten Methoden liegt,
oder ob hier Hindernisse prinzipieller Natur eine Rolle spielen,
die im "\Vesen der Begriffe liegen, die wir definieren wollen,
bzw. mit deren Hilfe wir die geforderten Definitionen zu kon-
struieren versuchen i wenn die zweite Eventualitt zutrifft, so
wren freilich alle auf die Verbesserung der Konstruktions-
methoden gerichteten Bemhungen fruchtlos. Um diese Frage
beantworten zu knnen, muss man ihr zuerst eine weniger
unbestimmte Form geben. Erinnern wir uns daran, dass wir
in der Konvention W des 3 gerrau festgesetzt haben, welche
Bedingungen ber die sachliche Richtigkeit einer beliebigen
Definition der wahren Aussage entscheiden; die Konstruktion
einer Definition, die diesen Bedingungen gengt, bildet ja den
Hauptgegenstand unserer Untersuchung. Angesichts dessen
nimmt das in Rede stehende Problem eine przisere Form an:
es handelt sich darum, ob auf dem Boden der Meta-
wissen::!chaft der betrachteten Sprache die Kon-
struktion einer richtigen De.finition der Wahr-
heit im Sinne der Konvention iU prinzipiell m-
g 1 ich ist. Wie wir uns berzeugen werden, lsst sich das
Problem in dieser Gestalt schon enclgiltig lsen, und zwar
in negativer Richtung.
Es ist nicht schwer einzusehen, dass das uns interessie-
rende Problem den Rahmen der bisherigen Betrachtung sprengt;
es gehrt nmlich in das Gebiet der Meta.-Metawissenschaft;
seine definitive Lsung, ja. selbst uur seine korrekte Formu-
ljenmg wrde einen neuen Untersuchungsapparat erfordern
und vor allem die gerraue 1!-,ormalisierung der Metasprache und
der auf ihrem Boden betriebenen Metawissenschaft erforderlich
machen SR). loh glaube jedoch, dass es mir -auch ohne so weit
zn gehen und unter Vermeidung der verschiedenen technischen
Komplikationen - gelingen 'vird, in ziemlich klarer "\\-reise
ber alles zu berichten, Vi"::t<:; sich im Zusammenhang mit obigem
Problem gegenwrtig Positives fest,stellen lsst.
Beim Operieren mit der 1\feta,<:;prachc werden wir die in
2 und 3 a.ngegebene Symbolik beibehalten. Um die weiteren
Ausfhrungen zu vereinfachen und mgliche Missverstndnisse
370
Alfred 'rarski
[110]
zu vermeiden, werden \vir einen solchen Bau der Metasprache
annehmen, bei dem dio untersuchte Sprache ein
der Metasprache bildet: jeder Ausdruck der Sprache ist zugleich
ein Ausdruck der Metasprache, aber nicht mngekehrt. Dies
erlaubt uns in gewissen Fllen (z. B. bei der Formulierung
der Bedingung (a) der Konvention 'llJ) einfach von den Aus-
drcken der Sprache selbst zu sprechen, anstatt, wie bisher,
von den mit ihnen gleichbedeutenden Ausdrcken der Meta-
sprache.
Nach diesen Vorbehalten und Konventionen gehen wir
nunmehr an die Formulierung und des
ta.len Ergebnisses.
Satz I. (a) Wie auch immer wir in der Metawissensahaft
das Symbol
11
Wr", das eine Klasse von Au,sdrcken bezeichnet,
definWren, so werden wir daraus die Negation eines der Stze
ableiten knnen,. die in der Bedingung (a) der Konvention 'llJ
beschrieben wurden;
({J) vorausgesetzt also, dass die Klasse aller beweisbaren
Stze der Metawisl;enschaft widerspruchsfrei ist, ist es unmglich,
auf dem Boden der Metawissenschaft eine zutreffende Definition
der Wahrheit im Sinne der Konvention W' zu konstruieren.
Die Idee des Beweises dieses Satzes knnte man in fol-
gende Worte fassen
88
): (1) setzt eine bestimmte Interpre-
tation der Metasprache in der Sprache selbst fest und ordnet
auf diesem Wege eindeutig jeder Aussage der Metasprache
88
) Die hier augewandte Methode verdanken wir Gdel, !lern
sie in seiner krzlich erschienenen Arbeit Gdel
3
zu anderen Zwecken
dientej vgl, beaonders S, 174-175, bzw. 187-190 (Beweis des Satzes VI).
Dieser ungemein wichtige und interessante Artikel steht in keinem unmh--
telbaren Zusammenhang mit dem Thema unserer Arbeit - er betrifft
nmlich streng methodologische Probleme: die Widerspruchsfreiheit und
Vollstndigkeit de:r deduktiven Systeme; nichtsdestoweniger werden wir
die Methoden und teilweise auch die Ergebnisse der Gdelscheu
suchungen fr uns-ere Zwecke diem;tbar machen knnen.
Bei dieser Gelegenheit bemerke ich
1
dass ich den Sat2 I samt der
Skizze seines Beweises in die vorliegende Arbeit erst eingefgt habe,
nachdem sie bereits in Druck gegeben war; zur Zeit, als die Arbeit der
Warschauer Gesellschaft der Wissensch11ften vorgelegt wurde (2l.II1. 1931 ),
war Gdels Artikel- so viel mir bekannt ist- noeh nicht erschienen,
Ich hatte dahel' in der ursprnglichen Fassung an dieser Stelle a.nstatt
positiver Ergebnisse nur gewisse Vermutungen ausgesprochen
1
die sich
[l11]
De-r Wahrheitsbegrifl'
371
eine (in Hinsicht auf das in der Metawissenschaft angenom-
mene AxiomensyBtem) ihr quivalente Aussage der Sprache zu:
auf diese eise enthlt die Metasprache neben einer beliebigen
Aussage auch einen individuellen Namen - wenn nicht der-
selben, so wenigstens der ihr zugeordneten und quivalenten
Aussage. (2) 'Vrde es uns also gelingen, in der Metasprache
eine richtige Definition der Wahrheit zu konstruieren, so wrde
die J\fetaspraehe - mlt Rcksicht auf obige Interpretation -
jenen universalistischen Charakter gewinnen, der die wesentli-
che Quelle der semantischen Antinomien auf dem Boden der
Umgangssprache war (vgl. S. [18]); insbesondere knnte man
dann in der Metasprache die Antinomie des Lgners rekon-
struieren, indem man nmlich in der Sprache selbst eine solche
Aussage x bildet, dass diejenige Aussage der Metasprache, der
die Aussage x zugeordnet ist, besagt, x sei keine wahre Aus-
sage; dabei knnte man bei dieser Rekonstruktion durch An-
wendung des aus der .Mengenlehre bekannten Diagonalverfah-
rens
89
) alle Termini vermeiden, die nicht zur Metasprache
gehren, sowie alle Prmissen empirischer Natur, die in den
bishe:t;igen Formulierungen der Antinomie des Lgners eine
Rolle 9o).
brigens in der gleichen Richtung bewegten und sich teilweise auf meine
eigenen Untersuchungen, teilweise auf den einige Monate vorher ver-
ffentlichten kurzen Rericht Gd el
2
stt:den.
Nachdem ich den oben angefhrten Artikel kennen gelernt hatte
1
berzeugte ich mich u. a., dass die deduktive Theorie, die Gdel als
Gegenstand seiner Untersuchungen gewhlt hat, das sog. "System P'",
der in diesem Paragraphen betrachteten allgemeinen Klassentheorie auf-
fallend hnlich ist: abgesehen von gewissen Abweichungen "kalligraphi-
Natur besteht der einzige Unterschied darin, dass im "System p;<
neben drei .logischen Konstanten auch gewisse Konstante aus dem Ge-
biete der Arithmetik der natrlichen Zahlen auftreten (es besteht auch
eine weitgehende Analogie zwischen dem "System P" und dem in T ar-
ski2, S. 21.3-217 skizzierten System der Arithmetik). So lassen si.ch denn
die fr das "System P" gewonnenen Resultate leicht auf die gegenwrtige
Bet.rachtung bertragen, Der abstrakte Charakter der von Gdel ange-
watJ.dt.en Methoden macht brigens die GHtigkeit der von ihm erzielten
He"ultato von den spezifischen Eigent-mlichkeiten der untersuchten Wis-
sonschaft in hohem Grade unabhngig.
Vgl. z. B. Fraenkelu S. 48 ff.
Wenn man die nuten angegebene Skizze des Beweises analyHiert,
so bemerkt u1an leicht, dass eine analoge sich sogar auf
372
Alfred. ':ra.rski
[112]
Wir wollen den Beweis ein wenig genauer skizzieren
91
).
Vereinbaren wir, fr den Augenblick anstatt "X;"" das
Symbol "n" zu verwenden; die Partikularisation der Aussage-
funktion y hinsichtlich der Variablen ,:n" werden wir, wie
bisher, mit dem Symbol ,; y" bezeichnen. Die Variable "n"
reprsentiert also Namen von Klassen, deren Elemente Klassen
von Individuen sind ; bekanntlich finden wir unter diesen Klas-
sen u. a. die natrlichen Zahlen und berhaupt die Kardi-
nalzahlen
76
).
Ich habe schon bemerkt, dass man in der hier untersuchten
Sprache der allgemeinen Klassentheorie alle Tatsachen aus dem
Gebiet der Arithmetik der natrlichen Zahlen ausdrcken kann.
Insbesondere kann man, wenn eine natrliche Zahl k gegeben
ist, in dieser Sprache leicht eine Aussagefunktion t", konstruieren,
die das Symbol "n" als einzige freie Variable enthlt und die
besagt, dass die Klasse, deren Namen durch dieses Symbol
reprsentiert ist, mit der Zahl k identisch ist (also ans den
und nur den Klassen von Individuen besteht, wt>lche genau k
El h 1 S
. '( 2 i 1 2
emente ent aten
76
)). 0 z. B. 1St ll= nt E1,1.utn2n2
(
1 (-1 -.-- , l) , n 1 1 '(..-- , 1 ')) .
et,1" e1,2. + e2,1 + E2,2 + Ei,l. 1 Uz u:! E1,1 + E1,2. E2,1. E2,'!- ;
81116
allgemeine rekun'!ive Definition der Folge der Funktionen ,k
bietet auf dem Boden der Metasprache keine grsseren Schwie-
rigkeiten.
Wie ich schon in s 2 (S. [41]) erwhnt habe, kann man
zwischen den Ausdrcken der Sprache und den natrlichen
Zahlen unschwer eine eineindeutige Zuordnung durchfhnm:
dem Boden der Umgangssprache durchfhren lsst und dass sich infolge
!lieser Rekonstruktion die Antinomie des Lgners tatschlich rleT Anti-
nomie des Ausdrucks "hoterologi$ch'' nhert. Zu dem letzt<n Absatz des
'l'cxtes -..-gl. die Schlusshemerkungen des 1, S. [18] f. uml
9t) Zur Vereinfachung worden wir uns an vielen Stellen so aus-
drcken, als wrde die folgende Beweisfhrung zur Metawissenschaft
und nicht zur Meta-Metawissenschart gehren; insbesondere \verdon wir,
austatt z. B. zu behaupten, dass eine gegebene Aussage in der Meta-
wissensehaft beweisbar ist, einfach die .Aussage selbst aufstellen. Man
vergesse jedenfalls nicht, das hier nur eine Skiz7.e des Beweises gegeben
wird, der noch vieles zur Vollstndigkeit fehlt.
[113]
Der '\Vahrheit..sbegrifi'
373
man kann m der Metasprache eine solche unendliche
rp
von Ausdrcken definieren, in welcher jeder Ausdruck der
Sprache, und zwar nur einmal, vorkommt. Auf Grund dieser
Zuordnung kann man jeder Operation an Ausdrcken eine Ope
ration an natrlichen Zahlen (welche dieselben formalen Eigen-
schaften besitzt) zuordnen, jeder Klasse von Ausdrcken eine
Klasse von natrlichen Zahlen u. s. w.; demzufolge gewinnt
die eine Interpretation in der Arithmetik der
natrlichen Zahlen und mittelbar in der Sprache der allgemeinen
Klassentbeorie.
N ehrneu wir insbesondere an, dass wir in der Metasprache
die Aussagenklasse Wr definiert haben; dieser Klasse wird
dann eine Klasse der natrlichen Zahlen entsprechen, die aus-
schliesslich in Termen der Arithmetik definiert ist. Betrachten
wir den Ausdn1ek (tn. q;".) Ii TVr"; es iBt das eine Aussage-
funktion der rlie "n" als einzige freie Variable
enthlt. Aus den frheren Bemerkungen folgt, dass man dieser
Funktion eine andere, ihr fr beliebige 'Verte von "n" quiva-
lente Funkt.ion zuordnen kann
1
die jedoch vollstndig in Termen
der Arithmetik au:.gedrckt. ist. Diese neue Funktion werden
wir schematisch in der Form "t/J (n)" darstellen; wir haben also:
(1) fr ein beliebiges n gilt (Ln. ff.,) - Wr dann und nur
dann, wenn q; (n).
Da die Sprache der allgemeinen Klassentheorie zur Grund-
legung der Arithmetik der natrlichen Zahlen knnen
"\Vir annehmen, dass "'1./J (n)" eine von den Funktionen dieser
Sprache ist. Die Funktion n't/J (n)" wird also ein Glied der Folge fP
sein, z. B. das Glied mit dem Index k: "?/J (n)" = f/Jk. Wenn
wu iu der Aussage (1) nk" fr "n" einsetzen, erhalten wir:
(2) u: (t,. rp,) ., w, dann und nur dann, wenn !/J (k).
Das Symbol (r1c. fJ!
1
c)" bezeichnet selbstverstndlich
eine Aussage der untersuchten Sprache. Indem wir auf diese
die Bedingung (a) der Konvention 'lU anwenden,
erbalten wir einen Satz von der Form "x E Wr dann und nu1
dann, wenn p", wo
11
x" durch einen strukturell-deskriptiven
oder irgend einen anderen individuellen Namen der Aussage
ffk}, "p" dagegen durch diese Aussage selbst oder ir-
gend eine ihr quivalente Aussage zu ersetzen ist. Insbesou-
374
Alfred Tarski
[1141
dere knnen wir fr "x" den Ausdruck n u: (tk. rp,.)u und fr
."p" - angesichts der Bedeutung des Symbols "'"" - die Aus-
sage "es gibt ein solches n, dass n = k und 1/J (n)" oder ein-
fach ."1/J (k)" einsetzen; auf diese Weise erhalten wir folgende
Formulierung:
(3) u: q;") f: Wr dann und nur dann, wenn '1/J (k).
Die Aussagen (2) und (3) stehen in offenbarem "\Vider-
sprnch zu einander; die Aussage (2) ist sogar direkt quivalent
der Negation von (3). Damit ist aber der erste Teil des Satzes
bewiesen: wir haben bewiesen) dass unter don l!-,olgerungen ans
der Definition des Symbols "Wr" die Negation eines von jenon
Stzen auftreten muss, von denen in der Bedingung (a) der
Konvention W die Rede ist. Daraus folgt unmittelbar der
zweite Teil des Satzes.
Die in dem Teile () dieses Satzes auftretende Voraus-
setzung der Widerspruchsfreiheit ist wesentlich: enthielte nm-
lich die Klasse aller beweisbaren St7.e der
einen Widerspruch, so wrde jede Definition in der )fetawis-
senschaft alle berhaupt mglichen Aussagen (denn sie alle
wren in der Meta,wissenscha.ft beweis bar) nach sich ziehen,
also insbesondere auch die in der Konvention 'lU beschriebenen.
Andrerseits besteht, wie wir jetzt wissen
92
)
1
keine Ans:-;icht,
die VViderspruchsfreiheit der von uns betriebenen Metawissen-
schaft auf dem Boden der Meta-Metawissenschaft zu bewei::;en.
Es ist zu bemerken, dass - angesichts des Besteheus einer
Interpretation der Metawissenschaft in der Wissenschaft selbst
(ein Umstand, der in dem obon skizzierten Beweis eine so
wesentliche Rolle gespielt hat)- die Voraussetzung des zweiten
Teiles des Satzes I der Voraussetzung der ':ViderspruchRfreiheit
der untersuchten Wissenschaft selbst quivalent und vom
intuitiven Gesichtspunkt aus ebenso evident ist.
Das in dem Satz I erzielte Ergebnis scheint vielleicht
auf den ersten Blick ungemein paradox zu sein. Dieser Ein-
druck schwcht sich jedoch zweifellos ab, sobald wir uns den
tiefliegenden Unterschied zwischen dem Inhalt des zu definie-
renden Begriffs und- dem Charakter jener Begriffe vor Augen
9
2
) Vgl. Gdel
3
, S. 196 (Satz XI).
ru5J
Der Wahrheitsbegriff
375
halten, welche uns bei der Konstruktion der Definition zur
Verfgung stehen.
Die .Metasprache, in der wir die Untersuchung durchfh-
ren, enthlt - neben den Ausdrcken von logischem Charakter,
unter denen wir u. a. (in dem betrachteten Fall) alle Aus-
drcke der untersuchten Sprache voTfinden, - ausschliesslich
rmr strukturell-deskriptive Termini, also Namen von Ausdrcken
der Sprache, von strukturellen Eigenschaften dieser Ausdrcke,
von strukturellen Relationen zwischen Ausdrcken u. s. w.
Uas, was wir Metawissenschaft nennen, ist im Grunde
men die Morphologie rler Sprache- eine Wissenschaft
von der Gestalt der Ausdrcke - ein Korrelat solcher Teile
der traditionellen Grammatik wie die Morphologie, Etymologie
und Syntax.
Der Umstand, dass die untersuchte Sprache und die
in dieser Sprache betriebene deduktive Wissenschaft formali-
sierten Charakter haben, hat. eine juteressaute Erscheinung
hervorgerufen: es ist nmlich gelungen, auf strukturell-deskrip-
tive Begriffe gewisse Tiegriffe von ganz anderer Natur zurck-
zufhren, die Rieb von jenen sowohl durch ihre Genese als
auch durch ihren blichen Sinn unterscheiden, nmlich den
Begriff der Folgerung samt einer Reihe verwandter Begriffe
93
) ;
es ist gelungen, als einen Teil der Morphologie das zu be-
grnden, was man Logik der gegebenen Wissenschaft
nennen knnte.
Durch diesen Erfolg ermuntert, haben wir versucht, weiter
zu gehen und in der Metasprache auch noch Definitionen
gewisser Begriffe aus einem anderen Gebiet zu konstruieren, nm-
lich aus der sog. Semantik der Sprache, - also solcher
Begriffe wie der des Erfiilltseins, des Bezeichnens, der Wahr-
heit, dor Definierbarkeit n. s. w. Ein charakteristisches Merkma1
93
) Die Zurckfhrung des Folgerungsbegriffs auf Begriffe aus dem
Gebiote Uer Morphologie der Sprache ist ein Ergebnis der deduktiven
Methode in ihrem letzten Entwicklungstadium; wenn wir im Alltagsleben
sagen, dass ein Satz aus anderen Stzen folgt, so meinen wir zweifellos etwas
ganz anderes, als das Bestehen gewisser struktureller Beziehungen zwi-
schen diesen Stzen. Im Liehte der let.zten Ergebnisse Gdels erscheint
es dabei zweifelhaft, ol;l diese tatschlich restlos vollzogen
worden tst-. .
371l
Alfred Tarski
[116]
der semantischen Begriffe liegt darin, dass sw gewisse Abhn-
gigkeiten zwischen den Ausdrcken der Sprache und den
Gegenstnden, ,)von denen in diesen Ausdrcken die Rede istu,
zum Ausdruck bringen, bzw. dass sie mit Hilfe derartiger
Abhngigkeiten gewisse Kategorien von AuRdrckcn oder an-
deren Gegenstnden charakterisieren. Man knnte (unter V er-
wendung der "suppositio materialis") auch sagen, dass diese
Begriffe zur der 7;nordnung zwischen den Namen
von A nsdriicken und den Ausdrcken selbst dienen.
Die semantischen Begri:fl'c erfreuen sich seit langem eines
"blen Rufes(.: unter den Spezialisten auf dem Gebiete der
Sprachforschung: sie haben sich allen Versuehen einer gerrau-
eren Przisierung ihres Sinnes entzogen, nnd Eigenschaften
dieser Begriffe, die inhaltlich einleuchtend erschienen, haben zu
Paradoxien und Antinomien ged'hrt. Darum muss die Tendenz,
diese Begriffe auf strukturell-deskriptive Begriffe mit klarem
und deutlichem Inhalt nnd evidenten Bigenschaften zurll ck-
zufhren, ganz natrlich und begrndet erscheinen. l
1
r die
Mglichkeit, diese Tendenz zu realisieren, schien folgende Tat-
sache zu sprechen: es ist immer gelungen, jede Wendung, die
die von uns betrachteten semantischen rrermini enthlt nnd
die einzelnen, strukturell beschrieheuen Ausdrcke der Sprache
bet.rifft, durch eine inhaltlich quivalente und vou derartigen
Termini freie Wendung zu ersetzen; m. a. W. man konnte
fr jeden semantischen Begriff unendlich viele Teildefinitionen
formulieren, die in ihrer Gesamtheit alle Flle der Anwendung
dieses Begriffs auf konkrete Ausdrcke erschpfen und fr die
die in der Bedingung (Q:) der Konvention '1U angefhrten Stze
ein Beispiel sind. Zn eben diesem Zwecke rechneten wir in
der Regel - mit Rcksicht auf den Inhalt der E;Bmantischon
Begriffe - neben den Namen von Ausdrcken alle Ausrlrcke
der Sprache selbst oder die mit ihnen gleichbedeutenden Aus-
drcke zur .Metasprache (und zwar selbst dann, wenn diese Aus-
drcke keinen logischen Charakter besassen, vgl. S. [69] f.), ob-
gleich eine derartige Bereicherung der Metasprache keine V orteile
fr den Betrieb der "reinen" Morphologie der Sprache bietet ..
An und fr sich hat die erwhnte Tat::::ache keine ont::whei-
dende Bedeutung: es gibt keinen Weg, der einen automatischen
bergang von jenen Teildefinitionen zu einer allgemeinen Defi-
[117]
Der "\\Tahrheit,sbegriff
377
nition ermglicht, die sie alle als Spezialflle umfassen unct
ihr
11
unendliche"J Produkt" bilden wrde fl
4
). Erst dauk
den speziellen Konstruktionsmethoden, diA wir in den ;)
und 4 entwickelten, ist es uns gelungen, die geforderte Re-
duktion der semantischen Begriffe durchzufhren, und zwar
nur fr eine bestimmte Gruppe von Sprachen, die an gramma-
tischen Formen arm sind und deren Heichtum an semantischen
Kategorien beschrnkt ist, - nmlich fr die Sprachen end-
licher Ordnung. Es sei da.ran erinnert., dass die dabei auge-
wandten Methoden verlangten, in der Metasprache Kategorien
zu verwenden, die hherer Ordnung als alle Kategorien der
unter"whten Sprache und deshalb von allen grammatischen
Formen dieser Sprache prinzipiell verschieden sind. Die Ana-
lyse des oben skizzierten Beweises des Satzes I zeigt, dass
Umstand keineswegs zuflligen Charakter hat: unter
gewissen allgemeinen Voraussetzungen erweist es sich z. B. alti
unmglich, eine richtige Definition der \Vahrheit zu konstruie-
ren, wenn man nur solche Kategorien anwendet, die in der
betrachteten Sprache auftreten
95
). Darum hat sich auch die
Lage von Grund aus gendert, als wir zu den "reichen'' Spra-
Vrir haben im Laufe unserer lTntersuchung vdederbolt.
iihnliche Erscheinungen angetroffen: die Unmglichkeit, die gleichzeitige
Abhngigkeit zwit5r..hen Gegenstnden zu erfassen, rlie zu unendlich vielen
semantischen Kategorien gehren; den Mangel an Termini "unendliclH:lr
Ordnung"; die Unmglichkeit, in einen Definitionsprozess unendlieh
viele Begrifi'e einzubeziehen 11, s. w. (8. [413] f., [9,1], [100] f., [1081 ). Ich
glaube nicht, dass man diese Erscheinungen als ein Symptom der fonna-
len Unvollkommenheit der aktuell existierenden Spraehen darf---
ihre 1Trsache Hegt eher im Wesen der Sprache selbst: die Sprache, die
cloch ein Produkt der menschlichen Ttigkeit ist, besitzt notwendig einen
finitistischen" Charakter und kann nicht als adquates Werkzeug zur
Erforschung von Tatsachen Otler zur Konstruierung von Begriffen von
einem eminent "innitistisc-henw Charakter dienen,
95
) Schon daraus oder auch unmittelbar aus gewissen Resultaten,
die in Gdel
3
(S. 187-191) enthalten sinU, kann man leicht folgern, dass
eine strukturelle Definition der \Vahrheit - in dem aufS. [99] f[, besonders
in ''") besprochenen Sinne - sich sogar fr einigennassen reichere Sprachen
endlieber Ordnung nicht konstruieren lsst. Aus anderen Untersuchungen
dieses Verfassers (op. cit., S. 193, Satz IX) folgt, dass es in gewissen
elementaren Fllen, in denen wir eine solche Definition konstruieren
knnen, dennoch unmglich ist, ein allgemeines strukturelles Kriterium
der VVa.hrheit von Aussagen anzugeben. Das erste dieser Resultate lsst
Alfred 'farski
[118]
chen unendlicher Ordnung bergingen: die frher augewandten
Methoden erwiesen sich als unbrauchbar, alle Begriffe und
alle grammatischen Formen der Metasprache fanden eine Inter-
pretation in der Sprache und wir konnten im Zusammenhang
damit in Satz I endgltig zeigen, dass sich die Semantik der
Sprache nicht als ein Teil ihrer Morphologie begrnden lsst.
Eben darauf reduziert sich die Bedeutung des erzielten
Ergebnisses.
Unabhngig davon zieht Satz I wichtige Konsequenzen
methodologi!'Wher Natur nach sich: es zeigt sich, dass es un-
mglich ist, in der Metawissenschaft eine solche Klasse von
Aussagen der betrachteten Sprache zu definieren, die aus-
:-:chliesslich aus inhaltlich wahren Aussagen besteht und dabei
vollstndig (im Sinne der Def. 20 3) ist. Insbesondere,
wenn wir die der beweisbaren Stze der untersuchten
Wissenschaft auf irgend einem Wege erweitern - sei es durch
Ergnzung der Liste der Axiome, sei es durch Verschrfung
der Schlussregeln -
1
so fgen wir entweder zu dieser Klasse
falsche Aussagen hinzu oder wir gewinnen kein vollRt-ndiges
System. DaR ist umso interessanter, als die Erweiterung der
Klasse der beweisbaren Stze zu einem vollstndigen und
widerspruchsfreien System an und fr sich keine Schwierig-
keiten bietet 96).
Eine Interpretation des Satzes I, die die angegebenen
Grenzen berschreiten wrde, Hesse sich keinesfalls rechtfer-
tigen; insbesondere wre es unrichtig, auf die prinzipielle
Unmglichkeit eines konsequenten und mit der Intuition ber-
einstimmenden perierens mit semantischen Begriffen und spe-
ziell mit dem Begriffe der \Vahrbeit zu schliessen. Da aber
einer von den mglichen Wegen, die wissenSchaftlichen Grund-
lagen der Semantik aufzubauen, jedenfalls verschiossen ist,
muss man sich nach anderen Methoden umsehen. In natrlicher
Weise entsteht hier der Gedanke, die Semantik als eine beson-
dere deduktive 'Vissenschaft zu begrnden, mit einem System
der Morphologie als logischem Unterbau: zu diesem Zwecke
sich u, a. auf die im 4 besprochene Logik der :-;wei- oder mehrgliedrigen
Relationen, das zweite auf den engeren Funktionenkalkl von Hi 1 bert-
Ackermann1 (S. 43 ff.) anwenden.
96
) Vgl. Tarski1: S. 394, Satz I. 56 (ein Resultat J.,indenbaums).
[llH]
Der Wahrheitshehrriff
379
htte man in ilie Morphologie diese oder jene semantischen
Begriffe als Grundbegriffe einzufhren und ihre fundamentalen
Eigenschaften auf axiomatischem Wege festzusetzen. Nach den
Erfahrungen, die man mit den semantischen Begriffen in ber-
legungen gemacht hat, die auf dem Boden der Umgangssprache
gefhrt wurden, sind wir uns der grossen Gefahren dieser
bewusst; darum gewinnt in diesem ],alle die Frage
besondere Bedeutung, wle man Sicherheit erlangen knnte,
dass der axiomatische Weg nicht zu Verwicklungen und Anti-
nomien fhrt.
Im Zusammenhang mit dieser Frage werde ich mich
weiterhin ausschliesslich mit der 'l'heorie der Wahrheit befassen
und vor allem einen Hilfssatz aufstellen, der eine Konsequenz
der berlegungen des vorigen Paragraphen ist:
8 atz II. Fr eine beliebige, im vorhinein gegebene na-tr-
liche Zahl k kann man auf dem Boden der Metawis.'ienschaft eine
Definition des Symbols
11
Wr" konstruieren, die als Folgerungen
alle jene Stze aus der Bedingung (a) der Konvention '1U nach
sich zieht, in denen an Stelle des Symbols
11
p" Aussagen mit
Variablen hchstens k.ter Ordnung auftreten (und den
in der Bedingung () dieser Konvention angefilhrten Satz).
Fr den Beweis gengt die Bemerkung, dass dieser Satz
nicht mehr die untersuchte Sprache in ihrem ganzen Umfange
betrifft, sondern nur ein Bruchstck dieser Sprache, das die
Gesamtheit aller jener Ausdrcke umfasst, die keine Varia-
blen hherer Ordnung als k enthalten. Dieses Bruchstck ist
offenbar eine SprachB endlicher Ordnung und eine Sprache
2ter Art; wir knnen also leicht die geforderte Definition kou-
Rtruieren, indem wir eine von den beiden in 4 besprochenen
Methoden anwenden. Es ist zu bemerken, dass die auf diesem
VvT ege gewonnene Definition (neben den in Satz II angegebenen
Folgerungen) eine Reihe von Stzen allgemeiner Natur nach
sich zieht, wie z. B. die Stze 1-5 aus 3, wenn nur die
Formulierungen dieser Stze dadurch eine entsprechende Ab-
schwi:ichnng erfahren, dass das Gebiet ihrer Anwendbarkeit auf
Aussagen mit Variablen kter Ordnung wird.
Schon daraus ist zu orl"lehen, dass sich, im Gegensatz zu
der Gesamttheorie der "\Vahrheit, die einzelnen Fragmente
dieser Theorie (deren Untersuchungsobjekt Anssagen sind, die
380
Alfred Tarsl;:i
[120]
a11sach1iess1ich solche Variable enthalten, deren Ortlnung von
obe-11 beschrnkt ist_) a1s Teilgebiete der Metawiscmnschaft
grndEm W cnn also die 1\f_et.awis!'>e,nsehafD widerspruchs-
frei ist, so finrlen wir anch in diesen niemalii
einen Widerspruch. Dieses letzte Ergebnis lsst sich jedoch
in gewissem Sinne auf die ti-esamttheorie der \Vahrheit
dehnen, wie dies folgender Satz zeigt,:
S a t z 111. enn die f{[as;te all-er beweisbaren Bize der
.il[elawissettHtJ!taft wiilerspr'Mohsfrei ist ttnd 'Wir zur
wissenschalt das Symbol Jf"'r" al:;; neuen Gruruiterm'inus) alle
Stze dagegen, die in den Bedingungen (a) und (il) der Kon-
vention :tU ba;chrieben wurden, ab neue Axiome ll'inzufllgen, so
wird aueh die Klasse der beweisbaren Stze der in dieser Jf" eise
erweiterltm .1ll eiawissen.schaft nider:;;prucksfrei sei-n.
Um diesen Satz zn beweisen, wollen wir bemerken, class
die Bedingung- (a) nne.ndlich viele Aussagen umfasst, die wir
als _.:ixiome der Thoorio \Vahrheit annehmen wollen. Eine
endliche Zahl dieHer A:siome kann - a.uch im Verein mit dem
einzigen Axiom aus der Bedingung (lJ) - nicht zu einem
Widerspruch fhren (falls nur der '\V-idcm;;pruch nicht schon
in der Metawissenschaft t.f'lhst Hegt). Tatschlich (,ritt in der
endlichen Zahl der aus (a) geschpften Axiome. nur eine
endliche Zahl von AusHagen der uutersucht,en Sprache auf
und in 1liosen Aussagen flnclen wir eine endliche Zahl von
Variablen; es muss also -eine Iultrli.ehe Zahl k geben, df'.rart,
dass die Ordmmg keiner von diesen Variablen dio Zahl lc
berschreitet. Daraus folgt. naoh Satz II, dass man in der
Metawissenschaft eine solche Definition des Symbols "lVr"
konstruieren kann, dass die .botrac.hteten Axiome Folgerungen
a.ug dieser Definition l'Y<:rden; n1. a. W. diese Axiome werden
bei entsprechencler IuWrpretation jenes Symhoh zu beweisbaren
Stzen der Metawissenschaft (diese Tatsache lsst sich auch
unruittolbar, d. h. unabhngig von Satz II begr!lnden), Wenn
irgend e-ine Klasse von Aussagen einen Widerspruch enthlt,,
so muss andrerseits der \Viders:prnoh wie man leicht zeigen
kann - SGhvn in einem e11dlichen Teile dieser Klasse auf
treten !1
7
). Da aber kein endlicher Teil des im Satz Ill heschrif!-
f121]
Der Wahrheitsbogriff
381
benen Axiomensystems einen "\Viderspruch enthlt
1
so ist auch
da8 ganze Syst-em widerspru.chsfrei
1
was eben zu bewei ..
sen war.
D""'r Wert des gewonnenen Ergebnisses wird durch den
l'm,tand erheblich abgeschwcht, das, die im Satz III ge-
}1annten Axiome eine sehr geringe deduktive Kraft be:tzen:
eine tntf sie gt<at.iltzte Theorie der W a]wheit wrde eiu hchst
U!lvoHstndigs System sein, dem die wichtigsten und frucht-
barsten allgemeinen SJ,ze fehlen wrden. Versuchen wir dies
an einem konkreten Beispiele nher zu erlutern. Wir betrachten
die Aussagefunktion nX e Wr oder x i JYr". \Venn wir in
ser !!Unktion fr die Variable r,x" beliebige strukturell--des.krip-
tivs Na.lllen von Aussagen einse"tz:en, so gewinnen wir eine
unendliche Zahl von Stzen
1
derf'n Begrndung auf Grund der
aus der Konvention 'llJ geschvften Axiome nicht die geringsten
Schwierigkeiten bietet. Die Lage ndert sich jedoch grndlich,
sobald wir zur Generalisation dieser Aussagefunktion, d. i. zum
allgemeinen Satz vom Widerspruch bergehen. Vom inhaltli-
chen Sta.ndpunkt aus ist die Wahrheit aller jener Stze bereits
selbst eine Begrndung des allgemeinen Satzes: dieser Satz
stellt sozusagen ein ;,unendliches logisches Produkt" jener spe-
ziellen Stze dar. Das bedeutet jt:doch keineswegs, dass wir
t.11it Hilfe der gewhnlich verwendeten, normalen Schlussweisen
tatschli(lh den Satz vom \Viderspruch nus clen erwhnten
Axiomen oder St.zen ableiten knnen; man kann im Gegenteil
durch eins geringe Modifikation im Beweis von Satz III zeigen}
rlass der Satz vom Widerspruch keine Folgerung (we11igsto11s
im bisherigen Sinne des \V ortes) aus dem beschriebeilen A xio-
ist.
'\Vir knnen nun selbstverstndlich das oben besprochene
Axiomensystem ergnzen, indem wir ihm eine Reihe allgemeiner,
von diesem Syst,em unabhngiger Stze angliedern. Als neue
_4...xiome knnte mau z. B. die Stze vom Widerspruch und
vom ausgeschlossenen Drit.ton sowio jene Stze annehmen,
nach denen dle Folgerungon atls stets wahr
sind und auch alle Orundstze der untersuchten Wissenschaft
zu Uen wahren Aussagen gehren; auf das in dieser Weise
erweiterte AxiomensystBm liesse sich der Datz III er;;tre-
382
Alfred 'l'a.rski
[122]
cken
98
). Wir schreiben aber den in dieser Richtung gefhrten
Untersuchungen keinen besonderen Wert zu; es scheint uns
nmliuhl dass jede derartige Ergnzung des untersuchten A x i o ~
mensystems einen zuflligen Charakter hat, der von nicht sehr
wesentlichen Faktoren, wie z. B. von dem aktuellen Stand
des Wissens auf diesem Gebiete abhngt. Jedenfalls erweisen
sich verschiedene objektive Kriterien, die man bei der Wahl
weiterer Axiome anzuwenden geneigt wre, als ganz unbrauch-
bar. So scheint z. B. die Tendenz, dass die Axiome der Theorie
der Wahrheit samt den ursprnglichen Axiomen der Metawis-
senschaft ein kategorisches System ergeben sollen, natrlich
zn sein
1111
). Man kann zeigen, dass dieses Postulat sich in dem
gegebenen Falle mit einem anderen Postulat deckt, nach dem
das Axiomensystem der Theorie der Wahrheit den Umfang
des in ihm auftretenden Symbols "Wr" eindeutig bestimmen
soll, und zwar in folgendem Sinne: wenn wir in die Metawis-
senschaft neben diesem Symbol einen anderen Grundtenninus,
z. B. das Symbol "Wr
1
u einfhren und fr dieses Symbol ana-
loge Axiome aufstellen, so muss der Satz ,., TVr= Wr'" beweisbar
sein. Das letztere Postulat lsst sich aber nicht erfllen i es ist
nmlich nicht schwer zu beweisen, dass im entgegengesetzten
Falle der Begriff der Wahrheit ausschliesslich mit Hilfe von
Termen aus dem Gebiete der Morphologie der Sprache definiert
werden knnte, was jedoch im offenbaren Widersprueh zu
Satz I stnde. Aus anderen Grnden allgemeinerer Natnr kann
von einem solchen Axiomensystem keine Rede sein, das voll-
Btndig wre und infolgedessen zur Lsung jedes Problems
aus dem Gebiete der betrachtot,en Theorie ausreichen wrde;
dies ist eine unmittelbare methodologische Konsequenz des
diesmal nicht auf die Sprache der allgemeinen Klassentheorie,
sondern auf die reichere Sprache der Metawissenschaft und der
Theorie der \Vabrheit angewendeten Satzes I (vgl. die Bemer-
kungen auf S. [118] ).
9
~ Zu diesem Zwecke muss man jedoch die Prmissen des Satzes
einigermassen verschrfim, und zwar dadurch, dass man voraussetzt, die
Klasse aller beweisbaren Stze der Metawissenschaft sei nicht nur wider-
spiuchsfrei, sondern aneh w-widerspruchsfrei im Sinne Gdels
(Gdel
3
, S. 187), oder m. a. W., diese KJasse bleibe widerspruchsfrei
nach einmaliger Anwendung der Regel der unendlichen Induktion, von
der unten die Rede sein wird.
[123]
Der Wahrheitsbegri:l!
383
Die, Grundlagen der Theorie der Wahrheit lassen sich
jedoch auf ganz anderem Wege wesentlich verstrken. Df\r
Umstand, dass man aus der Richtigkeit aller Einsetzungen
von einer A11ssagefunktion wie r,X E Wr oder X E Wr" nicht auf
die Richtigkeit der Aussage, die die Generalisation dieser
Funktion ist, schliessen darf, kann man als Symptom einer
gewissen Unvollkommenheit und Unvollstndigkeit der bisher
in den deduktiven VVissenschaftcn verwendeten Schlussregeln
auffassen. Um Lcke auszufllen, knnte man- eine neue
Rf'gel annehmen, die sog. Hegel der unendlichen In-
duktion, welche sich in Anwendung auf die Metawissen-
schaft etwa in folgender ViT eise formulieren lsst: wenn eine
gegebene Aussagefunktion als einzige freie Variable das Sym-
bol ,.,x" enthlt, das zur gleichen semantischen Kategorie gehrt
wie die Namen der Ausdrcke, und wenn zu den beweisbaren
Stzen der Metawissenschaft jede Aussage gehrt, die aus der
gegebenen Funktion durch Einsetzung des strukturell-deskrip-
tiven Namens eines beliebigen Ausdrucks der untersuchten
Sprache fr die Variable "x" entsteht, so darf man zu den
beweisbaren Stzen der Metawissenschaft auch die Aussage
hinzufgen, die wir aus der Wendung "fr jedes x - wenn x
ein ist, so p" durch Einsetzung der betrachteten
Aussagefunktion fr das Symbol "p" gewinnen. Man kann
auch eine andere Formulierung dieser Regel angeben, die sich
von der vorigen nur dadurch unterscheidet, dass in ihr anstatt
von Ausdrcken von natrlichen Zahlon die R,ede ist und
anst.att strukturell-deskriptiver Namen von Ausdrcken die sog.
spezifischen Symbole natrlicher Zahlen behandelt werden,
J.i. solche Symbole wie ,,0", "1", "1+1",
1
)+1+1" u. s. w.;
in dieser Gestalt erinnert die Regel der unendlichen Induktion
an das Prinzip der vollstndigen Induktm, das sie brigens
hinsichtlich der logischen Kraft bedeutend bertrifft. Da man
Z\Vischen den Ausdrcken und den natrlichen Zahlen effektiv
eine eindeutige Zuordnung durchfhren kann (vgl. den Beweis
des Satzes I), so sind - wie leicht zu ersehen ist - beide For-
mulierungen auf dem Boden der Metawissenschaft quivalent.
In der zweiten Formulierung treten jedoch berhaupt keine
spezifischen Begriffe der Metasprache auf und aus diesem
Grnnde ist sie auf viele andere deduktive Wissenschaften
384
Alfred 'l'arski
[124]
anwendbar. Falls es sich brigens um eme Wissenschaft han-
delt, deren Sprache berhaupt keine spezifischen Symbole der
natrlichen Zahlen enthlt, bedarf auch diese Formulierung
gewisser usserer Modifikationen; so z. B. muss man zwecks
Formulierung der betrachteten Regel fr die allgemeine Klas-
sentheorie anstatt mit Einsetzungen einer gegebenen Aussage-
funktion mit Ausdrcken vom Typus
operieren,
wo an Stelle von
11
p" die betrachtete Funktion auftritt und
das Symbol "r,," denselben Sinn wie im Beweise des Satzes I
besitzt ").
Die Regel der unendlichen Induktion unterscheidet sich
ihres "infinitistischen" Charakters wegen prinzipiell von den
normalen Schlussregeln: man muss bei ihrer jedesmaligen
Anwendung unendlich viele Stze in Betracht ziehen, obgleich
uns in keinem :Moment der Entwicklung einer "W.,.issenschaft eine
solche Zahl von vorher bewiesenen Stzen "effektiv" gegeben
1t; man kann ernste Zweifel hegen, ob die Verwendung einer
solchen Regel in dem Rahmen der bisherigen A uffassnng der
deduktiven Methode Platz finden knne. Die Frage, ob diese
Regel nicht zu Widersprchen fhrt, bietet nicht minder
wesentliche Schwierigkeiten, als das analoge, die bisherigen
Schlussregeln betreffende ProLlem, und zwar sogar dann, wenn
wir die Widerspruchsfreiheit der bisherigen Regeln voraus-
Ratzen und uns die Anwendung der neuen Regel nicht nur
in der VVissenRchaft, sondern auch jn der entsprechenden ]ileta-
wissenschaft und insbesondere in dem eventuellen Beweise der
Widerspruchsfreiheit gestatten . Jedoch vom inhaltlichen Ge-
sichtspunkt aus scheint die Regel der unendlichen Induktion
ebenso unfehlbar zu sein, wie die normal an gewandten Regeln: sie
fhrt immer von wahren Aussagen zu wahren Aussagen; in Be-
zug auf die Sprachen endlicher Orrlnnng lsst sich diese Tatsache
90
) Auf Uie Ee<leutung der Regel der unendlichen Induktion habe ich
schon im Jahre 1926 hiugmviesen. In einem .,07mr die fViderspruchs-
freiheit u_.nd lf ollr,,;tndigkeit der deduktiven
betitelten
Referat., das ich 11.uf dem II. Polnisehen Philosophif;chen Kongress erstat-
tete, habe ich u. a. ein einfaches Beispiel eines widerspruchsfreien deduk-
tiven Systems angegeben, das nach einmaliger Anwendung der bespro-
chenen Regel 1viderspruchsfrei. l7.U sein aufhrt, also nicht w-widcrspruchs-
frei ist (vgl. 98J). Einige diese Regel betreffende Bemerkungen kann man
in der Arbeit Hilbert
1
, A. 491-492 finden.
[125]
Der Wabr1Jeitsbegriff
385
auf dem Boden der fr diese Sprachen konstruierten Definition
der Wahrheit streng begrnden. Fr die Annahme der Regel -
sowohl in der \\-"'issenschaft als auch in der Metawissenschaft -
spricht hiebei der Umst.anrl, dass sie die Lsung vieler Pro-
bleme ermglicht, die auf dem Boden der alten Regeln nicht
lsbar waren. Durch Hinzufgung dieser Regel erweitert man
die Klasse der beweisbaren Stze in viel grsserem Umfange,
als dies durch irgend welche Ergnzung der Liste de-r Axiome
geschehen knnte
100
). In Bezug auf gewisse elementare deduk-
tive Wissenschaften geht diese Erweiterung so weit, dass die
Klasse der beweisbaren Stze zu einem vollstndigen System
wird und sich mit der Klasse der wahren Aussagen deckt; als
Beispiel kann die elementare Zahlentheorie dienen, d. i. die
Wissenschaft, in der alle Variablen Namen von natrlichen bzw.
ganzen Zahlen reprsentieren und als Konstante, neben den
Zeichen ans dem Gebiete des Aussagen- und Funktionenkalkls,
die Zeichen der Null, der Einheit, der Gleichheit, der Summe,
des Produkts und eventuell auch andere mit ihrer Hilfe defi.nier-
bare Zeichen auftreten.
\\""enn wir uns entschliessen, in der Metawissenschaft die
Regel der unendlichen Induktion anzunehmen, so wird das
System der Axiome, auf die Satz III hingewiesen hat,, bereits
eine geniigenrl.e Grundlage fr die Entwicklung der Theorie
der \Vahrheit bilclen. Die Begrndung irgend eines der be-
kannten Stze ans diesem Gebiete wird dann keine Schwierig-
keiten bieten, insbesondere z. B. der 1-G aus 3 und
de" Satzes, laut dem die Regel der unendlichen Iudtlktion, auf
wahre Aussagen angewendet, stets auf eine wahre Aussage
hinlcitot. Ausserdem - wail noch wichtiger ist - bilden dann
diese Axiome mit den allgemeinen Axiome11 der Metawissen-
schaft zusammen ein kategorisches (wenn anch unvollstn-
diged) System und bestimmen eindeutig den Umfang des in
jhnen auftretenden Symbols ,,
So z, B. knnen wir
1
wenn wir diese Regel in der Metasprache
annehmen, ohnB sie del" :'iprache anzugliedern, beweisen, dass die Klasse
der bewe;baren Stze der Wissenschaft v;riderRpruchsfrei ist, was wir
frher nicht zu begrnden vermocht,etJ. Vgl. im ZusammenhatJg mit die..-;eu
Problernen Gdel
21
S. 187-191 und 196.
386
Alfred 'l'arski
[126]
Die Frage, ob die auf diesen Grundlagen aufgebaute
Theorie keinen inneren '\Viderspruch gewinnt unter
diesen Umstnden eine besondere Bedeutung. Leider knnen
wir die-se Frage bis nun nicht endgtig entscheiden. Der Sati\ I
behH seine volle Geltung: trot.z de.r Verstrkung der Grund-
lagen der Metawissenschaft lsst sich die Theorie der VVahr-
hoit nicht als ein Teil der Morphologie der Sprache aufbauen.
Wir knnen dagegen vorlufig den Satz III fr die erweiterte
Metasprache nicht beweisen; jene Prmisse, die in dem ursprng-
lichen Beweise die wesentlichste Rolle gespielt hat, d. i. die
Reduktion der Widerspruchsfreiheit des unendlichen Axiomen-
systems auf die Widerspruchsfreiheit jedes endlichen Teiles
dieses Systems, verliert nun - wie man leicht einsieht - wegen
des Inhalts der nen angenommenen Regel vllig ihre Geltung.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die betrachtete Frage sich
in keiner Richtung entscheiden lsst (wenigstens auf dom
Boden eines ,.,normalen" Systems der 1\feta-Metawissenschaft,
das nach den am Anfang des 4 angegebenen Prinzipien auf-
gebaut ist und das die Semant.ik der nicht umfasst).
Dagegen ist die Mglichkeit, den Satz III in selner neuen
Fassung als falsch zu erweisen, vom inhaltlichen Gesichtspunkt
aus wenig wahrscheinlich. Eines scheint klar: es lsst sich hier
die Antinomie des Lgners weder in der uns aus 1 bekannten
Formulierung noch in der Form, in der sie im Be\veise des
Satzes I auftritt, unmittelbar rekonstruieren. Die in der 'rheorie
der Wahrheit angenommenen Axiome besitzen nmlich hier,
lm Gegensatz zur Umgangssprache, deutlich den Charakter von
Teildefinitionen; durch Hinzufgung des Symbols "Wru wird
die Metasprache keineswegs semantisch universal, sie doukt sich
nmlich nicht mit der Sprache selbst und lsst s]ch auch nicht
m der Sprache interpretieren (vgl. S. [11] und [111] ). "')
101) Das zuletzt betrachtete Problem ist einem anscheinend allge-
meineren Problem methodologischer Xatur quivalent, das sich in fol-
gender Weise formulieren lsst. \Vir setzen die 'Widerspruchsfreiheit. der
durch die Regel der unendlichen Induktion ergnzten Metawissenschaft
voraus. -wir betrachten eine unendliche Folge t von Aussagen der Meta-
wissenschaft; ferner nehmen wir in die NretawiRsenschaft ein neues Grund-
zeichen
11
1\
7
" auf und fgen als Axiome jene und nur jene Aussagen hinzu,
die aus dem Schema 1: N dann und nu1 dann, wenn p
11
dadurch ent-
stehen, dass fUr das Zeichen "nw das !cte spezifische Symbol der natrli-
[127]
Der Wahrheitsbe-griff
87
Der V ersuch, die gewonnenen Ergebnisse auf andere
Sprachen unendlicher Ordnung anzuwenden, stsst auf keine
ernsteren Hindernisse. Dies betrifft insbesondere das wichtigf:lte
dieser Ergebnisse - den Satz I. Die Sprachen unendlicher
Orclnung liefern in der Tat, dank der Flle der in ihnen ent-
h:tenen Bedeutungsformen, gengende Mittel zur Formulie-
rung jeder Aus;;;age dem Gebiete der Arithmetik der natr-
lichen Zaltlen und ermglichen infolgedessen die Interpretation
der Metaflprache in dor Spr-ache selbst; dieser Umstand ist
eben da.fr entscheidend, dass Satz I seine Geltung fr alle
Sprachen der betrachteten Art behlt l02).
chen Zahlen (d. i. <ler aus k Zeichen ,,11'
1
die durch die Zeichen "+" von
einander getrennt sind, zusammengesetzte Ausdruck) tmd fr das Zei-
chen das /cte Glied der Folget (wo "Leik hier eine beliebige natrliche
Zahl bt) eingesetzt. wird. Es handelt sich darum, ob die auf diese Weise
erweiterte Klasse der beweisbaren Stze der Metawissenschaft wider-
spruchsfrei bleibt. Dieses Problem knnte man das Problem der unend-
lichen induktiven Definit.ionen nennen: dtts in ihm beschriebene
Axiomensystem knnte man- vom inhaltlichen Standpunkt aus- als eine
Definition sui generis des Symbols "N" auffassen, die sich nur dadurch
von den normalen Definitionen unterscheidet, dass sie in unendlich vielen
Aussagen formuliert Dieses Charakters der Axiome wegen scheint die
Mglieb.keit einer negativen Lsung deH Problems '''enig -wahrscheinlich
zn sein. Aus Satz II und aus der Interpretation der Metawissenschaft
in der Wissenschaft selbst kann ma.n unschwer schliessen
1
dass sich das
betrachtete Problem in jenen Fllen in po";itivem Sinne lsen ll,;st
1
in
donen die Ordnung aller Variablen, die in den Aussagen der Folge t auf-
tYet.en, von oben beschrnkt ist; man kann dann sogar in der Meta-
eine solche Definition des Symbols "N'' konstruieren, aus
der alle erwhnten Axiome folgen. - Das betrachtete Problem hngt
offeniJar mit den spezifischen Eigenschaften der Metawissenschaft als
mich er nicht zusammen: in derselben oder in einer etwas modifizierten
:Form kann mau es aueh fr andere deduktive VVissenschaften, z. B. fr
die allgemeine Klassentheorie aufwerfen.
Hier ist ein Vorbehalt ntig: wenn wir als Ausgangspunkt die
in G
5
) skizzierte Klassifikation der f.!ernantischen Kategorien whlen, so
stossen wiT doch auf Sprachen unendlicher Ordnung, fii.r llie Sat:-: I seine
Geltung verliert . .Als typisches ReiRpiel kann die Sprache der sog. Pro to-
thetik LeSniewski's dienen (vg1. LoSniewski
1
). Infolge des "fini-
Charakters aller semautischen Kategorion <.lieser Sprache kann
man in der Metasprache leicht eine 1ichtige Definition der Wahrheit
konstruieren, indem man die aus dem erweiterten Ans-
sagenkalkl als Vorbild eine solcl1e Definition kann man bri-
gens auch auf anderem VV.,ge gewinnen: wie LeSniewski gezeigt. hat
1
388
Alfloed Tarski
[128]
Einige Bemerkungen wollen wir jenen Fllen widmen, in
denen nicht - wie bisher - eine einzelne Sprache, sondern
eine ganze Klasse von Sprachen als Gegenstand der Unter-
suchung auftritt. Wle ich schon in der Einleitung betont habe)
hngt der Begriff der ViTahrheit sowohl seinem Umfang wie
seinem Inhalt nach wesentlich von der Sprache ab, auf die er
angewendet wird: nur dann knnen wir von einem Ausdruck
sinnvoll behaupten, dass er eine wahre Aussage sei oder nicht
sei, wenn wir dief'len A usdrnck als Tiestandteil einer konkreten
Sprache behandeln. Sobald die Erwgungen eine grssere
Anzahl von Sprachen betreffen, ist der Ausdruck "wabre Aus-
sage" nicht mehr eindeutig; wollen wir se-ine Mehrdeutigkeit
vermeiden, so mssen wir ihn durch den relativen Terminus
"eine in Bezug auf die gegebene Sprache \Vahre
Aussage" ersetzen. Um den Sinn dieses Terminus zu
zisieren, wenden wir im wesentlichen die uns schon bekannten
V erfahrungsweisen an: wir bauen fr alle Sprachen der gege
benen Klasse eine gemeinsame Metasprache auf; innerhalb
der Metasprache versuchen wir den betrachteten Ausdruck
mit Hilfe der in 3 und 4 entwickelten Methoden zu defi-
nieren; falls dies nicht gelingt, fgen wir diesen Terminus
den Grundausdrcken der Metasprache bei und bestimmen seine
Bedeutung auf axiomatischem 'Vege nach den Weisungen des
Satzes III aus diesem Para.graphen. Wegen des re1ativisierten
Charakters des betrachteten Termimts erwarten wir jedoch
a priori, dass sich bei der Realisierung des skizzierten Planes
die frheren Schwierigkeiten bedeutend vergrssern und ganz
neue Komplikationen auftreten knnen (die z. B. mit der N otwen-
digkeit der Przisierung des \Vortes
1
,Sprache" zusammen-
hngen). Ich beabsichtige nicht, die hier berhrten Probleme
nher zu errtern. Fr derartige Untersuchungen be:c;tehen zur
Zeit keine weiter reichenden A nssichten. Ins besondere wre es
irrig anzunehmen, dass eino Relativisierung des Wahrheits-
ist die Klasse d.er beweisbaren Stze der Protothetik vollstndig und
deshalb deckt sich dm BeJ:,>Tiff des heweisharen Satzes seinem l!mfang
nach mit dem Begriff !1er wahren Aussage. Der Satz I betrifft drtg-egen
ohne Einschrnkung alle jene Sprachen, in denen die Ordnung der
t:lchen Kategorien aus dem Gebiet der sog. Ontologie
(vgl. nichb von oben beschrnkt ist.
[128]
Der Wahl'heitsbeg1ift'
589
bPgriffs m jener Richtung, von der oben die Rede war, -
r1en \Veg zu irgend einer allgemeinen Theorie dieses Begrlffs
ebne, die alle mglichen oder wenigstens nur alle formalisierten
Sprachen umfassen wrde. Die Klasse der Sprachen, die wir
znm Gegenstand simultaner Betrachtungen whlen, kann nicht
zu weit sein; wenn wir z. B. in diese Klasse die Metasprache
eingliedern, die das Gebiet der Untersuchungen bildet und
bereits um den Wahrheitsbegriff bereichert ist, RO schaffen wir
automatisch Bedingungen, die die Rekonstruierung der Anti-
nomie des Lgners ermglichen. Die Sprache der allgemeinen
Theorie der Wahrheit enthielte genau aus denselben Grnden
wie die "G mgangssprache einen )Viderspruch.
Zum Schluss bemerken wir, dass die erzielten Ergebnisse
sich auch auf andere Begriffe von semantischem Charakter,
z. B. auf den Begriff des Erflltseins erstrecken lassen. Fr
jerlen dieser Begriffe kann man ein System von Postulaten
aufstellen, das (l) Teildefinitionen enthlt, die den in der Bedin-
gung (a) der Konvention 'lli beschriebenen Stzen analog sind
und den Rinn des gegebenen Begriffs in Bezug auf alle kon-
kreteu, strukturell beschriebenen Ausdrcke dieser oder jener
bestimmen (z. B. in Bezug auf Aussagen oder Aussage-
funktionen von einem bestimmten semantischen Typus), und
ausserrlern (2) ein weiteres Postulat umfasst, das dem Satze
ans der Bedingung () der erwhnten Konvention entspricht
und feststellt, dass der betrachtete Begriff ausschliesslich auf
A der gegebenen Klasse angewendet werden darf.
\Vir sind geneigt, eine solche Definition des untersuchten
Begriffs als sachlich zutreffend gelten zu lassen, die alle Postu-
late des obigen Systems als Folgerungen nach sich zieht.
Meiihoden, die den in 3 und 4 dargestellten hnlich sind,
ermglichen die Konstruktion der geforderten Definition in
jenen F1len, in denen wir es mit einer Sprache endlicher
Ordnung zu tun haben, oder, allgemeiner ausgedrckt, in denen
der betra.chtete semantiBebe Begriff ausschliesslich solche Sprach-
ausdrcke betrifft, in denen die Ordnung aller Variablen von
oben beschrnkt ist (vgl. Satz II). In den brigen F,llen kann
man - 11ach dem Vorbild des Beweises des Satzes I - zeigen,
daHs man in der Metasprache keine Definition mit den erwhnten
390
.Alfred Tarski
[130]
Eigenschaften aufzustellen vermag
103
). Um auch in diesen
Fllen die Theorie des uns beschftigenden Begriff:'! aufbauen
zu knnen, gliedern wir ihn in das System der Grundbegriffe
und die oben beschi'iehenen Postulate in daR Axiomensystem
der Metawissenschaft ein; ein dem Bewei:'le iles Sat:.-:es III
analoges Schlussverfahren beweist, dass das auf diesem \\7 ege
bereicherte System der Metasprache innerlich widerspruchRfrei
bleibt. Die deduktive Kraft der hinzugefgten Postula.t.e ist
jedoch sehr gering: diese Postulate gengen nicht zur Begrn-
dung der wichtigsten Stze von allgemeinem Charakter, die
den betrachteten Begriff betre-ffen; auch be.stimmon sie nicht
eindeutig seinen Umfang und Oas gewonnene System ist nir.:ht
vollstndig) ja nicht einmal kategorisch. Vm iliese Mngel
von Grund aus zu beseitigen, msste man die Grundlagen rler
Metawissenschaft selbst verstrken, indem man zu ihren Schluss-
regeln die Regel der unendlichen Induktion hinzufgt.; dann
wrde aber rler BeweiR der Widerspruchsfreiheit grosse Schwie-
rigkeiten bieten, die zu berwinGen wir bisher nieht in der
Lage sincl.
Zusammenfassung.
Die Hauptergebnisse dieser Arbeit kann ma.n in folgenden
drei Thesen zusammenfassen:
A. Fr jede formalisierte Sprache endlicher
Ordnung knnen wir in der J\Ietasprache eine: for-
mal korrokte,und sachlich zutreffende Definition
der wahrenAussage konst,ruieren: indem wir aus-
schliesslich Ausdrcke von allgemein-logischem
Charakter verwenden, fernerAusdrcke der Spra-
1
3
) Dies betrlfft insbesondere den Begriff der Dellnierharkeit (ob-
gleich in diesem Falle sowohl die Fngestellung selbst als auch die
Methode der J,sung im Vergleir,h mit dem im Texte angefhrten Scllema
gewisser :Modifikationen bedarf). In der .Arbeit Ta r sk ~ ha.be ich der
Vermutung .Ausdruck gegeben, das.s ~ s auf dem Boden der ::\fetasprache
unmglich ist, diesen Begriff in seiner grmzen .Ausdehnung zu de-nieren;
diese Vermutung knnn ich nunmehr exakt begrnden. Diese Tatsache
verdient umsomehr lleachtung
1
als man - wie ich in der erwiilmten
ATbeit bewiesen ha.be -" die Definitionen der einzelnen Flle des Definier-
barkeitsbegri:ffs. die nicht die ganze Sprache, sondern beliebige ihrer
Bruchstcke endlicher Ordnung betreffen, nicht nur in der .Metasprache,
sontlern auch in der Sprache selbst konstruieren kann.
[131]
Der Wahrheitsbegriff
391
ehe selbst, Rowie Termini aus dem Gebiete der
Morphologie der Sprache, d. h. die Namen fler
Sprachausdrcke und der zwischen ihnen beste-
henden strukturellen Relationen.
B. Fr formalisierte Sprachen unencUicher
Ordnung ist die Konstruktion einer solchen Defi-
nition unmglich.
C. Dagegen kann man sich sogar in Bezug auf
tlie formalisierten Sprachen unendlicher Ordnung
in und richtiger Weise des Wahr-
heitsbegriffs beaienen, indem man diesen Begriff
in das System der Grundbegriffe der Metasprache
eingliedert und sejne fundamentalen Eigenschaf-
ten mit Hilfe der axiomatischen Methode bestimmt
(rlie Frage jedoeh, ob die auf diesem Wege begrndete Theorie
der \Vahrheit keinen "\Viderspruch enthlt, ist bis nun nicht
endgtig entschierlen worden).
Da slch dle gewonnenen Ergebnisse leicht auf andere
Begriffe semanti,JCher Natur ausdehnen lassen, knnen wir den
obigen rrhesen eine allgemeinere Gestalt verleihen:
A'. Die Semantik einer beliebigen formali-
sierten Sprache endlicher Ordnung lsst sich als
ein auf entsprechend konstruierte Definitionen
gesttzter 1'eil der Morphologie der Sprache auf-
bauen.
B'. Es ist unmglich, auf diesom Wege die Se-
mantik der formalisierten Sprachen unendlicher
Ordnung zu begrnden.
0'. Mau kann dagegen die Semantik einer
beliebigen formalisierten Sprache unendlicher
Orduung als eine selbst,ntlige Wissenschaft be-
grnden, rlie sich auf eigene Grundbegriffe und
eigene Axiome sttzt und als logischen Unterbau
ein System rler Morphologie der Sprache besitzt
(wenn uns auch bis jetzt die volle Gewhr fehlt, dass die
mit Hilfe dieser Methode aufgebaute Semantik keinen inneren
Wirlerspruch enthlt).
In formaler Hinsicht sind obige Untersuchungen im Rah-
men der Methodologie der deduktiven \Visseuschaften durch-
392
Alfred Tarsld
[132]
gefhrt worden. Manche sozusagen nebenbei erzielten Ergeb-
nisse wer<len vielleicht clie Spezialforscher eben dieses Gebietes
interessieren. Ieh mache also darauf aufmerk.-;am
1
dass wir
dank der Definition der wahren Aussage fr ileduktive \Vissen-
schaften endlicher Ordnung eine allgemeine lfethofle gewonnen
ha.bon, ihre \Viderspruchsfreiheit zu beweisen (eine Methode,
die brigens keinen berleutend_eren Erkenntniswert be:'litzt).
Ich bemerke noch, ilass es uns gelungen ist, fr die Sprachen
endlicher Ordnung die Begriffe einer in dem gflgebenen bzw.
in jedem Individuonbereiehe richtigen zu przisieren -
Begriffe, die in den neueren Arbeiten aus dem Gebiete dor
l\fethodologie eine grosse Rolle spielen.
Iu ihrem wesentlichen Teile liegt jedoch vorliegende Arbeit
abseits von dem Hauptstrom methoclologischer Untersuchungen.
Ihr zentrales Problem - die Konstruktion iler Definition der
wahren Aussage und die }"'undierung der wissenschaftlichen
Grundlagen der Theorie der \Vahrheit - gehrt ins Gebiet
der Erkenntnistheorie und wird sogar zu den Hauptproblemen
dieses Zweiges der Philosophie gezhlt. Unrl so hoffe ich, dass
diese Arbeit in erster Reihe die Erkenntnistheoretiker interes-
sieren wird und dass diese die in iler Arbeit. entl1altenen
Ergebnisse kritisch analysieren und fr weitere Forschungen
auf diesem Gebiete zu verwerten im Stande sein werrlen, ohne
sich durch den stellenweise beschwerlichen und in dem von
ihnen bearbeiteten \Vissenschaftsgebiete bisher nicht verwende-
ten Apparat von Begriffen unrl Methoden abschrecken zu lassen.
Zum Schluss noch Eines. Die in ihrer alltglichen wissen-
schaft,lichcn Arbeit an die Anwendung deduktiver Methoden
nicht gewhnt(;u Philosophen sind geneigt, alle formalisierten
SpTachon mit einer gewissen Geringschtzung zu behandeln,
indem sie fliesen rlknst1ichen" Gebilden die einzige natrlir.:he
Sprache - die Umga,ngs:;;prache - gegenberstellen. Darum
wird der Umstand
1
dass die gewonnenen Ergebnisse fast aus-
schliess1ich die formalisierten Sprachen betreffen, ilen Wert
obiger Untersuchungen in den Augen rnanc:hcr Leser wesent-
lich herabsetzen. Es fiele mir schwer, diese Ansicht zu teilen:
meines Brachtens beweisen die ErrterungAn des 1 nach-
drcklich, dass iler \Vahrheitsbegriff (wie brigens auch anrlere
semantische Begriffe) in seiner Anwendung auf rlie Umgangs-
[133]
Der VilahrlJOitsbegriff
sprache bei Verwendung der normalen Gesetze der Loglk
unbedingt zu Verwicklungen und Widersprchen fhrt. Wer
immer) allen Schwierigkeiten zum Trot.z, die Semantik rler
Umgangssprache mit Hilfe exakter 1\fet.hoden betreiben wollte
1
msste sich vorher der undankbaren Arbeit einer "Reform''
dieser Sprache unterziehen: er msste ihre Struktur pr.zisieren,
rlie Mebrrleutigkeit der in ihr a.uftretenden rrermini beseitigen
und endlich die Sprache in e,ine R8ihe immer umfangreicherer
Sprachen spalten, von denen jede in demselben Verhltnis zur
nchsten stnde, wie eine formalisiertf1 Sprache zu ihrer Meta-
spra.che. Man darf jedoch zw0ifeln, ob die auf diesem \Vege
Umgangssprache die Eigenschaft der i1Natr-
lichkeit" behalten wrde und ob sie dann nicht die charakt.eri-
stisehen Merkmale der formalisierten Sprachen annehmen wrde.
Naellwort.
Als ich die vorstehenden Untersuchungen niederschrieb,
habe ich mich ausschliesslich fr solche formalisierte Sprachen
interessiert, deren Struktnr sich mit der Theorie der seman-
tischen Kategorien und insbesondere mit dem Hauptprinzip
dieser Theorie in Einklang bringen lsst; dieser Umstand hat
einen wesentlichen Einfluss auf den Aufbau der ganzen Arbeit
und auf die Formulierung ihrer Schlussergebnisse ausgebt. Es
schien mir damals, dass "die Theorie der semantischen Kate-
gorien so tief in die fundamentalen, die Sinnhaft-igkeit der
Ausdrcke betreffenden Intuitionen [hineindringt], dass es kaum
mglich ist, sich eine wissenschaftliche Sprache vorzustellen,
deren Anssagen einen deutlichen inhaltliehen Sinn besitzen,
deren Bau jedoch mit der in Rede stehenden Theorie in einer
ihrer Auffassungen nicht in Einklang gebracht werden kann"
(vgl. S. [75] ). Heute knnte ich den damals in dieser Frage
vertretenen Standpunkt nicht mehr in entschiedener \Veiso
verteidigen. Im Zusammenhang damit erscheint es mir nun
interessant und wichtig zu nntersnehen, welche Folgerungen
sich fr die Grundprobleme vorliegender Arbeit ergeben, wenn
man in den Bereich der berlegungen solche formalisierte
Sprachen einbezieht, in welchen das Hauptprinzip der Theorie
der semantischen Kategorien nicht mehr gilt. Mit eben dieser
Frage will ich mich im folgenden kurz befassen.
394
A lfred 'l'arski
[134]
Obgleich auf diese Weise das Gebiet der Betrachtungen
wesentlich enveitert wird, beabsichtige ich jedoch - ebenso
wie frher - keineswegs, alle mglichen Sprachen zu berck-
sichtigen, die irgend jemand irgendwann zn konstruieren ver-
mchte. Ich werde mich im Gegenteil ausschliesslich auf solche
Sprachen beschrnken, welche - abgesehen von den mit der
Theorie der semantischen Kategorien zusammenhngenden
Unterschieden - in ihrer Struktur eine mglichst weitgehende
Analogie mit den vorher untersuchten Sprachen aufweisen.
Insbesondere werde ich zwecks Vereinfachung der berle-
gungen nur solche Sprachen in Betracht ziehen, in welchen -
neben den All- und Existenzzeichen sowie den Kon:3tanten des
Aussagenkalkls - ausschliesslich Individuennamen und die sie
vertretenden Variablen wie auch konstante und variable aus-
sagebildende Funktoren mit beliebiger Argumentenzahl auf-
treten. Nach dem Vorbild der Betrachtungen aus den 2
und 4 versuchen wir der Reihe nach
1
fr jede dieser Sprachen
die Begriffe der fundamentalen Aussagefunktion, der Grundope-
ration an Ausdrcken, der Aussagefunktion im allgemeinen,
des Axioms, der Folgerung und des beweisbaren Satzes zu
bestimmen. So z. B. zhlen wir in der Regel zu den Axiomen -
ebenso wie in der Sprache der allgemeinen Klassentheorie aus
5 - die Einsetzungen der Axiome des Aussagenkalkls,
die Pseudodefinitionen und die Gesetze der Extensionalitt
(ausserdem gegebenenfalls noch andere Aussagen, je nach den
spezifischen Eigentmlichkeiten der Sprache); bei der Bestim-
mung des Begriffs der Folgerung nehmen \vir die Def. 15 aus
2 zum Vorbild.
Der im 4 eingefhrte Begriff der Ordnung eines Aus-
drucks spielt beim Aufbau der jetzt untersuchten Sprache eine
nicht minder wesentliche Rolle als zuvor. Es empfiehlt sich,
den Namen der Imlividuen und den sie vertretenden -variablen
die Ordnung 0 zuzuschreiben (und nicht so wie zuvor die Ord-
nung 1). Die Onlnung eines aussagebildenden Funktors einer
beliebigen (fundamentalen) Aussagefunktion ist jet7,t nieht mehr
durch die Ordnungen aller Argumente dieser Funktion ein-
d-eutig bestimmt: da nmlich das Hauptprinzip der Theorie der
semantischen Kategorien nunmehr nicht gilt, kann es gesehehen,
dass ein und dasselbe Zeichen zugleich die Rolle des Funktors
[135]
Der Vlahrheitsbegri_fr
395
in zwei oder mehreren Aussagefunktionen spielt) in welchen
Argumente, die beziehungsweise die gleichen Stellen einnehmeH,
nichtsdestoweniger zu anderen Ordnungen gehren. Um a.lso
die Ordnung eines beliebigen Zeichens zu bestimmen, mssen
wir die Ordnungen aller Argumente in allen Aussagefunktionen
inf'l A ugo fassen, in denen dieses Zeichen ein aussagebildender
Funktor ist. Ist die Ordnung aller dieser Argumente kleiner
als eine bestimmte natrliche Zahl n und tritt mindestens
in einer Aussagefunktion irgend ein Argunwnt auf, das genau
von der Ordnung n-1 ist, so schreiben wir dem betreffenden
Zeichen die Ordnung n zu; wir zhlen alle derartigen aus-
sagebildenden Funktoren - hnlich wie auch dje Xamen von
Individuen und die sie vertretenden Variablen - zu den Zeichen
endlicher Ordnung. Wir mssen jedoch auch dem Fall Rechnung
tragen, dass in der Sprache noch andere aussa.gebildende
Funktoren vorkommen, welchen man eine unendliche Ordnung
zuschreiben muss; wenn z. B. ein Zeichen aussagebildender
Funktor nur solcher Aussagefunktionen ist, deren smtliche
.A rgnment.e endlicher Ordnung sind, wobei jedoch diese Ord-
nungen durch keine natrliche ~ h l nach oben beschrnkt sind,
so wird schon dieses Zeichen von unendlicher Ordnung sein.
Um die Zeichen unendlicher Ordnung einzuteilon
1
bedienen
wir uns dos der Mengenlehre entnommenen Begriffs der 0 r d-
n u n g s z a h 1, der eine Verallgemeinerung des blichen Begriffs
der natrlichen Zahl ist
104
). Die natrlichen Zahlen sind be-
kannt] ich die kleinsten Ordnungszahlen. Da es fr jede unend-
liehe Folge von Orr:lnungszahlen Zahlen gibt., die grsser als
jedes Glied. der Folge sind, so gibt es insbesondere Za.hlen,
die grsser als alle natrlichen Zahlen sind; wir nennen sie
transfinite Ordnungszahlen. In jeder nicht leeren
Klasse von Ordnungszahlen gibt es bekanntlich eine kleinste
Zahl; insbesondere gibt es die kleinste transfinite Zahl
7
die
man mit dem Symbol "w" bezeichnet; die nchstgrssere Zahl
ist w+l, weiter folgen der Reihe nach die Zahlen w+2,
UJ + 3 ...
1
w. 2, w. 2 + 1, w. 2 + 2 ...
1
w. 3 ... u. s. w. Jenen
Zeichen unendlicher Ordnung, welche Funktoren von Aussage-
ftmktioncn sind, die au.ssohliesslich Argumente endlicher On\-
104) V gl. z. B. l!'raenkel
1
, S. 185 ff'.
396
Alfrcd Tarski [13(;]
nungen enthalten, schreiben wir als ihre Ordnung die Zahl <
zu; ein Zeichen, welches ein Funktor nur solcher Aussage-
funktionen ist, deren Argumente entweder endlicher Ordnung
oder von der Ordnung cu sind (wobei mindestens ein Argument
einer Funktion tatschlich von der Ordnung w ist), ist von der
Ordnung w + 1. Die allge!lleine rekursive Definition der Ord-
nung lautet: die Ordnung eines bestimmten Zeichens ist die
kleinste Ordnungszahl, die grsser ist als di-e Ordnungen aller
Argumente in allen Aussagefnnktionen, in welchen das gege-
bene Zeichen als ein aussagebildendf'r l!,unktor auftritt
10
.-.)
....:\.hnlich wie im 4 knnen wir Sprachen endlicher und
unendlicher Ordnung unterseheiden . Ta wir knnen sogar jeder
Sprache als ihre Ordnung eine ganz bestlmmte Ordnungszahl
zuordnen) nmlich die kleinste Ordnungsza.hl) welche die Ord-
nungen aller Variablen berschreitet, die in dieser
auftreten (die frheren Sprachen nter Ordnung behalten - wie
man sich leicht_ berzeugen kann - auf Grund dieser Kon-
vention ihre frhere Ordnung bei und zwar mit Riicksicht, auf
die Herabsetzung der den Namen der Individuen zugeschrie-
benen Ordnung; die Sprache der allgemeinen Klassentheorie
aus 5 erhlt die Ordnung w ).
Aus diesen Bemerkungen folgt keinesfalls, dass jede in
den betrachteten Sprachen auftretende Variable von einer be-
stimmten Ordnung ist. Es scheint mir im Gegenteil (auf (}rund
der angestellten Proben und berlegungen) fast sicher zu sein,
da.ss man sich nieht auf die Verwendung Variabler bestimmter
Ordnungen beschrnken kann, falls man Sprachen erhalten will,
die den frheren Sprachen in Bezug auf die FiUle der mit
ihrer Hilfe atuHhiickbaren Begriffe tatschlich berlegen wren
und deren ein neues Licht auf die uns hier inte-
ressierenden Probleme werfen knnte. Man muss in die Sprachen
Variable unbestimmter Ordnung einfhren, welche sozusagen alle
mglichen Ordnungen welche als }"'unktoren oder
ATgumente in Aussagefunktionen ohne Rcksicht auf die Ord-
nung der brigen in diesen Funktionen vorkommenrl.en Zeichen
auftreten knne.n und welche insbesondere zugleich sowohl