Fischer Weltgeschichte, Bd.11, Das Hochmittelalter
Fischer Weltgeschichte, Bd.11, Das Hochmittelalter
Fischer Weltgeschichte, Bd.11, Das Hochmittelalter
Dieser Band der Fischer Weltgeschichte schildert die Geschichte Europas im Hochmittelalter. Der Verfasser, Prof. Jacques Le Goff (cole Pratique des Hautes tudes, Paris), beschrnkt sich nicht auf eine isolierte Betrachtung der abendlndischen Welt, sondern bezieht in seine Darstellung die byzantinische und islamische Geschichte ein, die fr die europische Entwicklung in dieser Epoche von Bedeutung gewesen sind. Der Leser erhlt einen berblick ber die Entfaltung und den darauffolgenden Niedergang der Christenheit in den drei Jahrhunderten von der lateinisch-griechischen Kirchenspaltung des Jahres 1054 bis zur groen Krise des 14. Jahrhunderts, aus der die Neuzeit hervorgehen sollte. Die Polaritt zwischen Kaiser und Papst, die Spannungen zwischen Sacrum Imperium und dem Ausbau der Territorial- und Nationalstaaten, die Kreuzzugsidee und ihre Konsequenzen werden deutlich. Eingehend werden die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen erklrt, unter denen der Mensch im Hochmittelalter lebte. Der Band informiert auch ber die Philosophie, die Literatur, die Kunst und die religisen Strmungen im damaligen Europa. Der Autor verbindet die traditionelle geschichtswissenschaftliche Methode mit modernen sozialgeschichtlichen Fragestellungen und gewinnt so neue Einsichten in das Wiesen dieser Zeit. Der Band ist in sich abgeschlossen und mit Abbildungen, Kartenskizzen und einem Literaturverzeichnis ausgestattet. Ein Personen- und Sachregister erleichtert dem Leser die rasche Orientierung. Der Verfasser Jacques Le Goff, geb. 1924 in Toulon; studierte von 194550 an der Ecole Normale Suprieure in Paris; 1950 Agrg dHistoire in Paris; 1951/52 Boursier des Lincoln College in Oxford; 1952/53 Mitglied der Ecole Franchise in Rom; 195458 ProfesseurAssistant an der Facult des Lettres der Universitt Lille; 195860 Attache de Recherches am Centre National de la Recherche Scientifique in Paris; seit 1962 Directeur dtudes an der cole Pratique des Hautes tudes in Paris.
Jacques Le Goff, dessen Forschungsgebiete die Geschichte und die Soziologie des Abendlandes im Mittelalter sind, verffentlichte zahlreiche grere Werke, von denen bislang auf deutsch folgende erschienen sind: Die Geburt des Fegefeuers (1984); Die Intellektuellen im Mittelalter (1987) und Wucherzins und Hllenqualen. konomie und Religion (1988). Im Fischer Taschenbuch Verlag hat Jacques Le Goff (zusammen mit Roger Chartier und Jacques Revel) den Band Die Rckeroberung des historischen Denkens (Bd. 12033) sowie Der Mensch des Mittelalter (Bd. 12604) herausgegeben. Einleitung Die Wende in der Mitte des 11. Jahrhunderts 1054: Der Westen entfernt sich von Byzanz
Detaillierte bibliographische Hinweise auf die Werke, aus denen die Zitate im Text stammen, findet der Leser im Anschlu an das letzte Kapitel des Bandes. Titel der Sekundrliteratur, aus denen zitiert wird, sind im Text jeweils in Klammern genannt.
Wer sich mit dem westlichen Europa in der Mitte des 11. Jahrhunderts beschftigt, kann nicht umhin, an ein Datum und an einen Text zu denken. Das Datum ist 1054. Es bezeichnet ein Ereignis, das sich in eine lange Kette von Zwischenfllen einfgte und den Zeitgenossen ohne Zweifel wie eine lokale Begebenheit erschien: die Entzweiung zwischen dem rmischen Papst und dem Patriarchen von Konstantinopel. Der Anla scheint geringfgig der Zwist hatte sich vor allem an liturgischen Meinungsverschiedenheiten zugespitzt: dem Gebrauch gesuerten Brotes bei der Anfertigung der Hostien in der byzantinischen und von Oblaten in der rmischen Kirche. In jenem Jahr 1054 legten die ppstlichen Legaten, angefhrt von Humbert von Moyenmoutier, Kardinal von Silva Candida, eine Exkommunikationsbulle fr Michael Kerullarios und seine hauptschlichen kirchlichen Anhnger auf den Altar der Hagia Sophia in Konstantinopel, auf die der byzantinische Patriarch mit der Exkommunikation der rmischen Gesandten antwortete. Diese Entzweiung war nicht neu. Hatte sich nicht das Schisma des Photios im 9. Jahrhundert ber Jahre hingezogen? Aber diesmal sollte die Trennung nicht nur dauerhaft sein, sie war endgltig. So ist der Bruch zwischen zwei Welten besiegelt, die seit der groen Krise des rmischen Reiches im 3. Jahrhundert und der Grndung Konstantinopels, des neuen Rom, zu Beginn des 4. Jahrhunderts nicht aufgehrt haben, sich voneinander zu entfernen. Von nun an gibt es zwei Christenheiten, die Christenheit des Westens und die Christenheit des Ostens, mit ihren jeweiligen berlieferungen, ihrem geographischen und kulturellen Bereich, getrennt durch eine Grenze, die durch Europa und das Mittelmeer geht und die Slawen voneinander scheidet; Russen, Bulgaren und Serben werden in den byzantinischen Umkreis einbezogen, whrend die anderen, Polen, Slowaken,
Mhrer, Tschechen, Slowenen und Kroaten das Zwischenspiel von Kyrillos und Methodios hat es schon im 9. Jahrhundert erwiesen der westlichen Anziehung nicht entgehen knnen. Von Byzanz abgeschnitten, dringt die westliche Christenheit darauf, sich in ihrer neuen Individualitt zu behaupten. Es ist bezeichnend, da der gleiche Kardinal Humbert, der in Konstantinopel den Bruch vollzogen hatte, an der rmischen Kurie die Seele der Gruppe ist, die die gregorianische Reform vorbereitet.
Sein Traktat Adversus simoniacos von 1057 oder 1058 greift, ber die Hresie der Simonie hinaus, den Zugriff der Laien auf die Kirche an. Er regt die Politik Papst Nikolaus II. an, der whrend des ersten Laterankonzils 1059 jenes Dekret erlt, das die Papstwahl den Kardinalen vorbehlt und so das Papsttum dem direkten Druck der Laien entzieht. Die sich anbahnende gregorianische Reform wird dieser armen, eingeengten, primitiven Christenheit des Westens von armseliger Erscheinung gegenber der glnzenden byzantinischen Christenheit eine geistige Ausrichtung geben, die sich am Ende des Jahrhunderts durch die offen gegen die unglubigen Moslems gerichteten Kreuzzge kmpferisch durchsetzt. Kreuzzge, die aber auch (der vierte wird es zu Beginn des 13. Jahrhunderts zeigen) die abtrnnigen Byzantiner bedrohen. 1063 gebrdet sich die christliche Reconquista in Spanien zum ersten Male als heiliger Krieg; das ist der erste Kreuzzug, unter der Fhrung Clunys und mit dem Segen Papst Alexanders II., der den christlichen Kmpfern Abla gewhrt. Um die gleiche Zeit entsteht die lteste literarische Gattung des mittelalterlichen Westens, das
Heldenepos (Chanson de geste), das die westliche Ritterschaft zum Kreuzzug anfeuern will. Wenig nach 1065 drfte die ursprngliche Fassung des Rolandsliedes niedergeschrieben worden sein. Gewi, lange Zeit bis zum Ende, bis 1453, um nicht von noch spteren Auswirkungen und Wiederaufnahmen ber das politische Verschwinden von Byzanz hinaus zu sprechen geht der Dialog zwischen der stlichen Christenheit und ihrem westlichen Anhngsel, das sich praktisch 1054 losgelst hat, weiter, wenn er auch fter ein Konflikt als ein friedlicher Austausch ist. Er geht natrlich in den Kontaktzonen weiter. Obwohl die Normannen der politischen und militrischen Anwesenheit von Byzanz im Westen durch die Einnahme von Bari 1071 ein Ende setzen und im 12. Jahrhundert die Hauptgegner der Byzantiner im westlichen Mittelmeer sind, bleiben sie doch fr die aus Konstantinopel kommenden Einflsse sehr empfnglich. Selbst wenn die normannischen Herrscher von Sizilien nicht wie man lange Zeit behauptet hat den byzantinischen basileus als ideales und tatschliches Vorbild genommen haben, so hlt doch das Knigreich Sizilien, Apulien und Kalabrien (fr das Roger II. den Knigstitel vom Gegenpapst Anaklet II. 1130 und von Papst Innozenz II. 1138 erhlt) der byzantinischen Kultur die Tre offen. Mosaiken und Bronzetore der Kirchen bezeugen, wie anziehend byzantinische Vorbilder bleiben das berhmte Mosaik der Martorana in Palermo, auf dem man Roger II., als basileus gekleidet, von Christus die Krone empfangen sieht, ist ganz und gar byzantinisch. Das Griechische ist neben dem Lateinischen und Arabischen offizielle Kanzleisprache in Sizilien. Man darf aber dabei nicht bersehen, da die Masse der Kleriker in der brigen Christenheit es nicht kennt und da einige es sogar verachten. So greift Robert von Melun, der Nachfolger Abalards, um 1137 in den Schulen von Sainte- Genevive diejenigen seiner Zeitgenossen heftig an, die ihre Sprache mit griechischen Worten durchsetzen und ein grzisiertes Latein sprechen oder schreiben, sozusagen das franglais dieser Zeit. Zwei der wichtigsten bersetzer aus dem Griechischen ins Lateinische sind im 12. Jahrhundert hohe Beamte des Hofes in Palermo: Henricus Aristippos, bersetzer von Aristoteles, Plato, Diogenes Laertius und Gregor von Nazianz, fhrt in Sizilien aus der Bibliothek von Manuel Komnenos in Konstantinopel entliehene Handschriften ein. (Solche Leihgaben sind manchmal einfach Diebsthle.) Nach seinem Exemplar des Almagest von Ptolemus wird um 1160 dieses Werk zum ersten Male ins Lateinische bersetzt. Der andere, Eugen der Admiral, ist ein im Griechischen und Arabischen sehr gelehrter Mann, der auch des Lateinischen nicht unkundig ist. Christlichem Gebrauch getreu, da man, nach den berhmten Worten des heiligen Augustinus, mit der heidnischen Kultur verfahren solle, wie es die Israeliten mit den gyptern getan hatten, deren Hinterlassenschaft sie verwendeten, sind die Normannen bei der Plnderung des byzantinischen Reichtums an erster Stelle und weisen so schon auf die Plnderung von 1204 voraus. Roger II. bringt whrend des zweiten Kreuzzugs 1147 aus Korinth, Athen und Theben Reliquien, Kunstwerke, Stoffe und kostbare
Metalle mit, aber auch Spezialisten byzantinischer Techniken: Seidenweberinnen und Mosaizisten. Bis 1204 nimmt Venedig eine doppeldeutige Stellung ein. Whrend es in vlliger Unabhngigkeit handelt, akzeptiert es, da es in den offiziellen Akten als Untertan von Byzanz gefhrt wird, um desto besser von der Grozgigkeit und Schwche des basileus zu profitieren: Handelsvorteile, Einfuhr von Handschriften, kostbaren Materialien und Kunstwerken sind der Gewinn. Ungarn ist ein anderes dieser Gebiete, wo sich Lateiner und Griechen begegnen. Ganz wie in Italien, wo sich noch in der Mitte des 11. Jahrhunderts sogar in Rom selbst Benediktiner und Mnche des heiligen Basilius mischen, besetzt Knig Andreas I. von Ungarn das Kloster von Tihany am Plattensee offenbar zugleich mit Benediktinern und Basilianern. Die Form der sogenannten Stephanskrone, die aber vermutlich erst Knig Gza I. (10741077) von Kaiser Michael VII. Dukas erhielt, zeigt, da ein rmisch- christlicher Knig, der sogar Vasall des Heiligen Stuhles ist, seine Vorbilder noch von Byzanz empfngt. Weiter noch, bis an die westlichen Grenzen der lateinischen Christenheit, strahlt der griechisch-byzantinische Brennpunkt aus, und die Renaissance des 12. Jahrhunderts wird dem, was der Zisterzienser Wilhelm von Saint-Thierry (gestorben 1147) das Licht des Ostens genannt hat (orientale lumen), einen groen Platz einrumen. Ohne Zweifel verstand er darunter vor allem die gyptische Tradition der Anachoreten, aber mit ihr auch griechische Theologie und griechisches Denken. So wird die im 8. Jahrhundert von Johannes von Damaskus geschriebene theologische Enzyklopdie De fide orthodoxa, bei den Lateinern als De Trinitate besser bekannt, erst in der Mitte des 12. Jahrhunderts in Ungarn zunchst in Teilen, dann um 1153/54 von Burgundius von Pisa (verbessert um 12351240 von Robert Grosseteste) ganz bersetzt. Schon 11551160 benutzt und zitiert sie Petrus Lombardus in seiner Summe der Sentenzen, die das Handbuch der Theologiestudenten an den Universitten des 13. Jahrhunderts sein wird. Diese gleichen Akademiker die groen Meister Alexander von Haies, Albertus Magnus und Thomas von Aquin mit eingeschlossen haben an der Universitt Paris in der Mitte des 13. Jahrhunderts ein Corpus der Werke von Dionysios Areopagita zur Verfgung; darin werden zwischen 1150 und 1250 die lateinischen bersetzungen des 9. Jahrhunderts von Johannes Eriugena und Anastasius Bibliothecarius um Kommentare, Glossen, Korrekturen und neue Fassungen bereichert. So sind die beiden groen griechischen Theologen fr die groen lateinischen Doktoren des 13. Jahrhunderts Autoritten ersten Ranges. Einige Lateiner machen sogar aufrichtige Anstrengungen, um mit den griechischen Zeitgenossen fruchtbare Kontakte herzustellen. Bestimmte Perioden, in denen sich eine Rckkehr zur Einheit der Kirchen abzuzeichnen scheint, begnstigen solche Versuche. 1136 bemerkt der Prmonstratenser Anselm von Havelberg, der in Konstantinopel ffentlich ber das Filioque mit Niketas diskutiert, die Anwesenheit dreier Gelehrter, die ebensogut Griechisch
wie Lateinisch sprachen: Burgundius von Pisa, Jakob von Venedig und Moses von Bergamo. Wenn sich einige, wie Robert von Melun oder Hugo von Fouilloy, in der Mitte des 12. Jahrhunderts weigern, griechische oder barbarische und ungebruchliche Ausdrcke, welche die Einfachen verwirren, zu verwenden, und so dieses stliche Licht zurckweisen, so nehmen es andere im Westen demtig an. Man mu auf die Griechen zurckgreifen, gesteht noch am Ende des 12. Jahrhunderts Alanus ab Insulis, denn die Latinitt ist drftig (quia latinitas penuriosa est). Es ist wirklich ein Armenaufstand, der da in der Mitte des 11. Jahrhunderts den noch primitiven Westen vom byzantinischen Nhrboden loslst. Angesichts der griechischen Reichtmer empfindet der Lateiner Bewunderung, Neid, Zurcksetzung, Ha. Ein Minderwertigkeitskomplex, den er 1204 abreagieren wird, schrt seine Aggressivitt gegenber den Byzantinern. Die Entzweiung von 1054 sollte endgltig sein, weil die lateinische Welt, obschon armselig gegenber dem ppigen byzantinischen Kaiserreich, nun endlich ber gengend materiellen und moralischen Rckhalt verfgte, um entfernt von Byzanz leben zu knnen, das fr sie eine fremde Welt und bald eine Beute wurde. Das zweite Feudalzeitalter Diese groe innere Wende der westlichen Geschichte hat ein berhmter Text von Marc Bloch (La Socit Fodale. Bd. I) gekennzeichnet: Eine Reihe sehr tiefgehender und allgemeiner Vernderungen, die ohne Zweifel durch das Aufhren der letzten Invasionen ausgelst und mglich gemacht wurden, jedoch insoweit, als sie das Ergebnis dieses wichtigen Ereignisses waren, um mehrere Generationen versptet eintraten, lassen sich um die Mitte des 11. Jahrhunderts beobachten. Kein Bruch, gewi, aber ein Richtungswechsel, der trotz unvermeidlicher Verschiebungen, den jeweiligen Lndern und Vorgngen gem, nach und nach fast alle Bereiche der sozialen Aktivitt erfat. Mit einem Wort, es gab zwei aufeinanderfolgende Feudalzeitalter von sehr unterschiedlicher Tonart. Die Grundlage dieser Wirtschaftsrevolution des zweiten Feudalzeitalters ist fr Marc Bloch die rege vorangetriebene Besiedlung, die ungefhr zwischen 1050 und 1250 das Gesicht Europas an den Grenzen der westlichen Welt vernderte: Kolonisierung der iberischen Hochflchen und der groen Ebene stlich der Elbe; selbst im Herzen des Kerngebietes dringt der Pflug stndig weiter in Wlder und dland vor. In den Lichtungen, die in Forsten und Buschwerk geschlagen werden, klammern sich ganz neue Drfer an den urbar gemachten Boden. Anderswo, um alte Wohnsiedlungen, weiten sich die cker unter dem unwiderstehlichen Drang der Rodungsbauern.
Auf einem begrenzten, aber bezeichnenden Gebiet hat krzlich Wilhelm Abel (Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frhen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert) die Richtigkeit dieser Zeiteinteilung und des tatschlichen Bestehens dieses zweiten Feudalzeitalters herausgehoben: Zeitlich noch enger den letzten Jahrhunderten des groen mittelalterlichen Landesausbaus sind die Ortsnamen auf -hagen verhaftet. Sie breiten sich von der Mittelweser, dem Lipper Lande und dem Leinetal nach allen Seiten, besonders nach Osten aus. Hufig mit einer besonderen Flurverfassung und einem besonderen Recht, dem Hgerrecht, verbunden, beginnen sie um 1100, vielleicht auch schon um 1050, und enden mit dem Abschlu der groen Rodeperiode. Die Grndungszeit dieser Drfer zwischen 1050 und 13201330 fllt mit dieser zweiten Feudalepoche zusammen, in der sich der Aufstieg der Christenheit festigt und der Okzident Gestalt annimmt. Von dieser gesteigerten Aktivitt in der Mitte des 11. Jahrhunderts gibt ein anderes Gebiet beispielhaft Zeugnis, denn es gesellt dem materiellen Fortschritt die sozialen Vernderungen und die geistigen Umwlzungen hinzu: wir meinen die Kunstgeschichte und besonders die Architektur. Pierre Francastel hat in einer Untersuchung ber den romanischen Humanismus (LHumanisme roman) mit Hilfe der Theorien zur Kunst des 11. Jahrhunderts in Frankreich und der groen Bauwerke die Existenz eines tiefen Einschnitts im sthetischen Ideal um das Jahr 1050 entdeckt. Dieser Bruch erlaubt, einen Anfangszeitpunkt fr den romanischen Stil zu bestimmen, und betont darber hinaus die historische Bedeutung eines Datums, das ohnehin schon als besonders bemerkenswert angesehen wird. Pierre Francastel erkennt um die Mitte des 11. Jahrhunderts einen neuen Willen zur Koordinierung der verschiedenen Teile des christlichen Bauwerks auf das Gewlbe hin. Man kann das Streben nach Synthese, das die Ausbreitung der westlichen Welt auf allen Gebieten vorantreiben wird, nicht besser versinnbildlichen. Die drei Kirchen, die zwischen 1060 und 1080 nach Pierre Francastel diese neue Tendenz am besten bezeugen, sind Saint-Philibert in Tournus, Saint-Etienne in Nevers und Sainte- Foy in Conques; aber er stellt darber hinaus eine gedrngte Liste der groen religisen Bauten auf, die im wesentlichen in der zweiten Hlfte des 11. Jahrhunderts errichtet wurden: in Deutschland Hirsau, Speyer, die Klner Gruppe; in England die normannischen Kirchen, die nach der Eroberung von 1066 entstanden; in Spanien San Isidoro in Len, die Kathedrale von Jaca und die von Santiago de Compostela; in Frankreich auer den drei schon genannten Kirchen Cluny, Saint-Sernin in Toulouse, die Abteien Saint- Etienne und La Trinit in Caen, Lessay, Crisy-laFort, Saint-Benot-sur-Loire, la Charit-sur-Loire, Saint-Hilaire in Poitiers, SaintSavin-sur-Gartempe; in Italien der Dom von Pisa, San Marco in Venedig, die Kathedrale von Modena. Er zieht daraus den Schlu, da man selten gleichzeitig so viele groe Baustellen sehen konnte. Zwei Bemerkungen sind jedoch zu diesem Einschnitt in der Mitte des 11. Jahrhunderts ntig.
Das zweite Feudalzeitalter ist weder das Zurcktreten einer Agrarwirtschaft und einer Agrargesellschaft vor einer Handelswirtschaft und einer stdtischen Gesellschaft noch der bergang von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft. Die mittelalterliche Welt bleibt nach 1050 wie zuvor eine Welt des Grundbesitzes, der Quelle allen Reichtums und aller Macht ist. Der landwirtschaftliche Fortschritt ist sowohl quantitativ (Rodung, Kolonisierung) als auch qualitativ (Verbesserung der Methoden und Ertrge) Quelle und Grundlage des allgemeinen Aufschwungs. Aber der Bevlkerungszuwachs, die Arbeitsteilung, die stndische Gliederung, die Entwicklung der Stdte und die dadurch mgliche Wiederaufnahme eines bedeutenden Handels treten fast gleichzeitig auf, ebenso wie mit der den intellektuellen, wissenschaftlichen und religisen Dingen eigenen Verzgerung die geistige Wiedergeburt, die einen Teil dieses bergreifenden und verzweigten Ganzen bildet, das wir den Aufschwung der Christenheit nennen. Die usatges Kataloniens, das lteste bekannte Feudalgesetzbuch, zwischen 1064 und 1069 niedergelegt, stammen aus derselben Zeit wie die ersten groen Kundgebungen der Macht und Ungeduld der neuen Stadtgesellschaft: 1045 Erhebung der Mailnder Brger, der die politischreligise Bewegung der Pataria folgt; Kommunalaufstand von Le Mans 1069; Erhebung der Brger von Worms und Kln 1073 und 1074. Die Urkunde der Stadtfreiheit von Huy stammt aus dem Jahr der Schlacht von Hastings (1066). Whrend die Normannen den Feudalismus zwischen 1047 und 1091 in Sditalien und nach 1066 in England einfhren, entsteht schon der frheste colleganza-Vertrag, ein vorkapitalistisches Seehandelsabkommen, 1072 in Venedig und bilden sich die ersten Gilden (die von Saint- Omer um 1080). So kann man in der zweiten Hlfte des 11. Jahrhunderts, whrend Cluny auf seinem Hhepunkt steht und die Heldenepen Gestalt annehmen, schon von der Geburt einer Stadtkultur sprechen. Es gengt nicht, die Gleichzeitigkeit und Zusammengehrigkeit der Vorgnge und Strukturen zu erkennen, die man zu oft als aufeinanderfolgend und widersprechend beschrieben hat, so als ob einer den anderen verdrnge, whrend sie sich tatschlich im gleichen Ganzen bekmpfen und ihre Krfte spielen lassen: Herren und Brger, Stdte und Lndereien, Kloster- und Stadtkultur. Man mu hervorheben, da die Mitte des 11. Jahrhunderts eine Wende, aber keineswegs einen Anfang, eine Geburt oder eine Renaissance darstellt. In der Geschichtsschreibung des Mittelalters folgen die Renaissancen aufeinander, so da, wenn man die Historiker dieses Zwischenzeitalters liest, jedes Jahrhundert einen Anlauf nimmt, um zunchst die vergangene Herrlichkeit wiederzufinden, die Herrlichkeit der antiken, rmisch-griechischen Welt, um sie dann mit Beginn der groen Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts zu bertreffen und auszustechen. Seit langem hat man eine geistige Renaissance im 12. Jahrhundert festgestellt, deren materielle Grundlagen man im 11., spter im 10. Jahrhundert suchte; heute lt man den Bevlkerungszuwachs und die
buerliche Landnahme noch vor der karolingischen Renaissance des 9. Jahrhunderts beginnen, whrend Protorenaissancen im 8. Jahrhundert bereits die karolingische Bltezeit ankndigen. Hinter diesen manchmal etwas schulmeisterlichen Versuchen zeichnet sich die Wirklichkeit eines kontinuierlichen Fortschritts ab, einer Wachstumskurve, die in der Mitte des 11. Jahrhunderts eher eine Beschleunigung als einen Neubeginn darstellt einen neuen Auftrieb, wie man heute sagt. Mehr oder weniger also ein Wiederanziehen, ein take off. In den beiden Gebieten, die fr uns diese Wende bezeugen sollen, kann man die entscheidenden Augenblicke aber auch zu einem anderen Zeitpunkt ansetzen. Im Bereich der Landnahme und des zunehmenden Anbaus ist fr Georges Duby (Leconomie rurale et la vie des campagnes dans loccident mdival) die Mitte des 12. Jahrhunderts ausschlaggebend: Die Tatkraft der frhen Ansiedler, die whrend zweier Jahrhunderte zaghaft, ohne Zusammenhang und sehr verstreut geblieben war, wurde um 1150 mit einmal reger und aufeinander abgestimmter. Um dieselbe Zeit sieht Bernard Slicher van Bath (De agrarische Geschiedenis van West-Europa [5001850]) den bergang von einer Periode der direct agricultural consumption in eine neue Phase der indirect agricultural consumption. Auf der von M.K. Bennett aufgestellten Wachstumskurve fr die Bevlkerungszunahme liegt der Hhepunkt auch nicht um 1050, sondern 100 Jahre spter. Von 1000 bis 1050 soll die Bevlkerung Europas von 42 auf 46 Millionen angestiegen sein, von 1050 bis 1100 von 46 auf 48, von 1100 bis 1150 von 48 auf 50, von 1150 bis 1200 habe sie einen Sprung von 50 auf 61 Millionen gemacht und von 1200 bis 1250 sei sie nochmals um 8 Millionen angewachsen und von 61 auf 69 Millionen gestiegen. Auf dem Gebiet der Baukunst, einem anderen Schlsselbereich des mittelalterlichen take off, kann man den berhmten Satz des Chronisten Raoul Glaber nicht vergessen: Als das dritte Jahr nach dem Jahr 1000 herankam, wurden fast berall, aber besonders in Italien und Gallien die Kirchen erneuert; obwohl die meisten sehr gut gebaut waren und eine Erneuerung nicht ntig gehabt htten, trieb ein richtiger Wettstreit jede christliche Gemeinde dazu, eine noch prchtigere Kirche als die der Nachbarn zu haben. Man htte sagen knnen, da die Welt selbst sich schttle, um ihre Bauflligkeit abzustreifen, und sich berall mit einem weien Mantel von Kirchen bedecke. So wurden fast alle Bischofskirchen, die allen mglichen Heiligen geweihten Klosterkirchen und sogar die kleinen Dorfkapellen von den Glubigen schner wiederaufgebaut. Hinsichtlich der technischen Neuerungen und der knstlerischen Ideen hat Henri Focillon (Art dOccident) das ganze 11. Jahrhundert das Zeitalter der groen Erprobungen genannt. Auf dem Gebiet der dem stdtischen Aufschwung eng verbundenen Erneuerung des Handels endlich regt uns ein auergewhnliches Dokument ebenfalls zu einer Zeiteinteilung an, die das 11. Jahrhundert umfat, anstatt es zu zerschneiden; der berhmte tonlieu von Arras, ein Marktzoll, ist uns in Form
zweier Tarife erhalten, die zwei Stadien der Regelung und der Anpassung an einen vermehrten Warenaustausch entsprechen. Der erste stammt vom Anfang des 11., der zweite vom Begin des 12. Jahrhunderts. Die Wende von 1050 bezeichnet also weniger eine Umkehr der Ziele als einen Wechsel des Rhythmus innerhalb einer aufsteigenden Bewegung. Marc Bloch schreibt selbst: In vielerlei Hinsicht bringt das zweite Feudalzeitalter weniger das Verschwinden der frheren Gegebenheiten als ihre Abschwchung. Diese Ausgangsbasis der Christenheit mit ihren Einschrnkungen und ihren Hoffnungen also ist es, die wir zunchst um die Mitte des 11. Jahrhunderts untersuchen mssen. Erster Teil Die Entfaltung der Christenheit (10601180) 1. Die Grundlagen Die Barbaren des Westens Als die Byzantiner 1096 die westlichen Kreuzfahrer ankommen sahen, die um freien Durchzug zum Heiligen Land baten, empfanden sie bei ihrem Anblick und ihrem Betragen eine Bestrzung, die sich rasch in Verachtung und Emprung wandelte. Ob es sich um die von Peter von Amiens gefhrten Volkshorden handelte oder um die Rittertruppen der zweiten Welle, die sie zu allem berflu noch unangenehm an die aggressiven Normannen Italiens erinnerten: die Byzantiner sahen nichts als habgierige und gromulige Barbaren Wilde. Vielleicht haben die Abenteurer, die zum grten Teil die Haufen des ersten Kreuzzugs bildeten, nicht das schmeichelhafteste Bild der westlichen Christenheit geboten. Die Fhrer dieser Christenheit jedenfalls sahen in ihnen die Blte des Westens. Man mu sich also klarmachen, da in der zweiten Hlfte des 11. Jahrhunderts der christliche Westen nichts anderes als der noch ungehobelte uerste Vorposten der zivilisierten Welt ist, die sich vom Japanischen Meer bis zu den Sulen des Herkules erstreckt. Zwar erleben die stlichen Zivilisationen in der gleichen Zeit politische Krisen und militrische Rckschlge, die tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Mistnde erkennen lassen: in Japan Verfall der Fujiwara-Dynastie und eine Welle kollektiver Angst (man glaubt im Volk an den Zusammenbruch der buddhistischen Lehre im Jahr 1052); eine Krise innerhalb des stlichen Islam, wo das Protektorat der trkischen Seldschuken in Bagdad (1055) zwar die religise Rechtglubigkeit und die Stellung des Kalifen wieder zu krftigen scheint, gleichzeitig aber das Absinken der Mittelschicht in Stadt und Land beschleunigt; in Nordafrika hat der Einfall der arabischen Beni Hilal ab 1051 nicht wiedergutzumachende Verwstungen zur Folge. Selbst an den Toren der Christenheit erleiden die beiden Brennpunkte der byzantinischen und arabisch-
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spanischen Zivilisation eine Verfinsterung. Die Schwierigkeiten der Byzantiner verraten sich nicht nur durch spektakulre militrische Niederlagen die Katastrophe von Mantzikert gegenber den Seldschuken (1071) leitet den Verlust Kleinasiens ein, so wie die Einnahme von Bari durch die Normannen Robert Guiscards im gleichen Jahr den Italiens und des westlichen Mittelmeers vollzieht sondern auch durch innere Manahmen, die fr den Historiker ebenso aufschlureich sind: das Goldgeld, das nomisma, das fr die wirtschaftliche Macht von Byzanz im Westen symbolisch geworden war (man nennt es dort Besant, das heit Byzantiner, und Robert Lopez hat es den Dollar des Mittelalters getauft), erfhrt unter Nikephoros Botaniates (1078 bis 1081) die erste Abwertung. Er mu danach zugunsten des Alexios Komnenos zurcktreten, dessen Regierungsantritt den Sieg der feudalen Aristokratie besttigt, die den byzantinischen Niedergang beschleunigen wird. Im muselmanischen Spanien stirbt der letzte omajjadische Kalif von Cordoba, Hischam III., 1031, und in den 23 Kleinstaaten oder Taifas, in die sich das Land aufteilt, herrscht Anarchie. Dennoch bleibt der Glanz dieser Zivilisation unvergleichlich gegenber der Mittelmigkeit und Primitivitt der westlichen Christenheit. Es sind urbane Kulturen, deren Faszination sich in den Heldenepen widerspiegelt, die der Westen eben zu verfassen beginnt. In der Pilgerfahrt Karls des Groen, die etwa gleichzeitig mit dem Rolandslied entsteht, also vor 1100, entdecken der Kaiser und seine Paladine staunend Byzanz. Im Zyklus der Wilhelmsepen ist es die Anziehungskraft, die islamische Stdte auf die christlichen Ritter ausben: Orange, Narbonne und darber hinaus die unerreichbaren Stdte Cordoba und weiter noch Bagdad. Diese Kulturen haben schon glanzvolle technische und knstlerische Meisterwerke hervorgebracht, als im Westen die ersten romanischen Architekten gerade versuchen, die neuen Kirchenschiffe einzuwlben. Vom Ende des 8. bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts errichten die Knstler von Cordoba eine Moschee, die mit der Hagia Sophia in Konstantinopel wetteifern kann; gegenber diesen beiden Wunderwerken hat der christliche Westen nur Anlagen von geringen Ausmaen aufzuweisen. Er kennt brigens seine Unterlegenheit. Das Wilhelmslied beschreibt die vom maurischen Knig Desram versammelte Armee wie folgt: Er hat mehr als hunderttausend Mann zu Cordoba in Spanien vereinigt und hlt vor dem Aufbruch eine Hofversammlung ab, die vier Tage dauern soll. Er sitzt auf dem Elfenbeinthron auf einem weien Seidenteppich, inmitten eines weiten Raums. Hinter ihm trgt man den Drachen, der ihm als Kriegszeichen dient ... Er betrachtet mit Stolz die riesige Armee, die ihn umgibt. Es sind vierzig Vlker, von vierzig Knigen befehligt: Thibaut fhrt die Estormarants, Sinagon die Armenier, Arofle die Slawonier, Harfu die Hunnen, Malacra die Neger, Borel die Kuhhirten, der alte Tempest die Assassinen, der Riese Haucebir die Ungarn. Ich kann sie euch nicht alle nennen, denn viele sind aus den Lndern jenseits des Westens gekommen, wohin noch nie ein Christ gelangte. Ihre Helme und Stahlspeere, die Mntel, vergoldeten Sttel und Eisenlanzen flimmern zu Tausenden in der Sonne ...
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Eine armselige Welt aus Lichtungen und Verstreuten Siedlungen Gegenber dieser Welt erlesener Erzeugnisse: reicher Stoffe, bearbeiteter Leder, kostbarer Metalle, darunter vor allem Eisen, kennt die westliche Christenheit nur geringwertige Grundstoffe. Kaum da man beim Bau der wichtigsten Gebude, vor allem der Kirchen, das Holz durch Stein zu ersetzen beginnt. Auf bte und Bischfe als Bauherrn des 11. Jahrhunderts wird mit anderen Materialien das Lob Suetons auf Augustus, er habe Rom in Ziegelsteinen vorgefunden und in Marmor zurckgelassen, angewandt. Einer der ersten weltlichen Stdter, der sich ein Steinhaus bauen lassen kann und dies auch wagt, ist ein Brger von Arras um 1215. Der Abt von Saint-Vaast hetzt die Bevlkerung gegen diesen Unverschmten auf, und das Haus wird in Brand gesteckt. Die steinernen Bergfriede sind nur wenig lter (der von Langeais, 994 errichtet, ist einer der frhesten), und ihr Plan verrt den Einflu der vorhergehenden Holzkonstruktionen. Aber diese Neuerung steht noch in den Anfngen, und die westliche Christenheit bewohnt noch lange mehr Holz- als Steinhuser. Nach seinem Sieg von Hastings (1066) lt Wilhelm der Eroberer die Votivabtei der Schlacht (Battle Abbey) zwar in Stein erbauen, der in der Umgebung von Caen gebrochen und auf Kosten des kniglichen Schatzes aus der Normandie nach England transportiert wird, aber das Schlo, das den Ort befestigen soll, wird noch in Holz aufgefhrt. Man mu ein ganzes Jahrhundert warten, bis Heinrich II. 1171/72 den Turm von Hastings in Stein neu bauen lt. In dieser Welt des Holzes, wo das Eisen so selten ist, da die Schmiede immer noch von dem magischen Nimbus umgeben bleiben, den ihnen die germanischen Vlker zuschrieben, nehmen die Dorfschmiede lange Zeit in der mittelalterlichen Bauerngesellschaft einen bevorzugten Platz ein. In vieler Hinsicht, schreibt Bartholomus Anglicus um 1260, ist das Eisen dem Menschen ntzlicher als das Gold. Das Holz bleibt so wesentlich, da der Architekt fast ebenso oft Zimmermannsmeister wie Maurermeister genannt wird und da man von ihm in beiden Bereichen Sachkenntnisse verlangt. berdies bewirkt das Fehlen des Steins in der nrdlichen Christenheit, zu einer Zeit da Transporte schwierig und teuer sind, da Holz noch fr lange Zeit sogar fr Grobauten wie Kirchen in Gebrauch bleibt; anderswo benutzt man statt Steine Ziegel. Man wei, wie lange die Holzkirchen stavkirken in den skandinavischen Lndern, vor allem in Norwegen, erbaut wurden, und kennt die aus den Niederlanden bernommene Backsteinarchitektur, die den Hansestdten von Bremen bis Riga ihr typisch monumentales Aussehen gegeben hat. Man darf dabei nicht vergessen, da selbst die Beschaffung des Holzes fr die mittelalterlichen Bauleute mit Problemen verbunden bleibt. Fr jedes wichtige Geblk, immer wenn fr Balken, Pfeiler und Masten Bohlen und zweckdienliche Baumstmme gebraucht werden, ist die Holzsuche ein schwieriges Unterfangen. Das Auffinden passender Bume, die man auch schlagen und transportieren
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kann, grenzt manchmal an ein Wunder. In einem vielzitierten Text schildert Abt Suger von Saint-Denis das Wunder, das ihm in der Mitte des 12. Jahrhunderts die ntigen Balken zum Bau der berhmten Basilika verschaffte: Als wir auf der Suche nach Dachbalken unsere und die Pariser Zimmerleute um Rat fragten, antworteten sie uns nach ihrer Meinung wahrheitsgetreu , in diesen Gegenden knne man solche wegen des Mangels an Wldern keineswegs finden, sondern msse sie aus dem Gau von Auxerre herbeiholen. Alle uerten sich im gleichen Sinne, und so waren wir sehr niedergeschlagen angesichts der groen Umstnde und wegen des erheblichen Zeitverlustes. Eines Nachts aber besann ich mich nach der Rckkehr von der Frhmette im Bette und beschlo, persnlich in alle Teile unserer Wlder einzudringen und sie nach allen Richtungen zu durchstreifen, um Zeit und Arbeit zu ersparen, wenn die Stmme hier gefunden werden knnten. Wir legten alle anderen Pflichten beiseite und eilten am frhen Morgen mit den Zimmerleuten und Holzfllern in den Wald von Iveline. Als wir durch unser Land im Chevreuse-Tal kamen, lieen wir unsere Frster und Leute, die in den andern Wldern Bescheid wuten, herbeirufen und fragten sie bei ihrem Eide, ob wir dort, aller Mhe ungeachtet, Stmme der bestimmten Gre zu finden vermchten. Sie lchelten verwundert und htten am liebsten laut ber uns gelacht, wenn sie es gewagt htten; ob wir denn gar nicht wten, da in der ganzen Gegend nichts derartiges zu finden sei, zumal Milo, unser Schloherr auf Chevreuse, der mit einem andern die Hlfte des Waldes von uns zu Lehen hatte, keinen solchen Baum unberhrt und unversehrt gelassen htte, um Wehrtrme und Bollwerke anzulegen. Aber wir achteten nicht ihrer Reden, sondern fingen an, khn unserem Glauben trauend, den Wald zu durchstreifen, und fanden gegen die erste Stunde einen Stamm von ausreichendem Wuchs. Und weiter? Bis zur neunten Stunde oder noch eher whlten wir inmitten des dunklen Gebsches und Dornengestrpps der Wlder zum Erstaunen aller, zumal der Einheimischen, zwlf Stmme aus soviel nmlich waren erforderlich. Als sie zur heiligen Basilika gebracht worden waren, lieen wir damit unter Jubel den neuen Bau eindecken, zum Lob und Ruhme unseres Herrn Jesu, der sie vor der Hand der Plnderer bewahrt und fr sich selbst und die heiligen Mrtyrer vorbehalten hatte. Wie bot sich nun das uere Bild des Westens in der Mitte des 11. Jahrhunderts dar? Es war eine Art geographisches Negativ der muselmanischen Welt. Dort Steppen und Wsten, von Oasen und einigen Waldflecken, von denen der grte der Maghreb ist, unterbrochen. Hier ein Waldmantel mit Lichtungen, in denen sich verstreute Gemeinschaften ansiedeln aufkeimende Stdte, die nur mhsam von den sie unmittelbar umgebenden ckern, Drfern, Burgen und Klstern ernhrt werden und die, durch kaum gepflegte und oft abweichende Straen schlecht untereinander verbunden, immer den Angriffen aller Arten von Banditen, ritterlicher oder solcher der unteren Volksschichten, ausgesetzt sind; dem Verkehr werden, wo immer es mglich ist, vor allem die Wasserlufe, die den Waldteppich durchschneiden, nutzbar gemacht. Diese Allgegenwart des
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Waldes findet sich auch in der Literatur. Ein Wildschwein, das Wilhelm von Orange und seine Gefhrten jagen, lockt sie von Narbonne bis Tours durch die Wlder. Die Stadt ist von Forsten eingekreist: Wie sie am Waldrand vor Tours ankommen, befiehlt Wilhelm, da man unter der Deckung der Bume anhlt ... Am Abend werden die groen Tore der Stadt geschlossen. Als es vllig Nacht geworden ist, lt Wilhelm vierhundert Ritter am Waldsaum zurck und nimmt zweihundert mit sich ... Er kommt zum Graben und ruft dem Wchter zu: ffne das Tor, la die Brcke nieder ... brigens bedeckte nicht immer Hochwald den Boden. Es gab vor allem im Norden der Christenheit infolge des Klimas und der Bodenbeschaffenheit weite Heide- und Sumpf gebiete; anderswo hatten die gleichen geographischen Faktoren oder unvollstndige und vorbergehende Rodungen seit der jngeren Steinzeit den Wald durch Unterholz zurckgedrngt. Wir haben gesehen, unter welchen Schwierigkeiten Suger zu einem Hochwald gelangte. Aber selbst an der Schwelle jenes Zeitabschnitts, der fr den christlichen Westen eine Periode der Rodungen und der Urbarmachung sein wird, wobei mehr die Heidegebiete, Smpfe und Gehlze zurckgehen als die richtigen Wlder, mu man diese mittelalterliche Herrschaft des Waldes betonen. Er bleibt der natrliche und psychologische Rahmen der westlichen Christenheit. Der Wald ist die Gefahrenzone, aus der wilde Tiere und Menschen kommen Krieger und Banditen, schlimmer als Bestien aber er bedeutet auch Zuflucht fr Jger, Liebende, Eremiten und Unterdrckte. Er stellt eine dem landwirtschaftlichen Aufblhen immer hinderliche Grenze dar, gegen welche die mhseligen Fortschritte des Anbaus ankmpfen; aber auch eine Quelle leicht zu erntenden Reichtums: Eicheln und Laub fr die Nahrung und das Lager der Viehherden, Holz und Holzkohle, Honig und Wildbret. Der Chronist Gallus Anonymus, der zu Beginn des 12. Jahrhunderts Polen beschreibt, zeigt gut, wie dieses Land, das mit nur geringen bertreibungen das uere Bild der westlichen Christenheit widerspiegelt, zwischen der Bedrckung und der Wohltat des Waldes steht. Dieses Land, sagt er, obwohl reich bewaldet, ist doch mit Gold und Silber versorgt, mit Brot und Fleisch, Fisch und Honig ... Und er fgt hinzu: Die Luft ist hier gesund, die Erde fruchtbar, der Wald reich an Honig ... Freilich ist der wirtschaftliche Wert des Waldes in der gesamten Christenheit fr die Rckstndigkeit einer Wirtschaftsform bezeichnend, in der das Pflcken noch eine so groe Rolle spielt. Trotzdem bleibt bestehen, da viele Schrecken dem mittelalterlichen Menschen vom 11. bis zum 14. Jahrhundert durch den Wald und aus dem Wald kommen. Wie viele verirren sich darin oder finden sich dort wieder, wie Berthe aux grands pieds oder Tristan und Isolde, wieviel Angst und Zauber hat dort die Menschen erzittern lassen, in dem schnen walt der Minnesnger und Goliarden, der selva oscura Dantes ... Ohnmacht vor der Natur: die unzulngliche Technik
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Die grte Hilflosigkeit gegenber der Natur erwchst den Menschen des 11. Jahrhunderts aber nicht durch ihre Abhngigkeit von den Waldgebieten, die sie mehr durchstreifen als erschlieen, sondern durch ihr primitives Werkzeug; Hauptschlaginstrument ist das Dachsbeil, gegen Unterholz wirksamer als gegen dicke Zweige oder Strnke, denen es nur mit Mhe beikommt. Vor allem aber ist man unfhig, dem Boden eine quantitativ und qualitativ ausreichende Nahrung abzugewinnen. Das Land ist tatschlich die wesentliche Grundlage der mittelalterlichen Christenheit. In einer Wirtschaft, die vor allem eine Naturalwirtschaft ist, beherrscht von der einfachen Befriedigung der Lebensnotdurft, ist der Boden Ausgangspunkt und fast Gesamtinhalt der konomie. Das lateinische Verb fr arbeiten laborare bezeichnet seit karolingischer Zeit die Landarbeit, vor allem das Umgraben. So ist der Landbesitz Grundlage des Reichtums, der Macht und sozialen Stellung. Die herrschende Schicht, eine Militraristokratie, ist gleichzeitig Grogrundbesitzer. Aufgenommen wird man in diese Klasse, indem man entweder durch Erbe oder durch Verleihung eines Hhergestellten ein Geschenk erhlt, ein beneficium, ein Lehen. Dies Lehen ist im wesentlichen ein Stck Land. Aber dieses Land war undankbar. Das unzureichende Werkzeug erlaubte nicht, es tief und krftig genug aufzubrechen, umzuwenden und zu lockern, damit es fruchtbarer wurde. Das primitivste Gert, der antike Hakenpflug (lateinisch aratrum, franzsisch araire, flmisch eergetouw, dnisch ard, slawisch oralo, oberdeutsch erling) aus Holz, ohne Rder, der die Erde kaum richtig berhrte, wurde noch lange benutzt, auch auerhalb des Mittelmeergebietes, wo er dem Relief und den lockeren Bden angepat war. Der Pflug (lateinisch carruca, franzsisch charrue; das deutsche Wort Pflug, dessen Herkunft ungeklrt ist, ging in die slawischen Sprachen ein, und der altslawische Wortschatz bezeugt den Gebrauch dieses Instruments vor dem 6. Jahrhundert), der sich vor allem nrdlich der Mittelmeerzone ausbreitete, blieb unentwickelt, und die schwache Ochsenzugkraft, die allgemein verwendet wurde, erlaubte nicht, seine volle Wirkung auszunutzen. Man mu hier auch auf den Mangel an Dnger hinweisen, der alle mglichen Notbehelfe erforderlich machte; Abgaben, in Form von Mist von den Herren erhoben, wurden entweder als Mistkbel eingezogen, oder man verpflichtete die Bauern dazu, ihre Viehherden eine bestimmte Zahl von Tagen auf die Lndereien des Grundherrn zu schicken, damit sie ihre Exkremente dort lieen. Notfalls nahm man zur Asche verbrannten Strauchwerks Zuflucht oder zu verbranntem Gras, zu faulem Laub, zu Stroh des Korns, dessen Halme der Bauer aus diesem Grund mit seiner Sichel in halber Hhe oder gleich unterhalb der hre abschnitt. Alles dies erklrt die auerordentlich geringen Ertrge. In einem der seltenen Flle, wo man sie vor dem 13. Jahrhundert errechnen kann, ergibt die Weizenaussaat auf den burgundischen Besitzungen Clunys fr 1155 und 1156 den zwei- bis vierfachen Ertrag. Das Mittel scheint vor 1200 um 3,10 oder ein wenig unter 3 gelegen zu
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haben (zwischen 1750 und 1820 erreichte Nordwesteuropa einen Ertrag von 10,6). Zudem erbrachte der Boden diese Ergebnisse nur dann, wenn man ihm Zeit gab, sich wieder aufzufrischen; selbst von den bearbeiteten Flchen blieb also ein groer Teil als Brachland unbebaut. Am hufigsten teilte man das Ackerland jedes Jahr in zwei ungefhr gleiche Hlften, von denen nur eine Frucht trug. Jedes Feld gab also nur jedes zweite Jahr einen Ertrag; die Zweifelderwirtschaft war in der Mitte des 11. Jahrhunderts im Okzident die Regel. Viele cker konnten nicht einmal diesen Produktionsrhythmus vertragen und muten nach einigen Jahren aufgegeben werden. Neue wurden dem Anbau durch Rodung oder Brand gewonnen. Die Landwirtschaft war also raumverschlingend, extensiv und halb-nomadisch. Da unter diesen Bedingungen Wetterunbilden zu Katastrophen fhrten, versteht sich. Anhaltende Regenflle, Hagel, Trockenheit, Pflanzenkrankheiten oder Insekteneinflle lieen die Ernten unter das Existenzminimum sinken. Der Hunger bedrohte die Menschen des 11. Jahrhunderts unaufhrlich; oft traten in der ganzen Christenheit gleichzeitig Hungersnte auf. Wenn sie auf ein ganzes Gebiet beschrnkt waren, fand die betroffene Bevlkerung nur schwer Abhilfe, denn die geringen Ertrge verhinderten ausreichende Vorratslager, und die Einfuhr von Nahrungsmitteln aus verschonten Gebieten stie auf den gleichen Mangel an berschu und dazu, abgesehen vom partikularistischen Egoismus der Verschonten, auf einen technischen Engpa: den unzureichenden und teuren Transport. 1005/06, 1043 bis 1045 und 10901095 waren solche Jahre allgemeiner oder fast allgemeiner Hungersnot; die Wiederholung schlechter Ernten im Abstand von zwei oder drei Jahren wirkte sich katastrophal aus. Aber zwischen diesen allgemeinen Heimsuchungen vergeht fast kein Jahr, in dem nicht ein Chronist hier und dort eine rtliche oder regionale Hungersnot meldet. Auerhalb der Landwirtschaft gibt es nur eine oberflchliche wirtschaftliche Aktivitt, die geringwertige und begrenzte Warenmengen hervorbringt und nur einen beschrnkten Kreis erfat. Neben der Nahrung befriedigt die Haus- oder Gutswirtschaft auch alle andern wesentlichen Bedrfnisse. Der Bauer selbst, die Frauen, seltener ein spezialisierter Handwerker wie der Dorfschmied, erbauen die Huser, fertigen die Kleidung an und stellen die primitive Haushaltsausstattung und das Werkzeug her, wobei Holz, Erde und Lehm als wichtigste Materialien verwendet werden. In den schwach bevlkerten Stdten arbeiten auch wenige Handwerker; selbst die Kaufleute sind nicht zahlreich und handeln nur mit den allerwichtigsten Waren zum Beispiel Eisen oder mit Luxusgegenstnden wie kostbaren Stoffen, Goldschmiedearbeiten, Elfenbein und Gewrzen. All dies erbringt nur wenig Geld. Die Christenheit prgt keine Goldmnzen mehr. Es handelt sich um reine Naturalwirtschaft, so gering ist der Anteil des Geldes. Dieser primitiven Wirtschaftsform entspricht ein rckstndiger sozialer Aufbau, der den konomischen Aufschwung im gleichen Mae lhmt, wie er
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selbst durch die unentwickelten technischen und wirtschaftlichen Verhltnisse bedingt ist. Die Gesellschaft wird nach einem neuen Leitbild von den Klerikern ungefhr seit dem Jahre 1000 immer hufiger als dreigeteilt geschildert. Das Haus Gottes, schreibt um 1016 der Bischof Adalberon von Laon, der sich an Knig Robert den Frommen wendet, ist dreigeteilt: die einen beten, die andern kmpfen, die dritten endlich arbeiten. Dieses Schema/das in seiner lateinischen Form oratores, bellatores, laboratores gut zu behalten ist, unterscheidet also Klerus, Ritter und Bauern. Ein simplifiziertes Bild, gewi, das aber doch grosso modo der Gesellschaftsstruktur entspricht. Der Klerus, bei dem man in der karolingischen Zeit gern zwei Arten unterschieden hat, Weltgeistliche und Mnche, wird sich immer strker seiner Einheit gegenber den Laien bewut. Im Innern der feudalen Hierarchie ist die weltliche Aristokratie im Begriff, sich in einen nach Grundherren und Vasallen gegliederten Stand zu ordnen. Der militrische Charakter dieses Adels verrt sich in der Terminologie. Das Wort miles (Krieger, Ritter) hat im 11. Jahrhundert besonderen Erfolg. Die Masse der Arbeiter endlich, die vor allem aus Bauern besteht, erlebt ihrerseits eine durch die rechtlichen und sozialen Verhltnisse vorangetriebene Vereinheitlichung. Leibeigene und Freie beginnen sich in ihrer praktischen Lage als die Gruppe der von einer Herrschaft Abhngigen zu vermengen; es sind jene, die man ununterschieden die Drper (vilains) oder Karsthnse zu nennen beginnt. Theoretisch sind die drei Stnde einig, leisten sich gegenseitig Hilfe und bilden ein harmonisches Ganzes. Diese drei miteinander lebenden Schichten, schreibt Adalberon von Laon, knnen nicht getrennt werden. Die Dienste des einen sind die Bedingung fr die Werke der beiden andern. Jeder trachtet danach, das Ganze zu untersttzen. So ist diese Verbindung zwar dreifach, aber doch eine Einheit ... Diese ideale und idealistische Ansicht wird von der Wirklichkeit widerlegt. Adalberon selbst erkennt dies als erster: Die zweite Schicht (der Laien) ist die der Unfreien; diese unglcklichen Leute besitzen nur, was sie sich mhselig erarbeitet haben. Wer knnte, das Rechenbrett in Hnden, die Sorgen zhlen, die die Leibeigenen whrend ihrer langen Wege und ihrer harten Arbeit bedrcken? Geld, Kleidung, Nahrung: die Leibeigenen liefern alles an jedermann; nicht ein Freier knnte ohne sie bestehen. Gilt es eine Arbeit zu verrichten? Will man etwas bieten? Wir sehen Knige und Prlaten sich zu Sklaven ihrer Leibeigenen machen. Der Herr, der vorgibt, den Leibeigenen zu ernhren, wird in Wahrheit von ihm ernhrt. Und der Leibeigene sieht kein Ende seiner Trnen und Seufzer. Dieser sentimentale und moralisierende Ergu lt erkennen, da das soziale Gefge gegen die Gerechtigkeit verstt; gleichzeitig stellt es dem Fortschritt hartnckige Hindernisse entgegen. Die Aristokratie und das gilt fr die geistliche wie die weltliche monopolisiert das Land und die Produktion. Zwar gibt es eine gewisse Zahl von
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Lndereien ohne Herren, sogenanntes Freiland. Aber diese Allodien hngen wirtschaftlich und sozial von Mchtigen ab, die das Wirtschafts- und Sozialleben unter Kontrolle haben. Diese Mchtigen beuten ihre Untergebenen in einer weitgehend unfruchtbaren und unproduktiv machenden Weise aus. Die Lndereien sind genau in zwei Teile zerlegt; der eine wird unmittelbar vom Herrn bebaut, vor allem mit Hilfe der Frondienstleistungen seiner Hintersassen; der andere wird in Form von Afterlehen an die Bauern leibeigene oder freie abgetreten, die ihrem Herrn fr seinen Schutz und die Belehnung Entschdigungen schulden, die ersteren in Form von Arbeit, alle in Form von Naturalabgaben und Geld. Diese herrschaftlichen Erhebungen, die den Lehenszins bilden, lassen der Masse der Bauern kaum das Lebensminimum. Die grere Mehrheit verfgt nur ber ein Lehen, das den Bedrfnissen einer Familie entspricht. (In der vorhergehenden Epoche war es die Hufe (Manse), von Beda Venerabilis im 7. Jahrhundert als terra unius familiae definiert). Die Beschaffung eines berschusses ist fr sie praktisch unmglich. Das Schlimmste ist, da dieser Unfhigkeit der Bauern, berschu zu erzielen, die Verschwendungssucht der Herrenschicht gegenbersteht, die ber sie verfgt. Von den Gewinnen des Gutes investieren die Herren, wie man heute sagen wrde, nachdem einmal das Saatgut beiseite gelegt ist, fast nichts. Sie verzehren und vergeuden. Lebensform und Mentalitt verbinden sich in der Tat, um dieser Klasse unproduktive Ausgaben aufzudrngen. Um ihren Rang zu erweisen, mssen sie Ansehen mit Macht verbinden. Luxus der Wohnung, Kleidung und Nahrung zehrt die Einknfte des Feudalzinses auf. Die Verachtung der Arbeit und das fehlende technische Verstndnis lassen sie die Vorgnge und Produkte des Wirtschaftslebens nur als Beute ansehen. ber die Beute des Lehenszinses hinaus belegen sie den gesamten Handel in ihrer Reichweite mit auergewhnlichen Abgaben: Zlle fr Mrkte und Messen, Wegegelder und Warensteuern. Die beiden Tarife des tonlieu von Arras (Anfang des 11. und Anfang des 12. Jahrhunderts), den der Abt von Saint-Vaast erhob, enthalten eine Taxe auf die ausgetauschten Waren, die vom Verkufer wie vom Kufer zu entrichten ist, eine Standplatzgebhr, einen Wiege- und Mezoll, der mit dem Zwang, die Gewichte und Mae der Abtei zu benutzen, verbunden ist, und eine Transportsteuer. Bezahlt wurde zum Teil in Geld, zum Teil in solchen Naturalien, welche die Abtei nicht selbst erzeugte: Salz, Eisen und Eisenwaren (Sicheln, Schaufeln und Messer). Dazu kommen noch die Zerstrungen, welche die beruflichen Bettigungen des Adels verursachen: der Krieg und die Jagd. Betrachtet man das fr das Ende des 11. Jahrhunderts so auerordentliche Zeugnis der Stickerei von Bayeux, Tapisserie der Knigin Mathilde genannt eine Bilderzhlung der Eroberung Englands im Jahre 1066 durch die Normannen , so sieht man, wie der Landung ein groes, vom Bischof gesegnetes Festmahl folgt, und wie der Feldzug durch das Anznden eines Hauses eingeleitet wird. Der mittelalterliche Krieg zerstrt in der Tat planmig, denn es geht noch mehr darum, die wirtschaftliche und
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soziale Macht des Gegners durch Brand und Vernichtung der Ernten, Bauwerke und Drfer zu treffen, als ihn militrisch zu schlagen. Die wirtschaftlichen Kosten der Gewaltttigkeit sind im mittelalterlichen Westen betrchtlich. Die lhmende Wirkung der Kirche auf diesem Gebiet, wenn sie auch im allgemeinen durch friedliche Mittel zustande kommt, ist nicht weniger bedrckend. Der Zehnte, den sie vor allem von den Feldfrchten und vom Vieh, aber auch von allen Wirtschaftsprodukten erhebt, lastet mehr als jede andere Abgabe auf der Produktion. Die Verachtung des ttigen Lebens, der vita activa, die sie lehrt, ohne sie selbst immer zu praktizieren, verstrkt noch die wirtschaftsfremde Einstellung. Der Luxus, mit dem man Gott umgibt (Pracht der Festlichkeiten, Reichtum der Gebude, der einen dem blichen Lebensniveau unangemessenen Aufwand an Baumaterialien, Arbeitskrften und kostbaren Gegenstnden fordert), beschneidet die bescheidenen Mittel der rmlichen Christenheit schwer. Die groen bte des 11. Jahrhunderts werden gern von Chronisten und Hagiographen zu dem Interesse, das sie dem opus aedificiale, dem Bau und der Ausschmckung der Kirchen entgegenbringen, beglckwnscht. In ihren Viten des heiligen Odilo, Abt von Cluny (gestorben 1049), fhren der gestrenge Petrus Damiani wie auch Jotsaldus unter den hchsten Ruhmes- und Frmmigkeitstiteln des Heiligen seinen glorreichen Eifer auf, die Bauwerke der heiligen Sttten mit Hilfe aller mglichen Einknfte erbaut, erneuert und ausgeschmckt zu haben. Ebenso sind der heilige Hugo, zwischen 1049 und 1109 Abt von Cluny, und Desiderio, Abt von Monte Cassino von 1058 bis 1087, schon zu Lebzeiten als die Erbauer zweier Architekturwunder berhmt. Aber dieser Luxus ruft auch Reaktionen hervor. Die Hretiker von Arras bestreiten 1035, da der Gottesdienst besonderer Gebude bedrfe, und selbst innerhalb der Kirche wacht der heilige Bruno bereits 1084 darber, da das Kloster der Grande Chartreuse so nchtern wie mglich wird. Um die Konflikte dieser rckstndigen Gesellschaft auszugleichen, htte es eines starken Staates bedurft. Aber die Feudalitt hatte den Staat aufgelst und die ffentliche Macht durch Immunitten und Usurpationen im wesentlichen in die Hnde der Grundherrn gelegt. Die Kirche, die selbst an dieser Unterdrckung der Masse teilhat, ist im brigen noch in der Macht der Laien, das heit der Feudalaristokratie, die Pfarrer, bte und Bischfe ernennt und sie sowohl in ihre mter als auch in ihre Lehen einsetzt. Auch Kaiser und Knige sind auf der einen Seite mitschuldig, auf der andern machtlos. Mitschuldig, weil sie an der Spitze der feudalen Hierarchie stehen. Machtlos, weil sie, wollen sie ihren Willen durchsetzen, dazu weder das Geld noch gengend militrische Macht haben; im wesentlichen verfgen sie nur ber ihre eigenen territorialen Einknfte und die feudalen Heeresdienste der Kronvasallen. Eine Anekdote ist hier bezeichnend. Nach dem Chronisten Johann von Worcester hatte Knig Heinrich I. von England, als er 1130 in der Normandie weilte, einen Alptraum. Er sah sich nacheinander von den drei
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Stnden bedroht: zuerst von den Bauern mit ihren Gerten, dann von den Rittern mit ihren Waffen, endlich von den Bischfen und bten mit ihren Krummstben. Das also macht dem in Purpur gekleideten Knig Angst, dessen Wort, nach dem Ausspruch Salomos, wie das Brllen des Lwen mit Schrecken erfllen sollte. Tatschlich gilt nach den Theorien der Zeit, die das Denken tief beeinflussen, dieser soziale Aufbau als geheiligt; er ist gttlicher Natur. Die drei Stnde stellen eine gottgewollte Ordnung dar. Sich gegen diese Ordnung auflehnen heit gegen Gott rebellieren. Plagen und ngste Vom Hunger bedroht, lebt die unterdrckte Masse der Christenheit im 11. Jahrhundert in einem physischen Elend, das in den untersten Schichten besonders beklagenswert ist. Hungersnte und stndige Unterernhrung begnstigen Krankheiten. Tuberkulose, Haut- und Mangelkrankheiten haben eine hohe Kindersterblichkeit im Gefolge und verbreiten Epidemien. Das Vieh ist davon nicht ausgenommen. Die Viehseuchen vergrern die Nahrungsmittelknappheit und verschlimmern die Not, indem sie die Arbeitskraft der Tiere schwchen. Nach Raoul Glaber hoben die Menschen whrend der groen Hungersnot von 10321033, nachdem sie wilde Tiere und Vgel gegessen hatten, unter der Herrschaft eines verheerenden Hungers alles mgliche Aas und andere, kaum auszusprechende schreckliche Dinge auf, um sie zu essen. Einige nahmen, um dem Tod zu entgehen, ihre Zuflucht zum Wurzelwerk des Waldes und zum Grn der Blumen. Wtender Hunger lie die Menschen selbst menschliches Fleisch verschlingen. Reisende wurden von Strkeren verschleppt, ihre Glieder abgeschnitten, gekocht und verzehrt. Manche Leute, die aufgebrochen waren, um dem Hunger zu entfliehen, und unterwegs Gastfreundschaft fanden, wurden des nachts ermordet und dienten jenen als Nahrung, die sie aufgenommen hatten. Viele zeigten Kindern eine Frucht oder ein Ei, lockten sie damit an abgelegene Orte, brachten sie um und verschlangen sie. Anderswo wurden Tote ausgegraben, um den Hunger zu stillen. In der Gegend von Mcon entnahmen einige Leute dem Boden eine weie, dem Ton hnliche Erde, mischten sie mit dem, was sie noch hatten, Mehl oder Kleie, und machten aus dieser Mischung Brot, wodurch sie hofften, nicht an Hunger zu sterben; dieses Verfahren brachte aber nur trgerische Hoffnung und Erleichterung. Man sah nur bleiche und abgezehrte Gesichter. Viele zeigten eine durch Aufblhungen gedehnte Haut; die menschliche Stimme wurde spitz, den kurzen Schreien sterbender Vgel vergleichbar. Die gleiche Litanei der Sterblichkeit findet sich bei allen Chronisten der Zeit. Von 10661072 regierte nach Adam von Bremen der Hunger in Bremen, und man fand viele Arme tot auf den Pltzen der Stadt. 1083 war in Sachsen der Sommer sengend; viele Kinder und Greise starben an der Ruhr. 1094 herrschte nach dem Chronisten Kosmas vor allem in den germanischen Lndern eine
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groe Sterblichkeit; die Bischfe, die von einer Synode in Mainz ber Amberg heimreisten, konnten nicht in die groe Pfarrkirche gelangen, um dort die Messe zu zelebrieren, denn der Fuboden war berall mit Leichen bedeckt. Das Mutterkorn des Roggens (wie wahrscheinlich auch anderer Getreidesorten), das im 10. Jahrhundert im Westen auftaucht, setzt diese Verheerungen fort. Es entfesselt groe Epidemien des Mutterkornbrands, auch heiliges Feuer oder Antoniusfeuer genannt, die 1042, 1076, 1089 und 1094 wten. 1089 schreibt der Chronist Sigbert von Gembloux: Viele verfaulten zu Fetzen, wie von einem heiligen Feuer verzehrt, das ihnen die Eingeweide auffra; ihre Glieder, nach und nach zernagt, wurden schwarz wie Kohle. Sie starben schnell unter grauenhaften Qualen, oder sie setzten ohne Fe und Hnde ein noch schrecklicheres Leben fort. Viele andere wanden sich in nervsen Krmpfen. Zu diesen physischen Schocks kamen noch seelische Erschtterungen und geistige Verwirrungen. berall mehrten sich die Anzeichen des Unheils. 1033 trat nach Raoul Glaber am dritten Tag vor den Kalenden des Juli, einem Freitag und 28. Mondtag, eine Finsternis oder Verdunklung der Sonne ein, die von der sechsten zur achten Stunde dieses Tages dauerte und wirklich schrecklich war. Die Sonne frbte sich saphirgrn und trug auf ihrem oberen Teil die Sichel des Mondviertels. Die Menschen, die sich betrachteten, sahen sich gegenseitig bleich wie Tote. Alles schien in einen safrangelben Dampf gehllt zu sein. Da bemchtigte sich der Menschenherzen Schrecken und gewaltiges Entsetzen. Dieses Schauspiel verkndete, so begriffen sie, da das menschliche Geschlecht vor schlimmen Heimsuchungen stehe ... Der Winter 1076/77 war nach einem Chronisten in Gallien, Germanien und Italien so streng, da in vielen Gegenden die Bevlkerung in der gleichen Furcht zitterte, als ob die schreckliche Zeit wiederkehre, da Joseph von seinen Brdern verkauft wurde, die dann Entbehrung und Hungersnot nach gypten fliehen lie. Im 11. Jahrhundert, dem Zeitalter groer, gemeinsamer ngste, nistete sich der Teufel im tglichen Leben der westlichen Christenheit ein. Zu den Schicksalsschlgen aller Art, sagt Raoul Glaber, und den verschiedenen Katastrophen, die fast alle Sterblichen dieser Zeit betubten, niederschlugen und verrohten, kamen noch die beltaten des bsen Geistes. Raoul Glaber selbst ist der Teufel erschienen als ein kleiner, schrecklich anzuschauender Mann ... mit dnnem Hals, abgezehrtem Gesicht, sehr schwarzen Augen, die Stirne runzlig und zusammengezogen, die Nstern verkniffen, der Mund weit ausladend mit dicken Lippen, das Kinn fliehend und sehr gerade. Er hatte einen Bocksbart, behaarte und spitze Ohren, die Haare struppig aufgerichtet, Hundezhne, einen spitzen Schdel, die Brust angeschwollen, einen Buckel und bebende Hinterbacken. Die allgemeine Furcht im 11. Jahrhundert wird von den apokalyptischen Szenen gespeist, welche die entstehende romanische Kunst verbreitet.
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In dieser Verrohung, um den Ausdruck Raoul Glabers zu gebrauchen, finden die Menschen nur im bernatrlichen Zuflucht und Hoffnung. Die Sehnsucht nach Wundern steigert sich, der Reliquienkult wchst an, und die romanische Architektur kommt der Andacht der Glubigen und einer Frmmigkeit, die unbedingt sehen und berhren will, mit zahlreichen Altren, Kapellen und Chorumgngen entgegen. Die geistige Blte der karolingischen Epoche ehrgeizig trotz ihrer Grenzen , deren letzter groer Zeuge Gerbert von Reims war, macht einer fr den unmittelbaren Gebrauch gegen die Gefahren bestimmten Literatur Platz: liturgische Werke und Andachtsbcher, Chroniken voller Aberglauben. Angesichts so vieler deutlicher Gefahren und eindeutiger Zeichen wre es doch Wahnsinn, weltliche Wissenschaften zu betreiben. Die Verachtung der Welt, contemptus mundi, macht sich bei Gerhard von Czanad (gest. 1046), Otloh von Sankt Emmeram (10101070) und vor allem Petrus Damiani (10071072) breit: Plato erforscht Geheimnisse der rtselhaften Natur, weist dem Kreislauf der Planeten Grenzen an und berechnet den Lauf der Sterne: Ich weise ihn mit Verachtung zurck. Pythagoras teilt den Erdkreis in Breiten auf: Ich achte es gering ... Euklid beschftigt sich mit den vertracktesten Problemen seiner geometrischen Figuren: Ich entlasse auch ihn. Was die Rhetoriker angeht mit ihren Vernunftschlssen und ihrem sophistischen Schwanken, so scheiden sie als unwrdig aus. Die Klostergelehrsamkeit zieht sich auf mystische Probleme zurck. Die stdtische Wissenschaft stammelt. Trotz Fulbert (gest. 1028) glnzt die Bischofsschule von Chartres noch nicht. Sogar in Norditalien, wo sich in Pavia und Mailand zweifellos die lebendigsten Schulen befinden (Adhmar von Chabannes erklrt berheblich: in Langobardia est fons sapientiae die Quelle der Wissenschaft befindet sich in der Lombardei), ist die geistige Aktivitt recht bla. Von ihrem Hauptvertreter in der Mitte des 11. Jahrhunderts, Anselm dem Peripatetiker, Verfasser einer Rhetorimachia, konnte man sagen, da er vollauf den Vorwurf der Albernheit rechtfertigte, der gegen ihn und seine Kollegen erhoben wurde. Die westliche Christenheit zeigt in der Mitte des 11. Jahrhunderts auf allen Gebieten Schwchen im Aufbau und betrchtliche grundlegende Hindernisse: Rckstndigkeit der Technik und Wirtschaft; die Gesellschaft wird von einer Minderheit von Ausbeutern und Verschwendern beherrscht; Hinflligkeit des Leibes; Unbestndigkeit eines rauhen Empfindungsvermgens; Primitivitt des geistigen Rstzeugs; Herrschaft einer Lehre, die Weltund Wissenschaftsverachtung predigt. Gewi, diese Grundzge bleiben fr die ganze Periode, mit der wir uns beschftigen, bestehen; sie ist aber dennoch eine Zeit des Erwachens, des Aufbaus und des Fortschritts. Die Trmpfe des Westens
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Fr diese Entwicklung lassen sich gegen 10501060 die ersten Anzeichen entdecken und die Triebkrfte erkennen. Die mittelalterliche Christenheit verfgt neben Schwchen und Hemmnissen auch ber Anregungen und Trmpfe. Wir werden sie im ersten Teil dieses Buches untersuchen und wirken sehen. Es mu aber schon jetzt auf sie hingewiesen werden. Die aufflligste Erscheinung ist die Bevlkerungszunahme. Aus vielen Anzeichen erkennt man, da die Bevlkerung in der Mitte dieses 11. Jahrhunderts unaufhrlich anwchst. Die bestndige Wachstumskurve erweist, da die Volksvitalitt fhig ist, die Verheerungen jener Massensterben durch physische Anflligkeit, Hungersnte und Epidemien zu berwinden. Die wichtigste und gnstigste Tatsache aber ist, da der wirtschaftliche Aufschwung diesen Bevlkerungszuwachs noch bertrifft. Die Produktion bersteigt den Verbrauch. Grundlage dieses westlichen Aufschwungs ist ein Zusammentreffen verschiedener landwirtschaftlicher Verbesserungen, dem man, nicht ohne bertreibung, den Namen einer Agrarrevolution gegeben hat. Die Verbesserung der Gerte (Rderpflug, Eisenwerkzeug), der Anbaumethoden (Dreifelderwirtschaft), sowie die gleichzeitige Zunahme der Anbauflchen (Rodungen) und die Vermehrung der tierischen Arbeitskraft (die Ochsen werden durch Pferde ersetzt; ein neues Spannsystem wird gefunden) fhren zu reicheren Ernten und einer quantitativ wie qualitativ verbesserten Ernhrung. Ein handwerklicher und, wie man auf manchen Gebieten sogar sagen kann, industrieller Aufschwung begleitet diesen landwirtschaftlichen Fortschritt. Seit dem 11. Jahrhundert ist er auf einem Gebiet besonders auffallend: dem der Architektur. Der Bau des weien Mantels von Kirchen, von dem Raoul Glaber spricht, bringt verbesserte Verfahren des Steinbruchs und der Befrderung mit sich, die Vervollkommnung der Werkzeuge, die Mobilisierung einer groen Zahl von Arbeitskrften, das Trachten nach wirksamen Finanzierungsmglichkeiten, die Stimulierung des Unternehmungs-, Vervollkommnungsund Erfindungsgeistes und schlielich, auf einigen groen Baustellen (Kirchen und Schlsser), die Ballung auergewhnlicher technischer, wirtschaftlicher, menschlicher und geistiger Krfte. Dennoch sind die wesentlichsten Anziehungspunkte und die wichtigsten Antriebskrfte des Aufstiegs vielleicht anderswo zu suchen. Der Bevlkerungsund Wirtschaftsaufschwung erlaubt die Grndung und das Wachstum von Verbrauchszentren: von Stdten. Gewi ist es der landwirtschaftliche Fortschritt, der den stdtischen Aufschwung zult und speist. Aber dieser schafft Baustellen, an denen sich entscheidende technische, soziale, knstlerische und geistige Erfahrungen ausbilden. Die Arbeitsteilung, die sich dort verwirklicht, frdert die Aufspaltung der sozialen Gruppen und gibt so dem stndischen Wettstreit neuen Impuls, der die westliche Christenheit zum Fortschritt zwingt. Der landwirtschaftliche berschu und die Entwicklung von Verbrauchszentren vergrern den Anteil des Geldes an der Wirtschaft. Dieser Fortschritt der
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Geldwirtschaft erschttert seinerseits die Wirtschafts- und Sozialstrukturen. Er wird der Antrieb fr die Entwicklung der feudalen Rentenwirtschaft sein. Nach einer langen Phase des Aufschwungs und der Angleichung der Feudalwelt an diese neuen Bedingungen wird am Ende des 13. und im 14. Jahrhundert eine Krise ausbrechen, aus der die moderne, vorkapitalistische Welt hervorgeht. Die Geschichte der Umwandlung der mittelalterlichen christlichen Gesellschaft vom Erwachen bis zur Krise ist Gegenstand dieses Buches. Um 1060 kndigt sich das neue Gesicht des Westens wenigstens in zwei Gegenden der Christenheit an. Einmal im Nordwesten, in Nieder-Lothringen und Flandern, wo wir nur zwei der augenflligsten Anzeichen bercksichtigen knnen: die Anfangserfolge der sozialen und politischen Stadtbewegungen mit dem Stadtrecht von Huy (1066) und die ersten Meisterwerke der Maaskunst. Man mu dabei hervorheben, da diese Blte ebensogut die alten Klosterzentren wie die im Anwachsen begriffenen Stdte berhrte. Neben der Bischofsschule von Lttich, deren groer Mann Bischof Wazo (gest. 1048) ist, sind die Werksttten von Huy und Dinant und die oft stdtischen Abteien Lobbes, Waulsort, Stavelot, Saint- Hubert, Gembloux, Saint-Trond, Saint-Jacques und Saint-Laurent in Lttich und, am Rande, Saint-Vanne in Verdun und Gorze auf dem Hhepunkt ihrer Ausstrahlung. Man mu aber sogleich betonen, da es unfruchtbar und falsch wre, die verschiedenen Seiten der Kultur zu scharf gegeneinander auszuspielen, wenn auch die einen eher der Tradition und Vergangenheit, die andern, soweit sie nicht berhaupt neu sind, der Zukunft angehren; denn sie werden im gleichen Aufschwung emporgetragen und stellen die beiden Seiten des Antlitzes dieser januskpfigen Christenheit des Mittelalters dar. Im Sden der Christenheit kristallisiert sich ein anderer Mittelpunkt in Norditalien heraus, wo die Wirren von Mailand zwischen 1045 und 1059 (Brgerrevolte und Aufstand der Pataria) durch die Infragestellung des politischen Aufbaus und der religisen Gebruche hindurch das Reifen einer neuen Wirtschaft, Gesellschaft und Gesinnung erkennen lassen. Dieser Eindruck wird durch die ersten Erfolge der italienischen Kstenstdte Venedig, Genua, Pisa, Amalfi vervollstndigt, wobei der Anteil des Seehandels an der Verwandlung des Okzidents hervorgehoben wird. Die Gleichzeitigkeit der beiden Erscheinungen im Norden und Sden zeigt, da, obwohl die nrdlichen Ebenen zum Hauptschauplatz der Bevlkerungszunahme und des landwirtschaftlichen Fortschritts werden und damit eine besondere Rolle in der Christenheit spielen und die Verlagerung der Antriebszentren des Okzidents nach Norden markieren, dennoch die Mittelmeerwelt weit davon entfernt ist, ihre Bedeutung zu verlieren. In der gesamten Christenheit endlich, von Asturien bis Skandinavien, von Gro-Polen bis Ungarn, gibt der Aufschwung des Westens bereits ein Zeichen seiner schpferischen Kraft: die romanische Kunst. 2. Wirtschaftliche Aspekte und Strukturen
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Das Aufblhen des Westens in der zweiten Hlfte des 11. und im 12. Jahrhundert erfolgt auf allen Gebieten, und es ist manchmal schwierig, unter den Formen, die es annimmt, Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Wir wollen versuchen, die Strukturen zu erkennen.
Der Bevlkerungszuwachs: Mehr Arme, Mnder und Seelen Die auffallendste Erscheinung ist der Bevlkerungszuwachs. Da unmittelbare schriftliche Quellen und Statistiken fehlen, mu man ihn durch indirekte Anzeichen erfassen und mit Hilfe grozgiger Annherungswerte erschlieen. Das wichtigste dieser Anzeichen ist die Vergrerung der Anbauflchen. Die eineinhalb Jahrhunderte zwischen 1060 und 1200 sind das Zeitalter der groen mittelalterlichen Rodungen. Hierfr sind die Urkunden zahlreich. Da gibt es die Ansiedlervertrge, welche die Siedlungs- und Anbaubedingungen festlegen, die den Rodungsbauern vom Grundherrn gewhrt werden; diese Pioniere werden im allgemeinen in den lateinischen Urkunden hospites oder coloni, Gste oder Kolonisten, genannt. Dazu kommt die Ortsnamenlehre fr die Siedlungen dieses Zeitabschnitts: essarts, artigues, plans, mesnils im Franzsischen, rode, -rade, -ingerode im Deutschen, -roth, -reuth und -rieth im Sddeutschen, wobei fr die Endungen -holz, -wald, -forst, -hausen, hain, -hagen, -bruch, -brand, -scheid, -schlag die Chronologie nicht gesichert ist, ebenso wie fr die englische Endung -ham oder die dnische rup. Da haben wir das Zeugnis des Katasters, der fr Rodungsgebiete die Dorf- und Flurplne in Schachbrett- oder Fischgrtenform als herring bones (Haufen- oder Waldhufendrfer im Deutschen) ausweist. Es gibt die neuen, vom Klerus den frisch gewonnenen Anbauflchen auferlegten Neubruchzehnten (die novalia, auf die gagnages oder Gewannfluren erhoben). 1060 besttigt zum Beispiel der franzsische Knig Philipp I. die Schenkung eines Waldes in der Normandie an die Mnche von Marmoutier durch einen Laien, die ihnen, auer dem Zehnten fr Honig und Pflckertrge, auch den Neubruchzehnten auf alle durch Rodungen gewonnenen Ernten im Wald gewhrt. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts erklrt der Vogt des Doms von Mantua, da in weniger als einem Jahrhundert die Lndereien eines groen Kirchenguts runcatae et aratae et de nemoribus et paludibus tractae et ad usum panis reductae gerodet, bearbeitet und aus Wald und Sumpf in guten Kornboden verwandelt worden sind. Dieser Gewinn an Anbauflchen erfolgt auf sehr verschiedenem Gelnde. Man denkt vor allem an den Wald. Wenn auch der Rckgang des Waldes sicher ist, mu man doch an die Privilegien und Interessen von Einzelpersonen und Gemeinschaften erinnern, durch die er geschtzt wird. Als Jagdrevier, Pflckplatz und Weide fr die Herden ist der Wald oft ebenso wertvoll wie das Ackerland, und die Hindernisse, die er den unzureichenden Werkzeugen
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entgegensetzt, verstrken noch seine Widerstandskraft. Vor allem die Auenrnder des alten Kulturbodens, deren Grasnarbe schon einmal provisorisch abgebrannt wurde und deren Jungholz und Buschwerk weniger Widerstand bietet (das englische outfield, die provenalische terre gaste), stellen das gnstigste Gelnde fr die Rodung dar; sie schlgt bei ihrem Vordringen eher schmale Lichtungen in den Rand des Waldes, als da sie ihn auf breiter Front zurckdrngt. Daraus ergeben sich die fr die mittelalterliche Landschaft typischen Mischrnder, die Wolfram von Eschenbach in seinem Parzival so gut beschreibt: Nun lichtete sich der Wald; zwischen die Waldstrecken schoben sich zuweilen Felder, einige noch so schmal, da kaum ein Zelt darauf htte stehen knnen. Er ersphte bebautes Land ... Dem Anbau oder der Viehzucht werden auch die weniger fruchtbaren Gebiete, die kalten Bden oder bad lands gewonnen. Es handelt sich um Moore und Kstenstreifen. Deiche und Entwsserungskanle machen Polder aus dem Marschland an der Nordsee. In Flandern, Holland, Friesland und dem alten EastAnglia werden im 11. und 12. Jahrhundert Deichdrfer errichtet dyke villages, auf friesisch Terpen genannt. Eine berhmte Urkunde Erzbischof Friedrichs von Hamburg gibt im Jahre 1106 Hollndern in der Nhe von Bremen Land zum Trockenlegen. Ein Schriftstck des 13. Jahrhunderts der Abtei von Bourbourg in Seeflandern erinnert an die Schenkung des Grafen von Flandern, Robert II., der ihr zwischen 1093 und 1111 das schone (der niederlndische Ausdruck fr eben dem Meer abgewonnenes Land) und alles weitere Land, das sie dem Meer noch abgewinnt, berlt (quicquid ibi accreverit per jactum maris). Ebenso eindrucksvoll sind die Arbeiten, die zur gleichen Zeit die Poebene und die Tler der Nebenflsse entwssern und trockenlegen, wie auch die Rodungen am Nordhang des Apennins: zwischen 1077 und 1091 teilt Graf Bonifazio von Canossa seinen Besitz in 233 mansi (Hufe) auf, die er an ebensoviele Bauernfamilien vergibt, mit der Auflage, sie zu roden und zu bebauen. Mit Hilfe dieser Anzeichen, von denen die Ausbreitung der Anbauflchen das Auffallendste ist, hat man eine ganze Reihe von Berechnungen und Rckschlssen angestellt und so das Anwachsen der europischen Bevlkerung wie folgt veranschlagt: 46 Millionen um 1050, 48 Millionen um 1100, 50 um 1150, 61 um 1200 (und die Zahl wchst bis auf 73 Millionen um 1300 an). Die Folgen dieses Wachstums sind klar: die Christenheit hat ungefhr ein Drittel mehr Mnder zu ernhren, Krper zu kleiden, Familien unterzubringen und Seelen zu retten. Sie mu deshalb die landwirtschaftliche Produktion vergrern, die Herstellung der wichtigsten Waren, besonders der Kleidung, vermehren und den Hausbau vorantreiben, vor allem aber die Sttten vervielfachen, wo sich das Heil der Seelen im wesentlichen vollzieht: die Kirchen. Diese grundlegenden Bedrfnisse stellen der Christenheit des 11. und 12. Jahrhunderts die dringendsten Aufgaben, die sie zuerst befriedigen mu: den
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landwirtschaftlichen Aufschwung, den Fortschritt der Textilherstellung, die Entwicklung des Bauwesens. Revolution in der Landwirtschaft Der landwirtschaftliche Aufschwung, der wahrscheinlich, wenigstens in einigen Gegenden Europas, vor allem im Nordwesten, auf die karolingische Epoche zurckgeht, ist wohl ebensogut Ursache wie Auswirkung des Bevlkerungszuwachses. Dieser Agrarfortschritt zeigt sich nicht nur in der Ausbreitung. Zur Vermehrung der Anbauflchen kommen die quantitative und qualitative Verbesserung der Ertrge, die Vielfalt der Bebauung und Produkte, die Bereicherung der Nahrung. Was man Agrarrevolution dieser Zeit genannt hat, zeigt sich ebenso in technischen Neuerungen wie in der Ausweitung der Anbauflchen. Die erste dieser technischen Verbesserungen ist die Verbreitung des Rderpflugs mit Streichbrett. Er grbt die Erde tiefer um, lockert sie besser auf, bearbeitet schwere oder harte Bden, die der Hakenpflug nicht durchbrechen oder nur streifen konnte, er sichert der Saat besseren Stoffwechsel und Schutz und hat deshalb einen hheren Ertrag zur Folge. Auch kann er durch die gesteigerte tierische Zugkraft wirksamer eingesetzt werden. Bisher hatte man die Tiere an der Brust angeschirrt, so da sie eingezwngt waren, keuchten und an Kraft verloren; nunmehr verbreitet sich das moderne Spannsystem das Kummet fr Pferde, das Stirnjoch fr Ochsen , das eine grere Leistungsfhigkeit ermglicht.
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Die Tiere ziehen vier- bis fnfmal so viel wie bisher, gleichzeitig wird ihr Schritt durch Hufeisen sicherer. So kann das Pferd, das mit dem alten Spannsystem zur Feldarbeit ungeeignet war, den Ochsen, der es besser ertrug, zwar nicht verdrngen, aber auf einer wachsenden Anzahl von Fluren ersetzen. Schneller als der Ochse, erbringt das Pferd eine hhere Leistung. Moderne Versuche haben erwiesen, da ein Pferd die gleiche Arbeit wie ein Ochse in einem Tempo leistet, das seine Rentabilitt um 50 Prozent erhht. Ferner kann das ausdauerndere Pferd tglich ein oder zwei Stunden lnger arbeiten. Diese Beschleunigung der Arbeit ist nicht nur ein quantitativer Fortschritt; sie ermglicht auch das bessere Ausnutzen der zum Pflgen und Pflanzen gnstigen Witterungsbedingungen. Und schlielich ist es dem Bauern durch das Pferd mglich, weiter entfernt von seinen Feldern zu wohnen, wodurch in einigen Gebieten groe Drfer anstelle kleiner Siedlungen und verstreuter Weiler treten und ein Teil der Bauern Zugang zu einer halbstdtischen Lebensweise mit den dazugehrigen sozialen Vorteilen erhlt. Gleichzeitig erlaubt die durch das Hintereinanderspannen vermehrte Kraft der Zugtiere den Transport grerer Lasten. Seit der ersten Hlfte des 12. Jahrhunderts tritt die groe, vierrdrige Karrete (longa caretta) neben die bliche Karre mit zwei Rdern. Das neue Schirrsystem und die Verwendung des Pferdes spielen beim Bau der groen Kirchen, wo der Transport schwerer Steinblcke
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und groer Holzbohlen anfllt, eine entscheidende Rolle. Steinerne Bildwerke verherrlichen an den Turmspitzen der Kathedrale von Laon die Arbeit der Lastochsen, die dank der verbesserten Anspannung den Bau der Kathedralen gesichert haben. Als entscheidender Fortschritt kommt seit dem 11. Jahrhundert der zunehmende Gebrauch von Eisen bei der Herstellung des Werkzeugs hinzu. Natrlich wird das Eisen meist nur fr Gerteteile verwendet; die Stiele bleiben beispielsweise aus Holz. Da aber, beginnend mit der Pflugschar, der schneidende oder quetschende Teil des Gerts hufiger benutzt werden kann, ist wesentlich fr die Leistungssteigerung der mittelalterlichen Instrumente. Fgt man den Gebrauch von Werkzeugen wie der Egge hinzu, die erstmalig auf der Stickerei von Bayeux am Ende des 11. Jahrhunderts erscheint und vor die man zunchst die Pferde vorzugsweise spannt, so wird deutlich, da die nun grndlicher bearbeitete Erde auch fruchtbarer ist. Im Jahr 1100 lt sich auf dem Markt von Bourges ein Eisenhndler ausmachen: ferrarius qui vendit ferrum in foro. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts scheint die Verwendung von Eisen bei der Gertefabrikation allgemein zu sein. Verschiedene Abteien werden durch eine Reihe von Erlassen der Grafen der Champagne zum Erzabbau und zum Besitz einer Schmiede ermchtigt (La Crte 1156, Clairvaux 1157, Boulancourt und Igny 1158, Auberive 1160, abermals Clairvaux und Conguy 1168). Ein allerdings nicht der Landwirtschaft entnommenes Beispiel bezeugt die zunehmende Verwendung des Eisens in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Ab 1039 ergibt sich aus einer Reihe seltsamer venezianischer Leihvertrge, da die Schiffsherrn bei der Ausfahrt zu sehr hohem Preis Eisenanker entliehen, die sie nach der Heimkehr wieder zurckgaben. Der letzte Leihvertrag datiert von 1161. Zu diesem Zeitpunkt drfte jedes Schiff seinen eigenen Anker besessen haben. Verschiedene Zeugnisse aus dem 13. Jahrhundert erweisen, da die von uns behandelten technischen Fortschritte sich nun weit ausgebreitet haben. Der Gebrauch des Rderpflugs ist jetzt so allgemein, da sich Jean Joinville beim Kreuzzug darber verwundert, da die gyptischen Bauern noch rderlose Pflge benutzen. Die groen vierrdrigen Karreten sind so gelufig, da mit dem Sprichwort Das fnfte Rad am Wagen sein eine berflssige Person bezeichnet wird. 1086 fehlen im Domesday Book noch die Ackerpferde, und Hinweise auf die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens sind uerst selten. Am Ende des 12. Jahrhunderts aber treten, zumindest in Mittel- und Ostengland, Pferde berall neben die Ochsen, und mehrere englische Abteien genieen die gleichen Privilegien fr die Eisenverarbeitung wie die genannten Klster der Champagne und Burgunds. Ein weiterer Fortschritt hat in dieser Zeit einschneidende Folgen fr die Landwirtschaft; es ist die Einfhrung der Dreifelderwirtschaft. Da nicht gengend Dnger zur raschen Wiederauffrischung der cker vorhanden war, lie man bisher die Anbauflchen eine Zeitlang ausruhen. Sogar ein Streifen des urbar gemachten Gelndes blieb immer als Brachland unbebaut. Der sich daraus
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ergebende Anbaurhythmus hatte normalerweise das Ausruhen der Hlfte des Bodens whrend eines Jahres zur Folge; danach erfolgte das Einsen dieser brachgelegenen Hlfte fr ein Jahr. Die Zweifelderwirtschaft bedingte demnach einen Produktionsverlust von rund 50 Prozent. Bei der Ablsung dieses Systems durch die Dreifelderwirtschaft ergeben sich deutliche Vorzge. Zunchst einmal steigt die Erzeugung von der Hlfte auf zwei Drittel, weil die Anbauflche in drei ungefhr gleiche Teile zerlegt wird, von denen nur einer das Jahr ber brachliegt; der Erntezuwachs betrgt also ein Sechstel im Verhltnis zur gesamten Anbauflche, und ein Drittel im Verhltnis zum Ertrag der Zweifelderwirtschaft. Aber der Fortschritt ist auch qualitativer Natur. Die beiden Feldstcke werden verschieden bewirtschaftet. Die einen erhalten Herbstsaat und erbringen Wintergetreide (Weizen, Roggen); die anderen werden im Frhjahr mit Hafer, Gerste und Gemsen (Erbsen, Bohnen, Linsen, bald auch Kohl) bestellt, whrend das dritte Stck brachliegt. Im folgenden Jahr erhlt das erste Feld den Sommeranbau, das zweite ruht aus, und auf dem dritten baut man Wintergetreide an. So wird eine Abwechslung in der Lebensmittelerzeugung mglich, deren Vorzge dreifach sind. Man kann durch die Verbreitung des Hafers Mensch und Vieh zugleich ernhren, kann eine schlechte Frhjahrsernte durch eine bessere Sommerernte ausgleichen (oder umgekehrt, je nach den Wettervoraussetzungen) und so gegen Hungersnte ankmpfen, kann endlich die Speisenfolge abwechslungsreicher gestalten und der Nahrung krftigende Stoffe zufgen, namentlich Proteine, an denen die im Frhjahr gesten Gemse reich sind. Die Kombination Getreide Gemse wird so selbstverstndlich, da der Chronist Ordericus Vitalis von der Trockenheit, die 1094 die Normandie und Frankreich heimsucht, sagt, sie zerstre segetes et legumina, Kornernten und Gemse. Der Volksmund nimmt diese neuen Anbaumethoden, die zu einem der Symbole des Landlebens werden, in seinen Wortschatz auf. In einem alten englischen Lied heit es: Do you, do I, does anyone know, How oats, peas, beans and barley grow? und ein altes franzsisches Chanson fragt: Savez-vous planter les choux? Damals kommt wohl auch in einigen Gegenden der Brauch auf, zu Epiphanie in den Dreiknigsfladen eine Bohne (faba), Symbol der Fruchtbarkeit, einzubacken. Die hheren Ertrge, die durch die Verbreitung der Dreifelderwirtschaft erzielt werden, erlauben auch, den Anteil der Kornfelder zugunsten gewisser Spezialitten wie Frbereipflanzen (Krapp und Frberwaid) und vor allem Wein zu verkleinern. Im Falle des oben erwhnten Grafen Bonifazio von Canossa
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begnstigen die Ansiedlervertrge der mansionarii vor allem den Weinbau. In Frankreich bilden sich vom 11. Jahrhundert an complant-Vertrge heraus, durch die die Ansiedler vom Besitzer das Recht erhalten, den unbestellten oder, viel seltener, sogar den pflgbaren Boden unter folgenden Bedingungen mit Wein zu bepflanzen: Ein Bauer ging zum Besitzer eines verwilderten, seltener eines bestellbaren oder mit beralterten Reben bebauten Stck Landes und bat ihn um seine berlassung, wobei er sich verpflichtete, dort Rebstcke zu setzen. Der Besitzer, dem diese Bitte entgegenkam, machte ihn fr fnf Jahre zum unumschrnkten Herrn des Landes. Diese Zeit wurde zur Ausfhrung der verschiedenen langwierigen, kostspieligen und schwierigen Arbeitsgnge (tiefes Umgraben, Pflgen, Dngen, Pflanzen, Pfropfen, verschiedene Bearbeitungen), ohne die ein Weinberg nicht angelegt und voll ausgenutzt werden kann, fr ntig erachtet. Nach Ablauf dieser Frist wurde der Weinberg in zwei gleiche Stcke geteilt, von denen eines in den vollen Besitz des Grundherrn zurckkehrte, whrend das andere dem Konzessionr unter verschiedenen juristischen Bedingungen verblieb, die je nach Fall, Zeit und Land vom vollen Besitz des Bodens bis zur bloen lebenslnglichen Nutznieung gingen; von seltenen Ausnahmen abgesehen, war dieser Besitz mit jhrlichen Abgaben verbunden, die manchmal in Geld, fter in einem Anteil der Ernte bestanden. In verschiedenen franzsischen Orts- und Wachstumsnamen finden sich Bezeichnungen wie Les Plant es, Le Plantay oder Le Plantey, Le Plantier, Les Plantiers, die noch an solche durch complant-Vertrge entstandene Weinfelder erinnern; in Le Quart ist die Erinnerung an die Hhe des Zinses bewahrt. Das Wachstum Quart de Chaumes (Anjou, Layon-Tal) hat sowohl den Zins als auch das mittelalterliche Brachland, auf dem der Weinberg angelegt wurde, in seinem Namen erhalten. Man darf dabei nicht vergessen, da die Verbreitung und zeitliche Abfolge dieser landwirtschaftlichen Verbesserungen, die mit dem Bevlkerungszuwachs verbunden sind, von Ort zu Ort variieren. Die geographischen, demographischen und sozialen Bedingungen sowie die landwirtschaftlichen Gewohnheiten erklren diese Verschiedenheit. So dringt die Dreifelderwirtschaft nur in gute und vor allem von geistlichen Grundherrn besonders gepflegte Bden ein und fat in sdlichen Zonen praktisch berhaupt nicht Fu, weil dort die pedologischen und klimatischen Bedingungen die Zweifelderwirtschaft begnstigen oder sogar verlangen. In Nord- und Mitteleuropa, dem bevorzugten Gebiet des Anbaus auf abgebrannten Grasflchen sowie der gemischten Feldwaldwirtschaft anstelle der Feldgraswirtschaft, mindert die stndig drohende natrliche Aufforstung des Brachlandes zugleich die Fortschritte der Zwei- und Dreifelderwirtschaft. In diesen Gebieten, besonders in Skandinavien, hat sich das System der Einfeld- oder Dauerwirtschaft erhalten. In Zentral- und Osteuropa, wo der Bevlkerungszuwachs mit einer gewissen Verzgerung einsetzt, verbreitet sich die Dreifelderwirtschaft erst im 12. und vor allem im 13. Jahrhundert (Polen, Bhmen, Ungarn). Wo immer man glaubt, sie ins frhe
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Hochmittelalter oder sogar in die rmische bezw. vorslawische Zeit datieren zu knnen, drfte wohl eine schlechte Interpretation der Zeugnisse (geschriebener wie archologischer) vorliegen, oder man hat einen Einzelfall mit der Verbreitung der Methode, die allein den Historiker interessiert, verwechselt. brigens scheint die Dreifelderwirtschaft, die fr die Ernhrung des Viehs gnstiger ist, in Ungarn, wo die Viehzucht schon frh eine groe Bedeutung gewinnt, meist direkt die Dauerwirtschaft zu ersetzen, so da die Zweifelderwirtschaft nur begrenzt in Gebrauch ist. Umgekehrt hat in Bhmen, wo im Mittelalter der Getreideanbau immer die Viehzucht bertraf, die Dreifelderwirtschaft (die zum erstenmal mit Sicherheit in einer Urkunde aus der Zeit zwischen 1125 und 1140 erscheint) nur einen begrenzten Platz neben der Zweifelderwirtschaft oder gar dem Wechsel von vier oder fnf Bden (typolnSystem, System ptipol). Auch die unterschiedliche Nutzung der Getreidesorten ist gro. In den Kstengebieten Norddeutschlands, in Skandinavien und England bleibt die Gerste whrend des ganzen Mittelalters das wichtigste Brotgetreide; sie nimmt den grten Platz im infield ein, dem der Dnger der Viehherden zugute kommt, whrend Roggen und Hafer ohne Mist im outfield angebaut werden. In Polen beobachtet man zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert, zugleich mit dem Wechsel vom Anbau auf abgebranntem Wald zum Ackerbau mit Pflug und Tierkraft, den bergang vom Hirsebau zum Anbau von Brotgetreiden, unter denen der Roggen zunchst als Unkraut im Weizen erscheint, bald aber den Hauptplatz einnimmt, whrend Hafer als Pferdefutter die Gerste verdrngt. Es bleibt noch zu erwhnen, da die Anreicherung der Nahrungsmittel, die sich aus diesen Agrarfortschritten ergibt, den Genu des Brotes, das mit dem Brei um den ersten Platz in der buerlichen Ernhrung gestritten hatte, verallgemeinert und die Kraft der europischen Bevlkerung, vor allem der Bauern und Arbeiter, erhht. Man konnte cum grano salis behaupten, da die Verbreitung der Dreifelderwirtschaft und der Fortschritt im Anbau des an Proteinen reichen Gemses die Ausbreitung der Christenheit, die Rodungen, den Bau der Stdte und Kathedralen und die Kreuzzge ermglicht haben. Jedenfalls ist der Eindruck einer widerstandskrftigeren Bevlkerung mit Beginn des 11. Jahrhunderts unleugbar. In dieser Agrarrevolution spielt noch ein Faktor eine groe Rolle: die Verbreitung der Wasser- und spter der Windmhle. Aber da die Ausnutzung der Wasserkraft nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch das stdtische Handwerk verndert, werden wir ihr weiter unten eine Gesamtdarstellung widmen. Neubelebung des Handels Anllich der Nennung eines Eisenhndlers haben wir bereits die Mrkte im Zusammenhang mit dem Fortschritt und den Erfordernissen der Landwirtschaft erwhnt. Auch Drfer und Gter empfinden die Notwendigkeit engerer
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Beziehungen mit den Mrkten, weil die grere Produktion berschsse erzeugt, die man verkaufen will. Mit dem Gelderls knnen Waren oder Gegenstnde erworben werden, die man nicht am Ort anfertigt. In der ersten Hlfte des 13. Jahrhunderts erhalten zum Beispiel die Bewohner des Dorfes Priss bei Mcon von Knig Ludwig VIII. (12231226) das Recht, einen regelmigen Markt abzuhalten. Als der Knig von Frankreich, Ludwig seligen Angedenkens, auf dem Wege nach Avignon durch Priss kam, gestand er dessen Bewohnern an jedem Montag einen Wochenmarkt zu. Das Korn, das am Markttag oder einem andern Tag gemessen wird, ist, wo immer man es verkauft, zinspflichtig ... So sind landwirtschaftlicher Aufschwung und Fortschritt des Handels eng verbunden. Whrend wir aber fr das Mittelalter die Erde als Grundlage und die Agrarrevolution als Basis der allgemeinen Entwicklung ansehen, stellt fr einige Historiker in der Nachfolge von Henri Pirenne das Aufblhen des Handels die Antriebskraft fr den Aufstieg der Christenheit dar. Die Wiederaufnahme des Handels, welches immer ihre Ursachen sein mgen, setzt noch vor der Mitte des 11. Jahrhunderts ein. Einige ihrer wichtigsten Voraussetzungen sind um 1060 bereits vorhanden, werden sich aber bis zum Ende des 12. Jahrhunderts verdeutlichen und weiterentwickeln. Zunchst haben wir es mit einem Handel von weitem Aktionsradius zu tun. Er verluft lngs der Achsen, welche die Extrempunkte der Christenheit miteinander verbinden; von York nach Rom durch das Rhonetal oder lngs des Rheins und ber die Alpenpsse; von Norditalien oder Flandern nach Santiago de Compostela; von Flandern nach Bergen, Gotland und Nowgorod; oder die Straen erreichen, den christlichen Westen durchquerend, die groen muselmanischen und byzantinischen Zentren: die Strae von Cordoba nach Kiew ber das Rhonetal, Verdun, Mainz, Regensburg, Prag, Krakau, Przemysl; die Donaustrae von Regensburg nach Konstantinopel; die Mittelmeerrouten von den Hfen Barcelona, Narbonne, Genua, Pisa, Amalfi, Venedig nach Konstantinopel, Tunis, Alexandrien und Tyrus. Diese Straen benutzen weiterhin, wie im frhen Mittelalter, die groen Flulufe; sie lassen aber auch als Folge des aufblhenden Land- und Seetransports die Erneuerung der berlandstraen und Seewege erkennen. (Die groen Karreten konkurrieren mit den Traglasten, die vor allem von Mulis befrdert werden; Kompa und Steuerrad am Achtersteven treten um 1200 auf, whrend der Laderaum mit dem Aufkommen der italienischen Galeeren und der Hansekoggen zunimmt.) Die Kreuzfahrer benutzen ab 1095 die vom Handel gezogenen Straen und bauen keine neuen. Die groen Handelszentren befinden sich noch immer an den beiden Endpunkten der Achse, welche die Nordsee mit Italien verbindet. Im Sden bauen neben Amalfi und Venedig, das im wesentlichen nach Byzanz ausgerichtet bleibt und daraus groe Vorteile zieht (1082 befreit eine Goldbulle des Alexios Komnenos die venezianischen Kaufleute im gesamten byzantinischen Reich von
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jeder Art Handelssteuer), Pisa und Genua ihre Ttigkeit stndig aus. 1087 verstndigen sich Pisa und Genua, die sonst hufig miteinander rivalisieren, um Mahdia zu plndern, wo sie reiche Beute machen. 1114 raubt Pisa Ibiza und Mallorca aus und lt sich auf Sardinien und Korsika nieder. In der ersten Hlfte des 12. Jahrhunderts wird es zur grten Macht im westlichen Mittelmeer und erffnet dank der Ertrge aus Plnderungen und Handel die frheste stdtische Grobaustelle der Christenheit; der Dom wird ab 1063 erbaut, das Baptisterium ab 1153, der Campanile ab 1174. Genua versucht, Pisa im Laufe des 12. Jahrhunderts noch zu bertreffen. Durch eine Reihe glcklicher Unternehmungen erhalten die Genuesen zwischen 1101 und 1110 Stapelpltze in Tortosa, Akkon, Gibelet, Tripolis, Sidon, Beirut und Mamistra. Bald fhrt Genua seine Beutezge im westlichen Mittelmeer allein, ohne Pisa, aus. (Bougie 1136, Almeria 1146, Tortosa 1148.) 1155 erlangt es endlich, nach Venedig und Pisa, eine Niederlassung in Konstantinopel. Im Norden sind nicht mehr Friesen und Normannen tonangebend; sie werden von den Flamen und Deutschen abgelst und bertroffen. Brgge blht rasch auf, als man im 11. Jahrhundert einen Kanal baut, der die Stadt mit der ZwijnMndung verbindet. Es sttzt sich auf das Maasland, wo die oben erwhnten groen Straen sternfrmig zusammenlaufen. Weiter im Osten entwickeln sich die deutschen Stdte. Kaufleute aus der ganzen Welt treffen sich in Bremen, schreibt um 1075, nicht ohne bertreibung, Adam von Bremen. Die beiden entscheidenden Ereignisse nach der Zerstrung Schleswigs im Jahr 1156 (das Haithabu abgelst hatte) sind die endgltige Grndung Lbecks in den Jahren 1158/59 und 1161 die Einrichtung der Gemeinschaft der Kaufleute des Rmischen Reiches, die Gotland besuchen (universi mercatores imperii Romani Gotlandiam frequentantes); diese Keimzelle der Hanse entsteht unter dem Schutz Heinrichs des Lwen. Rasch etabliert sich in Wisby eine Kaufmannskolonie, und die neue Gemeinschaft beherrscht bald den groen russischen Markt von Nowgorod; 1189 gewhrt Frst Jaroslaw von Kiew den Deutschen und Gotlndern in einem Handelsvertrag unerhrte Vorteile. Auch bezglich der Waren sttzt sich der Handel des 11. und 12. Jahrhunderts auf die ltere Tradition. Luxuswaren nehmen einen vorherrschenden Platz ein: Gewrze und Pelze. Vor allem nimmt der Handel mit teuren Stoffen Seidenimporte und Tuchexporte stndig zu. Seit dem 12. Jahrhundert fhrt nicht nur Flandern, sondern ganz Nordwesteuropa (England, Nord- und Nordostfrankreich von der Normandie bis zur Champagne, die Niederlande, das Maas- und Niederrheingebiet) schne Tuche oder gefrbte Tuche (panni pulchri, panni colorati) in die Mittelmeerlnder, nach Deutschland, Skandinavien, Ruland und die Donaulnder aus. Aber schon steigt der Anteil der Gebrauchsgter am Handel: vordringliche Produkte wie Salz oder Alaun (von Genua aus Phokaia eingefhrt und als Beize in der Tuchfrberei benutzt), Holz, Eisen, Waffen und sogar gelegentlich, whrend Hungersnten, Getreide (dieser Fall ist fr Flandern zu Beginn des 12. Jahrhunderts durch Gualbert von Brgge
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bezeugt). Endlich bereichert auch der Sklavenhandel in beiden Richtungen , wenn er auch nicht der lukrativste Austausch ist, jdische und christliche Hndler in Prag oder Venedig. Die Anziehungskraft des Handels ist derart, da er manchmal zur landwirtschaftlichen Spezialisierung bestimmter Gegenden fhrt, vor allem jener, die in ihrer Nhe Flu- oder Seewege haben. Dies ist der Fall fr Frberwaid in Katalonien und Aragonien, in Mitteldeutschland und vor allem in der Picardie; es gilt besonders fr den Wein. Ganze Exportweinberge entstehen im Mosel- und Rheintal und in Westfrankreich, von wo England und die Nordsee ber Bordeaux und La Rochelle beliefert werden. Ein Seehandelsrecht wird aufgestellt. Am Ende des 12. Jahrhunderts sind Urteile fr Weinschiffe in Olron, einer Etappe des Weinhandels, schriftlich niedergelegt worden. Diese Register von Olron werden in Damme, einem Vorhafen Brgges, frh ins Flmische bersetzt, von wo sie sich in England und im Ostseeraum unter dem Namen Wisbysches Seerecht verbreiten. Neben den groen Export- und Importhfen spielen einige groe zeitweilige Mrkte eine wachsende Rolle: die Messen. Die wichtigsten werden in der Kontaktzone zwischen dem mittelmeerischen und dem nrdlichen Handel abgehalten: in Flandern und der Champagne. Mehr noch als die flmischen erlangen vom Ende des 12. Jahrhunderts an die Messen der Champagne internationale Bedeutung. Mit Privilegien der Grafen von Champagne ausgestattet, die den Schutz der Hndler, Waren und Geschfte sichern, finden sie nacheinander ein- oder zweimal im Jahr an vier Stellen statt: in Bar-sur-Aube, Troyes, Lagny und Provins. In Wirklichkeit stellen sie einen immerwhrenden Markt dar, auf dem nicht nur die Produkte des Fernhandels verkauft und ausgetauscht werden Tuche und Gewrze vor allem; man erledigt dort auch eine ganze Reihe von Wechsel- und Kreditgeschften. Die letzte Seite des Handelsaufschwungs ist die Entwicklung der Geldwirtschaft sowie der Wechsel- und Kreditgeschfte. Aber hier zeigt sich eher der noch archaische und begrenzte Charakter des Fernhandels als ein wirklicher Fortschritt. Zwar nehmen Prgung und Umlauf des Geldes zu. Aber die Aufsplitterung der Prgungen, die verschiedenen Geldtypen und die Begrenzung ihres Verbreitungsgebietes zeigen, da man am Ende des 12. Jahrhunderts noch nicht von Weltwirtschaft sprechen kann. Die kleinen Geldstcke, die fast jede Stadt, jeder Grundherr prgt anmaenderweise oder mit kaiserlicher, bezw. kniglicher Bewilligung haben weder das gleiche Aussehen noch den gleichen Wert. Freilich besitzen gewisse Mnzen ein greres Verbreitungsgebiet und einen besseren Ruf als andere: zum Beispiel die von Tournai, Paris, Provins und Kln oder die Mnze, die Konrad III. (1138 1152) 1139 den Pisanern gewhrt und die in ganz Italien gltig ist. Aber die geldliche Aufsplitterung bleibt betrchtlich. So ist das wichtigste Geldgeschft das direkte Wechseln. Es wird in einigen Stdten und Messen auf Bnken vorgenommen und die darin spezialisierten Hndler nehmen den Namen Bankier an (ganz wie die trapezitai des griechischen
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Altertums). Ab 1180 verbreitet sich in Genua, das einer der ersten groen Bankpltze ist, die Bezeichnung bancherius. Die Kreditgeschfte bleiben begrenzt und einfach. Sie werden weniger durch kirchliche Verbote behindert (offiziell sieht die Kirche in fast allen Kreditgeschften eine Art verzinstes Darlehen und damit Wucher, aber es ist einfach, diese Verbote zu umgehen, und die kirchlichen Autoritten schlieen meist die Augen um so eher, da sie selbst als erste die Verbote bertreten) als durch den geringen Umfang der Geldgeschfte und die unvollstndigen Methoden des Kreditwesens. Das herkmmliche Verbrauchsdarlehen ist vor allen Dingen eine Angelegenheit der Juden und der Klster, die mit ihren Schtzen an Geld und Goldschmiedearbeiten am ehesten fhig sind, rasch groe Summen aufzubringen. 1096 verschaffen die Kirchen der Dizese Lttich dem Bischof Otbert das fr den Kauf der Schlsser von Bouillon und Couvin erforderliche Geld. Zahlreiche Texte zeigen uns, wie die Klster und Kirchen in Zeiten der Hungersnot ihre Schtze versetzen oder einschmelzen lassen, um Lebensmittel fr die Mnche, die familia des Klosters und die Armen, die es speist, zu kaufen. 1197 trifft ein deutscher Mnch einen andern, der in groer Eile dahingeht: Nachdem ich ihn gefragt hatte, wohin er eile, antwortete er mir: Wechseln. Vor der Ernte waren wir gezwungen, zur Speisung der Armen unser Vieh zu tten und unsere Kelche und Bcher zu versetzen. Und nun hat uns der Herr einen Mann geschickt, der uns eine Menge Gold gab, das beide Bedrfnisse deckt. So will ich es in Geld umwechseln, um unsere Pfnder zurckzukaufen und unsere Herden zu ergnzend (Bericht des Caesarius von Heisterbach.) Am hufigsten liehen die kirchlichen Niederlassungen das bentigte Geld gegen Verpfndung eines Stckes Land aus, von dem sie so lange die Einknfte bezogen, bis sie alles Geld zurckerhalten hatten. Dies hie: auf Pfand leihen. Solches Pfandleihen, das nicht eigentlich einen Zins einbrachte und somit auch kein Wucher war, wurde dennoch von der Kirche verboten, was aber nicht hinderte, da man sich seiner weiterhin bediente, bis es durch neue Kreditformen verdrngt wurde. In den Mittelmeerhfen verbreitet sich im 12. Jahrhundert die commenda, die in Venedig colleganza und in Genua societas maris genannt wird. Es ist dies ein Vertrag zwischen einem Kommanditr mit seinem Kapital und einem Partner, Kaufmann oder Schiffskapitn, der seine Arbeitskraft zur Verfgung stellt und das geliehene Kapital im Auslandshandel fruchtbar machen will. Die beiden Vertragspartner teilen den etwaigen Gewinn, im allgemeinen drei Viertel fr den Kommanditr und ein Viertel fr den Kreditnehmer. Die Anteile knnen variieren, und bei andern Vertragsarten (compagnia oder societas terrae fr den Landhandel) knnen sich ein Geldgeber und ein Mitarbeiter oder Gesellschafter mit ungleichen Kapitaleinlagen zusammentun. So wurde beispielsweise am 29. September 1163 in Genua folgender Kontrakt geschlossen: Zeugen: Simone Bucuccio, Ogerio, Peloso, Ribaldo di Sauro und Genoardo Tosca. Stabile und Ansaldo Gerraton haben eine societas gebildet, in die, wie sie
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erklren, Stabile einen Beitrag von 88 und Ansaldo einen von 44 Lire eingebracht hat. Ansaldo nimmt dieses Kapital zur Anlage nach Tunis mit, oder wohin immer das von ihm benutzte Schiff Baldizzone Grassos und Girardos fhrt. Bei seiner Rckkehr bergibt er den Gewinn Stabile oder seinem Vertreter zur Teilung. Nach Abzug des Kapitals teilen sie den Gewinn zur Hlfte. Gegeben im Kapitelhaus am 29. September 1163. Darber hinaus ermchtigt Stabile den Ansaldo, das Geld mit dem Schiff seiner Wahl nach Genua zu schicken. In Genua praktiziert man zu Beginn des 12. Jahrhunderts weitere Geschftsarten. Glubigergruppen, die compere, lassen sich von der Gemeinde fr einen vorausgenommenen Verkauf die Erhebung gewisser Steuern bertragen, woraus sie Gewinn ziehen, ohne die Kirchengesetze zu verletzen. Eine neue Art der Seehandelsbeleihung enthlt Klauseln ber das Schiffahrtsrisiko die lteste Form der Versicherung und setzt manchmal die Rckzahlung an einem anderen Ort und in anderer Whrung fest, was Kreditgeschfte und Geldberweisungen ermglicht und die Urform des Wechselbriefes darstellt. Dies sind am Ende des 12. Jahrhunderts die raffiniertesten Handelsmethoden, die die auf diesem Gebiet fortschrittlichste Stadt ausgearbeitet hat. Aufschwung der Stdte und Arbeitsteilung Das auffallendste Beispiel fr die Bevlkerungszunahme stellen neben den Rodungsgebieten die Stdte dar. Zwar setzt auch die stdtische Erneuerung bereits vor der Mitte des 11. Jahrhunderts ein, aber sie wird nach 1050 unaufhaltbar. Sie zeigt sich ebensogut in Neugrndungen wie in Erweiterungen bestehender Stadtkerne. Im Fall der Neustdte ist es brigens oft schwierig, groe Drfer und Mrkte von Stdten im eigentlichen Sinn zu unterscheiden. Die Namen, die sie hufig tragen (villeneuve, villefranche, sauvet in Frankreich, Freistadt oder Neustadt in Deutschland, Villafranca oder Villanova in Italien, wola oder lgota, nowe miasto in Polen, ujezd, lhota oder nov msto in Bhmen), erinnern teils an ihre Neuheit, teils an die Privilegien, deren sich die Bewohner erfreuen. Hierin gibt sich, juristisch wie sozial, die Verbindung zwischen Anbau und Besitzergreifung des Bodens, zwischen Rodung und Besiedlung zu erkennen, und der stdtische Aufstieg wird so in die allgemeinere Bewegung der Bevlkerungszunahme einbezogen. In diesen neuen Stdten und neuen Vierteln bekundet sich auch ein neuer stdtischer Geist. Die regelmige, ring- oder hufiger noch schachbrettfrmige Anlage zeigt eine Reifeperiode des stdtischen Denkens, einen Willen zur Rationalisierung, der die geistigen Vernderungen, die wir weiter unten untersuchen werden, erahnen lt. Der Bau neuer Mauern verkrpert in der ganzen Christenheit das Anwachsen der lteren Stdte. In Kln umschliet 1106 eine neue Mauer die neuen Viertel Niederich, Oversburg und Sankt Aposteln, und ab 1180 schtzt die groe Mauer eine Stadt, die sich rasch ausgedehnt hat. Zwischen 1100 und 1230 etwa
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erlebt Wien den Bau vier aufeinanderfolgender Mauern, die eine stndig sich vergrernde Flche einschlieen. Basel dehnt sich im 11. Jahrhundert mit neuen Umfassungsmauern um den Kern des Mnsterhgels aus und umschliet bis 1180 Barferplatz und Freie Strae. Pisa erbaut ab 1155 seine neue Mauer, und ab 1162 bezieht es auch die Vorstdte Chinzica und Oltrarno ein. Um die gleiche Zeit (1155/56) die Furcht vor Friedrich I. Barbarossa ist in beiden Fllen der Antrieb zum Bau vergrert auch Genua seine Stadtmauer von 952, um den neu angelegten burgus und das Meeresufer bis zur Porta dei Vacca einzubeziehen. Der Chronist Wilhelm der Bretone schildert den Bau einer neuen Pariser Mauer unter Philipp II. August im Jahr 1212 wie folgt: Im gleichen Jahr umgab der hochherzige Knig Philipp ganz Paris von der sdlichen Seite bis zum Seineflu auf beiden Ufern mit einer Mauer; er umschlo so eine sehr groe Bodenflche und drngte die Besitzer von Feldern und Weinbergen, dieses Land und diese Weinberge an Einwohner zu verpachten, damit diese darauf Huser errichteten, oder da sie selbst diese neuen Wohnungen bauten, damit die ganze Stadt bis zu den Mauern mit Wohnhusern ausgefllt erscheine. Diese enge Anlage der mittelalterlichen Stdte, dieses Ausfllen der Stadtflche, das die Bauwerke wie durch den Druck der sie dicht umgebenden Huser emporschieen lt Trme, Kirchen, Palste , wird noch von den knstlerischen Darstellungen auf Siegeln und Malereien betont. Ein Drang nach oben beherrscht die meisten mittelalterlichen Stdte und lt sie, gleich den Burgen, das Flachland im wrtlichen und bertragenen Sinne beherrschen. Als der arabische Geograph al Idrisi im 12. Jahrhundert polnische Stdte beschreibt, hebt auch er das enge Zusammenstehen der Gebude hervor: Es ist ein Land mit groen Stdten. Sie heien: (I)kraku (Krakau), G(i)nazna (Gnesen), R(a)t(i)slaba (Breslau), S(i)rad(i)a (Sieradz?), N(u)grea (?), Sitnu (Stettin?). Ihre Gebude stehen sehr eng beieinander, und sie besitzen groen natrlichen Reichtum. Sie hneln sich in der Gre; ihre Anlage und ihr Aussehen sind gleichartig. Man knnte die Einheitlichkeit dieses Stadtbildes, das sich in der ganzen Christenheit des 12. Jahrhunderts findet, nicht besser ausdrcken. Diese wirklichen Stdte regen zu stilisierten und idealisierten Darstellungen an. Die Stadtsiegel, deren politische Bedeutung wir noch betrachten werden, gehren zu den ersten Zeugen des neuen Stadtgeistes. Das Siegel von Trier von 1221, dessen Bild auf das Jahr 1113 zurckgeht, zeigt bereits diese Definition der Stadt durch Mauer und Tor. Die Mauer, die die Schtze der Stadt, diesen Ort der Anhufung, der Goldhortung, diesen Stapelplatz beschtzt und das Tor, das, mehr als ffnung oder Durchgang, der Berhrungspunkt zweier Welten ist, des ueren und Inneren, der Stadt und des Landes. Man kann in der Tat diese beiden Welten, deren Wachstum parallel luft, nicht trennen: die Stadtrevolution wirkt ihrerseits auf die lndliche Umgebung zurck. Welches auch immer der Anteil des neuen Fernhandels an der stdtischen Renaissance ist: in ihrer wirtschaftlichen Funktion, die die
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mittelalterliche Stadt grundlegend erklrt, bleibt das wesentliche Ereignis das Anwachsen der Bevlkerung, der stdtischen wie der lndlichen, die das Entstehen und die Entwicklung von Verteilungs-, Verbrauchs- und handwerklichen Produktionszentren mglich und notwendig macht. Die Arbeitsteilung ist Grundlage der Stadt. Auch hier verndert der technische Fortschritt, der sie begleitet und begnstigt, wo nicht gar hervorbringt, zugleich die Landund die Stadtwirtschaft. Die Wassermhle ermglicht nmlich technische Entwicklungen, die sowohl auf dem Land als auch in der Stadt tiefgreifende Folgen haben. Die Wassermhle, hat Marc Bloch (Avnement et conqute du moulin eau) gesagt, ist durch die Zeit ihrer tatschlichen Ausbreitung mittelalterlich. Zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert hrt sie auf, eine Seltenheit zu sein, und wird im Westen zum Hauptinstrument der Energiegewinnung. Schon 1086 gibt es nach dem Domesday Book in England 5624 Wassermhlen. Die Kornmhle ist die erste und wichtigste Nutzanwendung der hydraulischen Mhle. Aber auch der Gebrauch der Wasserkraft zu handwerklichen und industriellen Zwecken gewinnt im 12. Jahrhundert immer mehr Bedeutung. Dabei ist die Stadt der bevorzugte Platz fr diese IndustrieMhlen; zugleich ist dort die Ballung von Kornmhlen, die Mehl fr den Brger mahlen, besonders auffallend. Die Erfindung, welche die Wasserkraft auch anderen Maschinen nutzbar macht und die sich zugleich mit der Wassermhle verbreitet, ist die Nockenwelle, die die stndige Kreisbewegung des Antriebsrades in Auf- und Abbewegungen umwandelt und ein an einem Stiel oder einer Stange befestigtes Werkzeug (Hammer, Schlegel, oder Stel) in Bewegung setzt. Die erste Walkmhle, die das Gewebe mechanisch schlgt und das Walken mit den Fen ersetzt, erscheint in einer Urkunde der Abtei Saint-Wandrille von 1086/87. In Frankreich haben die Texte bisher fr die Zeit zwischen 1086 und 1220 in 35 Stdten oder Drfern wenigstens eine Walkmhle festgestellt. Allerdings stammt die erste englische Walkmhle erst aus dem Jahr 1185, die erste italienische vom Ende des 12. Jahrhunderts, die erste polnische von 1212 und die erste deutsche von 1223 in Speyer. Vielleicht meint die walkemlla, die in einem auf Schonen bezglichen kniglichen Schriftstck von 1161 erwhnt ist, eine Walkmhle. Die lteste Gerbermhle taucht 1138 bei Chelles in einer Neustadt auf und wird vom Kapitel von Notre-Dame in Paris und dem Grafen der Champagne gemeinsam eingerichtet. Zwei hydraulische Biermhlen soll es schon 1042 in Montreuil-sur-Mer gegeben haben. 1088 existiert jedenfalls eine in Evreux. Die lteste bekannte Eisenmhle soll die von Cardedeu in Katalonien sein (1104). Fr 1151 stellt man in den katalanischen Pyrenen 14 Schmieden fest, die mit Mhlen ausgerstet sind; die Abtei Soro in Schweden richtet 1197 eine solche ein. Endlich kommt am Ende des 12. Jahrhunderts zur Wasser- die Windmhle hinzu. Sie erscheint zunchst auf sehr begrenztem Gebiet: in England, in der Gegend von Ponthieu, in der nrdlichen Normandie und in der Bretagne. Die lteste bekannte Windmhle wurde von der Abtei Saint-Mary of Swineshead in
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Lincolnshire 1181 errichtet, es sei denn, da die in einem Text ber die normannische Abtei Saint- Sauveur-le-Vicomte erwhnte Mhle noch etwas lter ist. Vielleicht hat auch die Iberische Halbinsel gleichzeitig oder schon frher Windmhlen gekannt. Diese technische Ausrstung erlaubt den mittelalterlichen Stdten, ihre Aufgabe als Baustelle, die ihre Handelsfunktion verstrkt und ber sie hinausgeht, besser zu erfllen. Die Stdte werden zu Austauschzentren und Motoren der Produktion. Sie schaffen Waren, Techniken und Ideen und setzen sie in Umlauf. Sie treten an die Stelle der Klster des frhen Mittelalters. Sie verwirklichen die Teilung und Spezialisierung der Arbeit. Erhhte Sicherheit: Der Gottesfriede Dieser ganze wirtschaftliche Aufschwung erfordert ein Minimum an Sicherheit. Das Ende der groen Invasionen trgt zu diesem Aufblhen bei. Aber man braucht auch im Innern Ruhe. So entwickeln sich die Friedenseinrichtungen, die am Ende des 10. Jahrhunderts auftreten. In den Urkunden, die diesen Frieden herstellen sollen, wird der Schutz der wirtschaftlichen Bettigung ausdrcklich erwhnt. Whrend Papst Urban II. 1095 in Clermont zum ersten Kreuzzug predigt, stellt er die Ochsen und Pferde der Feldarbeit, die Wagenfhrer und Egger, sowie die Pferde, mit denen sie eggen, unter den Schutz des Gottesfriedens. Im Kampf der gregorianischen Reform gegen die kriegerischen Laien gibt es eine ganze Schutzpolitik fr die neuen Wirtschaftsformen und die Menschen, die sie betreiben. Gregor VII. ersucht 1074 den franzsischen Knig Philipp L, italienischen Hndlern, die in sein Knigreich gekommen sind, die von ihm beschlagnahmten Waren zurckzugeben. Dies ist der Anfang einer langen Reihe gleichartiger Dokumente. Der 22. Kanon des dritten Laterankonzils von 1179, der den Gottesfrieden regelt, fordert Sicherheit fr Priester, Mnche und Kleriker, fr Klster, Pilger, Kaufleute, Bauern und Lasttiere. Die Friedenseinrichtungen wollen mehr die Menschen als die Wirtschaft und ihre Produkte schtzen. So hat der wirtschaftliche Aufschwung tiefe soziale Vernderungen im Gefolge. Eine neue christliche Gesellschaft entsteht. 3. Soziale Folgen Wandernde, Reisende, Fahrende Nach der Mitte des 11. Jahrhunderts begngt sich das christliche Volk nicht damit, am Ort zu bleiben. Es regt sich. Trotz des starken Drucks, der die mittelalterlichen Menschen sehaft machen will Zwang der Feudalherrn, die eine unentbehrliche Arbeitskraft zurckhalten wollen, religise Traditionen, die dem Umherirren, der Zerstreuung und jeder irdischen Ortsvernderung, die den Menschen davon ablenken, seine wahre Heimat im Himmel zu suchen, feindlich gesinnt sind treibt die einfache demographische Ausdehnung eine wachsende Menge Einzelpersonen und Gruppen aus ihrem Heimatland und ihren
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Lebensbedingungen. Die beiden Jahrhunderte von der Mitte des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts sind fr den Okzident eine Epoche groer Beweglichkeit. Gewi hatte der Westen immer Unruhige und Reisende gekannt. Aber dabei handelte es sich im allgemeinen um eine privilegierte Minoritt, Krieger, Mnche oder Einzelgnger. Und sicher hatte auch die Bewegung schon vor der Mitte des 11. Jahrhunderts eine gewisse Ausbreitung erlangt. Raoul Glaber beschwrt zum Beispiel schon wenig nach dem Jahr 1000 in einem Ungewissen Afrika einen kleinen Kerl, Brger von Marseille, einen jener Leute, die unaufhrlich die Lnder durchstreifen, ohne jemals zu ermden, neue Orte zu sehen und kennenzulernen. Aber nach 1050 gewinnt dieser Vorgang quantitativ und qualitativ ein neues Aussehen. Ehe wir den tiefen Einflu dieser Beweglichkeit auf die soziale Vernderung der Stnde und die zahlenmig strksten und spektakulrsten Flle dieser christlichen Wanderschaften in und auerhalb der Christenheit untersuchen, mssen wir von der Allgemeinheit und der Vielfltigkeit dieses Umherziehens Kenntnis nehmen. Man wei, da neben den normannischen Zgen und der deutschen Kolonisation die franzsische Auswanderung besonders bedeutsam war jene vor allem, die vom Nordosten kam, aus der weiten Gegend zwischen der Bretagne und der Elbe, und die die strksten Anteile an der christlichen Ausbreitung gestellt hat, vermutlich weil sie vom Bevlkerungszuwachs besonders betroffen war. Es ist zwar bekannt, da diese Franzosen sehr zahlreich in den Sdwesten, in die Lnder des Languedoc und vor allem ber die Pyrenen nach Spanien gezogen sind, da sie sich nicht nur sehr zahlreich an den Kreuzzgen ins Heilige Land beteiligten, sondern auch an der Besiedlung der lateinischen Reiche im Nahen Osten; aber wei man auch, da sie in Mengen nach Norditalien und in das christliche Sdosteuropa ausgewandert sind? In Modena besteht zum Beispiel zu Beginn des 12. Jahrhunderts eine franzsische oder normannische Kolonie, die als juristische Sondergruppe unter dem salischen Recht lebt, whrend die brige Bevlkerung unter dem rmischen Recht lebt. Wahrscheinlich hat diese Gruppe, von der man wei, da sie aus Frankreich kommende, zugleich neugierig und emprt aufgenommene neue Moden in Norditalien einfhrt, auch die Artussagen tradiert, aus denen gegen 1125 bis 1130 der Bildhauer des Pescheria-Portals am Dom schpft, sowie die Beliebtheit der Helden des Rolandsliedes, die zwischen 1169 und 1179 auf Marmorreliefs am Ghirlandina-Turm dargestellt werden. Ebenfalls bereits im 12. Jahrhundert trifft man in Bhmen, Mhren und vor allem in Ungarn und Schlesien die ersten Kolonien der Gallici, Romani, Latini an, die hauptschlich aus Wallonen bestehen; die gallica loca (die spter in Ungarn auf Grund einer Verwechslung zwischen dem Franzsischen und dem Italienischen Olaszfalu italienisches Dorf heien) entsprechen den spanischen barrios de Francos. Fast in jeder sozialen Schicht wird das Umherstreifen, das Wandern zu einer Notwendigkeit, einer Gewohnheit, einem Ideal. Auf den Straen sucht man
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Auskommen, Glck und Abhilfe der Trbsal. Wilhelm der Marschall, 1164 zum Ritter geschlagen, fhrt anschlieend fnfundzwanzig Jahre lang ein Abenteuer und Heldenleben. Der Dichter, der es beschreibt, erklrt: Niemand der an Wert will steigen Mchte lange sehaft bleiben ... Geht vielmehr in manche Lnder Lohn und Abenteuer suchen Und kommt oftmals reich zurck ... Fhrt darauf ein schnes Leben So da viele ihn beneiden Im Turnier und auch im Kriege Und durchirrt der Lnder viele ... In England, wo er sich mehr als ein Jahr mit seinen Kameraden aufhlt War die Langeweile sauer Denn das Wandern ist viel schner Als an einem Ort zu bleiben ... Fast jeder Epenheld mu in seiner Jugend auf aventure ziehen. Zu Beginn des Epos Girart de Vienne verlassen die vier Shne Garins Schlo Monglane; Mile geht nach Italien, Ernaut in die Stadt Beaulande, Girart und Renier an den Hof des Kaisers nach Reims. Und Parzival bittet Artus Schlagt zum Ritter mich Herr Knig, denn ich will davonziehn. So beginnt die Suche nach dem Gral. Auch die neuen Mnche wandern: Einsiedler ziehen von einer Einde zur andern, Wanderprediger lehren und bezeugen auf den Straen das wahre apostolische Leben. So zieht sich in Westfrankreich Robert dArbrissel, der 1099 den Orden von Fontevrault grndet, 1091 in den Wald von Craon (Bas-Maine) zurck und tritt dann mehrere Predigtreisen in die Bretagne, ins Perigord und Languedoc und in die Umgebung von Chartres an. Mit seinen Gefhrten und Schlern streift er umher, langbrtig, den Stab in der Hand, barfu, mit Lumpen bedeckt. Als Nachahmung dieser reisenden Mnche treten in der Kunst Eremiten mit schtterem Bart, Stab und in Tierfelle gekleidet auf der Hl. Antonius, Johannes der Tufer. Mehr als Wstenheilige werden sie Heilige der Straen. Iter optatum der ersehnte Weg sagt einer von ihnen beim Aufbruch.
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Straen des Exils und des Herumirrens: sie sind auch das Los der Schler und Studenten, die die Stadtschulen bevlkern. Johannes von Salisbury zhlt unter die Schlssel der Weisheit nach Bernhard von Chartres, dem berhmten Lehrer der Mitte des 12. Jahrhunderts, auch die terra aliena, den Aufenthalt im Ausland, als Voraussetzung fr das Studium. Eine ganze Schicht von Klerikern, die von Schule zu Schule, von einem Bischofs- oder Frstenhof zum nchsten nach Abenteuer und Auskommen unterwegs ist, bringt im 12. Jahrhundert eine eigene Lyrikform hervor, die Dichtung der Goliarden oder Vaganten (Carmina burana, Vagantenlieder). Vagant, du irrst durch die Welt ... Wie ein Bettler und zu nichts nutz, streifst du ber Land und Meer, sagt ein Gedicht um 1200 von den Goliarden. Natrlich ist auch der Kaufmann in dieser Zeit des aufblhenden Fernhandels zu Lande und zu Wasser stndig unterwegs. In England heien die speziell fr ihn eingerichteten Gerichtshfe courts of piepowders, denn die Fe der Kaufleute sind mit Straenstaub bedeckt, wie es ein Text aus der ersten Hlfte des 12. Jahrhunderts erlutert: Der fremde Kaufmann oder jener, der ohne festen Wohnsitz durch das Knigreich zieht, heit Piepowdrous. Gualbert von Brgge lt die Brgger sich 1128 ber den Grafen Wilhelm Cliton wie folgt beklagen: Er hat uns in dieses Flandern eingesperrt, um uns am Handeltreiben zu hindern. Handel und Reisen sind identisch. Die Erscheinung aber, die im hchsten Grad die Beweglichkeit der Gesellschaft jener Zeit spiegelt, die alle Stnde auf die Straen treibt und sie mit Abenteuergeist und dem tiefsten religisen Verlangen erfllt, ist die Pilgerfahrt. Mit der militrischen Unternehmung (Reconquista) und der Auswanderung auf neues Siedlungsland (poblaciones) verknpft, erlebt die Wallfahrt zum heiligen Jakob in Compostela vom Beginn der zweiten Hlfte des 11. Jahrhunderts an einen solchen Aufschwung, da um 1139 eigens ein Pilgerfhrer (Guide du Plerin) zusammengestellt wird. Wie es Emile Male vortrefflich ausgedrckt hat, fanden die Pilger dieser Zeit hinter der harten und oft schmutzigen Wirklichkeit der Straen die tiefere Bedeutung ihres Glaubens wieder: Die Menschen des 12. Jahrhunderts haben diese groen Reisen leidenschaftlich geliebt. Das Leben des Pilgers schien ihnen das christliche Leben schlechthin zu sein. Denn was ist der Christ anders als ein ewig Wandernder, der nirgends zu Hause ist, ein Vorbergehender auf dem Weg zum Neuen Jerusalem. Freilich ist das Pilgerdasein oft hart. Die Legenda aurea berichtet die traurige Geschichte eines Jakobspilgers: Ein Mann von Frankreich ging um das Jahr 1100 auf die Fahrt gen Sanct Jakob, mitsamt seiner Frau und seinen Kindern; denn er wollte ein groes Sterben fliehen, das zu der Zeit in Frankreich war, und wollte auch Sanct Jakob besuchen. Als er kam zu der Stadt Pampelona, starb ihm sein Weib, und der Wirt nahm ihm all sein Geld und das Lasttier, darauf er seine
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Kinder fhrte. Also mute der arme Pilger traurig frba ziehen, und etliche Kinder trug er auf seinen Schultern, etliche fhrte er an seiner Hand. Also begegnete ihm ein Mann mit einem Esel, der hatte Mitleid mit ihm und lieh ihm den Esel, da er die Kinder darauf fhre. Da er nun zu Sanct Jakob gekommen war und im Gebet wachte, erschien ihm der Apostel und sprach Kennst du mich nicht? Der Pilger antwortete, er wte nicht, wer er wre. Da sprach der Heilige Ich bin der Apostel Jakobus und habe dir meinen Esel geliehen und leihe ihn dir abermals, damit du heimkehren magst. Wohl zu keiner anderen Zeit haben die Menschen der Christenheit die Bezeichnung homo viator und das Wort Christi, der sich als Weg hinstellt, besser verstanden: Ego sum Via. Die soziale Beweglichkeit und ihre Grenzen: Freiheit und Freiheiten Diese Umherziehenden stoen sich weniger an geographischen oder politischen Grenzen als an sozialen Schranken. Denn noch wichtiger als die physische ist die soziale Beweglichkeit, welche die Strukturen der christlichen Gesellschaft erschttert. Dieser Vorgang fllt zwar durch seine Ausdehnung in die Augen, lt sich aber im einzelnen nur schwer bestimmen. Die unerschlossene Ausgangssituation, das ungenaue und vernderliche Vokabular, die oft schwierige Unterscheidung zwischen juristischer und sozialer Stellung, die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Rumen und das zeitliche Auseinanderklaffen dieser Vernderungen im Ganzen der Christenheit (um nicht noch von der Theorien-Vielfalt moderner Historiker zu sprechen, die das Problem oft verunklrt anstatt erhellt haben): dies alles macht eine Darstellung dieser Entwicklung in groen Zgen recht schwierig; dennoch mu sie versucht werden. Der Verlauf dieser Vernderung kann zunchst widersprchlich erscheinen. So ist einer ihrer wichtigsten und aufflligsten Zge die Erlangung der Freiheit durch breite Gesellschaftsschichten, whrend sich die weltliche Gesellschaft des Frhmittelalters noch grundstzlich in Freie und Unfreie teilte. Am Ende des 11. Jahrhunderts ist die Anziehungskraft der Freiheit offenbar so stark geworden, da die gregorianische Reform in ihrem Bestreben, die kirchliche Hierarchie dem weltlichen Zugriff zu entziehen, das Schlagwort von der libertas Ecclesiae, der Freiheit der Kirche, benutzt. Die Urkunden, mit denen Bauern und Stdter den Herren jene Vorrechte abtrotzen, die ihnen eine mehr oder weniger groe Unabhngigkeit sichern, haben von den franzsischen Medivisten die Sammelbezeichnung Freiheitsurkunden erhalten (chartes de franchises, chartae franchisiae, chartae libertatis); in der deutschen Geschichtsschreibung gibt es diese Bezeichnung nicht, unter anderem deswegen nicht, weil, zumindest was die Bauern betrifft, nur sehr wenige solcher Urkunden in Deutschland abgefat worden sind. Wortbildungen mit Freiheit finden sich in den italienischen villa franca und, seit dem 14. Jahrhundert, im Sonderfall der deutschen Reichsstdte, die sich Freistdte nennen. Aber ein einfaches Problem der Schreibung sollte
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Miverstndnisse ausschalten. Obwohl die Historiker bei charte de franchise(s) zwischen Einzahl und Mehrzahl geschwankt haben und das Wort libertas auch im Singular vorkommt, ist es klar, da der Plural der Wirklichkeit sehr viel mehr entspricht. Diese Freiheiten sind in Wirklichkeit Privilegien. Obschon sie eine juristische, soziale und psychologische Entwicklung durchmachen, die auf die Freiheit im modernen Sinn zustrebt, gehren sie doch in einen entschieden anderen Zusammenhang. Die gemeinten Privilegien beinhalten selten jene vollstndige Unabhngigkeit, die wir mit dem Wort Freiheit meinen. Gleichzeitig, und als normale Reaktion, verliert der Begriff des Freiseins mit der Ausbreitung von seinem frheren Prestige. So verzichtet die Oberschicht, die sich vorher gern als liberi, ingenui (Freie) bezeichnete, um so eher auf diese Definition, als die Voraussetzungen ihrer wirtschaftlichen und juristischen Unabhngigkeit seit der Mitte des 11. Jahrhunderts verschwinden. Das Freiland (Allod), dessen Besitz hufig mit Adel verbunden war, ist von nun an im allgemeinen von einem Herrn abhngig und hat sich in ein Lehen verwandelt. Die Unabhngigkeit des Grundadels gegenber einer hheren, das heit ffentlichen Gewalt, seine Immunitt, welche die eigene Gerichtsbarkeit und das Recht auf Steuererhebung einschliet, weicht ebenfalls bei den weniger Mchtigen unter ihnen der Befehls- und Gerichtsgewalt der hheren Herren und des Frsten. Die Vasallen-Verpflichtungen, die mit der Bildung der eigentlichen Feudalgesellschaft auf allen Angehrigen der Oberschicht lasten, schrnken die Freiheit ein. Desgleichen sind die Bauern, die auf einem Herrenhof leben, zwar nicht mehr Sklaven und immer seltener Leibeigene (in den meisten franzsischen Provinzen fallen die Worte servus und francus zusammen in der zweiten Hlfte des 11. Jahrhunderts in Vergessenheit), aber sie sind einem vollstndigeren System von Verpflichtungen unterworfen. Der Grundherr bt auf seinen Lndereien eine ausgedehnte Herrschaftsgewalt aus, den Bann. Man konnte sagen, da sich die Grundherrschaft nach 1050 in eine Bannherrschaft umwandelt. Whrend die Grundherrschaft einen wirtschaftlichen Interessenbund zwischen dem Grundbesitzer und dem Bebauer darstellt, ist die neue Herrschaftsform eine Friedensgemeinschaft; der Herr verteidigt seine Bauern gegen Angriffe von auen und hlt im Innern die Ordnung aufrecht; die Leistungen, die er dafr fordert, sind der Preis fr die Sicherheit, die er garantiert; die Geschtzten schulden sie ihm (G. DUBY, La socit au XIe et XIIe sicle dans la rgion mconnaise; Lconomie rurale et la vie des Campagnes dans lOccident mdival). Hier zum Beispiel der Bann der Abtei Corvey im Dorfe Haversford, der 1176 von Abt Konrad formuliert wurde: Das ganze Dorf Haversford mit allen seinen Besitzungen, seinen Nebengtern, seinen Grenzen und mit allem, was ihm verbunden ist, das heit die Huser und andere Gebude, die cker, Wiesen, Wlder, Felder, Wasser, bebautes und unbestelltes Land, steht unter der Herrschaft des Verwalters (Beauftragter der Abtei): ihm kommen alle Einknfte des Dorfes zu, die Rentabgaben des Dorfes, des Hofes, der Hufbauern, die
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Erbfallgebhren bei Todesfllen, der Geldzins fr die Liten, das Hochzeitsgeld der Mdchen, das man volkstmlich beddemunt nennt. Auch die Einknfte des angrenzenden Forstes, gemeinhin sundere genannt, als zum Dorfe gehrig stehen dem Verwalter zu, obschon wir einige Male unsere Schweine im Dorf gemstet haben, dank dem Entgegenkommen des Verwalters. Der Verwalter hlt auch, wann immer es ntig ist, mit seinen Schffen Gericht ber die Dorfangelegenheiten ... Neben den auf ihre Erzeugnisse oder bei familiren Ereignissen (Hochzeit, Tod und Erbfall) erhobenen Natural- oder Geldabgaben, neben den Dienstleistungen, die gewisse Bauern auf den direkt vom Herrn bewirtschafteten Lndereien (Herrenhof) verrichten mssen, und neben den Gerichtsgebhren erlangen seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert Verpflichtungen oder ihre geldliche Ablsung , die mit der Entwicklung des Wirtschaftslebens verknpft sind und von der jeweiligen Bann-Macht des Herrn abhngen, immer grere Bedeutung. Es handelt sich um Herrschaftsmonopole in Verbindung mit der wirtschaftlichen Ausstattung des Gutes: die Verpflichtung, das Korn in der herrschaftlichen Mhle zu mahlen, das Brot im gemeinsamen Ofen zu backen, ausschlielich das gemeinsame Gasthaus zu besuchen, und nur den vom Herrn erzeugten oder verkauften Wein zu trinken oder sich von diesen Verpflichtungen durch Sonderabgaben freizukaufen. Die Templer widmen den aus ihren Mhlen gewonnenen Einknften eine der sieben Spalten der 1185 vorgenommenen Gesamtaufstellung ihrer Einnahmen aus den englischen Gtern. In einer Urkunde, welche die Herrenhfe der Abtei von Ramsey betrifft, heit es: Alle Pchter mssen ihr Korn zur Mhle bringen ... Wenn ein Pchter dieser Verpflichtung nachweislich nicht nachkommt, zahlt er sechs Heller, um nicht vor Gericht zu kommen; wird er vor Gericht gestellt, zahlt er zwlf Heller. Beim Ablsen solcher Verpflichtungen wird die Freikaufgebhr oft libertas Freiheit genannt. Dies Wort ist gleichzeitig fr die bedrckenden Abgaben wie fr die Bedeutung des Wortes Freiheit kennzeichnend. So erhalten etwa die Nonnen des Ordens von Fontevrault im Priorat Jourcey (Loire) nach einer Urkunde aus den Jahren 1135 bis 1150 von ihren Pchtern eine als libertas in vineis (WeinbergFreiheit) bezeichnete Steuer, durch die sich die Bauern vom Weinlesezwang befreien, das heit von der Auflage, erst dann mit der Weinlese zu beginnen, wenn die Lese des Herrenhofes beendet ist. In den Kmpfen der Bauern gegen das Wirtschaftspotential der Herren hat die Feindseligkeit gegen die Mhle oft eine Hauptrolle gespielt; in neuerer Zeit hat sich davon der schlechte Ruf des Mllers in der buerlichen Gesellschaft erhalten. Entwicklung der Feudalaristokratie: Adel, Ritter, Ministerialen Im eigentlichen Feudalsystem, das die Gesamtheit der Herren und Vasallen umfat, wobei jeder Herr wiederum Vasall eines andern Herrn ist (der Knig allein hat, wie wir sehen werden, eine besondere Stellung), erscheint in der
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oberen Klasse eine gewisse soziale Schichtung, die die Mglichkeit eines Aufstiegs nicht ausschliet. Freilich wird die oberste Schicht dieser Militr- und Grundaristokratie durch den Geburtsadel gebildet, der wohl meist aus dem karolingischen Adel hervorgegangen ist und eine hohe Herrschaft innehat, welche die Hochgerichtsbarkeit, das heit die Rechtsprechung bei schweren Verbrechen, einschliet. Dieser Hochadel ist Emporkmmlingen unzugnglich. Darunter aber entsteht die Klasse der milites, der Ritter, deren Beschftigung, wie der Name andeutet, kriegerischer Art ist, aber deren Herkunft im wesentlichen wirtschaftlich bestimmt ist. Im Raum um Mcon sind die milites im 11. Jahrhundert die Erben der reichsten Grundbesitzer. Im 11. Jahrhundert kommt nmlich eine Entwicklung zum Abschlu, die, ein gewisses Vermgen voraussetzend, zur Bildung einer kleinen Kriegerelite fhrt: der Ritterschaft, die sich mit dem Adel gleichzusetzen sucht, aber dennoch juristisch wie sozial von ihm verschieden ist. Der berhmte Wandteppich von Bayeux aus dem letzten Drittel des 11. Jahrhunderts zeigt den fertigen Typus des Ritters: er ist ein Reiter auf einem Schlachtro oder destrier (dexterius), das sich vom Paradepferd oder palefroi (palefredus), sowie selbstverstndlich vom Zugtier, roncin (roncinus) und vom Lastpferd oder sommier unterscheidet; er sitzt auf schwerem Sattel, gerade in den Steigbgeln (hat man nicht die Feudalitt aus dem Steigbgel entstehen lassen?), Sporen an den Stiefeln. Die Verteidigungsrstung besteht aus dem Panzer oder langem Kettenhemd, aus Eisenmaschen gewebt, dem kegel- oder pyramidenfrmigen Helm, dem groen, spitzzulaufenden Schild. Solcherart im Kampf durch Kettenhemd, Helm und Schild geschtzt, scheint der Ritter am Ende des 11. Jahrhunderts die Strke zu entdecken, die das feste, durch Steigbgel und Schlachtro gesicherte Im-Sattel-Sitzen ihm gewhrt. Auf dem Teppich von Bayeux ziehen die Ritter noch mit Schwert und Speer in den Kampf. Doch wird dieser letztere, da zu ungenau, zu leicht und zu zerbrechlich, nunmehr durch eine schwerere und krftigere Lanze als gefrchtete Angriffsund Stowaffe abgelst. Auf den alten Schwerterkampf folgt das neue Lanzenstechen, wie es auf einem anderen berhmten Kunstwerk erscheint, dem Fries der Kathedrale von Angoulme, wo vier Ritter in Zweiergruppen gegeneinander kmpfen.
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Abb. 3: Fortschritte in der Kriegstechnik: Ritter im Kampf. Wandteppich der Knigin Mathilde in Bayeux (Calvados, Frankreich)
Diese Ausrstung ist teuer. In Mittelfrankreich wird im 11. Jahrhundert das Reitpferd mit 25 bis 50 Sous gehandelt, whrend der Ochse 6 bis 10 Sous wert ist. Ein Panzer kostet im Durchschnitt 100 Sous, was dem Wert einer Hufe, das heit eines mittleren Bauernpachthofes, entspricht. Eine Herrschaft mu mindestens 150 Hektar gro sein, um den Bedrfnissen eines Ritters gengen zu knnen. Daher sind die feudalen Kriegsheere zahlenmig schwach. Eine mittelgroe Grafschaft mit 200 bis 250 Gemeinden stellt weniger als einen Ritter pro Landgemeinde: nmlich 150 bis 200 Mann. Die ritterliche Kriegskunst erforderte Kraft und Geschicklichkeit. Nach der Inschrift des Wandteppichs von Bayeux mute der Ritter viriliter und sapienter kmpfen, das heit, mutig und geschickt. Dies alles verlangte eine zeitraubende Ausbildung die Jugend der heranwachsenden Helden in den Epen ist eine militrische Lehrzeit und formte am gesellschaftlichen Erscheinungsbild des Adels mit. Die Kriegsausbildung konnte nur am Hof eines mchtigen Herrn erworben werden. Die Sto- und Verteidigungskraft des Ritters zielte nicht auf den Einzelkampf, das Duell, wie man zu oft flschlich behauptet hat, sondern auf den Kampf in kleinen Gruppen und Einheiten, chelles oder batailles genannt. Das gemeinsame Kmpfen verstrkte also die Neigung dieses Adels, sich eng in groen Familiengruppen die Sippen kmpften zusammen um einen Anfhrer
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zu scharen, die Vasallen um ihren Herrn, die Ritter um einen mchtigeren Adligen. Als Klasse, in die man zu Beginn durch das Vermgen Aufnahme fand, war die Ritterschaft also mehr oder weniger offen, und erfolgreiche Abenteurer, welche sich die erforderlichen Mittel zu verschaffen wuten, und sich whrend der Ausbildung oder im Kampf auszeichneten, konnten in den Ritterstand eindringen. Andererseits hat sich die Ritterschaft rasch gestuft. Neben den reichsten, den maiores milites, gab es die rmsten Ritter, die minores milites, wie es zum Beispiel in der Chronik des elsssischen Klosters Ebersheim aus dem 12. Jahrhundert festgehalten ist. Vor allem um die notwendige wirtschaftliche und soziale Grundlage fr die Erhaltung der Ritterfamilie zu sichern, suchten die Ritter das ausschlieliche Erstgeburtsrecht anzuwenden. Dadurch wurde die Beweglichkeit eines Teils dieser Klasse vergrert: whrend einige der adligen Nachgeborenen in der Kirche Aufnahme fanden oder die Klster bevlkerten, vermehrten andere die Gruppe der fahrenden Ritter, der jungen adligen Vaganten, die, allein oder in Haufen, nach Mglichkeit ihr Glck, auf jeden Fall aber Abenteuer, auf den Straen der Christenheit und bei den christlichen Ausfahrten suchten. Dennoch neigte die Ritterschaft dazu, sich abzuschlieen und in eine Erbklasse umzuwandeln. Sie gelangte aber nie ganz dahin, und der Grad der Abgeschlossenheit wie auch die zeitliche Abfolge dieser Entwicklung nderte sich mit den Gegenden und Lndern. Der Ritterschlag war eine Initiationszeremonie, die rein weltlichen und militrischen Ursprungs zu sein scheint, die aber die Kirche im Rahmen ihres Versuchs, aus dem Ritter einen Ritter Christi, Mitglied einer militia Christi im Dienst der Kirche und der Religion zu machen, verchristlichte und begnstigte; wenn diese Zeremonie auch dazu beitrug, den Ritterstand in eine geschlossene Klasse zu verwandeln, so gelang es doch nicht, ihn vllig abzuschlieen. Nicht alle Ritter empfingen die Schwertleite und nicht alle zum Ritter Geschlagenen waren ritterbrtig. Wenn Parzival zum Knig geht Zum Knig, der zum Ritter schlgt, denkt der Sohn der edlen Witwe nicht daran, von Artus die seiner Geburt gebhrenden Weihen zu begehren, sondern der wilde Knecht verlangt nur die Anerkennung seines Wertes. Und es gengt ihm, zu versprechen, da er durch einen Pfeil ins Auge den Ritter mit der roten Rstung tten werde, um ihm diese abzunehmen, damit der kluge Gurnemanz von Graharz ihn in den Bund der Ritter aufnehme, Den Gott gemacht hat und befohlen ... In dieser aristokratischen Schicht mu man noch eine weitere Klasse unterscheiden, nmlich die Ministerialen oder Dienstmannen, die einen Dienstadel
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darstellen (ex officio). Viele dieser Ministerialen sind Emporkmmlinge niederen Ursprungs, oft Unfreie, und gerade in ihren Reihen zeigt sich die soziale Wandelbarkeit jener Zeit am besten. Diese Art des sozialen Aufstiegs hat je nach den Gegenden mehr oder weniger frh eingesetzt und mehr oder weniger lange bestanden. Schon in der Mitte des 11. Jahrhunderts sehen wir zum Beispiel nach der Vita Garniers, des Propstes von Saint-Etienne in Dijon, wie ein Ministeriale dieses Propstes, dessen Nachkommen Ritter werden sollten, seinen unfreien Stand, der ihn zu einer besonderen Abgabe, der Kopfsteuer (census capitis), verpflichtete, zu verbergen suchte. Hier die Beschreibung dieser aufschlureichen Szene: Am Tage nach der Christgeburt, an dem das ehrwrdige Fest des heiligen Stephanus gefeiert wird, ist es Brauch, da sich die Zinspflichtigen vor dem Altar versammeln und dort ihre Schuld in Gegenwart des Vertreters der Abtei bezahlen. Dabei legte ein gewisser Vogt des Vizegrafen von Dijon, dessen Namen wir hier weglassen, um seinen Erben, die sich des vollen Ritterglanzes erfreuen, nicht zu schaden, wie auch aus menschlichem Respekt, ehe sich die Verwalter der Abtei versammelt hatten, in Abwesenheit aller Zeugen die Kopfsteuer auf den Altar. Danach, zur Zeit der Prozession, fragte der berhmte Propst Garnier seine Vertreter um ihn, ob die Steuern von allen bezahlt worden seien; jene antworteten, da alle bezahlt htten, mit Ausnahme der oben erwhnten Person. Daraufhin ntigte ihn Herr Garnier vor allen, nochmals wohl oder bel seinen Zins zum Altar zu tragen, vor der ganzen Versammlung, die vor der Prozession herumstand und in Anwesenheit der Menge ... Ein satirischer Text Reinmar von Zweters, eines Minnesngers der Nachfolge Walthers von der Vogelweide, der im Rheinland geboren, in sterreich erzogen war und am bhmischen Hof lebte, beschreibt in der ersten Hlfte des 13. Jahrhunderts die Vielfalt aristokratischer Stnde: Ein herre von geburte fr dasz der ein dienestman, ein ritter und ein knecht doch s darzuo ein eigenman, wie daz geschehe, des wunder man noch wp. Ein fr geburt nicht geirren kan, ein herre, der ensi doch wol der ren dienestman ein ritter sner tt, der milte ein knecht, der zhte ein eigen lp. Ein herre, der sus undersnitten woere, der diuhte mich ein hofscher wunderoere: hie fr, da dienestman, dort eigen, uf diz ein ritter, uf daz ein knecht. Woere er zu disen fnfen recht, ein knigin solt im ir houbet neigen.
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Die Einrichtungen der klassischen Feudalitt Gleichwohl ist die Gesamtheit dieser Aristokratie zwischen der Mitte des 11. und dem 12. Jahrhundert im grten Teil der Christenheit in das System der Feudalitt eingespannt. Der wichtigste Zug in der Entwicklung dieser als klassisch bezeichneten Feudalitt ist die enge Verknpfung der persnlichen Bande mit den Sachwerten, der Vasallitt mit dem Lehen, wobei dieses sogar noch im Vordergrund steht. Der Lehensvertrag bindet einen Herrn und einen Vasallen aneinander. Durch die Huldigung, bei der der Vasall seine gefalteten Hnde in die des Herrn legt (immixtio manuum), wird er, whrend er eine entsprechende Formel ausspricht, Gefolgsmann des Herrn. Diese Huldigung ist manchmal von einem Ku begleitet. Darauf folgt der Lehenseid, die Verpflichtung zur Treue oder spter auch Hulde, wie es unter anderem in dem berhmten Lehensgesetzbuch vom Beginn des 13. Jahrhunderts, dem Sachsenspiegel (um 1225), heit. Nach Gualbert von Brgge verfuhren 1127 die Vasallen des Grafen von Flandern ihrem neuen Herrn, Wilhelm von der Normandie, gegenber wie folgt: Zuerst huldigten sie auf diese Weise: Der Graf fragte den knftigen Vasallen, ob er ohne Vorbehalt sein Gefolgsmann werden wolle, und der antwortete: Ich will es; darauf verbndeten sie sich mit einem Ku, whrend die Hnde des Vasallen in denen des Grafen lagen. Darauf gelobte der Vasall seine Treue dem Wortfhrer des Grafen mit diesen Worten: Ich verspreche auf meinen Glauben von diesem Augenblick an, dem Grafen Wilhelm treu zu sein und ihm gegen alle und ganz und gar meinen Eid zu halten, in gutem Glauben und ohne Falsch. Zum dritten schwrt er dasselbe auf die Reliquien der Heiligen. Durch den Lehensvertrag verpflichtet sich der Vasall, seinem Herrn Hilfe und Rat zu geben (auxilium und consilium). Die Hilfe war meistens Militrhilfe (servitium, service militaire), aber in England verlangten die Knige von ihren Vasallen seit der zweiten Hlfte des 12. Jahrhunderts eine finanzielle Abgabe, den scutagium, anstelle des persnlichen Dienstes. Der Herr seinerseits schuldete seinem Vasallen Schutz und Unterhalt. Dieser Unterhalt nahm bald die feste Form einer Lehensverleihung an. Das Lehen war am hufigsten ein Land, was in einer Gesellschaft, in der das Land die Quelle des Lebensunterhalts, des Reichtums, der sozialen Stellung und Macht ist, nicht weiter erstaunt. Die Verleihung des Lehens fand whrend einer Zeremonie statt, der Investitur oder Belehnung, whrend der der Herr seinem Vasallen ein Gegenstandssymbol reichte, das der Vasall behielt: Palmzweig, Erdscholle, Rasenstck, Lanze, Standarte oder Wappen (die kaiserlichen Bischfe erhielten den Krummstab, woraus der Investiturstreit entstand) oder ein Handlungssymbol, mit dem der Herr den Vasallen berhrte oder das er ihm einen Augenblick bergab, dann aber zurcknahm: Szepter, Rute, Goldring, Messer, Handschuh usw.
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Manchmal besttigte ein Schriftstck die Belehnung. Die lteste Belehnungsurkunde, die uns erhalten ist, betrifft Wilhelm den Eroberer und einen Ritter, seinen Vasallen; sie entstand in England zwischen 1066 und 1087. Der wesentliche Punkt dabei ist, da in dieser Zeit der klassischen Feudalitt das Lehen erblich wurde. Mehr noch: nicht nur im Falle des Ungehorsams oder des Verrats hatte der Herr mehr und mehr Schwierigkeiten, den Rebellen und Verrter durch den Einzug seines Lehens zu strafen; der Vasall besa auch ein eigentumshnliches Recht auf sein Lehen, so da er darber verfgen, es veruern und verkaufen konnte, ohne da der Herr sich widersetzen durfte. Noch da, wo fr den Herrn im Falle des Lehensverkaufs ein Vorkaufsrecht vorgesehen war, wurde er oft durch das Vorrecht der Verwandten des Vasallen ausgeschlossen, denn die Familie war neben dem Land die zwingendste Realitt der Feudalgesellschaft. Ehe wir uns von der Feudalaristokratie abwenden, bleibt noch ein letzter Zug ihrer Entwicklung zu erwhnen. In dem Unterscheidungsproze, der durch Reichtum und Macht mehrere Schichten schafft, drngt eine Klasse vom Beginn des 11. Jahrhunderts an auf Vorherrschaft: die der Burgbesitzer. Der wirtschaftliche und technische Fortschritt und die soziale Entwicklung begnstigen die Errichtung dieser Steinfestungen, die mit den Kirchen gleichzeitig erbaut werden. Militrischer Sttzpunkt und wirtschaftlicher Mittelpunkt des Verbrauchs und der Vorrte, ist die Burg auch das soziale Zentrum, wo sich um den Herrn seine Familie schart und die jungen Shne der Vasallen, die dort zugleich als Geiseln leben, ihre militrische Lehrzeit verbringen; dazu kommen noch die milites castri, die in den Texten des 11. und 12. Jahrhunderts so zahlreich sind und bei denen es sich vielleicht um Ministerialen handelt, die dabei sind, Ritter zu werden. Die Burg ist auch, wie wir noch sehen werden, ein kulturelles Zentrum, denn Gaukler, Spielleute und Minnesnger vervollstndigen die Burggesellschaft. Die Burgvogteien werden brigens hufig die Verwaltungszellen der Feudalwelt. In der Gegend von Mcon zum Beispiel teilen sich im 11. Jahrhundert die Burgvogteien den von den Immunitten freigelassenen Raum, und sowohl die Grafschaften als auch die kleinen Burgvogteien sind, nach dem Vorbild der groen, Bannherrschaften, wobei der Bann von der Burg ausgeht. Endlich vollzieht sich, oder zeigt sich zumindest, der Aufstieg von Rittern und Ministerialen durch die Errichtung befestigter Huser oder richtiger Burgen, bzw. durch die Zueignung von Herrschaftsburgen, die ihrer Bewachung anvertraut werden. In Deutschland folgt 1081 bis 1152 unter Heinrich V. (11061125), Lothar (11251137) und Konrad III. (11381152) eine Anzahl kaiserlicher Ministerialen einer schon vom Hochadel angenommenen Mode und legt sich den Namen ihrer Burg zu. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts erbaut Friedrich der Einugige, Herzog von Schwaben, eine Reihe Burgen von Basel bis Mainz, zu denen die Ministerialen von der anderen Seite des Schwarzwalds herbeistrmen. Es sind die Namen von Burgen (Waiblingen und Staufen, vom Vater Friedrichs des Einugigen
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errichtet), mit denen sich eine der berhmtesten politischen Mchte des Heiligen Rmischen Reiches im 12. und 13. Jahrhundert verbindet. Verbesserungen im Bauernstand Auch im Bauernstand sind die Mglichkeiten der geographischen und sozialen Vernderung erstaunlich. Es ist uerst schwierig, die Zahl der Leibeigenen oder der Bauern von hnlich abhngiger Stellung zu berechnen und ihre zahlenmige Abnahme, die zweifellos zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert stattgefunden hat, zu schtzen. Denn es gibt sehr verschiedene Arten von Bauern, die sich wegen der vernderlichen Terminologie nur schwer definieren lassen; auch ist der Abstand zwischen juristischer und sozialer Stellung oft betrchtlich, und endlich verluft die Entwicklung regional verschieden. Beispielsweise wird in der Gegend von Mcon das Wort servus 1105 zum letzten Male in einer Urkunde erwhnt. Es vermindern sich auch die Erhebungen, die besonders auf den Leibeigenen lasteten, ohne zwangslufig zu sein, manchmal auf einen bescheidenen Beitrag. Diese Erhebungen waren: Grundsteuer nach Ermessen, Kopfsteuer, Hochzeitsgeld, Erbfallgebhr; der Herr konnte also jederzeit vom Leibeigenen eine Hilfe oder Steuer in beliebiger Hhe einfordern, zum Beispiel eine Jahrestaxe pro Kopf (caput) oder Person, eine Hochzeitsgebhr, wenn auerhalb der Herrschaft geheiratet wurde, eine Erbsteuer. Die Erbsteuer kann die Form des Besthaupts annehmen; im Augenblick der Nachfolge fllt dem Herrn ein Stck Vieh (im allgemeinen das beste), ein Kleidungs- oder ein Mbelstck zu; in Deutschland kann er auch das Buteil einbehalten, das heit ein Drittel oder die Hlfte der Mbel. Auf der anderen Seite mu man festhalten, da berall da, wo die Leibeigenen im eigentlichen Sinn (homines de corpore, de capite, homines proprii) weniger wurden, die durch sie verstrkte Bauernschicht der homines de postetate (den deutschen Hrigen hnlich, die fast leibeigen gewesen zu sein scheinen) sich nur einer wenig besseren Situation als die Leibeigenen selbst erfreute. Die Masse der Bauern, ununterschieden als villani (vilains, Drper), manentes (manants, Landleute) oder einfach als rustici (Bauern) bezeichnet, sahen so eine Last auf sich ruhen, die fr jene, die in dieser neuen Gruppe aufgingen, bald eine Erleichterung, bald eine Verschlechterung ihrer vorherigen Stellung bedeutete. So fielen die censuales in Deutschland im allgemeinen Leibeigene, die die Freiheit durch eine Kopfsteuer zwischen dem 10. und 11. Jahrhundert erlangt hatten in eine der Leibeigenschaft hnliche Stellung zurck, als mit Beginn des 12. Jahrhunderts die Kopfsteuer das Zeichen persnlicher und erblicher Unterwerfung geworden war. Freilich, der wachsende Anteil des Geldes an der Wirtschaft begnstigte ein Ablsen der Dienstleistungen durch Natural- oder Geldabgaben: die Frondienste gingen gegenber den Zinszahlungen zurck und die Zahl der Lohnarbeiter, der Taglhner, nahm auf den Herrenhfen zu. Da aber der Herr einen Teil seines Landes dem eigenen Anbau vorbehielt (Salland), konnte je nach der
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Wirtschaftslage, der Ausdehnung des zurckbehaltenen Landes und der Wichtigkeit der dort ntigen Dienstleistungen die Arbeit ebensogut zu- wie abnehmen. Freilich wird die Arbeit auf dem Salland immer weniger von Bauern als Scharwerk (boonworks oder weekworks im Englischen) geleistet, sondern mehr und mehr von Knechten (famuli, bouviers, bovarii) ausgefhrt, zu denen man die Ministerialen des unteren Ranges zhlen kann. Zu den Knechten gehren auch die convers oder Laienbrder, die auf Kirchengtern (zunchst bei den neuen Orden des 11. und 12. Jahrhunderts, vor allem bei den Zisterziensern, dann auch bei den Benediktinern der alten Regel) die materiellen und wirtschaftlichen Aufgaben erledigen, die niederen Weihen empfangen, aber abgesondert leben, von jeder Belehrung ferngehalten werden und so nur auf sehr beschrnkte Weise am opus Dei teilhaben. Diese Knechte bleiben in einer den Leibeigenen, ja sogar den ehemaligen Sklaven recht nahen Stellung, und selbst wenn ihnen der Herr Land bergibt, das sie vor allem an das Gut fesseln soll, bindet dieses Zugestndnis den Nutznieer in erblicher Hrigkeit: Luft macht eigen. Dennoch zielt alles, trotz der Rckschlge und des regional verschieden raschen Fortschritts, deutlich auf eine Verbesserung der buerlichen Lebensbedingungen ab. Die Zinslehen, wie zum Beispiel die Erbpachtlehen in der Provence und das livellum im Italien des 12. Jahrhunderts, bedeuten einen Fortschritt gegenber den Frondiensten. So gibt 1103 das Kloster Santa Maria di Montepiano, um sie zu haben, halten, bearbeiten, um Nutzen daraus zu ziehen und sie zu verbessern, Lndereien und Besitzungen in Casi und anderen Orten an einen gewissen Rainier, Sohn Bonands, und an seine Erben, gegen einfachen Lehenszins, zahlbar im Kloster jedes Jahr in der Weihnachtsoktav: vier Mnzen guten und glnzenden Geldes von Lucca, eine Schulter, zwei Pfauen und nichts weiter. In einigen Gegenden, in England vor allem, bleiben die Frondienste schwer. 1185 schulden auf einem Gut der Grafschaft Gloucester, das den Templern gehrt, die Bauernlehen zwei Tagwerke in der Woche whrend der toten Saison von Sankt Martin bis zur Heumahd; vier whrend der Heuernte, zwei von der Heuernte bis zum ersten August, sechs whrend der Kornernte: zwei am Montag und Mittwoch, eins am Dienstag und Donnerstag; zwischen der Ernte und dem Martinstag am 11. November wurden vier Tagwerke verlangt. Anderswo nahmen die Frondienstleistungen betrchtlich ab, so da zum Beispiel in Deutschland im 12. Jahrhundert die homines quotidiani, die, wie ihr Name sagt, ursprnglich die ganze Woche mit Ausnahme des Sonntags fr ihren Herrn arbeiten muten, nun weniger als sechs Arbeitstage in der Woche, und manchmal nur noch einen, schuldeten. Die Entwicklung zur Bannherrschaft hat andererseits die Zahl der servientes, der Vgte des Grundherrn, vermehrt, die darber wachen muten, da die Gutsordnung, der Friede und die Zahlung der Bannrechte eingehalten wurden. Frster, Brgermeister, Prpste, Schultheien, Intendanten (villici) zogen aus ihren mtern materiellen Gewinn und besonderes Ansehen. Sie kauften
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Allodien (Freiland), bereicherten sich, bezahlten Angestellte, Vgte, die ihre mter an ihrer Stelle ausbten. Sie wurden die wirklichen Herren der Bauerngesellschaft, der sie verhat waren. Die Herren sahen sich seit dem 12. Jahrhundert gentigt, gelegentlich durch Urkunden, ihren Mibruchen und Forderungen Grenzen zu setzen. Aber die Karrieren dieser Emporkmmlinge zeigen die Aufstiegsmglichkeiten an, die in der Bauernschaft bestanden. Die geschicktesten und glcklichsten unter diesen Ministerialen stiegen bis zur Ritterschaft, ja bis zum Adel auf. 1176 enthob der Abt von Corvey den Schultheien von Haversford, der seit zwei Generationen die Ritterwrde erlangt hatte, eines groen Teiles seiner Macht und mter. Er traf Vorkehrungen, um zu verhindern, da dieser Hof noch einmal durch Ritter verwaltet werde, denn diese Leute sind selten zufrieden mit dem, was sie haben, und haben die Angewohnheit, sich mehr anzueignen, als ihnen anvertraut ist. Die Verbesserung der buerlichen Existenz beginnt sich schlielich auch durch das Freiwerden ganzer Gemeinwesen zu uern. 1185 befreit der Abt von Ferrires-en-Gtinais fr immer und von jeder Dienstbarkeit alle Leibeigenen, Mnner wie Frauen, die jetzt in der Pfarrei Sankt Eligius und in der Bannmeile von Ferrires leben; die Dienstmannen der Kirche ebenso wie die anderen; deren Frauen, Shne und Tchter, die bereits geboren sind oder noch von ihnen geboren werden. Sie ... haben Freiheit, berall hinzugehen, wo und wann es ihnen gefllt, und ber ihren Besitz zu verfgen wie Freie ... Alle, die innerhalb der besagten Bannmeile wohnen oder dort wohnen werden, befreit die Kirche von jeder Abgabe und Steuer. Zum Dank fr diese Befreiung schuldet jede Herdsttte der Kirche jhrlich fnf Sous Lehenszins. Der Abt bewilligt ihnen auch fr die anderen Gewohnheitsrechte und Bugelder die coutume de Lorris, Freiheiten also, von denen noch die Rede sein wird. Die Bewohner von Ferrires mssen auch jeden Dienstag den Marktzoll sowie stets das Weingeld bezahlen; die Metzger haben eine Benutzungsgebhr fr die Schlachtbank zu entrichten. Bei den Ministerialen besteht der soziale Aufstieg fr die untere Schicht in der Erlangung der Freiheit; (die Verpflichtungen ihrer Dienstmannenlehen werden getilgt und durch einen Zins ersetzt). Die obere Schicht kann in den Ritterstand aufsteigen: Das Lehen des Kammerherrn und des Brgermeisters von Ferrires wird durch Handhuldigung und mit der Auflage, berittenen Kriegsdienst zu leisten, vergeben. Die wesentliche Form der buerlichen Beweglichkeit und der Erringung von Freiheiten, wenn nicht der Freiheit, entwickelt sich aber in dieser Zeit nicht am Ort, sondern fern vom Herrenhof: durch Flucht, Abwanderung in die Stadt oder durch Ansiedlung in neuen Drfern und Stdten, in Rodungs- und Kolonisationsgebieten. Die einfachste Art des Entkommens vom Herrenhof ist die Flucht. Sie fhrt den Ausbrechenden manchmal auf ein anderes Gut, das als freier bekannt ist oder, weil es gerade Arbeitskrfte sucht, dem Auswanderer gnstigere Bedingungen verspricht, als er bisher hatte. Aber meistens verstndigen sich die
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Grundherren untereinander, um die Bauern zu jagen, wenigstens jene, die sie mit mehr oder weniger Recht fr sich beanspruchen knnen, vor allem die Leibeigenen. Durch diese manchmal schriftlich bekrftigten bereinkommen sichern sich die Grundherrn gegenseitig die Rckgabe der Flchtigen zu. In anderen Fllen lassen sich die Herren diese Rckerstattung samt einer Entschdigung von der ffentlichen Macht verbrgen. Um 1160 erlangen der Abt und die Mnche von Colchester von Knig Heinrich II. (11541189) ein Schriftstck, wonach ihnen, berall wo man sie findet, ihre Flchtlinge und der Besitz, den diese mit sich genommen haben, zurckgegeben werden mssen, unter Androhung einer Strafe von zehn Pfund einer betrchtlichen Summe. Dennoch begnstigt die Gewohnheit und bald auch der geregelte Brauch eher die Flucht des Leibeigenen. Bald begrenzt der Brauch die Zeit, whrend welcher der Herr den Entflohenen zurcknehmen darf, auf vier Tage; danach war ein Urteil und oft sogar ein Schriftstck ntig, um den Flchtigen wiederzubekommen. Nach Jahr und Tag erfreute sich der in die Stadt entflohene Bauer im allgemeinen der Stadtfreiheit und des Schutzes, den diese mit sich brachte. So war die Stadt oft das Ziel des flchtigen Bauern, und bekannt ist das Sprichwort Stadtluft macht frei nach Jahr und Tag, wie die Texte oder Bruche meistens hinzusetzen. Aber ehe wir im Rahmen der Stadtentwicklung den wichtigen Vorgang der buerlichen Abwanderung in die Stadt betrachten, mu noch hervorgehoben werden, da der Bauer die Freiheit oder besser die Freiheiten auch auf den Neulndern fand. Roden macht frei, hat man mit Recht geschrieben. brigens ist oft schwer zu sagen, ob die Ortschaften in den Rodungsgebieten, die bereits erwhnten Neustdte, Drfer oder Stdte sind. Es ist bezeichnend, da die landwirtschaftliche Expansion den auf Neuland siedelnden Bauern oder Gsten erlaubte, aus den juristischen und sozialen Errungenschaften der Stdte Nutzen zu ziehen. Die Freiheitsurkunde, die Philipp II. August 1187 den Leuten von Lorris-en-Gtinais gewhrte (indem er die 1155 von seinem Vater bewilligten Privilegien erneuerte), und die in zahlreichen Siedlungen der Knigsdomne nachgeahmt wurde, bezeichnet den Ort zwar als Stadt, spricht aber von Korn- und Weinernten der Bewohner. Diese sind von der Verkaufsgebhr auf ihre Erzeugnisse, vom Militrdienst, von Steuern und Fronleistungen befreit; eine Ausnahme bildet der Transport des kniglichen Weins nach Orleans, der einmal im Jahr gegen Entschdigung bewerkstelligt werden mu. Jedermann kann seinen Besitz, wenn er will, verkaufen und nach Entrichtung der Verkaufsgebhr die Stadt verlassen, frei und ohne belstigt zu werden. Er bleibt auch in Zukunft frei und unbelstigt. Es ist begreiflich, da die Bauern von diesen Freiheiten besonders in den Neulndern profitierten, die sich in Osteuropa und in Spanien der Kolonisation erschlossen, wo die Reconquista den durch die Kriege und durch das Zurckweichen der Araber entvlkerten Boden in die Hnde der Christen legte. In einer Urkunde von 1150 erklrt der Bischof von Meissen: Ich habe an einem unbebauten und fast menschenleeren Ort tatkrftige Leute aus der Provinz
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Flandern versammelt und angesiedelt und habe ihnen und ihren Nachkommen das Khren genannte Dorf zu festem, ewigem und erblichem Besitz bergeben ... Ich habe diesen Flamen zum Gedchtnis und Zeichen des vollen Besitzes vier Mark gegeben, dazu das Dorf und achtzehn Hufe mit allen Gewohnheitsrechten, die jetzt bestehen und die sich in Zukunft bilden knnen, auf den Feldern und in den Wldern, den Wiesen und Weiden, den Gewssern, Mhlen wie an den Orten der Jagd und des Fischfangs ... Sie knnen untereinander Brot, Bier und Fleisch verkaufen, drfen aber keinen ffentlichen Markt abhalten. Darber hinaus befreien wir sie von jeder Belastung durch den Bischof, den Administrator, Brgermeister oder jeden andern Menschen. In Spanien sind die cartas de poblacion, die den Kolonisten gewhrt werden, um so liberaler, als Spanien keine eigentliche Feudalitt besitzt. Die Knigsmacht, die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Moslems, vor allem der berflu an Land verhindern die Lehensbildung. So gibt es ein Volksrittertum (caballeria popular), in das man durch die einfache Gewhrung einiger Privilegien eintritt, namentlich der Steuerfreiheit oder der Befreiung von militrischen Belastungen. Der Akt der Landnahme und Bebauung (presura) bringt manchmal ein richtiges Besitzrecht mit sich. In vielen Gegenden der Iberischen Halbinsel, vor allem in Kastilien, leben die Bauern auf Gutshfen (behetrias, aus den frhmittelalterlichen benefactorias abgeleitet), wo sie sich grozgiger Freiheiten erfreuen, darunter jener, ihren Herrn selbst zu whlen. 1017 erklrt der fuero von Len, da, wer zu dieser Gruppe gehre, gehen knne, wohin er wolle. Wenn auch die Flucht und die Mglichkeit, sich auf Neuland anzusiedeln oder in die Stadt zu gehen, den Bauern zahlreiche Gelegenheiten zum Freiwerden und zum sozialen Aufstieg boten und wenn ihnen die wirtschaftliche Entwicklung an Ort und Stelle selbst beachtliche Verbesserungen ihres Loses bescherte, so blieb dies doch hufig wenig beneidenswert, und die Verbesserungen muten oft mit Gewalt erlangt werden. Gottfried von Troyes schreibt im 12. Jahrhundert: Die Bauern, die fr alle arbeiten, die sich jederzeit abplacken und das ganze Jahr ber die von ihren Herrn verachteten Dienstleistungen ausfhren, werden unaufhrlich belstigt, und zwar, um den anderen Leben, Kleidung und Vergngen zu ermglichen. Man verfolgt sie mit Brand, Plnderung und Schwert; man wirft sie in Gefngnisse und Eisen und zwingt sie dann, sich loszukaufen, oder man ttet sie gewaltttig durch Hunger und liefert sie allen mglichen Arten der Folter aus ... Die Armen schreien, die Witwen weinen, die Waisen seufzen, die Gefolterten vergieen ihr Blut!
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Abb. 4: Der Kampf der Stnde im Zeitalter des Feudalismus: Ritter und Bauern. Bauer im Kampf gegen einen Ritter. Ausschnitt vom Nordportal des Domes von Modena
Neben der Flucht sind zweifellos Trgheit, Passivitt und Bswilligkeit die Hauptformen des Kampfes der Bauern gegen ihre Herren. 1117 ersetzt der Abt von Maursmnster (Marmoutier) im Elsa das Scharwerk, also den kostenlosen Frondienst von drei Wochentagen, der auf die karolingische Zeit zurckgeht, durch einen Geldzins. Er erklrt, da er diese Entscheidung treffen mu wegen der Saumseligkeit, Nutzlosigkeit, Trgheit und Faulheit derer, die dienen. Aber obwohl es zwischen der Mitte des 11. und dem Beginn des 14. Jahrhunderts keine groen Bauernaufstnde gibt, wie sie zum Beispiel das ausgehende 10. Jahrhundert in der Normandie gekannt hat und wie sie vom 14. bis zum 16. Jahrhundert in Europa herrschen werden, so tritt doch auch hier und da Gewaltsamkeit in den Forderungen der Bauern hervor. Heinrich I. von England (11001135) sieht zu Beginn des 12. Jahrhunderts in seinem Alptraum zuerst die Bauern ihre Werkzeuge wie Waffen gegen ihn erheben. Als Heinrich I. im Traum den Aufstand der sozialen Klassen gegen Staat und Knigtum erblickt, hat er es mit drei Schichten der dreigeteilten Gesellschaft zu tun: mit Bauern, Adel und Geistlichkeit. Wie gro auch immer innerhalb dieser Stnde die soziale Beweglichkeit im 12. Jahrhundert sein mag, das wirklich Neue erscheint anderswo. In den Stdten kndigen soziale Gruppen eine neue
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Gesellschaft an, welche die alte, gottgewollte Ordnung sprengt und in der Aufstieg oder Absinken die Hauptsnden sind. Die Entstehung der Stadtgesellschaft In den Stdten kam nmlich der Augenblick, wo die Handel und Gewerbe betreibenden Gruppen oder Einzelpersonen bemerkten, da ihre berufliche Ttigkeit nicht nur die Anerkennung von Freiheiten und wirtschaftlichen Privilegien durch die traditionell herrschenden Klassen voraussetzte, sondern auch, als Folge davon und zur Sicherheit, juristische Freiheiten und politische Macht. In die gleiche Richtung zielte die Ansicht, da wachsende wirtschaftliche Macht durch die Verleihung politischer Verantwortlichkeit und das Erlangen sozialen Ansehens besttigt werden msse. Diesen Forderungen gegenber waren sich die bisherigen Stnde nicht einig. Zunchst erlaubten es den Stdtern die unterschiedlichen Interessen und Ziele von Adel und Geistlichkeit, die sich seit der gregorianischen Reform immer weiter auseinanderlebten, inmitten solcher Rivalitten die eigenen Zwecke zu verfolgen. Kirche (und Kloster) waren nicht nur Zufluchtsorte fr die von den weltlichen Herrenhfen entflohenen Leibeigenen und Bauern; die neuen Stadtgruppen wuten auch mit viel Einfhlungsvermgen die von der Kirche seit dem Ende des 10. Jahrhunderts propagierten Friedensideale und einrichtungen auszunutzen. Die Urkunden, die den Stadtbewohnern Freiheiten gewhrten, stellten oft Friedenspakte dar. Dieser Fall war hufig, zum Beispiel in den Stdten Unterfrankens. In diesem Sinn wird auch das von Friedrich I. Barbarossa 1156 an Worms verliehene Privileg gedeutet, das vielleicht unecht ist, aber einen spteren Zustand legitimiert. Die Charta, durch die der Erzbischof von Arles zwischen 1142 und 1155 der Stadt Arles das Selbstverwaltungsrecht durch zwlf Konsuln zuerkennt, verbreitet sich ber den Frieden, den diese Einrichtung gewhren soll: Dieses Konsulat verkrpert den Frieden, die Wiederherstellung der guten alten Zeit und die Reform der Gesellschaft. Die Kirchen, Klster und alle heiligen, gottgeweihten Orte, die Straen und ffentlichen Wege, die Gewsser und das Land, alles wird von diesem Frieden beherrscht sein. Der Friede wird fr eine Dauer von fnfzig Jahren geschworen, und alle fnf Jahre schwren Fremde und Neuankmmlinge, ihn einzuhalten. Auf diese Weise wird das Konsulat erneuert und bewahrt; und die ganze Gemeinde, die so fr den Dienst an Gott und das ffentliche Wohl intakt erhalten ist, wird in ihrem Fortbestand gewhrleistet, dank der Vermittlung des Erzbischofs ... Wenn irgendwelche Zwietracht in der Stadt entsteht, darf kein Schleuderer oder Bogenschtze, mit Stein oder Bogen bewaffnet, einen anderen innerhalb der Stadt oder Ansiedlung angreifen. Und kein Fremder wird in die Gemeinde aufgenommen ohne Wunsch und Zustimmung des Bischofs und aller Konsuln. In Frankreich schlossen sich die Stdter, die um die Erlangung von Privilegien kmpften, zu Gemeinschaften zusammen, die sie communia pro pace
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Friedensgemeinschaften nannten. Auch die compagnia communis, welche die Einwohner Genuas vereinigte und mit der der Bischof 1099 einen Vertrag abschlo, war eine Friedensvereinigung. Umgekehrt verbndete sich in Stdten, in denen der Bischof die politische Macht innehatte, wie dies hufig in den ehemals karolingischen Gebieten der Fall war, der Adel, wenigstens der niedere Adel der Umgebung, mit den neuen Stdtern, um dem Bischof Zugestndnisse zu entreien. So erheben sich in einer der ersten Stadtrevolten in Mailand und der Lombardei 1036 gleichzeitig der niedere Adel der valvassores und die einfachen Ritter gegen ihre Herrn und das kleine Stadtvolk gegen die ihren, vor allem gegen Erzbischof Aribert. In Deutschland und Italien begnstigte der Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium die stdtische Unabhngigkeit sehr. Manchmal erkannten auch die Herren, vor allem die Knige, den Nutzen, den sie aus der Begnstigung der neuen Stadtgruppen ziehen konnten, sei es, um bei ihnen Bundesgenossen gegen ihre Gegner zu finden, sei es, um durch die Erhebung von Gebhren und Steuern betrchtliche Gewinne aus der stdtischen Wirtschaft zu erhalten. So erteilen vor allem die Herrscher seit der zweiten Hlfte des 11. Jahrhunderts von England bis Spanien und Italien, von Frankreich bis zu den slawischen Grenzmarken Privilegien und Freiheiten. Heinrich I. von England bewilligte den Brgern von Newcastle- upon-Tyne eine Reihe von Freiheiten, darunter das Recht auf freien Handel und das Handelsmonopol innerhalb der Stadt; auerdem durften sie entflohene Bauern binnen Jahr und Tag als Brger in der Stadt aufnehmen und brauchten keine Gebhr fr Fremdheirat, Erbfall oder hnliches zu bezahlen (merchet, heriot, bloodwite, Stengesdint). In einem Rechtsstreit kann der Brger nicht aufgefordert werden, sich physisch im Kampf zu verteidigen, sondern sein Schwur gengt; der in seinem Haus lebende Sohn erfreut sich der gleichen Freiheit wie er. Der 1076 von Alfons VI. von Kastilien (10721109) Sepulveda gewhrte fuero zeigt, wie wenigstens in gewissen Grenzgebieten (Extremadura oder Sierra) die Stdte nicht nur den einfach der Unterdrckung Entflohenen, sondern auch Mrdern, Dieben und allen Arten von belttern als Zufluchtsort gedient haben. Wer immer in Sepulveda mit einer Konkubine verheiratet oder nicht oder mit gestohlenem Gut ankam, erfreute sich des Schutzes der Gemeinde gegenber seinen Verfolgern. Nach der Ermordung eines Kastiliers gengte es, den Duero zu erreichen, um gesetzlich vor jeder Verfolgung geschtzt zu sein. Die Geschichte der Grndung Lbecks im 12. Jahrhundert, wie Helmold sie in seiner Chronica Slavorum (Slawenchronik) um 1171 erzhlt, zeigt gut, was die Stadtbewegung zusammen mit dem Bevlkerungszuwachs und dem wirtschaftlichen Aufschwung bedeutete: Adolf, Graf von Holstein, begann das Schlo von Segeberg wiederaufzubauen und umgab es mit einer Mauer. Aber, da das Land menschenleer war, schickte er in alle Lnder Boten, nach Flandern, Holland, Utrecht, Westfalen, Friesland und lud alle, die kein Land besaen, ein,
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mit ihren Familien zu kommen: sie wrden gutes, ausgedehntes und fruchtbares Land erhalten, das Fleisch und Fische im berflu hervorbringe und ausgezeichnete Weiden bese ... Auf diesen Aufruf hin machte sich eine zahllose Menschenmenge der verschiedenen Vlker mit ihren Familien und ihrem Besitz auf den Weg und kam ins Land der Wagrier ... Darauf gelangte Graf Adolf an einen Bucu genannten Ort und fand dort die Mauern einer verlassenen Burg, die ehemals Cruto, der Feind Gottes, erbaut hatte und eine sehr groe, von zwei Flssen eingefate Insel: auf einer Seite fliet die Trave, auf der anderen die Wakenitz, die beide sumpfige und schwer zugngliche Ufer haben. Auf der Landseite befindet sich jedoch ein ziemlich schmaler Hgel vor der Mauer. Nachdem er klarsichtig erkannt hatte, wie zweckmig die Lage war und wie ausgezeichnet der Hafen, begann der Graf mit dem Bau einer Stadt, die er Lbeck nannte, weil sie nicht weit von dem alten Port und der Stadt gleichen Namens entfernt lag, die einst der (slawische) Prinz Heinrich errichtet hatte. Schon Heinrich der Lwe (geb. 1129, gest. 1195) sucht sich vergeblich mit Adolf II. von Holstein (11301164) zu verstndigen und trifft Vorkehrungen, um seine Stadt Bardowiek zu verteidigen, die unter einer schweren Entvlkerung wegen des Marktes von Lbeck leidet, denn alle Hndler etablieren sich dort. 1157 wurde die Stadt Lbeck durch einen Brand vernichtet. Die Kaufleute und anderen Bewohner schickten dem Herzog Abgesandte, die ihm erklrten: Schon seit langem haben wir auf Eure Anordnungen hin keinen Markt in Lbeck. Bis jetzt sind wir in der Stadt geblieben mit der Hoffnung, durch Eure Gnade und Huld das Marktrecht wieder zu erlangen; auch konnten wir uns nicht entschlieen, die mit groen Ausgaben errichteten Huser aufzugeben. Aber jetzt, da unsere Huser abgebrannt sind, wre es sinnlos, sie an einem Ort, wo man keinen Markt halten darf, wiederaufzubauen. Bezeichnet uns doch nach Eurem Gefallen einen Ort, um eine Stadt zu grnden. Nachdem die Neugrndung ein Mierfolg war, gelang es Heinrich dem Lwen endlich, von Adolf von Holstein den Platz von Lbeck zu erhalten. Sofort kehrten auf Anordnung des Herzogs die Kaufleute mit Freuden dorthin zurck, verlieen die unbequeme neue Stadt und begannen, Kirche und Stadtmauern wieder aufzurichten. Der Herzog schickte Boten in die Stdte und Staaten des Nordens, nach Dnemark, Schweden, Norwegen und Ruland, bot ihnen Frieden, freien Zugang und Durchzug durch seine Stadt Lbeck. Er grndete dort eine Mnze und einen Zoll und bewilligte der Stadt die wichtigsten Privilegien. Seitdem nahm die Geschftigkeit der Stadt immer mehr zu und die Einwohnerzahl erhhte sich in groem Mae. Wenn die Brger, vor allem in den neuen Stdten, relativ leicht Freiheiten seitens der Herren erlangten, so war das in den meisten alten Stdten nicht in gleicher Weise der Fall, so da dort die neue Stadtschicht ihre Freiheiten mit Gewalt an sich ri. Daher spielte die zu Beginn eher heimliche militrische Organisation dieser gewaltsam ihre Forderungen durchsetzenden Gruppen eine groe Rolle. Im Gegensatz zu den Bauern, die im allgemeinen ohne Warfen (ihre
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armseligen Werkzeuge dienten ihnen gelegentlich als solche) und unfhig waren, sich militrisch zu organisieren, konnten die Stdter oft die herrschaftliche Streitmacht zwar nicht direkt besiegen, aber die Herren doch gengend beunruhigen, um ihnen Zugestndnisse zu entreien. Die Bedeutung dieser stdtischen Militrmacht wurde der bestrzten Feudalwelt offenbar, als die lombardische Kommunalmiliz das Ritterheer Friedrich Barbarossas 1176 in Legnano vernichtete. Der Widerstand der alten sozialen und politischen Mchte war um so aktiver, als sich zu der Interessenverteidigung noch Unverstndnis, Verachtung, Zorn und Furcht gesellten angesichts dieser vom Militr- und Grundadel durch ihren Beruf, ihre Lebensart und Denkweise so verschiedenen Menschen. Fast alle geistlichen Chronisten werfen auf dieses gefhrliche Natterngezcht den Bannfluch. Communia autem novum ac pessimum nomen! Kommune, ein neues, ein hassenswertes Wort!, ruft zu Beginn des 12. Jahrhunderts Guibert von Nogent aus, und er lt den Erzbischof von Reims in einer Predigt whrend einer Shnezeremonie, die fr die Verunreinigung einer Kirche durch aufstndische Brger gehalten wurde, von diesen verabscheuungswrdigen Kommunen sprechen, in denen sich wider alles Recht und gttliche Gesetz die Leibeigenen der Gewalt ihrer Herren entziehen. Um zu erkennen, bis zu welchem Ma an Gewaltttigkeit und Ha der Zusammenprall zwischen den neuen Stadtschichten und der alten Macht fhrte, mu man Berichte lesen wie den in den Annales Lamberts von Hersfeld ber die Volksrevolte in Kln gegen den Erzbischof, der 1074 das Schiff eines Kaufmanns entladen lassen will, um es seinem Freund, dem Bischof von Mnster, zur Verfgung zu stellen. Guibert von Nogent berichtet von dem Aufruhr der Bewohner von Laon 1115 gegen ihren Bischof; dieser wird aus dem Fa, in dem er sich versteckt hat, gezogen und niedergemetzelt. Dem Leichnam schneidet man den Finger mit dem Bischofsring ab. Die Bewohner von Santiago de Compostela versuchen, ihren ersten Erzbischof Diego Gelmirez (seit 1120, nachdem er 1100 Bischof der Stadt geworden war) whrend eines Aufstands in einem Turm, an den sie Feuer legen, zu verbrennen (Bericht in der Historia Compostellana). Die Stadtbewegung in der gesamten Christenheit hat jedoch keineswegs allen Aufstndischen den gleichen Grad an Unabhngigkeit gebracht. Oft mssen sie sich mit bestimmten Privilegien, vor allem mit wirtschaftlichen Freiheiten, die ihren Anfhrern wichtig sind, zufriedengeben. Bestenfalls gelangen sie dahin, sich der Stadtgewalt zu bemchtigen und die Anerkennung ihrer Kommune durchzusetzen; sie wird durch ihre Vertreter regiert, die im allgemeinen im Norden Schffen (chevins bzw. scabini) und im Sden Konsuln (consules) heien, ohne da man bei letzteren den Zusammenhang zwischen diesem Stadtmagistrat und den Wrdentrgern, die in rmischer oder karolingischer Zeit den gleichen Namen tragen, genau kennt.
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Neben dem Schlo, der Kathedrale und dem Bischofspalais, wo sich die ehemaligen Herren verschanzen, die ihre Macht niedergelegt oder, hufiger, geteilt haben, erscheinen von nun an neue Gebude, welche die junge und zunehmende Macht der Brger bekunden: die Halle, in der die Stadtbeamten die Waren kontrollieren, das Zollgebude, in dem sie die eingefhrten Produkte schtzen, das Zunfthaus, in dem sich die reichsten der neuen Herren versammeln, das Rathaus, in dem die Stadtschffen oder Konsuln amtieren. Neben den Kirchenglocken erklingen nun manchmal die weltlichen Gemeindeglocken der Belfriede, die die Ereignisse einer anderen, weltlichen Ordnung verknden: Versammlung eines Stadtrats oder der Brgerschaft im Fall der Not oder einer Gefahr. In alledem erkennt man das enge Ineinandergreifen der Wirtschafts- und besonders der Handelsinteressen und der politischen Gewalten. Wer in der Markthalle befiehlt, sitzt auch im Rat. Mit diesen neuen politischen Organen gleichlaufend und manchmal mehr oder weniger vermischt, vereinigen Berufsverbnde die Hauptvertreter dieser neuen Schicht: die Gilden oder Korporationen. In bestimmten Fllen deckt sich eine religise Bindung in etwa mit einer Berufs- und Gesellschaftsgruppe. Dann ist es eine Bruderschaft, welche einflureiche Brger zusammenschliet. Manchmal vereinigen sich die Mitglieder dieser am internationalen Handel beteiligten Gilden oder Korporationen von einer Stadt zur andern; diese Bndnisse, die man vor allem im Norden antrifft, heien im allgemeinen Hansen. Sie knnen auch die wichtigsten Kaufleute einer Stadt oder Gegend, die mit einer anderen Stadt oder einem bestimmten Land Handel treiben, zusammenfassen. So vereinigte die Hanse von London in Flandern, die wahrscheinlich erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstanden ist, flmische Kaufleute, die mit England handelten. Die bedeutendste dieser Kaufmannsvereinigungen wurde jene, die seit 1161 unter der Herrschaft Heinrichs des Lwen Die Gemeinschaft der Kaufleute des Rmischen Reiches, die Gotland besuchen (universi mercatores imperii Romani Gotlandiam frequentantes) vereinigte und aus der eine der groen wirtschaftlichen und politischen Mchte des Mittelalters hervorgehen sollte: die eigentliche Hanse. In diesen Genossenschaften saen, wie in den Stadtrten und Konsulaten, nicht die Vertreter der ganzen Stadtbevlkerung, nicht einmal all jene, die die volle Ausbung aller stdtischen Privilegien erlangt hatten die Brger , sondern nur die reichsten und mchtigsten unter ihnen oder ihre Vertreter. Wenn auch die Zunahme der Stadtbevlkerung durch den Zuzug von Auswanderern vor allem von Bauern bedeutend blieb, so machte sich doch schon am Ende des 12. Jahrhunderts an verschiedenen Orten die Tendenz, diese Emigration und den Eintritt in die Bourgeoisie zu regeln, bemerkbar; vor allem blieb die tatschliche wirtschaftliche und diplomatische Macht einer kleinen Gruppe von Familien vorbehalten: dem Patriziat, das die Schffen und Konsuln stellte und aus den wichtigsten Kaufleuten, besonders den Fernkaufleuten und
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den Vorsitzenden der Hauptkorporationen bestand. Das Vermgen dieser Familien grndete sich brigens mehr und mehr ebensosehr auf den Handelsund Industriegewinn wie auf den Besitz von Lndereien und Stadthusern. In Kln zum Beispiel festigte sich dieses aufblhende Patriziat, das die Revolte von 1074 gegen den Erzbischof angefhrt hatte, indem es 1106 eine durch mndlichen Schwur verbundene und 1112 vom Erzbischof anerkannte Gemeinschaft bildete. Von nun an regierte diese Genossenschaft durch eine aus ihr entstandene Gruppe von Reichen, die Richerzeche, und besa ein Siegel und ein Rathaus. Der Rat erschien erst 1216. Eine Definition dieses Patriziats gibt 1165 ein Text aus Soest, der von meliores ... quorum auctoritate pretaxata villa tunc pollebat et in quibus summa iuris et rerum consistebat spricht, von der Gruppe der Besten, auf deren Autoritt das Gedeihen der Stadt beruhte und die in ihren Hnden Hauptmacht und -vermgen vereinigte. Es ist nicht allein diese soziale Auffcherung der Stadtbewohner, die verhindert, da sich stdtische und lndliche Bevlkerung scharf entgegentreten; jedenfalls nicht mehr als Bauern und Ritter. Wir haben gesehen, da sich die Ministerialen von der Leibeigenschaft bis zum Rittertum erheben konnten. Andere blieben Bauern, konnten aber einem spezialisierten Handwerk nachgehen. In Mittel- und Osteuropa, vor allem in Polen und Bhmen, findet man im 11. und 12. Jahrhundert sogar ganze Drfer mit einer Anzahl von Ministerialen, die sich auf diese oder jene wirtschaftliche Aufgabe spezialisiert haben: Kfer, Teppichweber, Honiglieferanten, Schmelzer, Sattler, Falkner, Schildmacher, Wagner usw .... deren Namen man heute noch in polnischen Drfern wiederfindet: bednary, kobierniki, miodary, rudniki, siodlary, sokolniki, szczytniki, wozniki usw. Manchmal erhielten diese lndlichen Handwerker, obgleich sie unfreien Standes waren, fr ihren Lebensunterhalt ein Stck Land zu Lehen und leisteten, ganz wie ein Vasall, die Lehenshuldigung, eine Dienstmannenhuldigung. Auf einem Herrenhof in der Gegend von Toulouse zum Beispiel, der dem Malteserorden gehrte, schwor 1197 ein Leibeigener auf die Bibel, aufrecht und treu zu sein und nicht zu fliehen. In Spanien haben wir eine nichtadlige Ritterschaft kennengelernt. Auf der anderen Seite treten die Stdte mit ihren Siegeln hufig wie Herrschaften auf, und sie ben auf ihre lndliche Umgebung, ihre Bannmeile, ganz wie ein Herr auf seinem Hof alle Bannmacht aus. Man darf brigens nicht glauben, da sich Adel und Brgerschaft ohne feine Unterschiede gegenberstehen, aber auch nicht, da sie sich berall durch ihre Lebensweise, die fr die einen stdtisch, fr die anderen ritterlich und lndlich ist, unterscheiden. Das Konsulat von Arles zum Beispiel, das zwischen 1142 und 1155 entsteht, umfat 12 Konsuln; davon sind vier Ritter, von den restlichen acht vertreten vier den Ort (das sind Brger im eigentlichen Sinne), zwei den Markt und zwei die Vorstadt Borriano. In Italien haben die Adligen schon frh Stadthuser und viele, besonders die aus lndlichen Ministerialen hervorgegangenen, beteiligen sich aktiv an Handel und Geschften. Als Otto von
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Freising mit seinem Neffen Friedrich Barbarossa in der Mitte des 12. Jahrhunderts nach Italien zieht, ist er erstaunt und entrstet, da in den lombardischen Stdten Adlige unter der Stadtherrschaft leben, da junge Mnner von niederer Herkunft und sogar Handwerker bis zur Ritterschaft aufsteigen knnen und da diese Stdte ihre Umgebung (comitatus, contado) beherrschen. Umgekehrt wundert sich in der ersten Hlfte des 13. Jahrhunderts der italienische Franziskaner Fra Salimbene von Parma, da in Frankreich nur Brger in der Stadt wohnen, Ritter und Adel aber auf ihren Burgen und Lndereien bleiben. Wie immer es aber um die sozialen Unterschiede der Regionen, um die Beweglichkeit der verschiedenen Stnde, um die Neigung des Stadtbrgertums zum Sich-Abschlieen nach auen bestellt sein mag: am Ende des 12. Jahrhunderts berrascht gegenber der lndlichen, von einem Herrn regierten und im eigentlichen Sinn feudalen Gesellschaft eine neue, andersartig gegliederte Gesellschaft, die sich durch ihre Aktivitt, ihren sozialen und politischen Aufbau und ihre Mentalitt der berkommenen Ordnung entgegenstellt. Es ist eine Gesellschaft von Gleichen, die ein Eid bindet, gegenber einem auf der Treue begrndeten, hierarchischen Stufenbau. In der Ritterepik jener Zeit erstaunt sie oft oder ruft Aufsehen hervor. Der Ritter, der eine Stadt betritt, wird gleich Chrtien de Troyes Perceval von Staunen erfat. Denn die Stadt ist: ansehnlicher Leute voll, und die Tische der Geldwechsler sind ganz mit Mnzen bedeckt. Er sah die Pltze und Straen voll von guten Arbeitern, die verschiedene Handwerke ausbten: jene polierten die Schwerter, die einen walkten Tuche, andere webten, jene hechelten, diese schoren sie, andere schmolzen Gold und Silber und machten gute und schne Werke davon, machten Pokale und Schalen und emailliertes Geschmeide Ringe, Grtel und Schlieen. Man htte glauben und sagen knnen, da in der Stadt immerzu Markt sei, so sehr war sie des Reichtums voll an Wachs, an Pfeffer, Scharlachrte, an kleinen grauen Pelzen und aller Art von Waren.
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Aber die Bewunderung des Ritters schlgt leicht in Ha und Begehrlichkeit um. Sobald er sich von der Stadt entfernt, wird der Brger Beute und Zielscheibe des Adligen: Ah! uns zu Hunderten und Tausenden zusammenschlieen, da man noch nach uns davon singen wird! Hrner, Trommeln, Fahnen und Paniere, Wappen und Pferde, weie und schwarze, werden bald versammelt sein, das wird ein schnes Leben werden! Man wird ihr Gut den Wucherern nehmen, und auf dem Wege ziehen keine Wagenzge mehr an ruhigen Tagen, noch unbelstigte Brger, noch Hndler, die nach Frankreich kommen; aber der wird reich sein, der frohen Herzens plndert! Dies singt der Troubadour Bertran de Born, der ein Gefhrte Richard Lwenherz (11891199) war, ehe er Zisterziensermnch wurde. So sieht eine Gesellschaft, welche die Gefahr liebt und sucht, voller Ha, wie sich eine andere entwickelt, die Sicherheit und Ruhe fr ihre Geschfte und ihr Glck anstrebt und die auf den groen Straen nur dem Risiko des Handels begegnen will. Das brgerliche Friedensideal ist eine Herausforderung an das Ritterideal der Heldentat. 4. Politische Auswirkungen Das politische Krftespiel: christliche Einheit, feudale Aufsplitterung, monarchische Zusammenfassung Die politischen Krfte, denen der Bevlkerungszuwachs, der wirtschaftliche Aufschwung und die Untersttzung herrschender oder aufsteigender sozialer Gruppen zugute kommen, streben nicht alle in die gleiche Richtung. Die Zeit von der Mitte des 11. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts stellt sich auf politischer Ebene vor allem als ein Feld gegeneinander streitender Krfte dar, deren Zukunftsaussichten nicht klar ersichtlich sind. Der allgemeine Aufschwung, der die westliche Christenheit belebt, scheint die Einheit zu begnstigen, und die beiden Hauptmchte, welche diese Einheit symbolisieren, nehmen tatschlich den Vordergrund der politischen Szene ein: Kaiser und Papst. Gemeinsame militrische Unternehmungen, die Kreuzzge, vom Papsttum angeregt, scheinen alle Stnde, alle christlichen Frsten zu erfassen. Sogar die Wikinger verwandeln sich in Kreuzfahrer. So wendet sich der norwegische Knig Sigurd zwischen 1107 und 1111 von der traditionellen englischen Zielscheibe ab und zieht ins Heilige Land, wo er sich an der Belagerung Sidons beteiligt; vorher unternimmt er eine richtige Rundreise durch
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die Christenheit nach England, wo ihn Heinrich I. gut empfngt, nach Frankreich und auf die Iberische Halbinsel, wo er den Mauren Lissabon abnimmt; ber die Insel Formentera gelangt er nach Sizilien und empfindet fr den Normannen Roger II. eine solche Hochachtung, da er ihn, nach der Saga, vom Jarl zum Knig macht. Aber nicht nur, da diese geistige oder gelegentlich militrische Gemeinschaft zu keiner politischen Einigung fhrt; die beiden Mchte, Kaiserund Papsttum, die dieses Vorhaben gemeinsam verwirklichen knnten, streiten sich vielmehr die ganze Zeit hindurch um die Fhrung und kmpfen um das dominium mundi, die Weltherrschaft. Dieser Konflikt zwischen Sacerdotium und Imperium, bei dem sich Geistliches und Zeitliches eng vermischen, ist auch ein politischer Kampf. In der ganzen Christenheit ist die Einheit vom anwachsenden Konflikt zwischen Laien und Klerikern, dem Stand der bellatores (der Militrschicht) und dem der oratores (dem geistlichen Stand) bedroht, deren gemeinsame und gegenstzliche Interessen miteinander in Widerstreit liegen. Die unter zwei Huptern vereinigte Christenheit, die im Jahr 1000 mit Otto III. (9831002) und Silvester II. (9991003) in Aussicht stand, und die vielleicht noch in der Zeit Kaiser Heinrichs III. (10391056) zu verwirklichen war, wird bald ein reiner Traum, den Dante am Ende des 13. Jahrhunderts aufnimmt. Es kann sogar, ganz im Gegenteil, so aussehen, als ob das ungeordnete Wachstum, das sich berall zeigt, seinen politischen Rahmen in kleinsten lokalen und regionalen Gemeinschaften finden wird. Diese politische Zersplitterung des westlichen Aufstiegs scheint sich um zwei, in ihren wirtschaftlichen Interessen, ihrem sozialen Aufbau und ihrer Mentalitt hufig gegenstzliche Brennpunkte zu vollziehen: Feudalwelt und Stdte. Wer wird den Sieg davontragen? Oder wird es eine mehr oder weniger geographische Aufteilung der politischen Macht zwischen diesen beiden Organisationsformen geben: im Sden der schon von Otto von Freising in Norditalien festgestellte Sieg der Stdte, wo das Land ganz und gar zwischen den Stdten aufgeteilt ist, die die Bewohner ihrer Provinzen dazu gebracht haben, unter ihren Gesetzen zu leben, im Norden der Erfolg von Feudalherrn wie Heinrich dem Lwen, der um die gleiche Zeit die Leute von Lbeck zwingt, sich ihm zu unterwerfen, um ihren Handel fortsetzen und weiterentwickeln zu knnen? Man kann jedoch und der moderne Historiker, der die Geschichte berblickt, hat natrlich kein Verdienst, das festzustellen zwischen der politischen Einheit und der gnzlichen Aufsplitterung eine Zwischenebene erkennen, wo Anfhrer einer anderen Art langsam an Einflu gewinnen, ohne da sie am Ende des 12. Jahrhunderts schon gesiegt htten: die Knige in ihren Reichen. Ihre Autoritt ist zwiefacher Natur: es handelt sich einerseits um eine religise, vom Christentum mit seiner Salbung versehene Macht, die aus dem doppelten Erbe der alten Stammesherrschaften und der orientalischen Monarchien (jene der Bibel mit eingeschlossen) hervorgeht; und andererseits um eine hhere politische Macht, die der res publica, des Staates, der ffentlichen Gewalt in der griechischrmischen Tradition. Im Gegensatz zu den kaiserlich-ppstlichen
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Herrschaftszeichen (seit dem 11. Jahrhundert trgt der Papst die Tiara als Gegenstck zur Kaiserkrone anstelle der alten Mtze, des phrygiums; dazu kommen Kreuz, Weltkugel und Schwert, welche die Weltmacht darstellen) symbolisieren die Insignien der Knigsmacht diesen Doppelcharakter (Krone und Zepter), der sich whrend der Weihe bekrftigt. Auf diese Weise ideologisch ausgerstet, haben die Knige vor ihren zahlreichen Gegnern voraus, da sie die einen gegen die andern ausspielen knnen, weil sie der feudalen Hierarchie angehren und ihr gleichzeitig berlegen sind. Sie sind die Beschtzer der Kirche und von ihr gesalbt, aber auch die Herrn des Klerus in ihrem Reich kraft ihrer ffentlichen Macht. Die franzsischen Knige haben zum Beispiel immer sorgfltig vermieden, fr die Lehen, die sie besitzen, eine Huldigung zu leisten: Ludwig VI. (11081137) lt das zu Anfang des 12. Jahrhunderts von seiner Kanzlei festhalten, als er in SaintDenis das Banner Oriflamme holen kommt, das er von der Abtei fr sein Lehen, das Vexin, innehat, und es in seiner Kirche deponiert. Sie knnen zwischen den verschiedenen sozialen Stnden die Rolle des Schiedsrichters spielen und versumen nicht, den Brgern ihrer Stdte und den Bauern ihrer Lndereien Freiheiten zu gewhren, die aus diesen einen Anziehungspunkt und einen Modellfall fr den brigen Staat machen. Endlich sind sie die politischen Anfhrer von Gebieten, deren Ausdehnung sich ndern kann, deren Grenzen Geographie und Geschichte gezogen haben und die im Frhmittelalter noch keineswegs festliegen, die aber im allgemeinen einem wirtschaftlichen Optimalareal entsprechen; hier sind die Knige durch die ideologische Natur ihrer Macht, selbst noch ehe sie eine tatschliche materielle Gewalt, die zudem noch oft schwankt, erreicht haben, am ehesten in der Lage, jenen Frieden aufrechtzuerhalten, dessen tiefe Bedeutung fr die wirtschaftliche Blte und die Entwicklung der aufsteigenden Sozialklassen im 11. und 12. Jahrhundert wir gesehen haben. Kaiser und Papst im Kampf um das dominium mundi Der Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium erscheint heute wie ein Illusionstheater, wie ein grosprecherisches Spektakel der Vorbhne, das die ernsthaften Dinge im Hintergrund verdeckt. Aber er hat tiefe und vielfltige Krfte auf den Plan gerufen, deren Dasein man nicht vergessen darf. Das Sacerdotium ist die uerlichste Erscheinung der Kirche und des Papsttums, das extremste Ma ihrer Anteilnahme an Zeit und weltlichen Angelegenheiten. Aber diese Oberflche bildet nicht nur mit einer vielschichtigen, tief eingewurzelten, weitlufigen Kirche ein Ganzes, sondern auch mit der Gesamtheit der mehr oder minder mit den obersten Einrichtungen der herrschenden Religion einverstandenen Christen. Wie soll man das Sacerdotium von der Kirche und die Kirche vom religisen Leben trennen? Die gregorianische Reform, deren politische Auswirkung der Kampf zwischen Kaiser und Papst ist, reicht weit ber diesen Zusammenprall hinaus und geht selbst in einer greren Bewegung
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auf, einem religisen Grungsproze, dessen verschiedene Aspekte die Erneuerung der Einsiedlertradition, die kanonische Reform, das Auftauchen neuer Orden und sogar die Blte von Hresien sind, von denen wir weiter unten sprechen werden.
Abb. 5: Sacerdotium und Imperium. Kaiser Otto II. verleiht dem heiligen Adalbert die Investitur. Ausschnitt der Bronzetren der Kathedrale von Gnesen (Polen)
Der Kampf, der die ganze Christenheit erfat, hat vor allem Deutschland und Italien zum Schauplatz, und diese beiden Lnder sind nicht nur Kulissen oder Einsatz im Spiel; sie haben groen Einflu auf den Streit und werden von ihm tiefgreifend umgewandelt. Die Schilderung des Einzelkampfes, den sich Papst und Kaiser liefern, aus diesem Zusammenhang zu lsen, ist eine Abstrahierung; einzig die Klarheit der Darstellung erheischt solche Trennungen, die man aber jeweils im Gedchtnis in die Vielfalt der konkreten Situationen eingliedern soll. Whrend Byzanz das Problem durch die Vereinigung der geistlichen und weltlichen Macht in der Person des Kaisers lste und den Patriarchen dem basileus unterstellte, was man den Caesaro-papismus genannt hat, hatte der Westen die Beziehungen zwischen diesen beiden Herrschaftsbereichen, Mchten und Persnlichkeiten nicht klar festgelegt. Die zunehmende Spannung mit Byzanz, die sich nach 1054 verschrfte, zwang die westliche Christenheit, das Problem entschieden anzugehen. Aber von Anfang an waren die Gegebenheiten im Westen von denen des Ostens vllig verschieden. Die Kaiser waren trotz
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Otto III. nur noch dem Namen nach rmisch. Ihr eigenes Herrschaftsgebiet, Germanien, war von dem der Ppste geographisch unterschieden, die sich seit dem 8. Jahrhundert in und um Rom einen direkt ihrer weltlichen Macht unterstellten Landbesitz gesichert hatten: Das Patrimonium Petri. In Wirklichkeit jngeren Ursprungs, lieen die Kaiser ihrer Autoritt einen ganzen, in praktisch unabhngige Knigreiche zerstckelten Teil der westlichen Christenheit entschlpfen. Zwar hatten sich die Ottonen das Papsttum unterstellt, und die Salier schienen unter Heinrich III. (10391056) die Kirche um so besser zu beherrschen, als dieser Kaiser die kirchliche Reformbewegung untersttzte und so seine Autoritt ber Kirche und Papsttum ausdehnte, indem er die Reformparteien begnstigte. Whrend er den deutschen Bischfen nicht nur die Investitur mit dem Stab, sondern auch mit dem Ring bewilligte und ihnen so auer der zeitlichen auch die mystische Autoritt bertrug, richtete er das in Mikredit gebrachte Papsttum wieder auf, setzte drei rivalisierende Ppste ab und ersetzte sie nacheinander durch deutsche Ppste, Clemens II. (1046/47), Leo IX. (1049 bis 1054) vor allem, endlich Viktor II. (10551057). Aber diese Politik konnte sich einem grundstzlichen inneren Widerspruch nicht entziehen. Obschon die Reformpartei in der Kirche zunchst zwei unmittelbare Hauptziele verfolgte: die Abschaffung der Simonie (das heit des mterkaufs durch Priester und Bischfe, so wie Simon der Magier von Petrus die Gabe, Wunder zu wirken, kaufen wollte) und den Zlibat der Priester, so fhrte dieses Vorhaben wissentlich oder nicht zu einem viel radikaleren Ziel: die kirchliche Ordnung zu einer unabhngigen Ordnung zu machen, wenigstens die geistliche Seite der Kirche der Einmischung der Laien zu entziehen, den weltlichen Herrn die Ernennung der Bischfe, bte und Pfarrer zu entreien und die Laieninvestitur auf die Gewhrung der weltlichen Dinge zu beschrnken. Und welcher Laie mischte sich mehr in die Angelegenheiten der Kirche ein als der Kaiser? Da er sich mehr als jeder andere Souvern in seinem Reich auf den Klerus sttzte, berwachte er ihn auch mehr als jeder andere, und in Rom verfgte er ber die Ernennung des Papstes. Notgedrungen richteten sich die Unabhngigkeitsbestrebungen der Kirche gegen ihn. Er ist der erklrte Gegner der gregorianischen Reform. Der neue Kaiser Heinrich IV. (10561106) ist 1056 sechs Jahre alt. Die Gelegenheit ist gnstig. Zwei Strmungen zeichnen sich in der Kirche ab. Die gemigten Reformer wollen sich mit Lsungen hnlich denen Heinrichs III. zufriedengeben; ihr bedeutendster Vertreter, Petrus Damiani, verkrpert als Kardinal und als Apostel des eremitischen Lebens die beiden Aspekte der Reform. Die radikalen Reformer werden von den Kardinalen Hildebrand und Humbert von Moyenmoutier angefhrt (dessen Traktat gegen die Simonisten aus dem Jahr 1058 stammt). Papst Nikolaus II. entscheidet sich fr den Radikalismus. Er ffnet der Reform den Weg, indem er die kanonischen Bestimmungen des rmischen Konzils von 1059 publiziert, das die Priesterehe
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verdammt, allen Klerikern untersagt, aus den Hnden von Laien ein kirchliches Beneficium entgegenzunehmen, und den Kardinalen allein die Papstwahl vorbehlt. Diese Reform sollte die gregorianische werden, denn 1073 wurde Hildebrand Papst Gregor VII. (10731085). Sofort versuchte er, die Reform zu verwirklichen, setzte simonistische Kleriker ab, enthob unenthaltsame Priester ihres Amtes und schickte Legaten nach Frankreich und vor allem nach Deutschland, um seine Entscheidungen zur Anwendung zu bringen. 1075 verffentlichte er ein Dekret, das die Laieninvestitur verdammte. Um dieses Problem zentrierte sich jahrzehntelang der Kampf zwischen Papsttum und weltlichem Herrn, vor allem dem Kaiser, so da dieser erste Abschnitt des Streites zwischen Sacerdotium und Imperium von den Historikern traditionsgem der Investiturstreit genannt wird. Gregor lie fr seinen persnlichen Gebrauch ein Memorandum redigieren, Dictatus Papae genannt, das die Grundstze der ppstlichen Herrschaft festlegte (1075).
Dictatus Papae I. Die rmische Kirche wurde allein durch den Herrn gegrndet. II. Nur der rmische Bischof wird zu Recht universal genannt. III. Nur er kann die Bischfe absetzen oder lossprechen. IV. Sein Bevollmchtigter steht in einem Konzil ber allen Bischfen, selbst wenn er ihnen durch seine Weihe unterlegen ist, und er kann gegen sie eine Absetzungsformel aussprechen. V. Der Papst kann Abwesende absetzen. VI. Mit denen, die er exkommuniziert, kann man unter anderem nicht mehr unter dem gleichen Dach leben. VII. Er allein kann je nach der Notwendigkeit neue Gesetze er lassen, neue Vlker vereinigen, eine Kollegiatskirche zur Abtei erheben, ein reiches Bistum teilen und arme Dizesen zusammenlegen. VIII. Er allein kann sich kaiserlicher Insignien bedienen. IX. Der Papst ist der einzige Mensch, dem alle Frsten die Fe kssen. X. Er ist der einzige, dessen Name in allen Kirchen ausgesprochen wird. XI. Sein Name ist einzig in der Welt. XII. Er kann Kaiser absetzen. XIII. Er darf Bischfe von einem Stuhl auf einen andern versetzen, je nach Notwendigkeit. XIV. Er hat das Recht, einen Priester in jeder beliebigen Kirche, wo immer er will, zu weihen. XV. Wer von ihm geweiht ist, kann der Kirche eines anderen Vorschriften machen, aber nicht Krieg fhren; er darf von keinem anderen Bischof einen hheren Rang erhalten.
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XVI. Keine allgemeine Synode kann ohne seine Zustimmung einberufen werden. XVII. Kein Text oder Buch kann kanonischen Wert erhalten auerhalb seiner Autoritt. XVIII. Sein Urteil darf von niemandem verndert werden, und nur er kann die Urteile aller abndern. XIX. Er darf von niemand gerichtet werden. XX. Niemand kann den verurteilen, der an den Apostolischen Stuhl appelliert. XXI. Alle causae maiores jeder Kirche mssen ihm vorgetragen werden. XXII. Der rmische Bischof, kanonisch eingesetzt, wird unzweifelhaft durch die Verdienste des gottseligen Petrus geheiligt ... XXIV. Auf Befehl und mit Zustimmung des Papstes ist es den Untergebenen erlaubt, eine Anklage vorzutragen. XXV. Er kann auch auerhalb einer Bischofsversammlung Bischfe absetzen und lossprechen. XXVI. Wer nicht mit der rmischen Kirche ist, darf nicht als katholisch angesehen werden. XXVII. Der Papst kann die Glubigen von dem, einem Ungerechten gemachten, Treueid entbinden. Diese Prinzipien werden von einer ganzen Reihe von kirchlichen Schriftstellern aufgenommen und weiterentwickelt, deren eifrigster Manegold von Lautenbach ist, der mit Kraft und Klarheit den gregorianischen Standpunkt in seinem Brief an Gebhard von Salzburg um 1085 darlegt. Darauf antwortet eine antigregorianische Gruppe mit mehreren Schriften. Die einen versichern lediglich, da der Knig seine Autoritt von Gott allein erhlt (so der Anonymus von York 1102, denn der Streit breitet sich auch auf andere Lnder als Deutschland aus, wo er allerdings seinen zugespitztesten Ausdruck findet) oder da der Kaiser auch Oberhaupt der Kirche sei und da ihm der Papst unterstellt sein msse (dieser Caesaropapismus wird 1112 von Gregor von Farfa in Orthodoxa defensio imperialis vertreten). Andere kritisieren die gregorianische Lehre bis in ihre Grundlagen hinein und kehren zu einer rmischen Kaiserauffassung zurck wie Benzo, Bischof von Alba, in seinem Buch an Heinrich (1085/86), worin er Heinrich IV. bittet, die Politik Ottos III. wieder aufzunehmen und nicht nur Gottes Christus und Stellvertreter des Schpfers zu sein sondern auch Caesar Augustus, rmischer Kaiser, oder Petrus Crassus, ein Jurist aus Ravenna, der in seiner Verteidigung Knig Heinrichs (zwischen 1081 und 1084) die vollstndige Trennung geistlicher und weltlicher Angelegenheiten verlangt, wobei der Kaiser den Vorrang ber den Papst hat. Der Streit hat so die erste groe Auseinandersetzung politischer Theorien in der westlichen Christenheit heraufbeschworen. Auf die Entscheidung Gregors VII. antwortet Heinrich IV., indem er auf der Synode von Worms im Januar 1076 den Papst von vierundzwanzig deutschen und zwei italienischen Bischfen absetzen lt.
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Daraufhin exkommuniziert der Papst den Kaiser, spricht ihm jeden Herrschaftsanspruch in Deutschland und Italien ab und gebietet allen Christen, ihm den Gehorsam zu verweigern. Das war die erste Exkommunikation eines Kaisers seit jener des Theodosius durch den heiligen Ambrosius 394 die brigens nur eine Bue war und den Herrscher von den Sakramenten ausschlo. Heinrich IV.. narrt Gregor VII., indem er sich vor ihm im Schnee von Canossa demtigt (Januar 1077). Er widersetzt sich seinem Gegenspieler, Rudolf von Schwaben, der 1077 zum rmischen Knig gewhlt wird, und einer zweiten Exkommunizierung durch Gregor VII. im Jahr 1080 und stellt seinem Feind den Gegenpapst Clemens III. entgegen. Gregor VII. ist gezwungen, die Normannen Sditaliens zu Hilfe zu rufen, die ihn beschtzen, indem sie Rom in Blut und Asche legen. Aber 1084 bemchtigt sich Heinrich IV. der Stadt und lt sich von Clemens III. krnen. Gregor VII., der in der Engelsburg gefangen sitzt, wird von den Normannen befreit und stirbt am 25. Mai 1085 in Salerno, indem er, nach seinen Parteigngern, mit der Bibel sagt: Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehat: deshalb sterbe ich in der Verbannung. Verfeinert setzt der Kampf unter dem Pontifikat des Cluniazensers Urban II. (10881099) wieder ein. Dieser untersttzt die Reformprlaten, wie die Erzbischfe von Canterbury Lanfranc und dann Anselm; die Feinde Heinrichs IV. wie die bayrischen Welfen und Konrad, den ltesten Sohn des Kaisers selbst, und kehrt 1094 nach Rom zurck. Im folgenden Jahr ruft der Papst nach einer Propagandareise von Vercelli bis Clermont am 27. November den ersten Kreuzzug aus und erscheint so als der Anfhrer der Christenheit, die er zu einem gemeinsamen Unternehmen auffordert, von dem der exkommunizierte Kaiser ausgeschlossen ist, ebenso wie der franzsische Knig Philipp I. (1060 1108), der als Bigamist und Ehebrecher das gleiche Los erleidet; der englische Knig Wilhelm II. der Rote (10871100) ist mit der Rckgewinnung der Normandie von seinem Bruder Robert Kurzhose voll in Anspruch genommen. Der Konflikt geht unter Paschalis II. (10991118), einem anderen Cluniazenser, weiter, der jedoch ganz anders als Urban II. ist. Er interessiert sich nur fr die Unabhngigkeit des Klerus, und zwar in dem Mae, da er im Plan des Konkordats von Sutri (1111) vorschlgt, die Bischfe sollen auf alle ihre zeitlichen Gter, regalia, verzichten; dies htte die Ursache des Investiturstreits beseitigt. Diese Rckkehr zur biblischen Armut (einer relativen Armut, weil der Klerus den Zehnten und die Gaben der Glubigen behalten htte) befriedigt niemand, weder die kirchliche Hierarchie, die in ihrer groen Mehrheit nicht bereit ist, sich enteignen zu lassen, noch den Kaiser, der auf dieses Truggebilde aber eingeht, weil er sicher ist, da das Konkordat undurchfhrbar ist und da sich der Papst nach dieser vergeblichen Demonstration zugnglicher zeigen msse. Dieser Kaiser ist Heinrich V. (11061125), der seinerseits nach dem Tode seines lteren Bruders Konrad gegen seinen Vater Heinrich IV. (1106 gestorben) rebellierte. Er weigert sich, das Konkordat von Sutri anzuwenden, lt Paschalis II. gefangennehmen und zwingt ihn, die Laieninvestitur der Bischfe
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anzuerkennen. Dieses erzwungene Zugestndnis wird mit Zustimmung des Papstes durch das Konzil von Rom 1112 annulliert. Heinrich V. weist bereinknfte wie jene, die Philipp I. von Frankreich 1106 und Heinrich I. von England 1107 angenommen haben, zurck. Wie es der Kirchenrechtslehrer Bischof Ivo von Chartres ausgedrckt hat, verzichten diese Knige auf die Investitur und geben sich damit zufrieden, nach der frei erfolgten Wahl den Bischfen die zeitlichen Gter zu bewilligen: Gott soll in seiner Kirche haben, was ihm gehrt. Die Knige haben danach, was ihnen durch Gott gewhrt ist. Heinrich V. widersteht lange Zeit all jenen, die ihn zu einem hnlichen Kompromi zu berreden trachten, wie Wilhelm von Champeaux, Bischof von Chlons-sur-Marne und berhmter Gegner Abalards im theologischen Universalienstreit, der ihm 1119 sagt: Herr, wenn Ihr einen wahrhaften Frieden haben wollt, mt Ihr auf die Investitur der Bischfe und bte verzichten. Um Euch zu versichern, da Eure knigliche Autoritt keine Minderung dadurch erfhrt, sage ich Euch, da ich, als ich zum franzsischen Bischof gewhlt wurde, nichts vom Knig empfangen habe, weder vor noch nach meiner Weihe, und dennoch diene ich ihm durch die Steuern, den Militrdienst und die anderen Rechte, die dem Staat gehren, ebenso treu als Euch Eure Bischfe dienen kraft der Investitur, die sie von Euch empfangen und die den Bann auf Euch gezogen hat. Endlich gibt Heinrich V. nach und am 23. September 1122 wird im Freien an den Ufern des Rheins das Wormser Konkordat bekanntgegeben. In Deutschland verzichtet der Kaiser auf die Investitur mit Ring und Stab, aber er behlt sein Mitspracherecht bei der Wahl und gewhrt die Investitur fr die zeitlichen Gter, die Regalien, durch das Zepter, zwischen Wahl und Weihe. In Italien und Burgund sind die Bischofswahlen ganz frei, und der Bischof mu nur innerhalb sechs Monaten nach der Weihe die Regalien vom Kaiser empfangen und ihm den Eid leisten. Freilich lt das Wormser Konkordat die Mglichkeit widersprechender Auslegungen zu, und es wird oft durch die Kaiser vergewaltigt. Aber es wird ber ein Jahrhundert lang nicht wirklich in Frage gestellt; nach den bereinknften mit den Knigen von Frankreich und England stellt es einen entscheidenden Einschnitt dar. Es ist die erste konkrete Anerkennung einer Trennung der Herrschaftsbereiche von Kirche und Staat im Okzident seit dem Gottesstaat des heiligen Augustinus, der so oft, aber auch so falsch, von den Menschen des Mittelalters angefhrt wird. Damit ist die unbestimmte Aufteilung der Gewalten bei Karolingern und Ottonen aufgehoben, die ebenso einen Caesaropapismus, der die geistliche und weltliche Macht in den Hnden des Kaisers vereinigt, mglich macht, wie einen Klerikalismus, eine Theokratie, die beide Gewalten der Kirche anvertraut. Gewi flammt auch nach dem Wormser Konkordat der Streit zwischen Sacerdotium und Imperium wenigstens bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts periodisch wieder auf, wobei Kaiser und Ppste die beiden Gewalten jeweils fr
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sich beanspruchen. In der Praxis hat der Totalittsanspruch in Worms jedoch einen entscheidenden Schlag erlitten vor Luther und der Reformation. Dennoch vertreten gewisse Kreise die ppstliche Theokratie, wie sie von Gregor VII. in seinem Kampf gegen die weltliche und kaiserliche Macht entworfen wurde, und andere den kaiserlichen Primat, den zumindest Heinrich IV. und Heinrich V. beansprucht haben. 1130 behauptet der Polyhistor Honorius von Autun in seiner Summa gloria de Apostolico et Augusto, da der Kaiser mit der sogenannten Konstantinischen Schenkung dem Papst nicht nur die Kaiserkrone gegeben habe (Paschalis II. ist 1099 der erste bei der Inthronisation gekrnte Papst), sondern auch das Recht, dem Kaiser Schwert und Krone zu verleihen und ber das dominium mundi zu verfgen. In der karolingischen Tradition ist die kaiserliche und knigliche Funktion auf die Rolle einer Polizei im Dienst der Kirche beschrnkt als weltlicher Arm: die Knige sind einzig dazu da, die Bsen zu strafen. Papst Innozenz II. (11301143) lt im Lateranspalast ein Fresko malen, das Kaiser Lothar von Supplinburg (11251137) darstellt, der zu seinen Fen ausgestreckt liegt und die Kaiserkrone aus seinen Hnden empfngt. Der heilige Bernhard spricht in De consideratione, das zwischen 1149 und 1152 fr Papst Eugen III. (11451153) abgefat wird, dem Papst die beiden Schwerter, das zeitliche und das ewige zu, sowie den Primat in beiden Bereichen. Auf kaiserlicher Seite bildet sich eine Theorie von der Kontinuitt der rmischen Macht bei den deutschen Kaisern heraus. So erzhlt um 1150 der Autor der bayrischen Kaiserchronik die Kaisergeschichte von Augustus bis Konrad III. (11381152), indem er darauf hinweist, da die Rmer selbst zu einem gewissen Zeitpunkt ihre Kaiser von auen geholt haben. Seit 1139 nennt sich der schwache Konrad III. ohne die Kaiserkrone in Rom empfangen zu haben Augustus, dann, 1142, rmischer Kaiser. Das ist der Anspruch auf ein Universalreich. Zur gleichen Zeit erhlt der Kaiser eine geheiligte, eschatologische Gloriole. Er weist auf den apokalyptischen Kaiser vom Ende der Zeiten voraus, der ber den Antichrist triumphieren wird. Schon Benzo von Alba hatte von Heinrich IV. vorausgesagt: Byzas (legendrer Grnder von Byzanz) wird sehen, wie in seiner eigenen Stadt der Kaiser gekrnt wird ... dieser wird sich dann nach Jerusalem begeben, wo er das heilige Grab und die anderen heiligen Sttten besucht und die Krone zum Lobe und zur Ehre dessen, der in Ewigkeit lebt und dessen Grab von Ruhm erglnzen wird, empfngt. Dieser Kaiser vom Ende der Zeiten wurde im Spiel vom Antichrist (Ludus de Antichristo), das um 11601162 im bayrischen Kloster Tegernsee entstand, auf die Bhne gestellt. Alle diese berlieferungen wurden von Friedrich I. Barbarossa (11521190) aufgenommen, bereichert und ausgewertet. Zu allem berflu versuchte er auch, sie wenigstens teilweise zu realisieren, und geriet so von neuem mit dem Papsttum in Konflikt.
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Friedrich Barbarossa benutzte die rmisch kaiserliche Tradition. Indem er den Kaisertitel vor seiner Krnung (1155) schon annahm, betonte er immer wieder, da er das Imperium von Gott allein und nicht vom Papst erhalten habe. Sein Onkel, Bischof Otto von Freising, stellte in seiner Weltchronik, die unter der Regierungszeit Konrads III. entstanden war, aber seinem Nachfolger gewidmet wurde, stark heraus, da das Heilige Rmische Reich Deutscher Nation die direkte Fortsetzung des rmischen Reiches sei. Dieser berlieferung fgt Barbarossa eine Erneuerung der frnkischen Tradition hinzu. In diesem Sinn erlangt er die Heiligsprechung Karls des Groen am 29. Dezember 1165 und lt den groen Leuchter des Doms zu Aachen in Form einer Lichtkrone anfertigen, der nach einer Inschrift das himmlische Jerusalem darstellen soll, und umgibt so den Kaiserkult mit eschatologischen Zgen. Endlich bedient er sich des rmischen Rechts, dieses ausgesprochen kaiserlichen Rechts, und begnstigt die Schule von Bologna, die dessen Studienzentrum ist. Er lt in das Corpus Iuris das Privileg Authentica Habita einschieben, das er 1154 durch kaiserlichen Erla den Lehrern und Studenten von Bologna bewilligt und das die Privilegiencharta der mittelalterlichen Universitten werden sollte. Diese Politik mute um so mehr mit dem Papsttum in Konflikt geraten, als von 1159 bis 1181 Papst Alexander III. auf dem Stuhle Petri sa, ein gewiegter Kirchenrechtslehrer von heftigem Temperament. Als er noch Kardinal Roland Bandinelli war, hatte er schon der kaiserlichen Umgebung und dem Kaiser sehr mifallen, denn er verlas 1157 auf dem Reichstag zu Besanon einen Brief Papst Hadrians IV. (11541159), in dem dieser daran erinnerte, da Friedrich die Kaiserkrone aus seinen Hnden empfangen habe und da er bereit sei, ihm noch andere beneficia zu gewhren. Der Kanzler Rainald von Dassel bersetzt dieses Wort mit Lehen, was vermuten lie, da der Papst das Reich als ein dem Kaiser abgetretenes Lehen betrachtete. Friedrich untersttzte gegen Alexander III. den Gegenpapst Viktor IV. 1160 exkommuniziert, vertrieb der Rotbart Alexander III. 1167 aus Rom, wo er Viktor IV. einsetzte, mute sich aber als Folge der Malariaepidemie, die seine Armee verheerte, zurckziehen. Alexander III. brachte gegen ihn den Bund der lombardischen Stdte zusammen, die am Po eine ihm zu Ehren Alessandria genannte Festung errichteten, und am 20. Mai 1176 floh die kaiserliche Reiterei in Legnano vor der Infantrie der lombardischen Stdte. So zwang Alexander III. den Kaiser, sich zu beugen, wie auch Heinrich II. (11541189) von England 1172 nach der Ermordung Thomas Beckets (1170) nachgeben mute. Aber der Frieden von Venedig (1177), durch den Barbarossa, der Alexander III. nun anerkannte, vom Bann losgesprochen wurde, war fr den Papst ein Canossa-Sieg. Friedrich mischte sich bald wieder in die kirchlichen Angelegenheiten in Deutschland ein und geriet erneut in Konflikt mit Papst Lucius III. (11811185) im Jahr 1183 und drei Jahre spter mit Urban III. (11851187).
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Aber im Verlauf des Kampfes hatte das Papsttum die geistlichen Waffen immer mehr mibraucht, weil es sie in den Dienst rein politischer Angelegenheiten stellte. So bedrohte Alexander III. im Mrz 1170 durch die Bulle Non est dubium alle jene, die den Zusammenhalt der lombardischen Liga stren wrden, mit kirchlicher Zensur und Exkommunikation. Vor dem dritten Kreuzzug nherte eine kurze Ausshnung Friedrich Barbarossa und das Papsttum einander an. Der Konflikt brach aber zwischen Heinrich VI. (11901197) und Papst Clestin III. (11911197) bald wieder aus. Heinrich VI. deutete die Prophezeiungen des Tausendjhrigen Reiches auf sich. Seine Parteignger stellten ihn als den Kaiser hin, der unter seiner Herrschaft Griechen und Rmer vereinigen, die Unglubigen taufen, Gog und Magog vernichten und nach 122 Jahren in Jerusalem das Imperium wieder in Gottes Hnde zurcklegen werde. So sollte der Kreuzzug, den er seit 1195 vorbereitete, der Beginn dieses groen Unternehmens sein. Jedoch geriet er um so mehr an den Papst, als er dessen Staaten direkt bedrohte, indem er das Knigreich Sizilien dem Reich anfgte, fr das er sich weigerte, dem Papst zu huldigen; dieser hatte es den normannischen Herren zu Lehen gegeben, von denen Heinrich es erbte. Da Heinrich VI. offen den Plan eines Universalreiches verfolgte, mute er zwangslufig mit dem Papst zusammenstoen. Ein scharfer Konflikt wurde nur durch den unvermuteten Tod des Kaisers 1197 vermieden. Er brach aus zwischen Heinrichs Sohn, dem knftigen Friedrich II. (12151250), und dem Nachfolger Clestins, Innozenz III. (11981216). So stand am Ende des 12. Jahrhunderts, obwohl das Wormser Konkordat Zukunftslsungen vorgezeichnet hatte und der Investiturstreit praktisch beendet war, der Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium um die Herrschaft ber die Christenheit auf dem Hhepunkt. Glck und Unglck Deutschlands Er war das politische Unglck der beiden Lnder, auf deren Territorium er sich abspielte: Deutschland und Italien. Er begnstigte die zentrifugalen Krfte und trug sehr dazu bei, diese beiden Lnder in einem Zustand der Zersplitterung zu erhalten, der bis ins 19. Jahrhundert whrte und bis heute dauerhafte Spuren hinterlassen hat. In Deutschland strkte der Streit die Landesfrsten, die im allgemeinen Rivalen und Gegner des Kaisers waren, und zwang sie, die oft nach Italien gerufen wurden, lange Zeit hindurch die deutschen Angelegenheiten zu vernachlssigen. Die gregorianische Partei, die der Kirchenreform nahestand, suchte das Reich oft mit Erfolg zu schwchen, indem sie das Wahlprinzip anstelle der Erblichkeit durchsetzte. Weit davon entfernt, sich als treue Sttzen des Reiches zu zeigen, wie die Kaiser seit den Ottonen erhofft hatten, nahmen die Kirchenfrsten am Spiel der Landesherrn teil, zu denen sie gehrten, obschon sie weiterhin hohe kaiserliche Beamte stellten Adalbert von Bremen,
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Erzbischof von Hamburg-Bremen, beim jungen Heinrich IV., Rainald von Dassel, dann Philipp von Heinsberg bei Friedrich Barbarossa und zgerten nicht, sich notfalls ins Lager der Kaisergegner zu schlagen. Der Fall Philipps von Heinsberg ist dafr typisch: er diente Barbarossa treu bis zu dem Tag, an dem er die Herzogsrechte in Westfalen erhielt; von da an versuchte er, sich der angrenzenden Grafschaften zu bemchtigen, und bedrohte so die Knigsgebiete am Niederrhein. 1186 zum ppstlichen Legaten in Deutschland ernannt, erkhnte er sich, ein Jahr spter offen gegen den Kaiser zu rebellieren, dem er sich jedoch im Mrz 1188 auf dem Hoftag in Mainz unterwerfen mute. Angesichts dieser Bedrohungen suchten die Kaiser andere Bundesgenossen, die ihnen aber mehr Enttuschung als Befriedigung bescherten. Heinrich IV. zum Beispiel warb um den Rckhalt der Stdte und Volksklassen, indem er versuchte, in Deutschland den Gottesfrieden einzufhren, den er 1085 fr das gesamte Reich erlie. Aber die Volksklassen waren zu schwach, und der Kaiser blieb trotz allem zu sehr an die Feudalordnung gebunden, als da er von ihrer Seite eine wirksame Untersttzung htte finden knnen. Und die Brger hatten Grnde, der kaiserlichen Politik nicht voll zu trauen, weil die Kaiser die Stdter hufig nur begnstigten, um sie desto besser auszubeuten. So wollte Heinrich IV. 1084 die deutschen Stdte einer allgemeinen Steuer unterwerfen. Das Fehlen eines bedeutenden Knigslandes war eine groe Schwche der kaiserlichen Macht in Deutschland. Noch Heinrich IV. versuchte, wie sein Vater, das von den Ottonen ererbte schsische Gebiet der Salier zu vergrern. Aber diese Versuche blieben nicht nur ohne Zukunft, die dynastischen Vernderungen behinderten auch den Fortbestand der kaiserlichen Hausmacht selbst. Der Bedarf an finanziellen Einnahmequellen war ohne Zweifel einer der wichtigsten Grnde fr das Interesse der Kaiser an Italien, wo sie hofften, durch die Einziehung der Knigsrechte oder Regalien von dem unvergleichlichen wirtschaftlichen Aufschwung des Landes zu profitieren. Auf dem Reichstag zu Roncaglia im November 1158 lie Friedrich Barbarossa eine genaue Liste dieser Regalien aufstellen und ernannte eine Kommission, die sie in ganz Italien eintreiben sollte. Aber Italien zeigte sich widerspenstig, den Kaisern die finanziellen Mittel fr ihre deutsche Politik zu beschaffen. Endlich fehlte den Kaisern die soziale und verwaltungsmige Grundlage. Sie suchten vor allem bei den Ministerialen Rckhalt, deren sozialen Aufstieg sie fr die ihnen geleisteten Dienste frderten. Aber dieser Dienstadel, auf den sich Salier und Staufer stndig sttzten, indem sie ihm Verwaltungsposten und Burgvogteien anvertrauten, bot der kaiserlichen Macht nur eine enttuschende Hilfe, sei es, weil er von Italien aufgesogen wurde, wo ihn die Kaiser ohne groen Erfolg zur Bndigung der italienischen Untertanen eingesetzt hatten, sei es, weil er, zum Adel aufgestiegen, nun selbst dessen im allgemeinen der Kaisermacht feindlich gesinntes Spiel bernahm. Durch Italien und die Bildung oder Erneuerung einer deutschen Knigsdomne im Westen und Sden in Anspruch genommen, wo sie seit alters
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ber Besitzungen verfgten, wandten sich die Kaiser vom Norden und Osten ab; nur Lothar III. (11251137) nahm die ottonische Tradition der Ostkolonisation wieder auf, wo die Deutschen seit dem 12. Jahrhundert ihre bemerkenswertesten Erfolge erzielten. Diese waren das Werk von Frsten, die hufig als die gefhrlichsten Gegner der Kaisermacht auftraten: Albrecht der Br und Heinrich der Lwe, ein Enkel Lothars III. 1066 von der Vormundschaft Adalberts von Bremen befreit, der sich vor allem mit der eigenntzigen Schaffung eines Gropatriarchats in Skandinavien und eines groen geistlichen Frstentums in Sachsen befat hatte, mute Heinrich IV. 1073 bis 1075 einen Sachsenaufstand niederschlagen und anschlieend gegen die Frsten kmpfen, die sich den Streit zwischen Kaiser und Papst und die Demtigung von Canossa (1077) zunutze gemacht und einen Gegenknig, Rudolf von Schwaben, aufgestellt hatten, der 1080 gettet wurde. Nach verschiedenen eigenen Erhebungen hatten die Frsten die Revolte der Shne Heinrichs IV. gegen ihren Vater untersttzt, nmlich die Konrads von 1093 bis 1101, spter die Heinrichs, des knftigen Heinrichs V., von 1104 bis zu dem im August 1106 zu Lttich erfolgten Tode seines Vaters, den er gefangengesetzt hatte, der ihm aber entkommen war. Notgedrungen die vterliche Politik fortsetzend, wandte sich Heinrich V. gegen Papst Paschalis II., der ihn vorher gegen den Vater untersttzt hatte. Der Kaiser lie seinen im Stand der Exkommunikation verstorbenen Vater feierlich im Dom zu Speyer beisetzen und wiegelte die Frsten gegen den Papst auf. Gleichzeitig suchte er seine Hausmacht in Sachsen, Thringen und am Rhein zu vergrern und untersttzte Ministerialen und Stdter. Letzteren gewhrte er zum. Beispiel in Speyer und Worms 1111 und 1114 Privilegien. Durch den Aufstand der Frsten, an deren Spitze der neue Sachsenherzog Lothar von Supplinburg (seit 1106) und sein frherer Kanzler Erzbischof Adalbert von Mainz standen, sah sich Heinrich (neben andern Grnden) gentigt, mit dem Papst das Verstndigungskonkordat von Worms (1122) abzuschlieen. Nach dem Tod des kinderlosen Heinrich V. (1125) whlten die von Adalbert von Mainz angefhrten Frsten den Sachsenherzog Lothar von Supplinburg zum Kaiser, obschon ihnen Heinrich V. auf dem Totenbett seinen Neffen Friedrich den Einugigen zum Nachfolger bestimmt hatte, dem er seine Frau Mathilde anvertraute. Damit siegte das Wahlprinzip ber die Erbfolge. Lothar III. (11251137) kmpfte von 1126 bis 1135 gegen die Staufer und trieb mit Hilfe des Sachsenhauses die deutsche Nordostexpansion voran, indem er Albrecht dem Bren 1134 die Nordmark zusprach, die nach dessen Eroberungen zwischen Elbe und Oder 1150 zur Mark Brandenburg wurde. Lothar hatte die Knigsinsignien bereits seinem Schwiegersohn, dem mchtigen Bayernherzog Heinrich dem Stolzen bergeben, der auch Graf von Toskana und Verona und durch seinen Schwiegervater knftiger Herzog von Sachsen war. An seiner Stelle whlten die erbfolgefeindlichen Frsten jedoch den Staufer Konrad zum Knig.
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Konrad III. (11381152) mute zunchst gegen die Welfen kmpfen. Da er Heinrich dem Stolzen das Herzogtum Sachsen vorenthalten hatte, verweigerte ihm dieser die Huldigung und wurde in die Knigsacht getan. Sachsen fiel an Albrecht den Bren und Bayern erhielt ein Babenberger, der Markgraf von sterreich und Halbbruder Konrads III. Heinrich der Stolze starb 1139. Durch ein provisorisches Abkommen zwischen Welfen und Staufern wurde Sachsen 1142 dem damals 13jhrigen Sohn Heinrichs des Stolzen, dem spteren Heinrich dem Lwen, zugesprochen. Dem Aufruf Bernhards von Clairvaux folgend, der Weihnachten 1146 im Dom zu Speyer gepredigt hatte, lie sich Konrad III. dann auf unglckselige Kreuzzugsunternehmungen ein. Zwar half ein Teil der deutschen Kreuzfahrer dem Knig von Portugal bei der Rckgewinnung Lissabons von den Mohammedanern. Ein zweites Heer aber, das im Kampf gegen die Pommern bis Stettin gelangte, erregte lediglich bei den gerade missionierten Wenden Feindschaft gegen die Deutschen. Dem ab 1147 von Konrad selbst angefhrten Zuge ins Heilige Land waren fast nur Mierfolge beschieden. Konrad mute 1149 nach einem verheerenden Rckzug die Heimfahrt antreten und starb 1152, ohne die Kaiserkrone erhalten zu haben. Er schlo selbst den Sohn Friedrich von Rothenburg von der Nachfolge aus und bestimmte seinen Neffen Friedrich, einen Sohn Friedrichs des Einugigen, zum Nachfolger. Vom Vater her Staufer, mtterlicherseits mit den Welfen verwandt und Vetter Heinrichs des Lwen, wurde dieser von den Frsten ohne Schwierigkeiten akzeptiert. Die lange Herrschaft Friedrichs I. Barbarossa (11521190) war der Hhepunkt des deutschen Kaisertums. Doch konnte auch Barbarossa trotz glnzender Erfolge, die mit empfindlichen Niederlagen abwechselten, die Kaiser- und Knigsgewalt in Deutschland ebensowenig entscheidend festigen wie seine Vorgnger und Nachfolger. Trotz groer militrischer und politischer Qualitten zerrieb er sich am grundstzlichen Widerstand gegen eine Zentralgewalt in Deutschland, und als vollendeter Ritter sttzte er sich zu sehr auf die Ritterschaft, die eine solche Festigung seiner Macht gerade am wenigsten wnschte. Um in Deutschland Frieden zu haben, mute er Heinrich dem Lwen den Besitz der beiden Herzogtmer Sachsen und Bayern zuerkennen und fr die Babenberger als Entschdigung das Herzogtum sterreich schaffen, das mit ungewhnlichen Privilegien ausgestattet und in mnnlicher wie weiblicher Linie fr erblich erklrt wurde.
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Abb. 6: Die kaiserliche Gewalt. Friedrich I. Barbarossa und seine Shne. Aus der Weingartner Welfenchronik
Trotz seiner ritterlichen Denkungsart nahm Friedrich I. die groe, von Heinrich IV. entworfene Kaisertradition wieder auf. Bereits 1152 erlie er eine Friedensverfassung, die erstmals alle ihre bertreter, gleich welchen Standes, mit denselben Strafen belegte. Er wandte den Begriff des ffentlichen Delikts auch auf Wirtschaftsvergehen, wie zum Beispiel die Erhebung neuer Wegesteuern, an. Dieser letztere Akt, der 1155 durch eine allgemeine Revision der Wegzlle vervollstndigt wurde, mute die Kaufleute und die Brger berhaupt begnstigen. Als der Erzbischof von Mainz 1154/55 den Frieden gebrochen und eine Privatfehde gegen andere Herren gefhrt hatte, muten sich alle Schuldigen, einschlielich des Kirchenfrsten, der gleichen schimpflichen Strafe unterziehen und barfu im Winter, einen Hund auf den Schultern, eine bestimmte Strecke laufend zurcklegen. Nach einem ersten Zug in den Jahren 1154/55, der ihm im Juni 1155 zu Rom die Krnung durch Hadrian IV. eingebracht hatte, widmete sich Friedrich Barbarossa zwischen 1158 und 1177 hauptschlich Italien. Nach dem Friedensschlu von Venedig, der ihm 1177 die Gewalt ber die deutsche Kirche besttigte, zugleich aber das Ende des Herrschaftsversuchs ber Italien bedeutete, kehrte er nach Deutschland zurck, wo er mit dem wachsenden Einflu Heinrichs des Lwen zusammenstie. Dieser hatte seiner Hausmacht
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nach Bayern und Sachsen auch die den Wenden abgewonnenen Gebiete an der Ostsee hinzugefgt, welche er auerhalb jeder kaiserlichen Kontrolle regierte. Er erteilte namentlich den Bischfen der neugeschaffenen Dizesen Oldenburg, Ratzeburg und Schwerin die Investitur und frderte den wirtschaftlichen Aufstieg dieser Gebiete, fr den Lbeck das glnzendste Beispiel war. Eine obskure Streitigkeit um das Bistum Halberstadt versetzte Barbarossa in die Lage, Heinrich den Lwen durch ein Landgericht 1179 ffentlich in die Reichsacht zu tun und ihn 1180 durch einen lehensrechtlichen Proze seiner Lehen und Allodien verlustig zu erklren. Mit dem Herzogtum Sachsen wurde Bernhard von Anhalt, der jngste Sohn Albrechts des Bren, belehnt. Die herzoglichen Ansprche in Westfalen wurden dem Erzbischof von Kln bertragen. Die Frsten der wendischen Gebiete wurden direkte Vasallen des Kaisers und Lbeck kaiserliche Stadt. Das Herzogtum Bayern, von dem man das Herzogtum Steiermark abgetrennt hatte, erhielt Pfalzgraf Otto von Witteisbach zum Lehen. Heinrich der Lwe unterwarf sich und ging nach England in die Verbannung. Der Hoftag zu Mainz im Mrz 1188, auf dem sich der rebellierende Klner Erzbischof Philipp von Heinsberg demtigte, zeigte Friedrich Barbarossa auf dem Hhepunkt seiner Macht. Hier nahm er auch das Kreuz, verlie 1189 an der Spitze des Kreuzfahrerheeres Regensburg und ertrank am 10. Juni 1190 in den Fluten des kleinasiatischen Flusses Saleph. Sein Sohn Heinrich VI., der als Regent in Deutschland zurckgeblieben war, wurde sein Nachfolger. Schon im November 1189 hatte er den Kampf gegen Heinrich den Lwen aufnehmen mssen, der nach Sachsen zurckgekehrt war und sich bald des Herzogtums bemchtigt hatte. 1192 griff der Aufstand auf Nordwestdeutschland, spter auf den Sden ber. Die rebellierenden Frsten wurden von dem englischen Knig Richard Lwenherz untersttzt. Als dieser auf der Rckkehr vom Heiligen Land durch einen Sturm an die adriatische Kste geworfen wurde und Deutschland verkleidet zu durchqueren versuchte, wurde er im Dezember 1192 bei Wien erkannt und seinem Todfeinde, dem Herzog Leopold von sterreich, ausgeliefert, den er bei der Belagerung von Akkon schwer beleidigt hatte. Leopold bergab Richard dem Kaiser, der ihn gefangen hielt und ihm mit der Auslieferung an den Knig von Frankreich drohte, bis sich Lwenherz seinen Bedingungen unterwarf: Zahlung eines riesigen Lsegelds und Vermittlungsttigkeit bei der Ausshnung von Welfen und aufstndischen Frsten mit dem Kaiser. Nachdem Heinrich VI. die Ordnung in Deutschland wiederhergestellt hatte, wandte er sich Sditalien zu. Er eroberte das Knigreich Sizilien, das ihm durch seine Frau Konstanze, die Tante und Erbin Wilhelms II., zugefallen war, versuchte vergeblich, von Papst und Frsten die Anerkennung des Erbtitels rex Romanorum (rmischer Knig) zu erreichen, was seinen Nachkommen die deutsche und italienische Krone gesichert htte, und bereitete einen Kreuzzug vor, mit welchem die Universalmonarchie beginnen sollte, die das byzantinische Reich und das Heilige Land einschlo; die Krone dieses
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Reiches wre ihm in Jerusalem aufgesetzt worden. Doch starb Heinrich VI. am 26. September 1197 in Messina, wo er sich einschiffen wollte. Er lie als Erben ein Kind zurck, den zwei Jahre und neun Monate alten Friedrich-Roger. Ihn, den die deutschen Frsten zunchst von der Thronfolge ausschlossen, sollte die sizilianische Krone noch tiefer in das italienische Wespennest hineinziehen. Es war der knftige Friedrich II. (12151250). Glanz und Elend in Italien In Italien hatte der Streit zwischen Kaiser und Papst noch tiefergreifende Folgen, weil er zwei Zersplitterungstendenzen Vorschub leistete, nmlich dem Fehlen einer wenigstens nominalen politischen Einheit und dem politischen Aufstieg der Stdte. Mitte des 11. Jahrhunderts teilten sich drei Mchte die Herrschaft ber Italien. Im Norden war es der deutsche Kaiser in seiner Eigenschaft als Knig von Italien. Verwaltungshauptstadt dieses Knigreichs war Pavia, religiser Mittelpunkt Monza, wo sich die Knige von Italien die eiserne Krone der Langobardenknige aufsetzten. In Mittelitalien bte der Papst auf Grund der geflschten Konstantinischen Schenkung seit dem 8. Jahrhundert die zeitliche Gewalt aus. Im Sden und nordstlich von Venedig bestanden die Reste des byzantinischen Italiens fort, das im 6. Jahrhundert unter Justinian zurckerobert worden war, aber bald von den Langobarden (in Kampanien), den Arabern (in Sizilien) und seit dem 11. Jahrhundert von den Normannen zerstckelt wurde. Nur im Sden wurde die politische Lage durch die Bildung eines normannischen Knigreichs radikal verndert. 1059 erkannte Papst Nikolaus II. Robert Guiscard als Herzog von Apulien und Kalabrien an und belehnte Richard von Aversa mit dem Frstentum Capua. 1071 fiel Bari als letzte byzantinische Festung den Normannen in die Hnde. Zwischen 1060 und 1091 nahmen sie Sizilien den Arabern. 1127 vereinigte Roger II. ganz Sditalien und Sizilien unter seiner Herrschaft und wurde 1130 vom Gegenpapst Anaklet II. und 1139 von Papst Innozenz II. als Knig anerkannt. Als eigenwillige politische Schpfung sicherte das normannische Knigreich Sizilien das harmonische Zusammenleben einer aus lateinischer, griechischer und arabischer Kultur und berlieferung gespeisten Mischbevlkerung. Die Hauptstadt Palermo mit ihrer Rassenmischung, dem Kompositstil ihrer Bauwerke und der dreisprachigen kniglichen Kanzlei war das Symbol dieser ungewhnlichen normannischen Leistung. Die neue Monarchie, deren Herrscher im Geist und in den Formen von Byzanz regierten, sttzte sich zudem auf eine eingefhrte Feudalgesellschaft, welche den Rckgang der Stdte in ihren Gebieten beschleunigte. Hfen wie Amalfi, die einst an der Spitze des westeuropischen Handelsaufschwungs gestanden hatten, traten nun zurck und berlieen den Stdten Norditaliens die fhrende Stellung in der Wirtschaftsexpansion.
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Eine Stadt hatte sich allerdings den Niedergang des byzantinischen Einflusses in Italien groartig zunutze gemacht: Venedig. Als theoretischer Untertan von Byzanz baute Venedig seit dem 9. und vor allem dem Ende des 10. Jahrhunderts geduldig eine beherrschende Position am Adriatischen Meer auf und suchte sich den Seeweg nach Konstantinopel offenzuhalten. Daher reagierte die Stadt heftig auf die Gefhrdung durch die Normannen, die von Apulien aus 1081 mit der Eroberung von Epirus begannen und die Adria zu berwachen und notfalls zu sperren drohten. Venedig festigte sofort seine Beziehungen mit Byzanz und erlangte 1082 vom Basileus Alexios Komnenos freien Durchzug im gesamten Reich, auer im Schwarzen Meer, ferner volle Steuer- und Zollfreiheit und drei Stapelpltze am Goldenen Hrn. Im Juli 1085 trug Venedig einen entscheidenden Sieg ber die Normannen davon; whrend Byzanz Durazzo wieder zurckgewann, behielt die Stadt ihre Manverfreiheit und konnte jene auerordentlichen Zugestndnisse von 1082 nutzen, die Grundlage ihres Reichtums werden sollten. Trotz dringlicher Aufforderungen Gregors VII. weigerte sich Venedig, im Streit zwischen Kaiser und Papst Partei zu ergreifen, und erwirkte 1095 von Heinrich IV. eine Besttigung, da seine Kaufleute vllig frei ber die Etsch mit dem Brenner und ber den Po mit Pavia Handel treiben konnten. Venedig nahm vorsichtig an den ersten Kreuzzgen teil und erhielt Privilegien und Niederlassungen im Heiligen Land. Es dehnte, trotz stndiger Erhebungen namentlich in den beiden Haupthfen Zara (Zadar) und Ragusa (Dubrovnik), seine Herrschaft auf Dalmatien aus. Es erweiterte konsequent seine Wirtschaftsvormacht im byzantinischen Reich. Zwar muten die 1082 erlangten Privilegien zeitweilig mit Pisa und Genua geteilt werden; dafr wurden 1148 neue Vorteile erwirkt, namentlich die Handelsfreiheit auf Zypern, Rhodos und anderen Inseln des gischen Meeres. 1171 verlor Venedig seine Privilegien, erhielt sie 1189 wieder und dehnte sie 1198/99 auf weitere byzantinische Stdte aus. Whrend Venedig im Investiturstreit neutral geblieben war, fhlte es sich durch die Unternehmungen Friedrich Barbarossas in Italien bedroht. 1159 ging er ins Lager des Papstes Alexander III. ber und untersttzte die lombardischen Stdte, blieb dabei aber so vorsichtig, da man es 1177 als Ort des Friedensschlusses zwischen Kaiser und Papst whlte. Seine Handelsprivilegien in Italien wurden erneuert, und whrend groartiger Feierlichkeiten warf der Doge einen Ring in die Lagune und vermhlte sich so feierlich mit dem Meer (sposalizio del mare) als Symbol des Ansehens und der internationalen Macht Venedigs. Seit dem Ende des 11. Jahrhunderts hatte die Stadt die beiden Mittelpunkte ihres Ruhms errichtet: den 1094 geweihten Markusdom und 1099 den Rialtomarkt. Im Laufe des 12. Jahrhunderts gab sie sich die ersten Institutionen, die ihre lange politische Stabilitt sichern sollten; die Volksversammlung machte den Rten Platz (vor allem dem Rat der vierzig Weisen), die von der
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Kaufmannsoligarchie beherrscht wurden, die Macht des Dogen wurde eingeschrnkt, sein Amt der Wahl unterstellt, was jede Gefahr der Erblichkeit ausschaltete und den Dogen dem Staat, also der allmchtigen aristokratischen Kommune, unterordnete. Im mittelalterlichen Patrimonium Petri, das von Bologna bis Terracina reichte und in dem die Agrarwirtschaft weiterhin berwog, standen die zahlreichen Feudalfamilien unaufhrlich im Konflikt mit den lebendigsten Stdten, die, ohne eine Macht ersten Ranges zu erreichen, doch eine Kommunalorganisation zustande brachten: Bologna 1123, Ancona zu Beginn des 12. Jahrhunderts, Perugia seit dem 11. Jahrhundert. Orvieto erreichte die Anerkennung seiner Kommune durch Hadrian IV. (1154 bis 1159), Viterbo 1095. Diese Stdte erlebten im Lauf des Kampfes zwischen Ppsten und Kaisern zahlreiche Umschwnge. So widerstand Ancona erfolgreich den Kaisern Lothar III. (1134) und Friedrich Barbarossa (1167 und 1174); Viterbo fiel, nachdem es Eugen III. 1145/46 als Zuflucht gedient hatte, 1164 in die Hnde Barbarossas, der dort den Gegenpapst Paschalis III. einsetzte und es 1167 zur kaiserlichen Stadt machte. Aber die spektakulrsten Schicksalsschlge erlebte Rom, um das sich vier Parteien stritten: der Papst, der oft den Schutz der leoninischen Stadt um den Vatikan aufgeben und im Kirchenstaat oder anderswo in der Christenheit Schutz suchen mute, entweder in der Nhe, wie Gregor VII., der 1085 bei den Normannen in Salerno starb, oder in der Ferne, in Frankreich, wie 1107 Paschalis II.; der Kaiser, fr den Rom die Krnungsstadt war; die Feudalfamilien Latiums, die dort ein befestigtes Haus hatten, wie die Corsi, die durch Paschalis II. von ihrem Schlo auf dem Kapitol, das sich in den Ruinen des rmischen Staatsarchivs (tabularium) befand, verjagt worden waren; endlich die neugebildete Kommune, welche die dramatischste und bezeichnendste Episode der rmischen Geschichte im 12. Jahrhundert hervorgerufen hat. 1143 erhebt sich die Kommune von Rom gegen die Papstherrschaft (Eugen III. mu 1145 nach Viterbo fliehen) und gibt sich eine Regierung, die von der weltlichen Oligarchie beherrscht wird. Sie tagt auf dem Kapitol als Sitz des Marktes und der Kommunalversammlung, das damit zum neuen wirtschaftlichen und politischen Zentrum Roms wird. Ab 1145 nimmt die rmische Kommune unter dem Einflu Arnolds von Brescia eine radikalere Wendung. Dieser Revolutionr ist ein Asket (Ein Mann, der nicht it und trinkt, sagt sein groer Feind, der heilige Bernhard), der aus seiner Heimatstadt Brescia, wo er eine Brgererhebung gegen den Bischof angefhrt hat, fliehen mute und der mit anderen armen Studenten die Vorlesungen Abalards in den Schulen der Montagne Sainte-Genevive gehrt hat. Der heilige Bernhard lt ihn zusammen mit seinem Lehrer 1140 auf dem Konzil von Sens verurteilen und aus Zrich, wohin er sich wendet, vertreiben. Daraufhin begibt er sich nach Rom, tritt an die Spitze der Kommunalbewegung gegen das Papsttum und intensiviert den Kampf gegen die Kurie diese Wechselstube und Mrdergrube und gegen den Klerus, den er seiner Reichtmer entblen will (Priester, die Gter
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haben, Bischfe mit Lehen und Mnche mit Eigentum werden verdammt). Eugen III. kehrt 1148 nach Rom zurck, aber er lt Arnold in Frieden. Erst unter dem Pontifikat des Englnders Hadrian IV. (Nikolaus Breakspear) wird der Senat unterworfen und aufgelst, und Arnold mu in die Campagna fliehen (1155). Friedrich Barbarossa lt ihn gefangennehmen und dem Prfekten von Rom ausliefern. Im Juni 1155 wird Arnold von Brescia zum Tode verurteilt, gehngt, sein Leib verbrannt und die Asche in den Tiber gestreut. Norditalien, das mit dem deutschen Kaiserreich verbundene Knigreich Italien, erlebt im 12. Jahrhundert das Aufblhen der Stdte. Die groen Herrschaften, die dort am Ende des 11. Jahrhunderts berwogen: die Mark (oder Grafschaft) Toskana unter der Grfin Mathilde (10521115), die Mark von Verona, von Ivrea usw. verschwinden zugunsten der Stdte, die um sich herum das wirtschaftliche und politische Leben neu ordnen. Sie nehmen die Familien des Landadels in ihren Mauern auf (oder ziehen sie manchmal mit Gewalt an sich), um sie besser bewachen zu knnen. Sie unterwerfen sich ein mehr oder weniger groes Gebiet, das contado, als Menschenreservoir und wirtschaftliches Hinterland. 1154 gewhrt beispielsweise der kaiserliche Legat der Kommune Florenz die zivile und strafrechtliche Rechtsprechung im contado. Unter diesen Stdten zeichnen sich die Seestdte Pisa und Genua aus. Pisa beherrscht am Ende des 12. Jahrhunderts Sardinien, besitzt in Konstantinopel eine sehr aktive Kolonie, geniet in Syrien, Tyrus und Akkon eine hervorragende Stellung. Seine Regierung liegt in den Hnden des Adels und vor allem der Reeder, welche die Konsuln und Senatsmitglieder stellen. Es zeigt seine Macht und seinen Reichtum durch eine auergewhnliche Gruppe von Bauwerken: den Dom, der nach 1063 begonnen und 1118 noch unvollendet von Gelasius II. (1118/19) geweiht wird (die Fassade ist erst am Ende des 12. Jahrhunderts fertig); das 1153 angefangene Baptisterium; den 1174 in Angriff genommenen Campanile (dieser Turm beginnt sich so stark zu neigen, da schon 1190 die Fundamente gesichert werden mssen). Es schickt sich an, auf dem Friedhof den Campo Santo anzulegen, fr den der ppstliche Legat, Erzbischof Ubaldo, vom dritten Kreuzzug 1190 ein Schiff mit heiliger Erde aus Jerusalem mitbringt. Zur gleichen Zeit wird Genua, obgleich stndig von Kmpfen zwischen einzelnen und Parteien zerrissen, dank seiner wirtschaftlichen Blte zur Gromacht. Es lt sich 1191 von Kaiser Heinrich VI. die Herrschaft ber die ganze Kste von Porto Venere bis Monaco besttigen, es kontrolliert den grten Teil Korsikas, hat im normannischen Knigreich Sizilien Sonderprivilegien und in Konstantinopel sowie mehreren Stdten des Heiligen Landes Stapelpltze und Sonderrechte. Es ist der Hauptimporteur von orientalischen Luxuserzeugnissen, vor allem Gewrzen, in den Westen und der wichtigste Erbauer und Eigentmer der Schiffe, welche die Kreuzfahrer und Pilger ins Heilige Land bringen. Die Entwicklung der Stdte im Binnenland erscheint nicht so auergewhnlich. Einige erleben sogar einen gewissen Niedergang. So kann Lucca, das als Hauptstadt der Grafschaft Toskana im 11. Jahrhundert die via
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francigena, den Landweg von Mittelitalien nach Norden, kontrolliert und das Monopol der Mnzprgung in der Toskana besitzt, nicht zum Meer gelangen. Andere Stdte steigen nur langsam in die erste Reihe auf. So wird die florentinische Kommune formell erst 1183 durch den Kaiser anerkannt und erscheint erst 1197, als sie beim Tode Heinrichs VI. an die Spitze der toskanischen Liga gegen den Kaiser tritt, als die beherrschende Macht in der Toskana. Florenz hat zwar in diesem Augenblick, zwischen 1172 und 1175, eine neue Mauer errichtet, die auf 65 Hektar eine Ansiedlung mit 25000 Einwohnern umschliet und den Arno berschreitet, um die geschftige Vorstadt Oltrarno auf dem linken Ufer einzubeziehen; zwar haben sich die Grokaufleute 1182 in einer korporativen Organisation, der Arte de Mercanti, zusammengeschlossen; doch besitzt die Stadt bisher nur zwei bemerkenswerte Bauwerke: das 10141050 auf dem Hgel von San Miniato erbaute Kloster und das Baptisterium San Giovanni, fr das die Ortschaften des contado am 24. Juni Kerzen stiften mssen und das jenen Ochsenwagen (caroccio) aufbewahrt, mit dem die Insignien der Gemeinde zum Schlachtfeld gebracht werden. Der Unterhalt dieser beiden Gebude wird brigens in der zweiten Hlfte des 12. Jahrhunderts der Kaufmannsgilde anvertraut. Alle Stdte des Knigreichs Italien werden zwischen 1061 und 1197 in die schismatischen Streitigkeiten der Ppste und vor allem in den Kampf zwischen Kaiser und Papst hineingezogen. Wenn sie auch schwere materielle, finanzielle, moralische und menschliche Einbuen zu erleiden haben, so ergeben sich fr sie doch auch Vorteile. Einige zgern nicht, den Kaiser zu untersttzen, um ber die Rivalenstdte zu triumphieren. So stellt sich Pisa auf die Seite Friedrich Barbarossas, entsendet 1158 Truppen zur Belagerung von Mailand und macht sich seine Untersttzung gegenber Genua, Lucca und den Normannen zunutze. So hlt auch Cremona gegen seine groen Rivalen Crema und vor allem Mailand zum Kaiser. Mit Hilfe der von ihm erlangten Privilegien breitet es sich aus, bereichert sich und schmckt sich mit Bauwerken: der Dom ab 1107, das Baptisterium ab 1167. Einige ghibellinische Stdte Nord- und Mittelitaliens nehmen also im allgemeinen die Partei des Kaisers; ihnen gegenber gehren die meisten anderen Stdte aber der guelfischen Gegenpartei an, deren Hauptsttze sie sogar meist mit Hilfe der Ppste sind. Die Kaiser behindern nmlich die Interessen dieser Stdte, weil sie durch ihre Regalienansprche soviel Geld wie mglich aus ihnen zu ziehen suchen und ihnen deutsche Ministerialen als Herrn oder Gouverneure (podestates) aufzwingen, deren Ungeschicklichkeit und Brutalitt sie noch feindlicher werden lt. Dieser staatlichen und zentralistischen Macht der Kaiser setzen die guelfischen Stdte, im Bewutsein ihrer Eigenart, ihrer Privilegien und ihrer individuellen Freiheiten, das Ideal der Autonomie entgegen. Der Zusammensto dieser beiden Mchte, Interessen und Anschauungen ist besonders hart unter Friedrich Barbarossa, dessen Onkel, Bischof Otto von Freising, die Aufteilung des Gebietes in Stdte als Skandal ansieht; dort wechseln die Konsuln fast jedes Jahr, und die Macht ist in den
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Hnden von Kaufleuten und Handwerkern, die den contado der Herrschaft der Herren entziehen und der ihren unterstellen. Mailand ist das Zentrum des Widerstands gegen Barbarossa. 1158 unterworfen, erhebt sich die Stadt erneut und wird nach der Einnahme im Jahr 1162 vollstndig zerstrt. Im November 1158 hatte sich der Kaiser auf dem Reichstag von Roncaglia das Regalienrecht besttigen lassen und eine Verwaltungsbehrde mit ihrer Erhebung und Einziehung beauftragt. Doch schon 1164 schlieen sich die Stdte der Mark Verona auf Anregung Venedigs gegen die kaiserlichen bergriffe zusammen. Als Friedrich 1166 auf dem Reichstag zu Lodi ablehnt, den Forderungen der norditalienischen Stdte zu entsprechen, bilden sieben Stdte im Mrz 1167 mit Mailand als Zentrum die lombardische Liga, die sich mit Papst Alexander III. (1159 bis 1181) verbndet. 1168 ist der grte Teil Nord- und Mittelitaliens fr den Kaiser verloren, der erst 1174 einen Zug gegen die Aufstndischen unternehmen kann und im Mai 1176 bei Legnano von der Armee der lombardischen Liga vernichtend geschlagen wird. Der 1177 in Venedig abgeschlossene Waffenstillstand und der 1183 in Konstanz unterzeichnete Friedensvertrag erkennen dem Kaiser bei seinen Aufenthalten in Italien die oberste Autoritt und die Regalien zu, doch wird den Stdten erlaubt, Mauern zu bauen, sich durch Konsuln zu regieren, einen Bund zu bilden und fr immer die Rechte und Gebruche zu bewahren, deren sie sich seit den ltesten Zeiten erfreuen. Barbarossa lehnt das Naturrecht der Stdte ab, erkennt aber ihre Freiheiten und Privilegien an. Diese Billigung eines gemigten Guelfismus stellt fr Italien das Gleichgewicht zwischen Kaiser- und Brgergewalt her, vergleichbar mit dem Ausgleich, den 1122 das Wormser Konkordat zwischen kaiserlicher und ppstlicher Gewalt in den drei Knigreichen des Imperiums Deutschland, Italien, Burgund bewirkt hatte. Erfolge der Monarchie: Die Iberische Halbinsel Im westlichen Teil der Christenheit ist das im Rhythmus verschiedene, trotz aller Rckschlge aber konstante Anwachsen der monarchischen Gewalt der hervorstechendste Zug. Whrend jedoch in England und Frankreich die Knige der Mittelpunkt und oft die Urheber der territorialen Einigung sind, scheint auf der Iberischen Halbinsel die politische Aufsplitterung zu obsiegen. Zwar begnstigte in Spanien die westgotische Tradition einer geheiligten Monarchie das Streben nach einem einzigen Herrscher, das sich zu verwirklichen schien, als mehrere auf Einigung bedachte Knige den Kaisertitel annahmen. Diese Richtung, deren Wiege im Knigreich Len stand, wurde im 11. und 12. Jahrhundert vor allem von einigen kastilischen Herrschern vertreten. Aber, wie schon vorher bei den Merowingern und Karolingern, wurde der Drang nach Einheit auch bei den spanischen Knigen aufgewogen durch den ursprnglich germanischen Brauch, das Reich unter die Erben des gestorbenen Herrschers aufzuteilen.
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Alfons VI. (10651109), Herr ber Len und Asturien, seit 1072 ber Galicien, Portugal, ganz Kastilien und halb Navarra, nannte sich ab 1077 Kaiser von Gottes Gnaden ber ganz Spanien und ber alle Nationen Spaniens gesetzter Kaiser; dieser Titel beinhaltete die Herrschaft ber Christen und Moslems. Letztere wurden in seinem Reich immer zahlreicher, da Alfons VI., von den Cluniazensern und seiner Frau Konstanze von Burgund, die diese untersttzte, zur Reconquista getrieben, einen richtigen Kreuzzug gegen die Mauren fhrte. Er zeitigte 1085 die Einnahme von Toledo, stie aber dann auf die neue muselmanische Dynastie der Almoraviden, die von gleichem religisem Fanatismus beseelt war. Auch das Knigreich Aragonien, von Sancho dem Groen von Navarra bei seinem Tode (1035) geschaffen, schien sich einem groen Spanien einzugliedern, als Knig Alfons I. von Aragonien, der Schlachtenkmpfer genannt (1104 1134), die Knigin Urraca, eine Tochter Alfons VI. heiratete, die ihm den kastilischen Staat zubrachte, mit Ausnahme Galiciens, das dem jungen Alfons VII. (11261157), einem Sohn aus der ersten Ehe Urracas mit Graf Raymond von Burgund, zugefallen war. Nach Urracas Scheidung ntigte Alfons VII. den Schlachtenkmpfer jedoch 1127, Kastilien und Len abzutreten und ihm den Kaisertitel zu berlassen. Alfons VII. machte sich zum Lehnsherrn der Grafen von Barcelona, der Provence und Gascogne, der Knige Ramiro II. von Aragonien und Garcia Ramirez von Navarra und lie sich 1125 in Len zum Kaiser von ganz Spanien krnen. Doch mute er 1139 Alfonso Henriquez (11391185) als unabhngigen Knig von Portugal anerkennen und teilte das Reich 1157 bei seinem Tode unter die Shne auf: Sancho III. erhielt Kastilien, Ferdinand II. Len. Alfons VII., der in zweiter Ehe mit einer Kusine Friedrich Barbarossas verheiratet war, hatte eine Tochter mit dem Knig von Navarra, eine andere mit dem franzsischen Knig Ludwig VII. verheiratet. Auf den Spuren Karls des Groen wandelnd, wie die gereimte Kaiserchronik sagt, trug er im Sden bedeutende Erfolge davon; seine Herrschaft bedeutete den Kulminationspunkt des ephemeren spanischen Reiches im Mittelalter. Nach ihm teilten sich die cinco reinos, die fnf Knigreiche Kastilien, Len, Navarra, Aragonien und Portugal, die nur eine ideelle Einheit verband, die Iberische Halbinsel. In Aragonien unterstellte die Heirat von Ramiros II. Tochter Petronilla mit dem Grafen Raymond Berengar IV. von Barcelona die Lnder Aragonien und Katalonien dem Hause Barcelona, und zwar seit der Regierung von beider Sohn Alfons II. (11621196). Katalonien war wirtschaftlich und kulturell im Knigreich fhrend. Das Katalanische war in Aragonien die Hofsprache und Barcelona, das ein nur aus reichen Kaufleuten gebildeter Hunderterrat regierte, die wohlhabendste Stadt. Doch richteten die Knige von Aragonien ihre Blicke am Ende des 12. Jahrhunderts weniger zum Mittelmeer, wie die katalonische Brgerschaft, sondern ber die Pyrenen nach Frankreich, wo Alfons das Roussillon und die Provence geerbt hatte. Am Ende des 12. Jahrhunderts
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schwankte die Iberische Halbinsel zwischen Norden und Sden zwischen der territorialen Ausdehnung und der Anziehungskraft des Mittelmeers. Erfolge der Monarchie: Frankreich Die deutlichsten Fortschritte verzeichnet die Einrichtung der Monarchie im Westen der Christenheit, in England und Frankreich. In England setzt sich die Knigsgewalt rascher durch, bleibt aber schweren Krisen unterworfen. In Frankreich geht diese Entwicklung langsamer und hindernisreicher vor sich; dafr weicht sie Fehlern geschickter aus und bleibt frher vor ernsthaften Rckschlgen bewahrt. Im 11. Jahrhundert scheint das Knigtum der Kapetinger nur sein Dasein zu fristen; aber obwohl faul und zum Krieg ungeeignet, von seiner Fleischmasse beschwert und mehr um Essen und Schlafen als um Kmpfen bekmmert, hat selbst Philipp I. whrend seiner langen Regierung (10601108) das Prestige der Monarchie nicht nur erhalten, sondern die Knigsgewalt sogar gefestigt. Als Robert von Jerusalem, Graf von Flandern, 1103 in Dover mit dem englischen Knig Heinrich I. einen Bndnisvertrag gegen seinen Lehnsherrn, den franzsischen Knig, eingeht, schrnkt er, wegen seiner Treue zum franzsischen Knig Philipp, die Untersttzung des Briten wie folgt ein: Wenn Knig Philipp England erobern will, wird ihn Graf Robert, falls mglich, davon abhalten. Mit allen Mitteln, mit Rat, Gebeten und seinem Glauben, aber ohne bse Absicht, und ohne Geldgeschenke wird er versuchen, ihn zum Bleiben zu bewegen. Wenn Knig Philipp dennoch nach England geht und den Grafen Robert mitnimmt, wird dieser nur ein mglichst kleines Kontingent Soldaten stellen, um seine Lehnstreue gegenber dem Knig von Frankreich nicht zu brechen. Unter Philipp I. wurde auch, wie wir sahen, die Investiturfrage fr Frankreich praktisch geregelt, und das gute Einvernehmen, das trotz einiger durch das Privatleben der Herrscher hervorgerufener Krisen seit dieser Zeit zwischen den Kapetingern und dem Papst sowie der hohen Geistlichkeit herrschte, hat dem Knigtum eine unschtzbare Untersttzung eingebracht. Philipp, dieser angeblich trge Knig, war schlielich ein Sammler von Grandbesitz, fgte er doch der Knigsdomne die Landschaften Gtinais und Vexin sowie die Vizegrafschaft Bourges hinzu. Es war ein Glcksfall fr die Kapetinger, da sie whrend dieser ganzen Zeit direkte mnnliche Nachkommen besaen; so war die dynastische Kontinuitt gesichert und jeglicher Erbfolgestreit vermieden. Geschickt schirmten sich die Knige gegen jedes Risiko dieser Art ab, indem sie ihre Nachfolger noch zu Lebzeiten krnen lieen. Philipp I. trat 1101 sogar einen Teil seiner tatschlichen Befugnisse an seinen Sohn Ludwig VI. ab. Mit diesem Knig machte die Dynastie weitere Fortschritte. Schlicht, aber im Unterschied zu seinem Vater streitbar und mutig, verwandte Ludwig VI. (1108 1137) einen groen Teil seiner Zeit darauf, die Knigsdomne von jenen tyrannischen Raubrittern zu subern, die dort Unfrieden stifteten. So wurden
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noch zu Lebzeiten Philipps I. Bouchard de Montmorency, Len de Meung, Gui Trousseau und Milon zu Montetry, ferner Anseau de Garlande von La FertBeaudoin, Gui de la Roche-Guyon und die beiden berchtigtsten, Hugues du Puiset und Thomas de Marie, besiegt und ihre Burgen geschleift oder vom Knig und seinen Getreuen in Besitz genommen. Auf diese Weise blieb die wirtschaftliche Prosperitt erhalten und das Ansehen wie die Macht des Knigs festigten sich und wurden vom Klerus, den Kaufleuten und den Bauern, denen es um Frieden zu tun war, anerkannt. Ludwig befahl, da man jene Tyrannen und ihre Spiegesellen, denen es Vergngen bereitet, stndig zu plndern, die Armen zu erschrecken, die Kirchen zu verbrennen, an den Galgen hnge und sie den Raubvgeln, den Weihen, Raben und Geiern zum Fra gebe, zum Zeichen dafr, was Mnner erwartet, die nicht davor zurckschrecken, Hand an den Gesalbten des Herrn zu legen. Als gesalbter und geweihter Knig betonte Ludwig VI. auch die bernatrliche Herkunft seiner Knigsmacht. Schon sein Vater hatte solche Heilkraft unter Beweis gestellt, sie aber durch ein wstes Privatleben und die sich daraus ergebenden Exkommunikationen eingebt. Der Chronist Guibert von Nogent schrieb: Wir haben erlebt, wie unser Herr Knig Ludwig ein herkmmliches Wunder wirkte. Mit meinen eigenen Augen sah ich Kranke, mit Skrofeln am Hals oder anderen Teilen des Krpers, in Massen herbeieilen, um sich von ihm berhren zu lassen wozu er das Kreuzeszeichen schlug. Ludwig verstrkte die Bindung zur Kirche, namentlich zur Abtei Saint-Denis, die er mit Geschenken und Wohltaten berhufte und die aus Erkenntlichkeit dafr die Knigsideologie formulierte und verbreitete. Dank solcher Rckhalte behauptete er sich erfolgreich gegen das Ausland. Dem Knig von England zeigte er, nach Suger, da es weder erlaubt noch natrlich ist, wenn Franzosen den Englndern unterstellt werden ebensowenig wie Englnder den Franzosen. 1124 ldt er ganz Frankreich ein, mit ihm gegen Heinrich V. zu ziehen, der sich anschickt, Frankreich zu erobern, und zwingt den Kaiser zum Rckzug. Nicht ohne bertreibung kommentiert Abt Suger die Erfolge Ludwigs VI.: Ob man die Gegenwart betrachtet oder weit in die Vergangenheit zurckblickt niemals vollbrachte Frankreich eine strahlendere Heldentat und zeigte unter Zusammenfassung aller Krfte seine Macht ruhmreicher, als in dem Augenblick, da es, obwohl anderweitig beschftigt, auf einmal ber den rmischen Kaiser und den englischen Knig triumphierte. Als der Stolz der Gegner gebrochen war, erlegte Frankreichs Anwesenheit der Erde Schweigen auf ... Suger war die beherrschende Figur der Regierungszeit Ludwigs VII. (1137 1180). Bis zu seinem Tod (1151) war er der Hauptberater des Knigs, und als Ludwig VII. 1146 zum zweiten Kreuzzug aufbrach, bertrug er Suger die Verwaltung des Knigreichs. Ludwig VII. hat die Knigsdomnen wenig erweitert, ihre Einknfte aber durch eine gute Verwaltung erhht. Die Rodungen nehmen zu, vor allem im
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Gtinais; hier gehen die Wlder von Orleans und Othe betrchtlich zurck, und Ludwig gewhrt zahlreichen Ortschaften und Neustdten jene Freiheiten, mit denen sein Vater die Bewohner von Lorris beschenkt hatte. Er geht aber noch weiter und spricht verschiedentlich die Leibeigenen kollektiv los. Hier und da hebt er schlechte Gewohnheitsrechte auf, etwa das Einlagerecht, die Kopfsteuer und das Recht auf Zaumzeug. Er begnstigt Handel und Gewerbe durch die Schaffung oder Neuordnung von Mrkten und Messen, deren Steuern er Kirchen oder Gemeinschaften bertrgt, welche sie wirksamer als er schtzen knnen. In den grten Stdten der Domne, Orleans, Bourges, vor allem Paris, untersttzt er den wirtschaftlichen Aufschwung. In Paris untersagt er 1141 oder 1142 den Huserbau auf der Place de Grve, um die Entladung der auf der Seine befrderten Waren zu gewhrleisten, und richtet den Geldwechsel auf der groen Brcke ein. Er erweitert die Allerheiligen-Messe im Stadtteil Saint-Lazare und die Ostermesse in Saint-Germain- des-Prs. Er gewhrt den Bckern und, zum ersten Male in Frankreich, den Metzgern Privilegien und Satzungen. Vor allem spricht er 1170 den Wasserkaufleuten, welche alle Einfuhren auf dem Fluweg bewerkstelligen, das Schiffahrtsmonopol auf der Seine vor Paris und stromabwrts bis Mantes zu. Er fordert gem den tiefgreifenden Vernderungen sozialer und wirtschaftlicher Natur, die sich aus der Adelserhebung, dem Notars- und Geldwesen ergeben, neue Abgaben. Er erhht die Zahl der mit der Verwaltung der Knigsdomne betrauten Beamten oder Vgte. Auerhalb dieses Gebietes begnstigt er die wirtschaftliche Expansion der Stdte, ohne die politischen Forderungen der neuen Brgerspitzen immer zu untersttzen; einmal tritt er fr das Stadtregiment ein, anderswo bekmpft er es. 1155 erlt er einen zehnjhrigen Frieden im Knigreich, den auch viele Kirchenfrsten und groe Herren beschwren mssen. Er nutzt das Feudalsystem fr sich aus, indem er auf dem realen, nicht nur auf dem persnlichen Charakter des Lehenseides besteht. Nicht der Vasall allein ist an ihn gebunden, sondern auch das Lehen, das bei Nichteinhaltung von Vasallenpflichten eingezogen werden kann. So bindet er viele Untervasallen direkt an sich. Ferner erweitert er die juristischen Befugnisse seiner curia regis, des kniglichen Hofgerichts, das sich aus Kronbeamten, Prlaten und kleinen Vasallen zusammensetzt. Kurz vor seinem Tod lt er am 1. Oktober 1179 seinen 14jhrigen Sohn Philipp in Gegenwart der mchtigsten geistlichen und weltlichen Frsten: der Erzbischfe von Sens, Bourges und Tours, der Grafen von Blois und Chartres und von Flandern sowie des Herzogs der Normandie zum Knig krnen. Bereits 1181 ersetzt Philipp II. den herkmmlichen Titel Knig der Franken durch Knig von Frankreich. In seiner Regierungszeit streben Monarchie und Nationalidee steil aufwrts. Ludwig VII. hatte jedoch auch schwere territoriale Einbuen erlitten. 1180 erkannte die alte spanische Grenzmark, die bis dahin theoretisch zum Knigreich gehrt hatte, die franzsische Lehenshoheit nicht mehr an und fiel
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definitiv an Aragonien. Vor allem aber konnte der Knig von Frankreich seinen groen Rivalen, den Knig von England, nicht daran hindern, beiderseits des rmelkanals das Groreich der Plantagenets zu errichten. Erfolge der Monarchie: England Als sich Wilhelm der Bastard, Herzog der Normandie, 1066 in der Schlacht von Hastings seines Gegners Harold entledigte und auf Grund verwandtschaftlicher Beziehungen in Westminster zum rechtmigen Nachfolger Eduards des Bekenners krnen lie, kamen ihm drei Glcksflle zugute. Der erste war die angelschsische Erbschaft. Whrend ihn nmlich sein Sieg rasch vom angelschsischen ealdormen-Adel befreite, bernahm er die Tradition des fyrd, eines ausgehobenen Nationalheeres, und kam in den Genu einer ffentlichen Steuer (danegeld) sowie einer ausgezeichneten Finanzverwaltung durch die sheriffs, welche in den Grafschaften (shires) die Steuern einzogen und die Grundeinknfte verpachteten. Schlielich war ihm die lokale Justiz Grafschaftsgerichte und Gerichte der Hundert ergeben. Der zweite Glcksfall war die normannische berlieferung. Wilhelm der Eroberer (10661087) konnte in England ein Feudalsystem einfhren, das von ihm die Einrichtungen erhielt und das er in seinen Dienst stellte. Er schuf sich eine Ritterschaft von Gefolgsleuten, im allgemeinen Normannen, denen er ein Militrlehen berlie und die vierzig Tage im Jahr Heeresdienste tun muten. Und drittens konnte er seine Knigsmacht kraft der Eroberung auf feste Grundlagen stellen. Die eine war sozialer Natur. Er machte alle seine Untertanen zu Lehensleuten und verpflichtete alle freien Lehenshalter 1086 in Salisbury auf den Treueid. Die andere Basis war materieller Art. Wilhelm behielt einen groen Teil des beschlagnahmten Grundbesitzes fr sich und schuf so eine Domne, die ber das ganze Knigreich verstreut war. Weiterhin sicherte er sich Einknfte verschiedenster Art: Grundrenten, Feudalsteuern, danegeld. 1086 lie er als ersten staatlichen Kataster ein Verzeichnis aller kniglichen Einknfte anfertigen, das Domesday Book (von: Gerichtstag). Eine Abteilung der curia regis wurde mit der berprfung der Abrechnungen der sheriffs beauftragt. Man nannte dies Gericht Exchequer, da es die Kontrolle mittels Marken, die auf einen schachbrettartig aufgeteilten Teppich geworfen wurden, durchfhrte und seine Berechnungen auf eine Pergamentrolle bertrug, deren ltestes Exemplar sich fr das Jahr 1129/30 erhalten hat. Sie hie spter Pipe Roll. Doch gelang es der anglo-normannischen Monarchie auf die Dauer nicht, die zu Hrigen gewordenen Bauernmassen, die Herren, darunter die mchtigen Barone, und die Kirche, deren Anfhrer, Lanfranc und vor allem Anselm, Erzbischfe von Canterbury, sich den kniglichen Forderungen erfolgreich widersetzten, in Gehorsam zu halten. 1130 sah sich Heinrich I. nach dem Chronisten Johann von Worcester whrend eines Alptraums nacheinander von aufstndischen Bauern, Herren und Prlaten bedroht. Zudem wurde die anglonormannische Monarchie nach dem Tod Wilhelms des Eroberers (1087) durch
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dynastische Streitigkeiten geschwcht. Sie ergaben sich aus dem Doppelcharakter des Reiches, dessen festlndischer Teil die Inselherrscher jahrhundertelang zu kostspieligen Heereszgen verleitete. Whrend Robert Kurzhose als ltester Sohn Wilhelms 1087 dessen Nachfolge als Herzog der Normandie antrat, lie sich sein jngerer Bruder Wilhelm der Rote (10871100) zum Knig von England krnen und unternahm eine Reihe von berfllen in die Normandie. 1100 wurde er ermordet. Sein jngster Bruder Heinrich I. Beauclerc (11001135) versuchte in Abwesenheit des zum Kreuzzug aufgebrochenen Robert Kurzhose die knigliche Autoritt wiederherzustellen. 1106 besiegte er Robert in Tinchebray und gewann die Normandie zurck. Er widerstand Anselm von Canterbury, dem er erklrte: Solange ich lebe, sollen Wrde und Rechte des Knigreichs England nicht geschmlert werden; und wenn ich jemals, was Gott verhte, einer solchen Demtigung zustimme, so werden mich meine Barone und mein Volk daran zu hindern wissen. 1107 bereinigte er den Investiturstreit in England durch das sogenannte Konkordat von Westminster, das jenes von Worms vorausnahm. Er schuf Reisegerichte und setzte das Knigsrecht durch, was ihm die Bezeichnung Lwe der Gerechtigkeit eintrug. Er erneuerte fr den Adel das Verbot, Privatfehden auszutragen und Schlsser ohne knigliche Genehmigung zu erbauen. Er bte sein Rcknahmerecht auf die Lehen direkter Kronvasallen, tenants in chief, aus. 1120 verlor er jedoch beim Schiffbruch der Blanche-Nef seinen einzigen legitimen Sohn Wilhelm Aetheling und lie als Erbin seine Tochter, die empress Mathilde (Witwe von Kaiser Heinrich V.), anerkennen, die sich mit dem Grafen von Anjou, Geoffrey, wiederverheiratet hatte. Als sie 1135 starb, lie sich ihr Neffe Stephan von Blois (11351154) krnen, und es begann ein fast zwanzigjhriger Brgerkrieg. Barone und Kirche nutzten ihn, um beiden Parteien, namentlich dem schwachen Stephan, immer neue Zugestndnisse abzutrotzen. In England herrschte Anarchie, als 1154 Heinrich II. Plantagenet (11541189), ein Sohn Mathildes und Geoffreys, Stephans Erbe antrat. Er erwies sich sogleich als wrdiger Nachfolger Heinrichs I. und als Restaurator der englischen Monarchie. Peter von Blois schildert ihn wie folgt: Von morgens bis abends ist er mit den Angelegenheiten des Reiches beschftigt. Er setzt sich niemals, auer wenn er sein Pferd besteigt oder das Mahl einnimmt ... Whrend andere Knige sich in ihren Palsten ausruhen, berrascht und verwirrt er seine Feinde und berwacht alles, wobei er vor allem jene prft, die er zu Richtern ber andere gesetzt hat. Wenn er nicht das Schwert oder den Bogen fhrt, hlt er Beratung ab oder liest. Niemand ist einfallsreicher und beredter als er, und wenn er sich von seinen Sorgen lsen kann, diskutiert er gern mit den Gelehrten. Er ist ein groer Bauherr ... Er verabscheut Blutvergieen und hlt den Frieden fr das begehrteste Gut, das ein Knig seinem Volk schenken kann. Zu seiner Sicherung nimmt er eine enorme
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Arbeitslast auf sich, fr ihn sammelt er riesige Reichtmer und gibt sie aus, denn er gewinnt ihn lieber durch das Geld als durch Waffen. Auch er heilte die Skrofeln: Ich mu gestehen, da es heilig ist, dem Herrn Knig beizustehen, denn er ist heilig und des Herrn Christ, und nicht umsonst hat er das Sakrament der kniglichen Salbung empfangen, dessen Kraft, sollte sie bersehen oder in Zweifel gezogen werden, bewiesen wird durch das Verschwinden der Pest in der Weiche (wahrscheinlich eine einfache Drsenentzndung der Leiste) und durch die Heilung der Skrofeln. Er ersetzte die der Adelsschicht angehrenden Feudalsheriffs durch gelehrige und gut berwachte Beamte der Mittelklasse, erhhte die Zahl der kniglichen Reisegerichte, erweiterte seine Kanzlei und verstrkte die Steuerkontrolle, die der Schatzmeister Richard Fils-Nel am Ende seiner Regierungszeit in Dialogue de lExchiquier beschrieb. Die Knigsgerichte oder Bancs du Roi erhielten grere Befugnisse. Heinrich regierte mittels Assisen. Auf der Assise von Clarendon (1166) erlie er eine Polizeiverordnung gegen die Ruber. 1181 wurde durch die Wehrordnung das fyrd-Heer neugebildet. Die Waldordnung (1184) przisierte die Exklusivrechte des Knigs in groen Jagdgebieten, welche Wlder, Heiden und Weiden, aber auch cker und Drfer umfassen. Die groe Assise von 1179 schrnkte die Rechte der Barone betrchtlich ein. Der Knig erhob grere Abgaben, namentlich auf die Dienstmannenlehen, welche den Heeresdienst ablsten. Doch hatte Heinrich auch mit groen Schwierigkeiten zu kmpfen, die ihm vor allem durch die Kirche erwuchsen. Durch die Konstitution von Clarendon (1164) suchte er die bergriffe von Kirche und Papsttum auf die kniglichen Befugnisse zu unterbinden. Dabei stie er auf den erbitterten Widerstand des Erzbischofs von Canterbury, Thomas Becket, der die kirchlichen Privilegien fanatisch verteidigte. Vom kniglichen Hofgericht als Verrter und Meineidiger verurteilt, mute Becket nach Frankreich in die Verbannung gehen. Nach England zurckgekehrt, wurde er am 29. Dezember 1170 in der Kathedrale von Canterbury durch vier Ritter aus dem Gefolge des Knigs ermordet. Heinrich II., dem 1172 in Avranches eine demtigende Bue auferlegt worden war, verlor durch diese Angelegenheit auerordentlich viel Prestige, da Papst und Kirche in der gesamten Christenheit eine zndende Propaganda fr den Kult des zum Mrtyrer erklrten und heiliggesprochenen Becket entfesselten. Trotz der Strenge, mit der er in England die Knigsgewalt neu ordnete, verwandte Heinrich II. einen groen Teil seiner Zeit und Arbeitskraft auf auerenglische Angelegenheiten. Er las Lateinisch, verstand Provenalisch und Italienisch und sprach Franzsisch, war aber des Englischen nicht mchtig und lebte wenig in England. Seine 1152 eingegangene Ehe mit der leichtfertigen, von Ludwig VII. von Frankreich geschiedenen Eleonore von Aquitanien stellte ihn an die Spitze eines groen Gebietes in Frankreich, das Aquitanien, Anjou und die Normandie umfate. Als Schwiegervater der Knige von Kastilien und Sizilien, als
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Bundesgenosse des Knigs von Aragonien suchte er sich die Grafschaft Toulouse anzueignen und einem seiner Shne Savoyen zu verschaffen. Der Kontinent, Frankreich, das Mittelmeer, sogar die Kaiserpolitik lockten diesen unermdlichen, stndig umherziehenden Herrscher mehr als England, wo er sich vor allem die finanziellen, militrischen und politischen Mittel fr seine Unternehmungen auf dem Festland zu beschaffen suchte. Die Ambitionen seiner Shne machten ihm jedoch viel zu schaffen. Heinrich der Junge, den er 1170 auf dem Hhepunkt des Kampfes gegen Thomas Becket krnen lie, hatte nichts Eiligeres zu tun als sich sofort mit der Kirche und dem Papst gegen den Vater zu verbnden. Nach seinem frhen Tod leiteten die drei anderen Shne Heinrichs II., untersttzt von der Mutter Eleonore, 1173 bis 1174 einen groen Adelsaufstand gegen ihren Vater. So lie dieser uerlich so mchtige und reiche Knig 1189 bei seinem Tode ein durch Militr- und Verwaltungsausgaben erschpftes Reich zurck, das nur noch durch Sondersteuern weiterexistierte. Verlliche Schtzungen haben ergeben, da er am Ende ber weniger Geld verfgte als sein 1180 verstorbener kapetingischer Rivale Ludwig VII., dessen Gebiet und Autoritt doch sehr viel bescheidener waren. Diese Erschpfung nahm noch zu unter der Herrschaft seines Nachfolgers und zweiten Sohnes Richard I. Lwenherz (1189 bis 1199). Zwar setzte er das vterliche Werk in England fort und suchte die kniglichen Einnahmen noch durch die Schaffung einer neuen Grundsteuer (charruage oder hidage) zu erhhen. Zudem brachte ihm sein ritterlicher Ruhm, der im Gegensatz zu dem friedliebenden Temperament des Vaters stand, in England groes Ansehen ein. Doch lebte dieser Frst fast nie in England, zeichnete sich auf den Kreuzzgen aus, war als treuer Sohn Eleonores vor allem Aquitane, dazu fr die occitanische Kultur passioniert, selbst Troubadour und das Inbild eines Ritters, den der Traum vom Mittelmeer und vom Orient begeisterte. Er war mehr ein Paladin der Christenheit als ein englischer Knig. Nachdem er den Gefahren des Heiligen Landes und den Kerkern des Herzogs von sterreich entkommen war, fiel er schlielich 1199 auf einem jener Ritterzge, in denen er ganz aufging, vor den Mauern von Schlo Ghalis im Poitou. Vllig auf dem Festland beschftigt, war es den Knigen aus dem Haus Plantagenet auch nicht gelungen, die Nachbarn Englands zu unterwerfen, die gegen Ende des 12. Jahrhunderts weiterhin am Rand der Christenheit lebten. Mit Untersttzung des englischen Papstes Hadrian IV., der dem irischen Klerus und seiner traditionellen, jahrhundertealten Unabhngigkeit sehr mitraute, hatte Heinrich II. vergeblich versucht, das ihm vom Papst zum Lehen gegebene Irland zu erobern. Ebenso theoretisch war seine Lehnshoheit ber Walliser und Schotten. Diese drei Lnder, von denen nur Schottland der Monarchie eine gewisse Autoritt zugestand, wurden noch fr einige Zeit von Clans regiert, welche die rauhen Bergbewohner, die aber vorzgliche Krieger waren, gruppenweise recht und schlecht zu beherrschen suchten.
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Schwierige Staatenbildung im Osten: Von Skandinavien bis Kroatien Am Ostrand der Christenheit scheint dagegen, von Skandinavien bis Kroatien, Ungewiheit bezglich der nationalen Zugehrigkeit vorzuherrschen. Auch wenn ihre Eigenstndigkeit durchdringt, gehren die einzelnen Gebiete nacheinander verschiedenen politischen Gruppierungen an. Die Knigsgewalt setzt sich nur langsam durch und erleidet verschiedentlich schwere Rckschlge, wenn sie nicht ganz ausgeschaltet wird. Zudem sind die Beziehungen der meisten zwischen Ostsee und Adria gelegenen Staaten mit dem deutschen Reich fluktuierend, so da sie von einer nationalen Stabilitt noch weiter entfernt sind als die brige Christenheit. In Skandinavien scheint die Auflsung des von Knut dem Groen (gest. 1035) gebildeten Reiches besiegelt zu sein. Dnemark ist das fortgeschrittenste der drei Knigreiche. Svend Estridsn (10471074) macht Roskilde zu seiner Hauptstadt, prgt regelmig Geld und ersetzt in seiner Umgebung die englischen immer mehr durch dnische Kleriker und Beamte. Er lockert auch die Abhngigkeit der dnischen Kirche vom Metropoliten Adalbert von Bremen, mit dem er jedoch gute Beziehungen unterhlt, ist er doch die Hauptinformationsquelle Adams von Bremen fr dessen Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum. Die Eroberung Englands durch Wilhelm von der Normandie setzt den dnischen Wunschtrumen ein Ende. 1074 und 1085 wird zum letzten Male der Plan einer dnischen Landung in Grobritannien erwogen. brigens sind es die englischen Mnche der Sankt Albanskirche in Odense, welche der dnischen Monarchie einen groen Dienst leisten. Am Karfreitag 1101 wird Knig Knut, dieser gewaltttige Despot, den aufstndische Bauern 1086 in ihrer Kirche ermordet hatten, heiliggesprochen. Aegelnoth, ein in Odense lebender Mnch aus Canterbury, verfat zu Beginn des 12. Jahrhunderts die Historia Sancti Canuti Regis als erstes in lateinischer Sprache auf dnischem Boden entstandenes Werk. Am Anfang der Regierungszeit von Niels (11041134) wird Asser, Bischof von Lund, zum Metropolitanbischof ernannt. Mit der Erringung der kirchlichen Unabhngigkeit hat Dnemark nun volles Stimmrecht in der Christenheit erlangt. Allerdings vollzieht sich unter Niels auch ein Vorsto des Adels, der die Knigsmacht zurckdrngt. 1134 erscheint die schwer bewaffnete Ritterschaft auf dem Schlachtfeld von Fotevik; die Knigsgarde (hirdh) verschwindet; groe Herren mit lokaler Befehlsgewalt und neuen Titeln tauchen auf. Niels Neffe Knut Lavard ist der erste Dnenherzog. Mit seiner Ermordung (1131) durch den Vetter und Rivalen Magnus setzt ein langer Brgerkrieg ein, in dem mehrere Mitglieder der Knigsfamilie umkommen. Die Deutschen machen sich diese Anarchie zunutze und reien das Geschehen an sich. 1133 verliert der Erzbischof von Lund seine Metropolitenwrde an den Erzbischof von Bremen. Mit der Begrndung, die Dnen htten deutsche Kaufleute schlecht behandelt, zwingt Kaiser Lothar III. Magnus 1134, ihm in Halberstadt den Lehnseid zu leisten. Die Herrschaft Waldemars des Groen (11571182) scheint dann das
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Ansehen Dnemarks und seines Knigshauses wiederherzustellen und zu festigen. 1139 erwirkt Bischof Eskil vom Papst die Rckverlegung des Metropolitansitzes nach Lund. Mit der Zustimmung Waldemars unternimmt er eine Reform der dnischen Kirche im Sinne der gregorianischen Reform. Nach einem heftigen Konflikt mit dem Knig, der Friedrich Barbarossa und Viktor IV. gegen Papst Alexander III. untersttzt hat, shnt sich Eskil, der zwischenzeitlich nach Clairvaux geflohen war, mit Waldemar aus und lt dessen Vater Knut Lavard 1169 von Alexander III. kanonisieren. Der Herrscher zieht Nutzen aus seinen Erfolgen gegen die Wenden, die er einmal mit Zustimmung Heinrichs des Lwen und der Deutschen, ein andermal gegen sie errungen hat. 1169 nehmen die Dnen Rgen und grnden zwischen 1170 und 1174 die Zisterzienserklster Doberan, Dargun und Kolberg. Doch mu Waldemar die wachsende Macht der groen Adelshuser und die Bedrohung seiner dnischen Politik durch die Erzbischfe zulassen, vor allem seit Absalon 1178 in Lund den Stuhl Eskils eingenommen hat, aber das Bistum Roskilde weiterhin behlt. Der Zusammenhalt des Landes wird durch die Groen und die Bewohner Schnens bedroht, als Waldemar der Groe 1182 stirbt und in Ringsted mit zwei Bleitafeln beigesetzt wird, die von ihm verknden: Besieger der Slawen ... Befreier des Vaterlands ... Er hat die Bewohner von Rgen besiegt ... den Danewerk neu erbaut und das Schlo Sprogo errichtet mitten im Groen Belt und damit die dnische Herrschaft ber diese Meerenge gesichert. Noch weniger entscheidend sind die Fortschritte der Monarchie in Norwegen, wo sie erst am Anfang steht. Harald der Strenge, der im Jahr der Schlacht von Hastings (1066) auf einem Zug nach England gettet wird, ist noch ein Wikinger. Nach ihm fat die Tradition der vereinigten Knigtmer Fu. Magnus Barfod (Barfu, weil er den traditionellen Kilt der Kelten trgt) wird 1103 in Irland gettet. Sein Sohn Sigurd Jorsalafaziz (der Jerusalemfahrer) sucht das Abenteuer wie die brigen christlichen Frsten und Herren auf dem Kreuzzug. Nach seinem Tod (1130) bricht der Brgerkrieg aus. Die Anhnger der drei Kinderknige, die ab 1139 regieren, teilen sich die Macht. Gleichzeitig fhren die in die Wlder geflchteten und zu Rubern gewordenen Bauern aus sozialen Motiven einen wtenden Krieg gegen ihre Herren. Sverrir, ein Kleriker aus Frer, der sich als Bastardsohn eines der Knige bezeichnet und 1179 den geistlichen Stand aufgibt, setzt sich an die Spitze dieser Birkebeiner und reit 1180 die Macht an sich. Doch leistet ihm die geistliche Hierarchie Widerstand, die 1164 auf einer Landessynode versucht hatte, sich zum Vormund des Knigshauses zu machen. Erst wenige Monate vor seinem Tod (1202) trgt Sverrir endgltig den Sieg ber die Bischfe und ihre Parteignger davon. Er hat Knigsbeamte eingesetzt: sysselmaend, armaend, lagmaend, und den Dichtern der Knigssagas eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung des Knigsgedankens und der Nationalidee zugewiesen. Noch langsamer tritt Schweden in den Kreis der Christenheit ein. Adam von Bremen schildert es am Ende des 11. Jahrhunderts als ein reiches, bevlkertes,
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aber fast unbekanntes Land, wo die Polygamie blich ist und der Tempel von Uppsala Mittelpunkt eines sehr regen heidnischen Kults bleibt. Runeninschriften finden sich reichlich bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Die quer durch Ruland gepflogenen Beziehungen zur arabischen Welt lockern sich als Folge des trkischen Vordringens, der Entfaltung der russischen Frstentmer und des Eindringens des Christentums in Schweden. Kurz nach 1066 wird Knig Ingo der Alte durch einen heidnischen Aufstand verjagt. Im 12. Jahrhundert wechseln zwei Dynastien auf dem Thron ab, whrend die groen Familien das Thing beherrschen, jene Versammlung, die praktisch den Knig lenkt, und die lagmn in den Provinzen fast als unabhngige Herrscher residieren. 1153 legt der ppstliche Legat Nikolaus Breakspear, der knftige Hadrian IV., auf der Synode von Linkping das Fundament fr eine den westlichen Kirchen nahestehende schwedische Kirche. 1160 wird Knig Erik Jedvardsson in der Kirche zu Uppsala ermordet. Rasch als Heiliger angesehen, wird er zum Symbol der schwedischen Unabhngigkeit, deren kirchliche Grundlage 1164 die Erhebung der Dizese Uppsala zum Erzbistum durch Papst Alexander III. ist. Der erste Erzbischof, ein Zisterziensermnch aus Alvastra, empfing brigens die Weihen in Sens (Frankreich). Knut Eriksson (11731196) gibt einen besseren Herrscher ab, doch mu er die Anfnge der deutschen Handelsexpansion zulassen und Heinrich dem Lwen sowie den Lbeckern bedeutsame Privilegien zugestehen. Noch grer sind die Schwierigkeiten der katholischen Slawenfrsten, denn sie mssen sich gleichzeitig gegen die heidnischen Vlker, gegen die Deutschen und gegen Widersacher im eigenen Land zur Wehr setzen. Es kommt zu Konflikten zwischen Polen und Tschechen; zentrifugale Bestrebungen machen sich bemerkbar, die vor allem von den groen Adelsfamilien, einigen Kirchenfrsten und Partikularisten auf regionaler Ebene begnstigt werden. Das Knigtum selbst geht mehrfach ganz unter. Umgeben von Wenden, Preuen, heidnischen Litauern, Deutschen und Russen, scheint das polnische Piasten-Haus beim Tod Kasimirs I. des Erneuerers (1058) die Rckschlge der Zeit Mieszkos II. berwunden zu haben. Boleslaw II. der Tapfere (10581079) wird zu Weihnachten 1076 in Gnesen vom dortigen Erzbischof zum Knig gekrnt, entzweit sich aber mit Gregor VII., der ihn bis dahin gegen Kaiser Heinrich IV. untersttzt hatte. Er wird exkommuniziert, vom Papst abgesetzt und mu nach Ungarn fliehen. Boleslaw III. Schiefmund (1102 1138), der sich, wie die Staufer in Deutschland, auf den kleinen und mittleren Adel und die Ministerialen sttzt, kann Polen gegenber dem 1109 siegreich zurckgeschlagenen Kaiser Heinrich V., den Tschechen und dem Hochadel eine Periode der Unabhngigkeit und Einheit sichern. In seinem Testament versucht er, den dynastischen Streitigkeiten und partikularistischen Bestrebungen zu steuern, indem er das Knigreich unter die Shne des verstorbenen Herrschers aufteilt, die jngeren aber der moralischen Autoritt des ltesten unterstellt. Dies System wird aber immer mehr zur Fassade, hinter der der polnische Staat in mehrere praktisch unabhngige Herzogtmer zerfllt: Gropolen, Schlesien,
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Masowien, Kujawien, Sandomir und Kleinpolen, in dem Krakowien nur noch theoretisch die Vormacht innehat. In Pommern nimmt der deutsche Druck zu. Friedrich Barbarossa zwingt Boleslaw Krauskopf (11201173) zum Lehnseid. Die Macht der groen weltlichen und kirchlichen Frsten wchst stetig an. 1136 besitzt der Erzbischof von Gnesen bereits ber 1000 Herdstellen und etwa 5000 Leibeigene. Nach dem Tod Kasimirs II. (1194), der die Herzogtmer Sandomir, Gropolen, Masowien und Kujawien eine Zeitlang zusammengeschlossen hatte, geht der Zerfall des polnischen Staates erneut weiter. Bei den Tschechen wird die uerliche Strkung des Przemysliden-Hauses mit einer immer strkeren Einbeziehung Bhmens in das deutsche Reich und mit der politischen Trennung Bhmens von Mhren erkauft. Heinrich IV. erhebt Wratislaw II. (1085 bis 1092) im Jahr 1085 in die Knigswrde und Friedrich Barbarossa tut 1158 das gleiche mit Wladislaw II. (11581173). Die Herzge oder Knige von Bhmen sitzen in den deutschen Reichstagen, nehmen an der Wahl des rmischen Knigs teil und haben seit 1114 die Erbwrde des kaiserlichen Mundschenks inne. Bhmen und Mhren sind aber seit 1182 praktisch, und seit 1197 offiziell, getrennt. Doch verfat Cosmas (10451125), Domdechant von Prag, als tschechischer Herodot mit seiner bhmischen Chronik seine erste Nationalgeschichte. Noch weniger Glck ist den Kroaten beschieden, die nur eine kurze Zeit der Unabhngigkeit erleben. 1076 gelingt es Demetrios Zwonimir, die byzantinische Lehnshoheit abzuschtteln und mit der des Papstes zu vertauschen. Der Legat Gregors VII. krnt ihn in Split, das als kirchlicher Mittelpunkt des Knigreichs Kroatien bald hinter dem 1094 in Zagreb gegrndeten neuen Bistum zurcktritt. Der letzte autochthone Kroatenknig, Peter, wird 1097 geboren; 1102 wird der ungarische Knig Kolomann I. zum Knig von Kroatien und Dalmatien gekrnt. Obwohl rechtlich ein autonomes Knigreich, bleibt Kroatien fr acht Jahrhunderte der Stephanskrone unterstellt. Das Knigreich Ungarn mu im 11. Jahrhundert mit zwei heidnischen Aufstnden (1046 und 1061), dynastischen Kmpfen und der Einmischung der deutschen Kaiser fertig werden. Die Heiligsprechung Knig Stephans 1073 wird zum Ausgangspunkt einer nationalen Erneuerung. Gza I. (10741077) und Ladislaus I. (10771095) untersttzen Gregor VII. im Investiturstreit, unterstellen Ungarn der Lehnshoheit des Heiligen Stuhls und entziehen sich so dem deutschen Einflu. Im 12. Jahrhundert betreiben die Ungarnknige mit Erfolg eine geschickte Schaukelpolitik zwischen Kaiser, Papst und Byzanz und knnen ihren Einflu auf Kroatien, Transsylvanien und sogar auf Serbien ausweiten; allerdings gehen die dynastischen Zwiste im Innern weiter, und die Macht des Groadels nimmt auf Kosten der Monarchie zu. Als Papst Innozenz III. 1198 den Stuhl Petri besteigt, scheint die Einheit der Christenheit, die sein Vorgnger Urban II. ein Jahrhundert frher in Clermont als Ziel genannt hatte, ferner denn je zu sein. Doch wird der neue Papst, dem der
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vorzeitige Tod Kaiser Heinrichs VI. freie Hand lt, ein letztes Mal versuchen, die geteilte Christenheit unter der Leitung des Papsttums zu vereinigen. 5. Die rumliche Ausdehnung der Christenheit Bis um das Jahr 1000 war der christliche Westen ein Raubgut fr Eindringlinge gewesen, die Land oder Beute suchten: Normannen, Araber, Ungarn waren den germanischen Eroberern gefolgt. Am Ende des 11. Jahrhunderts wechselt die Richtung der Einflle. Nunmehr sind die Christen an der Reihe, Vermgen und Abenteuer an den Grenzen des Westens und auerhalb zu suchen. Durch die Fortschritte im Ackerbau und die erhhte Sicherheit hat sich die Bevlkerung vermehrt, aber die Christenheit ist noch nicht in der Lage, den Menschenberschu aufzunehmen: Weder das bebaute Land noch die Stdte bieten ausreichende Arbeits- und Lebensmglichkeiten. Dafr gibt es bei den Heiden und Unglubigen gutes Land und reiche Stdte zu erobern oder zu bevlkern. Als Urban II. 1095 und der Heilige Bernhard von Clairvaux 1146 den Kreuzzug predigen, lassen sie den doppelten Kder der ewigen und der zeitlichen Gter, die zu gewinnen sind, durchscheinen. Himmlisches und irdisches Jerusalem mischen sich zu einem Doppelbild, dessen Spiegelung Ritter und Bauern anzieht, die nach Land, Schtzen und ewigem Heil drsten. Was am wenigsten zu diesen Abenteuern verlockt, sind auf jeden Fall Handelsgewinne einmal, weil zu dieser Zeit die kaufmnnische Ttigkeit der Christen noch viel zu schwach ist, um Ursache einer Massenbewegung zu sein, dann auch, weil die Kaufleute durch gewinnbringende bereinknfte mit fremdlndischen Partnern ihren Nutzen suchen: durch Privilegien, die sie von Byzantinern und Arabern erlangen, und durch friedlichen Handel mit den Eingeborenen. Die Eroberung und Besiedlung einerseits und das Eindringen des Handels andererseits gehen oft auf den gleichen Wegen vor sich, aber sie vermischen sich nicht.
Ein Volk von Eroberern: Normannen von der Nordsee bis zum Mittelmeer Diese christliche Ausbreitung setzt manchmal nur in einem greren Zusammenhang vorhergehende Bestrebungen fort. So zum Beispiel die Normannenzge. Sie hren an ihrem skandinavischen Ausgangspunkt fast ganz auf, heben aber von ihren neuen westlichen Sttzpunkten aus, der Normandie und den beiden Sizilien, wieder an.
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Abb. 7: Die Ausbreitung des Abendlandes vom 11. bis zum 14. Jahrhundert
Die Nachkommen der Wikinger sind nach dem Wort Ottos von Freising in der Mitte des 12. Jahrhunderts immer noch das recht unruhige Volk der Normannen. Beim Tod Eduards des Bekenners (1066) landet Wilhelm der Bastard, Herzog der Normandie, in England, um die Krone, die ihm der angelschsische Monarch versprochen hat und die der angelschsische Rat der Herren, der witanagemot, dem Mchtigsten unter ihnen, Harold, Grafen von Wessex gegeben hat, fr sich zu fordern. Am 14. Oktober 1066 wird Harold in Hastings geschlagen und gettet. Am Weihnachtstag lt sich Wilhelm, der den ihm lange feindlich gesinnten Erzbischof von Canterbury, Stigand, ausgeschaltet hat, vom Erzbischof von York, Ealsdred, in Westminster krnen. Ein Aufstand in Northumbrien wird unbarmherzig unterdrckt, und der schottische Knig Malcolm, der die Aufstndischen untersttzt hat, mu Wilhelm 1072 huldigen. Eine letzte angelschsische Revolte 1075 fhrt zum Verschwinden aller angelschsischen earls, die von Normannen ersetzt werden. 1070 setzt eine Synode unter dem Druck des Eroberers den Erzbischof Stigand von Canterbury ab und ersetzt ihn durch Abt Lanfranc von Saint-Etienne in Caen, einen Freund und Berater Wilhelms. 1086 versammelt der Knig in Salisbury alle Grundbesitzer von einiger Bedeutung im Knigreich, welchem Herrn immer sie unterstellt waren, und alle huldigten ihm, wurden seine Mannen, schworen ihm Treue und versprachen ihm gegen jedermann Hilfe. Danach lt er eine groe Zhlung der Menschen, Lnder und Einknfte seines Knigreichs aufstellen: das Buch des Jngsten Gerichts, das Domesday Book.
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Die Eroberung Englands durch Wilhelm den Bastard war von einer bedeutenden normannischen Einwanderung vorbereitet worden, die um die Mitte des 11. Jahrhunderts zugenommen hatte und Teil einer viel greren normannischen Diaspora war, die sich vorwiegend nach Sden, zum Mittelmeer gewandt hatte. Man findet diese Normannen in den Truppen der Reconquista und bei den Ansiedlern in Spanien wieder und bei den Kreuzzgen. Sie setzen sich auch in Sditalien und Sizilien fest und greifen von da auf das mittlere und stliche Mittelmeer aus. Die Eroberung Sditaliens und Siziliens, sowie die ppstliche Zuerkennung des Herzogstitels fr Robert Guiscard (1059) und des Knigstitels fr Roger II. (1130), der unter seiner Herrschaft die normannischen Gebiete beider Sizilien vereinigt, fhren zu einem Knigreich, dessen Originalitt schon hervorgehoben wurde, dessen Dynamik und Angriffslust aber hier dargestellt werden sollen. Schon Robert Guiscard hat zwischen 1081 und 1083 Epirus und Illyrien besetzt und ist bis Skopje am oberen Wardar und bis nach Larissa in Thessalien vorgedrungen. Die Byzantiner haben venezianischer Hilfe bedurft, um die Kontrolle der Adria durch die Normannen zu verhindern. Aber die Normannen geben nicht auf. 1147 bemchtigen sie sich Korfus, unternehmen Piratenzge nach Epirus und in den Peloponnes, plndern Theben und Korinth; 1149 stoen ihre Schiffe bis Konstantinopel vor. Der Gegenschlag des Kaisers Manuel Komnenos ist heftig: er nimmt Korfu zurck und verwstet Apulien. Die Adria wird nicht normannisch, aber auch nicht byzantinisch, sondern venezianisch. Die Normannen spielen in der im Lauf des 12. Jahrhunderts wachsenden Feindseligkeit zwischen Lateinern und Byzantinern eine wichtige Rolle: sie gipfelt in der Einnahme Konstantinopels (1204) whrend des vierten Kreuzzugs. Nach dem Tod Manuel Komnenos (1080) unternimmt Wilhelm II. von neuem einen Angriff gegen das byzantinische Kaiserreich, und man wei, da sich Kaiser Heinrich VI., der Nachfolger der Normannen in Sizilien, 1197 anschickt, die Eroberung der Welt durch die Einnahme Konstantinopels zu erffnen. Unterdessen betreiben die Normannen auch in Nordafrika eine Eroberungsund Ausbreitungspolitik, die, diesmal gegen die Moslems gerichtet, ebenfalls beabsichtigt, ihnen die Herrschaft im mittleren und stlichen Mittelmeer zu sichern. 1118 fat Roger II. in Tunesien Fu. Aber die normannischen Erfolge sind unbestndig und die Besetzungen von geringer Dauer: die Insel Dscherba, dann Tripolis (1146), Gabs (1147), Mahdia, Sus, Sfax (1148), Bne (1154) bleiben nicht lange in normannischen Hnden. Die Eroberung Maltas (1091) ist dauerhafter. Aber die dreimal (1174,1175 und 1177) wiederholten Versuche Wilhelms II., sich der Nilmndung zu bemchtigen, bleiben erfolglos. Diesen regen Unternehmungen der Normannen im Mittelmeer mu man noch den wichtigen Anteil, den sie an den Kreuzzgen haben, hinzufgen. Bohemund, der Sohn Robert Guiscards, nimmt 1098 Antiochien ein und grndet dort ein normannisches Frstentum, das sein Neffe Tankred erbt. Der grosse Appetit: die deutsche Ostkolonisation
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An einer anderen Grenze der Christenheit, im Osten, setzt die germanische Ausbreitung gleichfalls eine ltere Tradition fort. Ohne bis zu den Karolingern zurckzugehen, gengt es, an die von Heinrich I. (919936), dem Vogler, anfangs des 10. Jahrhunderts begonnenen Anstrengungen zu erinnern, um die Slawen, die bis ber die Elbe und Saale vorgedrungen waren, wieder in den Osten zurckzuwerfen. Man darf auch nicht vergessen, da die germanische Expansion Bevlkerungen einschliet, die im Nordwesten des Imperiums oder an seinen Grenzen sitzen Hollnder, Flamen, Lotharingier oder Lothringer und Franzosen , die also zu jener Zone gehren, in der die Bevlkerungszunahme sehr frh und stark eingesetzt hat. Die berhmte Charta Bischof Friedrichs von Hamburg (1106) ist Hollndern gewhrt: Dieser Vertrag, den die Leute von jenseits des Rheins, Hollnder genannt, mit uns eingegangen sind, erklrt der Bischof, soll von allen gekannt sein; diese Menschen suchten unsere Herrlichkeit auf und baten instndig um die berlassung eines Landes innerhalb unseres Bistums, das bisher unbebaut und sumpfig war und den Bewohnern des Landes ohne Nutzen, um es zu kultivieren. Der deutsche Zug zum Osten ist vielgestaltig: bald handelt es sich um friedlichen Anbau unbestellten Landes, bald um Kaufmannsniederlassungen oder Kolonisierungen auf Grund von Privilegien, bald um gewaltsame Eroberungen, die sich manchmal unter religisen Vorwnden verbergen. Die Mnchsorden nehmen einen entscheidenden Anteil daran. So sind in der 1156 zugunsten der Babenberger zum Herzogtum erhobenen Mark sterreich die Klster Melk (1089) und Klosterneuburg (1114), die Zisterzienserabteien Heiligenkreuz (1135) und Zwettl (1137) Zentren des Anbaus und geistige wie religise Mittelpunkte. Die Hauptinitiative zwischen Elbe und Saale liegt bei den Markgrafen von Meien, vor allem bei Markgraf Konrad aus dem Hause Wettin (1126), der seinen Lndern die Mark Lausitz hinzufgt, die mit der Mark Meien zusammen die Ostmark bildet. Die beiden deutschen Frsten, die in der Mitte des 12. Jahrhunderts den wichtigsten Beitrag zur Ostkolonisation leisten, sind Albrecht der Br und Heinrich der Lwe. Diese beiden Rivalen stoen auf den gleichen Feind: die slawische Bevlkerung der Wenden. Die Deutschen fhren einen mitleidlosen Vernichtungskampf gegen die Wenden und erlangen vom Papst, ungeachtet der in diesen Gegenden gerade stattfindenden Missionierung, eine Tarnung ihres Unternehmens als Kreuzzug. Der Kreuzzug von 1147, der eine allgemeine Erhebung der Wenden beantwortet, endet als jmmerlicher Mierfolg. Aber 1150 lt sich Albrecht der Br von Herzog Pribislaw Brandenburg abtreten, das zur Mark wird. Unterdessen besiegt der Sachsenherzog Heinrich der Lwe die Obotriten 1147 ein erstes Mal, dann zwischen 1160 und 1164 endgltig. Er grndet die Bistmer Oldenburg, Mecklenburg und Ratzeburg.
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Am Ende seiner Slawenchronik kann Helmold 1171 schreiben, da das gesamte Gebiet zwischen Elbe und Meer, von der Eider bis Schwerin, eine Kolonie der Sachsen geworden ist. Solche Kriege und Greueltaten verhindern aber weder geistige noch wirtschaftliche Regsamkeit. Eine mit der Wendenmissionierung und dem Kreuzzug von 1147 besonders eng verknpfte Persnlichkeit, der Prmonstratenser Anselm, Bischof von Havelberg, skizziert in seinen Dialogi (1145) eine Theorie der geschichtlichen und religisen Entwicklung, die das Entstehen neuer Orden und das Auftauchen neuer Formen religisen Lebens als Antwort auf neue Bedrfnisse rechtfertigt. Die Bodenbestellung und die Entwicklung der Mrkte, die oft frhere slawische Mrkte fortsetzen oder ablsen, werden durch juristische Privilegien begnstigt, unter denen die der Stadt Magdeburg eine besonders vorteilhafte Entwicklung nehmen (man wird sie bald die Magdeburger Stadtrechte nennen). Albrecht der Br gewhrt sie zum Beispiel vor 1170 der Stadt Stendal. Endlich zeigt das berhmte Beispiel Lbecks, wie die Ausbreitung des Fernhandels mit der deutschen Ostkolonisierung des 12. Jahrhunderts zusammengeht. Wir kommen darauf zurck. Wiedereroberung verlorener Gebiete: die spanische Reconquista Es gibt in der zweiten Hlfte des 11. und im 12. Jahrhundert eine weitere Ausbreitung der Christenheit, die, wenn auch mehrere Jahrhunderte alt, durch Intensivierung und vernderten Charakter gleichfalls eine neue Wendung nimmt: die spanische Reconquista. Bis zum 11. Jahrhundert waren die kleinen christlichen Staaten Nordspaniens und die karolingischen Herrscher und Herren jenseits der Pyrenen nur langsam nach Sden vorgestoen, whrend sie gleichzeitig ihre rasch abgewiesenen Streifzge nach Norden weiter ausdehnten. Um das Jahr 1000 scheinen die siegreichen Unternehmungen Al-Mansurs dieses Vordringen aufgehalten zu haben. Wenn auch das Ende des Kalifats von Cordoba (1031) und die Anarchie, die in den kleinen mohammedanischen Knigreichen, den Taifas, herrscht, eine gnstige Gelegenheit fr die christliche Rckeroberung bieten, so sind sie doch keineswegs deren Ursache. Den christlichen Knigreichen Spaniens kommt der allgemeine Aufstieg der Christenheit zugute, namentlich, neben ihrem eigenen Elan, die starke Untersttzung durch Einwanderer von jenseits der Pyrenen. Neben den normannischen, franzsischen, burgundischen und gascognischen Rittern, welche die spanischen Reihen verstrken, spielt das Eingreifen Clunys eine besonders wichtige Rolle. Es trgt zur monastischen Erneuerung durch die Grndung einer Reihe von Klstern krftig bei: San Juan de la Pea 1025, Sahagun 1079; auerdem setzt es seine Mnche auf die Bischofssthle Spaniens: Bernhard von Ldirac, Abt von Sahagun, wird Erzbischof von Toledo (1086 1112); Geraud von Moissac, Erzbischof von Braga; Bernhard von Agen Bischof
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von Sigenza und Erzbischof von Compostela; ferner lt es durch seine bte Inspektionsreisen unternehmen (Abt Hugo von Cluny 1090, Petrus Venerabilis fnfzig Jahre spter). Es begnstigt die Wallfahrt zum heiligen Jakob nach Compostela. Vor allem macht es die Reconquista zum Religionskrieg, zum Kreuzzug. 1063 gewhrt Papst Alexander II. (10611073) denjenigen Abla, die in Spanien gegen die Unglubigen kmpfen. Das Unternehmen von 1064 unter der Fhrung des Herzogs von Aquitanien und der Gascogne, Gui-Geoffroi, und eines normannischen Abenteurers aus Sditalien, Wilhelm von Montreuil, entreit den Moslems Barbastro, wo reiche Beute gemacht wird. Die christliche Reconquista in Spanien, die noch vier Jahrhunderte dauert, schreitet nicht gleichmig voran. Sie erlebt Hhepunkte und Stillstnde, Siege und Niederlagen. Hufig geht sie planlos vor sich. Einer der berhmtesten Helden, Rodrigo Diaz aus Vivar, der Cid, der 1099 stirbt, dient und kmpft nacheinander unter christlichen und mohammedanischen Frsten. Aber sie beginnt, die Mauren endgltig zurckzudrngen. Am 6. Mai 1085 zieht Alfons VI. von Kastilien in Toledo ein und besetzt das ganze Land zwischen Duero und Tajo. Aber im folgenden Jahr landet der Berber Jusuf Ibn Taschfin von Marokko in Algeciras und besiegt Alfons VI. in Zallaca. Die Dynastie der Almoraviden nimmt den Sden Spaniens wieder fest in die Hand und lt allenfalls kurze Raubzge der Kastilier ber den Tajo zu. Dennoch nehmen Franzosen und Spanier 1093 den Moslems den Norden Portugals bis zum Tajo mit Santarem, Cintra, Lissabon ab. Aber 1111 erobern die Almoraviden Santarem, dann Lissabon zurck. Erst 1147 kann Graf Alfonso Henriquez Santarem und Lissabon wiedergewinnen; er berschreitet dann den Tajo, entsetzt Beja (1163) und Evora (1165). Alexander III. erkennt 1179 seinen Knigstitel an und sein Sohn Sancho I. bemchtigt sich Algarves (1189). Im Osten nimmt Raymond-Berengar III., Graf von Barcelona, Tarragona, aber die Balearen kann er nicht halten. Die Aragonesen bleiben nicht tatenlos. Alfons I., der Schlachtenkmpfer, erobert Tudela 1114 und 1118 Saragossa, das er zu seiner Hauptstadt macht. 1125/26 erreicht er whrend eines groen Raubzugs (algarade) sdlich von Granada das Meer, mu aber wieder zurckweichen. Von neuem fllt das Reich der Almoraviden in Anarchie. Alfons VII. von Kastilien zieht daraus Nutzen und lt sich von dem maurischen Herrn von Cordoba 1146 huldigen. Aber eine neue fanatische Berberdynastie aus Tlemcen erobert ihrerseits den westlichen Maghreb, dann das arabische Spanien, zwingt die letzten Almoraviden, sich auf die Balearen zurckzuziehen, und nimmt Alfons VII. Cordoba wieder ab. Im Juli 1195 besiegt der almohadische Kalif Al- Mansur den Knig von Kastilien Alfons VIII. (11581214) vernichtend in Alarcos im Guadiana- Tal. Im April 1196 stirbt Knig Alfons II. von Aragonien (11631196), dem sein
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minderjhriger Sohn Peter II. (11961213) nachfolgt. Die Reconquista steht im Augenblick still. Der heilige Krieg, der sich nach 1050 in Spanien entzndet hat, findet sein Ziel vor allem im Orient. Der Kreuzzug schlechthin richtet sich auf den hchsten Anziehungspunkt der Christenheit: Jerusalem. Das Alibi der Kreuzzge: von der Pilgerfahrt zum Kreuzzug Auch die Kreuzzge knpfen an eine alte Tradition an, an die Pilgerfahrten. Um das Jahr 1000 steigert sich die Inbrunst der Wallfahrt ins Heilige Land. Gleichzeitig entwickelt sich jener Komplex aus Gerchten und die Mentalitt, aus denen die Kreuzzge entstehen werden. Man erzhlt im Westen, da die Moslems ihre Grausamkeiten gegen die heiligen Sttten und die Pilger verdoppeln und da die Juden ihren Verrat am Christentum erneuern, und man wiegt sich in der Hoffnung, die Unglubigen zu bekehren, die man brigens als Heiden betrachtet. Fr diesen wandernden geistigen Aufruhr ist Raoul Glaber zu Beginn des 11. Jahrhunderts ein guter Zeuge: Im neunten Jahr nach dem Jahr 1000 wurde die Kirche, in der sich in Jerusalem das Grab unseres Herrn und Heilands befand, auf Gehei des Frsten von Babylon ganz und gar zerstrt ... Da diese glorreiche Gedenksttte des Ruhms unseres Herrn aus der ganzen Welt eine Menge Besucher nach Jerusalem zog, begann der Teufel voll Ha mit Hilfe seines blichen Verbndeten, der jdischen Nation, ber die Anhnger des wahren Glaubens das Gift seiner Gemeinheit auszugieen. Es gab in Orleans, einer Knigsstadt in Gallien, eine betrchtliche Kolonie dieser Rasse, die sich stolzer, boshafter und unverschmter zeigte als ihre Artgenossen.
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Abb. 8: Die Fahrenden: Kreuzritter und Pilger. Kreuzritter und Pilger bei der Ankunft an der Pforte des Paradieses. Ausschnitt aus dem Tympanon der Kathedrale von Autun (Sane-et-Loire, Frankreich)
In hassenswerter Absicht verfhrten sie mit Geld einen Vagabunden, der das Pilgerkleid trug, Robert genannt, einen entflohenen Leibeigenen aus dem Kloster Sainte-Marie-de-Moutiers. Mit tausend Vorsichtsmanahmen schickten sie ihn zum Frsten von Babylon mit einem hebrisch geschriebenen Brief, der in seinen Pilgerstab unter einer kleinen Eisenrolle eingelassen wurde, damit man nicht Gefahr lief, da er ihm entrissen werde. Der Mann machte sich auf den Weg und trug dem Frsten diesen Brief voller Lgen und Gemeinheiten zu, in dem ihm gesagt wurde, wenn er sich nicht beeile, das verehrungswrdige Haus der Christen niederzuwerfen, msse er selbst damit rechnen, da jene bald sein Knigreich besetzten und ihn aller seiner Wrden entkleideten. Auf diesen Brief hin schickte der wtende Frst sofort eine Expedition nach Jerusalem, die das Heiligtum zerstren sollte ... Das gttliche Erbarmen wollte, da die Mutter dieses gleichen Frsten, ich meine des Amirats von Babylon, eine sehr christliche Frau namens Maria, das auf Befehl ihres Sohnes zerstrte Heiligtum Christi mit schnen behauenen Steinen wiederaufbauen lie. Man sagt brigens auch, da, einem anderen Nikodemus vergleichbar, ihr Mann, der Vater des Frsten, um den es sich hier handelt, insgeheim Christ war. So strmte aus der ganzen Welt eine unglaubliche Menge Leute nach Jerusalem, mit
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zahlreichen Opfergaben fr die Wiederherstellung des Gotteshauses beladen. Und weiter: Zur selben Zeit eilte eine zahllose Menge aus der ganzen Welt zum Grab des Heilands nach Jerusalem; niemand htte einen solchen Zustrom vorhersehen knnen. Es waren zunchst Menschen aus dem Volk, dann solche der Mittelschicht und die grten Knige, Grafen und Prlaten; endlich sah man, was man noch nie gesehen hatte: hochgeborene Frauen zogen mit den niedrigsten Leuten an diesen Ort. Viele sehnten sich zu sterben, bevor sie in ihre Heimat zurckkehrten ... 1078 erobern die Trken, die die Herren Bagdads und seit 1055 Beschtzer des Kalifen sind, Syrien und bemchtigen sich Jerusalems. Christliche Chroniken des 12. Jahrhunderts geben den trkischen Fanatismus, der die christliche Pilgerfahrt verhindert habe, als Hauptgrund fr die Kreuzzge an. Diese Fabel entspricht weder den orientalischen Tatsachen, denn die Trken hemmen die Wallfahrt keineswegs, noch der westlichen Wirklichkeit, denn am Ende des 11. Jahrhunderts scheint man sich noch nicht auf den trkischen Vorwand berufen zu haben. Ausgelst wurden die Kreuzzge durch die ppstliche Initiative. Schon in Spanien hatte sie die Umwandlung der Reconquista in einen heiligen Krieg begnstigt. Die Ausfahrt nach Jerusalem fand im Zusammenhang der gregorianischen Reform ihren Platz. Zunchst gab es einen ganz bestimmten Anla: Gregor VII., spter Urban II. suchten in ihrem Kampf gegen Heinrich IV. die Untersttzung der byzantinischen Kaiser. Diese wiederum waren an einer Untersttzung interessiert, die die Normannen migen und ihnen gegen die Petschenegen im Norden und die trkischen Seldschuken in Anatolien helfen sollte. Das Unternehmen Urbans II., im Heiligen Land einen Ablenkungsfeldzug zu organisieren, entsprach nicht ganz dem Wunsch des basileus Alexios Komnenos, und die Schwierigkeiten zwischen Griechen und Lateinern vertieften sich seit dem ersten Kreuzzug. Diesen scheinen Urban II. und der Bischof der Stadt, Aimar von Monteil, 1095 in Le Puy beschlossen zu haben. Aimar war 1087 als Pilger im Heiligen Land gewesen. Er gehrte einer groen Familie des sdlichen Adels an, die mit dem Grafen von Toulouse nahe verwandt war. Ihm vertraute der Papst auf den Vorschlag des Bischofs von Le Puy hin die Leitung eines kleinen Feldzugs nach dem Vorbild der spanischen Zge in den Jahren 1064, 1073 und 1088 an. Im November 1095 verkndete der Papst in Clermont dieses Unternehmen; Wortlaut und Widerhall sind uns unbekannt, denn die Berichte des 12. Jahrhunderts, die das Ereignis berliefern, haben die Ansprache des Papstes und den Enthusiasmus, der unmittelbar darauf folgte, sicherlich erfunden. Wahrscheinlich dachte Urban II., da das Papsttum, ber dieses begrenzte Unternehmen hinaus, in seinem Kampf gegen das Imperium aus dem Kreuzzugsgedanken Nutzen ziehen knne. Es wrde als Fhrer der Christenheit auftreten und der turbulenten christlichen Ritterschaft ein Ventil verschaffen, das vielleicht dazu beitrug, jenen Frieden, zu dessen Wortfhrer die Kirche sich gemacht hatte, im Westen herbeizufhren.
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Noch whrend des zweiten Kreuzzugs hob der heilige Bernhard 1146 die reinigende Wohltat, die der Kreuzzug der Christenheit bringen knne, in einem Shne-Zusammenhang hervor, denn die Kreuzzge waren zur christlichen Bue schlechthin geworden. In seinem Brief an den Erzbischof von Kln und den Bischof von Speyer pries der heilige Bernhard den Kreuzzug als eine erlesene Erfindung des Herrn, durch den er zu seinem Dienst auch Mrder, Ruber, Ehebrecher, Meineidige und viele andere Verbrecher zult und ihnen eine Gelegenheit zum Heil bietet. Sicher ist, da der Papst von dem Widerhall seiner Predigt berrascht war. Sie fiel tatschlich in eine fr die Ideologie des heiligen Krieges vorbereitete Umgebung, die auerdem darin noch die Gelegenheit fand, zugleich mit der Sicherung des ewigen Heils, ihren Schwierigkeiten und materiellen Nten zu entkommen. Jene Gegenden, in denen die Bevlkerungszunahme, die Hungersnte und die Epidemien des Mutterkornbrands whrend der zweiten Hlfte des 11. Jahrhunderts am strksten herrschten, stellten auch die Haupttruppen des ersten Kreuzzugs: das Rheinland, Lothringen, Flandern, Ilede-France, Languedoc, Provence, Sditalien. Sicher ist auch, da Handelsmotive eine geringe Rolle beim Ausbruch der Kreuzzge spielten. Die groen Kaufmannsstdte Italiens nahmen erst dann widerwillig an dieser Bewegung teil, als sie unwiderstehlich und so umfassend erschien, da ihr eigenes Interesse verlangte, allen nur mglichen Gewinn daraus zu ziehen. Die Genuesen entschieden sich als erste, dem Aufruf der Bischfe von Grenoble und Orange zu folgen; im November 1097 kamen zwlf ihrer Galeeren in Alexandrette an. Auf Betreiben des Papstes, der seinen Legaten Daimbert zum Erzbischof von Pisa machte, schickten auch die Pisaner eine Flotte zu Hilfe (120 Schiffe), aber erst im September 1099, nach der Eroberung Jerusalems. Venedig bequemte sich schlielich im Sommer 1100, 200 Schiffe zu entsenden. Der erste Kreuzzug Der erste Kreuzzug umfate mehrere unterschiedliche Feldzge. Ein volkstmlicher Kreuzzug von Bauern und Armen ohne militrische Organisation brach zuerst auf. Es war ein wahrhafter Volkshaufen, der in zwei Wellen anbrandete die eine Gruppe bestand meist aus Deutschen unter der Leitung Walters ohne Habe, die andere vor allem aus Franzosen, von Petrus von Amiens durch das byzantinische Kaiserreich gefhrt; sie plnderten und tteten die Juden auf ihrem Weg. In Kleinasien wurden sie im November 1096 von den Trken gettet oder als Sklaven verschleppt. Der lothringische Kreuzzug, vorwiegend aus den wallonischen Lndern zusammengestellt und von Gottfried von Bouillon (aus den Ardennen) angefhrt; der italienische Kreuzzug von Bohemund, dem Sohn Robert Guiscards und dessen Neffen Tankred geleitet und vor allem aus Normannen bestehend; der languedocische Kreuzzug, dessen Anfhrer der vom Papst bestimmte Raymond von Toulouse war, der versuchte, als Oberhaupt aller
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Kreuzfahrer anerkannt zu werden; der franzsische Kreuzzug, vom Herzog der Normandie, Robert Kurzhose, und seinem Schwager Stephan von Blois befehligt: sie alle stieen im byzantinischen Kaiserreich zusammen und besiegten nach groen Schwierigkeiten mit Alexios Komnenos die Trken bei Dorylum am 1. Juli 1097, unterstellten einen Teil Anatoliens der byzantinischen Herrschaft und ffneten so den Weg ins Innere. Balduin von Boulogne schaffte sich Ende 1097 ein Frstentum in Edessa und Bohemund im Juni 1098 ein anderes in Antiochien, wobei beide die byzantinische Lehenshoheit bergingen. Endlich wurde am 15. Juli 1099 Jerusalem eingenommen. Der anonyme Chronist des ersten Kreuzzugs schreibt: In der Stadt verfolgten und tteten unsere Pilger die Sarazenen bis zum Tempel Salomos, wo sie sich versammelten und whrend des ganzen Tages den unseren den wtendsten Kampf lieferten, so da der ganze Tempel von ihrem Blut triefte. Endlich, nachdem sie die Heiden niedergezwungen hatten, fingen die unseren im Tempel eine groe Anzahl Kinder und Frauen und tteten sie oder lieen sie am Leben, wie es ihnen gut dnkte. Auf den Tempel Salomos hatte sich eine vielkpfige Gruppe von Heiden beiderlei Geschlechts geflchtet, denen Tankred und Gaston von Barn ihre Fahnen als Schutz gegeben hatten. Die Kreuzfahrer liefen bald durch die Stadt, rafften Gold, Silber, Pferde, Mulis zusammen und plnderten die Huser, die vor Reichtum berflssen. Danach, glcklich und vor Freude weinend, gingen die unseren zum Grab unseres Heilands Jesus Christus und entledigten sich ihrer Schuld gegen ihn. Am anderen Morgen stiegen sie auf das Dach des Tempels, griffen die Sarazenen an, Mnner und Frauen, und enthaupteten sie mit gezogenem Schwert. Einige strzten sich vom Tempel herab. Dieser Anblick erfllte Tankred mit Emprung. Urban II. starb einige Tage spter, ohne die Neuigkeit erfahren zu haben. Die Barone whlten an die Spitze des neuen Staates den mittelmigen Gottfried von Bouillon, der sich nur Sachwalter nennen lie und mit dem ehrgeizigen Legaten Daimbert von Pisa zusammenstie, der den Titel eines Patriarchen angenommen hatte und eine Klerikalherrschaft in Jerusalem zu errichten versuchte. Im Juli 1100 starb Gottfried; sein Nachfolger wurde Balduin von Edessa. Er zwang Daimbert, ihn Weihnachten 1100 zum Knig von Jerusalem zu krnen. Palstina wurde ein militrisches und weltliches Knigreich, dessen Knig seine Oberhoheit von Bohemund und spter von dessen Nachfolger Tankred, Frsten von Antiochien, und von Raimond von Saint- Gilles, der sich ein Frstentum um Tripolis im Libanon geschaffen hatte, anerkennen lie. Balduin I. sicherte die militrische Herrschaft der Lateiner in Palstina, und bei seinem Tod (1118) konnten die schwachen Reaktionen der Mohammedaner, ob es sich nun um die Trken oder die Fatimiden gyptens handelte, glauben lassen, da die Herrschaft der Lateiner trotz ihrer militrischen Schwche dauerhaft sei. Der zweite und dritte Kreuzzug
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Alles nderte sich mit dem Aufstieg des Turkmenen Zenki, Atabeg von Mossul (1128)/ der den Moslems den Geist des dschihad, des heiligen Krieges, wieder einflte. Zwischen 1135 und 1137 nahm er den Christen den stlichen Teil der Frstentmer Antiochien und Tripolis und eine Zeitlang durch das Bndnis der Lateiner mit den Moslems von Damaskus zum Stehen gebracht am 25. Dezember 1144 Edessa ab. Die Neuigkeit der Einnahme Edessas rief in einem Teil der westlichen Ritterschaft eine Erregung hervor, die der franzsische Knig Ludwig VII., der sehr fromm war und fr eine Reihe bedrckender Fehler Bue zu tun suchte, ausnutzen wollte. Trotz des Widerstands von Abt Suger von Saint-Denis und der Zurckhaltung des heiligen Bernhards gelang es ihm, Papst Eugen III. (1145 1153) zu berzeugen, und auf dessen Verlangen predigte Bernhard den Kreuzzug mit groem Eifer. Schlielich erlangte er im Dezember 1146 auch die Zustimmung Kaiser Konrads III. Der zweite Kreuzzug schien sich gut anzulassen. Er wurde von den beiden mchtigsten Herrschern des Westens gefhrt. Durch die Erfahrungen des ersten Kreuzzugs belehrt, bereiteten die beiden Frsten die Unternehmung sehr genau vor. Rasch verschlechterten sich aber die Beziehungen zwischen Franzosen und Deutschen und vor allem zwischen Kreuzfahrern und Byzantinern. Konrad III., spter auch Ludwig VII., verloren vier Fnftel ihrer Strke, als sie Anatolien durchquerten, wo die Truppen von den Trken, von Hungersnot und Krankheit dezimiert wurden. Als sie schlielich mit dem Rest ihrer Armee bei Antiochien anlegten, erlitten sie eine jmmerliche Niederlage vor Damaskus. Konrad und die Deutschen schifften sich bereits am 8. September 1148 wieder ein. Ludwig VII., der zu allem berflu noch durch sein eheliches Unglck litt es fhrte ihn zur Scheidung von Eleonore, die sich mit ihrem jungen Onkel, Guido von Lusignan, Frst von Antiochien, ins Gerede gebracht hatte verlie seinerseits im Frhling 1149 Jerusalem. Die Enttuschung im Westen war gro. Nur-ed-din, der Nachfolger Zenkis, eroberte daraufhin zwischen 1149 und 1151 einen Teil des Frstentums Antiochien und die ganze Grafschaft Edessa. Er schuf einen mchtigen Militrstaat mit Innersyrien (Aleppo und Damaskus) als Mittelpunkt, der sich von Mossul bis gypten erstreckte und demgegenber das kleine frnkische Syrien als leichte Beute erschien. Die Gefahr kam aber schlielich aus gypten, trotz einer Reihe von siegreichen Prventivfeldzgen, die der lateinische Knig von Jerusalem, Amalrich I., dorthin zwischen 1162 und 1169 unternommen hatte.
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Abb. 9: Kreuzzge und Kreuzfahrerfestungen. Der Krak des Chevaliers (Hhenburg). Rekonstruktion im Palais Chaillot, Paris
1171 lste der trkische Wesir Salah-ed-din die fatimidische Dynastie gyptens auf, stellte die sunnitische Orthodoxie wieder her, bemchtigte sich des zengidischen Staates und nahm 1174 Damaskus und 1183 Aleppo ein. Sala-din (Salah-ed-din) nutzte den Streit zwischen Knig Guido von Lusignan, Usurpator Jerusalems, der von den Baronen des Westens und dem hohen Klerus gesttzt wurde, und dem Regenten Raimond von Tripolis, der die eingeborenen Barone hinter sich hatte, und vernichtete die frnkische Armee in Hattin, nahm Lusignan gefangen und eroberte Jerusalem am 2. Oktober 1187. Die Lateiner behielten nur drei Brckenkpfe in Palstina: Antiochien, Tripolis und Tyrus. Die in den Westen gesandten Hilferufe lsten bei vielen Kirchenfrsten und Rittern eine Erschtterung und Begeisterung aus, welche die bedeutendsten Herrscher, obschon sie mit gegenseitigen Streitigkeiten beschftigt waren, zum Kreuzzug zwang; Kaiser Friedrich Barbarossa brach im Frhling 1189 auf, ertrank am 10. Juni 1190 in Kilikien und verursachte damit die vllige Auflsung des deutschen Kreuzzugs; der franzsische Knig Philipp II. August und der englische Richard Lwenherz verstndigten sich nach tausend Ausflchten, um im Juli 1190 aufzubrechen. Philipp August langte als erster auf dem Seewege an und kam den Franken zu Hilfe, die zusammen mit venezianischen und genuesischen Flotten Akkon belagerten, das am 12. Juli 1191 genommen wurde. Am 2. August kehrte der franzsische Knig, dem vor allem seine eigenen Angelegenheiten am Herzen lagen, zurck. Richard Lwenherz, der auf dem Wege Zypern erobert hatte, trug einige aufsehenerregende Siege davon, die ihn zum Idol der westlichen Ritterschaft und zum Schreckbild der Sarazenen machten, denen er wegen der Metzeleien, die er anordnete, besonders verhat war. Aber, abgestoen von den Feindseligkeiten zwischen Franzosen und Englndern, westlichen und eingesessenen Rittern, beunruhigt von den Ereignissen in seinen eigenen Lndern, schiffte sich dieser Wirrkopf, als er bis auf 20 Kilometer an Jerusalem herangekommen war, seinerseits im Januar 1192 zur Heimreise ein.
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Das neue frnkische Knigreich, das sich auer den Brckenkpfen Antiochien und Tripolis im Norden vor allem um Akkon konzentrierte und in den Hnden der Eingesessenen war (der westliche Adel befate sich vor allem mit der Beschaffung von Lehen auf Zypern), bot ein vom lateinischen Knigreich Jerusalem des 12. Jahrhunderts vllig verschiedenes Aussehen. Als Seestaat, dessen wesentliche Teile aus der Kstenfront bestanden, hing es vor allem vom Nachschub an Lebensmitteln und Menschen ab, den ihm der Westen schickte; dieser aber wurde mehr und mehr durch das innere Wachstum von seinen fernen Grenzen abgezogen. Bilanz der Kreuzzge Die Kreuzzge waren 1192 noch nicht beendet. Aber ihr Schwung war gebrochen. Selbst der dritte Kreuzzug wurde nicht von der gleichen Begeisterungswelle getragen wie die beiden ersten. Zu Recht darf man hier Bilanz machen. Diese Bilanz ist weitgehend negativ. Von den drei ausgesprochenen oder unbewuten Zielen, welche die Initiatoren der Kreuzzge und die Kreuzfahrer sich gesetzt hatten, wurde keines erreicht. Das erste, wesentlichste war die Eroberung der heiligen Sttten Jerusalems. Man besa sie kaum ein Jahrhundert lang. Diese Eroberung lie religise Leidenschaften wieder aufflammen, die fr lange Zeit die wirkliche christliche Tradition im Heiligen Land in Frage stellten, nmlich die Wallfahrt. Angesichts dieser lateinischen Eroberung besannen sich die Trken wieder auf den muselmanischen Fanatismus des dschihad, des heiligen Krieges. Mehr noch. Die Kreuzzge entfachten im Westen entlang der Kreuzfahrerstraen einen heftigen und mrderischen Antisemitismus, der dazu beitrug, der Toleranz, welche die Christen im allgemeinen bis dahin gegenber den Juden gebt hatten, ein Ende zu setzen. Endlich entdeckten die Lateiner berrascht und voll rger die Bedeutung der nichtrmischen christlichen Gemeinschaften in Syrien und Palstina. Die griechischen, armenischen und syrischen Christen wurden bald von den Lateinern, angefangen bei Bohemund von Antiochien, verfolgt; man ermutigte sie nicht, ihre Anstrengungen mit denen der Lateiner zu vereinigen, um den Rckeroberungen der Sarazenen Einhalt zu gebieten, und sie bewahrten gegenber den Katholiken einen dauerhaften Groll. Das zweite Ziel war, den Byzantinern zumindest indirekt zu Hilfe zu kommen. Aber jeder der drei ersten Kreuzzge vermehrte die Feindschaft zwischen Griechen und Lateinern so sehr, da der vierte Kreuzzug in der blutigen Einnahme Konstantinopels durch die Abendlnder gipfelte. Das dritte war, die Christenheit gegen die Unglubigen zu einen, sie von ihren Snden und ihren Sndern durch die groe Bue der Fahrt bers Meer zu reinigen. Auch hier verschrften sich nur im engen Miteinander der gemeinsamen Feldzge die Feindschaften: persnliche Rivalitten der Anfhrer,
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nationale Rivalitten zwischen Deutschen und Franzosen, Englndern und Franzosen. Stndische Rivalitten zwischen Klerikern und Laien, die den Klerus in einem Staat von der Macht fernhielten, der auf den Ruf der Kirche hin geschaffen wurde zur Wiederherstellung eines christlichen Jerusalems. Feindschaften zwischen Rittern und Armen; letztere den Metzeleien ausgesetzt, von der Beute ausgeschlossen, erregten bei den Herrn eine Erbitterung, die sie in den Westen mit zurckbrachten, whrend die dem Heiligen Land entkommenen Unglcklichen davon einen vermehrten Ha gegen die Mchtigen und Reichen mit nach Hause nahmen. Endlich Feindschaften zwischen den neu ankommenden westlichen Kreuzfahrern und den orientalisierten Lateinern, den poulains. Als Saladin vor den Toren Jerusalems stand, zogen die westlichen Parteignger Guidos von Lusignan in den Krieg gegen die ansssigen Herrn mit dem Ruf trotz der Poulains werden wir einen poitevinischen Knig haben. Neben diese Illusionen der Kreuzfahrer mu man die Illusionen moderner westlicher Historiker setzen. Fr die Mehrzahl unter ihnen haben die Kreuzzge einen betrchtlichen und im groen und ganzen wohlttigen Einflu auf die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Westens gehabt. Erstens: die kulturelle Illusion. Gewi fhrten die Beziehungen zwischen Christen und Moslems im Heiligen Land oft zu einer Eingewhnung, zu einer Anlehnung, welche die einen bezauberte und die andern entrstete. Foucher von Chartres bertrieb vermutlich, als er zu Beginn des 12. Jahrhunderts das Wohlergehen der im Heiligen Land gebliebenen Kreuzfahrer rhmte, aber dieses Loblied drfte ein Teil Wahrheit enthalten: Betrachtet und bedenkt, in welcher Weise Gott in unserer Zeit den Westen in den Osten verwandelt hat; wir, die wir Westliche gewesen sind, wir sind Orientalen geworden; wer Rmer oder Franke war, ist hier Galiler oder Bewohner Palstinas geworden; wer Reims oder Chartres bewohnte, sieht sich als Brger von Tyrus oder Antiochien. Schon haben wir die Orte unserer Geburt vergessen; schon sind sie mehreren unter uns unbekannt oder wenigstens hren sie nicht mehr davon sprechen. Mancher unter uns besitzt bereits in diesem Lande Huser und Dienerschaft, die ihm gehren, als htte er sie ererbt; andere haben eine Frau geheiratet, die keine Landsmnnin, sondern Syrerin, Armenierin oder gar eine getaufte Sarazenin ist; wieder andere haben um sich einen Schwiegersohn, eine Schwiegertochter, einen Schwiegervater oder Stiefsohn: jener ist von seinen Neffen oder gar Groneffen umgeben; einer baut Wein an, der andere Felder; sie sprechen verschiedene Sprachen und sind alle schon so weit, um sich zu verstehen. Die verschiedensten Dialekte sind jetzt dem einen und anderen Volk gelufig, und das Vertrauen nhert die entferntesten Rassen einander an. Es steht tatschlich geschrieben, der Lwe und der Ochse fressen aus der gleichen Krippe. Jener, der zuerst fremd war, ist nun heimisch, der Pilger wurde zum Brger; von Tag zu Tag kommen unsere Verwandten und Nchsten hierher zu uns und geben auf, was sie im Westen besitzen. Jene, die in ihrer Heimat arm waren, hat Gott hier reich gemacht; wer nur wenig Geldstcke besa, hat hier
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viele Besams; wer nur einen Pachthof sein eigen nannte, dem gab Gott hier eine Stadt. Warum soll er in den Westen zurckkehren, wenn er den Orient so gnstig findet? Gott will nicht, da diejenigen, die ihm mit ihrem Kreuz gefolgt sind, hier in Not geraten. Das ist, Ihr seht wohl, ein groes Wunder, das die ganze Welt bestaunen soll. Am Ende des 12. Jahrhunderts stellte der fromme spanische Moslem Ibn Jabair auf seiner Pilgerfahrt in den Orient mit Bestrzung die friedliche Koexistenz der beiden Vlker fest: Die Christen lassen auf ihren Gebieten die Moslems eine gerecht verteilte Taxe bezahlen. Die christlichen Kaufleute ihrerseits versteuern auf islamischem Gebiet ihre Waren; das Einverstndnis unter ihnen ist vollkommen, und die Gerechtigkeit wird unter allen Umstnden gewahrt. Die Ritter sind mit ihren Kriegen beschftigt; das Volk bleibt in Frieden; und die Gter dieser Erde bekommt der Sieger. So verhalten sich die Leute dieses Landes in ihrem Kriege ... Die Situation dieses Landes ist unter diesem Gesichtspunkt auergewhnlich, und Worte knnen den Gegenstand nicht erschpfen. Aber wenn auch im tglichen Leben eine Aneinandergewhnung stattfindet, so bewahren die beiden Gemeinschaften doch ihre berlieferungen, ihre Mentalitt und ihre Verhaltensweisen. bernahmen fremder Traditionen gibt es fast nicht. Die noch barbarischen Lateiner haben den Moslems wenig zu bieten. Dafr bringen sie, stolz auf ihre Gewohnheiten und darauf bedacht, sich nicht verfhren zu lassen, ein Stck Okzident ins Heilige Land. Die Einrichtungen des lateinischen Knigreichs Jerusalem und der christlichen Frstentmer sind westlich feudal. Die ins Heilige Land eingefhrte Feudalitt verwirklicht, besser als im anglonormannischen England oder im normannischen Knigreich beider Sizilien, ja fast bis zur Karikatur der Vollkommenheit, das ritterliche und feudale Ideal. Die Kunst des frnkischen Syriens ist ebenfalls aus dem Westen eingefhrt: man findet den romanischen Rundbogen und bald darauf jene gotische Kunst, die eng mit der Christenheit des Nordwestens verbunden ist, woher sehr viele Barone des Heiligen Landes stammen; auch die Burgen, die Kraks, verdanken, was immer man gesagt hat, der orientalischen Architektur fast nichts; es sind lateinische Importe. Die Anleihen, die der Okzident im 11. und 12. Jahrhundert beim Orient macht, stammen nicht aus diesen unfruchtbaren Streitigkeiten oder den bunt zusammengewrfelten Gemeinwesen des lateinischen Heiligen Landes. Die griechisch-arabische Wissenschaft, die orientalischen Techniken gelangen ber andere, tiefer wirkende Kontaktzonen in den Westen; ber Spanien, wo die islamisch-christliche Verschmelzung den Sieg ber die Kmpfe der Reconquista davontrgt; ber Sizilien, diesen Kreuzweg der Zivilisationen; ber Byzanz, den Orient und Maghreb durch friedlichen Austausch auerhalb der Zonen militrischer Auseinandersetzungen. Einer wirtschaftlichen Illusion geben sich Geschichtsschreiber hin, fr die der Okzident, zumindest die italienischen Kaufmannsstdte, durch die Kreuzzge und im Heiligen Land reich geworden sind. Syrien und Palstina sind nicht
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mehr die Endpunkte der wichtigen Handelsstraen, denn die trkische Eroberung hat die Karawanenstraen ins Heilige Land unterbrochen. Die christlichen Kaufleute der Kreuzzugszeit machen in Byzanz, Alexandrien und im Maghreb ihre besten Geschfte. Immerhin haben Genua, Pisa und Venedig, zunchst zurckhaltend gegenber den militrischen Unternehmungen, welche ihren aufblhenden Handel eher strten als begnstigten, schlielich doch die Gelegenheit zur Bereicherung gentzt, die ihnen die Kreuzzge boten. Aber greren Gewinn als aus dem Handel, den sie in ihren Niederlassungen in den lateinischen Stdten Palstinas betrieben und der auf rtlichen Austausch oder einen geringen Umkreis beschrnkt war, hatten sie durch die Kreuzfahrer selbst, denen sie Schiffe, Lebensmittel und Geldanleihen lieferten. Wenn die Kreuzzge den Okzident bereichert haben, so auf Kosten der Kreuzfahrer selbst. Im ganzen gesehen kamen die Kreuzzge ihre Anstifter teuer zu stehen. Die westliche Ritterschaft, die ins Heilige Land zog die Fahrt bers Meer war eine moralische Verpflichtung geworden, ein Brauch, dem sich jeder Ritter, der nicht scheel angesehen werden wollte, unterwarf verarmte dort an Menschen und Gtern, denn sie mute ein gut Teil ihrer Lndereien und Besitzungen veruern, um Reise, Rstung und Auskommen in einem Land bezahlen zu knnen, das von Abenteurern auf der Suche nach Beute und immer seltener werdenden Lehen wimmelte. Sie hat dort auch durch die wiederholten Niederlagen gegen die Sarazenen einen Teil ihres Ansehens verloren. Und sie kam hufig eher zerrttet als gefestigt zurck. Auch die Kirche hat mehr verloren als gewonnen. Indem sie die Kreuzzge zur Institution machte, Ablsse und Sondersteuern fr die Kreuzfahrer, die oft nicht gleich aufbrachen und im allgemeinen besiegt wiederkamen, gewhrte und Militrorden schuf, die, nachdem sie das Heilige Land nicht hatten halten knnen, sich auf den Okzident zurckzogen, ihn ausbeuteten und rgernis erregten, hat sie mehr Enttuschung und Zorn hervorgerufen als Hoffnung genhrt. Man konnte die These aufstellen, da am Ende der Kreuzzge die Reformation stand. Es wurde geuert, da der Gral, der am Ende des 12. Jahrhunderts in die hfische Literatur eindringt, ein Ersatz fr das von den Kreuzfahrern verlorene Jerusalem sei, die Rckseite eines enttuschten Traums. Damit knnte man den Pessimismus der letzten Romane von der Tafelrunde als bittere Frucht der miratenen Kreuzfahrt verstehen. Friedliche Expansion: Die Fernkaufleute Sind die Kreuzfahrer die groen Verlierer der christlichen Ausbreitung des 12. Jahrhunderts, so sind die groen Gewinner letzten Endes die Hndler, die sich immer weiter von ihrem westlichen Ausgangspunkt hinauswagen. Die deutschen Kaufleute, die wir bereits in Lbeck kennengelernt haben, sind in London ttig, wo Heinrich II. den Untertanen und Brgern Klns und ihren Gtern und Waren den gleichen Schutz wie meinen eigenen Untertanen und Freunden gewhrt, oder in Bergen, wo am Ende des 12. Jahrhunderts der
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norwegische Knig ber die unmigen Weinmengen, die die deutschen Hndler dorthin bringen, klagt; sogar in Nowgorod, weit drin in Ruland, wohin die deutschen Kaufleute auf Gotland und anderen Waren auch flmische Tuche exportieren die aus Ypern sind fr 1130 erwhnt und von wo sie Pelze, Wachs und orientalische Erzeugnisse zurckbringen, die ber Byzanz, Kiew und Smolensk dorthin gelangt sind. Die italienischen Kaufleute wandeln sich, nachdem sie zunchst auf die islamischen Einflle mit Plnderungszgen geantwortet hatten, in friedliche Hndler, die man von den Sulen des Herkules bis nach Alexandrien und bis Indien antrifft. Das lteste Genueser Notariatsregister, das uns erhalten ist, nennt fr die Zeit von 1154 bis 1164 in Alexandrien Investitionen in Hhe von ungefhr 10 000 Genueser Pfund. In einem Vertrag aus dem Jahr 1157 verspricht der Scheich von Tunis den Pisanern seinen Schutz, schliet sie vom Handel mit Gefangenen und Sklaven aus und erlt ihnen den Zoll auf nicht verkaufte und bers Meer zurckgeschickte Waren. Am Ende des 12. Jahrhunderts leben etwa 10000 Venezianer in Konstantinopel vorwiegend vom Handel. Venedig und Genua beginnen, von ihrem Handelsaufschwung mitgerissen, wahre Kolonialreiche zu bilden. Um einen Ausspruch Robert S. Lopez aufzunehmen: Die Ilias der Ritter wurde vorweggenommen, begleitet und bertroffen durch die Odyssee der Kaufleute. 6. Geistige Rckwirkungen Gleichzeitig mit der Expansion erlebt der Westen groe religise Erschtterungen und eine unvergleichliche geistige und knstlerische Schaffenskraft. Dabei verschwindet der Vorrang entwickelterer Kulturen keineswegs. Der orientalische Anteil, der arabische Einflu und, durch Byzanz und den Islam hindurch, die Wiederentdeckung der griechischen Wissenschaft sind im kulturellen Aufschwung der Christenheit nach der Mitte des 11. Jahrhunderts enthalten und wirksam. Aber der Antrieb kommt nicht mehr von auen, die Schpferkraft liegt im Westen selbst. Die Rckkehr zu den groen Vorbildern, auf die sich diese Renaissance sttzt, die Rckbesinnung auf die Quellen, entspringt dem Wunsch, einen Ausgangspunkt zu fixieren. Denn die Renaissance des 12. Jahrhunderts ist auch ein Aufbruch.
Reaktion auf das unzureichende opus Dei: die geistliche und monastische Erneuerung So wie es die von einem groen Teil des Weltklerus untersttzte gregorianische Reform dem Papsttum ermglichte, seine Unabhngigkeit wiederzufinden und seinen eigenen Weg zu gehen, so erstrebte auch die religise Bewegung, die jene Reform mit einschlo und speiste, am Ende des 11. und zu Beginn des 12.
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Jahrhunderts zunchst eine Rckkehr zum Leben der Evangelien, zum Urchristentum, zum Leben der Apostel, das heit, nach dem Ausdruck der Zeit, zum wahrhaft apostolischen Leben (vita vere apostolica). Drei Wege scheinen sich dieser Suche nach erneuerter Geistigkeit anzubieten. Der erste ist jener der Armut. Er regt ebensogut Petrus Damiani an, der erklrt, die Rckkehr zur ursprnglichen Kirche primitivae ecclesiae forma gehe ber den Verzicht auf Reichtum vor sich (wie kann man im Chor mit Aufmerksamkeit psalmodieren, wenn man ununterbrochen an das Geld denkt, das man in seinen Truhen hat?), wie auch Norbert von Xanten, den Grnder des Prmonstratenserordens, und seinen Gefhrten Hugues de Fosses, die sich die wahren Armen Christi nennen (veri pauperes Christi), und den Zisterzienser Bernhard von Clairvaux, der sich in einem Brief an den Bischof von Chartres als Diener der Armen Christi in Clairvaux bezeichnet (servus pauperum Christi de Clara-Walle). Dieser Weg bedeutet den Verzicht auf das Leben eines Lehensherrn und die Ausnutzung der Leibeigenen auf den groen monastischen und kirchlichen Besitzungen (wie den cluniazensischen Lndereien) sowie die Rckkehr zur Handarbeit fr den Eigenbedarf und die Beschaffung eines berschusses, der an unverschuldet Arme verteilt wird. Also auch hier wieder die Nachfolge der Apostel, des heiligen Paulus vor allem, und die Einhaltung der von den Cluniazensern vergessenen Empfehlungen des heiligen Benedikt. Die beiden anderen Richtungen der religisen Reformbewegung muten auf den ersten Blick widersprchlich an. Es handelt sich einerseits um die Erneuerung des Eremitenlebens und andererseits um eine Rckkehr zum Gemeinschaftsleben. In Wirklichkeit verbinden sich diese Tendenzen oft. Das Einsiedlerleben fhrt gern zum Apostolat. Einige Eremiten geben, wenigstens zeitweise, ihre Einsamkeit auf und predigen; die meisten schlieen sich zu Gemeinschaften zusammen, um geistlichen Einflu auf die Gesellschaft ausben zu knnen. Am hufigsten zwingt der Druck der Lebensbedrfnisse die Einsiedler, sich zu gruppieren und so die materielle Grundlage ihres Ideals zu sichern. So nehmen diese Eiferer ganz natrlich einen wesentlichen Anteil an der Rodung, die Abgelegenheit und Handarbeit miteinander verbindet. Dennoch hlt sich auch der Eremit, der seinen Lebensbedarf aus einer kleinen, einfachen Bewirtschaftung, dem Garten zieht, die ganze Zeit ber. Ein erbaulicher Text des 12. Jahrhunderts zeigt uns in einer illustrierenden Miniatur den Einsiedler als das der Vollendung nchste Geschpf, das, am Gipfel der irdischen Gesellschaftsleiter angekommen und bereit, den Fu ins Paradies zu setzen, dennoch strauchelt, weil es einen letzten Blick auf seinen geliebten Garten wirft, der es hienieden festhlt. Endlich drngt oder verpflichtet die Kirche, durch allzu unabhngige oder gar anarchische Richtungen beunruhigt, die Eremiten, sich unter die Kontrolle einer Ordensregel und einer Gemeinschaft zu begeben. Die Geschichte Odos von Tournai am Ende des 11. Jahrhunderts zeigt die dreifache Gebundenheit, die auf dem eremitischen Leben lastet. Dieser adelige Mann aus Tournai, der sich in die Einsamkeit zurckzieht, ist bald von Nacheiferern
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umgeben. Seine Gemeinschaft, die von ihrer Hnde Arbeit in Einsamkeit und Armut lebt, ist weder vom Bischof noch vom Adel in Tournai gut gelitten. Eine Hungersnot zwingt die Gruppe, den Bischof um materielle Hilfe anzugehen. Dieser rettet sie vor dem Hungertod, zwingt sie aber, sich unter die Aufsicht Clunys zu stellen. Ein Nachweis der Bande, welche diese geistliche Reformbewegung mit der an der Spitze der kirchlichen Hierarchie erwogenen Reform verknpft, kann in der Erklrung des spteren Papstes Gregor VII. gesehen werden, der noch als Mnch Hildebrand 1059 auf dem Konzil in Rom feststellt, die Kirche msse zum gemeinsamen Leben und zum Beispiel der Urkirche zurckkehren (vita communis, exemplo primitivae Ecclesiae). Besonders Papst Paschalis II. wollte allem Anschein nach dies Aufgehen der gesamten Kirche in der Armut verwirklichen. Wie wir sahen, dachte er daran, den Investiturstreit seitens der Kirche durch die Aufgabe aller Temporalia radikal zu lsen. In seiner Vita Ludwigs VI., des Dicken zeigt sich Suger, der knftige Abt von Saint-Denis, durch die Haltung des Papstes sehr beeindruckt. Als dieser 1107 nach Saint-Denis kam, gab er den Rmern, fr die dies eine auergewhnliche Begebenheit war, und auch der Nachwelt ein wahrhaft denkwrdiges Beispiel; nicht nur, da er, entgegen lebhaft gehegten Befrchtungen, keinen Anspruch auf das Gold und Silber oder die kostbaren Edelsteine des Klosters erhob: er wrdigte sie nicht einmal eines Blickes. 1111, nachdem er mit allen mglichen Mitteln seine Brder als Sttzen der Kirche zu deren Verteidigung und Wiederaufrichtung angehalten und den Frieden schlecht und recht wiederhergestellt hatte, zog er sich in Einde und Einsamkeit zurck und wollte dort seine dauerhafte Bleibe einrichten, htten ihn nicht die gesamte Kirche und die Rmer mit Gewalt zurckgeholt. Wenn auch die ganze Kirche bis zu ihrem Haupt an der religisen Erneuerung um das Jahr 1100 teilhat, so findet man doch im monastischen Bereich das grte Verlangen nach geistlicher Reform und die bemerkenswerteste Verwirklichung dieser Vorstze. Der Verfasser von De vita vere apostolica erinnert zu Beginn des 12. Jahrhunderts daran, da nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift die Kirche mit dem monastischen Leben angefangen hat, da die Klosterregel die apostolische Regel ist, da die Apostel Mnche waren und somit die Mnche authentische Nachfolger der Apostel sind. Cluny war schon im 10. Jahrhundert Mittelpunkt einer Reform und hatte Nachahmer und Nachwirkungen bis in die zweite Hlfte des 11. Jahrhunderts, vor allem in Hirsau unter dem 1091 gestorbenen Abt Wilhelm. Ebenso erlebte um das Jahr 1000 das Einsiedlerwesen, das seit dem 5. Jahrhundert nicht aufgehrt hatte, Berufungen in der westlichen Christenheit zu erwecken, besonders in Italien eine Bltezeit, und zwar vermutlich unter dem Einflu des dort noch immer existierenden griechischen Anachoretentums; es diente der eremitischen Reaktion auf die wirtschaftliche Expansion, die hier
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frhzeitiger einsetzte als im brigen Okzident, als Vorbild. Schon Otto III. zog im Jahre 1000 den basilianischen Eremiten und heiligen Nilus von Grotaferrata in Fragen der Kirchenreform in Rom zu Rate; 1012 grndete der heilige Romuald eine Einsiedlergemeinschaft in Camaldoli bei Ravenna und Petrus Damiani, Eremit und Kardinal, Prior der Einsiedlergemeinde von Fnte Avellana (gest. 1071), schrieb eine Vita des 1027 gestorbenen heiligen Romuald. Brun von Querfurt erzhlt das Leben der fnf Brder, die nach dem Vorbild Romualds Einsiedler waren und zu Beginn des 11. Jahrhunderts in Polen das Martyrium erlitten. So fhrte das Eremitentum direkt zum Gemeinschaftsleben und zur Mission. Um 1100 entstehen dann die Mnchsorden, die der geistlichen und religisen Neubesinnung des 12. Jahrhunderts die bemerkenswertesten Zge aufprgen. Nach den Erfahrungen seines Eremitenlebens in Kalabrien grndet Stephan von Muret 1074 im Limousin den Orden von Grandmont, der die Lsung wirtschaftlicher und sozialer Probleme des neuen Mnchstums in den Laienbrdern findet, welche die niederen Weihen empfangen und die Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten des Ordens besorgen. 1084 wendet sich Bruno, der Kanzler und Domscholaster von Reims, dem Eremitenleben zu und grndet die Gemeinschaft der Grande-Chartreuse in den Alpen, die er brigens bald wieder verlt, um sein Einsiedlerdasein in jenem Kalabrien zu beschlieen, das die Wiege des Eremitentums im mittelalterlichen Okzident ist. 1101 grndet der fahrende Prediger Robert von Arbrissel in Fontevrault im Anjou ein Doppelkloster fr Mnche und Nonnen, das nach Westfrankreich und England ausstrahlt. Den grten Erfolg hat der Orden von Cteaux bei Dijon, eine Schpfung Roberts von Molesmes (1098), dessen Aufschwung seit dem Eintritt eines jungen burgundischen Adligen, des heiligen Bernhard, unaufhaltsam ist. Die vier Tchterklster Cteaux La Fert, Pontigny, Morimond und Clairvaux (1115 von Sankt Bernhard gegrndet) lassen in der gesamten Christenheit Klster nach dem Vorbild Cteaux entstehen. 1154, beim Tode Bernhards, gibt es 350 Zisterzienserabteien, am Ende des Jahrhunderts bereits 530. Alle neuen Orden kennzeichnet eine besondere Sittenstrenge: Einfachheit in Kleidung und Nahrung, asketische bungen, Liebe zum Schweigen, Handarbeit. Die Klster werden in der Einsamkeit erbaut, aber die Mnche und vor allem die bte sind oft unterwegs, um zu predigen und das Evangelium zu verknden. So vermittelt der heilige Bernhard, immer auf den Beinen, in allen Angelegenheiten der Christenheit, bekmpft Schismatiker und Hretiker und predigt den Kreuzzug. Cteaux schenkt whrend des 12. Jahrhunderts der Kirche 14 Kardinale und 75 Bischfe. Das Ideal des Gemeinschaftslebens beflgelt parallel zur Reform auch die umfangreiche Chorherrenbewegung. Die Bedeutung der Kanoniker innerhalb der Kirche, die gleichzeitig dem Einflu der Feudalherren auf ihre Eigenkirchen
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und allen Sonderprivilegien entzogen sind, geht auf Innozenz II. und das rmische Konzil von 1059 zurck, das ihnen den Zlibat, das Verbot der Simonie und der Anhufung weltlichen Besitzes und die Bedingungen zum Erhalt der Weihen vorschrieb. Vor allem Urban II. begnstigte die Ausbung der Seelsorge durch die Kanonikergemeinschaften. Doch die Bewegung geht ber die ppstlichen Anregungen hinaus. Ihre ziemlich vage Regel unter dem Patrozinium des heiligen Augustinus rumt dem aktiven Leben viel Platz ein und wird von einer ganzen Reihe von Chorherrngemeinschaften angenommen, die bald stdtisch sind und dem geistigen Leben eine entscheidende Bedeutung beimessen, bald lndlich und den neuen Mnchsorden eremitischer Ausrichtung besonders nahe. Alle aber lehnen persnliches Eigentum ab. Unter den erstgenannten zeichnen sich die Regularchorherrn von Sankt Viktor in Paris in der Ebene nordstlich des Hgels von Sainte-Genevive im 12. Jahrhundert besonders aus. Unter den lndlichen kann man Arrounaise im Artois, 1090 entstanden, und vor allem Prmontr, 1120 im Wald von Coucy von dem deutschen Volksprediger Norbert von Xanten gegrndet, anfhren. Prmontr strahlt in die gesamte Christenheit aus, wendet sich aber bald dem Pfarrdienst zu und ahmt die Einrichtungen der Zisterzienser nach. Es spielt eine bedeutende Rolle bei der Rodung und Christianisierung der Landgebiete. Man darf nicht vergessen, da sich die Reformbewegung auch auf die Laien erstreckte, selbst wenn diese Seite noch wenig bekannt ist. Auer an den Hresien, die wir weiter unten behandeln werden, haben die Laien zweifellos auch an der religisen Erneuerung am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts teilgenommen. Die Mailnder Pataria mit ihren Auswirkungen zeigt dies deutlich. Weniger auffllig schlieen sich in Sditalien Laien durch adfratatio an religise Gemeinschaften an und haben so Anteil an den geistlichen Frchten ihres Lebens. Endlich knnen die neuen Gemeinschaften, die eine wichtige Rolle bei der Grndung von Hospitlern Herbergen, die mit der Entwicklung der Straen, Pilger- und Handelswege verbunden sind spielen, dadurch Wallfahrer, Hndler und Fahrende in wachsender Zahl in die neue religise Atmosphre einbeziehen. Diese religise Erneuerung wird aber innerhalb der Kirche von Gegenstrmungen und Konflikten begleitet. Zum Beispiel die Handarbeit. Inwieweit pat sie zu Klerikern und welchen geistlichen Wert kann man ihr zuschreiben? Der Autor des Liber de diversis ordinibus sagt von den Chorherrn-Bauern, die die Prmonstratenser sind: Ich lobe die Seelengre dieser Mnche, ich billige ihre Strenge, liebe ihre Demut, aber ich behaupte, da man in allem Ma halten mu. Denn wenn ich sagen hre, da die Priester und selbst der Abt dieses Kanonikerordens sich damit befassen, ihre Schafe zu melken und die Stlle zu reinigen, so kann ich das kaum glauben ... Ich wnschte bei Mnnern, die jeden Tag den Altar umgeben, bei Priestern, die jeden Tag den Leib Christi berhren, mehr Wrde, und zwar aus Achtung vor diesem anbetungswrdigen und unbefleckten Leib.
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Ein konservativer Geist wie Rupert, der Abt des Benediktinerklosters in Deutz, erinnert daran, da der heilige Benedikt die Handarbeit lediglich empfohlen habe, ohne sie aufzuzwingen; fr die Fanatiker der Handarbeit unterstreicht er den Vorrang des Opus Dei. Der aufsehenerregendste Konflikt konfrontiert in der ersten Hlfte des 12. Jahrhunderts in einem Briefwechsel, in dem sich beide Partner ihrer gegenseitigen Hochachtung versichern den Zisterzienser Sankt Bernhard mit Petrus Venerabilis, Abt von Cluny. Der heilige Bernhard kritisiert scharf den Kleider- und Nahrungsluxus der Cluniazenser, die ppigkeit und Pracht ihrer Kirchen und religisen Feiern, die Ausbeutung ihrer Leibeigenenschar. Petrus Venerabilis antwortet milde, da auch die zisterziensische Strenge bertrieben und im Grunde prahlerisch sei. Was den von jeher auf Einheit bedachten Geist vieler Mnche erschreckt, ist die Aufteilung der Kirche in verschiedene, in ihren Idealen und Handlungen unterschiedliche Orden und vor allem die Aufspaltung der monastischen Ordnung, welche die benediktinische berlieferung im frhen Mittelalter geeint hat. Aber der Liber de diversis ordinibus, der im brigen ziemlich konservativ ist, erkennt die Existenz und Legitimitt dieser Vielfalt an: In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Anselm von Havelberg rechtfertigt theologisch die Vernderlichkeit und Vielfalt des Reiches Gottes in der Kirche, die Entwicklung der Dogmen und stellt eine Evolutionstheorie fr die Kirche auf. Er rckt die Menschheitsgeschichte wieder in die Entwicklung, welche karolingische und feudale Traditionen hatten anhalten wollen. Gerhoh von Reichersberg rechtfertigt die Verschiedenheit der Handwerke und Berufe als immer differenziertere Gesichter des aktiven Lebens, die sich mit der wachsenden Arbeitsteilung ergeben. Alle Berufe knnen das Heil erwerben. Wenn diese religise Erneuerung auch im geistlichen wie im Gefhlsleben dauerhafte Vernderungen zurcklt, so macht sich doch in den Einrichtungen bald ein gewisser Verfall bemerkbar. Einsamkeit, Armut, Handarbeit erleiden rasch innerhalb der neuen Orden betrchtliche Einbuen. Das gemeinsame zurckgezogene Leben wird zugunsten der Seelsorge aufgegeben, das Gemeinschaftsleben in den Domkapiteln und Kollegiatskirchen sinkt ab, der Kapitelbesitz teilt sich in Pfrnden auf. Ein Konflikt innerhalb einiger neuer Kongregationen beleuchtet diese rasche Entwicklung. Es handelt sich um den Gegensatz zwischen Laienbrdern und Mnchen oder Kanonikern. Diese berlassen den Laienbrdern mehr und mehr die Handarbeit, zu der die Regel sie eigentlich verpflichtet; entsprechend nehmen die Laienbrder als Herren ber die wirtschaftliche und finanzielle Macht der Abteien und Klster bald eine vorherrschende Stellung in den Orden ein. Im Lauf des 12. Jahrhunderts ergeben sich daraus zugespitzte Kompetenzstreitigkeiten. Zum Beispiel im Orden von Grandmont und, weniger
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stark, bei den Prmonstratensern. Auch die anfangs den Frauen zugemessene Bedeutung wird in den Doppelklstern Fontevrault und vor allem Prmontr rasch wieder beschnitten. Prmontr lst in der zweiten Jahrhunderthlfte die Huser der Laienschwestern auf. So begreift sich ein Text, der um 1200 erklrt, die neuen Orden schlagen Christus mit den Hnden ihrer Laienbrder ans Kreuz. Aber die neuen Orden haben im Lauf des 12. Jahrhunderts auch eine groartige geistige Hochblte hervorgebracht. Der grte Schriftsteller der Prmonstratenser ist der Englnder Adam Scotus, der kurz nach 1189 das norbertinische Kloster in Dryburgh verlt, um zu den Kartusern von Witham berzutreten, wo er hhere Vollendung und eine strengere Regel zu finden gedenkt. Er preist die Beschaulichkeit der Klausur, und die Titel seiner Werke lassen eine mystisch gefrbte Frmmigkeit erahnen: ber die Milde Gottes, ber die drei Arten der Kontemplation, Gesprch ber die Erziehung der Seele. Der fnfte Nachfolger des heiligen Bruno, Guigues, seit 1109 Kartuserprior, stellt die coutumes des Ordens zusammen, schreibt eine kurze Lebensgeschichte des heiligen Hugo und fat die Kartuserideale der Demut und des Verzichts in knappen Gedanken oder Meditationen zusammen. Die Schriften Guigues sind in ihrer Krze und Gedrngtheit ein Symbol kartusischen Schweigens. Das schnste Dokument ber das Leben und die Geistigkeit der Kartuser stammt von Wilhelm von Saint-Thierry, einem zum Zisterzienser gewordenen Benediktiner. Es ist der 1145 geschriebene Goldene Brief oder Epistola ad fratres de Monte Dei de vita solitaria, einer Kartause der Dizese Reims. Dieses Ideal vollendet sich im Einswerden mit Gott und in einem vollkommenen Aufgehen im beschaulichen Leben. Die Shne der Beschaulichkeit sind weniger zahlreich als die Shne der Tat, schreibt der heilige Bruno. Und Guigues: Wir haben uns nicht in das Geheimnis dieser Wste geflchtet, um fr die leiblichen Bedrfnisse anderer zu sorgen, sondern um des ewigen Heils unserer eigenen Seelen willen. Und die letzten Worte des Briefs an die Brder des Gottesbergs sind die des Isaias: Mein Geheimnis gehrt mir, mein Geheimnis gehrt mir. Das Preislied, das der 1183 gestorbene Peter von Celle auf das Klosterleben, auf seine Ruhe (quies), seine Mue (otium), die kein Miggang ist, anstimmt, zeigt deutlich, da die mystische Geistigkeit als Reaktion auf den materiellen Aufschwung des Jahrhunderts weit ber die neuen Orden hinausgeht. In diesem geistlichen berstrmen bleiben die Nonnen nicht zurck. Das anonyme Speculum virginum erlebt einen Erfolg, der die Bedeutung der weiblichen Frmmigkeit bezeugt. Die btissin der Kanonissinnen vom Odilienberg im Elsa, Herrad von Landsberg, stellt fr ihre Nonnen eine Bltenlese zusammen, den Hortus deliciarum, der durch bezeichnende Miniaturen die Frmmigkeit noch in den Bildern weiterfhrt. Die heilige Hildegard von Bingen (10981179), eine Seherin, wird von zahlreichen Prlaten, Frsten und Mnchen konsultiert und erzhlt ihre Visionen
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in dem Werk Scivias (Wisse die Wege), das wiederum mit erstaunlichen Illustrationen geschmckt ist. Durch ihre Symbolik hindurch mndet eine wissenschaftliche, mit Mystik vermischte Gelehrsamkeit in ein apokalyptisches Weltbild ein. Elisabeth von Schnau, eine Nonne in der Dizese Trier, erlebt eher Ekstasen als Visionen. Ihre in der ganzen Christenheit verbreiteten Schriften knden die Mystiker des endenden Mittelalters und der Neuzeit an. Aber die groe Heimstatt monastischer Literatur des 12. Jahrhunderts ist Cteaux. Der Erfolg des Ordens, das in ihm verwirklichte Gleichgewicht zwischen ttigem und beschaulichem Leben, die in ihm herrschende straffe Einheit, endlich der Einflu des heiligen Bernhard begnstigen eine auergewhnliche geistliche Ausstrahlung. Das Werk des heiligen Bernhard (gest. 1154) ist, wenn man die zahlreichen Predigten und die unzhligen Briefe einbezieht, sehr umfangreich. Sein traditionsbewuter Geist speist sich vor allem aus der Schrift; als kultivierter und sogar manierierter Autor ist er reich an Honig, seine Bestrebungen sind patristisch, man hat ihn den letzten der Kirchenvter und den frheren keineswegs unterlegen genannt. Darber hinaus hat er die zisterziensische Neigung zur Selbsterforschung, seine sogenannte christliche Sokratik, auf den Hhepunkt getrieben; es ist dies eine Geistigkeit, deren Mittelpunkt Demut und Bue bilden. Aber solches Eintauchen in sich selbst ffnet einen Weg des Aufstiegs zu Gott, eine Strae von der Demut zur Ekstase, eine Annherung an das Geheimnis durch die Liebe. Wie in den meisten groen Mystikern steckt auch in Bernhard ein Tatmensch und Politiker, oft von Sanftmut weit entfernt, dessen Aggressivitt wir noch kennenlernen werden. Dieser Kontrast zwischen dem in die theologischen Streitigkeiten seiner Zeit verwickelten Menschen und dem mystischen Schriftsteller ist bei dem 1148 gestorbenen Wilhelm von Saint-Thierry noch grer. Er arbeitet eine Dreifaltigkeitsmystik aus, die durch einen dialektischen Weg erklrt wird: der Vater ist Gedchtnis, der Sohn Vernunft, der Heilige Geist die verbindende Liebe. Auch er ist ganz auf das Geheimnis ausgerichtet, das Aenigma fidei, das Rtsel des Glaubens, wie eines seiner Werke heit. Trotz persnlicher Zge gehren der Englnder Aelred von Rievaulx und sein Spiegel der Barmherzigkeit (1142 oder 1143), Guerric von Igny (gestorben 1157) und sein Traktat ber die Sehnsucht der liebenden Seele und Isaak de lEtoile (gest. 1169) mit seinen Schriften ber die Messe dieser gleichen Schule zisterziensischer Mystik an. Dennoch lt seit dem 12. Jahrhundert die monastische Kultur der urbanen den Vortritt. Die Klster hren auf, die groen geistigen Mittelpunkte zu sein, und die Stdte behaupten sich als die wichtigsten Zentren der Ausarbeitung eines Unterrichtsund Bildungsprogramms, das gleichzeitig neue Zge annimmt.
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Freilich gibt es zwischen der Kultur des Frhmittelalters und der Stadtkultur des 12. Jahrhunderts weder einen Bruch noch systematische Gegenstze. Die Stadtschulen des 12. Jahrhunderts stellen die scholastische Methode auf, die spter die Universitten beherrschen wird, doch betrachtet man den heiligen Anselm herkmmlicherweise als den groen Vorlufer der Scholastik. Dieser Mnch aus Le Bec bleibt auch auf dem Erzbischofsstuhl von Canterbury ein monastischer Geist; er verfat, obschon der Kern seines wichtigsten Werkes Cur Deus Homo zwischen 1094 und 1097 in England entsteht, das Monologion und das Proslogion, in denen seine geistige Haltung schon festgelegt ist, in der normannischen Abtei Le Bec 1077 und 1078. Anselm selbst hat das Monologion als ein Beispiel der Meditation ber die Vernunftgemheit des Glaubens bezeichnet, und das Proslogion hatte als ersten Titel den berhmten Kernsatz Fides quaerens intellectum, der Glaube auf der Suche nach der Vernunft, der der Scholastik als Motto dienen knnte. Im Proslogion fhrt Anselm den ontologischen Gottesbeweis. Die Vorstellung Gottes ist die eines vollkommenen Wesens; die Mglichkeit, da eine solche Vollkommenheit gedacht werden kann, schliet ihr Sein ein, die Idee Gottes bezeugt gleichzeitig seine Existenz. Cur Deus Homo ist ein Dialog mit den Unglubigen, wie das Proslogion schon ein Gesprch mit dem Trichten war, der Gott leugnet. Anselm erklrt darin, da die Unglubigen, die nach Vernunft streben, weil sie nicht glauben, und die Christen, die es tun, weil sie glauben, eine und dieselbe Sache suchen. Dennoch hatte das Werk des heiligen Anselm keinen direkten Einflu auf die Entwicklung der Scholastik, weil die Lehrer der Stadtschulen in ihm einen Reprsentanten jener Klosterkultur sahen, die ihnen den geistigen Bedrfnissen der Zeit nicht mehr gewachsen schien. Herausforderung der Klosterkultur: der geistige Aufschwung der Stdte Aber auch hier darf man nicht glauben, da die Stadtschulen eine Schpfung aus dem Nichts sind und da ihre Methoden eine absolute Neuheit darstellen. Whrend die Scholastik auf dem Hgel von Sainte-Genevive am linken Seineufer entsteht, reprsentiert zum Beispiel im 12. Jahrhundert immer noch die Domschule der Ile de la Cit mit ihrem traditionellen Unterricht in den sieben freien Knsten die Quintessenz der Wissenschaft in Paris. Gui de Bazoches ruft in seiner Beschreibung von Paris aus: Auf dieser Insel haben sich die sieben Schwestern, die freien Knste, eine ewige Heimstatt errichtet ... berreichlich strmt hier die Quelle der Heilslehre. Die berhmteste Schule des 12. Jahrhunderts, die von Chartres, ist eine alte Bischofsschule, die schon Fulbert im 11. Jahrhundert bekannt gemacht hat. Am Knigsportal der Kathedrale hat der romanische Bildhauer, der sich teilweise durch die Schuldebatten anregen lie, die Synode der freien Knste dargestellt, und ein Glasmaler illustriert in einem der Fenster den berhmten Ausspruch Bernhards: Wir sind Zwerge, die auf die Schultern von Riesen
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gestiegen sind; deshalb sehen wir mehr und weiter als sie ... In dieser Renaissance des 12. Jahrhunderts huldigen die Modernen den Alten. Endlich darf man nicht vergessen, da unter den berhmtesten neuen Stadtschulen die der Chorherrn von Sankt Viktor in Paris ganz neue Bestrebungen verfolgt. Hugo von Sankt Viktor (gest. 1141) bemht sich in seinem Didascalicon um die Erweiterung des Programms der freien Knste. Andreas von Sankt Viktor (gest. 1175) mchte die Bibelexegese auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen. Richard von Sankt Viktor (gest. 1173) drckt in seinem De Trinitate wie Anselm von Canterbury den Wunsch aus, durch die Vernunft zu verstehen, was wir durch den Glauben wissen. Mystische Richtungen schlielich treffen sich mit der Geistigkeit der neuen Orden des 12. Jahrhunderts. Im brigen ist die patristische Tradition bei den Viktorinern so deutlich, da man Hugo den neuen Augustinus und Andreas den neuen Hieronymus genannt hat. Dennoch ist es ein ultrakonservativer Viktoriner, der gerade durch seine Bissigkeit beweist, da das 12. Jahrhundert geistig erneuernd, ja revolutionierend war. 1177 bis 1178 schreibt Walter von Sankt Viktor Contra IV labyrinthos Franciae, ein scharfes Pamphlet gegen Abalard, Gilbert de la Porree, Petrus Lombardus und Peter von Poitiers, diese in den vier Labyrinthen verkrochenen Minotauren, Begnstiger der Neuheiten, gefhrliche Denker. Die Renaissance des 12. Jahrhunderts ist, wie jede Renaissance, eine Rckkehr zu den Alten. Man gelangt nur dann durch das Dunkel der Unwissenheit zum Lichte des Wissens, wenn man mit immer grerer Liebe die Werke der Alten wieder liest, sagt Peter von Blois; mgen auch die Hunde bellen und die Schweine grunzen, ich bleibe doch ein Anhnger der Alten. Ihnen gilt alle meine Sorgfalt, und jede Morgendmmerung sieht mich bei ihrem Studium. Zwar sind dem Mittelalter durch die westliche Tradition manche alte Schriftsteller berkommen: Lukrez, Ovid, Statius, Lukian, Cicero, Seneca, vor allem allerdings nach welchen Verwandlungen! Vergil, der vorchristliche Prophet, und Plato, mit verschiedenen Platonismen und Neuplatonismen vermengt. Dennoch ist es ein neues Erbe, das der Renaissance des 12. Jahrhunderts, durch einen Umweg aufgenommen, ihr besonderes Aussehen verleiht: das griechisch-arabische Wissen, das der Christenheit durch die Moslems, vor allem ber Spanien, vermittelt wird. Man hat krzlich drei Phasen bei der Tradierung des griechischislamischen Wissens im 12. Jahrhundert in Spanien nachgewiesen, hauptschlich an Hand der bersetzer (unter ihnen ist eine Anzahl Juden), welche die wissenschaftlichen Kenntnisse aus dem Arabischen ins Lateinische bertrugen. Durch seinen Brief an die Peripatetiker jenseits der Berge zieht Pedro Alfonso, ein konvertierter Jude aus Huesca, zu Beginn des Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der christlichen Geistlichkeit auf die arabische Wissenschaft. In der ersten Welle tut sich Adelard von Bath hervor, mit dem das Interesse der englischen
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Intellektuellen fr das arabische Wissen beginnt, das im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts nicht nachlassen wird. Die mittlere Periode von 1120 bis 1160 wird von der noch wenig bekannten Gestalt des Johannes von Sevilla beherrscht. Es ist die Zeit einer groen Reihe von bersetzungen, in denen sich vor allem das Interesse an Astronomie, Astrologie, Meteorologie und Mathematik kundtut. In diesem Rahmen mu man sich die Reise vorstellen, die Petrus Venerabilis, Abt von Cluny, 1141 nach Spanien unternimmt. Er weitet die Ttigkeit der bersetzer auch auf die Kenntnis der islamischen Religion und die bertragung des Korans aus, hlt sie zu grter Exaktheit bei der bersetzung und Verbesserung des Lateinischen an und regt Arbeiten an, durch welche die Verbindung arabischer und lateinischer Gelehrter in Spanien mit den Schulen Frankreichs, vor allem mit Chartres hergestellt wird. Endlich erffnet die letzte Periode, deren strkste Persnlichkeit Gerhard von Cremona (gest. 1187) in Toledo ist, das Interesse der Lateiner fr die wissenschaftlichen und philosophischen Werke des Aristoteles. Der arabische Einflu auf die Renaissance des 12. Jahrhunderts mu in seinem wirklichen Umfang gewrdigt werden. Lange Zeit verkannt, wurde er spter berschtzt, mit Legenden verstellt die sogenannte Schule von Toledo und falsch bewertet. Die Lateiner haben von den Arabern hufig Rezepte und Geheimnisse erbeten, und so wurde die arabische Wissenschaft von den Westlichen als pseudo-wissenschaftliche Folklore entstellt, welche das traditionelle Mitrauen der Christen gegenber den arabischen Nekromanten, das man noch bei Dante findet, speiste. Die Autorittensucht der Lateiner lie eigene berlegungen den modisch gewordenen arabischen Autoritten zuschreiben. Adelard von Bath erklrt: Unsere Generation hat den festverankerten Fehler, da sie alles zurckweist, was von den Modernen zu kommen scheint. So schreibe ich, wenn ich eine persnliche Idee habe, die ich verffentlichen will, sie einem anderen zu und erklre: Es ist der und der, der es gesagt hat, nicht ich. Und damit man mir alle meine Gedanken vllig glaubt, sage ich: Der und jener hats erfunden, nicht ich. Um zu vermeiden, da man denkt, ich Unwissender habe aus mir selbst meine Ideen, lasse ich glauben, ich htte sie aus meinen arabischen Studien gezogen. Aber mehr als einen sehr vermischten, sehr unvollkommen bernommenen wissenschaftlichen Inhalt haben die Araber den Lateinern des 12. Jahrhunderts vor allem einen Geist, eine Methode vermacht: Beobachtung und Erfahrung anstelle der dogmatischen Tradition. So bekrftigt und verlngert der von den Lateinern mit Hilfe der Araber gefhrte Kampf gegen die Autoritt einen schon von einigen westlichen Geistern erffneten Streit, der vielleicht sogar der Antrieb der Renaissance des 12. Jahrhunderts ist: der Streit um eine aufgezeigte und kontrollierte Wahrheit, um die Vorherrschaft der Vernunft. Der erste groe Kmpfer in diesem Streit ist Abalard. Es kann nicht davon die Rede sein, hier alle Peripetien einer an Erfolgen und Niederlagen reichen
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Existenz zu beschwren; er hat sie in seiner erstaunlichen Leidensgeschichte (Histoire de Mes Malheurs) selbst beschrieben, der das Erlebnis mit Heloisa eine auerordentliche menschliche Dimension hinzufgt; zugleich hebt es das Hervortreten der Frau in diesem Jahrhundert der zwar noch unvollendeten, aber in ihrem Schwung bereits entscheidenden Emanzipationen heraus. Wir rufen hier vor allem den Ritter der Dialektik ins Gedchtnis. Er verwirft die Autoritt der berhmtesten Lehrer. Einem Wilhelm von Champeaux, der in Sankt Viktor zu Paris ber den Universalienstreit gebietet, und seinem Realismus, der aus den Worten Geschpfe macht, stellt er einen Nominalismus entgegen, der auf der benennenden Bedeutung der Sprache besteht. Gegen den Unterricht Anselms von Laon, sein bewundernswertes Geschwtz, seine Verachtung der Intelligenz, seine leere Vernunft will er eine neue Theologie aufrichten, indem er bekrftigt, da es nicht seine Gewohnheit ist, zur Tradition seine Zuflucht zu nehmen um zu bekennen, sondern zu seinem Geist. Mit seinem Handbuch der Logik fr Anfnger (Logica ingredientibus) und vor allem mit Sie et Non von 1122 gibt er dem westlichen Denken den ersten Discours de la Methode. Indem er die Widersprche der Kirchenvter bezglich der meisten groen Probleme feststellt: der eine sagt wei sie , der andere schwarz non , schliet er daraus auf die Notwendigkeit, die Vernunft zu gebrauchen. Aber gegenber Sankt Bernhard und Wilhelm von Saint-Thierry, die mit aller Macht der Traditionen und Einrichtungen gewappnet sind, unterliegt er auf den Konzilien von Soissons (1121) und Sens (1140), die ber ihn urteilen sollen. Das, was man die geistige Unvorbereitetheit der Lateiner genannt hat, die im 12. Jahrhundert aus einem langen dogmatischen Schlaf erwachen, hat zeitweise ber seine Vernunftschlsse triumphiert. Aber der aus Spanien zurckgekehrte Adelard von Bath und Wilhelm von Conches in Chartres fhren einen hnlichen Kampf fr die Vernunft, sei es auf dem Gebiet der Erfahrung, sei es, wie Abalard, auf dem der Logik. Adelard von Bath erklrt einem traditionalistischen Gegner: Es fllt mir schwer zu diskutieren ... Ich habe von meinen arabischen Lehrern gelernt, die Vernunft zum Fhrer zu nehmen; du hingegen bist zufrieden, als Gefangener einer Kette von fabelnden Autoritten zu folgen. Welchen anderen Namen kann man der Autoritt geben als den einer Kette? Wie die unvernnftigen Tiere an einer Kette gefhrt werden und nicht wissen wohin und warum man fhrt sie und sie bescheiden sich damit, dem Strick, der sie hlt, zu folgen so sind die meisten von euch Gefangene einer animalischen Leichtglubigkeit und lassen sich gefesselt zu gefhrlichen Meinungen verleiten durch die Autoritt des Geschriebenen. Und Wilhelm von Conches bemerkt: Wichtig ist nicht, da Gott dies hat machen knnen, sondern es zu untersuchen und rational zu erklren, seinen Zweck und Nutzen zu zeigen. Gewi, Gott kann alles. Wichtig ist aber, da er dies oder jenes getan hat. Gott kann auch aus einem Baumstamm ein Kalb machen, wie die Bauern sagen. Aber hat er es jemals getan?
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Auch die Laufbahn Abalards zeigt, da die geistige Zukunft des Westens in den Stdten liegt und nicht mehr in den Klstern, und da in diesen Stdten die Lehrttigkeit von Kathedralschulen und Scholastern allmhlich auf unabhngige Magister bergeht, die eine stndig wachsende Zahl freier Studenten an sich ziehen, welche aus der groen sozialen Grung eines Jahrhunderts hervorgegangen sind, in dem die Armen dominieren. Man sieht es auf politischer Ebene bei Arnold von Brescia, der Abalard auf jenem Hgel von Sainte-Genevive zuhrt, wo nun auch das frher einzig auf der Ile de la Cit gelehrte Wissen verbreitet wird. Diese stdtische Wissenschaft hat viele Gesichter. In Paris triumphieren Dialektik und Theologie als die beiden Nhrbrste der entstehenden Scholastik. In Salerno macht sich die Medizin von den sie noch immer speisenden griechisch-arabischen Quellen frei. In Bologna erlebt die juristische Disziplin mit dem rmischen und dem kanonischen Recht einen derartigen Aufschwung, da Friedrich Barbarossa Professoren und Schlern 1154 durch das Authentica Habita Freiheiten gewhrt, aus denen die knftigen Universittsprivilegien entstehen. Gratian veranstaltet hier um 1140 als Concordia discordantium canonum eine Kanonsammlung (Decretum Gratiani), welche die Grundlage der kanonischen Scholastik bildet. Irnerius schlielich und seine Nachfolger, die von Barbarossa konsultierten vier Doktoren von Bologna, bereiten die Blte des rmischen Rechts vor. Chartres, die vielleicht bedeutendste Stadtschule des 12. Jahrhunderts, ist eine Bischofsschule und zeitigt in den folgenden Jahrhunderten keine Nachfolge. Die groen Geister, die an ihr lehren oder aus ihr hervorgehen, sind untereinander recht verschieden. Bernhard, zunchst Scholaster, dann von etwa 1114 bis 1126 Kanzler, ist vor allem Grammatiker, ein unvergleichlicher Meister der Textauslegung. Sein Bruder Thierry, Kanzler von 1142 bis etwa 1150, verfat die Heptateuchon betitelte Textsammlung fr das Studium der freien Knste. Er ist ein ausgesprochener Platoniker pythagoreischer Richtung, der sich auf mathematisch-theologische Spekulationen einlt und ber die Zahlen philosophiert (Zahlen schaffen, heit die Dinge schaffen, schreibt er). Gilbert de la Porree bt das Kanzleramt zwischen den beiden Brdern aus und ist von 1142 bis 1154 Bischof von Poitiers. Dieser tiefe und rtselhafte Geist geht die Theologie der heiligen Dreifaltigkeit mit so eigenwilligen Methoden an, da ihn der heilige Bernhard 1148 in Reims durch eine Synode verurteilen lt, so wie er auch Abalard verurteilt hat. Der khnste der Chartreser ist Wilhelm von Conches (zwischen 1120 und 1154 ttig). Er kommentiert die Consolationes des Botius, den Kommentar zum Traume Scipios von Macrobius, Platons Timaios, liest Seneca und erweist sich in seinen Traktaten, Philosophia und Dragmaticon, als jederzeit wache kritische Intelligenz im Dienst eines sehr anspruchsvollen Humanismus: Das Studium der Weisheit nimmt den ganzen Menschen in Anspruch und duldet keine Teilung.
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Diese Stadtkultur trennt die Forschung nicht mehr von der Lehre. Mit Hilfe der dialektischen Vernunft konfrontiert sie in einem Milieu, das ein Schmelztigel der Bcher und Gedanken ist, alle bestehenden Auffassungen miteinander. Bildung wandelt sich zur Suche nach geistiger Wahrheit durch Ausbung eines Berufs (und nicht mehr als Ergebnis mnchischer Askese). Dies alles zielt auf eine Sprengung der herkmmlichen Formen des geistigen Lebens ab. Der Brauch, ffentlich zu diskutieren, schockiert selbst gemigte Geister wie Stephan von Tournai, der am Ende des Jahrhunderts Abt von Sainte-Genevive in Paris ist: Man debattiert ffentlich und verletzt damit die geheiligten Konstitutionen, das Geheimnis der Gttlichkeit und der Fleischwerdung des Wortes ... Die unteilbare Dreifaltigkeit wird an den Straenecken in Stcke geschnitten. So viele Doktoren, so viele Irrtmer; so viele Auditorien, so viele Skandale; so viele ffentliche Pltze, so viele Gotteslsterungen. Fr ihn sind die Pariser Gelehrten nur Hndler mit Worten (venditores verborum). Das Programm der sieben freien Knste reicht nicht mehr aus. Neue Disziplinen entstehen, whrend die alten ausgeweitet werden. Die Grammatik wird zu einer vielseitigen Wissenschaft und bildet, wie zur Zeit Ciceros und Quintilians, erneut die Grundlage fr einen Humanismus oder cultus humanitatis, wie Thierry von Chartres im Prolog zum Heptateuchon schreibt. Ethik, Physik, sogar die Wirtschaft werden zum Rang von Wissenschaften erhoben. Die mechanischen Knste gelangen dank dem Aufschwung der Gewerbe allmhlich auf die Ebene der freien Knste. Eine neue Einteilung der menschlichen Wissenschaften und Techniken wird von Honorius von Autun und vor allem von Hugo von Sankt Viktor in seinem Didascalicon vorgenommen: Lerne alles, und du wirst sehen, da nichts berflssig ist. Einer verkrzten Wissenschaft fehlt der Reiz. Enzyklopdische Bildung und Hang zur Spezialisierung gehen im Humanismus des 12. Jahrhunderts Hand in Hand. Diese Stadtkultur, die sich den Wissenschaften zuwendet den Wortwissenschaften (Trivium) und den Sachwissenschaften (Quadrivium) und vernunftgem wird, fllt mit einer dichterischen Blte zusammen, die nicht der geringste Zug der Renaissance des 12. Jahrhunderts ist. Abalard, der Dialektiker, ist auch Dichter. Man findet ihn unter den Goliarden, und er ist Verfasser liturgischer Dichtungen: Hymnen fr die Nonnen Heloisas in Paraclet, Klagelieder (plancti) ber Themen aus dem Alten Testament. Im Loiretal und seiner Umgebung, in Angers, Le Mans, Tours, Orleans, Meung bringen dichterische Zentren bedeutende Poeten hervor: Hildebert von Lavardin (10561133), Bischof von Le Mans, spter Erzbischof von Tours, dessen Elegien bewundernswerte Abschnitte ber die Ruinen Roms enthalten; Marbod (1035 1123), Bischof von Rennes, ist der Verfasser eines Buches von den Edelsteinen, Liber de gemmis, einer poetischen Sammlung ber die Symbolik der Steine; Baudri von Bourgeuil (10461130) ahmt Ovid nach, der damals so sehr Vorbild ist, da man das 12. Jahrhundert aetas ovidiana Zeitalter Ovids genannt hat; Matthus von Vendme verfat eine berhmte Ars versificatoria (um 1175); Peter von Blois
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schlielich (um 11351204) ist Sekretr Heinrichs II. und Verfasser eines Briefstellers (Ars dictaminis) sowie leichter Verse, die groen Erfolg haben. Einen besonderen Platz mu man dem von den Chartresern beeinfluten Bernhard Silvestris einrumen, einem philosophischen und kosmographischen Dichter, der die Natur und das All im pythagoreischen, platonischen und vergilischen Sinn besingt. Seine Cosmographia (1148 beendet), die den Makrokosmos und den Menschen als Mikrokosmos feiert, wird bis zu Boccaccio, der sie nachahmt, fr ein Meisterwerk gehalten. Das 12. Jahrhundert knnte das Jahrhundert der Geschichtsschreibung heien. Nicht, da es historisch ausgerichtete Schulen gegeben htte oder einen beherrschenden Geschichtssinn. Aber hier und da entstehen Werke, die erzhlen, erklren und aus einer persnlichen oder kollektiven Geschichte Lehren ziehen. Es gibt Weltgeschichten wie die Chronik Sigberts von Gembloux (gest. 1112) oder jene des Ordericus Vitalis (gest. um 1143), der als guter Normanne Geschichte und Zivilisation von Osten nach Westen fortschreiten lt. Die augustinischen oder feudalen Geschichtswerke lassen die Entwicklung mit der Verwirklichung einer christlichen Gesellschaft auf Erden nach dem Bild des Gottesstaates anhalten, so Otto von Freising, der Onkel Friedrich Barbarossas, in seiner Geschichte der beiden Reiche. Hagiographien erzhlen das Leben zeitgenssischer Heiliger wie die Vita Roberts von Arbrissel des Baudri von Bourgueil oder die zahlreichen Viten Thomas Beckets (1170 ermordet). Weltliche Herren, die zu christlichen Helden wurden wie Karl der Gute, Graf von Flandern (1127 ermordet), werden sofort in Geschichten wie der vita Caroli comitis von Gautier von Throuane und der Passio Caroli verherrlicht. Es entstehen Erzhlungen denkwrdiger Begebenheiten, der Kreuzzge und christlichen Fahrten ins Heilige Land, so die Chroniken zum Ruhme der Franzosen von Raymond dAguilers (um 1100),Foucher von Chartres (11051127), Guibert von Nogent (1104), Odo von Deuil (vor 1162) oder die im Heiligen Land von Wilhelm von Tyrus zwischen 1170 und 1184 geschriebene Geschichte der berseelnder. Man verfat Monarchiegeschichten wie die Historia regum Britanniae des Gottfried von Monmouth (zwischen 1135 und 1138), in der Knig Artus auftaucht, die Viten Ludwigs VI. und Ludwigs VII. von Suger, die Chronik Polens des Gallus Anonymus und die Bhmens von Cosmas von Prag (zu Beginn des 12. Jahrhunderts), die Gesta Frederici I. Imperatoris Ottos von Freising. Geistliche Geschichtswerke werden geschrieben wie die Hamburgisch-Bremische Kirchengeschichte Adams von Bremen (um 1078) oder die Historia scholastica (1164), die dem Pariser Petrus Comestor (Verschlinger der Bcher) den Titel Meister der Geschichtsschreibung eintrug. Dazu kommen noch die Autobiographien, von denen die merkwrdigsten die Abt Otlohs von Sankt Emmeram in Regensburg (Ende des 11. Jahrhunderts), Guiberts von Nogent (De Vita Sua, 1115) und Abalards Leidensgeschichte sind. Nach dem Brodeln und den intellektuellen Kmpfen, welche die erste Jahrhunderthlfte kennzeichnen, sammeln besonnene Geister in der zweiten
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Hlfte des 12. Jahrhunderts die jetzt Allgemeingut gewordenen neuen Gedanken der Zeit. So verffentlicht Petrus Lombardus, Bischof von Paris, vor seinem Tod (1160) eine Aphorismensammlung aus den Kirchenvtern, das mittelmige Liber sententiarum, das die profanen neuen Gedanken mit aufnimmt und zum Handbuch der Theologiestudenten an den mittelalterlichen Universitten wird. Johannes von Salisbury (1115 um 1180) ist ein Schler Chartres, wo er am Ende seines Lebens Bischof wird, nachdem er Sekretr Thomas Beckets in Canterbury war. Sein Metalogicon und sein Policraticus, zwei Summen abgeklrten Humanismus, ebenso auf Eleganz wie auf Richtigkeit bedacht, sind Ausgangspunkte fr Reflexionen ber politische Theorien, Entwurf fr ein Kulturprogramm und eine Nationalkonomie. Alanus ab Insulis endlich (1128 um 1203) ist ein Theologe und Dichter, dessen Anticlaudianus, eine philosophische Epope, und der Planctus naturae, worin der Dichter mit der Natur spricht, seine philosophischen und pragmatischen Schriften nicht berstrahlen sollten, namentlich das Liber poenitentialis, in dem die Erfahrungen des Jahrhunderts gesammelt und jenen Klerikern zur Verfgung gestellt werden, welche die gemigten Lsungen der Probleme, die in diesem an Neuheiten so reichen Jahrhundert auftauchen, in die Praxis umsetzen wollen. Eine neue Kunst und sthetik: von der Romanik zur Gotik Man ist versucht, zwischen romanischer und gotischer Kunst die gleichen Gegenstze wie zwischen monastischer und urbaner Kultur aufzustellen und ungefhr zur gleichen Zeit, um die Mitte des 12. Jahrhunderts, die Ablsung der einen durch die andere anzusetzen. Erwin Panofsky hat brigens die engen Bande, welche Scholastik und Gotik miteinander verknpfen, hervorgehoben; in beiden herrscht die gleiche Methode, die gleiche Ordnung und derselbe wissenschaftliche Geist. Aber man darf dabei nicht vergessen, da sich die romanische Kunst, wenn sie sich auch in einigen ihrer groartigsten und vollkommensten Schpfungen als kaiserlich und monastisch erweist (die groen Dome am Rhein und Cluny III sind in dieser Hinsicht charakteristisch), auch innerhalb der Stdte und am Lande ausgebreitet hat. Umgekehrt konnte die Gotik, zumindest in ihren Anfngen, als nchterne Kunst erscheinen gegenber dem romanischen berschwang. Es gengt, an die Angriffe des heiligen Bernhard gegen die romanische Kunst Clunys zu erinnern. Die zisterziensische Architektur ist eine der reinsten Verkrperungen der Gotik. In einem Land wie Italien, wo die Gotik auf verschiedene Widerstnde stie und weitgehenden Umwandlungen unterworfen war, zeigen gerade die zisterziensischen oder durch zisterziensischen Einflu gekennzeichneten Klosterkirchen den reinsten Typus: so die Zisterzienserkirche von Fossanova, 1187 begonnen und 1208 geweiht, Casamari 1207 gegrndet, San Galgano, 1224 errichtet, und spter die Kirchen der Bettelorden, welche die Gotik der Zisterzienser bernehmen.
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Es kann hier nicht die Rede davon sein, eine bersichtskarte romanischer und frhgotischer Bauten zu zeichnen. Wir mssen uns mit einigen Richtungen, Werken und Daten begngen. Vor allem soll auf einige hufig bersehene Tatsachen hingewiesen werden. Zunchst ist die westliche Kunst vom Ende des 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts keine ausschlielich religise Kunst. Freilich steht in der christlichen Gesellschaft Gott an oberster Stelle. Sein Haus ist Gegenstand der grten Sorgfalt. Der Klerus nimmt den ersten Platz in der Gesellschaft ein und ist ein um so mchtigerer Schutzherr der Kunst, als er auer dem Ansehen auch die grten materiellen Mglichkeiten (Baumaterial, Werkzeug, Arbeitskraft, Geld) und die besten technischen, geistigen und sthetischen Qualifikationen besitzt. Man darf aber schon hier nicht vergessen, da die klerikale Kunst dieser Zeit nicht nur Kirchenkunst ist, sondern da auch Bischofspalste und Klostergebude entstehen. Petrus Cantor, Bischof von Tournai, spter, am Ende des 12. Jahrhunderts, von Paris, entrstet sich ber den Luxus der Bischofspalste, ber die Bauleidenschaft (libido) oder - krankheit (morbus), die auch Mnche befllt, ja sogar die Zisterzienser, die sich mit dem Ertrag ihrer Wirtschaft erlesene Schlafsle und Refektorien erbauen lassen. Auch eine mit den Idealen des heiligen Bernhard bereinstimmende Abtei wie Fontenay in Burgund, die 1147 in seiner Gegenwart von Papst Eugen III. geweiht wird, zeigt uns in ihren grandiosen Gebuden, da der gleiche knstlerische Geist die Wirtschaftsbauten (die groe Schmiede) und die Kirchen und Wohntrakte beseelt. Auer diesen Bischofs- und Klosterbauten mu man auch an die eigentlich weltliche Architektur der Zeit denken, ob es sich nun um den Bau und die Ausschmckung von Feudalburgen handelt oder um herrschaftliche und ffentliche Wirtschaftsgebude wie Scheunen und vor allem Brcken. Dem Dichter Baudri von Bourgueil verdanken wir die Beschreibung des Schlafzimmers der Adele von Blois, der Tochter Wilhelms des Eroberers. An den Wnden zeigen Teppiche Szenen aus dem Alten Testament und den Metamorphosen des Ovid. Gestickte Behnge stellen, wie in Bayeux, die Eroberung Englands dar. Deckenmalereien geben den Himmel mit der Milchstrae, den Sternbildern und Tierkreisen, mit Sonne, Mond und Planeten wieder. Der Mosaikfuboden enthlt eine Weltkarte mit Tieren und Fabelwesen. Das Baldachinbett wird von acht Figuren gesttzt: der Philosophie und den sieben freien Knsten. Wenn auch die Unterschiede zwischen Romanik und Gotik gro sind und man nicht eigentlich von einem bergang der einen zur anderen sprechen kann, so darf man doch nicht vergessen, da bereits gotische Gebude gleichzeitig mit noch romanischen errichtet werden und da seit dem Ende des 11. Jahrhunderts gotische Vorwegnahmen auftauchen, whrend es noch nach der Mitte des 12. Jahrhunderts Beispiele fr eine gotisierte Romanik gibt. So erscheint das Kreuzrippengewlbe bereits an romanischen Kirchen: 1097 in der Kathedrale
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von Durham, um 1125 im Chorumgang von Morienval, um 1130 im Chor von Saint-Martin-des-Champs in Paris. In der Schweiz gibt es eine ganze Reihe romanischer Kirchen mit Spitzbgen. Henri Focillon spricht von gotischer Romanik, vor allem hinsichtlich der deutschen Kirchen, bei denen sich die Anleihen aus der franzsischen Gotik in eine romanische, ja sogar ottonische und karolingische Tradition einfgen. Das ist der Fall in Limburg an der Lahn, in Andernach, Bamberg und vor allem bei der Kathedrale von Basel, die nach dem Brand von 1185 entsteht. Endlich vollzieht sich der in der Architektur und Skulptur frhzeitige bergang von der Romanik zur Gotik in anderen knstlerischen Bereichen viel spter. So kann man erst ganz zu Ende des 12. Jahrhunderts wirklich von gotischer Malerei sprechen. Zu den ersten Miniaturen, in denen sich wirklich ein neuer Geist und Stil ausprgt, zhlen die Werke des Meisters der gotischen Majestas der Winchesterbibel (um 1185 1190) und die Illustrationen des Ingeburg-Psalters, die vermutlich um 1200 in der flmischen Abtei Anchin entstanden sind (heute Muse Cond in Chantilly). Zu dieser Zeit ist das erste gotische Beispiel in Architektur und Plastik schon seit einem halben Jahrhundert vollendet: Fassade (fertig 1140) und Chor (1140 bis 1144) der unter Abt Suger erbauten Abteikirche Saint-Denis. Auch eines merkwrdigen Gebrauches des Adjektivs gotisch mu gedacht werden. Am Ende des 11. Jahrhunderts verndert sich die Schrift im anglonormannischen Knigreich und im Norden Frankreichs tiefgehend. Die Bgen der karolingischen Minuskel werden gebrochen und spitz, die Buchstaben sind zusammengedrngt und verbinden sich miteinander, als handle es sich um eine Silbenschrift. Im Laufe des 12. Jahrhunderts prgt sich dieser Stil aus und verbreitet sich in ganz Frankreich, in England, Deutschland und bald in der gesamten Christenheit, mit regionalen und lokalen Eigenheiten, etwa in Bologna, wo die Universitt einen besonderen Schrifttyp ausbildet, die Bononiensis. Diese neue Schrift, welche der Christenheit eine umfassendere und vollstndigere graphische Einheit verleiht als vorher die karolingische Minuskel, und die zur Schrift einer Gesellschaft wird, in der die zunehmende Zahl der Schreiber flssiger und schneller arbeiten soll, wird von den Humanisten des 16. Jahrhunderts verchtlich gotische Schrift genannt. Es ist aber die Schrift der Renaissance des 12. Jahrhunderts. Sie ist die erste Kundgebung des neuen Stils wie des neuen Geistes und entspricht dem Anwachsen der kulturellen Bedrfnisse, der vermehrten Zahl der Scribenten und der Zunahme an Kulturgtern. Die Romanik in voller Entfaltung Halten wir von der groen Entfaltung der Romanik zwischen 1060 und 1160 einige bezeichnende Tatsachen fest. Zum Beispiel den Aufschwung der anglo-normannischen Architektur, die durch die Eroberung von 1066 einen unwiderstehlichen Elan erfhrt. Zwischen
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1030 und 1060 beginnt in der Normandie eine umfangreiche Bauttigkeit; Jumiges (1037 bis 1067) ist zweifelsohne das schnste Werk dieser Periode. Im nchsten Zeitabschnitt werden in Caen mit der Abbaye-aux-Hommes oder SaintEtienne (10641077) und der etwa gleichzeitigen Abbaye-aux-Dames oder Dreifaltigkeitsabtei architektonische Entscheidungen vollzogen. In Saint-Etienne haben Arkaden und Emporen die gleiche Hhe, und die harmonische Fassade wird von Doppeltrmen berragt. In der Dreifaltigkeitsabtei ist ein Triforium an die Stelle der Emporen getreten, und den Chor umgeben abnehmend Absidiolen nach dem sogenannten benediktinischen Plan. Der Grundri von Saint-Etienne findet sich in Winchester (begonnen 1079), Lincoln (1073 bis 1092) und Canterbury (10741089) und in den Umgngen mit ausstrahlenden Kapellen Winchesters, Worcesters (1084) und Norwichs (1096) wieder. Die Bltezeit Clunys und der Aufschwung der Pilgerfahrten, vor allem der zum heiligen Jakob, welche die Cluniazenser frdern, vervielfacht die groen Wallfahrtskirchen, die reich an heiligen Leibern und, nach Henri Focillon, eine Art riesiger, aber allen offenstehender Reliquienschrein sind. Von gewaltigem Ausma, scheint der Grundri der Pilgerkirchen von der zahllosen Menge, die sie durchziehen, durch das Gesetz ihres Wegs und ihrer Aufenthalte, durch ihre Stationen und ihre Strme gezeichnet zu sein. So knnen die Pilger in der Vielzahl der Schiffe (drei oder fnf), den gelegentlich doppelten Querhusern, vor allem aber in den Kapellen des Umgangs an den Reliquien und den verschiedenen Heiligen geweihten Altren vorbeiziehen, die zur Verehrung ausgesetzt sind. Die Auengliederung dieser Kirchen ist klar und harmonisch. Die Massen sind bereinander gestaffelt und gipfeln in einem Vierungsturm.
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Dieser Typ der groen Pilgerkirche, von Sainte-Foy in Conques (durch Abt Odolric 1039 bis 1065 begonnen) und Saint-Benot-sur-Loire, wo im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts die entscheidenden Bauteile in Angriff genommen werden, vorgebildet (vielleicht auch von den zerstrten Kirchen Saint-Martin in Tours und Saint-Martial in Limoges), erhlt mit der dritten Kirche von Cluny (heute fast ganz verschwunden), die von Abt Hugo 1088 begonnen und von Urban II. 1095 geweiht wurde, ihr Meisterwerk. Diese gewaltige Kirche ist mit 181 Meter Lnge, fnf Schiffen und zwei Querhusern bis zur Errichtung der neuen Peterskirche in Rom die grte Basilika der Christenheit. Am Beginn eines anderen Pilgerweges nach Santiago de Compostela wird die Kirche der heiligen Magdalena ab 1050 in Vzelay von Abt Artaud erbaut und 1104 geweiht. Nach einem Brand im Jahre 1120 wird von 1135 bis 1140 ein neues Schiff erstellt und der Chor gotisch errichtet, ohne da die Harmonie des Ganzen darunter leidet. In Toulouse ist die 1060 begonnene und in der Mitte des 12. Jahrhunderts vollendete Kirche Saint-Sernin reprsentativ fr den Typ der Pilgerkirche mit fnf Schiffen, riesigem Querhaus, Tribnen ber den Seitenschiffen zur Unterbringung groer Menschenmengen und Chor mit Umgang fr Prozessionen; die beiden Krypten dienen der Aussetzung von Reliquien. Am Ende des Weges endlich bietet die Kirche des heiligen Jakob in Compostela, zwischen 1075 und etwa 1150 errichtet, bei zwar nur drei Schiffen den Pilgern
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dennoch in ihrem groen Querhaus und dem Chor mit Umgang und Kapellen gerumigen Platz. Whrend die Pilgerwege den einen vereinheitlichenden Faktor in der romanischen Vielfalt bilden, so sind andere Gruppen von Bauwerken regionalen oder nationalen Traditionen verpflichtet. Beispielsweise haben die romanischen Kirchen der Auvergne untereinander so viel hnlichkeit, da die Bezeichnung auvergnatische Schule gerechtfertigt erscheint (Notre-Dame du Port in Clermont, Notre-Dame dOrcival, Saint-Julien in Brioude, Saint-Nectaire, SaintPaul in Issoire). In Deutschland zeigt sich ein Festhalten an karolingischen Lsungen bei der Verwendung von Trmen und Doppelchren in Sankt Emmeram und am Dom zu Regensburg, in Augsburg, Bamberg und bei den groen rheinischen Kaiserdomen zu Speyer, Mainz, Worms und Trier. Obschon die Gratgewlbe in Speyer (10821106), Mainz (vor 1137) und in der Abteikirche Maria Laach auch konstruktiven Wagemut bezeugen, so zeichnet sich Deutschland in der romanischen Kunst mehr durch Gre und Monumentalitt als durch Neuerungen aus. Die Gruppe der romanischen Kirchen Klns illustriert die Ambitionen und Leistungen dieser Epoche.
Abb. 11: Romanische Architektur: Cluny. Rekonstruktion des Chores der Abteikirche Saint-Hugues durch Conant
Die romanische Kunst konnte sich unter dem Druck kollektiver und individueller Ansprche auf die Dauer nicht damit begngen, das christliche Volk allein durch die Weihe und Monumentalitt ihrer Architektur zu
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beeindrucken. Sie mute sich einer unmittelbareren Sprache bedienen der Plastik. Nichts ist hier aufschlureicher als die Entwicklung der Kapitale. Da ist der in Saint-Benot-sur-Loire deutlich erkennbare bergang vom korinthischen zum Figurenkapitl; die Synthese zwischen dem architektonischen Charakter der Bauplastik, welche die Gestalten dem Rahmen einpat, in dem sie Platz finden sollen, und ihrem Ornamentcharakter, der eine stilisierte Anordnung gem dem dekorativen Grundplan zeitigt; da ist endlich der bergang von Einzelfiguren zu ganzen Szenen, zu einem Erzhlstil, der an die dramatische Einheit gebunden bleibt. Zwar nisten gegeneinander aufgerichtete Tiere orientalischer Herkunft, den Knstlerlaunen entsprungene Ungeheuer und surrealistische Teufel zuhauf in den Kapitlzonen; aber auch hier nimmt der Mensch in den Szenen des Alten und Neuen Testaments, in seinem Kampf gegen die Laster und gegen den Erbfeind des Menschengeschlechts immer greren Raum ein. Man darf darin keinen Beweis fr einen Humanismus in der romanischen Zeit sehen. Sie bleibt eine Welt der Trume und Alptrume, der phantastischen Einbildungskraft. Der romanische Mensch wird vor allem von der Angst verfolgt. Das gilt, wenn man sich an die Kapitale hlt, fr Moissac ebenso wie fr Vzelay, Chauvigny, San Domingo de Silos, Saint-Nectaire und Serrabone. Aber der Skulpturenschmuck beschrnkt sich nicht auf die Kapitale. Er bedeckt Fassaden und sogar Absiden mit Friesen (Beispiele in Ripoll/Katalonien, in Saint-Gilles/Provence, in Selles-sur-Cher/Berry, in Saint-Jouin-deMarnes/Poitou). In Modena findet sich plastischer Schmuck in den Fassadenfriesen, den Bogenfeldern der Seitenportale, an den Chorschranken, in Metopen und an den Turmkanten. Die thematische bereinstimmung von Literatur und Kunst ist hier frappant, da sich am Pescheria-Portal Teile der Artussage und an den Turmkanten Roland und Olivier finden. Hier sei auf zwei regionale Schulen oder besser Traditionen hingewiesen. Aus der norditalienischen Plastik ragen Wiligelmo, der 1099 an der Fassade von Modena arbeitet, und Antelami heraus, der 1178 im Dom zu Parma eine Kreuzabnahme und 1196 im dortigen Baptisterium die Monatsreliefs meielt. Zu ihnen gesellt sich der anonyme Meister der Monatsreliefs am Dom zu Ferrara sowie der Anbetung der Knige in San Mercuriale in Forli. Er bezeugt zu Beginn des 13. Jahrhunderts Fortdauer und Lebenskraft einer romanischen Bildhauerbung, die sich in Norditalien aus rmischen berlieferungen von krftiger Eleganz speist. In Nordspanien mu der Skulpturenschmuck von Silos innerhalb einer Gesamtentwicklung gesehen werden, die vielleicht weniger stark von Frankreich beeinflut ist, als man oft behauptet hat, und in der sich eine eigenwillige Form der Stilisierung bei subtilster Modellierung des Flachreliefs ausprgt. Beflgelt durch die Wallfahrt nach Santiago de Compostela, bringt die romanische Plastik Spaniens in der Kathedrale von Jaca, in San Isidoro zu Len, in Santa Cruz de
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Sers, in Huesca, Fromista, an der Puerta de las Platerias der Kathedrale von Santiago de Compostela, in San Vincente zu Avila, im Fries von Carrion de los Condes und in der Camara Santa zu Oviedo Meisterwerke hervor, ohne da allerdings die funktionelle Zusammenordnung von Architektur und Plastik bewltigt wird. Diese Leistung, welche die Krnung der romanischen Plastik darstellt, ist an den groen romanischen Portalen und Tympanen Frankreichs vollbracht. Hier steht Gott im Mittelpunkt ein Gott der Majestt und des Triumphes, des Jngsten Gerichts und der Apokalypse. Er thront in Charlieu und Conques, in Moissac, Vzelay und Autun. Wie in den frhscholastischen Werken der ersten Hlfte des 12. Jahrhunderts entsteht hier eine Ordnung. Eine Summe in Bildern bereitet sich vor. Architektur und Steinplastik erschpfen jedoch die Energie der romanischen Kunst keineswegs. Ihre Urtmlichkeit, verbunden mit einer noch khneren Stilisierung, kommt packend in den Edelmetallen und raffinierten Techniken der Goldschmiede und Emailschmelzer zum Tragen, deren Werke im kleinsten Detail wie im monumentalen Ganzen meisterlich sind. Es sei hier nur an die Reihe berhmter Bronzepforten erinnert. Bereits zu Beginn des 11. Jahrhunderts entstehen die Tren von Sankt Michael in Hildesheim; am Ende des Jahrhunderts die von San Zeno in Verona. In die zweite Hlfte des 12. Jahrhunderts fallen die Portale von Bonnano am Dom zu Pisa (1180) und am Dom zu Monreale (1186), die Tren am Dom von Gnesen (1170) und, noch weiter stlich, die Tore der Sankt-Sophien-Kathedrale im fernen Nowgorod. Beschrnkt man sich auf eine Region, so ist die Entfaltung der Maasschule bedeutsam, und hier wren wieder zwei Meisterwerke zu nennen: das mit reichem Reliefschmuck versehene Taufbecken aus Notre Dame zu Lttich (1107 bis 1118, heute in der Kirche Saint-Barthlemy) und der Tragaltar von Stavelot, eine Grubenschmelzarbeit auf vergoldetem Kupferrezipienten mit ausgesparten, gravierten und emaillierten Figuren (gegen 1165, Knigliche Museen zu Brssel). Als Kulturzentrum bietet sich etwa Saint- Martial in Limoges an. Der 1095 von Urban II. geweihten Abteikirche ist ein scriptorium angeschlossen. Die aus ihm hervorgegangenen Manuskripte sind ebenso bedeutsam fr die Geschichte der Dichtkunst und der Kirchenmusik (z.B. die tropaires-prosiers als Sammlungen von Gesngen Tropen , die zwischen die liturgischen Teile der Messe geschoben oder in diese eingefgt werden), wie fr die Geschichte des liturgischen Dramas und der Buchmalerei (unter den illustrierten Handschriften dieser Zeit befindet sich das Sakramentar der Kathedrale Saint-Etienne, um 1100, heute M.S. Lat. 9438 der Bibliothque Nationale in Paris). Gro ist auch der Einflu auf die Emailschmelzer von Limoges, die sich von den Miniaturen in den Handschriften der Mnche anregen lassen und in diesen ihre besten Kunden haben. Will man einen romanischen Kirchenschatz bewundern, empfiehlt sich Sainte-Foy in Conques. Unter Abt Bgon (10871106) kommen hier zu frheren berhmten Stcken wie der Reliquienbste von Sankt Fides verschiedene neue Meisterwerke hinzu. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts verfat der Presbyter
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Theophilus wahrscheinlich am Niederrhein mit der schedula diversarum artium das erste technische Handbuch der westlichen Kunst. Und schlielich ist die Romanik das goldene Zeitalter der Freskomalerei. Die kleinen Fensterffnungen lassen groe Wandflchen frei, die mit Bildern bedeckt werden. Im Scheine der Fackeln und Kerzen beleben ihre Farben die Kirche, whrend die Szenen und Figuren den plastischen Schmuck bei der Erbauung und Belehrung der Glubigen ergnzen. Die im Montjuich-Museum zu Barcelona versammelten Fresken aus den romanischen Kirchen Kataloniens, die Zyklen in San Isidoro zu Len, in Saint- Savin-sur-Gartempe bei Poitiers, von San Angelo in Formis (ab 1073 von Abt Desiderio von Monte Cassino errichtet) zeigen, da man die Malerei ebenso genial wie die Plastik zur Ausschmckung der Bauwerke heranzuziehen wei, denn die Romanik ist ein Zeitalter, in dem sich alle brigen Knste der Architektur unterordnen. Entstehung der Gotik Trotz mancher Vorausnahmen und mancher fortbestehender Zge weist die gotische Kunst, die sich seit 1140 zunchst in der Ile de France ausbreitet, einen neuen Geist und ein neues Programm auf. Sie fllt dort mit einem strmischen Wachstum der Bevlkerung und der Wirtschaft, mit der zunehmenden Macht der Kapetinger sowie der Blte der religis und geistig fhrenden Stdte zusammen: Chartres mit seiner Domschule, Paris und sein neues Scholarenmilieu, der Ausklang der Theologiestudien in Laon, der erzbischfliche Hof zu Sens.
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Abb. 12: Das gotische Abendland. 1 Oxford, 2 Canterbury, 3 Westminster, 4 Brgge, 5 Gent, 6 Brssel, 7 Antwerpen, 8 Xanten, 9 Utrecht, 10 Mnster, 11 Minden, 12 Altenberg, 13 Amiens, 14 St. Riquier, 15 Beauvais, 16 Bayeux, 17 Coutances, 18 Mont St. Michel, 19 Lisieux, 20 Evreux, 21 Chartres, 22 Le Mans, 23 Tours, 24 Orleans, 25 Bourges, 26 Sens, 27 Auxerre, 28 Noyon, 29 Reims, 30 Laon, 31 Oppenheim, 32 Gelnhausen, 33 Limburg, 34 Marburg, 35 Naumburg
Der neue Stil wird mit einem Schlag an der Fassade (11371140) und am Chor (11401144) der Abteikirche zu Saint-Denis verwirklicht. Die Gotik bringt vor allem ein neues Raumgefhl hervor, das durch mehr Einheitlichkeit bei grerer Geschmeidigkeit erreicht wird. Durch den Spitzbogen ist es mglich, die kompakten durch biegsame Gewlbe abzulsen. Hierdurch entstehen Licht- und Schattenwirkungen, optische Illusionen und, im Gesamteffekt, feinste Spiele der Proportionen, die Auge und Intellekt gleich befriedigen. Die Wandauflsung macht volle und dicke Wnde zu dnnen, durchbrochenen. Sie zwingt die Architekten zu Ausweichlsungen Strebepfeiler anstatt romanischer Widerlager , welche die neue sthetik ergnzen. Das Steingerippe, der durchbrochene Kfig, welcher die Kirchen umgibt, scheint ihr Aufstreben eher zu begnstigen als zu hemmen. Gleichzeitig tritt die Glas- an die Stelle der Wandmalerei, die bemalte Fensterscheibe lst das Fresko ab. Die Kirchenschiffe fllen sich mit einem neuen Licht, das wesentlich zur Verfeinerung und Entschwerung der Raumatmosphre beitrgt. Die
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erhaltenen Scheiben in Saint-Denis, Le Mans, Saint- Germerde-Fly, Notre-Dame de Paris, den Kathedralen zu Chalons und Troyes und an der Fassade von Chartres lassen jene Revolution in der Glasmalerei erahnen, die sich in der zweiten Hlfte des 12. Jahrhunderts vollzogen hat. An den Fassaden gehen ebenfalls tiefgreifende Vernderungen vor sich. Auch sie sind nun weitgehend durchbrochen und werden zu Pforten, die nicht mehr verstohlen in ein Geheimnis einlassen, sondern einladend zu einer Offenbarung hinfhren. Und die von den romanischen Tympanen vorgebildete Anordnung vervollkommnet sich zu einem kompositionell sogleich bersichtlichen Programm. Ikonographisch gesehen, wandelt sich das romanische Thema der Apokalypse zum Majestas-Christus, umgeben von den vier Evangelistensymbolen, als Zeichen dafr, da das Kirchenportal den Eingang ins ewige Leben vorausnimmt und da Christus vor allem ein Weg, eine Pforte ist: Ego sum ianua ich bin die Pforte. Auch die Marienglorie breitet sich aus als Beweis einer neuen Verehrung der Frau, Mutter und Knigin. Hchst originell ist das Thema der Vorlufer. Die Propheten und Vorfahren Christi kndigen den Erlser und die Apostel an, das Alte Testament bereitet das Neue vor, die Kirche lst die Synagoge ab. Sicher hat Abt Suger diese typologische Symbolik stark angeregt, in der jede Figur oder Episode des Neuen Testaments eine vorausweisende Entsprechung im Alten hat. Solche Symbolik findet sich schon auf dem groen Kreuzfu von Saint-Denis, der nicht mehr existiert, aber durch eine kleinere Nachbildung in Saint- Bertin zu Saint-Omer bekannt ist. Das gotische Zeitalter wird von diesen groen Themen beherrscht, und das spte Mittelalter verfeinert und systematisiert diese Typologie noch. Das 1140 in SaintDenis geschaffene Portal mit den Vorfahren Christi kehrt schon in der zweiten Jahrhunderthlfte in Chartres, Etampes, Bourges, Saint-Loup-de-Naud und Le Mans wieder. Der neue Stil ermglicht auch grere Hhen und Lngen und tritt von Anfang an als Stil der groen Stadtkathedralen auf. Von der Romanik bleibt ihm ein Massengefhl, das sich im vierstckigen Wandaufbau uert: von den Erdgeschoarkaden ber die Emporen und den durchfensterten Laufgang (Triforium) bis zu den Hochfenstern. Bei einheitlichem Wandaufbau gibt es aber sehr verschiedene Grundrilsungen. Um der Vereinheitlichung willen werden in Notre-Dame zu Paris Kapellenkranz und Querschiff in den Plan einbezogen, whrend Laon beides ausstrahlen lt. In Noyon sind die Arme des Querhauses abgerundet, so wie der sdliche Kreuzarm der Kathedrale zu Soissons. Laon nimmt zwischen 1155 und 1174 durch seine tiefen Portale, die durchbrochenen Trme und die zahlreichen ffnungen die groen gotischen Wandauflsungen voraus. Mit Notre-Dame in Paris (seit 1163, Chor 1177, Hauptschiff 1196 fast vollendet) beginnt das Kolossalzeitalter: 32,50 Meter Gewlbehhe. Senlis, der Chor von Saint-Germain-des- Prs in Paris und Saint-Remi in Reims gehren ebenfalls der ersten Epoche der Gotik an, deren geographische Ausbreitung damit gut umrissen ist.
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Aus dieser Gruppe von Bauwerken weist eines in die Zukunft. Wahrscheinlich von 1135 bis 1168 errichtet, behlt die Kathedrale von Sens zwischen den steilen Schiffsarkaden und den Hochfenstern nur noch eine einzige Triforiumszone bei. Mit dieser Vereinfachung auf Dreistckigkeit leitet Chartres dann entschieden den klassischen Augenblick der Gotik ein. Die Kultur, von der bisher gesprochen wurde, ist wesentlich klerikaler Natur. Selbst bei Unternehmungen ausgesprochen stdtischen Charakters bereiten sich die neuen Mnner, die man in den Schulen oder auf den Baustellen sieht, auf die Klerikerlaufbahn vor oder folgen Anweisungen von kirchlicher Seite. Eine Klasse jedoch erringt in dieser Zeit eine relative kulturelle Selbstndigkeit: die weltlichen Herrn. Innerhalb der dreigeteilten Gesellschaft (oratores, bellatores, laboratores) bereiten die Krieger (bellatores) bis zu einem gewissen Grade dem kulturellen Monopol der oratores (Klerus) ein Ende. Die Feudalitt triumphiert in der Literatur: Heldenepen und hfische Dichtung In karolingischer Zeit war der kaiserliche Hof Zentrum und Antriebskraft des geistigen Lebens gewesen. Aber es handelte sich um eine von der Kirche getragene, rein lateinische Kultur. Zwischen 1060 und 1180 sind die deutschen Kaiser und die franzsischen Knige, die die Nachfolger Karls des Groen sind und sich als solche fhlen, nicht nur durch politische Schwierigkeiten vllig in Anspruch genommen, sondern auch unfhig, eine selbstndige Kulturpolitik zu betreiben, weil sie ideenmig ganz von der Kirche als Sttze des kaiserlichen und kniglichen Mythos abhngen. Anders ist es bei den weltlichen Herrn, welche dieses Zeitalter des siegreichen Feudalismus beherrschen und ihre wirtschaftliche und soziale Macht mit dem Prestige einer neuen Kultur krnen. Gegenber dem Lateinischen untersttzen sie die literarische Aufwertung der Landessprache und regen einen Kranz von Werken an, zunchst in den Gegenden, wo die Feudalitt am mchtigsten ist: in Frankreich und im anglonormannischen Knigreich. Deshalb entsteht frhzeitig eine provenzalische und eine franzsische Literatur, wobei letztere Sprache stark individualisierte Dialektabweichungen aufweist: Normannisch, Anglo-Normannisch, Picardisch und Francisch in der Ile de France, das im 12. Jahrhundert die Rivalen aussticht, nicht ohne einige bernahmen und nicht ohne sich weiterzuentwickeln. Unter diesen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, da die beiden groen Themen der Feudalliteratur fr die Kirche tabu sind: die Gewalttat und die Liebe, Kriege und Frauen. Diese Literatur benutzt zugleich mit der Landessprache auch alte berlieferungen, vor allem volkstmliche Motive, deren Auftauchen in den Werken des 11. und 12. Jahrhunderts einige Gelehrte namentlich im 19. Jahrhundert eine Theorie vom volksmigen Ursprung dieser Gattungen wie der hfischen Poesie oder der Heldenepen aufstellen lie, die sich doch ganz im Gegenteil nur durch die Anregung und das Interesse der Herrenschicht erklren lassen. Aber der religise Anteil an dieser Literatur ist gro. Einmal,
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weil die Herrn, die sie frdern und zugleich ihre Zuhrer sind, im allgemeinen glauben (sie nehmen zum Beispiel mit besonderer Befriedigung die Kreuzzugsthemen auf, die im Chanson de geste eine groe Rolle spielen, weil dort das religise Ideal ihr Verlangen nach Abenteuern, Kriegstaten und Eroberungen verklrt) und auch, weil die Verfasser dieser Literaturwerke, wenn es auch unter ihnen Feudalherrn (wie Wilhelm IX. von Aquitanien oder Marie de France) und professionelle Laien gibt (die Trouvres und Troubadours), oft Kleriker sind und endlich auch, weil sich die Herausforderung an die christliche Ideologie in dieser Zeit nur in bestimmten Grenzen entwickeln kann. ber die Verbindungen zwischen Chanson de geste und Feudalmilieu sind direkte und indirekte Zeugnisse zahlreich. Nach Wilhelm von Malmesbury stimmen die Truppen Wilhelms des Eroberers zu Beginn der Schlacht von Hastings (1066), um sich zum Kampf zu erregen, die Kantilene von Roland an, eine Vorform des Rolandslieds. Ordericus Vitalis erzhlt in seiner Historia ecclesiastica, da Hugo von Avranches, Graf von ehester, einen Kleriker aus Avranches bei sich hatte, der durch seine Kenntnis der Literatur bemerkenswert war und der in eleganter Art die Taten heiliger Ritter erzhlte und auch von dem heiligen Helden Wilhelm (Wilhelm von Orange) sprach, der nach vielen Kmpfen auf die Welt verzichtete und als Mnch ruhmreich fr den Herrn stritt. In den meisten Heldenepen findet sich das hrt, Herren oder hrt, Barone, was deutlich zeigt, an welches Publikum man sich wendet. Das Rolandslied und mehr noch der Zyklus von Wilhelm von Orange sind Epopen der herrschaftlichen Familie, des Blutes und der Sippe. Roland weigert sich in Roncevaux lange Zeit, den Olifant zu blasen um Karl den Groen zu Hilfe zu rufen, aus Angst, da dadurch seine Verwandten entehrt werden. Sterbend denkt er erst an seinen Ruhm, an Familie, Vaterland und Knig, ehe er an Gott denkt. Von Frankreich aus erreichen diese Heldenlieder am Ende des 12. Jahrhunderts andere christliche Lnder, die aus ihrer eigenen kriegerischen berlieferung schpfen. In Spanien entsteht der Cantar de mio Cid, in Deutschland das Nibelungenlied, in den skandinavischen Lndern und vor allem in Island entstehen die Sagas. Die anderen groen Literaturgattungen in der Landessprache, die mit der herrschaftlichen Welt verbunden sind, die Poesie und der hfische Roman, stellen weitere Probleme: als erstes das ihrer Herkunft. Wenn in beiden Fllen die Annahme des volkstmlichen Ursprungs zurckgewiesen oder auf das Dasein einzelner Motive beschrnkt werden mu, so ist offenbar auch der arabische Einflu auf die hfische Lyrik der Troubadours bertrieben worden, whrend bei den Romanen, besonders bei bretonischen Stoffen, die keltische berlieferung eine wichtige Rolle gespielt hat. Aber das Fesselndste dieser Literaturprobleme ist fr den Historiker zweifellos die Form der hfischen Liebe und die Stellung der Frau. Man sprt, wie sich, sogar schon vor den Kreuzzgen, eine Emanzipation der Frau, besonders der adligen Frau, im Okzident vollzieht, denn ihre Rolle ist innerhalb der Sippe, der
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auf das Blut gegrndeten Verwandtschaft, gro. Von Geistlichen umgeben, wacht sie ber die Erziehung der kleinen Kinder, frdert die Verfeinerung der Sitten und festigt ihren Einflu auf die Mnner der Militraristokratie. Diese lassen sich brigens manchmal verweichlichen, wenn man den Moralisten Glauben schenken will. Besonders am anglo-normannischen Hof tragen die Mnner gewelltes oder langes Haar (und sogar Percken), schleppende Kleider und Schuhe mit aufgebogenen Spitzen. Wer nicht der Sodomie verfllt (die damals in Poesie und Praxis sehr Mode ist), versucht den Frauen weniger durch Mnnlichkeit als durch hvescheit zu gefallen. Dieser Frauenkult erstreckt sich auch auf Maria, deren Verehrung im 12. Jahrhundert bis dahin unbekannte Ausme annimmt. Unsere liebe Frau ist die Dame schlechthin. Diese berhhung der Frau hat ihren rtselhaftesten Ausdruck bei einer verwirrenden Persnlichkeit gefunden, in der man den ersten Troubadour sieht: Wilhelm IX. von Aquitanien (10711126). Dieser groe, abenteuerdurstige Herr, der in heftigem Kampf mit der kirchlichen Hierarchie stand und mehrmals wegen seines wsten Privatlebens exkommuniziert wurde, hat in seinem Leben vermutlich zwei groe Erschtterungen gekannt: den unglcklichen Kreuzzug ins Heilige Land (1101/02) und die Beziehungen zu dem Reformator Robert von Arbrissel, ber den er sich brigens in bissiger Weise lustig macht. Auf jeden Fall ist der Kontrast schlagend zwischen den ersten der von ihm hinterlassenen elf Chansons oder Gedichten schlpfrig und obszn, wobei die Liebe nur ein derbes physisches Vergngen und die Frau Gegenstand dieser Lust ist und den letzten, in denen sich die imago, das ideale Bild der Frau, ausformt, die meine Herrin (mi dons) geworden ist und der man Treue und blinden Gehorsam schuldet. Die Troubadoure nach Wilhelm verfeinern die Liebesfreuden und die Verehrung der Frau. Marcabru (um 11401150) verrtselt den fin amor, die sublimierte Liebe (dieser Stil des trobar clus bleibt bis ins 13. Jahrhundert hinein sehr beliebt) und wendet sie zum religisen Mystizismus hin. Jaufr Rudel singt in der Jahrhundermitte von seiner fernen Liebe (einer platonischen Liebe oder jener, die ihn im Heiligen Land fr eine orientalische Prinzessin entflammte?), belt aber die hfische Liebe in ihrer profanen Umwelt. Nach ihm erffnen Bernart de Ventadorn, der Schtzling Eleonores von Aquitanien, und Bertran de Born, Gefhrte Richard Lwenherz, der sein Leben zu Beginn des 13. Jahrhunderts als Zisterziensermnch beschliet, das goldene Zeitalter der Troubadours und der provenzalischen Dichtung, welche die Frau, die Natur und den Krieg besingt. Gleichzeitig breitet sich die hfische Poesie in Italien, in Nordfrankreich und Deutschland aus, wo die Minnesnger auftreten, denn die Minne ist die hfische Form der Liebe. In dieser weltlichen Liebe, die aus idealisierter Leidenschaft und physischem Verlangen besteht und auf die Liebesfreude, die unvergeliche Ekstase hinzielt, hat man, abgesehen von ihren fr das 12. Jahrhundert bezeichnenden feudalen Bindungen und dem vllig ehefeindlichen Charakter (denn die Dame
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kann nicht die Ehefrau sein), zu Recht die moderne Liebe gesehen. Sie ist eines der kostbarsten Erbteile des Mittelalters. Die hvescheit ist in diesem Jahrhundert nicht auf die Lyrik beschrnkt. Sie greift auch auf die Epik ber, verwandelt die rauhe Atmosphre der Chansons de geste und schafft so eine neue Gattung, den hfischen Roman. Hier bernimmt der Norden die Fhrung, denn an den Hfen von England und der Champagne werden die Hauptwerke geschrieben. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts lsen zwei neue Helden Karl den Groen und seine Paladine ab: Alexander und Artus. Der Alexanderroman vereinigt verschiedene berlieferungen: griechische (den Pseudo-Kallisthenes des 1. Jahrhunderts), lateinische (die bersetzung des Iulius Valerius vom 4. Jahrhundert), karolingische (die Epitome Iulii Valerii und den Brief Alexanders an Aristoteles ber die Wunder Indiens vom 9. Jahrhundert) und jdische, aus denen zu Beginn des 12. Jahrhunderts die Wunderbare Reise Alexanders ins Paradies hervorgeht. Sie alle inspirieren den groen, 20000 Verse umfassenden Roman in Zwlfsilblern (die daraufhin den Namen Alexandriner erhalten), der 1177 von Alexander von Bernai vollendet wird. In der gleichen Zeit schreibt Walter von Chtillon ber den gleichen Gegenstand ein lateinisches Epos, die Alexandreis. Die erhaltenen Bruchstcke einer ursprnglichen Alexanderfassung um 1130 zeigen den neuen Geist, der Thema und Werk beeinflut, gut. Die Helden der Antike, heit es da, erweisen als falsch, da alles wie Salomon sagt eitel sei. So entsteht ein positiver Held, welcher die sapientia und die fortitudo in sich vereint und bei dem zu Wissen und physischer Tapferkeit bald auch alle Feinheiten der Courtoisie hinzukommen. Die Historia regum Britanniae von Gottfried von Monmouth (zwischen 1135 und 1138 entstanden) stellt einen neuen Helden vor, Artus, der eine ganze Romanreihe bestreiten wird, die mutiere de Bretagne, und der mit Alexander dazu beitrgt, eine andere Quelle auszuschpfen, den alten Stoff. Mit dieser pseudohistorischen Figur des Knigs Artus ersetzt der knigliche Mythos den kaiserlichen (Karl der Groe) der Chansons de geste. Ein der rmischen berlieferung fremder Held und Besieger der Rmer tritt auf. Der Vorlufer eines neuen goldenen Zeitalters, das die Prophezeiungen Merlins ankndigen, ist umgeben von Rittern, die fr Heldentaten und Frauen begeistert sind. Angefangen bei der Knigin Guinevra, spielen die Frauen eine Hauptrolle. Eine ganze Reihe von Romanen folgt aufeinander: der Roman de Brut (1154) des Normannen Wace ber den Helden Brutus, Sohn des neas und ersten Knig der Briten; Romane ber die Antike, die als Vorgeschichte der britischen Geschichte betrachtet wird: Roman de Thbes, Estoire de Troie von Benot de Sainte-Maure, der Roman dEneas zwischen 1155 und 1170. Endlich fgt der Roman de Rou (Rollo, der erste Herzog der Normandie) von Wace dieser Geschichte eine Fortsetzung hinzu. Unter diesen bretonischen Stoffen sollte einem Thema ganz besondere Beliebtheit beschieden sein: der Geschichte von Tristan und Isolde. Von ihren verschiedenen Fassungen sind drei berhmt: die gemeine Version Tristrant von dem normannischen Spielmann Broul (um 1170?), dann, wenig spter, die hfische
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Fassung des Anglonormannen Thomas, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts Gottfried von Straburg folgt. In dieser Geschichte einer zerstrenden Leidenschaft, die keinen anderen Ausweg als den Tod kennt, ist die Entwicklung von Broul zu Thomas erstaunlich. Bei dem einen fhrt ein blindes Geschick die heftigen und sinnlichen Helden, die sympathische Opfer ihres Trankes sind. Beim anderen verwandelt die Vertiefung und Verfeinerung der psychologischen Analyse die Hauptfiguren in hfische Personen, die zum Teil fr ihr Unglck verantwortlich sind. Endlich erlebt der hfische Roman seinen Hhepunkt mit Chretien de Troyes, dessen Werk zwischen 1164 und 1190 entsteht, unter der Schutzherrschaft von Marie de Champagne, spter Philipps vom Elsa, Grafen von Flandern. Mit ihm findet der hfische Roman zu moralischen und religisen Werten zurck. In seinen fnf Epen Erec (um 11651170), Cliges (um 11701171), Lancelot oder Le chevalier de la Charrette (11721175), Ivain oder Le chevalier au lion (um 1175) und dem unvollendeten Perceval oder Le conte du Graal (um 1180), die vor allem den bretonischen Stoff zur Quelle haben, rehabilitiert er die eheliche Liebe, shnt Geistlichkeit und Ritterschaft aus, fhrt stdtische Stnde ein (Arbeiter der Champagne in Ivain, Aufstndische in Perceval) und ffnet mit dem Graal einer Religiositt den Weg, deren Sinn noch nicht erhellt ist. Bei der Beschreibung, Erzhlung und psychologischen Analyse zeigt er, da die hfische Literatur am Ende des 12. Jahrhunderts ihr Reifestadium erreicht hat und nunmehr zur Popularisierung bereit ist. Sein Erfolg war sofort in der ganzen Christenheit gewaltig. Aussenseiter und Ausgeschlossene: Goliarden, Juden, Hretiker Wenn es auch in dieser Literatur gedankliche Khnheiten gibt und wenn die religise und geistige Renaissance, von der wir zu Beginn dieses Kapitels sprachen, tiefgreifend Neues mit sich gebracht hat, so sind doch alle bisher behandelten Bewegungen innerhalb des Rahmens der bestehenden Gesellschaft geblieben. Es ging um Reformen oder Entwicklungen, nicht um Umstrze und Revolutionen. Man findet aber auch am Ende des 11. und im 12. Jahrhundert radikalere Bewegungen, Einzelpersonen und Gruppen, welche die Grundlagen der christlichen Gesellschaft in Frage stellen. Kann man die Goliarden zu ihnen zhlen? Gewi, sie waren turbulent. Diese fahrenden Kleriker (vagantes), die ihren Namen von dem legendren Golias ableiten, einem bernamen fr gueulard (Maulheld), einem Vielfra und Gromaul, oder noch wahrscheinlicher von dem entstellten Goliath als Personifizierung des Teufels, sind gegenber Gesellschaft und Religion ohne Respekt. Sie preisen die handgreiflichste Liebe, den Wein, das Spiel und, wenn man den Moralisten und Synodialbeschlssen glauben will, genieen sie dies alles schamlos. Diese Dichter sind oft anonym. Die Cambridger Lieder gehen den Sammlungen des 12. Jahrhunderts voraus, die man Carmina hurana nennt und deren berhmteste, das Manuskript 4660 der Mnchner Staatsbibliothek, aus dem Kloster Benediktbeuren stammt. Das goldene Zeitalter der Goliarden ist das
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12. Jahrhundert, das Jahrhundert des Herumziehens, der wandernden Studentengruppen, der zahlreichen Bischofs- oder Frstenhfe, welche die Fahrenden gern aufnehmen. Die Vaganten scheinen Anarchisten gewesen zu sein, die rasch bereit waren, sich anzupassen, eine Pfrnde anzunehmen und an den Vergngungen einer Gesellschaft teilzunehmen, die sie nur dann angriffen, wenn sie sich weigerte, ihnen eine Stellung zu verschaffen. Ihre ganz und gar negative Sozialsatire verschont niemand, weder den gierigen und geizigen Klerus, noch die gewaltttigen und ungebildeten Ritter oder die rohen und tierischen Bauern. Einzelne Lebenslufe sind uns bekannt; etwa der des Primas von Orleans, der seit der Mitte des 12. Jahrhunderts einem Kapitel auf der Tasche liegt; in Kln wird der Archipoeta von Friedrich Barbarossas Kanzler Rainald von Dassel untersttzt. Die Vaganten leben also keineswegs so asozial, wie es ihre Dichtungen vorgeben. Doch haben ihre Werke und ihr Beispiel wegen der ganz weltlichen Ideale und der Behauptung, da es keinen Adel als allein durch das Verdienst gebe, zur Erschtterung der christlichen Gesellschaft beigetragen. Mu man unter diese der Gesellschaft gefhrlichen Gruppen auch die Juden zhlen, die, durch die Feudalitt vom Lande vertrieben, im 12. Jahrhundert in den Stdten ttig werden, wo sie mit ihren Reichtmern und dem Wissen ihrer Rabbiner an der Renaissance teilnehmen? Diese im frhmittelalterlichen Okzident mehr oder minder tolerierten Juden werden im 12. Jahrhundert zu Opfern. Besonders der Aufbruch der Kreuzfahrer ist von unbarmherzigen Pogromen begleitet, welche die Emprung einiger Prlaten und Frsten erregen, namentlich die der Kaiser, die versuchen, die Juden zu schtzen. 1096 tten die Kreuzfahrer nach den schsischen Annalen in Mainz 900 Juden, ohne Frauen und Kinder zu verschonen ... das war ein jmmerlicher Anblick, diese groen und zahlreichen Leichenhaufen, die man auf Wagen aus der Stadt fuhr. 1146 taucht die erste Anklage auf einen Ritualmord auf: ein christliches Kind sei gettet und sein Blut den Matzen zugesetzt worden; ferner wird auf Hostienprofanierung geklagt, ein in den Augen der Christen noch schlimmeres Verbrechen, weil sie darin einen Gottesmord erblicken. Die Synodal- und Konzilsbeschlsse beginnen, die Juden von der christlichen Gesellschaft auszuschlieen. Zusammen mit den Ausstzigen, die man in den im 12. Jahrhundert vermehrten Leproserien eher einschliet als pflegt, werden sie zu Sndenbcken einer Christenheit, die ihr wachsendes Selbstbewutsein bekrftigt, indem sie andere ausschliet und verfolgt. Die wirklichen Revolutionre dieser Zeit sind die Hretiker. Das ist nichts Erstaunliches, wenn man bedenkt, da die Kirche als zeitliche Macht die Ungerechtigkeiten und Laster der sozialen Aufteilung bedenkenlos an den Tag legt und da sie als geistliche Macht die ideologische Schutzwehr der Feudalgesellschaft ist. Sie angreifen, heit die Fundamente dieser Gesellschaft untergraben. Die Hresien von Leutard in der Champagne um das Jahr 1000, die Gruppen in Monforte (um 1018), Orleans (1022) und Arras (1025) sind nur sehr begrenzte und rasch gelschte Herde. Die Bewegung der Pataria in Mailand im
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dritten Viertel des 11. Jahrhunderts bleibt doppeldeutig; sie schlgt aus einer rechtglubigen, gregorianischen Kampfhaltung gegen die Simonie in ein deutlicher antihierarchisches, antiklerikales und hretisches Verhalten um. Verschiedene Bewegungen der ersten Hlfte des 12. Jahrhunderts zeigen gleichfalls, mit welcher Leichtigkeit gewisse Einzelpersonen, vor allem Kleriker, und bestimmte Gruppen, besonders aus dem Volk, von der biblischen Bewegung der Armut, welcher die neuen Orden innerhalb der Kirche den Weg bereiten, zu eigentlich hretischen Haltungen bergehen knnen, die aber im Grunde nur Abweichungen oder Auswchse der Reformtendenzen innerhalb der Kirche selbst sind. Zwischen 1112 und 1115 wiegelt Tanchelm, ein Einsiedlermnch oder ein Mann, der sich durch seine Kleidung als solcher ausgibt, die Leute von Antwerpen und Umgebung gegen den Klerus auf. Sie gehen nicht mehr zur Kirche, zahlen keinen Zehnten mehr, verehren wie einen neuen Christus den Hretiker, der sich mit zwlf Aposteln und einer Frau, welche die Jungfrau Maria darstellt, umgibt. Er veranstaltet bedeutende Geld- und Kleinodsammlungen, verteilt sein Badewasser an die Anhnger, die es zur Kommunion benutzen oder als Reliquie bewahren. Seine Bewegung berlebt aber seine Ermordung durch einen Priester (1115) nicht. Petrus von Bruys im Sdwesten Frankreichs (um 1110 1130), der Mnch Heinrich aus der Provence (zwischen 1130 und 1140), Eudes de lEtoile in der Bretagne (11451148) und Arnold von Brescia in der Lombardei und in Rom (bis zu seiner Hinrichtung, 1155) sind gleichfalls Hretiker aus bertreibung und Radikalismus. Ganz anders die Katharer. Da sie von orientalischen Hretikern und besonders von den seit dem 10. Jahrhundert auf dem Balkan wirkenden Bogomilen stark beeinflut sind, da sie den alten Manichismus bernommen oder wiederaufgegriffen haben, ist zweitrangig gegenber der Tatsache, da ihre Lehre einem so entschiedenen Bedrfnis entspricht, da sie sich in einem groen Teil der Christenheit ausbreitet und die Kirche, den Katholizismus und die Feudalgesellschaft: in Gefahr bringen kann. In der Mitte des 12. Jahrhunderts scheint sich der Katharismus in Nord- und Mittelitalien, in der Provence, im Languedoc, im Rheinland und in Flandern ausgebreitet zu haben. Toulouse gilt als Hauptzentrum, Mailand und Kln sind die bedeutendsten Mittelpunkte auerhalb Sdfrankreichs. 1145 predigt der heilige Bernhard ohne Erfolg in Toulouse und Albi gegen die Hresie. Anllich eines Besuches des bogomilischen Wrdentrgers Niketas in Sdfrankreich findet wahrscheinlich 1167 in Saint-Flix-de-Caraman bei Toulouse ein katharisches Konzil statt. Die Bischfe der Katharerkirchen Frankreichs, der Lombardei, von Albi, Carcassonne, der Rat der Katharerkirche von Val dAran und eine riesige Anhngerschaft nehmen daran teil. So hat sich eine mit der katholischen rivalisierende Kirche und Geistlichkeit gebildet. Sie leugnet den Wert der Sakramente und ersetzt die Taufe durch Handauflegung. Von tiefer Feindschaft gegen das Fleisch erfllt, verdammt sie Ehe und Begattung und verurteilt den Genu von Fleisch, Fischen, Eiern und
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Kse. Ihre Lehre grndet sich auf den Dualismus, der das Fleisch gegen den Geist stellt. Der Geist allein wurde von Gott geschaffen, das Fleisch stammt vom Teufel, der entweder ein rebellischer Engel ist (gemigter Dualismus), oder ein Gott des Bsen, der ber die gleiche Macht verfgt wie Gott selbst (radikaler Dualismus).
Abb. 13: Eine zeitgenssische Vorstellung vom Teufel. Der Teufel Menschenfresser. Ausschnitt eines Kapitells in Saint-Pierre zu Vienne (Frankreich)
als
Der Mensch und die Welt sind eine Schpfung des Teufels. Als Buch der Taten teuflischer Kreaturen mu das Alte Testament ganz abgelehnt werden. Das Neue Testament ist in seinen Prinzipien annehmbar, obschon Jesus weder Mensch noch Gott, sondern reiner Geist war. Kirche, Papsttum und Kirchenvter sind abermalige Inkarnationen des Bsen. Das Kreuz ist das Zeichen des apokalyptischen Tieres; seine Verehrung mu vollstndig ausgerottet werden. Diese Verdammung der menschlichen Gesellschaft uert sich in einer vollstndigen Ablehnung der gegenwrtigen Gesellschaft, das heit der Feudalgesellschaft, deren Ende so schnell wie mglich durch den Verzicht auf Kinderzeugung und Arbeit herbeigefhrt werden soll. Obschon diese Lehre vor allem in stdtischen Kreisen und bei bestimmten Handwerkern und Arbeitern (namentlich im Textilgewerbe) Anklang findet,
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erfat sie alle sozialen Schichten und wird in Sdfrankreich von einem groen Teil des Adels untersttzt. In der Praxis teilen sich die Anhnger in eine Elite von Vollkommenen (parfaits), die eine Art Sakrament erhalten haben, das consolamentum, und die, wollen sie nicht verdammt werden, in strengster Askese leben mssen und die einfachen Glubigen, die sich damit begngen, dies Ideal bis zum Empfang des consolamentums anzustreben. Merkwrdigerweise fordern die Katharer keine Armut und beziehen das Geld als nicht fleischlich nicht in ihre chtung der Materie ein. Dagegen tauchen am Ende des 12. Jahrhunderts Bewegungen auf, die sich strker um evangelische Armut bemhen, aber teilweise hretisch sind. 1173 begrndet der Lyoner Kaufmann Petrus Waldus die Bewegung der Armen von Lyon spter Waldenser genannt , die sich in den Alpen und den umliegenden Gebieten verbreiten. Gleichzeitig bilden sich in Norditalien Bruderschaften Humiliati , deren Mitglieder im Familien verband verbleiben, hier aber ein Leben in Armut und praktischer Handarbeit fhren. 1184 verurteilt Papst Lucius III. Katharer, Waldenser und Humiliaten unterschiedslos als Ketzer. Aber whrend Waldenser und Humiliaten sich entweder unterwerfen oder in kleinen, ungefhrlichen Gruppen fortbestehen, widersetzen sich die Katharer nicht nur siegreich den Predigten, Verurteilungen und persnlichen Verfolgungen, sondern breiten ihren Einflu noch aus. Bereits 1177 hatte Graf Raymond V. von Toulouse gegen die Katharer in seinen Lndern Militrhilfe vom franzsischen Knig Ludwig VII. und vom englischen Knig Heinrich II. erbeten und Abt Alexander von Clairvaux um seinen Segen fr diesen Feldzug ersucht. Dies begrenzte Unternehmen blieb zwar ergebnislos, zeichnete aber die Gewaltlsung vor, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts erfolgen sollte. So hat die Renaissance des 12. Jahrhunderts die Christenheit gespalten. Die Mehrheit akzeptiert mehr oder minder zurckhaltend den historischen Fortschritt, whrend eine Minderheit ihn zu vernichten sucht. Mangelnde Anpassung und ein Gefhl der Ungerechtigkeit vermischen sich in der antikatholischen Strmung. Letztlich unterliegt aber die gerechtfertigte Entrstung der Katharer mehr dem Fortschritt der Geschichte als der Macht ihrer Gegner in jenem 13. Jahrhundert, welches die Bltezeit des mittelalterlichen Okzidents werden sollte. Zweiter Teil Die Bltezeit (11801270) 7. Der Wohlstand Das 13. Jahrhundert war, nach einem Ausspruch Edward Millers, der uerste Ausschlag des mittelalterlichen Pendels. Zu seiner Bezeichnung kehren die Worte Bltezeit, Zenit und Hhepunkt bei den Medivisten regelmig wieder.
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Landwirtschaftlicher Wohlstand und Rckgang der Hungersnot Dieses Gedeihen wurzelt in einem wirtschaftlichen Wohlstand, der in diesen Jahrhunderten, wo alles vom Boden abhngig ist, auch ein lndlicher Wohlstand ist. Man erkennt ihn an zahlreichen Zeichen. Eines der augenflligsten ist der Rckgang der Hungersnte. Zwischen 1225 und 1315 verschwinden in Mittel- und Westeuropa die groen Hungersnte, nur regionale Entbehrungen treffen sterreich, Bhmen und Polen. Zwischen 1217 und 1218 wird eine drohende Lebensmittelknappheit in Westdeutschland durch Korneinfuhren aus den Ostkolonisationsgebieten abgewendet. Desgleichen entgehen 1272 die Friesen dem Hunger, indem sie aus Dnemark und den Kstengebieten der Ostsee Getreide einfhren, wohin sie zum Austausch Bohnen schicken, die sie in diesem Jahr im berflu geerntet haben. Dieser Rckgang der Hungersnot ist nicht nur auf eine Ausdehnung des Getreidehandels zurckzufhren, die im brigen auch eher die Ausnahme als die Regel ist. Er hngt vielmehr von der Ausbreitung der bebauten Ackerflchen und dem Anwachsen der Ertrge ab. Die Woge der Rodungen hlt an, besonders in der ersten Jahrhunderthlfte. Holland wird fr die Polderwirtschaft gewonnen, die um 1100 in Flandern und Seeland begonnen hatte. Ebenso erreicht die Urbarmachung der Bden durch die deutsche Ostkolonisation zwischen 1210/1220 und 1300 ihr Maximum. Regelmige Kornausfuhren aus Brandenburg beginnen um 1250. Die mittleren Ertrge an Weizen, Gerste und Hafer belaufen sich in den bischflichen Lndereien von Winchester in der ersten Hlfte des 13. Jahrhunderts auf 4,3, 4,4 und 2,7. Auf den besonders fruchtbaren und gepflegten Bden Thierrys von Hireon, Bischofs von, Arras, erreichen die Weizenertrge zu Beginn des 14. Jahrhunderts 8,12. Sichere Erwhnungen der Dreifelderwirtschaft mehren sich, zum Beispiel fr die Lndereien der zisterziensischen konomie von Vaulerent in der Ile de France (ungefhr 400 Hektar). Diese sind in drei Jahre aufgeteilt: Korn, Mrzgetreide und Brachland zu gleichen Teilen. Die Bespannung des Pfluges mit Pferden verbreitet sich. Ein Anwachsen der Viehherden begleitet diese Ausweitung der Anbauflchen. In Schwaben, Bayern, Tirol, Krnten, im Elsa und in der Schweiz tauchen neue Bewirtschaftungsmethoden auf, in denen die Viehzucht eine groe Rolle spielt (vaccariae, armentariae); in Sddeutschland nennt man sie Schwaigen, in Mitteldeutschland Viehhfe oder Rinderhfe. Diese Gter sind nicht immer das Ergebnis neuer Landgewinnungen. Manchmal wird einfach Ackerland in Weiden umgewandelt, doch bleibt dieser Vorgang begrenzt, weil die Wirtschaft immer noch im wesentlichen fr den unmittelbaren Lebensbedarf arbeitet und so die Nachfrage nach Getreide die Entwicklung der Viehwirtschaft hemmt. Dennoch schreitet in bestimmten Gegenden die Spezialisierung des Anbaus fort
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Frbereipflanzen (Frberwaid in der Picardie um Amiens) und vor allem Wein. 1245 stellt der Franziskaner Fra Salimbene von Parma, als er durch Auxerre kommt, erstaunt fest: Die Leute dieser Gegend sen nicht, ernten nicht und lagern nichts in ihren Speichern. Es gengt ihnen, ihren Wein auf dem nahen Flu, der genau dorthin fliet, nach Paris zu schicken. Der Verkauf des Weins in dieser Stadt verschafft ihnen schnen Gewinn, wovon sie ganz gut leben und sich kleiden knnen. Der technische Fortschritt wird von einer Neubelebung der Agrarwissenschaft begleitet. Die ersten technischen Abhandlungen ber mittelalterliche Landwirtschaft erscheinen zunchst in England (Housebondrie-Handbcher, deren bekanntestes das des Walter von Henley ist; die Rgles des Robert Grosseteste 1240 sind fr die Bewirtschaftung der Lndereien der Grfin von Lincoln bestimmt; endlich die Fleta-Sammlung). In Norditalien erscheint das Ruralium commodorum opus, zwischen 1304 und 1306 von Pietro de Crescenzi zusammengestellt, das der franzsische Knig Karl V. in der zweiten Hlfte des 14. Jahrhunderts unter dem Titel Le livre des profits champetres bersetzen lt. Bessere technische Ausrstung Diesen Fortschritten der Landwirtschaft entspricht eine bessere technische Ausrstung und die Benutzung der Wasserkraft. Freilich sind die Klosterwerksttten ein Fall fr sich und fr die allgemeine Landwirtschaft nicht verbindlich. Das Zeugnis eines Zisterziensers von Clairvaux eine wahre Hymne auf den Maschinenbetrieb bleibt vereinzelt. Nachdem er die Antriebswirkung des Flusses Aube auf die Korn-, Bier- und Walkmhle schwrmerisch beschrieben hat, ruft er aus: Guter Gott! Wieviel Trost gewhrst Du Deinen armen Dienern, um zu verhindern, da sie eine zu groe Traurigkeit bedrckt. Wie sehr erleichterst Du die Mhsal Deiner Kinder, die Bue tun, und wie ersparst Du ihnen ein berma an Arbeit! Wieviel Pferde wrden sich erschpfen, wieviele Menschen ihre Arme ermden bei Arbeiten, die dieser anmutige Flu fr uns tut, dem wir unsere Kleidung und Nahrung verdanken, ohne etwas dafr zu leisten! Er vereint seine Anstrengungen mit den unseren, und nachdem er die qualvolle Hitze des Tages ertragen hat, erwartet er fr seine Arbeit nur einen Lohn: die Erlaubnis, frei weiterzuflieen, nachdem er alles, was man von ihm wollte, sorgfltig ausgefhrt hat. Wenn er in rascher Drehung soviele schnelle Rder gewendet hat, schumt er; man mchte sagen, er ist selbst gemahlen. Schlielich treibt er noch eine Mhle an und teilt sich in eine Menge kleiner Arme, die allen jenen zugute kommen, die seiner Hilfe bedrfen, ob es sich nun ums Kochen, Filtern, Drehen, Zerstampfen, Begieen, Waschen oder Mahlen handelt. Andere, konkretere Dokumente besttigen diesen technischen Fortschritt und seine Verbreitung, aus der zunchst das Land Nutzen zieht. Die Illustrationen der Vieil Rentier genannten Inventarkarte der Dienstleistungen und Zinsertrge, die dem Messire Jehan de Pamele aus Audenarde um 1275 zustehen, zeigen auf
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den Lndereien dieses unternehmenden und fortschrittlichen Grundbesitzers Wassermhlen und Windmhlen auf ihren Hgeln. Das Skizzenbuch des Architekten Villard de Honnecourt aus der ersten Hlfte des 13. Jahrhunderts enthlt Werkzeuge, die vor allem auf den groen gotischen Baustellen, diesen mchtigen Anregern des technischen Fortschritts, benutzt werden: man findet dort die ersten Schubkarren, die aber auch auf dem Land und in den Stdten benutzt werden. Wir sehen in diesem Buch auch die Schraubenwinde, eine Maschine zum Aufheben schwerer Lasten, und vor allem die hydraulische Sge, die durch ihre beschleunigte Bearbeitung des Holzes mehr noch als die Rodungen jenes Abholzen vorangetrieben hat, das sich, wie wir noch sehen werden, am Ende des Jahrhunderts zu einer wirtschaftlichen Gefahr entwickelt. Derselbe Villard de Honnecourt, ein wandernder Knstler, der die Bauhtten in Chartres, Laon, Reims, Meaux und Lausanne aufsucht und manche Tage in Ungarn verbringt, bezeugt auch, wie diese technischen Neuerungen von einem Ende der Christenheit zum andern gelangen. Im 13. Jahrhundert erfolgt, trotz zunehmenden Holzverbrauchs, eine relative Vernachlssigung dieses vergnglichen und gefhrlichen Materials gegenber Stein und Eisen (1174 wird, wie der Mnch Gervasius berichtet, die Kathedrale von Canterbury durch einen im Geblk entstandenen Brand zerstrt; Rouen brennt zwischen 1200 und 1225 sechsmal). Zwischen 1278 und 1281 werden zur Baustelle der Zisterzienserabtei von Vale Royal in Cheshire, die auf Kosten Knig Eduards I. errichtet wird, mit 35448 Wagenladungen etwa 35000 Tonnen Steine aus einem ungefhr 8 Kilometer entfernten Steinbruch angefahren. Der Erzabbau und der Eisenhandel werden im Lauf des 13. Jahrhunderts aktiv vorangetrieben. Um 1252 figuriert das spanische Eisen aus den baskischen Provinzen im Marktzolltarif von Damme, dem Vorhafen Brgges. Eine Zollrechnung des Knigreichs Kastilien fr das Jahr 1293 lt den jhrlichen Eisenexport nur aus den Hfen von Guipzcoa und Biscaya auf 4000 bis 5000 Tonnen veranschlagen. Der Eisenabbau entwickelt sich auch in der Lombardei, wo der Chronist Bonvesin della Ripa fr 1280 in Mailand mehr als hundert Werksttten aufzhlt, in denen man Panzer herstellt, und viele andere, die alle Arten von Waffen anfertigen und sie in der Stadt, ihrer Umgebung sowie in der Ferne verkaufen. Zur gleichen Zeit stiftet die Korporation der ferrari (der Hersteller und Verkufer von Eisenwaren) die mit Abstand hchste Opfergabe zur Erbauung des Doms: 20 kaiserliche Pfunde im Jahr. Das schwedische Eisenerz, das die deutsche Hanse zu kontrollieren beginnt, erscheint auf den nrdlichen Mrkten, und am Ende des Jahrhunderts kommt schwedisches (der Abbau zu Falun in Dalekarlien wird seit ungefhr 1280 angekurbelt) und ungarisches Kupfer zu dem Kupfer Mitteldeutschlands (Goslar) hinzu und lst es ab. Die Rechnung der Dombauhtte von Au tun fr 1294/95 zeigt uns, da ungefhr 10 Prozent der Ausgaben an die Schmiede gehen. In der gleichen Zeit steigt die Salznachfrage (besonders fr das Einpkeln von Fleisch und vor allem Fischen, denn der Heringsfang nimmt in der Nord- und Ostsee betrchtlich zu);
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die Fortschritte beim Ausschachten, Absttzen und Heben fhren zum Abbau von Salzminen, deren Bedeutung gegenber der blichen Salzgewinnung ansteigt. Bisher wurde das Salz aus Salzsmpfen oder -brunnen oder mittels noch einfacherer Techniken (salzhaltiger Torf) gewonnen. In Kleinpolen stammen beispielsweise die ltesten Sttzhlzer, die man in den Salzminen von Wieliczka und Bochnia gefunden hat, aus dem 13. Jahrhundert. Ein Beispiel: die Fortschritte im Textilgewerbe Noch deutlicher als an der erhhten Produktion von Nutzgtern wie Steinen, Metallen oder gar Getreide lt sich der industrielle Fortschritt des 13. Jahrhunderts an der Herstellung hochwertiger Luxus- oder Halbluxuswaren ablesen, die, da geringen Gewichts und migen Umfangs, vorzugsweise gehandelt werden. So kann das 13. Jahrhundert als die groe Epoche des Textils, genauer gesagt des Qualittstuchs, angesprochen werden. Bezeichnend fr die Sorgfalt, welche die oberen Stnde ihrer Kleidung widmen, ist der Wortwechsel, der im Beisein des heiligen Ludwig einen kleinen Herrn, den Sire de Joinville, mit einem kirchlichen Wrdentrger, dem Kanoniker Robert de Sorbon, konfrontiert: Ihr seid wohl zu tadeln, sagt dieser, weil Ihr gesuchter gekleidet geht als der Knig selbst, denn Ihr habt niedliches Pelzwerk angelegt und grnen Scharlach, was der Knig nicht tut. Mit Verlaub, Meister Robert, ich bin durchaus nicht zu tadeln, wenn ich mich in Pelz und Scharlach kleide, denn dieses Gewand haben mir mein Vater und meine Mutter vererbt. Ihr selbst verdient die Rge, denn Ihr seid der Sohn von Leibeigenen und kleidet Euch reicher in Kamelott als der Knig. Der heilige Ludwig schliet dies Wortgefecht damit ab, da hochgestellte Personen nach ihrem Rang gekleidet sein sollen: Ihr solltet Euch gut und sauber kleiden, dann lieben Euch Eure Frauen um so mehr, und Eure Leute schtzen Euch hher. Das Textilgewerbe wird im 13. Jahrhundert durch das Aufkommen oder die Verbreitung von technischen Neuerungen verndert. Ihre drei wichtigsten sind die Walkerei, der horizontale Trittwebstuhl und das Spinnrad. Die seit dem 11. Jahrhundert bekannte Walkmhle verbreitet sich in der gesamten Christenheit. In Polen wird 1212 die erste erwhnt, 1327 gibt es in England 120 bis 130. Eine Urkunde aus Arras hebt den damit erzielten Fortschritt hervor. Das Fuwalken eines einzigen Stcks Tuch erfordert die Arbeit von drei robusten Mnnern, und ihre Leistung ist begrenzt, wenn man den Klagen ber die zu groen Beschwerden und die Belastung des Krpers und der Glieder, also der physischen Erschpfung, glaubt. Das Walken mit einem durch die Mhle angetriebenen Stampfer ist schneller, weniger ermdend und zeitigt ein besseres Ergebnis. Der horizontale Trittwebstuhl wird erstmalig in dem lateinischen Traktat De nominibus utensilium (ber die Namen der Gerte) des englischen Magisters Alexander Neckam am Ende des 12. Jahrhunderts beschrieben, der sich lange
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Zeit in Frankreich und besonders in Paris aufgehalten hat. Eine Miniatur aus einem Cambridger Manuskript um 1200 (Trinity College MS O. 9.4) zeigt einen Zwischentyp zwischen Vertikal- und Horizontalwebstuhl. Mit dem neuen Gert knnen die waagrechten Schfte durch Pedaldruck angehoben werden und mssen nicht mehr wie bisher durch kreuzweis eingelegte Stbe mit der Hand gefhrt werden. Nicht nur, da der Stoff dadurch dichter und schner wird; auch hier erfolgt nun die Arbeit rascher, besonders weil die Zeit fr das Einfhren der Stbe und das Bereitlegen der Fden eingespart wird. Alexander Neckam vergleicht den Weber, der nach der neuen Methode arbeitet, mit einem Reiter, der auf sein Pferd einwirkt, indem er abwechselnd auf die Steigbgel drckt. Der Webstuhl auf der Cambridger Miniatur hat bereits Pedale, seine Schfte sind jedoch noch senkrecht. Endlich ersetzt das Spinnrad seit dem Ende des 13. Jahrhunderts den Rocken und die Handspindel. Obschon noch mit der Hand betrieben, fhrt es doch die beiden Arbeitsgnge des Spinnens Zwirnen und Aufspulen fnfmal schneller aus als bisher. In Abbeville ist es 1288, in Speyer 1298 bezeugt. Dabei darf man freilich nicht bersehen, da sich diese Erfindungen langsam ausbreiten und auf Widerstnde des Eigennutzes und der Vorurteile stoen, die das Mitrauen gegenber der Mechanisierung zeitigt. Florenz verbietet das mechanische Walken, Speyer und Provins den Gebrauch von Spinnrdern. Die Tuchmacherei entwickelt sich besonders in zwei Gegenden, die durch den berflu an Arbeitskrften, die leichte Grundmaterialbeschaffung (Wolle, Farbstoffe, Alaun) und das Vorhandensein einer Fabrikantenschicht begnstigt sind, welche durch ihren Reichtum und ihren Unternehmungsgeist die Textilfertigung und den Textilhandel zu organisieren vermag. Diese Gegenden sind Nordwesteuropa, besonders Flandern, sowie Nord- und Mittelitalien. In einem Gedicht des 13. Jahrhunderts ber die Messe von Saint-Denis, dem Dit du Lendit, stellt der Autor die Stdte Flanderns und Brabants in die vorderste Reihe der Hersteller von Qualittstuchen: En mon dit, vous amenteuvrai Gant et Ypres et puis Douay Et Maalines et Broisselles; je les dois bien nommer com celes qui plus belles sont veoir. 1281 verkauft die Firma Ghino Frescobaldi aus Florenz in Bologna auf einmal fr 10000 Pisaner Pfunde aus dem Norden importierte Tuche, unter denen sich 45 Weben aus Arras, 62 aus Montreuil- sur-Mer, 6 Kamelotts aus Douai und 30 gestreifte Weben aus Ypern befinden. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts soll die jhrliche Tuchherstellung in Florenz 100000 Weben erreicht haben, die in 300 Lden verkauft werden und einen Wert von 600000 Gulden haben, wozu noch eine bedeutende Tucheinfuhr aus dem Norden kommt, die fr den rtlichen
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Verkauf oder die Neuausfuhr bestimmt ist. Whrend sich die italienischen Stdte den grten Teil der zur Tuchherstellung ntigen Wolle in der Mittelmeerwelt (vor allem in Italien selbst, in zweiter Linie in Spanien, Nordafrika und Syrien) beschaffen, ist es im bervlkerten Flandern, das den Hauptteil seiner Schafe dem Fleischbedarf vorbehlt, anders. Es mu sich ans Ausland wenden, zunchst an England, den groen Wolllieferanten dieser Zeit. Am Ende des 13. Jahrhunderts bersteigt dieser Export 30000 Scke. 1297 schtzt ein Bittgesuch des Parlamentes an Eduard I. die Wolleinknfte der Englnder auf die Hlfte des gesamten Bodenbesitzes. Nach anderen Schtzungen entspricht der Wert der ausgefhrten englischen Wolle den Jahreseinknften von 100 000 Bauern. Das 13. Jahrhundert ist im Westen auch die Zeit des Aufschwungs der Seidenindustrie. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts fhrte die Christenheit fast alle Seidenstoffe, die einigen Kirchen, Klstern sowie hohen kirchlichen und weltlichen Persnlichkeiten vorbehalten waren, aus Byzanz und der islamischen Welt ein. 1146 sollen griechische Arbeiter die Seidenindustrie nach Palermo gebracht haben, von wo sie sich zunchst in Italien, dann in der Provence, in Frankreich und Sddeutschland ausbreitet und 1300 in Augsburg und Ulm nachweisbar ist. Ihr groes Zentrum ist Lucca. In Bologna soll auerhalb der Porta Castiglione von einem gewissen Francesco Borghesano die erste Mhle zum Antrieb von Seidenwebsthlen erbaut worden sein, die eine vierhundert Handwebsthlen entsprechende Produktion liefert. Nach dem vierten Kreuzzug (1204) entwickelt Venedig wahrscheinlich eine rasch blhende Seidenindustrie. Der Anbau von Maulbeerbumen fr die Seidenraupenzucht folgt dieser Industrie Verlegung nach. Er ist um 1300 in Modena bezeugt. Man darf auch eine andere industrielle Neuheit nicht vergessen, die vor allem nach der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert die materielle Grundlage der westlichen Kultur, revolutionieren wird: das Papier. Als eine bernahme von den Moslems taucht es in Spanien und Sizilien im 12. Jahrhundert auf und verbreitet sich langsam im Verlauf des 13. Jahrhunderts. Die lteste kaiserliche Urkunde auf Papier ist eine Charta Friedrichs II. fr die Nonnen von Goess in der Steiermark aus dem Jahr 1228; 1231 verbietet der Kaiser jedoch den Gebrauch des Papiers fr die amtlichen Akten seiner Kanzlei. In Venedig ist der Liber plegiorum seit 1223 aus Papier. Das Papier breitet sich mit den Papiermhlen aus, die ab 1268 das Glck der kleinen Stadt Fabriano in der Mark machen, dem Mittelpunkt einer Gegend mit klarem Wasser. 1292 gibt es Papiermhlen in Genua, dann, in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts, in Bologna, Padua, Treviso und Venedig. Die Entfaltung des Handels: Strassen, Verkehr, Messen, Geschftsgebaren Die Fortschritte der Bebauung und der Handwerks- oder Industrie-Produkte, die teilweise zur Ausfuhr bestimmt sind, speisen einen Handel, dessen Aufblhen das sichtbarste und deutlichste Zeichen fr den wirtschaftlichen Wohlstand des 13. Jahrhunderts ist.
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Er wird durch eine Ausbreitung und Verbesserung der Straen und Verkehrsmittel ermglicht. Die zunehmende Sicherheit erlaubt das Anlegen von Landstraen, besonders von Straen ber die Alpen, welche die beiden wichtigsten Industrie- und Handelszentren miteinander verbinden: Nord- und Mittelitalien mit Nordwesteuropa von der Ile de France und Champagne ber Flandern nach Norddeutschland. 1237 ffnet eine Strae lngs der Reuschlucht und eine Brcke, die in Schllenen ber den Flu fhrt, den Weg ber den Gotthardpa. Die neue Strae trgt zum Aufblhen der lombardischen Stdte, namentlich Mailands, bei, das der Chronist Bonvesin della Ripa 1288 in seiner Beschreibung De magnalibus urbis Mediolani (Die Wunder Mailands) als unvergleichlich darstellt: es habe 12500 auf die Strae gehende Huser und 200000 Einwohner, 60 coperti oder Arkadengalerien, 200 Kirchen (von denen 36 der Madonna geweiht sind), 10 Hospitler, 300 Bckereien, 440 Metzger, etwa 1000 Tavernen, 150 Herbergen, 80 Schmieden, 40 Buchschreiber. Man findet auf seinem Markt alle wnschenswerten Frchte: Pflaumen, Birnen, pfel, Maulbeeren, Feigen und Blumen; auch gezogene Haselnsse, spter Kornelkirschen, Brustbeeren, Pfirsiche, mehrere Arten von Feigen und Weintrauben, Mandeln, wilde Haselnsse, Walnsse, die man das ganze Jahr den Mahlzeiten zusetzt und die sich zum Beispiel im Winter, gemahlen und mit Eiern, Kse und Pfeffer vermischt, zum Fllen des Fleisches verwenden lassen und aus denen man auch l gewinnt. Es gibt Birnen und Winterpfel und endlich Orangen, die vorzglich fr die Kranken sind; aber auch Kastanien, die man auf hunderterlei Arten bereiten kann, und Mispeln, die im November kommen, Oliven und Lorbeerfrchte, die, in heiem Wasser genossen, Magenleiden heilen. Einzig Datteln, Pfeffer und Gewrze mssen aus den trockenen und heien Lndern eingefhrt werden. 1222 werden zwei Kaufleute aus Lille an der Spitze eines Tuchtransports aus Lille, Ypern, Beauvais und Brgge auf der Strae beim Monte Surdoi im Umkreis von Como angegriffen und ausgeraubt. Der Magistrat von Como entschdigt sie mit einer Summe von 95 kaiserlichen Pfunden. So ist der Handel geschtzt. Spezialisierte Fuhrunternehmer besorgen den Transport der Waren. Ein am 1. August 1296 auf der Messe zu Troyes abgeschlossener Vertrag vertraut drei Fuhrunternehmern vom Languedoc den Transport von 12 Ballen franzsischen Tuches und weien Leinens aus der Champagne an. Diese sollen auf Lasttieren fr einen Hndler aus Piacenza in 22 Tagen von Troyes nach Nmes befrdert werden. Der Aufschwung des Landhandels hemmt die Entwicklung des Seehandels keineswegs. Auch wirken technische Fortschritte frdernd ein. So ist der Gebrauch des Kompasses im Okzident um 1190 bezeugt. Man verwendet das Achtersteuer, da es in der Schiffsachse liegt und grere Beweglichkeit und Sicherheit gewhrleistet als das bliche Seitensteuer. Es lt sich deutlich auf dem Siegel von 1242 des Ostseehafens Elbing unterscheiden. Die Schiffahrt wird auch durch den Gebrauch von Seekarten erleichtert, Hafenbchern, die vor allem
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die Anlegepltze verzeichnen (zuerst in Genua, spter in Katalonien). Das genuesische Schiff, das 1270 den heiligen Ludwig zum Kreuzzug nach Tunis bringt, fhrt sie mit sich. Dennoch bleibt die Seefahrt unsicher und gefhrlich. Man lese nur bei Joinville die Abenteuer Knig Ludwigs auf seinen Fahrten vom und zum Heiligen Land nach. Um sich zum Transport vieler und manchmal umfangreicher Waren zu eignen, werden die Schiffe im 13. Jahrhundert grer. Das gilt besonders fr den Norden, den Bereich der Hanse. Die Hanseaten befrdern nmlich Gebrauchsgter Salz und Wein vom Westen zum Osten, Korn und Holz in umgekehrter Richtung. 1186 gert der norwegische Knig Sverrir ber die deutschen Kaufleute in Zorn, die auf auerordentlich groen Schiffen Wein und Luxusprodukte nach Bergen bringen, um sein Volk zu verderben. 1188 verlassen vier Schiffe Kln. Sie haben, wie die Quellen berichten, je 375 Pilger ins Heilige Land und Lebensmittel fr drei Jahre an Bord. In den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts erscheint als neuer, sich rasch verbreitender Schiffstyp die Kogge, die im 13. Jahrhundert das Hanseschiff wird. Unter dem Jahr 1206 berichtet der Chronist Heinrich von Lettland, da zwei mit Korn beladene Koggen die neue Stadt Riga vor einer Hungersnot gerettet haben. Diese Koggen haben ein normales Fassungsvermgen von etwa hundert Lasten, was ungefhr 200 Tonnen entspricht. Die Kogge, die ab 1214 jhrlich den Kornzins, welchen die Bewohner von sel dem Gromeister des Deutschritterordens schulden, befrdert, mu 237 Tonnen Getreide fassen knnen. Eine nach dem Siegel von Elbing vorgenommene Rekonstruktion fhrte zu der Vorstellung einer Kogge von etwa 75 Roggenlasten mit 29 Metern Hchstlnge (21 Meter in der Wasserlinie), 7 Metern Hchstbreite, Tiefgang ber dem Kiel drei Meter und einer Bordbreite von etwa 80 Zentimetern. Im Gegensatz zu den schlanken Wikingerschiffen ist die Form der Kogge abgerundet. Im Unterschied zu den Mittelmeerschiffen haben sie einen geraden Kiel, gerade Steven, berhhte Borde, einen hohen Mast (oft verdoppelt und gegen 20 Meter hoch) mit einem groen, quadratischen Segel. Offenbar haben die Koggen das Steuer am Achtersteven bald bernommen. Auch im Mittelmeer benutzt man im Lauf des 13. Jahrhunderts Schiffe mit sehr groem Laderaum, doch handelt es sich dort mehr um lange als um bauchige Schiffe. Zum Beispiel die Galeen eines besonderen Typs (buzonavis), die man in der Mitte des 13. Jahrhunderts in Venedig antrifft. Zwei oder drei davon haben einen Laderaum von 500 Tonnen, mehr als ein Dutzend von etwa 200 Tonnen. Es sind Schiffe mit zwei Brcken und zwei Masten. Die coccha, eine mittelmeerische Nachahmung der Hansekogge, erscheint 1315 zum ersten Male in Venedig. Die Handelsgesetzgebung begleitet diese Fortschritte der Schifffahrt. Sie nimmt in Venedig mit zwei Seegesetzen Gestalt an: dem des Dogen Jacopo Tiepolo (um 1235) und dem des Dogen Ranier Zeno (um 1255). Die besondere Aufmerksamkeit gilt der Schiffsladung. Inspektoren markieren das Ladeniveau und passen auf, da es nicht berschritten wird. Am Ende des Jahrhunderts wird
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entsprechend dem Alter der Schiffe ihre Beladung mittels Hebeln oder Winden eingeschrnkt, da das Laden mit der Hand die Schiffswnde weniger stark belastet. Am Ende des 13. Jahrhunderts wird in Barcelona das Libro del Consolat del Mar, eine Sammlung von Seefahrtsgesetzen, zusammengestellt. In den groen Zentren des Landhandels bildet sich ebenfalls eine Handelsgesetzgebung, vor allem in Italien, wo das Kaufmannsgericht der mercanzia nach und nach anerkannt wird. In Florenz wird die mercanzia 1307 als ffentliches Gericht besttigt. In Paris ist das Handelsgericht der Brse oder Parloir aux Bourgeois im 13. Jahrhundert weit mehr als eine bloe Handelsgerichtsbarkeit. Ihr oberster Magistrat, der Prvt des: Marchands, wird eine Art Brgermeister der Stadt. Eine hnliche Einrichtung findet sich bei den Messen, besonders in der Champagne, deren goldenes Zeitalter das 13. Jahrhundert ist. Besondere Beamte, von der rtlichen Autoritt ernannt (in der Champagne vom Grafen, ab 1284 vom franzsischen Knig), sind damit beauftragt, Ordnung und Recht durchzusetzen, und zwar das Zivilrecht wie das eigentliche Handelsrecht. Ein Messegericht aus zwei Beamten berwacht die Anwendung des Messerechts. Sie haben Schreiber zur Verfgung, die sich mit dem Aufsetzen und Registrieren von Vertrgen und ihrer Beurkundung befassen. Die Messepolizei besteht aus einem kleinen Heer von Sergeanten. Es ist interessant zu beobachten, wie das Werden dieser neuen wirtschaftlichen Handelsmacht durch die Prinzipien und Praktiken des Messerechts hindurch eine tiefgreifende Entwicklung des Rechts und der juristischen Denkweise beschleunigt oder sogar auslst. Wenn auch die klassische feudale Art des Beweises an der Messe zugelassen ist Zweikampf, Zeugenbeweis, Eid , ist doch der eigentliche Beweis der vom Messesiegel verschlossene oder in das Messeregister eingetragene Brief. So nimmt die Macht des Geschriebenen zu. Andererseits fhrt die Notwendigkeit, die Geschfte whrend der kurzen Dauer der Messe abzuwickeln, entweder zu enormen Verfahrensbeschleunigungen oder zu auerordentlichen Manahmen. Der Verteidiger kann dem Klger weder eine Aufschubfrist noch eine Beanstandung wegen Unzustndigkeit des Gerichts oder die Ablehnung eines Richters entgegensetzen. Die Urteilsvollstreckung erfolgt sofort, sogar bei Berufung, welche die Entscheidung nicht aussetzt. Da sich viele Schuldsachen von einer Messe zur nchsten hinziehen, kommt es hufig vor, da der Schuldner ausbleibt. In solchen Fllen wenden sich die Messehter, vom Glubiger dazu aufgefordert, an die auslndische Rechtsprechung, die im allgemeinen dafr sorgt, da das Urteil gegen den Schuldner vollzogen wird, denn die Messegesetze werden als den Landesgesetzen bergeordnet erachtet. So stellen 1302 die Schffen (chevins) von Tournai das Besitzinventar eines gewissen Gerard Marchant auf, um seine Schulden an die Hndler der Champagne-Messen zu entrichten. Diese Mglichkeit, sumige Kaufleute berall zu mahnen, ist das Gegenstck zu dem Schutz, welchen der Graf durch sein Geleit (freies Geleit) den
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Messekaufherrn gewhrt, und zwar nicht nur fr die Dauer der Messe, sondern whrend der gesamten Hin- und Rckreise. Die coutumes der ChampagneMessen in der Mitte des 13. Jahrhunderts erklren ausdrcklich: Der Herr nimmt alle Hndler, Waren, sowie alle Leute, die zur Messe kommen, unter sein Geleit, vom ersten Tag an, der sie von ihren Hallen wegfhrt, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Er mu ihnen alle Waren ersetzen, die sie unterwegs einben. Dieser Schutz ist eine Errungenschaft des 13. Jahrhunderts. Typisch dafr ist die Protektion, die der franzsische Knig den Kaufleuten aus Ypern, die zu den Messen der Champagne kommen, gewhrt. 1193, als sich der Graf von Flandern gerade mit dem englischen Knig verbndet, bewilligt ihnen Philipp II. August zum ersten Male Schutz und Geleit und macht sie von Vergeltungsmanahmen fr die Schulden frei, die der Graf von Flandern eingegangen ist. Dies Privileg wird das ganze 13. Jahrhundert ber respektiert, aber ab 1297 oft verletzt. So bercksichtigt die Auenpolitik der Frsten whrend eines Jahrhunderts die Vormacht des Handels. Mit dem beginnenden 14. Jahrhundert drngt das aufkommende Nationalbewutsein die Internationalitt der Kaufleute zurck. Der den Hndlern gewhrte ffentliche Schutz erstreckt sich, wie wir gesehen haben, auch auf ihre Waren. Handelt es sich dabei um Qualittsprodukte, die auswrts verkauft werden sollen, so werden sie in allen Stadien von der Herstellung bis zum Verkauf geschtzt und berwacht. In den Tuchmacherstdten werden Qualitt, Gewicht und Ma (das fr jede Stoffart in jeder einzelnen Stadt genormt ist) von besonderen Beamten, die man in Flandern und Brabant eswardeurs nennt, berprft. Danach werden die Ballen mit Handelsmarken versehen, welche den Hersteller erkennen lassen, und mit Kontrollmarken es sind Siegel , die Ursprung und Qualitt des Stoffes verbrgen. Der Verkauf dieser Stoffe findet sowohl auf den Messen als auch in den groen Stdten in einem speziellen Gebude statt: der Halle (domus in den lateinischen Texten, franzsisch halle oder htel). Auf fast allen Gebieten findet sich diese charakteristische Tendenz des 13. Jahrhunderts zur Institutionalisierung, Regelung und Ordnung. Innerhalb der eigentlichen Wirtschaft spielen die Messen der Champagne im 13. Jahrhundert eine bedeutende Rolle, die zugleich die Entfaltung und die Grenzen des Fernhandels belegt. Whrend des ganzen Jahres aufeinanderfolgend, stellen sie eine Art stndigen Markt der Christenheit dar. In Lagny finden sie im Januar/Februar statt, in Bar-sur-Aube im MrzApril, in Provins ein erstes Mal im Mai/Juni (Maimesse), in Troyes im Juli/August (Johannesmesse), erneut in Provins im September/Oktober (Messe des heiligen Ayoul), zum zweiten Male in Troyes im November/Dezember (Sankt Remigiusmesse). Sie sind aber nicht nur Waren-, sondern vielleicht noch mehr Finanzmarkt. Die Erfllung der an anderen Orten eingegangenen Vertrge und der Wechsel von Geld aus der ganzen Christenheit bertrgt ihnen die Rolle eines clearing-house im Anfangsstadium.
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Man sieht aber auch, da der Umfang des Fernhandels begrenzt ist und die Handels- und Finanzmethoden primitiv bleiben. Vielleicht noch wichtiger ist im 13. Jahrhundert das Entstehen zahlreicher regionaler Messen und vor allem lokaler Mrkte. Jeder Ort versucht, nicht immer mit Erfolg, von seiner Herrschaft das Marktrecht zu erwirken, und so zeigt sich die Ausbreitung der Tauschwirtschaft. Der Handel bleibt sehr einfach. Der Geldwechsel vollzieht sich im wesentlichen von Hand zu Hand. Schreiben bleibt das Vorrecht von Spezialisten, an die sich der Hndler wenden mu. Der Kaufmann ist noch immer gezwungen, vorwiegend selbst zu reisen. Das Rechnen verbreitet sich langsam und nur in einfachster Form. Wahrscheinlich werden in gewissen Stdten die Kinder im Rechnen unterrichtet, aber es ist schwer, solche Brgerschulen vor dem 14. Jahrhundert nachzuweisen. Seit 1191 hat Gent vom Grafen von Flandern die Erlaubnis zum Erffnen weltlicher Schulen erhalten, und in Ypern ist 1253 jedermann berechtigt, kleine Schulen einzurichten (parvae scolae, scolae minores). Der mittelalterliche Kaufmann hat im 13. Jahrhundert zwei Berufseigenschaften, die er lange Zeit beibehlt. Er ist zugleich Buchhalter und Schreiber. Elementar-Rechenbcher und Traktate erscheinen. Der berhmteste stammt von Leonardo Fibonacci Traktat ber das Rechenbrett und wird 1212 verffentlicht. Der Verfasser ist Pisaner, sein Vater war Zolloffizier der Republik Pisa in Bougie/Nordafrika. Er fhrt die arabischen Zahlen ein (die in Wirklichkeit indischen Ursprungs sind), die Null, das Bruch- und Prozentrechnen. Die Fortschritte im Schreiben hngen mit denen der Landessprachen zusammen. Der lteste erhaltene Text in italienischer Sprache ist ein Rechnungsbruchstck eines Hndlers aus Siena von 1211. In seinen Ratschlgen an einen Kaufmann empfiehlt ein Genueser am Ende des Jahrhunderts: Denke immer daran, alles was du unternimmst aufzuschreiben. Schreibe es sofort auf, ehe du es vergit. Schlielich mu der Kaufmann auch die Ausdrcke kennen. Die Verschiedenheit der Warenbenennung, die Vielfalt der Gewichte und Mae ist so gro, da er an jedem Handelsplatz ber Waren und Mae Bescheid wissen mu. Er kann sie von der Mitte des 13. Jahrhunderts an aus den Handelshandbchern lernen, deren erstes Meisterwerk zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Pratica della Mercatura des Florentiners Francesco di Balduccio Pegolotti ist. Die Vertragsarten bleiben die commenda (auch societas maris oder colleganza) fr den Seehandel, die compagnia und societas terrae fr den Landhandel. Sie begngen sich damit, Verantwortung und Gewinn (oder Verlust) zwischen einem stillen Teilhaber und einem Fachmann, der seine Arbeitskraft zur Verfgung stellt, zu teilen. Die alten kirchlichen Verbote, die auf jeder Art von Wucher lasten und das Leihen auf Zins sowie zahlreiche Kreditformen verurteilen, sind noch immer in Kraft und werden sogar von Zeit zu Zeit erneuert. Das Konzil von Trier wiederholt 1227 das Verbot, gegen Zins zu leihen. Allerdings bildet sich
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innerhalb der Kirche eine Richtung, die einen Teil der Handelsgeschfte, die Zins einschlieen, zulassen will, und zwar sowohl wegen der Arbeit, die der Kaufmann leistet, als auch, um sein Ansehen in der christlichen Gesellschaft angesichts der Risiken, die er eingeht, zu heben. Burchard von Straburg besttigt: Die Kaufleute arbeiten zum Wohle aller und sind fr alle von Nutzen, wenn sie zu den Messen Waren bringen und von dort mitnehmen. Und Thomas von Aquin meint: Wenn man Handel im Hinblick auf das Allgemeinwohl betreibt, wenn man anstrebt, da im Land die lebensnotwendigen Dinge nicht fehlen, so ist der Gewinn nicht Ziel, sondern nur Entschdigung fr die Arbeit. In den Handbchern fr Beichtvter treiben Theologen und Scholastiker eine Handelskasuistik auf die Spitze, die den Entschuldigungen und Rechtfertigungen immer mehr Platz einrumt. Auf dem Weg zur Geldwirtschaft: Silbergroschen und Rckkehr zum Gold Der Kaufmann ist, wie wir sahen, hufig ein Geldwechsler. Das wichtigste konomische Merkmal des 13. Jahrhunderts ist vielleicht der endgltige Rckgang der Natural- gegenber der Geldwirtschaft. Da der Geldumlauf in der Christenheit zunimmt, sieht man zuerst am Aufschwung des Bergbaus. Noch die geringste Grube soll Hchstfrderungen erzielen. So ermahnt Alfons von Poitiers 1267 seinen Seneschall im Rouergue zum Abtufen einer Silbermine in Orzeals. Fieberhaft sucht man nach neuen Erzadern. Um 1170 erffnet die Entdeckung reicher Silberminen im schsischen Freiberg die erste groe Zeit in der Bergbaugeschichte des Westens.
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Abb. 14: Fortschritte der Geldwirtschaft und der Genossenschaften. Die Wechsler von Allones. Ausschnitt aus dem Glasfenster der Kathedrale von Le Mans (Sarthe, Frankreich) mit der Darstellung der Marienwunder
Das Eindringen der Geldwirtschaft in die Landgegenden lt sich an der anwachsenden Verschuldung der Bauern erkennen, deren Glubiger hufig Stdter, oft Juden, sind; es knnen aber auch, wie noch zu sehen sein wird, gewandtere Bauern sein. Vor allem nimmt der Anteil der Geldabgaben an den Herrschaftseinknften zu. Hier ist es der Loskauf von einer Frondienstleistung oder von einer besonders lastenden oder demtigenden Abgabe. Dort gehen die Naturalabgaben gegenber den Geldabgaben zurck. Fast berall mit Ausnahmen, namentlich in England breitet sich ein neuer Lehenstyp aus. Dem Bauern wird das Land gegen Bezahlung einer Geldsumme abgetreten (Zinslehen), der Grundherr wird mehr und mehr zum Rentenempfnger, wobei die Rente zunehmend aus Geld besteht. 1224 erlaubt das Generalkapitel der Zisterzienser die Verpachtung aller konomien des Ordens gegen Zins. Diese ungleiche Beteiligung der Bauern an der Geldwirtschaft ist sehr wichtig. Wir werden die sozialen Folgen noch sehen. Natrlich entwickelt sich das Geldwesen im Bereich des Handels am sichtbarsten. Hier fllt die zunehmende Prgung wertvoller Mnzen Groschen ins Auge. Dieser Geldtyp entsprach den Geschften der Kaufleute, besonders der Messekaufleute. Der Heller reichte zur Erledigung grerer Geschfte nicht mehr
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aus. Der Silbergroschen aber gengt fr die meisten der zwar bedeutenden, im ganzen aber immer noch bescheidenen Affren. Ab 1192 setzt Venedig Groschengeld in Umlauf. Frsten, Stdte und Messeorte versuchen Geldsorten herauszugeben, die fr interregionale und internationale Handelsgeschfte verwendet werden, und mehr noch als auf andern Gebieten des Wirtschaftslebens sichern sie sich hier die Kontrolle und trachten, zum Nachteil der geistlichen und weltlichen Herrn, das Monopol zu erlangen. 1224 erneuert der Graf der Champagne das Geld von Provins, das zum fort de Champagne wird und dem tournois entspricht. So festigt sich der Groschen als Grundlage des Whrungssystems. Das wichtigste Vorkommnis ist aber die Wiederaufnahme der Prgung von Goldstcken im Okzident. 1252 taucht in Genua und Florenz der Goldgulden auf, der Goldtaler 1263 in Frankreich, 1284 der Golddukaten in Venedig. Der Westen hat in Gelddingen Ansehen und Unabhngigkeit wiedererlangt. Der islamische Dinar und der byzantinische Besant sind nicht lnger die Dollars des Mittelalters. Sie befinden sich brigens in einer Krise, sogar die Dinare der Aijubiden gyptens und die Marabotinen der Almohaden Spaniens. Auf den Mrkten, wo die Silbergroschen gengen, spielen die westlichen Goldstcke im 13. Jahrhundert freilich noch eine bescheidene Rolle. So dienen die Goldaugustalen, die Friedrich II. seit 1231 schlagen lt, viel mehr seiner kaiserlich-rmischen Prestigepolitik als dem Handel. Die Devisen und Zeichen auf den Goldstcken dieser Zeit bedeuten mehr als ihr Handelswert und ihre Kaufkraft. Auf dem Taler des heiligen Ludwig finden wir das knigliche Wappen die fleurs de lys und die Verkndung des Triumphes Christi als Beschtzer des Herrschers, seiner Dynastie und seines Landes: Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat. Auf dem Florentiner Gulden ist die Lilie als Symbol der Stadt eingeprgt, die ihre berlegenheit in der Toskana und vor allem ber Pisa bekundet; ferner ihr heiliger Patron Johannes der Tufer, dem sie gerade ein herrliches Baptisterium erbaut, Dantes il mio bei San Giovanni. Auf dem Dukaten Venedigs sehen wir Sankt Markus und zu seinen Fen den Dogen als lebendiges Symbol der Stadt. Trotz ihres Aufschwungs ist die Wirtschaft im Okzident des 13. Jahrhunderts noch kein anerkannter Wert. Noch ist das Gold mehr ein Symbol des Ansehens als des Reichtums. Noch hngt der Platz der Menschen in der Gesellschaft nicht von ihrem Geld ab. 8. Das soziale Gleichgewicht Eine strukturierte und ausgeglichene Gesellschaft Dem 13. Jahrhundert, diesem Zeitalter der Klarheit und Hierarchie, schreibt Marc Bloch (La Socit Fodale) ber den Adel, war der Versuch vorbehalten, aus bis dahin eher lebhaft empfundenen als genau umrissenen Unterscheidungen ein streng entworfenes System zu errichten.
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Unbestreitbar ist dies dem 13. Jahrhundert im wesentlichen gelungen. Es weist eine gegliederte, stndische Gesellschaft auf, die einen Augenblick des Gleichgewichts erreicht. Die alte Dreiteilung bleibt bestehen. Es ist aber nicht immer die der oratores, bellatores, laboratores Geistlichkeit, Ritterschaft, Bauern. Es gibt auch eine Dreiteilung der weltlichen Gesellschaft, wie sie um 1280 der Ritter Philipp von Beaumanoir, Vogt des franzsischen Knigs in Clermont-de-lOise, in seinen Coutumes du Beanvaisis unterscheidet: Man mu wissen, da die Menschen unserer Zeit in drei Stnde zerfallen. Der erste Stand ist der Adel (noblesse). Der zweite umfat alle Freien, der dritte die Leibeigenen. Diese rein juristische Aufteilung mssen wir nun mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit vergleichen, die je nach Lndern und Gegenden betrchtlich abweicht. Aber Beaumanoirs Text hat das Verdienst, uns zu zeigen, da sich die Dreiteilung einer juristischen und sozialen Entwicklung anpassen kann, und er selbst hebt hervor, da es auch innerhalb jedes Standes verschiedene Schichten gibt: Nicht alle Freien sind adelig. Es besteht im Gegenteil ein groer Unterschied zwischen dem Edelmann und den brigen Freien, denn man nennt jene adelig, die von freien Geschlechtern abstammen, wie die Knige, Grafen und Ritter. Dieser Adel wird immer von den Vtern vererbt. So bildet im 13. Jahrhundert je nach der Gegend die oberste Schicht, in der man weiterhin eine Hocharistokratie Knige, Herzge, Grafen und eine untere Klasse die Ritter auseinanderhlt, juristisch nur einen Stand, jenen der Edelleute, des Adels. Wie wir noch sehen werden, geht hier, wie in karolingischer Zeit, eine ffentliche und eine soziale Stufenleiter zusammen, wenn sich beide nicht sogar decken. Aber dieser Text zeigt uns auch die Mittelklasse der Freien (libres sujets), deren juristische Stellung nicht von vterlicher, sondern von mtterlicher Seite herrhrt und die frei sind, zu tun was sie wollen, mit Ausnahme wster Vorkommnisse und Freveltaten, die um des Allgemeinwohls willen unter Christen verboten sind. So ist die Bedeutung einer Mittelklasse herausgestellt, deren Vorhandensein und Zusammenhalt viel zu dem sozialen Gleichgewicht des 13. Jahrhunderts beitrgt. Es ist auch nicht ohne Interesse, anllich dieser Klasse den juristischen, politischen und ideologischen Begriff des gemeinen Nutzens oder des Gemeinwohls verwendet zu sehen, der ebenfalls fr die Vereinheitlichungsbestrebungen im gesellschaftlichen und politischen Leben charakteristisch ist. Das Ideal, welches dieses soziale Zusammenspiel bewirken soll, ist ein Gemeinschaftsideal: das Gemeinwohl aller. Es kommt jedoch durch eine politische und nicht eine charismatische Transzendenz zustande. Die Staatsrson wird erst spter zum absoluten Wert, indem sie sich mit dem monarchischen Absolutismus verbindet. Zum dritten Stand der Leibeigenen meint Beaumanoir: diese Art Leute haben nicht alle die gleiche Stellung, es gibt im Gegenteil verschiedene Grade der Hrigkeit. Auch hier tritt eine gewisse Vereinheitlichung im Bauernstand ein.
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Sie wird als Leibeigenschaft bezeichnet, zum Beweis dafr, da am Ende des 13. Jahrhunderts wenigstens in einigen Gegenden trotz juristischer, sozialer und wirtschaftlicher Verbesserungen eine Art Refeudalisierung erkennbar ist. Aber auch im Innern dieses Standes findet eine betonte Differenzierung statt. So kann man die Bedingungen und wesentlichen Zge des sozialen Gleichgewichts im 13. Jahrhundert mit Hilfe dieses Textes erkennen. Eine allgemeine Aufteilung der sozialen Schichten zeigt sich zum Beispiel in der Laisierung, die den Klerus, der mehr ein Rang als eine Klasse oder Stand ist, aus dem dreigeteilten Schema ausschliet. Sie erweist sich ferner durch die Zusammenfassung vorher klar geschiedener, aber inzwischen auf ein gleiches Ziel hin ausgerichteter Stnde nmlich Adel, Mittelklasse und Bauern in einem einzigen juristischen Stand. Aber der so jeder einzelnen Klasse eigene Zusammenhalt wird durch die Unterscheidungen im Innern ausgeglichen. Die Literatur ber die Weltstnde, die mehr als drei anfhrt (die Zahl wechselt je nach berlieferung und Verfasser), bezeugt dies. Die Gliederung innerhalb jeder Klasse verleiht der sozialen Hierarchie eine Geschmeidigkeit, welche die Harmonie jedes einzelnen Standes und aller zusammen noch steigert. Andererseits ist das der gesamten Gesellschaft als einigendes Band vorgegebene Gemeinwohl vielfach den materiellen und psychologischen Bedingungen der Zeit besser angepat als das religise eher mystische als politische Ideal der Solidaritt zwischen den drei Stnden, das die vorhergehende Epoche aufgestellt hat. brigens erklrt Beaumanoir wie Jean de Meung im zweiten Teil des Roman de la Rose die fortschreitende Aufteilung der Gesellschaft in soziale Stnde und die zeitgenssische Ungleichheit mit der geschichtlichen Entwicklung: Obschon es jetzt verschiedene Stnde gibt, waren zu Beginn alle frei und von gleicher Freizgigkeit, denn jeder wei, da wir alle von einem Vater und einer Mutter abstammen. Aber als die Vlker zu wachsen anfingen ... Endlich, wenn auch die Geschlossenheit jedes Standes der hervorstechendste Zug bleibt (es ist in der Praxis schwierig und wird moralisch verurteilt, aus seinem Stand auszubrechen), so ist doch noch gengend soziale Beweglichkeit auf den verschiedenen Stufen dieses Aufbaues mglich, damit das Sicherheitsventil der persnlichen oder kollektiven Aufstiegsmglichkeiten ein Gleichgewicht herstellt, das erst am Ende des Jahrhunderts zerbricht als Vorspiel zu den groen Erschtterungen des 14. Jahrhunderts. Festigung und Vernderlichkeit des Grundadels Die Militr- und Grundaristokratie scheint auf den ersten Blick durch den Gang der Entwicklung benachteiligt zu sein. Diese Kriegerkaste sieht sich mit dem Anwachsen des Berufsheeres ihres Militrmonopols beraubt; Gewinn und Ehre ihrer Kriegsttigkeit nehmen mit der Ausbreitung des Friedens ab, und das Ideal der reinen Heldentat tritt vor dem
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einsichtigen Mut zurck. Nichts ist hierfr bezeichnender als das Verhalten Ludwigs des Heiligen, wie es bei Joinville erscheint. Zu Beginn seines Werkes teilt er mit, da er es in zwei Teile trennt. Der erste ist den religisen und kniglichen Tugenden des Herrschers gewidmet (Wie sich der heilige Ludwig sein Leben lang zum Nutzen seines Knigreichs nach Gott und der Kirche richtete), der zweite spricht von seinen groen Waffenund Rittertaten. Ludwig IX. ist also noch ein Ritter- Knig, der sowohl gegen den Knig von England in Taillebourg als auch gegen die Sarazenen im Heiligen Land mit seiner Person auftritt. Kmpfende und verwstende Herrn werden gebrandmarkt, ob es sich um Einzelflle wie den des Roger de la Rche de Glun handelt, dem der Knig die Burg im Rhnetal schleifen lt, weil er Pilger und Kaufleute ausgeraubt hat, oder um kollektives Betragen wie das der groen, gegen den Knig revoltierenden Herrn zu Beginn seiner Regierung: Die Barone nherten sich, wobei sie alles an ihrem Wege verbrannten und zerstrten, und der eigene Vater des Erzhlers, Simon de Joinville, verteidigt auf Bitten der Brger von Troyes die Stadt gegen die Barone. Aber Rittertugend und Herrenbrauch gelten noch immer, vor allem in gerechten Kriegen wie den Kreuzzgen. So kmpfen der heilige Ludwig und seine Ritter gegen die Sarazenen: Der Knig langte, von seinen Truppen gefolgt, unter groem Lrm und Getse des Heeres an ... Niemals sah ich einen so schnen, bewaffneten Mann. Als er erschien, berragte er alle Leute mit dem Kopf. Er hatte einen vergoldeten Helm auf dem Haupte und einen deutschen Speer in Hnden. Wie er anhielt, warfen sich seine tapferen Ritter auf die Trken. Wit, da es eine schne Waffentat war, denn man scho nicht mit Bogen und Armbrust, sondern es wurde Leib an Leib gekmpft mit Streitkeulen und Speeren. Der Wert des krperlichen Einsatzes bleibt also bestehen. Desgleichen die Macht des Sippen- und Vasallenzusammenhalts: Monseigneur Guy de Mauvoisin und seine Leute bedeckten sich an diesem Tag mit Ruhm, was nicht verwunderlich ist, denn es wurde mir von Mnnern, die ihn kannten, gesagt, da alle seine Leute mit wenigen Ausnahmen Ritter, mit ihm verwandt oder seine Lehensmnner waren. Dennoch kommt mit dem klugen Mann (prud homme) ein neues Mannesideal herauf, der gebildete und besonnene Geist, der seine Geburt und seine Fhigkeiten in den Dienst von Unternehmungen stellt, welche dem Gemeinwohl dienen. Der heilige Ludwig erinnert im Zusammenhang mit Hugo III., Herzog von Burgund, diesem so beherzten Ritter, der aber niemals, weder vor Gott noch den Menschen als weise angesehen wurde, daran, da schon sein Grovater Philipp August (gest. 1223) einen groen Unterschied zwischen dem Helden (preux komme) und dem klugen Mann (prud homme) gemacht habe; jener sei nur mit seinem Leibe khn, dieser aber hte sich vor der Todsnde. Ludwig IX. erneuert diese Unterscheidung und stellt seinerseits den prud homme ber
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den bguin, den Mann, der nur devot ist: Ein prud homme ist etwas so Groes und Gutes, da allein das Wort beim Aussprechen den Mund anfllt. So deckt sich der honnte komme des 13. Jahrhunderts nicht mehr mit dem Recken (preux) der vorhergehenden Zeit. Um sein Ansehen zu verdienen, mu der Edelmann (gentilhomme) seiner Geburt und seinem Mute ritterlichen Anstand und Tugend hinzufgen. Dann aber ist seine Ehre nur um so grer. Am Ende des 13. Jahrhunderts wird der gute Ritter mehr denn je fr wrdig erachtet, die Gesellschaft zu beherrschen. Im Lanzelot-Roman heit es: Denn ber dem Volk soll der Ritter stehen. So wie man das Pferd anspornt und wie der, der auf ihm sitzt, es hinleitet, wohin er will, so soll auch der Ritter das Volk nach seinem Willen fhren.
Abb. 15: Der Ritter als allegorische Kalenderfigur. Der Monat Mai als Ritter. Ausschnitt aus dem Wandteppich der Kirche von Baldishol (Norwegen)
Am Ende des 13. Jahrhunderts bekunden neben anderen zwei Werke das unverletzte Ansehen des tugendhaften Ritters. Im Buch vom Ritterstand (El libro de caballeria; um 1280), dessen Vergleich mit Sankt Bernhards De laude novae militiae aufschlureich ist, schmckt Raimundus Lullus den guten Ritter mit einem mystischen Glorienschein. Er ist aus Tausenden auserwhlt (Phantasieetymologie von miles Krieger aus miles = tausend) und durch die Wrde seines Standes mehr als jeder andere fhig, das Volk zu leiten. Dieses
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Buch hat sofort in Spanien, Frankreich, England und Italien einen betrchtlichen Erfolg. Die 138 Miniaturen der berhmten Manesseschen Liederhandschrift in Heidelberg vom beginnenden 14. Jahrhundert zeigen den hfischen Ritter, der ein wappengeschmckter und von Federbschen berragter Krieger und Jger geblieben ist, in seinem ganzen Glanz, wie er, bermig gro, nach den Gesetzen der Feudal-Montage, in welcher der Raum durch ideenmige Werte gegliedert wird das von ihm beherrschte, winzige Volk erdrckt. Auch die politische Entwicklung scheint die Aristokratie nicht zu begnstigen. Tatschlich festigt sich die ffentliche Macht in den meisten Lndern der Christenheit, sei es als Monarchie oder als Stadtstaat, zum Nachteil der Grundherrschaft. Ein Teil der Befugnisse entgleitet den Feudalherrn, was ihre Domnen und ihre Druckmittel auf die Zentralgewalt angeht. Die Berufungsinstanz der Knigs- und Stadtgerichte begrenzt ihre richterliche Gewalt. Ihre Mnzhoheit verschwindet zuerst in der Praxis, dann auch rechtlich. Die Beamten der Zentralmacht berwachen mehr und mehr ihre eigenen Beamten. Die Verfolgung des Allgemeinwohls drngt ihre Immunitten zurck. Die Gewohnheitsrechte, die sich zu ihren Gunsten auswirkten, weichen einem Recht fr alle. Wenden wir uns wieder an Beaumanoir: Jeder Baron ist in seiner Baronie souvern. Aber ber alle ist der Knig gesetzt. Er wacht von Rechts wegen ber sein ganzes Knigreich, in dem er fr das allgemeine Wohl jede Einrichtung nach seinem Willen vornehmen kann, und was er anordnet, mu gehalten werden. Und es gibt unter ihm keinen Groen, der nicht an seinen Hof gerufen werden kann, weil er das Recht verletzt oder falsch gerichtet hat, oder aus sonst einem Grunde, der den Knig angeht. Doch bietet die Festigung der ffentlichen Gewalt der Aristokratie auch neue Mglichkeiten. Die mchtigsten der Herrn knnen ihren Einflu auf verschiedene Weise geltend machen. Zwar mssen sich etwa die zwlf Pairs von Frankreich mit einer Ehrenrolle begngen (namentlich bei der Knigskrnung); die sieben deutschen Kurfrsten aber verfgen ber die Kaiserwahl und werden dank der Privilegien des Statutum in favorem principum, die Heinrich VII. auf Betreiben seines Vaters Friedrich II. 1231 den mchtigsten deutschen Herrn gewhrt, zu Territorialfsten, die Deutschland zu einem Bund von Frstentmern machen. In italienischen Stdten wandelt sich die Einrichtung des podest, die ursprnglich mit Friedrich Barbarossas Bemhungen um Durchsetzung seiner Macht verbunden war, und wird im spten 12. und in der ersten Hlfte des 13. Jahrhunderts zur bleibenden Institution. Die Exekutivmacht ist fast immer Adligen, oft Auslndern, anvertraut; unter dem Vorwand, in den Konflikten der Parteien, namentlich der Guelfen und Ghibellinen, zu vermitteln, gewhnen sie die Stdte an eine Diktatur, die zwar von den Patrizierfamilien beherrscht wird, aber die Signorien des 14. Jahrhunderts vorbereitet und in den italienischen Stdten eine aristokratische Ordnung einfhrt oder sttzt. Sogar die
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parlamentarischen Einrichtungen, deren Auftreten die Frsten dulden oder sogar anregen, verschaffen den Herren eine neue Art der Einflunahme, nmlich die schon von den Reichstagen vorgebildete Mglichkeit, ber neue Druckmittel zu verfgen. Man sieht sie in den englischen Parlamenten, den spanischen Cortes und den franzsischen Stndeversammlungen am Werk. Letztere sind typisch. Die 1302 von Philipp dem Schnen einberufene Versammlung der drei Stnde gibt den Baronen Gelegenheit, sich als politische Macht zusammenzuschlieen. 1304 erlangt der vereinte auvergnatische Adel vom Knig als Freiheitsurkunde die schriftliche Fixierung seiner Standesprivilegien. In Aragonien erreicht der Adel von Knig Jaime I. das Verbot des rmischen und kanonischen Rechts in den Cortes von 1243 und 1251; auf den Cortes von Egea (1265) entreit er dem Monarchen weitere Zugestndnisse und versucht so, aus dem hohen Beamten der Iustitia einen aragonesischen Shogun zu machen. Auch der niedere Adel, die Ritterschaft, findet neue Aufgaben im Knigsdienst. Philipp von Beaumanoir, Ritter und kniglicher Vogt, ist dafr ein gutes Beispiel. In Deutschland setzen die Ministerialen im 13. Jahrhundert ihre ungewhnlich glnzende Laufbahn fort, und zwar zu einer Zeit, da die Bemhungen der Salier und Staufer, die zentrale Kaisermacht auf diese Reichsministerialitt zu grnden, durch die Politik Friedrichs II. und das Interregnum scheitern. Gleichzeitig entsteht eine Reichsritterschaft, das heit, es gibt reichsunmittelbare Ritter. Endlich scheint die Aristokratie im 13. Jahrhundert durch ein Absinken ihrer Wirtschaftsmacht benachteiligt zu sein. Das Vordringen der Geldwirtschaft, die Notwendigkeit, zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards eine zunehmende Anzahl sehr teurer Waren am Markt zu kaufen (Gewrze, Stoffe), der steigende Preis der Rstungen und des Ritterlebens (Feste, Turniere), die Ausgaben fr den Bau von Burgen und festen Husern aus Stein, die auerordentlichen Geldaufwendungen fr die Kreuzzugsfahrten verarmen den Adel und ruinieren die Ritter. Die Verschuldung, das Abtreten und der Verkauf von Lndereien nehmen zu. Diese Krise, die vor allem den niederen Adel betrifft, sieht in der Gegend von Mcon wie folgt aus: seit etwa 1205 knnen die Ritter nicht mehr borgen; darauf verpfnden sie einen Teil ihrer Lndereien fr neue Schulden an Kirchen und Brger; ab 1230 verkaufen sie Stck fr Stck ihr Erbe. Als sich Bertran de Born am Ende des 12. Jahrhunderts dem Grafen von Poitiers als Ritter anbietet, erklrt er ihm bereits: Ich kann euch helfen. Ich habe schon den Schild vor der Brust und den Helm auf dem Kopf ... Aber wie soll ich ohne Geld in den Kampf ziehen? Als Joinville 1248 zum Kreuzzug aufbricht, verpfndet er in Metz einen groen Teil seines Landes: Wit, da ich an dem Tage, da ich meine Heimat verlie und ins Heilige Land zog, nicht einmal ber tausend Pfund Einknfte verfgte, denn meine Frau Mutter lebte noch; und ich brach dennoch auf. Aber als Ludwig der Heilige ihn 1269 auffordert, erneut das Kreuz zu nehmen, weigert er sich und erklrt, gengend verarmt zu sein.
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Aber auch hier gelingt es den Feudalherrn, ihre Lage relativ zu bessern. Zunchst mehrt die Verarmung der kleinen die Macht der groen Barone. Wenn auch in gewissen Gegenden die Klster viel Landbesitz aufkaufen und fast berall die Brger einen Teil des abgetretenen Besitzes erwerben (in Italien knnen sie vor allem einen groen Teil der Kirchengter an sich bringen, weil dort die Kirche anfngt, sich ihrer Lndereien zu entuern), so ist doch der Hochadel der groe Nutznieer dieser Verarmung der kleinen Grundherrn. Diese knnen sich im allgemeinen nur vor dem Ruin retten, indem sie entweder ihr Salland (Eigenland) behalten und den Rest ihres Besitzes verkaufen, oder indem sie ihr Allodialgut zu Lehen nehmen und ihre Vasallenhuldigung veruern. In beiden Fllen ist der Kufer gewhnlich ein groer Herr, der dadurch noch mchtiger wird. Man hat bestritten, da die Umwandlung eines betrchtlichen Teils der Feudaleinknfte in Geldbetrge (in England sind es um 1280 wenigstens zwei Drittel) eine Anpassung der Herrenschicht an die Wirtschaftsentwicklung mit sich brachte. Es habe nmlich die anhaltende Preiserhhung ihre auf der Grundlage fester Zinsabgaben berechneten Einknfte vermindert. Man gewinnt dennoch den Eindruck, da sie die Art ihrer Erhebungen ihrem Vorteil anzupassen wuten. Hier, zum Beispiel in einigen Teilen Englands, erhhen sie den Umfang der Frondienstleistungen; dort vermehren sie ihre Einknfte aus den Herrschaftsrechten (durch das Mhlenrecht oder eine Kopfsteuer); anderswo gewhren sie den Bauern Abnderungen von Gewohnheitsrechten gegen Geldzahlung (Mutationstaxen); wieder andere ndern die Belehnung der Zinspflichtigen in widerrufliche und kurzfristige Kontrakte ab: zum Beispiel auf dem bayrischen Freistift oder dem englischen Lehen per cartam. Endlich fhren die Vorteile, die gewisse groe Herren und vor allem die Knige daraus ziehen, da sie sich durch Vasallitt die Treue, Dienstpflicht oder einfach Neutralitt dieses oder jenes Herrn sichern, zur Vermehrung der Lehen. Diese bestehen aber nicht mehr in Bodenbesitz, sondern in Geld. Solche Geldlehen helfen manchem Herrn, seine wirtschaftliche Position wieder zu stabilisieren oder zu sttzen. Der franzsische Knig Philipp der Schne bedient sich ihrer hufig, um die Feudalherrn Flanderns und Nordwestdeutschlands als Sttzen fr seine Auenpolitik zu gewinnen. So ist es dem Militr- und Grundadel juristisch, politisch und wirtschaftlich gelungen, seine Stellung zu behaupten oder sogar zu verbessern. Immerhin ist er zu einer bedrohten Klasse geworden und schliet sich daher aus Selbstschutz ab. Der tatschliche Adel wird zum Rechtsadel, der ein Blutadel ist und sich durch Erbzeichen, die Wappenschilder, besttigt. Die Schwertleite bekrftigt die Aufnahme in den Ritterstand, und niemand kann zum Ritter geschlagen werden, der nicht ritterbrtig ist. Der Edelmann ist geboren. Aber dieser Stand bewahrt Unterschiede und schichtet sich sogar nach neuen Gegebenheiten um. Wohl bleibt der arme Ritter ein Standesmitglied, das Anrecht auf die Solidaritt seiner Standesgenossen hat. Eine von Joinville erzhlte
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Anekdote zeigt es: Am Allerheiligentag lud ich alle Edelleute des Lagers in mein Haus, das am Meer lag. Ein armer Ritter kam in einer Barke mit seiner Frau und den vier Shnen, die er hatte. Ich lie sie in meinem Hause essen. Nach der Mahlzeit rief ich die anwesenden Edelleute zusammen und sagte ihnen: Lat uns ein Opfer bringen und den armen Mann von seinen Kindern entlasten; jeder nehme eines, auch ich will eines nehmen. Es bildet sich jedoch eine Oberschicht von Groen oder Baronen, welche Reichtum, Territorialmacht und politischen Einflu auf sich vereint. Sich als Kaste abzuschlieen, verurteilt den Adel zum Verschwinden oder zur Verarmung. Das Erlschen der Sippen erfolgt im 13. Jahrhundert um so schneller, als mehrere Faktoren zusammenspielen: die Sterblichkeit und die Neigung der Herrn, nur wenige Erben zu haben oder so viele wie mglich in der Kirche unterzubringen, um eine Erbteilung zu verhindern. Andererseits bereitet der Adel, indem er ein Verbot der Standeswidrigkeit erlt zum Beispiel die Ausbung eines gewinnbringenden Berufs seinen wirtschaftlichen Untergang vor. In der Provence mssen sich die Adligen von jeder buerlichen Arbeit fernhalten, und die adlige Frau wird 1255 als jene bestimmt, die weder zum Backofen, noch zum Waschhaus oder zur Mhle geht. Schwerwiegender ist noch das manchmal von den Stadtbrgern dem Adel auferlegte Verbot, ein Handwerk auszuben oder Handel zu treiben. Indem die Adligen diese Einschrnkungen als ihrer Wrde dienlich annehmen, schlieen sie sich von der wirtschaftlichen Entwicklung aus. Aber am Ende des 13. Jahrhunderts ist der Adel noch nicht so fest geschlossen, wie man annehmen knnte, oder er beginnt sich wieder zu ffnen. Reich gewordene Brger steigen auf, der Ritterschlag wird immer seltener ausgefhrt und ist nicht mehr oder war es vielleicht nie eine unumgngliche Aufnahmezeremonie. Kaiser und Knige bemchtigen sich des Rechts, zu adeln. Philipp der Schne erhebt 1304 auf dem Schlachtfeld von Mons-en-Pvile einen Metzger, der sich im Kampf ausgezeichnet hatte, in den Adelsstand. Soziale Unterschiede im Bauernstand Auf buerlicher Seite sind auf den ersten Blick die Verbesserungen am sichtbarsten. Die Entwicklung der Geldwirtschaft und das Angebot des buerlichen berschusses auf dem Markt scheinen in gewissem Ma auch den Bauern zugute zu kommen, die an dem neuen Wirtschaftskreislauf teilnehmen. Die hieraus gewonnenen Vorteile erlauben ihnen, entweder die wirtschaftliche Lage durch den Kauf von Pachtlehen oder Vieh zu verbessern oder die juristische Situation durch den Loskauf von Leistungen und Abgaben anzuheben. Tatschlich geht in vielen Gegenden der Frondienst entscheidend zurck. Die Bauern erkaufen entweder ihre Befreiung oder doch wenigstens die Festsetzung der Abgaben, die bis dahin willkrlich eingefordert wurden. Es handelt sich im allgemeinen um die Kopfsteuer (taille). Die Zeit der nach Willkr besteuerbaren und zu Fronarbeiten heranziehbaren Bauern scheint vorbei. Es ist
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vor allem der Fall in der Ile de France, wo sich einer der mchtigsten Grundherrn der Gegend, das Pariser Domkapitel, dazu entschliet, den Bauern mehrerer Drfer eine Festsetzung der Kopfsteuer zu bewilligen. So kann in Itteville ab 1268 die auf jhrlich achtzehn Pariser Pfund festgesetzte Kopfsteuer weder vermindert noch erhht werden. Anderswo gewhrt das Kapitel Kollektivbefreiungen. So werden 1259 alle Leibeigenen von Chevilly und LHay frei. Selbst die Kolonisten (htes), die doch auf ihren Neulndern besonders gnstige Bedingungen genossen, kaufen sich gemeinsam von den Herrschaftsrechten, denen sie unterstellt sind, los. So befreien sich beispielsweise die Gste von Mischwitz in Sachsen 1268 vom Meiener Domkapitel. Dennoch mu dieser allgemeine Eindruck entschieden berichtigt werden. Zunchst ist zu sagen, da sich die Lage der Bauern in einigen Gegenden verschlechtert. Zum Beispiel kann die Fronarbeit zunehmen, wie es in einigen Teilen Englands der Fall ist. 1252 beanspruchen auf dem Herrenhof von Broughton im Huntingdonshire, der vom Kloster Ramsey abhngt, die sehr unterschiedlichen Tagewerke (week-works) eines Dorflehens zur Erntezeit die ganze Arbeitskraft eines Mannes und die Hlfte whrend des brigen Jahres, wozu noch die Frondienste (boonworks), vor allem das Pflgen, kommen. Anderswo lebt die Leibeigenschaft, von den Juristen untersttzt und gerechtfertigt, wieder auf. Sie finden im rmischen Recht eine Reihe von Bestimmungen des Sklaven, vor allem des an die Scholle gebundenen servus. Auch Theologen wie Thomas von Aquino rechtfertigen die Leibeigenschaft sowohl mit der Erbsnde als auch aus Texten des Aristoteles. Die neuen Kontrakte zwischen Herren und Bauern bringen zwar dem Pchter Erleichterungen, die er anders nicht erlangen kann, gereichen aber im Grunde den Herrn zum Vorteil. So stellen die verschiedenen Vertrge, durch welche Reiche, Herren oder Brger, den Bauern Geld vorschieen, damit diese eine Viehherde erwerben oder vergrern knnen (bail cheptel im Norden, gasaille in der Provence und soccida in Italien genannt), verkappten Wucher dar, der die buerliche Verschuldung oft noch vermehrt. Auch die Halbpacht oder Pacht (mtayage, fermage), die in der zweiten Hlfte des 13. Jahrhunderts sehr beliebt ist, hat fr den Halbpchter (Meier) oder Pchter nur sehr begrenzte Vorteile wegen der kurzen Pachtdauer. So erhlt 1277 ein Landwirt in Lagheim mit Namen Dietrich der Alte von den Herren der Abtei Sankt Gereon in Kln bedeutende Summen zur Bezahlung der Erntearbeiter, zum Kauf von Viehfutter und zur Finanzierung einer Mergelung; aber sein Pachtvertrag luft nur sechs Jahre. In Norddeutschland und den Niederlanden gelten die Vertrge nach dem Kreislauf der Bebauung fr sechs, neun, zwlf und manchmal vierundzwanzig Jahre. In Italien, wo sich im 13. Jahrhundert die mezzadria rasch verbreitet, lauten die Pachtvertrge im allgemeinen auf drei, manchmal nur auf ein Jahr. Eine der Hauptfolgen davon, da Zinsen und Abgaben immer hufiger in Form von Geld abgegolten werden und da das Geld aufs Land vordringt, ist die fortschreitende und sich ausbreitende Verschuldung der Bauern. Die Glubiger
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sind verschiedentlich noch Grundherrn, vor allem Kirchen, hufiger aber stdtische Spezialisten, Juden oder Italiener. Zum Beispiel jene lombardischen Bankiers, hufig Handwerker, die in der zweiten Hlfte des 13. Jahrhunderts auf dem Land ihre casane oder Pfandleihstuben in der Provence und im Dauphinois einrichten. Hufig sind solche Glubiger aber auch gewandte Bauern, deren Geschfte wir noch weniger verfolgen knnen, weil sie viel seltener in Vertrgen oder Registern niedergelegt sind. Denn die wichtigste soziale Erscheinung des Bauernstands im 13. Jahrhundert ist die Aufteilung im Innern und das Entstehen einer Kulakenschicht. Der erfolgreiche, geschickte und durch eine gesicherte Ausgangsposition bereits begnstigte Bauer vermag aus dem Verkauf seiner berschsse Einknfte zu erzielen, womit er sein Land vermehren, die Ernteertrge verbessern, das Haus verschnern, einen Hhnerhof und sogar eine Viehherde erwerben kann. Schlielich ist er in der Lage, Geld an rmere zu verleihen, die nicht fhig sind, ihre persnlichen Abgaben oder ihren Anteil an den kollektiven Abgaben des Dorfes aufzubringen. Diese vermgenden Bauern bilden im Dorf eine fhrende Gruppe, manchmal eine wahre Gilde oder Bruderschaft, die sich, indem sie die Bezahlung der gemeinsamen Abgaben des Ortes verbrgt, die Herrschaft ber die Armen sichert. Nach der englischen Zhlung der Hundred Rolls besitzen 1279 nur ungefhr 20 Prozent der Bauern und 10 Prozent der freien Pchter soviel Land, da man sie zu dieser vermgenden Schicht zhlen kann. Auch in der Literatur begegnen uns solche reichen Landleute. Es gibt ihrer mehrere im Roman de Renart, und sie sind die besonderen Feinde Reinekes: Eines Tages kam Renart zu einem Bauernhof, der nah am Walde lag und auf dem es Hhner und Hhne in groer Zahl sowie auch Enten und Gnse beiderlei Geschlechts gab. Er gehrte dem Messire Constant Desnos, einem Pchter, der ein mit allen Arten von Lebensmitteln angeflltes Haus und einen Obstgarten besa, in dem sich viele Bume befanden, die Kirschen, pfel und andere Frchte trugen. Bei ihm gab es dicke Kapaunen, Pkelfleisch, Schinken und Speck in groer Flle. Um den Zugang zu seinem Grtchen zu schtzen, hatte er es mit dicken Eichenpfhlen, Gebsch und Brombeerhecken umgeben. Renart wre gar zu gerne ins Innere gesprungen ... Die Mannigfaltigkeit der Beziehungen zwischen Herrn und Bauern begnstigt zwar das Gleichgewicht in der buerlichen Gesellschaft; aber die Entwicklung bevorzugt vor allem eine Minderheit von Reichen, die zu einem Gleichgewicht beitragen, hinter dem sich die wachsende Verarmung der buerlichen Masse verbirgt. Dies um so mehr, als sich im allgemeinen die Bauernlehen verkleinern. Zum Beispiel ist in Weedon Beck in England, wo 1248 nur 20,9 Prozent der Bauern ber weniger als sechs Hektar Land verfgen, dies Verhltnis um 1300 auf 42,8 Prozent angestiegen. Der Ausdruck laboureurs bezeichnet was durch die sptere Wortentwicklung zunchst paradox erscheint in einem groen Teil Frankreichs nicht die gewhnlichen Arbeiter, sondern Bauern, die wenigstens ber ein Gespann und Werkzeug verfgen. Gegenber diesen laboureurs wchst
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die Masse jener, die nur ihre Hnde zum Arbeiten haben manouvriers oder brassiers; im Englischen werden sie cottiers genannt, und ein Text spricht von ihnen als den armen cottiers, die sich ihren Lebensbedarf durch ihrer Hnde Arbeit verschaffen. Schichtung der Stadtgesellschaft in Patrizier, Znfte und Arme hnlich ist die Entwicklung in der Stadt. Das Aufblhen der Stdte im 13. Jahrhundert wird von der Welle der Bevlkerungszunahme getragen. Man hat geschtzt, da die Bevlkerung Europas zwischen 1200 und 1300 von 61 auf 73 Millionen angestiegen ist. Die Einwohnerzahl Frankreichs soll sich zwischen 1200 und 1340 von 12 auf 21 Millionen gesteigert haben, die Deutschlands von 8 auf 14, die Englands von 2,2 auf 4,5. Dieser Bevlkerungszuwachs macht sich noch auf dem Land bemerkbar, scheint aber dort in Bedrngnis zu geraten, weil es nur noch schlechtes oder mittelmiges Land zu erwerben gibt. Sogar im Osten, wo die deutsche Kolonisation auf dem Hhepunkt steht, scheint es sich von nun an eher um eine stdtische als um eine buerliche Landnahme zu handeln. Rodungen werden im allgemeinen eher individuell als kollektiv betrieben. Sie bekunden sich durch eine nur eingesprengte Besiedlung und durch das Umzunen der neuen Niederlassungen, wodurch die Landschaft ein parzelliertes Aussehen erhlt. Das Ansteigen der Preise, besonders der landwirtschaftlichen, im Lauf des 13. Jahrhunderts zeigt den berdruck, den die zunehmende Nachfrage auf die Preise ausbt. Wenn man fr England zwischen 1160 und 1179 einen Kornpreisindex von 100 annimmt, dann steigt dieser Index fr die Zeit von 1180 bis 1199 auf 139,3, fr 1200 bis 1219 auf 203, zwischen 1220 und 1239 geht er auf 196,1 zurck, um dann zwischen 1240 bis 1259 214,2, 1260 bis 1279 262,9 und 1280 bis 1299 279,2 zu erreichen. Der Bevlkerungszuwachs lt also vor allem die Stdte anschwellen. Nach dem Chronisten Villani soll die Bevlkerung von Florenz zwischen 1200 und 1330 von 10000 auf 90000 Einwohner angestiegen sein. Wenn auch einige Vertrge das Vordringen stdtischer Kapitalien aufs Land zeigen, so bleibt dieser Vorgang doch begrenzt. Die Bankiers von Metz erwerben ihren Grundbesitz zwischen 1275 und 1325, also ziemlich spt im Hinblick auf die uns hier beschftigende Epoche. Eine der grten Kaufmannsfamilien in Florenz, die Alberti del Giudice zum Beispiel, besitzt 1315 nur ein einziges Gut mit 80 Hektar Land und etwa hundert an Bauern verpachtete Parzellen. Das brgerliche Vermgen besteht am Ende des 13. Jahrhunderts noch vorwiegend aus beweglichen Gtern (Goldbarren, Schmuck, Geld) und Stadtrenten und -einknften. Aber die stdtische Einwirkung auf das Land zeigt sich vor allem darin, da die Stdte lndliche Arbeitskrfte anziehen und ihre Umgebung wirtschaftlich ausschpfen. Sie mu die Stadt mit Nahrungsmitteln und Grundstoffen fr die Industrie versorgen. Die Anfnge einer lndlichen Industrie werden von der Stadt kontrolliert. 1256 befreit beispielsweise Bologna alle Leibeigenen seines contado. Aber sie haben, nach dem
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Ausspruch Jean Schneiders, hier wie anderswo die juristische Leibeigenschaft nur mit einer wirtschaftlichen Versklavung vertauscht. Die stdtische Gesellschaft ist im 13. Jahrhundert durch ihre Organisation zugunsten einer Minderheit gekennzeichnet ein allgemeiner Zug dieser Zeit. Diese Organisation bekundet sich vor allem durch die Gruppierung des Handwerks in Znften. Sie sind das Ergebnis der sehr weit fortgeschrittenen Arbeitsteilung. Um 1260 gibt es in Paris 130 organisierte Gewerbe, davon allein 22 fr die Eisenbearbeitung. Sie knnen aus dem Wunsch der ffentlichen Gewalt, die Handwerker zu berwachen, entstehen. So lt Ludwig der Heilige die Pariser Korporationsstatuten am Ende seiner Herrschaft von seinem Vogt, dem Polizeichef Etienne Boileau, im Livre des Metiers aufschreiben. Noch hufiger entspringen sie dem Willen der brgerlichen Oberschicht, die den Stadtmarkt durch die Ausschaltung der Konkurrenz regeln (die Znfte sind, wie Gunnar Mickwitz versichert, Kartellverbnde) und die berlegenheit der Meister gegenber Handwerkern und Arbeitern sichern mchte. Sie ben strenge Aufsicht, sowohl was Herstellung, Qualitt und Verkauf der Waren anbelangt als auch was die Zahl der Lehrlinge, den Lohn und die Einstellungen betrifft. Neben dieser beruflichen Stufenordnung entwickelt sich in den Stdten eine politische Hierarchie. Dabei ist wichtig, da erstere versucht, mit letzterer bereinzustimmen. Die Zunftbrgerschaft stellt das Rckgrat der Stadtgesellschaft dar. Auch hier decken sich die juristischen, sozialen und politischen Gruppen nicht. Der in juristischer Hinsicht komplette Stadtmensch ist der Brger. Er allein erfreut sich der Immunitt, aller Privilegien und des ungeteilten Schutzes der Stadt. Die meisten Handwerker sind Brger, doch liegt die wesentliche soziale und politische Macht in den Hnden einer kleinen Gruppe von Familien, die das Patriziat bilden. Dies Patriziat umfat zum Beispiel in Deutschland drei Gruppen: zuerst und vor allem die Fernkaufleute (mercatores). Sie beherrschen Kln, Regensburg, Wien und sind auch in Aachen, Augsburg, Ulm, Wrzburg, Nrnberg, Dortmund, Soest, Braunschweig, Magdeburg, Erfurt, Halle, Leipzig, Bremen, Hamburg und Lbeck mchtig. Neben ihnen erscheinen die Ministerialen. Sie sind in Worms, Straburg, Trier, Zrich und Aachen einflureich. Endlich gehren die freien Grundbesitzer in Kln, Soest, Osnabrck, Nrnberg und Mnchen zum Patriziat. Die Handwerker gehren ihm nicht an. Bald stellen die Patrizier allein die Mitglieder der politischen Versammlungen, welche die Stdte regieren in Deutschland der Rat, in Flandern das chevinage, in Italien der consiglio. In Gent werden zwischen 1228 und 1302 die 39 Stadtvter immer aus den gleichen Familien gewhlt. In Arras haben die Patrizier dank dem Zuwahlsystem seit 1194 die absolute Macht inne. Meistens gehen milites und scabini im Patriziat auf. Dennoch mu manchmal eine Revolte gegen die Grundherrn dem Patriziat die politische Herrschaft in der Stadt sichern und das bergewicht der Grokaufleute besiegeln. So herrscht in Siena das Patriziat seit 1277, in Kln nach 1282, in Florenz nach 1293. Hier mute
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der popolo der Znfte, der Florenz zwischen 1250 und 1260 regiert hatte, nach seiner Niederlage von Montaperti gegen Siena und die deutschen Ritter Manfreds die Gewalt an die Ghibellinen und an den sie untersttzenden Adel abtreten. Die 1267 wieder an die Macht gelangten Guelfen stellen die Herrschaft anderer Adelsfamilien dar, bis die Vorsteher der zwlf Hauptznfte sich 1284 in den Rat des podest drngen. Die Korporationsbrgerschaft: (arti) besiegelt 1293 die Niederlage der Groen (magnati) durch den Erla der Ordnungen der Gerechtigkeit (ordinamenti della giustizia), welche den Mitgliedern der 147 Adelsfamilien, Guelfen wie Ghibellinen, politische mter verbieten. Aber dies Volk an der Macht sind die reichsten Brger, der popolo grasso, an dessen Spitze die Vorsteher der sieben oberen Znfte stehen: nmlich der Zunft der Calimala (Import-Export- Kaufherrn), der Bankiers, der Vor Santa Maria (Seidenweber), der Tuchmacher, der Krmer, der Gewrzhndler und rzte, der Krschner und Pelzhndler. Zur gleichen Zeit untersagen beispielsweise die Kommunalstatuten von Bologna (1288) den meisten Handwerkern jede Verbindung und vertrauen die Interessen der Stadt den drei groen Znften der Waffenschmiede, Bankiers und Kaufherrn, also der reichen Handelsbrgerschaft, an. Manchmal fhrt das persnliche oder gemeinsame Geschick dieser reichen Brgerschaft zum Ruin oder Skandal, aber die Belege dieser auergewhnlichen Flle lassen uns nur um so deutlicher den Reichtum und die Macht jener erraten, die vollen Erfolg haben. Man konnte die Buonsignori von Siena, deren groe Bank Gran Tavola 1298 in Schwierigkeiten geriet und 1307 Bankrott machte, die Rothschilds des 13. Jahrhunderts nennen. Ein am Ende des Jahrhunderts dem Sire Jehan Boinebroke denn die Patrizier nennen sich Sire, Sir, Ser, Herr , Tuchhndler aus Douai, nachtrglich anhngig gemachter Proze lt uns den Einflu dieser reichen Mnner auf das kleine Volk der Handwerker, Arbeiter und Angestellten ermessen, die sie durch das Geld, die Arbeit, die Wohnung und die politische Macht in Abhngigkeit erhalten. Die Ungerechtigkeit dieser reichen Kauf- und Stadtherrnschicht ist so gro, da sie zum Beispiel in Frankreich die Einmischung der Knigsgewalt in die Stadtfinanzen rechtfertigt, die von ihnen geplndert und ruiniert werden, indem sie das kleine Volk durch Steuern und Erpressungen niederdrcken. Beaumanoir bezeugt dies: Wir sehen mehrere gute Stdte, in denen die Armen und die Mittelschicht keinen Anteil an der Stadtverwaltung haben; alles halten die Reichen in Hnden, denn sie wollen keine Gemeinschaft mit denen, die zu arm oder von geringer Herkunft sind. In diesem Jahr ist einer von ihnen Brgermeister, Geschworener oder Steuereinnehmer, das nchste Jahr ist es sein Bruder, Neffe oder ein naher Verwandter ... Es kommt oft vor, da die Reichen, welche die Stadt regieren, sich und ihre Verwandten weniger besteuern, als sie eigentlich mten, und da sie auch die anderen Reichen entlasten, um spter von ihnen ebenfalls befreit zu werden; und so bedrcken alle Ausgaben die Armen.
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So wird die stdtische Solidaritt, die mittels Statuten, Znften und Geschftsverkehr zwischen den verschiedenen urbanen Schichten ein Gleichgewicht schafft, durch die Tatsachen oft schwerwiegend widerlegt. 1259 setzt man in Neu fest, da eine Steuer fr Stadtausgaben erhoben werden mu; Arme wie Reiche schwren, sie im Verhltnis zu ihrem Einkommen aufzubringen. In der Praxis sind die deutschen Schwurbruderschaften oder Eidgenossenschaften, die spanische hermendad, die franzsischen Kommunen und die anderen Arten stdtischer Gemeinschaft nur auf dem Pergament gleichgestellte Gesellschaften. Selbst innerhalb der im juristischen Verstand egalitren Brgerschaft arbeiten Ungleichheiten von Geburt und Vermgen fr eine Minderheit. Und schon trachtet diese Aristokratie, diese Stadtelite danach, sich zu schtzen und abzukapseln. Venedig gibt ein Beispiel dafr. Am 28. Februar 1297 schliet sich der Groe Rat erbrechtlich ab (Serrata del Gran Consiglio). Von nun an kann nur noch in ihn eintreten, wer Vorfahren der Vaterseite in ihm nachweisen kann. Der Druck der Anschauungen in der Stndegesellschaft Das Gleichgewicht dieser Gesellschaft setzt neben der Stufenordnung und der tatschlichen Schichtung noch einen geistigen, moralischen und religisen Druck voraus. Schande ber den, der aus seinem Stande ausbrechen will! Er begeht in den Augen Gottes und der Menschen die allergrte Snde. Das Verlangen nach sozialem Aufstieg mu aus der Gesellschaft des 13. Jahrhunderts verbannt werden. Es ist nach dem Vorwrtsdrngen des 11. und 12. Jahrhunderts die Zeit der Stabilisierung und des Innehaltens. Vor allem ihr, arme Bauern, die ihr an letzter Stelle der sozialen Stufenleiter steht, trachtet nicht, die Herren nachzuffen. Denkt an den Sohn von Meier Helmbrecht. Er wollte nicht mit seinem Vater arbeiten. Als er das Haus verlie, sagte er zu ihm: Ich mchte den Geschmack des Hoflebens kennenlernen. Nie mehr werden Scke meine Schultern drcken, ich will keinen Mist mehr auf deinen Wagen laden. Gott verdamme mich, wenn ich nochmal deine Ochsen ins Joch spanne oder deinen Hafer se. Das pat doch nicht zu meinen langen blonden Locken, meinem seidenen Gewand, noch zu meiner hbschen Mtze und den Seidentauben, welche die Damen darauf stickten. Nein, ich werde dir nie mehr beim Ackerbau helfen!1 Aber er wird nur ein Vagabund. Eingefangen, reit ihm der Henker des Grundherrn die Augen aus und schneidet ihm eine Hand und einen Fu ab. Und als der Blinde bettelnd auf dem Land umherirrt, rufen ihm die Bauern zu: Ah, ah, Dieb Helmbrecht! Wenn du Bauer geblieben wrst wie ich, wrst du nicht blind und gezwungen, dich fhren zu lassen!2 Und schlielich hngen sie ihn an einem Baum auf. Helmbrecht hat nicht auf seinen Vater gehrt: Selten hat der Glck, der sich gegen seinen Rang auflehnt, und dein Rang ist der Pflug. Allen jenen, die in der Gesellschaft des 13. Jahrhunderts eine niedere Stellung einnehmen also der Masse erteilt der Dichter Wernher der Gartenaere diese Warnung: Vielleicht hat Helmbrecht
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noch Anhnger? Sie werden kleine Helmbrechts werden. Ich kann euch nicht vor ihnen schtzen, aber sie werden enden wie er, am Galgen.3 Funoten 1 ... ich wil benamen besehen, wie ez d ze hove smecke. mir sulen ouch dne secke nimmer rten den kragen. ich sol ouch dir f dnen wagen nimmer mist gevazzen, s solt mich got gehazzen, swenne ich dir ohsen waete und dnen habern saete. daz zaeme niht zewre mnem langen valwen hre und mnem reidem locke und mnem wol stnden rocke und mner waehen hben und den sdnen tben die dar f nten frouwen. ich hilf dir nimmer bouwen.
hh, diep Helmbreht! htest d gebwen alsam ich, s zge man n niht blinden dich!
waz ob Helmbreht noch ht etew junge knehtel? die werdent ouch Helmbrehtel. vor den gib ich iu niht fride, si komen ouch danne an die wide.
9. Der Glanz der Frsten und der Staaten Festigung der ffentlichen Gewalt: das Gemeinwohl und die Zentralisierung
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Die das ganze 13. Jahrhundert begleitende Stabilisierung drckt sich politisch durch das Auftreten und die Festigung der ffentlichen Gewalt aus, als Regierungsform und ideal wie als konkrete Ausbung. Am augenflligsten begnstigt sie die Nationalmonarchien: in England, Frankreich, aber auch in Skandinavien, Mitteleuropa und auf der Iberischen Halbinsel, trotz gewisser Verzgerungen und vorlufiger Rckschlge. Doch lt sich diese Tendenz auch in jenen Lndern feststellen, in denen sie versagt zu haben scheint: nmlich in Deutschland und Italien. Die sich hier bildenden Stadtgebiete oder Frstentmer verhindern zwar die nationale Einigung, sind aber letztlich als Staaten von den Feudal- oder Stadtherrschaften der vorhergehenden Zeit sehr verschieden. Da diese Umwandlung nicht sprunghaft vor sich geht und Mischformen hervorbringt, versteht sich von selbst. Jene deutschen Adligen, die durch das Statutum in favorem principum von 1231 Regalienrechte in ihren Gebieten erlangen, werden nicht von heute auf morgen aus Herren zu Frsten. Und auch als in Deutschland unter Friedrich II. und whrend des Interregnums die Bezeichnungen Freie Stadt und Reichsstadt aufkommen den Titel civitas imperii erhalten zunchst offenbar Stdte wie Aachen und Nimwegen, die in karolingischer Zeit Pfalzstdte waren; doch nennt Friedrich II. auch Lbeck 1226 libera civitas und Wien 1237 civitas imperalis verwandeln sich diese Stdte nicht sofort in Stadtstaaten. Selbst die italienischen Stdte, denen Marsilius von Padua im Defensor Pacis 1324 die Souvernitt von Knigreichen zuerkennt (regnum et civitas) und die, als Wiedergeburt der antiken polis, in ihrem contado volle Souvernitt besitzen, werden nicht von heute auf morgen zu Republiken. Da einige von ihnen ihre Regierung weiterhin signoria nennen, verrt das Doppeldeutige ihrer politischen Situation. Doch erweist sich im 13. Jahrhundert die Wandlung im Wesen der politischen Gewalt in den Stdten durch die Prgung von Goldmnzen als reinste Bekundung der Souvernitt und durch Stadtsiegel, deren Inschriften und Darstellungen ihre Bedeutung ausdrcken. Die Monarchien geben die berkommenen Grundlagen ihres Ansehens und ihrer Macht keineswegs auf, namentlich ihre aus der Salbung herrhrende Gewalt und die religise Weihe. So zeigt eine illuminierte Handschrift um 1280 (MS. lat. 1246 der Bibliothque Nationale in Paris), welche die Krnungsmesse der franzsischen Knige enthlt, diese knigliche Einsegnung in ihrer ganzen Aura. Und schlielich rumen die bis dahin in der Christenheit dominierenden Mchte Sacerdotium und Imperium, Papsttum und Kaiserreich die Szene erst nach einer blendenden Abschiedsvorstellung und keineswegs auf einmal. Welcher Papst war mchtiger als Innozenz III. (11981216), welcher Imperator trieb die Kaisermystik weiter als Friedrich II. (gest. 1250)? Doch zielt die Entwicklung auf eine Festigung der ffentlichen Gewalt ab und verweist Reich, Papsttum und darber hinaus die Christenheit nicht in die zweite Reihe, sondern auf ein anderes Gebiet als das politische.
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Knig, Frst und Stadt bergreifen die soziale und politische Ordnung nur, weil sie ein hheres abstraktes Prinzip verkrpern. Natrlich ist der Knig am besten placiert, da das monarchische Prinzip deutlicher heraustritt als die in den Landesfrsten oder Stdten verkrperte potestas. Es gengt, den Knigen zu verleihen, was bei der Kaisergewalt die Unabhngigkeit bedeutete: Regalia, Regalienrechte. Von regalis zu royal ist der bergang leicht. Fr beides benutzten die lateinischen Schreiber das gleiche Wort. Und die Wiedergeburt des rmischen Rechtes in der Mitte des 12. Jahrhunderts begnstigt diese Entwicklung allerdings nicht ohne Schwierigkeiten, da das rmische Recht in der neuerstehenden Rechtspflege ein Kaiserrecht ist. Nicht zufllig hat Friedrich Barbarossa sein Studium in Bologna gefrdert. Die Knige und ihre Berater zgern zunchst, ein Recht anzunehmen, das jene Kaisermacht zu strken scheint, von der sie sich gerade lsen wollen. Wenn Papst Honorius III. (12161227) im Jahr 1219 der Pariser Universitt den Unterricht im zivilen, d.h. rmischen Recht untersagt, so geschieht dies vermutlich auf Wunsch des franzsischen Knigs, der nicht will, da im Herzen seines Reiches das kaiserliche Recht gelehrt wird. Doch gengt es, da sich der Knig in seinem Reich die kaiserlichen Vorrechte aneignet, und schon ntzt ihm das rmische Recht, anstatt ihn zu bedrohen. Rex est imperator in regno suo der Knig ist Kaiser in seinem Reich dekretiert Papst Innozenz III. in seiner Bulle Per venerabilem (1204) bezglich des Knigs von Frankreich. Und diese Formel wird von Philipp dem Schnen zu Beginn des 14. Jahrhunderts besttigt. Was fr das regnum Franciae, das Knigreich Frankreich, gilt, gilt fr alle regna und hnliche Gewalten. Nicht der Knig, sondern das Knigreich oder, gem der juristischen Allegorie der Epoche, die Krone ist also erhht worden. Die Bezeichnung taucht am Rand der Christenheit auf, in Ungarn, Bhmen, endlich in Polen, wo die Monarchien nur mit grter Schwierigkeit berdauern oder neu erstehen. Das Wort Staat, das spter diese bergeordnete ffentliche Gewalt bezeichnet, wird im 13. Jahrhundert noch immer von einer Ergnzung oder einem Adjektiv begleitet. Man spricht vom Status regni, rei publicae, imperii, civitatis, also vom Status des Knigreichs, der Republik, des Kaiserreichs und der Stadt. Der Knigsstatus (wie er zum Beispiel 1322 in England durch das Statute of York zum Ausdruck kommt) neigt jedoch dazu, Status regni und Status regis Knig und Knigreich zu verwechseln. Doch kann der Knig nicht erklren: Ltat, cest moi. Der Staat steht ber ihm. Was namentlich der Gedanke von der Unveruerlichkeit kniglicher Territorien und Rechte ausdrckt, der in diesem neuen Begriff des unabhngigen und vllig souvernen Knigreichs verankert ist. Dieser Begriff der Unveruerlichkeit wurde im 13. Jahrhundert vor allem in Spanien (Aragonien und Kastilien) und in England betont. Die zwischen 1290 und 1300 verfate englische Rechtssammlung Fleta berichtet in einer erdachten Szene, die sich vielleicht auf das Konzil von Lyon sttzt (1274), zu dem die
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Souverne geladen waren, da alle Knige der Christenheit sich zum Konzil in Montpellier versammelt und Veruerungen fr ungltig erklrt htten, die sie und ihre Vorgnger zum Schaden der Vorrechte und Territorien ihrer Kronen vorgenommen htten. Da die Knige dem Gemeinwohl und Gemeinnutzen gem regieren sollten, brachte eine alte Unterscheidung zwischen Knig und Tyrann wieder zu Ehren, auf der die karolingischen Autoren in einem anderen Zusammenhang bestanden hatten. Nur der gerechte, fr das Gemeinwohl wirkende Knig ist rechtmig; der ungerechte Knig ist ein Tyrann, gegen den man sich erheben darf, ohne da allerdings der Tyrannenmord gebilligt wird, wie es am Ende des 12. Jahrhunderts Johannes von Salisbury getan hatte, vermutlich aus Entrstung ber die Ermordung Thomas Beckets (1170). Die im 13. Jahrhundert florierenden Frstenspiegel und politischen Traktate, etwa von Thomas von Aquino (De Regimine Principum, um 1270) oder von gidius von Rom betonen diesen wesentlichen Unterschied zwischen Knig und Tyrann. Endlich ist es normal, da der Knig, in dem sich ein hheres Prinzip verkrpert, dessen Bewahrer er ist, kontrolliert wird. Es ist nur scheinbar widersprchlich, da solche Kontrollversammlungen (parliaments, cortes) im 13. Jahrhundert in England und Spanien am regsten sind, wo sich das Prinzip der Monarchie am strksten durchgesetzt hat. Und whrend in Frankreich unter Philipp dem Schnen (12851314) die Rechtsgelehrten das Prinzip der Monarchie am lautesten verknden, treten die ersten Stndeversammlungen zusammen. Das rmische Recht hat zwar das Aufkommen der ffentlichen Gewalt gesttzt, bildet aber nicht seine Ursache. Diese ist in einer Gesamtentwicklung zu suchen, welche verlangt, da der fr das Wirtschaftsleben, die sozialen Vernderungen und eine vernderte Denkweise notwendige Frieden durch eine ebenso rechtmige wie wirksame Gewalt garantiert werde. Nachdem die Legitimitt durch das Recht und die politische Theorie definiert ist, folgt die Macht durch die Entwicklung von Finanzen, Armeen, Justiz und Beamtenschaft, die dem Knig zur Verfgung stehen. So zieht die anwachsende ffentliche Macht eine anwachsende Zentralisierung nach sich. Ehe wir das Imperium mit Friedrich II. in seinem letzten Glanz sehen und die Strkung der Monarchien in Spanien, England und Frankreich verfolgen, mu die politische Entwicklung in Gebieten gestreift werden, wo der ffentlichen Gewalt weder solche Erfolge noch ein so ruhmreiches Ansehen beschieden sind. Fortschritte und Rckschlge der Monarchie in Skandinavien Die dnische Monarchie scheint im 13. Jahrhundert auf der ganzen Linie zurckzugehen. Sie kann die deutsche Kolonisierung in Schleswig nicht verhindern und mu zulassen, da ihr Nordschleswig (dnisch Snerjylland) nunmehr durch lockere Bande feudaler Art verbunden bleibt. 1253 belehnt Knig Christoph I. einen seiner Shne mit Nordschleswig; die Belehnung erfolgt auf deutsche Weise mit dem Banner, ein bisher im Norden unbekannter Brauch. 1261 wird Knig Erik V., der diese Zugestndnisse rckgngig machen will, von den
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Holsteinern auf der Loheide geschlagen. Doch fhrt diese Kompromilsung, welche die Beziehungen der dnischen Krone mit dem Herzogtum Nordschleswig stabilisiert, letztlich zur Bildung eines Puffergebiets, das Dnemark vor der deutschen Kolonisierung schtzt. Im Innern scheinen die Kirchenfrsten, spter die groen weltlichen Herren, zum Schaden der Krone an Macht zu gewinnen. Allerdings hat der Einflu Erzbischof Absaloms, der Dnemark praktisch vom Tod Waldemars des Groen (1182) bis zu seinem eigenen Ende regierte (1201), die noch schwache Monarchie eher erhalten als gefhrdet. Ebenso sind die Konflikte zwischen Kirche und Knigtum (1227 bis 1282), die schlielich zum offenen Streit zwischen der Krone und Erzbischof Jakob Erlandsn fhren, ein bliches Stadium der Entwicklung von Beziehungen zwischen Kirche und Monarchie im Mittelalter. hnliches war in Deutschland und im England Heinrichs II. und Thomas Beckets vorausgegangen. Die Hilfe Roms kann den Eindruck erwecken, da die Kirche gesiegt hat; die Tatsache aber, da der Erzbischof acht Jahre nach dem Proze, der ihn erneut eingesetzt hat, stirbt, ohne seinen Sitz wiedereinnehmen zu knnen, zeigt, da der Knig in Wirklichkeit die politische Vorherrschaft der Kirche gebrochen hat. Inzwischen festigt die dnische Monarchie die konkrete Grundlage ihrer Macht durch das von der kniglichen Kanzlei unter Waldemar II. (1231) zusammengetragene Generalinventar des Reiches: das Jordebog oder Katasterverzeichnis, eine Art dnisches Domesday Book. In die gleiche Richtung zielt die seit der Jahrhundertmitte fast regelmig erfolgende Versammlung der Groen; dieser Danehof zwingt den Knig 1282, dem Lande die Handfestae zu gewhren, die man die Magna Charta Dnemarks genannt hat. Mehr als eine Beschrnkung der Knigsgewalt durch die Groen mu man in diesem Akt die Tatsache sehen, da dem Knig neuartige gesetzgeberische und rechtsprechende Befugnisse zuerkannt werden. Damit ist die Umwandlung der feudalen in eine vertragsmige Monarchie besiegelt, welche die Interessen des einzelnen und der Klassen bersteigt. Mit der Herrschaft Sverrirs (11771196), des Anfhrers der in die Wlder geflchteten und gechteten Bauern (Birkebeiner), erlebt das norwegische Knigtum am Ende des 12. Jahrhunderts einen originellen Abschnitt. Er lt die Knigs-Sagas aufzeichnen und bekmpft die Kirchenhierarchie. Unter Haakon Haakonsson (12171263), der sich 1247 im Dom zu Bergen prchtig krnen lt, und Magnus Lagaboetir (Gesetzesverbesserer) macht die Monarchie entscheidende Fortschritte. Der letztere ersetzt die alten Gewohnheiten durch eine im ganzen Reich gltige Gesetzeskodifikation, welche dem Knig und seinen Helfern die Legislative und Rechtsprechung bertrgt. In der Mitte des 13. Jahrhunderts verfat ein Unbekannter den Knigsspiegel (Konungskuggsj), der den Beitritt Norwegens zum Konzert der christlichen Monarchien besiegelt. Doch stellt Magnus die knftige wirtschaftliche Unabhngigkeit des Landes in Frage, indem er 1278 zum ersten Male den deutschen Hansekaufleuten auergewhnliche Privilegien gewhrt.
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Entscheidend fr die Festigung der Monarchie in Schweden ist die Regentschaft Birger Jarls (12501266) und die Regierungszeit Magnus Laduls (12751290), den die in Versform gehaltene Erikskrnika als Musterherrscher hinstellt. Er erweitert die sachlichen Befugnisse der Krone, indem er den Erla vom Knig direkt und ohne Befragung des Things beschlossener Verfgungen und Dekrete verallgemeinert und in das schwedische Recht den Begriff Majesttsbeleidigung einfhrt. Er mehrt sein Ansehen durch den Bau des herrlichen Doms von Uppsala, der die Gebeine Eriks des Heiligen aufnimmt. Die Parlamente (hodvagar), welche nach dem Vorbild des Danehof seit 1284 zusammentreten, sind eher Sttzen als Schwchungen der Knigsmacht. Birger Jarl hatte 1249/50 Finnland erobert, dessen Evangelisierung von bo, einem Uppsala unterstellten Bischofssitz aus, aktiv betrieben wurde. Auch ein bereits 1249 durch die Dominikaner von Sigtuna gegrndetes Kloster beteiligte sich an dieser Aufgabe. Doch erst mit dem Frieden von Phkinsaari (1323) hren die Anfechtungen der schwedischen Eroberung durch die Nowgoroder Russen auf. Allerdings treten auch die Schweden ohne das Ausma der von Norwegen gewhrten Zugestndnisse zu erreichen einen Teil ihrer Unabhngigkeit an die deutschen Hansekaufleute ab, die sich in Wisby auf Gotland, aber auch in anderen Stdten, namentlich in dem von Birger Jarl gegrndeten Stockholm, fest niedergelassen haben. Doch bleiben die skandinavischen Stdte (Ribe hat 1252 den ersten Stadtrat Rd ; der Deutsche Hinze von Heden wird 1297 erster Brgermeister von Stockholm) eng der Knigsgewalt unterstellt. Polen, Ungarn, Bhmen die Unglcklichen Knigreiche Osteuropas Sogar in Polen, wo das 13. Jahrhundert den Zusammenbruch des Knigstums zu besiegeln scheint, fhren diese Katastrophen schlielich zu einer Restauration der Monarchie. Die Heimsuchungen sind allerdings gro und haben vielfach dauerhafte Folgen. Der Mongoleneinfall von 1241 richtet im Sden rasch behobene Schden an. Die Herrschaft der Bhmenknige Wenzel II. und Wenzel III. als Knige von Polen (13001306) ist ein Zwischenspiel keineswegs rein negativer Art, da es die Existenz eines geeinten polnischen Knigreichs besttigt, trotz des Mitrauens vieler polnischer Magnaten gegenber der deutschen Umgebung Wenzels II. So bedauert Erzbischof Jakob Swinka von Gnesen, da Hans Wlfing, ein deutscher Hundesohn, bei der Krnung Wenzels gepredigt habe. Doch geht der deutsche Einflu viel tiefer. In vielen Stdten und Landzentren ist er so gro, da sie im 13. Jahrhundert das deutsche, genauer gesagt das Magdeburger Recht annehmen (mit lokalen Ausprgungen in Chemno und Schroda), whrend sich Pommern fr das Recht von Lbeck entscheidet. Dies Recht bringt grere individuelle Freiheit und begnstigt das Wirtschaftsleben, besiegelt aber zugleich auch den deutschen Einflu. Die Germanisierung Polens durch das deutsche Recht betrifft im 13. Jahrhundert vor allem Schlesien und Pommern. Von zwei Basen aus erfolgt auch eine deutsche Landnahme. Mitte des 13. Jahrhunderts bemchtigt sich die Mark Brandenburg
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des Castrums Lebus am linken Oderufer und dringt tief in Gropolen und Westpommern ein. 1226 ruft Herzog Konrad von Masowien unvorsichtigerweise den Deutschritterorden gegen die heidnischen Preuen und Litauer zu Hilfe. Durch harte Kmpfe, bei denen es zu erbarmungslosen Metzeleien kommt, besiegen und bekehren die Ordensritter zwischen 1226 und 1285 die Preuen. Gleichzeitig setzen sie sich als Nachfolger des Schwertbrderordens in Livland fest. Die auf Polen lastende Bedrohung verstrkt sich also. Wenzel III. tritt Pommern und Danzig im Austausch gegen Misnien an den Markgrafen von Brandenburg ab, der sich dieses Gebietes bemchtigt, ausgenommen Danzig, das der Deutschritterorden 1307 fr sich beansprucht. Die Zersplitterung des Knigreichs Polen nimmt wie die Zahl der Frsten aus dem Piastenhause im 13. Jahrhundert noch zu, und die von Boleslav Schiefmund testamentarisch eingesetzte Senioratsverfassung geht unter. Dennoch bleibt das polnische Nationalbewutsein wach, namentlich im Klerus. Die Synode von Lczyca ordnet 1285 an, da nur Kleriker mit guten Polnischkenntnissen zu Scholastern ernannt werden drfen. Erzbischof Jakob Swinka von Gnesen beklagt sich bei der Kurie ber die deutschen Franziskanermnche, die kein Polnisch verstehen, und verfgt, da auf polnisch gepredigt werden mu, zum Schutz und zum Ruhm der polnischen Sprache ad conservationem et promotionem linguae polonicae. 1295 salbt Swinka in Gnesen Przemyslav II., Herzog von Gropolen, zum Knig, der seine Autoritt jedoch nicht auf alle polnischen Gebiete ausdehnen kann. 1320 lt sich Wladyslav Lokietek, Herzog von Kujawien, der Gro- und Kleinpolen sowie das Herzogtum Sandomir unter seiner Herrschaft vereinigt hat, im Krakauer WavelDom zum polnischen Knig krnen. Sein Sohn ist Kasimir der Groe. Auch im Knigreich Ungarn gehen inmitten der Heimsuchungen des 13. Jahrhunderts weder das Nationalgefhl noch die monarchistische berlieferung verloren. Bela III. (11721196) hat die Knigsmacht auf feste Grundlagen gestellt. Andreas II. scheint sie sich durch die Goldene Bulle von 1222 teilweise entgehen zu lassen, welche den Magnaten groe Zugestndnisse macht. Aber auch hier handelt es sich um ein Gleichgewicht zwischen der Monarchie und den sie kontrollierenden Krften. Der Mongoleneinfall frdert jedoch die zentrifugalen Tendenzen. Ladislav IV. (12711290), Sohn einer Kumanen-Prinzessin, begnstigt die Heiden derart, da der Papst den Kreuzzug gegen ihn predigt. Andreas III. (12901301) ist der letzte der Arpaden. Nach ihm setzen sich auslndische Knige Tschechen, Polen, Anjou die Stephanskrone auf, die, obschon auf fremden Kpfen sitzend, die Nationalidee berdauern lt. Am strksten bedroht ist letztlich in Osteuropa jene Monarchie, welche am solidesten verankert scheint. Schon 1197 hat das Premyslidenhaus in Bhmen die Primogenitur in der Thronfolge eingefhrt und die bei den Slawen bliche Senioratsverfassung abgeschafft. Ottokar II. (12531278) entfaltet als goldener Knig an seinem Prager Hof einen unvergleichlichen Prunk. Zu seinen Lndern in Bhmen und Mhren fgt er sterreich, die Steiermark, Krnten und Karniola
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hinzu. Als Kurfrst des Reiches greift er nach der Kaiserkrone und scheint sie 1273 zu erhalten, wird aber von seinem Rivalen Rudolf von Habsburg 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld besiegt. Der Traum von Grobhmen ist versunken, nicht aber die Macht der bhmischen Krone, die sich noch durch die Silberminen von Kuttenberg als Quelle mrchenhaften Reichtums vermehrt. Wenzel III. (1305/06) ist Knig von Bhmen, Polen und Ungarn. Aber auch hier kommt die doppelte Gefahr von deutscher Seite. Durch ihre Kolonisierung erhalten die Deutschen in den Stdten und am Hof Bhmens einflureiche Stellen. Auenpolitisch verfolgen die bhmischen Knige das Ziel, sich im Reich zu vergrern und die Kaiserkrone zu erringen. Die Premysliden vererben den Knigen aus dem Hause Luxemburg diesen Kaisertraum, den Karl IV. verwirklichen wird, wobei er allerdings den Fortbestand der bhmischen Krone gefhrdet, die in die Kaiserrivalitten und innerdeutschen Intrigen einbezogen wird. Wirren und Neuordnung in Italien Selbst Italien, wo im 13. Jahrhundert das regnum Italiae zu verschwinden scheint, verzeichnet trotz politischer Spaltung Fortschritte auf eine ffentliche Gewalt hin. Nach dem Tod Friedrichs II. (1250) werden in der zweiten Jahrhunderthlfte wieder Karten entworfen, auf denen man den Druck der wirtschaftlichen Krfte am Werk sieht, welche die politischen Grenzen gem wirtschaftlich lebensfhiger Zonen festzulegen suchen. So nutzen die Ppste den Niedergang der Kaisermacht, um das Patrimonium Petri bis zur Adria auszudehnen. Schon beim Tod Heinrichs VI. (1197) hat sich das Papsttum des Herzogtums Spoleto und der Grafschaft Ancona bemchtigt; seine Herrschaft in der Romagna wird aber erst mit dem Verzicht Rudolfs von Habsburg endgltig. Das Ableben Friedrichs II. klrt auch die Lage im Knigreich Neapel, dem der Kaiser durch die Konstitutionen von Melfi (1231) eine zentralistische und brokratische Struktur gegeben hat. Mit Hilfe des Papstes entledigt sich Karl von Anjou, ein Bruder Ludwigs des Heiligen, der Nachkommen Friedrichs: seines Bastardsohnes Manfred in Benevent (1266), des Enkels Konradin in Tagliacozzo (1268). Die Herrschaft des Hauses Anjou bringt zwei Rckschlge mit sich. Einmal lassen die Karl begleitenden franzsischen Ritter die Feudalitt wieder aufleben; zum zweiten wirft die franzsische Brutalitt die Sizilianer den Aragonesen in die Arme, die das westliche Mittelmeer beherrschen (1282 Sizilianische Vesper). Doch indem es die von den Staufern hergestellten Bande zwischen Neapel und dem Reich lst, gibt das Haus Anjou Sditalien seiner italienischen Bestimmung zurck und bewahrt dort die mornarchische Regierungsform. In Nord- und Mittelitalien ergibt sich eine bestimmte Vereinfachung aus der deutlichen Vorherrschaft einiger Stdte. Genua ist Herrin der Riviera, hat sich fest auf Korsika und Sardinien niedergelassen und erhlt 1261 nach dem Untergang des lateinischen Kaisertums vom basileus in Konstantinopel das
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Handelsmonopol im Schwarzen Meer, auf der Krim und in den Gebieten um das Kaspische Meer. Durch die Seeschlacht von Meloria, in der die pisanische Flotte aufgerieben wird, entledigt es sich der grten Rivalin, Pisa. Zwischen 1214 und 1293 verachtfacht sich der Wert der im Hafen von Genua umgeschlagenen Waren. Vom Aufblhen Mailands und Florenz war schon die Rede. Venedig ist zunchst die groe Nutznieerin des umgelenkten vierten Kreuzzugs, der zur Einnahme von Konstantinopel und zur Schaffung eines lateinischen Kaisertums fhrt. Doch ist es schon so mchtig, da auch die Ereignisse von 1261, die Genua den ersten Platz in Konstantinopel wiedergeben, seinen Wohlstand nur vorbergehend gefhrden knnen. Es hat eine Herrschaft auf dem Wasser errichtet, die nicht nur mrchenhaften Reichtum einbringt, sondern auch die Erzeugung von Lebensmitteln (Getreide, Wein, l, Rohrzucker, Honig, Rosinen) sowie Ansiedlungen zur Folge hat. Dies Reich erstreckt sich von Istrien ber Dalmatien und Epirus bis nach Kreta, Euba und einer Reihe von Inseln im gischen Meer. Die Niederlassungen werden durch Kontore in Konstantinopel, am Schwarzen Meer und in Alexandrien ergnzt. Doch auch nach Norditalien und den Lndern nrdlich der Alpen sichert sich Venedig Zufahrtswege. 1240 zwingt es Ferrara, ihm die freie Schiffahrt auf dem Po zuzusichern; alle stromaufwrts befrderten Waren mssen Venedig passieren. Durch eine Reihe politischer Reformen gibt sich die Stadt eine komplizierte Verfassung. Der Doge ist der Kontrolle der Handelsaristokratie unterworfen, die sich 1297 durch die Serrata del Gran Consiglio erbrechtlich abschliet. Durch solche politische Stabilitt gelangt ein Staat an die Spitze, dessen hauptschliches Machtinstrument die Flotte ist, vom Schiffsbau im Arsenal bis zur Seetchtigkeit. Eine sehr komplizierte, aber auch sehr ergiebige Besteuerung verschafft dem venezianischen Staat die Mittel fr seine Politik. Ein weiteres Anzeichen fr das Anwachsen der ffentlichen Gewalt in Nordund Mittelitalien ist das Auftreten neuer politischer Anfhrer in den Stdten (podestas, capitani, signori) oder von Herren, die bestimmte Gebiete einschlielich der Stdte ihrer Autoritt unterstellen. Dies ist in Piemont zwischen 1260 und 1290 unter Wilhelm von Montferrat der Fall. Die ergebnislosen Versuche der Kaiser (der Zug Heinrichs VII. in den Jahren 1310 bis 1313 stellt Stdte, Parteien und Gruppen gegeneinander, bleibt aber ohne Nachwirkung) und der Ppste sowie der Anjou von Neapel, mit Hilfe ihrer Anhnger im ghibellinischen bezw. guelfischen Lager mehr Macht in Mittel- und Norditalien zu gewinnen, scheinen diese Gegenden stndigen inneren Kmpfen auszuliefern. Aber hinter dieser Zersplitterung des politischen Lebens macht die ffentliche Gewalt berall Fortschritte. Man braucht nur die Stadtarchitektur dieser Gebiete zu betrachten, um zu erkennen, da die Trme der Adelsfamilien die Sonderinteressen der Groen und Reichen nicht mehr durchzusetzen vermgen. Das pulsierende Herz der Stadt ist der Platz, auf dem zum Beispiel in Todi 1213 der Palazzo del Popolo (12281233 um ein Stockwerk erhht), seit 1290 der Palazzo del Capitano und nach 1293 der Palazzo dei Priori errichtet werden. Der
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Adler, als Stadtsymbol in Marmor an der Flanke des Palazzo del Popolo, in Bronze an der Fassade des Priorenpalastes sichtbar, und die in die Treppenhauswnde des Palazzo del Capitano eingelassenen Mae bezeugen, da hier das ffentliche Leben geregelt vor sich geht, von den einfachen Akten des Wirtschaftslebens bis zu den Beschlssen, die ber das Los der Stadt entscheiden. Schlielich darf auch ein merkwrdiger Vorfall nicht bergangen werden. 1252 bricht in Rom eine demokratische Revolution aus, welche den Bolognesen Brancalene dAndolo an die Macht bringt, der sich auf die antike Romidee beruft. Seine Mnzen tragen die Devise Roma caput mundi (Rom, Hauptstadt der Welt) und die Abkrzung SPQR (Senatus Populusque Romanus Senat und rmisches Volk); das Siegel zeigt eine weibliche Gestalt (Roma) und einen Lwen (das rmische Volk). Brancalene scheitert 1258 endgltig. Die Ppste mssen Rom jedoch zwischen 1260 und 1272 verlassen. Kaiserkrise und Aufstieg der Stdte und Frsten in Deutschland Aus Italien fast verdrngt, schwankt das Kaisertum auch in Deutschland. Der Tod Heinrichs VI. (1197) gibt dem neuen Papst Innozenz III. (1198) eine unverhoffte Mglichkeit, den Streit zwischen Sacerdotium und Imperium fr sich zu entscheiden. Er bestreitet den Thronanspruch des jungen Friedrich Roger (der sptere Kaiser Friedrich II.), den man mit drei Jahren zum Knig von Sizilien gekrnt hat, und wird anstelle von dessen bald gestorbener Mutter in seiner Eigenschaft als Lehnsherr des Knigreichs Sizilien Regent ber die Insel. In Deutschland, wo der Thronkrieg zwischen Philipp von Schwaben und Otto von Braunschweig tobt, erkennt Innozenz letzteren 1201 als Otto IV. an, berwirft sich mit ihm nach dem Tode Philipps (1208) und untersttzt sein Mndel Friedrich Roger 1212 gegen ihn. Dieser, Friedrich II., sichert sich die Hilfe des Papstes, indem er ihm groe Zugestndnisse macht und sogar einige der Rechte abtritt, die das Wormser Konkordat den deutschen Kaisern gewhrt hatte. Seine Gegner nennen ihn den Pfaffenknig. Otto IV., der sich mit dem englischen Knig Johann Ohneland und verschiedenen deutschen und franzsischen Frsten verbndet hat, wird von Knig Philipp August von Frankreich 1214 in der Schlacht von Bouvines besiegt und stirbt 1218. Der neue Herrscher Friedrich II. ist eine erstaunliche Persnlichkeit, berreich an Gaben, Tatkraft und Ideen. Er ist im kosmopolitischen Milieu von Palermo aufgewachsen, an allem interessiert, und hat sich, von den ppstlichen Beamten vernachlssigt, als Autodidakt gebildet. Er ist Poet und Philosoph, vom arabischen Rationalismus ebenso beeinflut wie vom Hermetismus; er ist zynisch und heftig, feudal und modern, nach allem begierig und zu frei denkend, als da man seine Rechtglubigkeit nicht angezweifelt htte. Er ist in erster Linie Lateiner, und Deutschland dient ihm vor allem dazu, Italien wiederzuerobern und von da aus vielleicht die Trume seines Vaters Heinrich VI. zu verwirklichen. Zu diesem Zweck, und um dem Papsttum einen Teil der gewhrten Zugestndnisse wieder abzunehmen, lt er seinen Sohn
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Heinrich (VII.) 1220 zum rmischen Knig krnen, whrend er selbst noch nicht die Kaiserkrone erhalten hat. Zum Ausgleich mu er den deutschen Kirchenfrsten groe Privilegien zugestehen. Nachdem er vom Papst in Rom zum deutschen Kaiser gekrnt worden ist, zieht er sich im Dezember 1220 in sein Knigreich Sizilien zurck und berlt Deutschland, wohin er erst 1235 wieder reist, Heinrich (VII.) und dessen Beratern, Kirchenfrsten und Ministerialen, die sich zur Strkung der Knigsautoritt auf die Stdte sttzen. Friedrich selbst, der in Italien einen heftigen Konflikt mit dem Papst heraufbeschworen hat, sucht dagegen die Untersttzung der groen weltlichen Herren zu gewinnen und zwingt seinen Sohn, ihnen 1231 das Statutum in favorem principum zu gewhren. Exkommuniziert, bricht er zu einem merkwrdigen Kreuzzug auf, der damit endet, da der Sultan von gypten den Christen 1229 vertragsweise Jerusalem und die heiligen Sttten zurckgibt. Er shnt sich mit dem Papst aus, verfolgt in der Lombardei die Hretiker und wirft seinem Sohn deren Duldung in Deutschland vor, worauf die Inquisition der Dominikaner dort von 1231 bis 1233 mit namenlosem Fanatismus gegen die Ketzer wtet. 1235 kehrt Friedrich nach Deutschland zurck und nimmt Heinrich die Herrschaft ab, die er 1237 einem andern Sohn, Konrad IV., bertrgt. Wieder in Italien, trgt Friedrich 1237 bei Cortenuova einen glnzenden Sieg ber die lombardischen Stdte davon, berwirft sich aber endgltig mit dem Heiligen Stuhl. Innozenz IV. lt ihn 1245 auf dem Konzil von Lyon exkommunizieren und absetzen und ruft in Deutschland Gegenknige aus. Friedrich, der sich nicht aus Italien rhrt, um gegen die Mongolen zu kmpfen, die 1241 Sddeutschland bedrohen, stirbt 1250 in Apulien und vermacht das Imperium und das Knigreich Sizilien testamentarisch seinem Sohn Konrad. Sicher ist es sein Ziel gewesen, dem Kaisertum eine neue Weihe zu geben. Er versucht, seinen Anspruch auf das Universalreich juristisch und theoretisch zu erhrten. Im Liber Augustalis, das seine Kanzlei in Palermo verfat, ist er der neue Justinian und der neue Augustus. Er greift die Vorstellung vom heiligen Reich (Sacrum Imperium), vom gttlichen Kaiser (divus imperator) und von der geheiligten kaiserlichen Majestt (sacra maiestas imperialis) wieder auf. Auf Grund dieses Anspruchs prgt er Goldmnzen, augustales. Andererseits macht er sich die zeitgenssischen Trume vom Tausendjhrigen Reich zunutze und tritt (whrend er fr seine Gegner der Antichrist ist) als der Kaiser auf, der das goldene Jahrhundert erffnet, das goldene Zeitalter auf die Erde zurckbringen und die Welt retten wird. Diese Ansprche scheitern an den Fehlschlgen, fr die seine Politik groenteils verantwortlich ist. Bei seinem Tod gehrt Deutschland den weltlichen und geistlichen Frsten. Auch wenn, nach dem Interregnum, Rudolf von Habsburg (12731291) und sein Sohn Albrecht I. (12981308) die Macht des Kaisertums wiederherzustellen scheinen, begnstigen innere Rivalitten und die Wiederaufnahme der Italienidee durch Heinrich VII. von Luxemburg (1310) die Schwchung der nationalen Knigsgewalt. Es ist erstaunlich, da die Kaiser des
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13. Jahrhunderts, vielleicht mit Ausnahme der Habsburger und Heinrichs, des Sohnes Friedrichs II., die lebendigen sozialen Krfte Deutschlands vernachlssigt und die echte politische Storichtung bersehen haben. Brger, Kaufleute, Ministerialen und Frsten interessieren sich nmlich weniger fr Italien als fr Nord- und Osteuropa. Wenn sie in Italien aktiv sind, dann auerhalb der Kaiserpolitik, wie jene Kaufleute, die fr ihre Waren in Venedig die Niederlassung des Fondaco dei Tedeschi in der Nhe der RialtoBrcke grnden. Die Hanseaten und deutschen Missionare grnden 1201 Riga, 1224 Dorpat, 1230 Reval, 1218 Rostock, 1228 Wismar, 1237 Elbing und 1255 Knigsberg. Sie beherrschen von Bergen, Stockholm und Wisby aus den skandinavischen Handel. Sie setzen sich in den meisten polnischen Stdten fest und bringen das deutsche Recht dorthin. Vom Herzog Boleslav erwirken sie zum Beispiel 1257 in Krakau, da ihnen das Brgerrecht vorbehalten bleibt, von dem die Polen ausgeschlossen sind. Sie schlieen sich den Rheinlndern, Klnern und Westfalen an und nehmen in London und Brgge eine ausschlaggebende Stellung ein. Die Hanse der Kaufleute weicht der Hanse der Stdte. Die wendischen Stdte entfhren 1299 das Siegel der Hansekaufleute aus Gotland; Lbeck, das Wisby ablst, setzt sich immer deutlicher an die Spitze dieses Stdtebunds. In Preuen und Livland grnden Schwertbrder und vor allem Deutschritter einen Staat von Rittermnchen, der wirtschaftlich sehr modern gesinnt ist. Ihr Vordringen nach Ruland wird allerdings durch die Nowgoroder aufgehalten, die ihnen 1243 unter Alexander Newski eine empfindliche Niederlage beibringen. Die deutschen Kaufleute kommen ber Polozk nicht hinaus. Neben den Kaufleuten und Missionaren aller Art mu man die Frsten und Ritter nennen, die innerhalb Deutschlands nach Osten und Sdosten drngen. Die Mark Brandenburg vergrert sich. Berlin wird 1230 gegrndet, Frankfurt an der Oder 1253. Den glnzendsten Erfolg verzeichnen im 13. Jahrhundert die Habsburger. Rudolf arbeitet weniger fr die Kaiserkrone als fr seine Familie. Nach der Niederlage des Bhmenknigs Ottokar auf dem Marchfeld (1278) erhlt dieser kleine schwbische Herr fr seine Shne sterreich, die Steiermark und Karniola zugesprochen. 1286 legt Meinhard, Graf von Tirol, das Versprechen ab, ihm Krnten abzutreten. Die Geburtsstunde der Schweiz Fast unbemerkt geht ein kleines Ereignis vorber. Es ist eine habsburgische Niederlage, die in einem anderen Sinne sehr zukunftstrchtig ist. Am 1. August 1291 schwren die Mnner der Waldsttten von Uri, Schwyz und Unterwaiden einen ewigen Bund gegen die habsburgische Bedrohung. Es ist dies nicht der erste Schwurbund, der Gebirgler oder Stdter zusammen--schliet. Doch aus diesem wird die helvetische Konfderation hervorgehen. Am 15. November 1315
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stellen die Bndischen ihre militrische Begabung erstmalig unter Beweis, als sie die Truppen Leopolds von Habsburg in Morgarten vernichtend schlagen. Die spanische Reconquista und die katholischen Knigreiche Die Geschichte der iberischen Christenheit beginnt mit einem groen Ereignis. Am 16. Juli 1212 tragen die Knige von Kastilien, Aragonien und Navarra in Las Navas de Tolosa einen groartigen Sieg ber den Kalifen von Cordoba davon. Die Reconquista lt die moslemische Herrschaft am Ende des 13. Jahrhunderts auf das Knigreich Granada zusammenschrumpfen. Portugal, wo die Besiedlung unter Sancho I. O Provador (11851211) ihren Hhepunkt erreicht, schliet seine Reconquista mit der Besetzung der Provinz Algarve ab. Kastilien erzielt in Andalusien entscheidende Erfolge. Im zurckeroberten Cordoba wird die groe Moschee 1236 zur Kathedrale, und die einst von Al Mansor erbeuteten Glocken werden in feierlicher Prozession nach Santiago de Compostela zurckgebracht. 1248 fllt Sevilla. Ferdinand III. von Kastilien bezieht den Alcazar der Almohadenfrsten. Im gleichen Jahr stellt sich der Maurenknig von Murcia unter den Schutz der Kastilier. Aragonien, wo die Katalanen die treibende Kraft sind, richtet sein Augenmerk immer mehr auf das Mittelmeer. Von 1229 bis 1232 werden die Balearen erobert, 1238 Valencia eingenommen, 1235 fallen Alcira und Jtiva. 1268 bergibt der Knig von Aragonien die Gegend um Alicante, die er den Moslems fortgenommen und mit Katalanen besiedelt hat, an Kastilien. 1282 wird den Anjou Sizilien abgenommen.
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Abb. 16: Kulturelle Kontakte whrend der spanischen Reconquista. Innenraum von Santa Maria la Bianca in Toledo, eines Bauwerkes im Mudjar-Stil, das zunchst Juden, spter Christen als Gotteshaus diente
Angesichts der erfolgreichen Reconquista kann das Fortdauern der politischen Aufspaltung auf der Iberischen Halbinsel als Fehlschlag erscheinen. Aber auch hier sind zwei Erfolge zu verzeichnen. 1233 erfolgt die endgltige Vereinigung von Len und Kastilien. 1258 erkennt Ludwig der Heilige im Vertrag von Corbeil den Knig von Aragonien, der auf die Lehnshoheit ber die Gascogne verzichtet hat, als Herrscher von Katalonien, Roussillon und Montpellier an. Dagegen fllt Navarra 1235 einer Dynastie aus der Champagne zu. Die Heirat der Knigin Johanna mit Philipp IV. dem Schnen macht ihn zum ersten Knig von Frankreich und Navarra. Es bleibt die Dreiteilung in Portugal, Kastilien, Aragonien. Jaime I. von Aragonien fhrt eine neue Aufsplitterung ein, indem er seine Lnder unter zwei Shne aufteilt: Aragonien, Katalonien, Valencia fr den einen, Balearen, Roussillon und Montpellier fr den anderen. Auf der ganzen Halbinsel wird jedoch die monarchische Macht durch das Ansehen zweier groer Knige bestrkt: Ferdinand III. von Kastilien (12171252) und Jaime I. von Aragonien (12131276). Die von den Herrschern unternommene grndliche Kodifizierung ist ein Beweis dafr. In Kastilien erscheint unter Alfons X. (12521284) die Gesetzessammlung der Siete Partidas; in Portugal, wo Alfons II. (12111223) die Besitzansprche auf das Land durch Umfragen prfen lie und der Kirche durch die amortizaao verboten hatte, neue Lndereien zu erwerben, entstehen unter Alfons III. (1248 bis 1279) die Ordenaoes. Es entwickeln sich Steuererhebungen und militrische Einrichtungen, die ebenfalls die Knigsmacht und die vom Knig abhngigen Beamten sttzen: adelantados in Kastilien, bayle und viguiers auf Mallorca. Die Entwicklung der Cortes, in denen die Interessenvertretung der Stdte und des Handels zunimmt, schafft ein Gegengewicht zur Knigsmacht und hlt so die ffentlichen Einrichtungen im Gleichgewicht. England strebt zur gemssigten Monarchie: Magna charta und Entstehung des Parlaments Inmitten heftiger Kmpfe zwischen der Monarchie und Vertretern verschiedener sozialer Gruppen pendelt sich im England des 13. Jahrhunderts das politische Gleichgewicht ein. Die Autoritt Johanns Ohneland (11991216) wird durch seinen Konflikt mit der Kirche und seine Niederlagen auf dem Kontinent ausgehhlt. Die Weigerung des Knigs, den von Innozenz III. ernannten Kardinal Stephan Langton als Erzbischof von Canterbury anzuerkennen, bringt fr England das Interdikt (1208) und die Exkommunikation des Knigs (1209) mit sich. Das Interdikt besteht sechs Jahre. Johann Ohneland, der die Verwaltung des Reiches durch
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seine Beamten mit groer Sorgfalt betreibt, verschafft sich dennoch Gehorsam. 1213 wird er jedoch durch Innozenz III. abgesetzt, welcher die englische Krone dem franzsischen Knig Philipp August anbietet. Johann demtigt sich daraufhin und stellt sein Land unter die Lehnshoheit des Heiligen Stuhls, dem er einen jhrlichen Vasallentribut zu entrichten verspricht. Verschiedene Konflikte mit den Baronen lsen sich im Juni 1215 auf der Wiese von Runnymede bei Windsor, wo Johann Ohneland die Magna Charta libertatum anerkennt. Dieses berhmte Ereignis ist insofern ein reaktionrer Akt, als es die Knigsautoritt zugunsten von Freiheiten oder Privilegien der Kirche und des Adels beschneidet. Aber indem die Magna Charta die Stdte in ihre Zugestndnisse mit einbezieht und den Knig zu dem Versprechen verpflichtet, ohne gemeinsame Beratung des Reiches keine Steuern zu erheben, ffnet sie allen konstitutionellen und demokratischen Entwicklungen die Tr. Andererseits besttigt die Magna Charta das Vorhandensein und die Ttigkeit der Beamten (Richter, Konstabler, Sheriffs und Baillis) durch das Versprechen des Knigs, das Gesetz mit Hilfe seiner Beamten befolgen zu lassen und Wiedergutmachungen fr gewisse Erpressungen zu gewhren. Die Tatsache, da Innozenz III. als Lehnsherr des Knigreichs sofort gegen die Charta wettert, die nach seiner Meinung das englische Volk mit Schande bedeckt und die ganze Sache Christi in schwere Gefahr bringt, beweist, da durch die Magna Charta die Angelegenheiten Englands vor allem jener auslndischen und feudalen Gewalt entzogen sind, welche das Papsttum verewigen will. Die herrische, zgernde und papstfreundliche Politik des bigotten Heinrich III. (12161272), dem Ludwig der Heilige seine uerliche und bertriebene Frmmelei vorwirft, fhrt zu groen Schwierigkeiten bei der Durchfhrung der Magna Charta. Die Barone unterstellen den Knig durch die Provisionen von Oxford (1258) erneut ihrer Kontrolle. Auf Betreiben Simons von Montfort unternimmt es daraufhin der niedere Landadel, untersttzt von der Kaufmannsbrgerschaft und den Handwerkern Londons, die Knigsgewalt einzuschrnken, jedoch nicht zugunsten der Barone, sondern zum gemeinen Nutzen. Werkzeug dieser Politik ist das Parlament, in dem neben Hocharistokratie und Klerus der niedere Adel und die Brger der Grafschaften und Stdte regulr vertreten sein sollen. Nach seinem Sieg von Lewes (1264) ber die Royalisten stt Simon auf wachsenden Widerstand, der ihn die tyrannische Seite seines Regimes herauskehren lt, so da Kronprinz Eduard ihn bei Evesham leicht schlagen kann. Unter Eduard I. (12721307) erfolgt endlich die Einigung ber eine kontrollierte Monarchie. Er stimmt seit dem Model Parliament von 1295 zu, da nun Vertreter der Grafschaften, der Stdte und der Orte gemeinsam das Parlament bilden. 1297 akzeptiert er, Steuern nur mit Zustimmung des Parlaments zu erheben. Er besttigt die 1300 durch Zusatzartikel ergnzte Magna Charta und kann dadurch die Befugnisse der Knigsbeamten erweitern und Steuern eintreiben, die ihm die Eroberung von Wales ermglichen. Ein Angriff auf Schottland bleibt dagegen erfolglos.
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Im Verlauf dieser Kriege nehmen die Englnder die Kampfesweise ihrer Gegner zu Fu und mit dem Langbogen an. Die Infanterie der Grafschaften und Stdte erobert sich ihren Platz neben der adligen Reiterei. Das soziale Gleichgewicht garantiert die militrische Organisation und die politische Stabilitt. Die Monarchie verdankt dieser Stabilitt so viel, da der schwache, politisch unfhige Knig Eduard II. sogar im Statute of York (1322) die Niederlage des Knigtums als Schlustein des politischen Gebudes und Vertreter der ffentlichen Gewalt aufzeichnen lt. Das grosse Jahrhundert der Kapetinger in Frankreich Der Aufstieg der Monarchie im 13. Jahrhundert ist bei den Kapetingern, die mit den englischen Knigen rivalisieren, noch ausgeprgter. Neben der groen Gestalt Heinrichs II. (11541189) hatte sich der franzsische Knig Ludwig VII. (11371180) noch bla ausgenommen. Dies ndert sich aber unter Philipp August (1180 bis 1223). Dieser Knig, in dessen Regierungszeit die Kanzlei den Ausdruck Knig der Franzosen durch Knig von Frankreich zu ersetzen beginnt, ist vor allem ein Eroberer. Zwischen 1202 und 1206 nimmt er den Englndern die Normandie, Maine, Anjou, Touraine, Poitou und Saintonge ab. Er ist auch ein bedeutender Administrator, der durch die von ihm geschaffenen Knigsbeamten (baillis) Justiz und Finanzverwaltung im ganzen Reich berwacht. Vor seinem Aufbruch zum Kreuzzug (1190) verfat er ein Testament, welches das Anwachsen der Knigsmacht bezeugt und erweist, da sich der Souvern seines Knigs-Berufs bewut wird. Endlich festigt er das franzsische Nationalgefhl, indem er vom Papst durch die Bulle Per venerabilem die faktische Unabhngigkeit des Knigreichs gegenber dem Imperium erwirkt (Der Knig von Frankreich ist in seinem Reiche Kaiser) und nach dem Sieg von Bouvines (1214) die Huldigung der auf seinem Wege versammelten Volksmassen entgegennimmt. Als erster Kapetinger kann es sich Philipp August erlauben, seinen Sohn (Ludwig VIII.) noch nicht zu Lebzeiten krnen zu lassen. Mit Ludwig IX., dem Heiligen (12261270), erreicht der Glanz des franzsischen Knigtums seinen Gipfelpunkt. Dieser 1297 kanonisierte Knig macht der Krone und dem Lande sein moralisches und religises Prestige zunutze. Er ist ein Befrieder, doch stabilisieren die Friedensvertrge von Corbeil mit Aragonien (1258) und von Paris mit England (1259), bei denen er sich gromtig erweist, auch die franzsischen Grenzen. Seine beiden unglckseligen Kreuzzge nach gypten und Palstina (12481254) und nach Tunesien (1270) bringen ihm zwar keinerlei materiellen Nutzen ein. Doch erwirkt ihm dies fromme Handeln eine groe Volkstmlichkeit zu einer Zeit, da die Kreuzzugsmystik fast nur noch beim niederen Volk lebendig bleibt. Die Art, wie er selbst Recht spricht oder durch seine Berater Recht sprechen lt, mehrt die Appelle an die Knigsjustiz. Die von ihm in den Jahren 1247, 1254 und 1255 verfgten Untersuchungen ber die Mibruche der Beamten festigen das
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Ansehen der kniglichen Verwaltung. Die Abschaffung des Zweikampfs als Rechtsbeweis und das Verbot des Waffentragens sowie der Privatfehden erfolgen zwar aus religisen Erwgungen, treffen aber den Feudaladel und werden Instrumente zur Durchsetzung einer ffentlichen Ordnung, die sich mit der kniglichen deckt. Es ist daher nicht erstaunlich, da die Herrschaft seines Enkels Philipp IV. des Schnen (12851314), mit der allerdings auch die durch die allgemeine Krise der Feudalitt ausgelsten Schwierigkeiten beginnen, zugleich eine Epoche groer nationaler und monarchischer Erfolge ist. Zwar wird das franzsische Ritterheer 1302 in der berhmten Schlacht der goldenen Sporen bei Kortrijk vom Fuvolk der flmischen Stdte gedemtigt; zugleich aber vollzieht sich auch die Verschmelzung zwischen Nord- und Sdfrankreich, das nach dem Kreuzzug gegen die Albigenser, dem Vertrag von Paris (1229) und dem Tod Alfons von Poitiers (1271) etappenweise der Krone angeschlossen wird. Zwar mu der Knig wegen finanzieller Bedrngnisse die drei Stnde seines Knigreichs zur Versammlung einberufen; doch reifen unter seiner Herrschaft auch die monarchischen Einrichtungen aus, deren Entwicklung das ganze Jahrhundert hindurch angedauert hatte. Seine Berater stellen ihre Kenntnisse des rmischen Rechts in den Dienst der Krone. Sie heien Legisten und haben vielfach die Rechtsfakultten der Universitten besucht. Der Knigshof fchert sich in Spezialabteilungen auf. Das Parlement, das die Rechtsprechung berwacht, erhlt 1303 sein erstes Statut. Als Finanzabteilung entsteht der Cour des Comptes. Philipp der Schne und Bonifaz VIII.: die Unabhngigkeit der weltlichen Gewalt Schlielich tragen Philipp der Schne und seine Legisten in einem heftigen Konflikt mit dem Papsttum ber Bonifaz VIII., der in der Bulle Unam sanctam (1302) noch einmal den theokratischen Anspruch des Heiligen Stuhls ausgesprochen hatte, einen greren Sieg davon, als ihn je ein Gegner Roms einschlielich der Kaiser erzielt hatte. Der franzsische Emissr beleidigt, ohrfeigt und arretiert Bonifaz VIII., der kurz darauf stirbt, 1303 in Anagni. Whrend dieses Kampfes verkndet der Knig, den die ffentliche Meinung untersttzt, die Unabhngigkeit der weltlichen Gewalt und lt diesen Standpunkt von einer ganzen Reihe Publizisten erhrten. Sie preisen den natrlichen Leib des Knigs, in dem sich die ffentliche, die natrliche Gewalt verkrpert: Ehe es Kleriker gab, war dem Knig von Frankreich sein Land anvertraut, und er konnte Statuten erlassen, um es vor den Feinden und jedem Schaden zu schtzen. Dante gebraucht gegen den gleichen Papst hnliche Argumente, allerdings zugunsten des Imperiums:
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Rom, das die alte Welt in Ordnung brachte, besa zwei Sonnen, um die beiden Wege der Erde und des Himmels zu erleuchten. Erblindet sind die Sonnen aneinander, in einer Hand sind Schwert und Hirtenstab. Wehe der fluchbeladenen Verbindung, in der sie sich nicht achten und nicht frchten! (Divina Commedia, Purgatorio XVI, 106112) Diese Trennung von Kirche und Staat wirkt sich ab jetzt nicht allein zugunsten des Kaisers, sondern jeder ffentlichen Gewalt aus. Gegen sie handeln, heit wider Natur handeln. Marsilius von Padua sagt es deutlich in seinem Defensor Pacis. 10. Der Triumph der Kirche Das Papsttum: Vorbild monarchistischer Erfolge Von allen christlichen Monarchien behauptet sich im 13. Jahrhundert die ppstliche mit dem grten Glanz. Die Ppste des 13. Jahrhunderts befassen sich zunchst damit, die theokratische Auffassung Gregors VII. weiterhin zu verfolgen, auszuarbeiten und zu steigern. Innozenz III. (11981216) gesteht zwar der weltlichen Macht eine gewisse Unabhngigkeit zu, wie sie sich am Ende des 12. Jahrhunderts durchgesetzt hat (Wir leugnen nicht, da der Kaiser im weltlichen Bereich ber dem Papst steht ..., aber der Pontifex berragt ihn in geistlicher Hinsicht), doch betont er sein eigenes weltliches Recht und seine Rechtsprechung in moralischen und religisen Dingen (ratione peccati auf Grund der Snde). Er, und nur er allein, kann Knige und Kaiser verurteilen, wenn sie sich nicht wie christliche Frsten verhalten. Er fhrt die Rechtsprechung ratione peccati in die ffentliche Justiz ein, anstatt zu beachten, da die Snde nur das Gewissen und somit das eigentliche Kirchenrecht betrifft. So lehnt er es 1202 ab, die Bastardshne des Grafen von Montpellier zu legitimieren, damit sie dessen Nachfolge antreten knnen, da diese Entscheidung nur dem Lehnsherrn des Grafen zustehe. Ebenso erkennt er im Streit zwischen Johann Ohneland und Philipp August an, da der franzsische Knig nach dem Feudalrecht, welches die Beziehungen zu seinem Vasallen regelt, souvern ist. 1204 besttigt er durch die Bulle Per venerabilem, da der franzsische Knig im Zeitlichen niemand ber sich hat aber dies ist auf den Kaiser gemnzt. Es wird in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts deutlich, als der franzsische Knig rechtlich als Kaiser in seinem Knigreich anerkannt wird. Als Johann Ohneland die Freiheit der Kirche verletzt, indem er sich weigert, den vom Heiligen Stuhl als Erzbischof von Canterbury bezeichneten Stephan Langton anzuerkennen, wird er exkommuniziert und abgesetzt. Umgekehrt verwirft der Papst kraft seiner durch das Alte Testament festgelegten Macht, die Knige zu
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schtzen, die Magna Charta, als diese die Freiheit Johanns gegen seinen Willen begrenzt: Tibi tradidit Deus omnia regna mundi ... constitues eos principes super terram (Ps. XLIV, 17) Gott hat dir alle Knigreiche des Erdkreises anvertraut ... du wirst sie als Frsten auf Erden einsetzen. Als Raymond VI. von Toulouse angeklagt wird, die hretischen Katharer zu begnstigen, zieht Innozenz III. 1208 sein Lehen ein, weil er nicht als christlicher Frst gehandelt hat: Indem wir dem Kirchengesetz folgen, wonach niemandem die Treue geschuldet wird, der selbst Gott nicht treu ist, entbinden wir kraft unserer apostolischen Macht alle jene von ihren Schwren, die ihm Treue, Hilfe oder Bndnis versprochen haben, und geben die Rechte des obersten Feudalherrn ausgenommen allen Katholiken die Erlaubnis, seine Person zu verfolgen, ja sogar sein Land einzunehmen und zu behalten. Aus Klugheit, um sein Aufsichtsrecht wirksamer ausben zu knnen, dehnt er die Lehnsherrschaft des Heiligen Stuhls ber die Vasallenstaaten, die ihm Tribut zollen, so weit wie mglich aus. Zum Beispiel bt er diese Schutzherrschaft sehr streng im Knigreich Sizilien aus, wo er noch darber hinaus whrend der Minderjhrigkeit Friedrichs II. die Regentschaft innehat. Er zwingt sie auch dem England Johanns Ohneland auf. Innozenz IV. (12431254) verkndet, da der Papst eine generalis legatio besitze, die sich auf alle menschlichen Unternehmungen erstrecke und ihm erlaube, Befehle zu erteilen, wann immer er wolle. Er hat im besonderen das Recht, zu binden, und zwar nicht nur alle Dinge, sondern auch alle Menschen, den Kaiser inbegriffen. Durch seine Auslegung des Bibelverses super gentes et regna unterstreicht er, da der Papst nicht nur ber den Nationen, sondern auch ber den Knigreichen und Knigen steht. Man findet hier die fr die politische Entwicklung im 13. Jahrhundert so bedeutsame Unterscheidung zwischen Monarchen und Monarchenamt wieder. Endlich sammelt Bonifaz VIII. (12941304), ohne die Doktrin wesentlich zu erneuern, die Lehren und Schlsse um die Idee, da die eine und einzige Kirche einen unteilbaren Leib bildet und da deshalb die Trennung und Gegenberstellung zweier Gewalten und Prinzipien der Spiritualia und der Temporalia Manichismus und somit Hresie sei. Zunchst ernten die Ppste vor allem innerhalb der Kirche die Frchte dieser Definition ihrer hchsten Macht, ihrer plenitudo potestatis (Machtflle). Wenn sich Innozenz III. nicht nur als Stellvertreter Petri, sondern als Stellvertreter Christi bezeichnet, so strkt dies zuallererst seine Position in der Kirche. Das Kirchenrecht, das gerade als kanonisches Recht kodifiziert wird, untermauert als erstes den ppstlichen Primat. Das Decretum Gratiani bildet zusammen mit den Ergnzungen nmlich der auf Ersuchen Gregors IX. von Raimund von Peafort 1234 veranstalteten Dekretalien-Sammlung und den von Clemens V. zusammengetragenen, aber erst 1317 in Kraft gesetzten Clementines den Kodex des kanonischen Rechts (Corpus Iuris Canonici). Dieser Name, der sich erst im 16. Jahrhundert allgemein einbrgert und 1580 offiziell wird, zeigt durch die hnlichkeit mit dem Corpus Iuris Civilis des Imperiums, da die Wiedergeburt des rmischen Rechts und die
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Formulierung des Kirchenrechts nicht nur aus parallel laufenden, sondern aus gleichen Antrieben hervorgehen. Es ist brigens bezeichnend, da sich die ppstliche Monarchie zur Selbstbestimmung im 13. Jahrhundert oft der Konzeptionen und Ausdrcke des rmischen Rechts bedient. Als Innozenz III. eine Entscheidung seines Vorgngers Alexander III. beiseiteschieben will, benutzt er einen Ausspruch der Digesta, den er vom Kaiser auf den Papst bertrgt: cum non habeat imperium par in parem da ja ein Gleicher keine Herrschaft ber einen Gleichen hat. Innozenz IV. bedient sich mehrfach eines kaiserlichen Grundsatzes, den er auf den Papst anwendet: quod principi placuit legis habet vigorem was dem Frsten gefllt, hat Gesetzeskraft. Endlich wird der Papst, wie es zum Beispiel Bracton in der Mitte des Jahrhunderts fr den englischen Knig tut, als princeps legibus solutus bestimmt, als Frst, der dem Gesetz nicht unterworfen ist. Vor allem seit Alexander III. (11591181), einem ehemaligen Juristen aus Bologna, verwirklichte sich die ppstliche Monarchie. Wenn sie auch unter Innozenz III. (11981216) noch nicht ihren vollen Regierungsapparat aufgebaut hat, so bezeichnet sein Pontifikat doch den Hhepunkt der ppstlichen Macht im Mittelalter. In allen schwierigen Fllen, bei denen man nicht wei, an welche Autoritt man sich wenden soll, beansprucht Innozenz III. fr den Heiligen Stuhl das Recht, als oberster Hierarch zu entscheiden. Dieses Privileg wird fr den apostolischen Stuhl, welcher der Krone weltlicher Monarchen entspricht, gefordert. Alexander III. legt die kanonischen Ehegesetze und die Regeln fr Markt und Kredit fest, wobei er die Kennzeichen des Wuchers neu bestimmt. Innozenz III. behlt sich jede Dispens vom geltenden Recht vor und unterstellt Ordensgrndungen der ppstlichen Zustimmung. Alexander III. verkndet das Monopol des Heiligen Stuhls bei den Kanonisationen. Es gibt im 13. Jahrhundert nur noch dann Vollkommenheit und Heiligkeit, wenn sie vom Papst besttigt wird. Indem sich Clemens IV. (12651268) auf die Macht des rmischen Bischofs beruft, der ber alle Benefizien verfgt, verordnet er einen allgemeinen Vorbehalt aller frei werdenden Kurialpfrnden. Das Papsttum schreibt sich im 13. Jahrhundert das alleinige Recht zu, von der Exkommunikation und verschiedenen schweren Snden loszusprechen. Er ersetzt die 1215 vom vierten Laterankonzil verbotenen Gottesurteile und gewhrt mit wachsender Freizgigkeit Ablsse. Das Papsttum vermehrt die Beamten seiner Kanzlei das Wort taucht 1182 zum ersten Male in einem Brief Lucius III. auf, und seit 1187 behlt sich der Papst den Titel des Kanzlers vor , der apostolischen Kammer, die sich mit den Finanzen befat, und der verschiedenen neuen Tribunale. Die Kurie wird ausgebaut, angefangen mit den Kaplnen, von denen es unter Innozenz IV. etwa 200 gibt. Sie erhht durch die Anhebung der ppstlichen Steuern ihre Einknfte. Zu den Ertrgen des Kirchenstaats, des von den Vasallenstaaten erhobenen Zinses und des Peterspfennigs kommen viele Pflichtgebhren, welche die frher blichen
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Geschenke ersetzen fr einen Besuch ad limina, fr die Verleihung einer Pfrnde, die Ausfertigung einer Bulle usw. 1199 verfgt Papst Innozenz III. eine Spezialgebhr fr den Kreuzzug, den Kreuzzugszehnten, der im allgemeinen ein Zehntel der Einknfte aller Kirchenlehen ausmacht. Nach dem Kreuzzug wird dieser Zehnte unter anderen Vorwnden weiter erhoben und bleibt bestehen. Ein Vagantengedicht der Carmina burana, das sogenannte Geldevangelium (Sequentia falsi evangelii secundum marcam argenti), brandmarkt die Habgier des ppstlichen Hofes. Immerhin entwickelt sich die Kontrolle der ppstlichen Monarchie, wie in den weltlichen Staaten, gleichzeitig mit dem Supremat des Papstes. Man erlebt zunchst eine Aufwertung der Kardinale, des Heiligen Kollegiums. Whrend des dritten Laterankonzils (1179) behlt Alexander III. durch die Besttigung und nhere Bestimmung des Dekrets Nikolaus II. von 1059 den Kardinalen allein die Papstwahl vor, die mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen erfolgen mu. Dies bedeutet eine Verletzung des Grundsatzes bei kirchlichen Wahlen, wonach einer begnstigten Minderheit maior et sanior pars = dem einsichtigen Hauptteil die Entscheidung vorbehalten bleibt. Er rechtfertigt diese Ausnahme durch das Fehlen eines Hauptes, das den sanior pars bestimmen und seine Grnde beurteilen knne. 1274 gebietet Gregor X. im zweiten Konzil von Lyon die Einrichtung des Konklave, um lange Interregnen, Schismen und Einsprche zu vermeiden. Er wollte die Komdie von Viterbo unmglich machen, wo die versammelten Kardinale nach dem Tode Clemens IV. (1268) bis zum 1. September 1271 brauchten, um ihn zu whlen, obschon die Stadtgewaltigen von Viterbo im Januar 1269 das Palastdach teilweise abtrugen, um die Entscheidung der Kardinale durch den Einflu der Witterungsunbilden zu beschleunigen. Unter Innozenz IV. (12431254) empfangen die Kardinale als neues Ehrenzeichen den roten Hut. Vor allem aber ziehen die Ppste im 13. Jahrhundert kraft des Grundsatzes Quod omnes tangit, ab omnibus tractari et approbari debet Was alle angeht, mu von allen errtert und gebilligt werden kumenische Konzilien zu Rate. Gewi hatte das 12. Jahrhundert diese Bewegung eingeleitet, und die drei ersten Laterankonzilien (1123, 1139, 1179) zeichneten die wachsende Rolle dieses Parlaments der Kirche vor. Aber das von Innozenz III. einberufene vierte Laterankonzil, das vom 11. bis 30. November 1215 tagt, ist das erste, das tatschlich die Idee der kumene verwirklicht. In der Einberufungsbulle spielt der Papst ausdrcklich auf den gemeinsamen Stand aller Glubigen an (universorum fidelium communis Status), den das Konzil widerspiegeln soll, und lt die Versammlung sorgfltig vorbereiten, indem er von 1213 bis 1215 Legaten in die gesamte Christenheit schickt und von den Bischfen Berichte erbittet. Da ein Zusammenhang und kein Gegensatz zwischen dem Anwachsen der ppstlichen Herrschaft und der Einrichtung der Konzilien besteht, zeigt die Tatsache, da ihre Einberufung gerade seit Innozenz III. zum ausschlielichen Privileg der Ppste wird. Wenn auch aktuelle Ereignisse (Kreuzzug und
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Albigenserhresie 1215, Konflikt mit dem Kaiser 1245, Einigung mit der stlichen Christenheit 1274 und die Templeraffre 1311) die unmittelbaren Konzilsursachen sind, so bleibt doch als stndiges Programm die Kirchenreform. So wurden die Konzilien, wenn auch nicht gerade zur Teilnahme an der Regierung, so doch wenigstens dazu einberufen, die Entwicklung der Kirche selbst zu bestimmen. Da einige daran dachten, noch weiter zu gehen, ist sicher, wenn auch die eigentliche Konzilsbewegung, die das Konzil ber den Papst stellen will, sich vor dem 14. Jahrhundert nicht wirklich entfaltet hat. Immerhin lehrt am Ende des 13. Jahrhunderts der Dominikaner Jean de Paris, da die oberste Autoritt im ganzen Leib der Kirche verteilt ist. Die beiden ersten Inanspruchnahmen eines Konzils gegen den Papst Bonifaz VIII. kommen von den Kardinalen Colonna (1297) und vom franzsischen Knig Philipp dem Schnen (1303). Es ist eher die ppstliche Finanz- und Zentralisierungspolitik, die, vor allem in England, Kritiken hervorruft. 1245 erklrt Bischof Robert Grosseteste von Lincoln mitten im Konzil von Lyon: Die Quelle allen bels ist die rmische Kirche, weil sie durch ihre Schenkungen, mterverteilungen und Benefizverleihungen im vollen Sonnenlicht Mnner ernennt, die verderblich wirken und keine Hirten sind. Nach dem Chronisten Matthieu Paris soll der Erzbischof von York, Sewal, Papst Alexander IV. (12541261) daran erinnert haben, da der Herr dem heiligen Petrus geboten habe, seine Schafe zu weiden und nicht sie zu scheren. Aktiva und Passiva der Kirchenreform Allein die Tatsache, da das Thema der Kirchenreform die ganze Zeit hindurch auf der Tagesordnung ist, zeigt, da die Kirche etwas Mhe hat, mit ihrem Jahrhundert Schritt zu halten. Gewi verfgen das dritte (1179) und das vierte (1215, Kanon 18) Laterankonzil die Notwendigkeit, Freiheit und Unentgeltlichkeit des Unterrichts, aber sie bersehen die im Entstehen begriffenen Universitten, welche die wahren Mittelpunkte eines den Bedrfnissen der Zeit angepaten Unterrichts sind. Das Konzil von 1215 (Kanon 21) setzt fr jeden Christen die jhrliche Beichtpflicht fest. Dadurch wird die allgemeine Praxis der Gewissenserforschung und die Aufstellung einer eingehenden Kasuistik in den Handbchern fr Beichtvter, welche die alten Pnitentialbcher, Sammlungen von Verfehlungen und Buen, die auf primitive Vorschriften zurckgingen, ersetzen gefrdert, welche die Psychologie und das Gesellschaftsleben umwlzen. Aber diese Manahme wird vor allem als ein Kampfmittel gegen die Hresie, als Kontrollinstrument der Gewissen betrachtet. Die von der Kirche im 13. Jahrhundert verbreitete Frmmigkeit gibt oft das Verlangen zu erkennen, sich der Masse der Glubigen anzunhern. Durch die Marienverehrung: das Ave Maria wird seit 1220 zum allgemeinen Gebet der Christenheit und die Dominikaner verbreiten das Rosenkranzgebet. Durch den
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Kult der Eucharistie: das Fronleichnamsfest wird auf ppstlichen Entschlu seit 1264 in der ganzen Christenheit gefeiert. Die Achtung vor der Eucharistie bringt paradoxerweise das Ende der Kommunion in beiderlei Gestalt mit sich, aus Furcht, die Glubigen knnten sich unschicklich verhalten. Hostienwunder tauchen berall auf und verstrken in der Folge die Leichtglubigkeit und den Fanatismus gegenber den der Hostienprofanation angeklagten Juden. Die Zeremonien entfalten sich, die Darstellungen werden reicher, aber sie zielen durch die Vermenschlichung der biblischen Ereignisse und durch das pittoreske Detail eher auf eine lehrhafte, moralische oder rhrende, als auf eine eindrucksvolle Wirkung ab: man vergleiche in Chartres die Seitenportale (zweites Viertel des 13. Jahrhunderts) mit dem Knigsportal (Mitte des 12. Jahrhunderts). Die Heiligenverehrung blht und begleitet das Leben zu Hause, im Beruf, in der Gesellschaft und im eigenen Innern. Die Legenda aurea des Jacopo da Varazze (Jakobus de Voragine) versammelt die Viten zum Strau. Es mehren sich Bruderschaften, die das christliche Volk mit Festen und Gemtsbewegungen, materieller und geistlicher Hilfe umgeben. Die Frmmigkeit bemchtigt sich des Volkes mit immer gefhlvollerem Nachdruck. Dennoch vertreten drei am Vorabend des Konzils von Vienne (1311) entstandene bischfliche Berichte, die uns erhalten sind, ber die geistliche Gesundheit der Kleriker und Glubigen eine pessimistische Meinung selbst wenn man die in dieser Art von Texten blichen bertreibungen abstreicht. Die besiegte Hresie: Albigenserkreuzzug und Inquisition Wenn die Kirche am Ende des 13. Jahrhunderts jene geistliche Grung, welche sie hundert Jahre zuvor zu bedrohen schien, scheinbar gemeistert tat, so vor allem deswegen, weil das Papsttum zwei groe Unternehmungen durchzufhren oder zu untersttzen wute: nmlich die gewaltsame Unterdrckung der Hresie und die Einrichtung neuer Formen des Apostolats durch die Bettelorden. Die Hresie ist am Ende des 12. Jahrhunderts in voller Ausbreitung begriffen. Neben den Waldensern und einigen radikalen Humiliaten sind die Katharer am zahlreichsten, am besten organisiert und am gefhrlichsten. Aber man verwechselt mit ihnen oft Gruppen, deren Irrglauben uns sehr andersartig vorkommt, selbst wenn er sich aus einem vielen Christen gemeinsamen Unbehagen speist. So zum Beispiel die im Dezember 1199 in Metz verklagten Laien beiderlei Geschlechts, die zur gemeinsamen Lektre der Heiligen Schrift zusammenkommen, welche sie frei zu interpretieren vorgeben. Wenn auch Oberitalien und Sdfrankreich die Mittelpunkte der katharischen Hresie blieben, so gibt es Ketzer von Flandern bis Ungarn. Gegen die letzteren erlt Innozenz III. um 1200 in einem Brief an den ungarischen Knig Imre verschiedene Manahmen. Ernst ist die Lage vor allem im Languedoc, wo Graf Raymond VI. von Toulouse die Hretiker heimlich zu begnstigen scheint. Nachdem die Predigten
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ppstlicher Legaten, meistens Zisterzienser, und spontaner Redner wie des Spaniers Dominikus von Caleruega (St. Dominikus) fehlschlugen, exkommuniziert Innozenz III. Raymond VI. im Mai 1207 und belegt seine Lnder mit dem Interdikt. Am 15. Januar 1208 wird der Legat Peter von Castelnau von einem Pagen des Grafen ermordet. Daraufhin predigt der Papst den Kreuzzug gegen jene, die man gern Albigenser nennt. Der franzsische Knig beantwortet den Aufruf nicht, aber wie in Spanien, Palstina und 1204 in Byzanz strzen sich der niedere Adel und die Geistlichkeit Nordfrankreichs, vor allem der Ile de France, auf die Beute. Als erstes nehmen die Kreuzfahrer im Juli 1209 Bziers, tten siebentausend in eine Kirche geflchtete Frauen, Kinder und Greise, plndern und verbrennen die Stadt, angefangen mit der Kathedrale. Simon von Montfort wird Vizegraf von Bziers und Carcassonne, nimmt Raymond VI. seine Besitzungen ab, mit Ausnahme von Toulouse und Montauban. Knig Peter II. von Aragonien, der Toulouse als Oberlehnsherr der languedocischen Feudalherrn zu Hilfe eilt, wird von Simon von Montfort 1213 in der Schlacht von Muret besiegt und fllt. Das vierte Laterankonzil von 1215 spricht Raymond VI. seiner Lnder verlustig. Daraufhin erhebt sich die Bevlkerung des Languedoc. Ein neuer Kreuzzug hebt an. 1218 wird Simon von Montfort bei der Belagerung von Toulouse gettet, und erst durch das Eingreifen des franzsischen Knigs Ludwig VIII. tragen die Kreuzfahrer 1226 entscheidende Erfolge davon, die 1229 durch den Vertrag von Paris bekrftigt werden. Neben der Entschdigung und Wiedergutmachung fr die Kirche, den Manahmen gegen die Hretiker und dem Schleifen von Stdten und Burgen enthlt der Vertrag Territorialklauseln, die dem franzsischen Knig einen Teil des Besitzes der Grafen von Toulouse und seinem Bruder Alfons von Poitiers die Aussicht auf die restlichen toulousaner Lnder zusprechen. So ist das Hauptergebnis des Albigenserkreuzzugs, da nunmehr die Kapetingermonarchie, welche die Kastanien aus dem Feuer geholt hat, zum Mittelmeer vorgestoen ist und mit der Vereinigung von Sd- und Nordfrankreich beginnen kann. Im Languedoc wten noch sporadische Militrzge bis zur Einnahme der letzten Katharerzitadelle Montsgur durch die kniglichen Truppen im Jahr 1244. Aber trotz der militrischen Erfolge der Kreuzfahrer, trotz der Bestimmungen des Vertrages von Paris und der auf einer Synode in Toulouse im gleichen Jahr 1229 gefaten Beschlsse besteht die Katharerhresie im Languedoc weiter und macht im brigen Europa Fortschritte. Um 1250 nennt ein zum Dominikaner gewordener Hretiker, Ranieri Sacconi in Piacenza, sechzehn Katharerkirchen, von denen sich zehn in der Christenheit befinden sechs in Italien, eine in Frankreich, drei im Languedoc und grere Gruppen von Katharern in Deutschland und Spanien. Aber um diese Zeit hatte die Kirche im Kampf gegen die Ketzer eine wirksamere Waffe eingesetzt als die Kreuzfahrerheere, die mehr aus materieller Begierde als aus geistlichen Grnden aufbrachen: nmlich die Inquisitionstribunale.
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Die Schaffung dieser Gerichtshfe hat lange gedauert und bleibt teilweise ungeklrt. Ihr Anfang kann in der Bulle Ad abolendam von Lucius III. (1184) gesehen werden. Einen Fortschritt bringt dann der dritte Kanon des vierten Laterankonzils von 1215, der die Glubigen verpflichtet, der Hresie verdchtige Personen anzuzeigen. Aber erst die dem Papst von Friedrich II. nach seiner Kaiserkrnung (1220) gewhrte Hilfe bei der Ketzerverfolgung erffnet die Zusammenarbeit zwischen Kirche und ffentlicher Gewalt (der weltliche Arm), die fr den Erfolg der Inquisition entscheidend sein wird. Gregor IX. kodifiziert 1231 das Inquisitionsverfahren; Innozenz IV. fat es 1252 in der Bulle Ad extirpanda, welche die Folter einfhrt, zusammen und verschrft es. Die Inquisition wtet fast in der ganzen Christenheit, verfolgt Unschuldige und Schuldige, lt den Schrecken herrschen, richtet mit Hilfe der dem Papsttum unterstellten ffentlichen Gewalt Scheiterhaufen auf und fllt die Gefngnisse an. Abnormale Menschen, oft konvertierte Ketzer, und Mitglieder der Bettelorden, vor allem Dominikaner, zeichnen sich durch ihre Exzesse aus. So wirkt Robert le Bougre (der Bulgare = der Hretiker), genannt Ketzerhammer, zwischen 1235 und 1240 in Flandern, Burgund und der Champagne mit besonderer Grausamkeit. Die Dominikanerinquisitoren Konrad von Marburg und Peter von Verona werden ermordet, der erste 1233 in Deutschland, der zweite 1252 in Norditalien. 1242 werden auch in Avignon drei Inquisitoren und zwei Gehilfen gettet. Handbcher fr Inquisitoren (nach dem Vorbild der Handbcher fr Beichtvter) spielen eine doppeldeutige Rolle. Wenn sie einerseits der Verfolgung helfen, so erlauben sie andererseits, durch ihre Fragen Hretiker besser von Nichthretikern zu unterscheiden, die Art der Ketzerei genauer zu erkennen, und geben damit den ehrenhaften Inquisitoren die Mglichkeit, sich nicht zu tuschen. Das erste uns bekannte dieser Handbcher wird 1241/42 von dem aragonesischen Dominikaner Kardinal Raimund von Peafort verfat. Das vollstndigste und berhmteste schreibt 1321 der Dominikaner Bernhard Gui, Inquisitor zu Toulouse. Die Inquisition besteht also zu Beginn des 14. Jahrhunderts fort, einmal, weil es immer noch Katharer und Waldenser gibt, aber auch, weil neue Hresien auftreten. Man darf sich also fragen, ob die Kirche wirklich ber die Ketzerei triumphiert hat. Gewi hat die Inquisition viel zu dem angeblichen Verschwinden des organisierten Katharismus, der fr die Kirche die grte Gefahr darstellte, beigetragen. Doch der allgemeine Rckgang der Katharer scheint vielmehr mit dem Erkalten der sozialen Schichten und Personen, die aus berzeugung oder Nutzen diese Anschauung angenommen haben, zusammenzuhngen. Sie finden von nun an in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, in der neuen geistigen und religisen Atmosphre etwas, womit sie ihr Streben besser befriedigen knnen als mit hretischen Verneinungen. Aber andere Hresien bestehen weiter oder tauchen neu auf, und die Inquisition kann sie nicht auslschen. Wir werden ihnen wieder begegnen.
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Die neue Geistigkeit und das vernderte Antlitz der Kirche: die Bettelorden Die neuen Orden Minoriten oder Franziskaner, Prediger oder Dominikaner die das Antlitz der Kirche im 13. Jahrhundert tief verndern sollten, scheinen zu Beginn in den Reformationsbestrebungen, welche die Kirche seit dem Ende des 11. Jahrhunderts beseelen, verwurzelt zu sein. Beide fgen sich in die Bestrebungen nach Armut ein. Der heilige Franz von Assisi stellt sich von Anfang an entschlossen hinter sie und macht aus ihr das Ideal seines Apostolats. Der heilige Dominikus gibt sich zunchst mit einer groen Einfachheit zufrieden, drngt aber gegen Ende seines Lebens, wahrscheinlich unter dem Einflu des heiligen Franz, auf die Notwendigkeit der freiwilligen und vollkommenen Armut. Dominikus gibt seinen Gefhrten mit der Kanonikersatzung die Augustinerregel und das Ordenskleid der Prmonstratenser. Damit hren die bereinstimmungen mit lteren Gemeinschaften auf. Die neuen Zge sind die wichtigsten. Zunchst richten sich die Bettelorden, weit davon entfernt, in der Einsamkeit oder im lndlichen Milieu zu leben, in den Stdten ein. So sind sie mit den vordringlichsten Problemen der Gesellschaft des 13. Jahrhunderts und mit den neuen Bevlkerungsschichten der in vollem Aufstieg begriffenen Stdte verbunden. Ein Verzeichnis ihrer Klster am Ende des 13. Jahrhunderts stellt zugleich eine Stadtkarte der Christenheit dar. Ihre Hauptbeschftigung ist weder der Gottesdienst (opus dei), noch die Bibelmeditation (lectio divina) oder die Handarbeit. Vielmehr sind es Predigt und Beichte. Damit sie sich in der stdtischen Umgebung behaupten knnen, mssen sie an den Stadtschulen ihres Ordens oder den Universitten eine grndliche, nach den neuen scholastischen Methoden ausgerichtete Bildung erwerben. Die bedeutendsten Theologen des 13. Jahrhunderts sind Dominikaner wie Albertus Magnus und Thomas von Aquino, oder Franziskaner wie Alexander von Haies, Bonaventura, Roger Bacon und Duns Scotus. Einige unter ihnen, vor allem Dominikaner, spielen in der Inquisition eine groe Rolle; dafr fgen andere dem Apostolat durch das Wort in den christlichen Lndern eine Missionsttigkeit durch Predigt auerhalb der Christenheit hinzu, die wesentlich dazu beitrgt, gewaltttige Kreuzzge durch friedliche Evangelisierungen zu ersetzen. Sofort nach ihrer Grndung zwischen 1220 und 1230 unternehmen Franziskaner und Dominikaner erfolglose Missionierungen in Nordafrika. Das ganze Jahrhundert hindurch ziemlich vergeblich fortgesetzt, haben sie immerhin das groe Verdienst, die Bettelorden auf die geistige und religise Vorbereitung solcher Missionen hin auszurichten. Der Dominikaner Raimund von Peafort betreibt die Schaffung zweier Schulen fr orientalische Sprachen (Hebrisch und Arabisch) und bittet den heiligen Thomas von Aquino, ein Handbuch fr knftige Missionare zu schreiben: es wird die Summa contra gentiles (um 1261). Raimundus Lullus grndet um 1275 in
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Miramar auf der Insel Mallorca ein Franziskanerkloster, das im Arabischen unterrichten soll, und erklrt ohne Umschweife, da aus den Kreuzfahrern Bekehrer werden mten: Ich sehe sie bers Meer ins Heilige Land ziehen in der Einbildung, da sie es durch Waffengewalt zurckerlangen. Am Ende sind alle erschpft und nicht ans Ziel ihres Vorhabens gelangt. Deshalb bin ich der Meinung, da diese Eroberung nur so geschehen soll, wie Du es, o Herr, mit Deinen Aposteln gemacht hast, das heit durch Liebe, Gebete und Trnenvergieen. So sollen sich diese Glaubensritter auf den Weg machen, mit dem Kreuzeszeichen versehen und von der Gnade des Heiligen Geistes erfllt; so sollen sie den Unglubigen die Wahrheiten der Passion verknden. Inzwischen gelangen Missionare der Bettelorden weiter nach Osten. Polnische Dominikaner senden die Mission von Kiew in die Ukraine, die von den Mongolen vernichtet wird. Diese gleichen Mongolen erwecken bei einigen Christen, vor allem bei Ludwig dem Heiligen und Papst Innozenz IV. die Hoffnung, da sie sich zum Christentum bekehren und so dem Islam in den Rcken fallen wrden. Die franziskanische Mission des Johann von Carpini bei den Mongolen der Goldenen Horde an der unteren Wolga und eine Dominikanermission im mongolischen Khanat von Persien enden mit einer vollkommenen Niederlage. Dennoch beginnen am Ende des Jahrhunderts Franziskaner und Dominikaner eine Evangelisationskampagne vor allem in den alten christlichen Gemeinden des Nestorianer und Monophysiten, die in der ersten Hlfte des 14. Jahrhunderts zur Einrichtung von katholischen Bistmern und Erzbistmern in den asiatischen Lndern fhrt. Hier ist weder der Ort, das wenige, was man von der kaum bekannten Gestalt des heiligen Dominikus (um 11701221) wei, zu vergegenwrtigen, noch die zahlreichen Einzelheiten, die uns vom Leben des heiligen Franz (um 11821226) berliefert sind, zu wiederholen. Dominikus, ein spanischer Chorherr, wird whrend einer Reise im Languedoc von der Idee entflammt, die Bekehrung der Hretiker durch Predigten zu erreichen. Unter Schwierigkeiten erwirkt er 1215 die Anerkennung seines Ordens durch den Papst. Er hinterlt ihn bei seinem Tode straff organisiert, wobei die Ernennung der Priore, welche die Klster zu leiten haben, der Provinzialoberen, die an der Spitze der Klosterprovinzen stehen, und des Ordensgenerals, der den ganzen Orden verwalten mu, als khne Neuerung durchwhlen erfolgt.
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Abb. 17: Entwicklung der Geistigkeit und der religisen Gefhlswelt. Der heilige Franz von Assisi gibt seinen Mantel einem Armen. Gemlde von Giotto in der Oberkirche von San Francesco (Assisi)
Franz von Assisi, Laie und Kaufmannssohn, bekehrt sich zur Armut und grndet eine kleine Bergemeinschaft, deren Existenz der Papst 1210 anerkennt. Auf Gehei des Papstes schreibt er 1221 und 1223 zwei aufeinanderfolgende Regeln, wehrt sich gegen die Umwandlung seiner Gemeinschaft in einen Orden und gegen dessen Entwicklung, zieht sich in die Einsamkeit zurck, wo er die Wundmale Christi empfngt, und stirbt, indem er einen unvollendeten Orden hinterlt. Inmitten von Krisen legen verschiedene Verfassungen und ppstliche Bullen die den Dominikanern sehr nahestehende Organisation des Ordens fest, bis zum Generalat des heiligen Bonaventura (12571274), der den Orden festigt und ein offizielles Leben des heiligen Franz, die Legenda maior, 1263 niederschreiben lt. 1266 werden alle vorhergehenden Viten vernichtet. Der Erfolg beider Orden stellt sich rasch ein und ist gewaltig. Bei den Franziskanern wird der zu Beginn berwiegende italienische Anteil bald zur Minderheit, obgleich er mchtig bleibt. 1263 gibt es mehr als 1100 Minoritenklster, zu Beginn des 14. Jahrhunderts mehr als 1400. Zur gleichen Zeit zhlt man etwa 500 Dominikanerklster, die gleichmig ber die ganze Christenheit verteilt sind.
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Dieser Verbreitung mu man noch die Frauenklster hinzufgen. Der Predigerorden ist ein gemischter Orden, und das erste von Dominikus in Prouille gegrndete Kloster beherbergt bekehrte Katharerfrauen. Neben den Minderbrdern entwickelt sich rasch der von der heiligen Klara, Freundin und Schlerin des Franz von Assisi, gegrndete Orden der Klarissinnen. Dazu kommen noch die Dritten Orden oder Tertiarier, aus Laien bestehend, die in der Welt bleiben und sich zu gewissen religisen bungen verpflichten. Nach dem Vorbild der beiden groen werden noch weitere Bettelorden gegrndet. Die beiden wichtigsten sind die Augustiner-Eremiten (1243) und die Eremiten Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel oder Karmeliter (1239). Der Einflu der Bettelorden ist um so grer, als ihre Klster zahlreiche Schenkungen erhalten und ihre Mitglieder gemeinsam oder einzeln in die Pfarreien eindringen, um dort zu predigen, Beichte zu hren, die Toten zu begraben und mter des Bischofs, Erzbischofs oder Kardinals auszuben. 1277 wird Peter von Tarentaise, der Provinzialprior der Dominikaner in Frankreich, als Innozenz V. zum Papst gewhlt, 1288 Hieronymus von Ascoli, Generaloberer der Minoriten, als Nikolaus IV. auf den Heiligen Stuhl gehoben. Der Einflu der Bettelorden auf geistigem Gebiet ist gro. Wie wir schon sahen und noch sehen werden, machen mehrere ihrer Mitglieder die Scholastik berhmt; er ist aber auch im eigentlichen geistlichen Bereich bedeutsam, wo sie zur Entwicklung einer volksnahen Frmmigkeit beitragen. Wir haben schon vom Rosenkranzgebet gesprochen, das die Dominikaner in Umlauf bringen. Die Verbreitung der Weihnachtskrippe geht auf die Franziskaner zurck, und ihnen schreibt man auch jene Rckkehr zur Natur zu, welche das Empfinden und die sthetik des Jahrhunderts kennzeichnet. Dennoch stt ihre Ttigkeit nicht nur auf Zustimmung und zeitigt nicht nur Erfolge. Zunchst entfacht ihre Aktivitt in den Pfarreien und an den Universitten beim Weltklerus eine lebhafte Eifersucht, denn sie hamstern reichlich Ruhm und Nebeneinknfte ein. Ppste und Konzilien haben solche Zwiste zu schlichten, was im allgemeinen im Sinne der Bettelorden geschieht. Der von einigen Dominikanern entfaltete Eifer bei der Hexenjagd der Inquisition zieht tiefen Ha auf den Orden. Der Einflu, den sie auf Herrscher, Bischfe, Familienvter und -mtter gewinnen, bringt ihnen den Vorwurf ein, sich auf allzu indiskrete Weise in ffentliche oder private Angelegenheiten einzumischen. Die ffentliche Meinung in Frankreich wirft Ludwig dem Heiligen vor, zu sehr auf sie zu hren. Die unvermeidbare Kluft zwischen dem Ideal der Armut, das sie geloben, und ihrer gemeinsamen, wenn nicht persnlichen Bereicherung, die mit der Zeit aufbricht und sich vertieft, lt die Figur des scheinheiligen Bruders entstehen, die einen Teil der Literatur in der zweiten Hlfte des Jahrhunderts berschwemmt. Endlich erregt auch das Ideal der Armut selbst, das vor allem die Franziskaner preisen, in gewissen Volkskreisen und vor allem bei den Intellektuellen entschiedene Feindseligkeit. Fr Rutebeuf, Jean de Meung (im zweiten Teil des Roman de la Rose) und
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Wilhelm von Saint-Amour an der Pariser Universitt sind Armut wie Reichtum gleichermaen zu meiden. Das eine wie das andere fhrt zum Laster. Die Bettelei ist eine Beleidigung der Arbeit, die freiwillige Armut eine Schmhung des von den Armen wider Willen ertragenen Elends. Fortdauer der Unzufriedenheit: Spiritualen, Beginen, Mystiker Das religise und soziale Unbehagen, das die Bettelorden nicht ganz vertreiben knnen und bei einigen Gruppen oder Einzelpersonen sogar verschrfen, kann man an den inneren Krisen des Franziskanerordens und an der Entwicklung neuer Hresien am Ende des Jahrhunderts ermessen. Schon zu Lebzeiten des heiligen Franz zeichnen sich bei den Minoriten zwei Richtungen ab. Die einen wollen in der Nachfolge Christi eine vollkommene persnliche wie kollektive Armut verwirklichen, nur vom Betteln und der Handarbeit leben und sogar die zu grndliche Bildung als Gelegenheit des Stolzes und geistigen Schtzesammelns vermeiden. Es sind jene, zu denen Franz selbst sichtlich neigte, obschon er vermied, etwas zu rhmen oder zu tun, was in den Augen des Papsttums und der Kirche verdammenswert erscheinen konnte. Die anderen finden sich mit einer relativen Armut ab und dulden, da die Klster Schenkungen annehmen. Die Ordensbesitzungen werden von ordensfremden Schaffnern verwaltet. Die Brder widmen einen groen Teil ihrer Zeit, der nicht durch Handarbeit ausgefllt ist, dem Studium. Das mit der Zeit eintretende Nachlassen der Begeisterung und das Drngen des durch die theologischen und praktischen Rckwirkungen der Lehre von der absoluten Armut erschreckten Papsttums bringt die Mehrheit des Ordens dazu, die Idee und Ausbung des usus pauper, des migen Gebrauchs der Gter, in einem Geist der Armut und Demut anzunehmen. Das Papsttum postuliert sich fiktiv als Eigentmer der Ordensgter, von denen die Brder lediglich die Nutznieung, genauer gesagt den usus pauper, htten. Die Rigoristen nehmen diesen Kompromi nicht an, sondern bilden eine Gemeinschaft der Spiritualen, die sich um so eher einer Hresie annhert, als sie ihr Ideal der vollkommenen Armut durch Lehren rechtfertigen, die von den am Ende des 12. Jahrhunderts gelehrten Ideen des kalabrischen Mnchs Joachim von Fiore herrhren. Um 1250 verffentlicht ein italienischer Minorit, Gerard von Borgo San Donnino, einen Kommentar zu den joachitischen Werken, der Einfhrung in das Ewige Evangelium betitelt ist. Joachim hatte ein drittes Weltalter, das Zeitalter des Heiligen Geistes, vorhergesagt. Das ungeschriebene Ewige Evangelium dieser Geistkirche wird vom Engel der Apokalypse, welcher das Zeichen des lebendigen Gottes trgt, verkndet werden (Off. XIV, 6). Fr Gerard ist dieser Engel der heilige Franz als Trger der Wundmale Christi. Der Franziskanerorden ist beauftragt, das Ewige Evangelium zu predigen, welches das Ende der gegenwrtigen Welt und Kirche verkndet. Dieses Ende wird sogar genau auf das Jahr 1260 datiert. Diese Theorie belebt die Erwartungen der Jahrtausendwende, die in manchen Geistern, in gewissen Gruppen und
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Volkshaufen nie ganz verstummen, wieder neu. Gerards Buch und Lehre werden 1255 vom Papst verurteilt, doch nehmen die Spiritualen seine Ideen auf und bauen sie verschiedentlich aus. So sieht Giovanni Olivi in der Provence fr die Zeit nach 1300 eine Verfolgung der Spiritualen voraus, die dem Ende der fleischlichen Kirche und der Herrschaft des Geistes vorausgehe. Es genge, sie unter Beachtung des Testaments des heiligen Franz zu erwarten, ohne sich um die weitere Entwicklung des Franziskanerordens zu kmmern. Die Spiritualen glauben am Ziel zu sein, als 1294 der ihren Ideen gnstig gesonnene Eremit Petrus vom Monte Morrone zum Papst gewhlt wird. Doch zwingt man Clestin V. nach einigen Monaten zur Abdankung. Sein Nachfolger Bonifaz VIII. verdammt und verfolgt die Spiritualen. Die Extremisten und das Ideal der absoluten Armut werden vom Konzil zu Vienne (1311) und von Papst Johannes XXII. (13161334) verurteilt. Die gemigten Spiritualen verlassen den Orden und bilden 1334 die Kongregation der Observanten. Unterdessen entwickeln sich andere Hresien wie die Apostelbrder um Gerardo Segarelli von Parma und Fra Dolcino, die den Reichtum der Kirche verurteilen und die apostolische Armut rhmen. Aus greren Bewegungen gehen die Beginen und Begarden sowie die Brder vom freien Geist hervor. Beginen und Begarden sind fromme Laien, die ein Leben der Armut und krperlichen Arbeit in den kleinen, um eine Kapelle oder Kirche gruppierten Husern der Beginenhfe fhren. Die Kirche wirft ihnen bald vor, da sie die Schrift frei auslegen, die Bibel in der Landessprache lesen, eine Art Quietismus bekennen und die Sakramente sowie die Vermittlung der Geistlichkeit miachten. Sie sind vor allem in Flandern und Deutschland sehr verbreitet. Am Ende des 13. Jahrhunderts beginnen die Inquisitoren, sie zu verfolgen, und das Konzil von Vienne (1311) verurteilt sie in aller Form als Hretiker. Die Brder vom freien Geist und hnliche Gruppen kndigen die Mystik des 14. Jahrhunderts an, pantheistische Neigungen zum Einswerden mit Gott. Sie sprechen von der devotio moderna, der Notwendigkeit einer neuen Frmmigkeit. Oft werden sie mit den Beginen und Begarden verwechselt. Wenn auch ltere und neue Hresien um 1300 bezeugen, da die Kirchenreform nicht zu Ende gefhrt ist und da viele geistliche Bedrfnisse unbefriedigt bleiben, so wollen wir doch die Kirche des 13. Jahrhunderts mit einer triumphalen Kundgebung verlassen. Im Jahr 1300 ruft Papst Bonifaz in Rom zum ersten Male die ganze Christenheit zur feierlichen Begehung des Jubilums des Heiligen Jahres auf. Diese groe Feierlichkeit, welche die im Augenblick so lebendigen apokalyptischen Richtungen in den Scho der Orthodoxie zurckfhrt, bezeichnet den Triumph der ppstlichen Monarchie, der bewahrten christlichen Einheit und einer zugleich traditionellen und erneuerten Frmmigkeit, die in Rom ihr Ziel findet. 11. Ein Jahrhundert lichtvoller Geistigkeit
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Das 13. Jahrhundert, dieses Zeitalter der Organisation, ist auch auf geistigem und knstlerischem Gebiet ein Jahrhundert der Ordnung.
Licht des Glaubens und der Vernunft: Universitt und Scholastik Das beherrschende Ereignis der Geistesgeschichte dieser Zeit ist der Aufstieg der Universitten und die nahezu ausschlieliche Rolle, die sie fr wissenschaftliche Untersuchungen und den Unterricht beanspruchen. Man braucht nur daran zu denken, da sie Korporationen sind (dies nmlich meint das Wort universitas) und da sie, wie alle anderen Berufszweige, faktisch und rechtlich eine Monopolstellung erhalten. Die Universittsmitglieder haben ihre genossenschaftlichen Privilegien: eigene Gerichtsbarkeit (die Verurteilung von Akademikern, die eines Vergehens oder Verbrechens berfhrt sind, untersteht dem rector als Haupt der Universitt), das Recht auf Einspruch und auf Abwanderung (Lehrer und Studenten von Paris ziehen sich zum Beispiel 1229 nach Orleans zurck), das Monopol, Universittsgrade zu verleihen. Bald besitzt jede Universitt als Symbol ihrer Freiheit ein Siegel. Studenten und Professoren haben Statuten, die ihre Organisation bestimmen. Die wichtigste Aufgliederung ist die in Fakultten, die im Hchstfall fnf sein knnen: Artistenfakultt (das heit die freien Knste, als Grundunterricht), Theologie, Medizin, kanonisches und brgerliches Recht. Die Satzungen legen auch das Unterrichtsprogramm, die Einteilung des Universittsjahres und die Prfungen fest. Eine davon ist wesentlich, nmlich die licencia docendi, Erlaubnis zu unterrichten, die einen Studenten zum Professor macht. Die Studien sind lang. Nur wenige Studenten gelangen ber die Artistenfakultt hinaus und auch hier bleiben viele nicht bis zum Ende, das heit bis zur Erwerbung des Doktorgrades. Normalerweise mu man sechs Jahre Artistenfakultt nachweisen und weitere sechs Jahre Rechts- oder Medizinstudien. Fr die Theologie fordern die Pariser Statuten von 1215 acht Jahre, die Doktorwrde kann frhestens mit 35 Jahren erlangt werden. Es ist also eine Minderheit, eine geistige und soziale Elite, welche die Universitten bevlkert. Daher geniet schon der Student die Privilegien der Genossenschaft, und zwar nicht nur, was den Schutz anbetrifft. In Paris leiten die Professoren die Universittsgemeinschaft; in Bologna dagegen haben sie nicht einmal Anteil daran (sie gruppieren sich in einer eigenen Genossenschaft der doctores); dort sind es die Studenten, die die Universitt ausmachen und sie fhren. Whrend in den Kloster- oder Kathedralschulen der vorhergehenden Jahrhunderte die Bibel Grundlage des Unterrichts war, der sich praktisch mit der lectio divina, der Lesung, dem Kommentar und der Meditation der sacra pagina, der Heiligen Schrift, deckte, spielt innerhalb der Universitten die Bibel nur in der theologischen Fakultt eine entscheidende Rolle, wo man sie vier Jahre lang auslegen mu. Aber im Lauf des Universittslebens nimmt der Anteil des Geschriebenen zu. Die Bcher werden ein Hauptlehrmittel; Lehrer
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und Studenten mssen Handbcher des Lehrprogramms besitzen: das Decretum Gratiani und seine Ergnzungen an der Kirchenrechtsfakultt, die Pandekten und den Codex an der Rechtsfakultt, eine Sammlung von Schriften des Hippokrates und Galens an der Medizinischen Fakultt, das Sentenzenbuch des Petrus Lombardus und die Historia scholastica des Petrus Comestor an der Theologischen Fakultt, um nur die Grundtexte zu nennen. Der Universittsunterricht sttzt sich vor allem auf das Buch, mit allem was dies materiell und geistig bedeutet und mit sich bringt. Nach Bologna entwickelt sich Paris zur Universitt, das seine ersten Privilegien 1174 von Papst Clestin III. und 1200 von Knig Philipp August erhlt; ihnen folgen 1215 erste Satzungen, und 1231 gewhrt Papst Gregor IX. durch seine Bulle Parens scientiarum die Charta. Die ltesten erhaltenen Privilegien Oxfords stammen aus dem Jahr 1214, whrend Cambridge 1209 aus einer Abwanderung von Oxforder Universittsmitgliedern entsteht. Auch Padua geht 1222 aus einer Trennung von Bologna hervor. Neapel ist eine Staatsgrndung Friedrichs II. (1224). Toulouse wird 1229 auf Grund eines Artikels im Pariser Vertrag errichtet, um Theologen auszubilden, die den Katharismus bekmpfen knnen. Combra, das mit Lissabon um die erste portugiesische Universitt gestritten hat, trgt erst 1288 offiziell den Sieg davon. Salamanca wird nach einem milungenen Versuch in Palencia 1220 von Alfons IX. gegrndet, mu aber von Papst Alexander IV. und Knig Alfons X. 1254 noch einmal besttigt werden. In Montpellier hat die Medizinische Fakultt den ersten Platz inne. Die Statuten werden 1239 anerkannt. Aber auch die studia der ppstlichen Kurie in Rom oder der Dominikaner in Kln knnen als Universitten mit besonderer Schlerschaft angesehen werden. Die Universitten bringen das im 12. Jahrhundert so verbreitete Umherziehen der Schler zum Stillstand, obschon immer noch Professoren und Studenten von einer Universitt zur andern gehen. Sie stellen schwierige Probleme, unter anderen das ihres Auskommens und Lebensbedarfs. Die Errterungen des 12. Jahrhunderts haben, durch die Laterankonzile von 1179 und 1215 besttigt, die Unentgeltlichkeit des Unterrichts verkndet. Wovon soll man aber leben? Die Professoren verschaffen im Lauf des 13. Jahrhunderts der Ansicht Geltung, da ihnen eine angemessene Vergtung zusteht, und zwar nicht als Verkufer von Wissenschaft diese kann, da sie nur Gott gehrt, nicht verkauft werden sondern als Arbeiter. So erwirken Universittsmitglieder und Kaufleute innerhalb des stdtischen Aufschwungs und der sich daran anschlieenden neuen Wertordnung im Namen der Arbeit die Rechtfertigung ihres Gewinns. Die Universittslehrer, die Kleriker sind, erhalten ihren Lebensbedarf entweder aus Geldern der ffentlichen Gewalt oder aus Pfrnden und Benefizien der Kirche. So bilden sie im 13. Jahrhundert eine intelligentsia, die einen betrchtlichen Teil der hohen kirchlichen und staatlichen Beamten stellt. Diese geistige und mit mtern betraute Elite trgt viel zur Sicherung des Gleichgewichts im 13. Jahrhundert bei.
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Professoren und Studenten haben aber nicht nur die Bcher als Rstzeug. Gesttzt auf die Autoritten, die sie oft recht frei vertreten, entwickelt sich eine Methode, die das Hauptinstrument der Universittsarbeit ist: die Scholastik. Der scholastische Vernunftschlu vollzieht sich in vier Stufen: die erste ist die Lektre eines Textes (lectio); dieser Abschnitt verkmmert rasch, bis er ganz verschwindet. Die zweite ist die Stellung eines Problems (quaestio), das ursprnglich durch die Lesung aufgeworfen wurde; die Diskussion dieses Themas (disputatio) stellt dann als dritter Abschnitt den Mittelpunkt des Prozesses dar. Schlielich erfolgt als geistige Entscheidung die Auflsung (determinatio). So ist der Intellektuelle, der sich der Scholastik bedient, nicht mehr ein einfacher Textinterpret, sondern ein Schpfer von Problemen, die seine berlegung herausfordern, sein Denken anregen und ihn zu einer Stellungnahme veranlassen. Diese bungen schlieen trotz ihrer berufsmigen und geistigen Organisation Entdeckungen, berraschungen und Improvisationen nicht aus. Jeder Magister mu sich zweimal im Jahr der Bearbeitung eines Problems unterziehen, das von irgend jemand ber irgend etwas vorgelegt wird (de quolibet ad voluntatem cuiuslibet). Gewi besteht weder bei der Wahl des Gegenstandes noch bei seiner Abhandlung in diesen Disputen unbegrenzte Freiheit.
Abb. 18: Die Universitten und die Fortschritte der Scholastik. Szenen aus dem Leben der Pariser Studenten am Sdportal von Notre-Dame
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Aber sie bewahren in einem wohlgeordneten Zeitalter und in einer schon gut eingespielten Studienmechanik etwas vom Schwung und der Phantasie des vorhergehenden Jahrhunderts. Aber der Geist der Ordnung trgt den Sieg davon. Als Krone der berlegungen an den Universitten werden ausgedehnte Werke geschaffen, die ein ganzes Wissensgebiet umfassen. Bleibt der organisierende Geist eher uerlich, analytisch und auf Einteilung bedacht, so entstehen Enzyklopdien, wie der Weltspiegel (Speculum maius) des Dominikaners Vinzenz von Beauvais (gest. 1264), der einen Speculum doctrinale, historiale und naturale umfat, dem ein Anonymus zu Beginn des 14. Jahrhunderts einen Speculum morale hinzufgt. Zur gleichen Art gehren De proprietatibus rerum (ber die Eigenschaften der Dinge) von Bartholomus dem Englnder (um 1250), De natura rerum des Thomas von Chantimpr (um 12281244) und schlielich einige Abhandlungen des Albertus Magnus (ber die Tiere De animalibus, Von den Vegetabilien und Pflanzen De vegetalibus libri VII). Prgt umgekehrt ein starker Geist der Synthese das Werk, entstehen jene groen, gegliederten Lehrgebude, die Summen, die man die Kathedralen der Scholastik genannt hat: die Summa aurea des Wilhelm von Auxerre um 1220, die Summa de bono des Kanzlers Philipp um 1230, die Summa de virtutibus et viris und das Magisterium divinale des ersten groen Denkers des 13. Jahrhunderts, Wilhelms von Auvergne (zwischen 1223 und 1240), die Summa creaturis des Albertus Magnus (12401243), die Summa universae theologiae Alexanders von Haies um 1245, die Summa de anima des Johannes von La Rochelle (um 1245) und endlich die grten Denkgebude des Jahrhunderts, die Summa theologica des heiligen Thomas von Aquino (12661274), das Opus maius des Roger Bacon (12651268), die unvollendete Summa theologica des Albertus Magnus (zwischen 1270 und 1280). Im Lehrprogramm der Artistenfakultt nehmen im Lauf des 13. Jahrhunderts gewisse Handbcher immer greren Raum ein. Es sind trotz teilweiser und zeitlich begrenzter, mehr oder minder befolgter Verbote, wie das von 1210 in Paris die Werke des Aristoteles, von dem man nun auer den Schriften ber die Logik, Metaphysik und Ethik auch die physikalischen Bcher kennt. In der zweiten Hlfte des Jahrhunderts verschafft der flmische Dominikaner Wilhelm von Moerbeke (1260 bis 1285), der vor allem fr Thomas von Aquino arbeitet, den westlichen Universitten endlich einen authentischen Aristotelestext, der sorgfltig bersetzt und von allen Entstellungen durch die Kommentatoren befreit worden ist. Aristoteles hilft den Intellektuellen des 13. Jahrhunderts, von der Vernunft Gebrauch zu machen; er ist der Philosoph schlechthin. Im Scho der wahrnehmbaren Realitt gibt es fr Aristoteles (und nach ihm zum Beispiel auch fr Thomas von Aquino) ein bersinnliches Element, die Form (Entelechie), die zu erfassen der ttigen menschlichen Intelligenz vorbehalten ist. Aber diese Vernunft widerspricht dem Glauben nicht, sie fhrt vielmehr zu ihm hin und
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setzt ihn voraus. Sie entspricht dem Grundsatz des heiligen Anselm von Canterbury: fides quaerens intellectum, der Glaube auf der Suche nach der Vernunft, der sich in der Einsicht vollenden will. Die theologische Vernunft ist nach dem Ausdruck des heiligen Thomas eine durch den Glauben erleuchtete Vernunft (ratio fide illustrata), denn die Gnade verdrngt die Natur nicht, sondern vollendet sie. Anders folgernd und in einer mystischeren Atmosphre, aber am Ende einer zusammenlaufenden Untersuchung, stellen die franziskanischen Magister die These von der gttlichen Erleuchtung auf: Das Licht Gottes erleuchtet den menschlichen Verstand unmittelbar. Es kann hier nicht die Rede davon sein, alle Vernunfttheologen des 13. Jahrhunderts vorzustellen oder fr die grten von ihnen mehr als nur eine allgemeine Linie ihres Denkens nachzuzeichnen. Nicht zu den grten, aber zu jenen, deren Einflu auf das geistige Rstzeug der zeitgenssischen Universitten am bedeutendsten war, mu man Petrus Hispanus rechnen, der als Johannes XXI. zum Papst gewhlt wurde und 1277 starb. Seine Summulae logicales sind das Logikhandbuch aller Studierenden und aller Universitten. Er ist der John Stuart Mill des 13. Jahrhunderts. Der heilige Bonaventura, ein Italiener (12211274), tritt, nachdem er zwischen 1236 und 1243 die Artistenfakultt von Paris besucht hat, in den Franziskanerorden ein, wird nach weiteren Studien Doktor der Theologie und lehrt zwischen 1248 und 1255 in Paris. 1257 wird er Generalminister der Franziskaner. Sein Werk ist betrchtlich. Die charakteristischste Schrift ist wohl das Itenerarium mentis in Deum (das Pilgerbuch des Geistes zu Gott, d.h. bis in Gott hinein), die er 1259 in den Alverner Bergen, wo der heilige Franz die Wundmale Christi empfangen hatte, schreibt. Von diesem eher durch Plato als durch Aristoteles beeinfluten Werk (wenn sich Bonaventura berhaupt von Philosophen anregen lt, denn er folgt vor allem der frheren mystischen, geistig-spekulativen Tradition) konnte man sagen, es sei das Werk eines Franziskaners, der sehr frei das Gastmahl erneuere. Die sechs Stufen, die in Gott hineinfhren, werden zugleich mit Hilfe von Vernunftschlssen, dem Gebrauch der Dialektik und durch geistliche Askese bewltigt: Es ist die vollkommene Einheit von Scholastik und Mystik. Das riesige Werk des Albertus Magnus (12061280) ist immer noch zu wenig bekannt, als da man den Kern der Inspiration genau bestimmen knnte. Dieser Enzyklopdist, der sich fr alles interessiert und sein Wissen von berall her nimmt (Aristoteles, Plato, Augustinus, Dionysius Areopagita, die Araber) erscheint eher als vielseitiger und offener Geist denn als kraftvoller, systematischer Denker. Aber er hat zahlreiche Wege erforscht, und seine scholastische Bildung gab ihm einen Sinn fr Genauigkeit, in der er das Geheimnis einer guten, in przisen Worten erbauten Philosophie sieht: Plato hatte eine schlechte Darstellungsmethode. Bei ihm ist alles bildlich ausgedrckt, seine Lehre ist metaphorisch. Er unterlegt den Worten etwas anderes, als was sie wirklich bedeuten, so wenn er zum Beispiel sagt, die Seele sei ein Kreis. Nach seinem Eintritt in den Dominikanerorden im
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Jahr 1223 lehrt Albertus Magnus von 1240 bis 1248 an der Universitt Paris, wo Thomas von Aquino sein Schler ist, dann aber vor allem an der Hochschule (studium) der Predigerbrder in Kln. Da er bis 1280 lebt, kennt er die meisten geistigen Strmungen seines Jahrhunderts, und diese Erfahrungen bereichern noch sein vielseitiges Denken. Thomas von Aquino (12241274), aus einer guten Adelsfamilie des Knigreichs Neapel stammend, in Monte Cassino und dann an der Artistenfakultt der Stauferuniversitt Neapel ausgebildet, wird 1243 oder 1244 Dominikaner, studiert an der Universitt Paris, dann in Kln. 1257 kehrt er nach Paris zurck, um Magister der Theologie zu werden, und verbringt den Rest seines Lebens als Lehrer: von 1257 bis 1259 in Paris, von 1259 bis 1269 an der ppstlichen Kurie, von 1269 bis 1272 wieder in Paris und schlielich von 1272 bis 1274 in Neapel. Man hat sein Werk in fnf Gruppen unterteilt: Bibelkommentare, theologische und philosophische Kommentare, Disput- und Quodlibetfragen, kleinere Schriften ber verschiedene Gegenstnde und zwei Summen: Summa contra gentiles (12591264) und Summa theologica (12661274). Noch mehr als bei anderen groen Geistern des Jahrhunderts wre es bei Thomas von Aquino anmaend, sein Denken in einigen Zeilen resmieren zu wollen. In ihm nehmen die systematischsten und tiefsten Seiten der mittelalterlichen Scholastik Gestalt an. Dieser Theologe erscheint mehr als die meisten mittelalterlichen Denker als groer Philosoph, wahrscheinlich weil seine Theologie so sehr von Rationalitt durchtrnkt ist, da der Glaube in diesem Werk seine Kraft erweist, vernunftmige Selbstndigkeit zu erlangen. Niemand wute besser als er zu unterscheiden und zu vereinen, was unterschieden und vereint werden sollte. Die scholastische Methode ist bei ihm nicht nur geistig, sondern metaphysisch begrndet. Diese gleiche Kraft der Umsetzung lt ihn die Verchristlichung der aristotelischen Philosophie fast vollstndig erreichen, whrend seine Zeitgenossen nur einzelne Teile membra disiecta umformen knnen oder in hretische und heidnische Fallen geraten, die Robert Grosseteste aufzeigt, indem er die Modernen verdammt, die sich blind und seltsam vermessen damit befassen, aus dem hretischen Aristoteles einen Katholiken zu machen. Sie sollen sich hten, damit sie sich nicht tuschen und bei dem Versuch, aus Aristoteles einen Katholiken zu machen, selbst zu Hretikern werden. Mit diesen verirrten Aristotelikern des 13. Jahrhunderts, die man die lateinischen Averroisten genannt hat und denen wir noch begegnen werden, wird der heilige Thomas von seinen Zeitgenossen oft verwechselt. Was sie erstaunt, ist seine Neuheit. Sein Biograph Wilhelm von Tocco schreibt: Bruder Thomas stellte in seinem Unterricht neue Probleme, entdeckte neue Methoden und benutzte neue Beweisketten. Am meisten verwirrte vielleicht, da der heilige Thomas nach den Worten des Pre Chenu die Wirkungskraft der Materie sowohl in der Metaphysik des Weltalls als auch in der Psychologie und der Entwicklung der Gesellschaft forderte. Die vom Krper getrennte Seele
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ist keine Person. Die Persnlichkeit des Menschen bildet sich keineswegs im ausschlielichen Hervortreten des Geistes. Der Mensch ist eine Einheit und Sankt Thomas weist die Aufspaltung in eine hhere, der Weisheit zugeordnete und eine niedere, der Wissenschaft dienende Vernunft zurck. Mit Siger von Brabant (um 12401284) gelangt man zu jener Gruppe weltlicher Doktoren, die man als Averroisten bezeichnet hat und die versuchen, eine von der Theologie unabhngige Philosophie herauszuarbeiten. Sie sind den Orthodoxen verdchtig. Wir werden ihnen im folgenden Kapitel begegnen. Aber Siger, verurteilt, verfolgt und verbannt, hat seinen Zeitgenossen und der Generation des Jahrhundertendes die Erinnerung an einen Geist hinterlassen, der den Grten ebenbrtig war. Dante stellt ihn unter die drei Leuchten des Jahrhunderts neben Bonaventura und Thomas von Aquino. Essa la luce eterna di Sigieri Che, leggendo nel vico degli strami Silloggizzi invidiosi veri.1 (Paradiso X, 136138) Der Franziskaner Roger Bacon (um 12101292), der in Oxford und Paris lehrt, aber die meisten seiner Pariser Kollegen nicht leiden kann und sowohl mit den kirchlichen Autoritten als auch mit seinen Oberen manchen Streit hat, ist eine merkwrdige Figur. Einerseits ist er Traditionalist, der die Wissenschaft ganz der Theologie unterstellt; andererseits ist er khn und erfinderisch. Er mit der Naturwissenschaft als einem Fortschritt auf dem Weg zur Wahrheit groe Bedeutung zu und entwirft eine knftige Christenheit, in welcher die Erfindungsgabe der Wissenschaftler zahlreiche Maschinen geschaffen haben wird: stndig brennende Lampen, sich selbstndig fortbewegende Schiffe und Wagen, Flugmaschinen und Unterwasserfahrzeuge. Vor allem fgt er der dialektischen Beweisfhrung eine andere Erkenntnismethode hinzu: das Experiment. Er gebraucht zweifellos als erster den Ausdruck scientia experimentalis. Roger Bacon ist letzten Endes doch noch mehr Theologe und Ideologe als Wissenschaftler. Dennoch betreten wir mit ihm jenes Denkgebude des 13. Jahrhunderts, das wir die Naturwissenschaften nennen. Whrend Paris die Hochburg der Theologie ist, ist Oxford der Mittelpunkt von naturwissenschaftlichen Studien. Der groe Mann dieser Schule ist Robert Grosseteste (1175 bis 1253), Magister, spter Kanzler in Oxford und Bischof von Lincoln. Auch Grosseteste zeigt sich als Theologe. Die Naturwissenschaft ist fr ihn nur ein Weg zur theologischen Erkenntnis, worin er sich sehr traditionsgebunden zeigt. Aber seine Methode und seine wissenschaftlichen Arbeiten sind von grter Bedeutung. Er betont eine Richtung, die eines der Hauptziele des Jahrhunderts ist die Mathematik als Grundlage jeder
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Naturwissenschaft: Es besteht eine Ntzlichkeit fr sich darin, Linien, Winkel und Figuren zu betrachten. Ohne dies ist es unmglich, die Naturphilosophie zu erkennen. Bacon, sein Schler, sagt: Die ganze Naturwissenschaft erfordert Mathematik. Er wird in einem traditionelleren, neupythagoreischen Sinne von Bonaventura untersttzt: Die Schnheit ist nur eine numerische Gleichheit. Der Mathematik fgt Grosseteste das Experiment hinzu und bahnt so den Weg fr eine Reihe von Wissenschaftlern wie Bacon und jenen Pariser Magister Peter von Maricourt, den Bacon einen Meister der Experimente nennt und der 1269 einen klassisch gewordenen Traktat ber den Magnetismus (Epistola de magnete) verfat. Dieser Neigung zum Experiment mu man den Hang zur Beobachtung hinzufgen, welcher ber die naturwissenschaftlichen Traktate hinaus die Kunst beeinflut. Ein charakteristisches Beispiel stellen die schnen, mit Miniaturen geschmckten Handschriften des Buches ber die Falkenjagd (De arte venandi cum avibus) dar, das fr Friedrich II. zusammengestellt wurde. Die phantastischen Vgel des romanischen Bestiariums haben sich hier in wirkliche, mit groer Sorgfalt gezeichnete Vgel gewandelt. Mathematik und Experiment treffen bei der Erforschung eines Gebietes zusammen, das die Gelehrten des Jahrhunderts besonders anzieht: die Optik. Robert Grosseteste stellt bei der Beobachtung des Regenbogens die Lichtbrechung fest. Von seiner Einbildungskraft getrieben, befat sich Roger Bacon endlos mit Spiegeln und Linsen. Der Pole Witelo (geb. um 1230) stellt eine Theorie der Vision auf, und der Deutsche Dietrich von Freiberg (gest. 1311) betrachtet seinerseits den Regenbogen, fhrt einfallsreiche Versuche mit wassergefllten Glasballons und Kristallkugeln durch und untersucht das Lichtspektrum und seine Farben. Am Ende des 13. Jahrhunderts erscheinen die ersten Brillen. Funoten 1 Ich meine des Sigerus ewige Leuchte; er brachte in der Streugasse als Lehrer mit scharfer Logik harte Wahrheit vor. (Karl Vossler)
Eine Kunst des Lichtes: die Gotik Auch auf dem Gebiet der Naturwissenschaft war das 13. also ein lichtvolles Jahrhundert. Dasselbe lt sich von der Kunst sagen. Erhellen dies scheint das hchste Ziel der Gotik im 13. Jahrhundert zu sein. Physische und geistige Erleuchtung mssen hierbei zusammengehen, wie es Wilhelm Durandus in seinem Rationale von den Glasmalereien gefordert hat: Die verglasten Fenster sind die gttlichen Schriften, welche die Klarheit der
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wahren Sonne, Gottes, in die Kirche, das heit in die Herzen der Glubigen ausgieen, indem sie sie erleuchten. Auch die technischen Gegebenheiten der klassischen gotischen Architektur, die Henri Focillon (Art doccident) am Beispiel der Kathedrale von Chartres bestimmt hat, gipfeln in diesem Auffangen des Lichts: An die Stelle des sechsteiligen tritt das langrechteckige Gewlbe, das die Einheit bei der Verteilung der Glieder sichert, da jetzt ein Seitenschiffsjoch einem Mittelschiffsjoch entspricht. Die Sttzen sind als gegliederte Systeme aufgefat, deren Teile sich gem ihren Aufgaben vom Boden bis zum Gewlbe staffeln. Der Strebepfeiler ist nicht als Verstrkung, sondern als notwendiger Teil vorgesehen und konstruiert. Die Tribne entfllt zugunsten der Seitenschiffe. Zwischen den Pfeilern, ber dem Triforium und unter den Schildbgen macht die Wand vollstndig den Obergadenfenstern Platz, so da das Licht nicht mehr durch enge und hochliegende ffnungen einfllt, sondern neben den Seitenschiffsfenstern durch riesige Lanzetten direkt aus dem Himmel eingefangen wird. Diese neue Gesinnung setzt sich zuerst in Chartres durch, wo 1194 nach dem Brand der romanischen Kathedrale mit Ausnahme des Knigsportals mit dem Neubau begonnen wird, der 1220 im Mauerwerk fertig ist und 1260 im Beisein Ludwigs des Heiligen geweiht wird. Neu ist hier der Wegfall der Tribnen und der dreistckige Wandaufbau mit durchlaufendem Triforium und grer werdenden Obergadenfenstern. Der Gewlbescheitel liegt bei 37 m (gegen 30 m in Notre Dame de Paris). Die Strebepfeilersttzen sind von eindrcklicher Wucht. Die Kathedrale in Reims wurde von vier Architekten errichtet, deren Namen in das 1779 zerstrte Fubodenlabyrinth eingelassen waren. Die Hauptkonzeption scheint von dem ersten, Jean dOrbais, zu stammen, der von 1211 bis 1228 in Reims ttig ist. Die Krnungen Ludwigs VIII. (1223) und Ludwigs IX. (1226) konnten zweifellos schon im Chor stattfinden, der zusammen mit dem Querhaus 1241 fertig wird. Dieser Dom bringt das in Chartres eingefhrte System zur Vollendung. Die ausgewogenen Abmessungen (innere Lnge 139 m, Breite des Schiffes 14,65 m, der Abseiten 7,75 m, des Querhauses 49,50 m, Hhe des Mittelschiffs 38 m, der Abseiten 16,50 m); die Harmonie aus Wucht und Leichtigkeit (das Fenster, das den ganzen Freiraum zwischen den Pfeilern einnimmt, besteht nur noch aus der Zeichnung eines vllig durchbrochenen steinernen Netzes Hans Reinhardt, La cathdrale de Reims); die bald im ganzen Westen nachgeahmte Eleganz der Fenster, die aus zwei schmalen Lanzetten mit einer sechsblttrigen Rose darber bestehen: alles dies macht Reims zum Hhepunkt der klassischen Gotik. Auch der romanische Dom von Amiens und das Labyrinth mit dem Namen seines Hauptarchitekten Robert de Luzarches werden 1218 durch einen Brand zerstrt. Hier baut man von Westen nach Osten. Fassade und Schiff sind 1236 beendet, Querhaus und Chor 1269. Das khne Streben nach schwindelnder Hhe
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geht hier bis ins Titanische. Die Schiffsarkaden sind 18 m hoch. Das aus Arkaden und Dreipssen bestehende Triforium sttzt sich nicht auf Mauerwerk, sondern auf einen verglasten Wandstreifen (claire- voie). Die Obergadenfenster messen 12 m, bei 15 m Breite ist das Hauptschiff 42 m hoch! Unvergleichlich auch die Apsis mit ihrer verlngerten, heraus ragenden Chorkapelle und dem Klppelwerk absttzender leichter Strebebgen und durchbrochener Wimperge ber den Fenstern. Doch macht die Kathedralfamilie von Chartres nicht allein die Hochgotik des 13. Jahrhunderts aus. Die Kathedrale von Bourges, begonnen um 1190 (der Chor steht gegen 1220, das Schiff gegen 1270) bernimmt Zge des 12. Jahrhunderts bei der Einwlbung der weitlufigen Krypta, an den Schiffspfeilern, im mehrstckigen Aufbau, der vor allem an Notre Dame de Paris erinnert. Als groe Neuerung fhrt man in Bourges jedoch fnf in die Hhe gestaffelte, ohne Querhausriegel durchlaufende Schiffe ein.
Abb. 19: Gotische Kunst: das Zeitalter der Kathedralen. Innenraum der Kathedrale von Amiens (Somme, Frankreich)
In Bourges kommt die optische Illusion der gotischen Architektur, die mehrere Kirchen in einer einzigen zusammenfat, voll zur Geltung. An Bourges scheint sich der Chor der Kathedrale von Le Mans (1217 bis 1273) anzuschlieen, der von
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einem luftigen Wald von Strebepfeilern umstellt ist. Von Bourges beeinflut ist auch der Chor der Kathedrale von Coutances (12181274), deren komplexes und doch harmonisches Gesamtbild in einem gewaltigen Vierungsturm kulminiert und die Vielfalt des gotischen Genies bezeugt. Von der Ile de France aus verbreitet sich die Gotik in der ganzen Christenheit. In Uppsala leitet Etienne de Bonneuil seit 1287 die Domhtte. In Ungarn ist vielleicht Villard de Honnecourt der unbekannte Architekt der Kathedrale zu Kalocsa, die den Plan der Kirche Saint-Yved in Braine nachahmt. Auf Zypern stammt der Dom zu Nicosia aus Vorbildern der Ile de France und die Kathedrale von Famagusta aus solchen der Champagne. Einige Kirchen sind nur schwerfllige Kopien, so die Kathedrale von Toledo nach dem Muster von Bourges. Andere erweisen dagegen den Einfallsreichtum ihrer Erbauer. Etwa Jean Deschamp (gest. 1295), der die Kathedralen in Clermont und Limoges und den Chor von Narbonne erbaut, oder jener Meister Gerhard, von dem man nicht wei, ob er Deutscher oder Franzose ist, und der ab 1248 den Chor des Klner Doms errichtet. Andere Bauten zeigen, wie sich der gotische Geist mit regionalen oder nationalen berlieferungen zu verbinden wei. In Sdfrankreich und Katalonien entstehen nach antiker Anregung ein- oder zweischiffige Kirchen, deren hervorragendste Beispiele die Jakobinerkirchen in Toulouse und Angers sind, und Festungskirchen, unter denen der 1282 begonnene Cciliendom zu Albi das groartige und einzig dastehende Meisterwerk ist. In Deutschland hlt man an romanischen, ja selbst ottonischen und karolingischen Lsungen fest. So der zehneckige Zentralbau von Sankt Gereon in Kln (12091277), die Kleeblattform der Elisabethkirche zu Marburg (12351277), die Doppelchoranlage des Bamberger Doms, der sich whrend des gesamten 13. Jahrhunderts von der Romanik zur Gotik hin entwickelt. Im St. Georgsdom zu Limburg an der Lahn (geweiht 1235) gehen romanische Konzeption und frhgotischer Wandaufbau der Kathedrale von Laon zusammen. Die Liebfrauenkirche zu Trier ist eine Synthese des deutschen Zentralbaugedankens mit dem Plan von Saint-Yved zu Braine. In England zeichnet sich das Early English am Ende des 12. und in der ersten Hlfte des 13. Jahrhunderts durch groe Eigenwilligkeit aus. Die Chorschlsse sind flach, das Querhaus ist doppelt. Aus der normannischen Tradition werden Vierungstrme und Hochlaufgnge bernommen. Die Horizontale siegt ber die Vertikale. Der Nachdruck liegt auf grerer Lnge, nicht auf grerer Hhe. Die Strebepfeiler sind zurckhaltend, ppig dagegen schon frh das Gewlbe mit durchlaufender Scheitelrippe und ausstrahlenden Bgen. Die bedeutendsten Beispiele des Early English sind die Kathedralen von Lincoln (11921235), Salisbury (seit 1220), Wells (12201239) und die Kollegiatskirche zu Beverley (Chor und Querhaus zwischen 1197 und 1260). Die Gotik ist nicht nur eine Kathedral-, sondern auch eine Klosterkunst. Die Zisterzienser verbreiten sie. Auch die Bettelorden bernehmen sie und behalten
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die gewaltigen Ausmae bei, die ihren apostolischen Aufgaben entsprechen, lehnen aber den Schmuckreichtum ab, da er ihrer Forderung nach Einfachheit zuwiderluft. berall wo Mnche bauen, bedienen sie sich des neuen Stils. Die Merveille des Mont Saint-Michel entsteht von 1203 bis 1228. Aber die Gotik bringt auch bedeutende Zivilbauten hervor, zum Beispiel jene Keller und Scheunen (so in Vaulerent, den Zisterziensern von Ourscamp gehrend), die man Wirtschaftskathedralen genannt hat. Der neue Stil des Lichtes erfat auch die Burgen, die sich von ihrer rein militrischen Bestimmung lsen und die Erfordernisse der Verteidigung mit grerer Wohnbequemlichkeit zu verbinden suchen. Es entstehen turmlose Schlsser mit groen, kreuzrippengewlbten Slen, deren bedeutendstes zweifellos das von Friedrich II. gegen 1240 in Apulien errichtete Castel del Monte ist. Das Streben nach immer mehr Licht bringt seit der Jahrhundertmitte Bauten hervor, bei denen die Hochfenster die gesamte Wand aufzehren. So in der SainteChapelle des Pariser Knigspalastes (12431248). Hier haben die zwei Fensterreihen auch das Triforium verdrngt. Vllig durchfenstert ist auch der Chor von Saint-Urbain in Troyes (12631266). Groe Rosen kreisen in den Westund Querschiffsfassaden der Kirchen. Beim gotischen Gesamtkunstwerk Architektur und Plastik zu trennen, ist willkrlich. Und doch beginnt jene Statuenwelt, welche die Kirchen bevlkert und so mchtig zu ihrer Gesamtwirkung beitrgt, ihr eigenes Leben zu leben; ihre wachsende Unabhngigkeit von der sttzenden Rckensule kennzeichnet die neue Selbstndigkeit der Plastik. Zwei Ziele scheinen die Bildhauer und ihre kirchlichen Auftraggeber zu leiten: dogmatische Aufklrung und geistliche Erleuchtung. Sie wollen durch Lehre und Stil erleuchten. Hier wird der gotische Humanismus zugleich dialektisch und lchelnd. Das Lehrhafte erkennt man beispielsweise an den Seitenportalen der Kathedrale zu Chartres, wo im brigen auch die moralisierenden Tendenzen der Zeit ins Auge fallen. Am Nordportal, das dem Alten Testament und der im Harren Maria gipfelnden Erwartung des Erlsers gewidmet ist, blttert sich eine Enzyklopdie auf. Die Mitteltr behandelt die Typologie der Patriarchen und Propheten, von Melchisedech bis Petrus. Links erblickt man das Speculum morde der Klugen und Trichten Jungfrauen, der Kardinal- und theologischen Tugenden, der vierzehn Glckseligkeiten der Seele, des Gesprchs zwischen ttigem und beschaulichem Leben. Rechts kommen die Arbeit und die Knste, freie wie mechanische, zu Ehren. Die neue Einteilung der Wissensgebiete wird im Bild sichtbar. Neben Medizin, Geometrie, Philosophie und Musik stehen Malerei, Landwirtschaft und Eisenbearbeitung. Am Sdportal, das dem Neuen Testament und der Erfllung des Versprechens vorbehalten ist, thront im Zentrum der richtende Christus (die Tugenden und Laster sind auf Medaillons dargestellt), zu seiner Rechten die Bekenner, zur Linken die Mrtyrer.
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An dieser Plastik bewundert man den Ernst und das Lcheln, die Harmonie zwischen uerer Form und innerem Ausdruck. Man hat diesen Stil schn genannt und den Beau Dieu von Amiens als sein vollendetstes Beispiel hingestellt. Aber da ist auch der Ernst der Statuen von Wells und Straburg, wo Kirche und Synagoge, Kluge und Trichte Jungfrauen einander gegenberstehen. Da ist das Lcheln der Engel von Reims, das Abwechseln von mnnlicher Wrde und weiblicher Anmut bei den profanen und heiligen Figuren von Bamberg und Naumburg. Reims fat die Entwicklung der gotischen Plastik zum Reizenden, bald schon Manierierten und Slichen zusammen. In ihrer Sternstunde aber hat die Plastik von Reims, ob durch direkte Nachahmung oder nicht, zur Kraft und Monumentalitt der antiken Plastik zurckgefunden. Und vielleicht war Reims nicht ohne Einflu auf die antikisierende Ausrichtung italienischer Bildhauer wie Nikolaus von Apulien, genannt Pisano (Kanzeln in Pisa und Siena, 1260 und 12661268) und Arnolfo di Cambio (Werke in Orvieto und Florenz), welche die Gotik mit der Frhrenaissance verknpfen. ber der Vorherrschaft der menschlichen Gestalt in der gotischen Plastik darf man aber nicht den groartigen vegetabilischen Skulpturenschmuck der Kapitale und Schlusteine vergessen. Hier werden heimische Pflanzen mit botanischer Treue in den Stein gehauen. Jene doppelte Illumination der Plastik findet sich in der Glaskunst als hchstem Ausdruck der gotischen Malerei wieder, fr welche die Wandauflsung groe Flchen lt. Die Fenster lehren, erzhlen und beschreiben. Hier werden die Heiligenleben mit allen anekdotischen Einzelheiten dargestellt, dort, in Chartres, sind die Gewerbe in pittoreskem Realismus zu sehen. Die seit 1230 bliche Aufteilung der riesigen Fenster in schmale, durch dnne Mawerkstbe getrennte Streifen begnstigt diesen szenischen Episodenstil. Aber das Fenster erleuchtet und verklrt auch. Die Fortschritte der Optik und Farbenchemie kommen den Glasmalern direkt zugute. Durch die Benutzung von Manganoxyden wird jener ins Violett gehende Blau ton erzeugt, der die Farbigkeit gotischer Innenrume durch seinen Ernst und manchmal durch seine Traurigkeit beherrscht. Dagegen verleiht ihnen die Auflichtung durch das verschiedenartig erzeugte strahlende Rot eine warme Helligkeit. Zwar lst die Glasmalerei das Fresko ab, doch erhalten Bauherrn und Architekten Italiens ihren Gebuden im 13. Jahrhundert groe Flchen, auf denen sich auch die Wandmalerei entfalten kann. Hier ist die Franziskusbasilika in Assisi das groe Beispiel. Die zwei bereinanderliegenden Gotteshuser wurden zwischen 1228 und 1253 errichtet. Fast alle groen Maler der Halbinsel haben whrend eines Jahrhunderts die Wnde und Gewlbe mit Fresken bedeckt. Zwischen 1280 und 1300 vollzieht sich ein entscheidender Fortschritt. Bei Cimabue entwickelt sich die byzantinische Hieratik zu eigenstndiger, westlicher Dramatik. Giotto fhrt eine neue, realistische und psychologische Auffassung ein, die aber keineswegs an Monumentalitt verliert.
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Auch die Miniatur blht in der Gotik, doch lehnt sie sich bezeichnenderweise an die Glasmalerei an. Sie bernimmt deren Aufteilung, die Einfgung der Bilder in einen architektonischen Rahmen und die Farbigkeit. Bibeln und Psalter fllen sich mit Szenenfolgen, die zugleich Anekdoten und erbauliche Lektionen sind. Man spricht von moralisierenden Bibeln. Bianca von Kastilien und ihr Sohn Ludwig der Heilige frdern diese neue Mode durch ihre Bestellungen weitgehend. Im Verlauf des Jahrhunderts verlieren die Klosterschreibstuben ihr Monopol und bald auch den ersten Rang bei der Herstellung von Bilderhandschriften. Stdtische, von Laien betriebene Offizinen schieben sich, durch die Auftrge der Hfe und Universitten begnstigt, an die Spitze. Paris vor allem, aber auch Bologna, sind auf diesem Gebiet fhrend. Diese Handschriften sind an das Hervortreten einer neuen weltlichen Kundschaft gebunden, die erbauliche Werke wnscht, welche sich von den liturgischen Bchern unterscheiden, die fast die gesamte Produktion der romanischen Zeit ausmachten. Die ganze gotische Kunst mu in diesem Zusammenhang mit einer neuen Gesellschaft von anspruchsvolleren Gnnern oder Verbrauchern gesehen werden, die gegenber Kunstwerken weniger passiv eingestellt sind. Ein in einer Handschrift von 1284 enthaltenes Fabliau, Die 22 Bauernarten, zeigt einen zugleich verdutzten und sich lustig machenden Bauern vor den Statuen der Fassade von Notre Dame de Paris, der, whrend ein Gauner von hinten die Brse dieses Maulaffen abschneidet, ausruft: Da schau, Pippin, schau, Karl der Groe! Dennoch verlangt diese neue Kundschaft auch weiterhin von der Kunst ebensosehr Schockwirkungen wie Unterricht und Erbauung. Der primitive Geschmack fr das Glnzende bleibt. Im Straburger Mnster begeistert sich der Pfaffe Lamprecht am Edelsteinleuchten der Fenster: Die Glasfenster waren an Farben so reich, Nichts kam ihnen an Seltenheit gleich. Unschtzbar der Preis dieser leuchtenden Wand. Beryll und Kristall mit dem Glas im Verband Lieen die Fenster vom ersten Sonnenlicht Getroffen noch lang danach glnzen ... Gotisches Licht strahlt schlielich auch von einer raffinierten Goldschmiedekunst aus, die alle Formen gotischer Architektur benutzt, um daraus funkelnde Umrisse zu schneiden. Vom Dreiknigsschrein zu Kln (zwischen 1198 und 1209 beendet) ber die Werke des Goldschmiedemnchs Hugo von Oignies im Schatz von Notre Dame zu Namur (um 1220) und den Taurinusschrein in Evreux (zwischen 1240 und 1255) bis zur sogenannten Heinrichskrone der Residenzschatzkammer in Mnchen (um 1280) hlt die gotische Goldschmiedekunst in kostbarem und glnzendem Material eine
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manieriert werdende Architektur fest, der Filarete im 15. Jahrhundert vorwirft, zur Goldschmiedearchitektur geworden zu sein. Glanz der Literatur: von der Morgenfrhe des Minnesangs zur strahlenden Abendrte der Divina Commedia Die Literatur des 13. Jahrhunderts steht zwischen Morgenrte und strahlender Abenddmmerung. Die Morgenrte ist der Minnesang, die Dmmerung die Gttliche Komdie. Zwar scheint die Minne um 1200 den moralischen Mut zum hchsten Ideal zu machen (leit mit zhten getragen, wie Reinmar dichtet), sie bleibt aber doch ins Maienlicht und in die Sonne getaucht. So bei Heinrich von Morungen (zwischen 1190 und 1220), bei Reinmar dem Alten (gest. um 1210), bei Wolfram von Eschenbach (um 1170 um 1220) und Walther von der Vogelweide (um 1170 um 1230). Der Winter ist die verhate Zeit, welche Licht und Farbe vertreibt und alles bleich und grau macht: sist worden bleich und bergr Es lebe der Sommer! (Der Frhling der Minnesnger ist in Wirklichkeit ein Sommer, denn das gotische Empfinden erkennt die Nuancen der bergangszeiten kaum und hebt nur den starken Kontrast zwischen Winter und Sommer hervor:) sumer, mache uns aber fr: d zierest anger unde l. Mit den bluomen spilt ich d, mn herze swebt in sunnen h ... Das anwachsende Publikum der Schriftsteller begnstigt den Fortschritt der Landessprachen in der Literatur. Die Leser finden sich in den aristokratischen Kreisen, aber auch im Brgertum und sogar im Volk. Die herkmmlichen Gattungen, die im Sche der feudalen Gesellschaft entstanden sind, erleben eine glnzende Entwicklung. Die Epik bringt mit Wolfram von Eschenbach (Parzival um 12001210, Willehalm um 1215 und Titurel um 1218) Meisterwerke hervor. Das 13. Jahrhundert ist auch die groe Zeit der skandinavischen Sagas. Hier zeichnet sich vor allem Island aus. Snorri Sturluson (11791241) vereinigt in seiner Heimskringla eine Sammlung norwegischer Heldenbiographien. Sein Neffe, Sturla Thrdarson (12141284), schreibt die Islendinga Saga, und am Ende des Jahrhunderts ist die Njls Saga das groe Meisterwerk dieser Gattung. Die gewaltige Karlamagns Saga der ersten Jahrhunderthlfte zeigt, da die Mode des geschichtlichen Ritterromans ber die ganze Christenheit verbreitet ist. Auch der Roman erreicht eine so auergewhnliche Flle mit den fnf Teilen des Prosa-Lanzelot oder Lancelot-Graal (Geschichte des heiligen Gral Merlin
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Lanzelot Gralssuche Artus Tod), da man ihn mit den schnsten gotischen Kathedralen verglichen hat. In Arras findet sich ein literarischer Sammelpunkt, welcher die Ausweitung des Leserkreises und des Geschmacks im 13. Jahrhundert bezeugt. Eine literarische Bruderschaft, le puy, vereint die reichen Brger, das Patriziat, veranstaltet Wettstreite und Feste und begnstigt Dichtung und Theater. Zwei groe Dichter machen die Literatur von Arras im 13. Jahrhundert berhmt: Jean Bodel, der dort sein Nikolausspiel, das Jeu de Saint Nicolas (1202) verfat, und Adam de la Halle (Adam le Bossu), der sein Jeu de la Feuille um 1276 auffhrt. Der Novellino, eine Sammlung italienischer Erzhlungen, zeigt in der Mitte des Jahrhunderts, wie die Stadtkultur realistische und schlpfrige Zge mit einer hfischen und ritterlichen Tradition zu verbinden wei. Der Realismus ist die neue Strmung. Whrend die Kathedralplastik zu lcheln beginnt, lacht die Literatur laut auf. Es lachen die Fabliaux, die um 1200 entstehen und nur das Jahrhundert ber andauern. Es lacht auch der parodistische Roman, dessen Meisterwerk die Tierepope Reineke Fuchs ist. Sie erreicht schon um 1200 in Isengrmes not des Elsssers Heinrich der Glichezaere den Hhepunkt; in der ersten Jahrhunderthlfte schwillt der Stoff zu einem Gedicht von 25 000 Versen an, in dem die Tiergesellschaft den Adel parodiert und die reichen Bauern angreift. Zwischen 1260 und 1270 entartet der Stoff im Renard le Btourn des Rutebeuf, der die Bettelorden lcherlich macht. Schlielich lt Jacquemart Gelle aus Lille in seinem Renard le Nouvel seinen Helden am Scheitel eines stillgelegten Fortunarades triumphieren. Die realistische Strmung kann man auch in der Entwicklung des Minnesangs verfolgen. Schon bei Walther von der Vogelweide ist er erbaulich, ja sogar politisch geworden. Walther ist der grte Spruchdichter, er fhrt den Spruch ins Lied ein. Er ist antiklerikal und als kaiserlicher und deutscher Patriot gegen den Papst, vor allem in dem berhmten Preislied Ir sult sprechen willekomen. Nach ihm wird der Minnesang naturalistisch und parodistisch. Er verbuerlicht und fhrt zu den nimmersatten Hymnen der Frelieder. Diese Gattung hat dennoch zwei wirkliche Schriftsteller hervorgebracht: Neidhart von Reuenthal (um 1180 um 1250), Schpfer der hfischen Dorfpoesie, und Wernher der Gartenaere, Verfasser des Meier Helmbrecht. Aber die Dichtung des 13. Jahrhunderts wei vom Lachen auch zu den Trnen zu wechseln. Der Satiriker Rutebeuf ist zur Zeit Ludwigs des Heiligen auch der Verfasser melancholischer Lieder, die Villon ankndigen. Ein erstaunliches Werk scheint die ganze Literatur des 13. Jahrhunderts zusammenzufassen: der Roman de la Rose. In den 4000 Versen des ersten, um 1230 verfaten Teils gebraucht Wilhelm von Lorris alle Kunstgriffe einer hfischen Poesie, die in Allegorien erschlafft und sich entkrftet. Im zweiten, von Jean de Meung um 1270 geschriebenen Teil ndert sich der Geist des Romans so sehr, da er als parodistische Fortsetzung erscheint. Die Erzhlung beschwert sich mit wissenschaftlichen Darlegungen, antiklerikalen Angriffen (vor allem, wie bei Rutebeuf, gegen die Bettelorden gerichtet) und wird von einem lyrischen
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Naturalismus mitgerissen, aus dem christlicher Geist fast ganz verschwunden ist. Der letzte Spro der hfischen Poesie wird zum Meisterwerk einer poetischen und anti-hfischen Scholastik. Liebe wird durch die Natur unterjocht eine glhende, heidnische Natur, die von vitalen Regungen beherrscht ist. Zu einem anderen Ziel leitet Vergil den Dichter, in dem das Jahrhundert gipfelt und mit dem es und das hohe Mittelalter des Westens schliet: Dante. Gewi beschrnkt sich das Werk des Florentiners nicht auf die Divina Commedia. Der lyrische Dichter der Vita Nuova (um 1293), in der Beatrice gefeiert wird, der Enzyklopdist des Convivio (zwischen 1304 und 1308), der Verteidiger der italienischen Sprache in De vulgari eloquentia (zwischen 13041306 lateinisch geschrieben), der politische Autor der Monarchia, dem Schwanengesang ghibellinischer Mystik in dem Augenblick, als Heinrich VII. nach Italien zieht (13101313), hat seinen festen Platz in der Geschichte mittelalterlicher Literatur. Die Divina Commedia aber, kurz vor dem Tode Dantes (1321) vollendet, ist das dichterische Vermchtnis des 13. Jahrhunderts. Die ganze Wissenschaft, die politische Spekulation, alle moralischen und geistlichen Erfahrungen der Zeit drcken sich im Lauf des Wegs aus, der Dante und seinen Fhrer von der Hlle ber das Purgatorium und endlich, nachdem Beatrice Vergil abgelst hat, durch die Paradiesessphren fhrt, bis hin zu Gott, welcher die letzte Quelle des Lichtes ist. Aber dieser Weg zum Licht, tiefster Ausdruck der gotischen Zeit, in den Dante die gesamte optische und astronomische Wissenschaft des Jahrhunderts mystisch bertrgt, verklrt eine Welt, die schon der Vergangenheit angehrt. Wenn sich Dante zu diesem Leuchten, in dem alle irdischen Dinge vergessen sind, emportragen lt, dann weil die Gesellschaft und die Werte, die er liebt, hienieden schon verschwunden sind und das Sommerlicht schon den mit Flammen vermischten Schatten des Herbstes Platz gemacht hat der Krise der mittelalterlichen Christenheit. Nachwort Die Christenheit in der Krise (12701330) 12. 1300 oder die schlechte Zeit Die Krise, die sich in der Christenheit zwischen 1270 und 1330 bemerkbar macht, beginnt mit Erschpfungserscheinungen. Der Aufstieg, der seit dem 11. Jahrhundert den Westen mit sich reit, verlangsamt sein Tempo, hlt inne und scheint sogar hier und da eine rcklufige Bewegung einzuleiten, whrend anderswo der Fortschritt anhlt. Diese Entwicklung, obschon sie nicht allgemein ist, erfat das Ganze. Hat der Okzident seine Grenzen erreicht?
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Da sind zunchst die technischen Grenzen. In der nach wie vor wesentlichen Landwirtschaft zeigt sich in der Ausbreitung und Ausnutzung ein Stillstand. Rodungen erfolgen nur noch vereinzelt. Sogar ein Zurckgehen kommt vor. Mierfolge im Ansiedlungswerk mehren sich. So bleiben viele bastides befestigte Neustdte in Sdwestfrankreich als Projekt auf den Karten oder verfallen, wenn sie tatschlich gegrndet werden, rasch. Abgelegene, schlechte und vom Anbau rasch erschpfte Bden werden aufgegeben. Diese Erscheinung ist am Jahrhundertende besonders in England deutlich. Aber auch in Mitteldeutschland beginnen die Wstungen aufgegebene Drfer und Lndereien. Dieser Stopp der rumlichen Ausdehnung hngt mit der Unfhigkeit der landwirtschaftlichen Technik zusammen, gewisse Engpsse zu berwinden. Auf vielen mageren Bden ermglicht die Dreifelderwirtschaft keine ausreichende Erholung der Anbauflchen. Vor allem verhindert der Mangel an Mist immer mehr die Krftigung der Lndereien. Dafr sind die besonderen Empfehlungen, die Walter von Henley diesbezglich in seinem Housebondrie-Buch. gibt, bezeichnend. Ebenso erweist seine Warnung an die Landwirte vor den hohen Preisen fr Pferde, da deren Benutzung beim Ackerbau auf Schwierigkeiten stt, was eine allgemeine Verbreitung verhindert. Die Vermehrung des Viehbestandes wird durch die Unfhigkeit der Landgemeinden, die Tiere in zu groer Zahl zu ernhren, begrenzt. Die dem Anbau vorbehaltenen Flchen erweisen sich als nicht weiter einschrnkbar und die Ernhrung des Viehs mit der wichtigeren des Menschen unvereinbar. Um 1300 mehren sich Klagen vor allem ber die Ziegen, denn diese unersttlichen Tiere verschrfen eine weitere Gefahr: nmlich da die Wlder zurckgehen. Rodungen, starke, durch die Verbesserung der Werkzeuge vor allem der hydraulischen Sge ermglichte Holznutzung, von Viehherden angerichtete Schden: alle diese Ursachen der Entforstung bringen eine Waldkrise und eine Bedrohung der nicht mehr durch die Bewaldung geschtzten Ackerbden mit sich. Das dadurch gefrderte Auswaschen der oberen Humusschichten trgt zum Rckgang der Anbauflchen bei. Die Gefahr der Entforstung ist natrlich in Gegenden, wo Oberflche, Boden und Klima das bel begnstigen, besonders gro. Das trifft fr die Sdalpen zu, wo sich von der Dauphine bis nach Istrien die Klagen seit dem Ende des 12. Jahrhunderts stndig mehren. Eine dieser Forstkrisen um 1300 zeigt, da neben den technischen Begrenzungen auch wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten beachtet werden mssen. Die Dorfgemeinschaften, besonders aber die Armen, beklagen die zunehmende Einschrnkung der Allmenden, jener vor allem bewaldeten Teile der Gemarkung, die der allgemeinen Nutznieung berlassen sind. Jeder kann dort sein Schwein, seine Ziege weiden oder Wildfrchte pflcken. Die Fortschritte landwirtschaftlicher Eigenstndigkeit, die Neigung reicher Bauern, ihre Besitzungen zu umzunen und sich mehr oder minder legal Teile der Allmende anzueignen, verkleinern diese immer mehr und vermehren so die Schwierigkeiten der Dorfgemeinschaften. In England erffnet das Statut
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von Merton ab 1236 die Zeit der enclosures. Dies Vorgehen ergibt sich aus einer Wirtschaftswahl, welche die reichen Landwirte treffen knnen, indem sie beispielsweise durch die Nachfrage nach Wolle angeregt den Ackerbau in Viehzucht umwandeln. Um die Schafe weiden zu knnen, schrnkt der Grundherr oder reiche Bauer das Ackerland ein und schliet die Wlder ab.
Abb. 20: Das Abendland zu Beginn des 14. Jahrhunderts. England: 1 Newcastle, 2 York, 3 Norwich, 4 Bristol, 5 Plymouth, 6 Southampton, 7 Portsmouth, 8 Canterbury, 9 Dover.Frankreich: 1 Rouen, 2 Reims, 3 Chalons, 4 Troyes, 5 Chartres, 6 Orleans, 7 Le Mans, 8 Angers, 9 Bougneuf, 10 Bourges, 11 La Rochelle, 12 Olron, 13 Bordeaux, 14 Clermons, 15 Lyon (franz. 1307), 16 Vienne, 17 Bayonne, 18 Albi, 19 Toulouse, 20 Carcassonne, 21 Narbonne, 22 Montpellier, 23 Marseille.Spanien: 1 Santiago di Compostela, 2 Santander, 3 Bilbao, 4 Leon, 5 Burgos, 6 Saragosa, 7 Lerida, 8 Perpignan, 9 Barcelona, 10 Salamanca, 11 Avila, 12 Toledo, 13 Valencia, 14 Alicante, 15 Murcia, 16 Cartagena, 17 Malaga, 18 Granada, 19 Jaen, 20 Cordoba, 21 Sevilla, 22 CadizFlandern: 1 Brgge, 2 Gent, 3 Courtrai, 4 Lille, 5 Tournai, 6 Arras, 7 Amiens, 8 Ypern.Italien: 1 Asti, 2 Mailand, 3 Padua, 4 Verona, 5 Bologna, 6 Lucca, 7 Pisa, 8 Florenz, 9 Siena, 10 Ancona, 11 Todi, 12 Assisi, 13 Rom, 14 Gaeta, 15 Neapel, 16 Amalfi, 17 Salerno, 18 Bari, 19 Brindisi, 20 Tarent, 21 Reggio.Sizilien: 1 Messina, 2 Catania, 3 Syrakus, 4 Palermo. Bhmen: 1 Prag, 2 Kuttenberg.Deutschland: 1 Lbeck, 2 Bremen, 3 Hamburg, 4 Wismar, 5 Stralsund, 6 Greifswald, 7 Stettin, 8 Kolberg, 9 Frankfurt, 10 Berlin, 11 Magdeburg, 12 Goslar, 13 Halle, 14 Erfurt, 15 Kln, 16 Frankfurt, 17 Mainz, 18 Straburg, 19 Habsburg, 20 Ravensburg, 21 Augsburg, 22 Mnchen, 23 Moorgarten, 24 Laibach, 25 Klagenfurt, 26
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Graz, 27 Drnkrut, 28 Freiberg, 29 Meien.Ungarn: 1 Preburg, 2 Gran, 3 Pest, 4 Ofen, 5 Kalocsa, 6 Agram, 7 Zara, 8 Spalato.Polen: 1 Posen, 2 Gnesen, 3 Plozk, 4 Lublin, 5 Sandomir, 6 Krakau.Deutscher Orden: 1 Knigsberg, 2 Elbing, 3 Danzig, 4 Marienburg 1309, 5 Kulm, 6 Thorn.
Diese Wahl wird ihm durch die gesamte Wirtschaftsentwicklung nahegelegt: durch die erreichten Hchstpreise landwirtschaftlicher Produkte, die sogar zu fallen beginnen, durch die Vernderungen in Struktur und Ertrgen der landwirtschaftlichen Einknfte und vor allem durch die Feudalrenten. Die technischen Grenzen zeigen sich auch in Handwerk und Industrie. Manchmal handelt es sich dabei um das Abbremsen eines technischen Fortschritts, den der Markt nicht mehr bewltigen kann. Die Verbote, mit denen einige Stdte und Znfte das Spinnrad und die Walkmhle belegen, sind nicht einfach uerungen eines konservativen wirtschaftlichen und technischen Denkens oder der Wunsch, die gewohnte Qualitt aufrechtzuerhalten. Sie wollen vor allem eine berproduktion verhindern, die auf dem bereits verstopften Markt das Sinken der Textilpreise zur Folge haben wrde. Auffallender noch sind die Grenzen, die das wichtige Bauwesen erreicht zu haben scheint. Auf den ersten Blick ist dies vor allem eine technische Krise. Der gotische Titanismus hat das Unmgliche versucht: 1284 strzt das 48 Meter hohe Schiffsgewlbe der Kathedrale von Beauvais ein. Der Chor bleibt erhalten, aber das Schiff wird nicht mehr aufgebaut. Doch auch dort, wo die Bauplne keine unlsbaren technischen Probleme aufwerfen, mehren sich die aufgegebenen Baustellen. Die erste Hlfte des 14. Jahrhunderts ist die Zeit der unvollendeten Kathedralen: Narbonne, Kln, Siena begngen sich mit einem Chor oder einem Querhausarm. Die Bauhtten erhalten nicht mehr gengend Schenkungen oder Geldmittel. Nur auf das Drngen Clemens V. hin, der 1310 an die Glubigen appelliert, wird der Cciliendom in Albi fertiggestellt. Ist es ein Erkalten der Begeisterung, das so vielen Kathedralen ihre Trme oder Turmhelme vorenthlt? Hunderte von Zeugnissen beweisen, da die Frmmigkeit der Christen nicht abgenommen hat. Aber die Beutel sind leer, oder man legt das Geld anderswo an. Wenn also kein Nachlassen der Glubigkeit vorliegt, haben wir es vielleicht mit einer Umwandlung zu tun, die sich nicht mehr mit Ausgaben zufriedengibt, welche als unproduktiv angesehen werden. Rumliche Grenzen: Das Ende des Vordringens Das von der Christenheit zu Beginn des 14. Jahrhunderts erreichte geographische Limit ist nicht nur landwirtschaftlicher, sondern auch kommerzieller und politischer Natur. Die Grenzzeit, wie sich A.R. Lewis ausdrckt, ist fr den mittelalterlichen Westen zu Ende. In Spanien kommt die Reconquista zwei Jahrhunderte lang an den Grenzen des kleinen Knigreiches Granada zum Stehen und die Knige von Kastilien und Aragonien finden nur schwer Siedler, um die im Lauf des Jahrhunderts
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eroberten Gebiete zu bevlkern. Auch hier ist der Bevlkerungsaufschwung zu Ende. Im Osten bleibt das Vordringen an den russischen und ukrainischen Grenzen stecken. Erst die Evangelisierung Litauens am Ende des 14. Jahrhunderts zur Zeit des jagiellonischen Gropolen wird die Ostgrenze der mittelalterlichen Christenheit endgltig festigen. In Byzanz beendet 1261 die Rckkehr von Michael VIII. Palaiologos das 1204 durch die Kreuzfahrer errichtete ephemere lateinische Kaisertum. Auf dem Konzil von Lyon endet 1274 das eher politische als religise Streben nach der Vereinigung der Kirchen, dem sich die Mehrzahl des orthodoxen Klerus nicht anschlieen will, mit einem Fehlschlag, der 1281 endgltig wird. Das vielleicht auffallendste, weil am leidenschaftlichsten aufgenommene Vorzeichen ist das Ende des lateinischen Reiches im Heiligen Land. Der Fall Akkons im Jahr 1291 bedeutet die letzte Episode. Zwar ist der Aufruf zum Kreuzzug damit nicht verstummt. Noch das Konzil von Vienne lt ihn 1311 erklingen, und der Kreuzzugsgeist ist im Westen nicht erloschen. Aber der Kreuzzug selbst stirbt 1270 mit Ludwig dem Heiligen vor Tunis. Sogar die friedliche Expansion der Kaufleute erreicht zu Beginn des 14. Jahrhunderts ihre Grenzen. Einige Unternehmungen enden mit Mierfolgen oder bleiben vereinzelte Abenteuer. Als Marco Polo am Ende des Jahrhunderts in den Gefngnissen von Genua seinen Bericht diktiert, hlt ihn alle Welt fr einen besonders phantasiebegabten Mann, und seine wunderbaren Reiseerlebnisse werden den erdichteten Heldenromanen an die Seite gestellt. 1290 verlassen die Brder Vivaldi und Teodisio Doria den Hafen Genuas, umschiffen die Sulen des Herkules und fahren die afrikanische Kste hinab. Wollten sie nach der Umseglung Afrikas den Orient erreichen? Wir werden es nie erfahren, da sie verschollen sind. R.S. Lopez hat bemerkt, da es weder mangelnder Unternehmungsgeist noch Unsicherheit ist, der dem europischen Handel im Mittelalter Grenzen setzt, sondern vielmehr die Schranken der wirtschaftlichen Mglichkeiten selbst. Was hat man im Tausch fr Seide und Gewrze anzubieten? Der Okzident bringt keine Luxuswaren hervor, die den in dieser Hinsicht besser versorgten Orient reizen knnten. So versuchen die christlichen Hndler zu Beginn des 14. Jahrhunderts, Leinen, Schmuck, Kristalle und Raritten zu verkaufen. Der franzsische Knstler Guillaume Boucher verfertigt einen mechanischen Brunnen, den er dem Grokhan in Karakorum anbietet. Ein Genuese bringt 1292 dem marokkanischen Emir einen vergoldeten Baum mit automatisch singenden Vgeln, und 1338 besteht das Geschftskapital des Venezianers Giovanni Loredano, der mit fnf Gesellschaftern nach Indien reist, vor allem aus einem Brunnenautomaten und einer Uhr. Damit kann man natrlich keinen Grohandel betreiben. Und was das Bezahlen der exotischen Waren in Geld oder Edelmetallen anbelangt, so wendet sich die Entwicklung des Verhltnisses
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zwischen Geld und Gold am Beginn des 14. Jahrhunderts gegen den Westen. Fr mehr als ein Jahrhundert hat der christliche Fernhandel seine Grenzen erreicht. Geistige Grenzen: die Verdammungen von 1277 Einschlielich der geistigen Forschungen gibt es nichts, das am Ende des 13. Jahrhunderts nicht an seine Grenzen gelangt wre. Gewi sind es uerliche Grnde, die den wissenschaftlichen und intellektuellen Fortschritt aufhalten. Am Ende der beiden groen Wege, welche die Intellektuellen des 13. Jahrhunderts erschlossen haben, Vernunftschlu und experimentelle Beobachtung, stehen von 1270 an scharfe Verurteilungen der kirchlichen Autoritt. 1270 und 1277 verdammt der Pariser Erzbischof Etienne Tempier eine Anzahl Behauptungen und Lehrstze. Dasselbe tut der Dominikaner John Peckham, Erzbischof von Canterbury. Die Verbote beschrnken sich nicht auf Paris, Oxford und Cambridge. Sie werden anderen Universitten mitgeteilt, wo sie Anwendung zu finden scheinen. Im groen und ganzen werden sie von den Franziskanern und Dominikanern als fhrenden Orden der geistigen Bewegung akzeptiert. Damit treffen sie die wichtigsten Denkmittelpunkte. Sie treffen Mnner wie Ideen. Der Franziskaner Roger Bacon und der weltliche Magister Siger von Brabant werden gefangengesetzt. Der Syllabus des Etienne Tempier erscheint als Katalog der verschiedenartigsten Irrtmer. Einige der verurteilten Behauptungen lassen die Existenz einer naturalistischen, heidnischen, vielleicht offen antichristlichen Strmung erkennen: 152. Da die Theologie auf Fabeln beruht. 155. Da man sich nicht um das Begrbnis kmmern soll. 156. Da Keuschheit an sich noch keine Tugend ist. 169. Da die vllige Enthaltsamkeit die Tugend und das Menschengeschlecht verdirbt. 174. Da die christliche Lehre Fabeln und Irrtmer enthlt wie die anderen Religionen. 176. Da das Glck in diesem Leben ist und nicht in einem anderen. Vor allem aber sind die Verurteilungen von 1270 und 1277 auf die Neigung gemnzt, alles rationalistisch zu erklren: 18. Da der Philosoph die Auferstehung des Fleisches nicht zugeben kann, weil sie nicht vernunftmig untersucht werden kann. 175. Da die christliche Lehre ein Hindernis fr die Wissenschaft ist. Die Verbote treffen eine zwischen 1250 und 1277 an der Pariser Universitt besonders aktive Gruppe, deren Hupter Siger von Brabant und Bothius von Dacien sind, die sich zur Unterscheidung von den Theologen Philosophen nennen und, indem sie die Tugend der Demut als die wissenschaftliche Forschung lhmend ansehen, fr die Philosophen das Ideal der antiken Seelengre als
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Tugend der geistigen Wrde postulieren. Deshalb steht unter den verdammten Behauptungen von 1277 auch: 40. Da es keinen besseren Stand als den des Philosophen gebe. 154. Da nur die Philosophen die Weisen dieser Welt seien. brigens fhrt der Wille Etienne Tempiers und aller jener, die ihn untersttzen oder antreiben (zu ihnen gehrt wahrscheinlich der portugiesische Papst Johannes XXI., der berhmte Logiker Petrus Hispanus), diese Abweichung mit den Wurzeln auszurotten, auch zur Verdammung mehrerer Behauptungen des Thomas von Aquino. Und doch hatte dieser bereits Vertreter des vollstndigen Aristotelismus angegriffen, die gewhnlich nach dem islamisch-spanischen Philosophen Averros, einem Kommentator des Aristoteles am Ende des 12. Jahrhunderts, Averroisten genannt werden. Auf dem Gebiet der eigentlichen Theologie werfen ihnen die Orthodoxen vor allem drei hretische Meinungen vor: Die Theorie der doppelten Wahrheit, nach der das, was fr den Glauben wahr ist, fr die Vernunft falsch sein kann; den Glauben an die Ewigkeit der Welt, welcher die Leugnung der Schpfung einschliet; schlielich die Bekrftigung der Einheit des Geistes, was die Unsterblichkeit einer persnlichen Seele unmglich macht. Aber die Verurteilungen von 1277 haben auch betrchtliche Folgen fr die eigentliche Wissenschaft, da diese ja von der Theologie unabhngig noch nicht existiert. ber drei Jahrhunderte spter wird es noch Galileo Galilei zu seinem Schaden erfahren. Tatschlich formulieren Etienne Tempier und die Gruppe rckstndiger und begriffsstutziger Theologen in der Absicht, die Allmacht Gottes zu bekrftigen und ihn vor jedem rationalen Determinismus zu bewahren, reinen Unsinn. Aber dieser wissenschaftliche Unsinn, der durch Autoritt und Exkommunikationsdrohungen untermauert wird, legt den Gelehrten groe Vorsicht nahe, vor allem bei der Behandlung des leeren Raums und der Unendlichkeit. Geschichtsschreiber der Philosophie und der Naturwissenschaft haben behauptet, da die Verurteilungen von 1277 die Wissenschaft vom griechischen Determinismus und der Teleologie befreit und so der modernen Naturwissenschaft die Tr geffnet htten. Aber nicht nur, da die durch Etienne Tempiers Syllabus geschaffenen theoretischen Mglichkeiten von den Wissenschaftlern whrend dreier Jahrhunderte nicht genutzt werden; es ist auch gewi, da das Eingreifen des Bischofs von Paris nicht als eine Befreiung vom festgelegten Rahmen griechischen Denkens aufgefat wurde, sondern als ungeschicktes Eindringen eines unverbesserlichen und unwissenden Rckstndigen in ein Gebiet, auf dem er nichts zu suchen hatte (E. Gilson, La Philosophie au Moyen Age). Man darf die Bedeutung der Verdammungsurteile von 1277 aber auch im Gegensinn nicht bertreiben. Denn trotz der ihnen auferlegten Hemmnisse und Verpflichtungen zu Vorsicht und Umschreibungen zgern die Gelehrten nicht,
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diese Verbote bei ihrer Arbeit zu umgehen, so wie die Verdammung des Wuchers die Kaufleute nicht daran gehindert hat, ihren Geschften nachzugehen. Da wo sie die Forschung zu lhmen scheinen, steht die Khnheit der Gelehrten in keinem Verhltnis zu den Mglichkeiten ihrer Wissenschaft. Sie haben ihre Grenzen erreicht, ohne da Etienne Tempier sie anzuhalten brauchte. Da wo die Verurteilungen von 1277 neuen Ideen den Weg geffnet zu haben scheinen, vor allem, was die Kritik an der aristotelischen Physik anbetrifft, kann man mit Alexander Koyr (Le vide et lespace infini au XIVe sicle) denken, da auch ohne Etienne Tempier die Diskussionen ber den leeren Raum und die Unendlichkeit in der christlichen Scholastik stattgefunden htten, wegen der Eigenbedeutung dieser Fragen. Mehr noch, die Wissenschaftler (Bradwardine, Buridan, Oresmius), die in der ersten Hlfte des 14. Jahrhunderts die angeblich von Etienne Tempier gewhrte Freiheit der Einbildungskraft nutzen und neue Ideen uern, stoen sich an Engpssen, welche die mittelalterliche Wissenschaft daran hindern, wichtige praktische Folgen zu zeitigen: die unzureichenden mathematischen Symbole und die Lhmung wissenschaftlichen Denkens durch eine theologische Geisteshaltung. Denn auch das geistige Rstzeug des mittelalterlichen Intellektuellen hat sich am Ende des 13. Jahrhunderts erschpft. Das Unbehagen der Epoche um 1300 resultiert nicht nur aus einem Anhalten vor unberwindlichen Hindernissen; es ist auch eine Krise mit eigenen Wirren. Die Wirtschaftskrise: Hungersnte (131517), Geldmanipulationen, Umwandlung der Wirtschaftskarte Sie lt sich an zunehmenden Anzeichen in der Wirtschaft erkennen. Am gravierendsten ist die Rckkehr der Hungersnte. Whrend dreier Jahre aufeinanderfolgende Regenfluten und mehrere schlechte Ernten fhren zwischen 1315 und 1318 im ganzen Okzident zu einer fast allgemeinen Hungersnot, zum Ansteigen der landwirtschaftlichen Preise und zu erhhter Sterblichkeit. Mit diesem Donnerschlag beginnt das tragische 14. Jahrhundert. Andere Zeichen sind schon vorausgegangen. So im Geldwesen, dem Barometer des Wirtschaftslebens nach Marc Bloch. Am Ende des 13. Jahrhunderts gengt die Masse des im Westen zirkulierenden Geldes den Bedrfnissen von Wirtschaft und Regierung nicht mehr. Der Geldmangel ergibt sich aus dem Fehlen von Edelmetallen und daher, da neben Silber wieder in Gold geprgt wird. Der Geldbedarf der Regierungen, die eine Brokratie und Armee aufbauen, welche mit herkmmlichen Mitteln im wesentlichen Feudaleinknften nicht mehr unterhalten werden knnen, verschrft diese Krise ganz besonders. Er wirkt direkt oder indirekt auf das Finanzwesen zurck, weil die Frsten sich nun im groen Stil Anleihen bei den bedeutenden Kaufherrn verschaffen, die zum Bankrott gedrngt werden. Man erinnert sich an den zwischen 1297 und 1308 erfolgten Zusammenbruch der Rothschilds von Siena, der Buonsignori. Frsten und besonders Knige haben ein Mittel zur Vertuschung des Geldmangels: das Manipulieren mit dem Wert. Der
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rechtmige Wert ist nmlich auf den Geldstcken nicht vermerkt. Eine eigenwillige Entscheidung des in dieser Hinsicht souvernen Frsten kann den Grundwert des Geldstcks abndern, entweder durch Beimischung minderer Metalle oder durch Erhhung des Kurses, der nominalen Kaufkraft des Geldstcks bei unverndertem Metallgehalt. Je nach seinen Bedrfnissen, dem Stand seiner Finanzen, seiner Situation als Schuldner oder Glubiger kann der Frst das Geld herabsetzen oder anheben, entwerten oder aufwerten, eine Inflation oder eine Deflation herbeifhren. Hier gibt der franzsische Knig Philipp der Schne (12851314) das Beispiel. Hufiger Schuldner als Glubiger, behilft sich Philipp vor allem mit der Entwertung, die seine Schulden vermindert. Solche Geldmanipulationen benachteiligen vor allem jene Gruppen und Klassen, die ber feste Einknfte verfgen: Grundrentner und Lohnempfnger. Aber sie verwirren auch die Handelsbeziehungen und mifallen vielen Kaufleuten, namentlich den auslndischen, vor allem italienischen Hndlern, deren Auenstnde in Frankreich sehr hoch sind.
Abb. 21: Die Wirtschaft des Abendlandes am Ende des 13. Jahrhunderts
Die Auswirkungen dieser Geldschwankungen verschrfen die Strungen des Wirtschaftslebens. Schlielich knnen selbst Spezialisten wie die Kaufleute und einige Legisten das ins Schwanken geratene Geldwesen kaum noch verstehen oder vorausberechnen, und so mehrt die Bestrzung der Geister die wirtschaftliche Unordnung. Gilles le Muisit, der Abt von Sankt Martin in Tournai (der 1348 an der Pest stirbt) stellt enttuscht fest:
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Die Finanzen sind dunkel und niemandem klar Sie steigen und sinken, man wei nicht was tun. Glaubt man zu gewinnen, ist das Gegenteil wahr. Dante und Bonifaz VIII. klagen, dies eine Mal bereinstimmend, Philipp den Schnen ganz einfach als Falschmnzer an. Die Krise erfat auch das Produktionsgebiet der Textilien, dessen Bedeutung im Mittelalter man zweifellos bertrieben hat, das aber doch als beispielhaft angesehen werden kann. Die Ursachen dieser Krise sind nicht leicht zu entwirren, weil viele Faktoren mitspielen. Es hat den Anschein, als seien zwei von ihnen wesentlich. Einerseits besteht eine Versorgungskrise mit Grundmaterial. Die englische Wolle wird vom Knig mit immer hheren Belastungen belegt und dadurch im Preis gesteigert; auerdem hlt die entstehende englische Textilindustrie immer bedeutendere Quantitten zurck. Um 1300 erscheint, vor allem in Italien, als Ersatz die Wolle der spanischen Merinoschafe auf dem Markt. Andererseits besteht auch eine Absatzkrise, sei es durch eine gewisse berproduktion, sei es, da die reiche Kundschaft, die den Hauptteil dieser Luxusgter bisher abnahm, von der Wirtschaftskrise betroffen ist. Allerdings entstehen neue Textilzentren in Brabant, Westfrankreich und der Lombardei, aber sie verschrfen die Krise eher, als da sie sie lindern. Sie produzieren mindere Qualitten fr eine weniger reiche und also auch weniger anspruchsvolle Kundschaft: grbere Tuche, Leinen und Barchent, die immer mehr mit Baumwolle vermischt werden. Die neue Tuchmacherei und die brigen Textilindustrien beginnen, an die Stelle der alten Tuchmacherei zu treten. Aber im Augenblick berstrzt ihre Entwicklung den Niedergang der alten Zentren, dieser Antriebskrfte des Wirtschaftslebens, deren Schwierigkeiten ausgedehnte Nachwirkungen haben. Diese Umwandlung der westlichen Wirtschaftskarte lt sich auch fr den Handel beobachten. Das Straennetz verndert sich. Die Wege, welche Italien mit Nordeuropa verbinden und bisher vorwiegend dem Lauf von Rhone und Sane folgten, verlagern sich nach Osten und erreichen durch Deutschland hindurch die flmischen und hanseatischen Handelspltze. Vor allem gibt es seit dem Ende des 13. Jahrhunderts eine regelmige Seeverbindung. 1277 erreicht eine Genueser Galee Flandern, 1278 eine andere England; ab 1298 wird zwischen Genua, Flandern und England eine regelmige Schiffahrtslinie eingerichtet. Venedig ahmt im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts die Rivalin nach. So entfernen sich im Osten wie im Westen die Fernhandelswege von der Champagne, deren Messen im 13. Jahrhundert das Herz des westlichen Handels waren. Ihr Niedergang beginnt mit dem 14. Jahrhundert und unterstreicht noch, da die Wirtschaft der Christenheit aus dem Gleichgewicht geraten ist. Krise der Gesellschaft und Feudalitt: Unruhen in Stadt und Land, Gegenmassnahmen der Herren, Sndenbcke
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Schon auf den andern Gebieten ahnte man voraus, da die Wirtschaftskrise mit einer Sozialkrise verbunden ist. Hunger, Geldentwertung und Textilkrise betreffen nicht alle sozialen Stnde gleichmig. Die Armen sterben an Hunger, whrend die Reichen in ihren Speichern und Brsen genug zu ihrer Sttigung haben. Die Geldmanipulationen treffen vor allem die Nutznieer fester und folglich entwerteter Einknfte. Mehr als einige Tuchmacher und Kaufleute sucht die Stockung des Textilhandels die Arbeiter heim, die arbeitslos werden oder geringeren Lohn erhalten. Im groen und ganzen kann man sagen, da diese Krise den Abstand, ja den Gegensatz zwischen arm und reich vertieft hat. Das trifft in Stdten und verstdterten Gegenden zu, besonders da, wo das Textilgewerbe fhrend ist. Nach 1260, vor allem ab 1280 bricht eine Woge von Streiks, Meutereien und Revolten der Handwerker und Arbeiter los. Heftige Unruhen brechen besonders in Brgge, Douai, Tournai, Provins, Rouen, Caen, Orleans und Bziers aus. In Douai gehrt der Tuchhndler Jehan Boinebroke zu jenen chevins, die den Weberstreik erbarmungslos unterdrcken. 1288 erheben sich die Handwerker von Toulouse. 1302 erfolgt in Flandern, Hennegau und Brabant ein allgemeiner Aufstand der aus den kleinen Leuten bestehenden Volkspartei. 1306 meutern Pariser Handwerker anllich einer Geldentwertung, worauf Philipp der Schne eine Zeitlang alle Korporationen auflst. berall erschallt bei diesen Anlssen der Ruf: Nieder mit den Reichen, den man im Laufe des 14. Jahrhunderts noch so oft hren wird. Aber die Stdte sind nicht der einzige Ort, an dem die Klassen aufeinanderprallen. Whrend Ludwig IX. im Heiligen Land weilt, revoltieren 1251 Bauerntrupps in Frankreich. Die regierende Knigsmutter Bianca von Kastilien scheint einen Augenblick lang die Aufstndischen zu begnstigen, welche die von der Monarchie gefrchteten Barone in Atem halten. Doch schon bald stellt sich die Regentin hinter die Herren, welche die Erhebung der Hirten (Pastoureaux) im Blut ersticken. Um die gleiche Zeit berichtet eine Verserzhlung ber den vergeblichen Aufstand der normannischen Bauern von Verson gegen ihre Herren, die Mnche der Abtei Mont Saint-Michel. Oft nimmt die buerliche oder stdtische Sozialgrung eine religise, hretische oder beinahe hretische Frbung an. Der Pariser Magister Wilhelm von Saint- Amour, Feind der Bettelorden und des Armutsideals, das nach seiner Auffassung der Verpflichtung zur Arbeit widerspricht, beschreibt 1256 feindselig das pltzliche Auftauchen jugendlicher Banden beiderlei Geschlechts in ganz Frankreich, die bettelnd umherziehen und die Reihen der Begarden und Beginen mehren werden. Doch kann man sich des Gedankens nicht erwehren, da eine Arbeitslosigkeit zur Bildung dieser Gruppen mystischer Vagabunden gefhrt oder sie doch wenigstens gespeist hat. Am schwerwiegendsten ist zweifellos, da diese Wirtschaftsund Sozialkrise besonders die Militr- und Landaristokratie, den Adel also, erfat. Die nicht
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mehr steigenden Preise in der Landwirtschaft, der abnehmende Wert der festen Geldeinknfte, die Schwierigkeit, seinen Rang zu wahren, ohne immer mehr auszugeben: alles macht diesen Stand zwar nicht zum ersten Opfer der Krise, die mehr die armen Leute bedrckt, aber zum mchtigsten und am ehesten zu Gegenmanahmen fhigen. Angesichts dieser die Feudaleinknfte schmlernden Entwicklung erweisen sich die blichen Anpassungsversuche des Adels als ungengend oder nicht sofort wirksam. Die Aufstellung einer beweglichen Zinsskala lt sich nur schwer bewerkstelligen; die Umstellung auf Viehzucht oder rentablere Erzeugnisse, als der Getreideanbau es ist, erfordert Geduld. Die Krise verschrft sich im 14. Jahrhundert, da es eine Krise der Feudalitt berhaupt ist und da die Herren gengend Macht besitzen, um durch ihre heftigen Reaktionen auf den erlittenen Schaden die ganze westliche Gesellschaft schwer zu erschttern. Unterdessen suchen die Opfer der Krise nach Sndenbcken, so da sich die Minderheiten der blinden Wut unglcklicher Menschen ausgeliefert sehen. Da sind die auslndischen Kaufleute, die man immer verdchtigt hat, sich schndlicher Praktiken wie des Wuchers und der Erpressung der Einheimischen zu bedienen. In Frankreich beschlagnahmt Philipp der Schne in Zeiten groer Finanzschwierigkeiten ganz einfach das Vermgen der Lombarden, der italienischen Kaufleute. Gleichfalls unpopulre Bankiers sind die Templer, die, auf den Okzident zurckgeworfen, in ihren Festungen anvertraute Vermgen bewahren, die sie gut anzulegen wissen. Sie werden aller Verbrechen angeklagt, beginnend mit der Sodomie. Man nimmt sie in Frankreich, dann in anderen Knigreichen gefangen, zieht ihre Besitzungen ein und verbrennt die Oberen. Der gehorsame Clemens V. heit 1311 auf dem Konzil von Vienne das Verschwinden des Ordens gut. Da sind endlich die Juden und Ausstzigen. Nach der groen Hungersnot von 1315 bis 1318 und den darauf folgenden Epidemien macht man sie fr die Katastrophen verantwortlich. Knig Philipp V. leitet persnlich die Jagd nach den Ausstzigen in ganz Frankreich. Viele werden nach durch die Folter entrissenen Gestndnissen verbrannt. Knige und Barone versuchen mit politischen Mitteln, die verzweifelte Lage zu ndern, so da sich die Krise auch auf das politische Gebiet erstreckt. Der Gegenschlag der Herren ist in England und Frankreich deutlich zu erkennen. Er wirkt sich in England auf den schwachen Eduard II. (13071327) aus, er zeigt sich unter Philipp dem Schnen, dem der auvergnatische Adel die Charta von 1306 entreit, ehe beim Tod des Knigs die groe Feudalrevolte von 1314/15 ausbricht. Philipp der Schne bindet sich bei stndiger Mehrung seiner Knigsmacht strker als seine Vorgnger an den Adel. Dies erweist seine Politik in Flandern, wo er die Aristokraten als Parteignger der fleurs de lys oder Leliaerts gegen die Handwerker und Stdter untersttzt. 1328 steigt mit Philipp VI. die groe Feudalfamilie der Valois auf den Thron. Die Einheit der Christenheit in Gefahr
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In dieser Krise scheinen die beiden groen einigenden Mchte der mittelalterlichen Christenheit unterzugehen oder jedenfalls ihre zeitliche Oberhoheit einzuben. In Deutschland lebt das Kaisertum zwar nach dem Interregnum wieder auf, aber dieses restaurierte Imperium reicht nicht mehr ber die deutschen Grenzen hinaus. Der ergebnislose Italienzug Heinrichs VII. (13101313) ist der letzte Versuch eines deutschen Kaisers, eine effektive Herrschaft in Italien zu errichten. Noch erstaunlicher ist der Niedergang des Papsttums. In Anagni gedemtigt, scheint Bonifaz VIII. den Traum von der zeitlichen Herrschaft des Heiligen Stuhls ber die Christenheit in den Hnden Philipps des Schnen gelassen zu haben. Spter nehmen Ludwig der Bayer und Johannes XXII. (13161334) den Streit zwischen Sacerdotium und Imperium wieder auf. Aber der Papst ist nur noch ein avignonesischer Bischof unter dem Einflu des franzsischen Knigs, und die Intellektuellen, die die kaiserliche Sache vertreten, wie Wilhelm von Ockham und Marsilius von Padua im Defensor Pacis (1324), verteidigen eine Theorie unabhngiger Staaten, die sich ebenso gegen das Imperium wie gegen das Sacerdotium richtet. Marsilius stellt dem Papsttum und der Utopie einer universalen menschlichen Gesellschaft die Notwendigkeit vieler unabhngiger Staaten gegenber. Verwirrung im Denken und Fhlen: das in Frage gestellte Gleichgewicht des 13. Jahrhunderts Die letzten Auswirkungen der Krise mssen auf geistigem, knstlerischem und religisem Gebiet gesucht werden. Um 1300 gert das hier im abgelaufenen Jahrhundert erzielte Gleichgewicht ins Schwanken. Auf geistigem Gebiet ist der Aristotelismus angeklagt, genauer gesagt der Thomismus als die beste Umsetzung der aristotelischen Lehre in das christliche Denken. Thomas von Aquino hatte Glauben und Vernunft sorgfltig unterschieden, jedoch mit dem Ziel ihrer notwendigen Verbindung, wobei eins das andere voraussetzte. Seine 1323 von den Dominikanern erreichte Heiligsprechung verhindert nicht, da seine Lehre von Theologen widerlegt wird, die Glauben und Vernunft trennen und ersteren immer strker begnstigen. Gordon Leff hat im Denken des anhebenden 14. Jahrhunderts drei Hauptzge erkannt: die Ablsung vom Glauben, die Verbreiterung des Grabens zwischen beweisbaren Tatsachen und Glaubensdingen, endlich das Auftauchen neuer Hauptthemen philosophischer und theologischer Meditation: Gnade, freier Wille, Unendlichkeit und wachsender Glaube an die Nicht-Determiniertheit. Die Zeit der Synthesen ist vorbei. Es beginnt die Zeit der Kritik, der Skepsis, des Eklektizismus. Auch hier fhrt die Krise zum Pluralismus, zum Voluntarismus, zur Willkr. Bei Duns Scotus wird, nach schwierigen berlegungen, die ihm den Beinamen Doctor subtilis einbringen, die psychologische Intuition zur Erkenntnisgrundlage. Dieser schottische Franziskaner, der in Oxford, Cambridge
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und Paris zu Hause ist in Paris lebt er von 1292 bis 1297 und 1302/03 und lehrt dort von 1304 bis 1307, ehe er 1308 in Kln stirbt ist ein Metaphysiker der Unendlichkeit, aber auch ein Theologe der Liebe. Er stellt den Primat des Willens ber die Vernunft auf. Mittels der Philosophie kann man sich nicht ber die Kausalitt erheben. Nur durch den Glauben, die Liebe, kann man zu Gott aufsteigen, dem alles mglich ist, bis auf das allerdings, was einen Widerspruch in sich schliet, denn Duns Scotus bleibt der vernunftgemen Theologie verbunden. Wilhelm von Ockham (um 1290 1348), ein englischer Franziskaner, lehrt in Oxford, hat Schwierigkeiten mit seinem Orden und dem Papst und lebt seit 1328 in der Umgebung Kaiser Ludwigs des Bayern in Pisa, dann in Mnchen. Vollstndiger als Duns Scotus, an dem er herbe Kritik bt, trennt er die Gebiete der Natur und des Gttlichen. Auf dem ersteren ist er ein Empirist, der nur das akzeptiert, was durch Erfahrung bewiesen ist. Auf dem zweiten bleibt er ein reiner Glubiger, der Gott die absolute Gewalt zugesteht. Hieraus ist eine politische Umdeutung im Sinne der Renaissancetyrannen erfolgt. Ockham stellt die Theologie als fr die Vernunft unerreichbar hin. Es sieht so aus, als ob die Vernunft nach den groen Lehrgebuden der vorhergehenden Zeit bei Ockham von einer gewissen Mdigkeit befallen wird. (A. Koyr, Le vide et lespace infini au XIVe sicle.) Bei Thomas Bradwardine (um 12901349), proctor der Universitt Oxford und Erzbischof von Canterbury, fhrt ein mathematischer Weg zur Theologie. Fr ihn geht es darum, von der kosmologischen Struktur des Alls zu Gott zu gelangen. Nun enthlt aber die menschliche Erfahrung eine Grundeinsicht: der Mensch ist von sich aus unfhig, einen Akt positiver Freiheit auszufhren. Er ist das Wirkungsfeld der unbegrenzten Gte und Macht Gottes, der unendlich frei, da unendlich vollkommen ist. Gott begegnet man im ganzen Weltall, sogar im Nichts. Alexander Koyr (Le vide et lespace infini au XIVe siede) hat das Schwindelgefhl, das am Ende des Bradwardineschen Denkens steht, groartig ausgedrckt: Nachdem der gleiche Geist den theologischen Begriff der gttlichen Unendlichkeit und den geometrischen Begriff der rumlichen Unendlichkeit miteinander konfrontiert hatte, wurde der paradoxe Gedanke von der Realitt des imaginren Raums formuliert. In diesen Leerraum, diese wahrhafte Verwirklichung des Nichts, werden drei Jahrhunderte spter jene himmlischen Sphren strzen und verschwinden, die den schnen Kosmos des Aristoteles und des Mittelalters zusammenhielten. Drei Jahrhunderte lang kam die Welt, die kein Kosmos mehr war, dem Menschen wie ins Nichts gestrzt vor, umgeben vom Nichts und sogar hier und da durchdrungen vom Nichts. Dies Schwindelgefhl, dieser Wille, ein allzu ausgetfteltes Gleichgewicht zu erschttern und in der Gewundenheit zur unendlichen Freiheit zurckzufinden, macht sich auch in der Kunst an der Wende zum 14. Jahrhundert bemerkbar. Die Entwicklung der Architektur zu jenem gotischen Barock hin, den man flamboyant nennt, lt sich am deutlichsten in England beobachten, wo zwischen
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1260 und 1340 der decorated style herrscht. Er tritt am Engelschor der Kathedrale von Lincoln (12561320) auf. Die achteckige Holzkonstruktion des Vierungsturms von Ely (13221342) ist von verwirrender Vielfalt. Die hochphantastische Verstrebung in der Vierung von Wells (1338) zeigt zwei Bgen Rcken an Rcken bereinander. Die Gewlbe werden immer komplizierter: Kathedralen von York (Schiff 12911324) und von Exeter (1285 1367). Flammenbgen erscheinen in der Lady Chapel zu Ely, am Lettner von Lincoln, flamboyanter Dekor an den Chorschranken zu Beverley (1334). Die Krise der gotischen Plastik drckt sich in einem Naturalismus aus, der besonders auffllig an deutschen Werken wie dem Devot Christ von Perpignan (1307) oder der Liegefigur des Bischofs Wolf hart Rot (1307) im Dom zu Augsburg ist. Im Hftschwung der Marienstatuen macht sich eine manieristische Tendenz bemerkbar; die wiederaufblhende Elfenbeinplastik zeichnet sich durch Detailfreude aus. Auch die Glasmalerei ffnet sich der Freiheit, der Phantasie und dem Lichtspiel dank der Erfindung jenes Kunstgelb (Silberlot), das der strengen, tiefen Farbigkeit der Blau- und Rottne des 13. Jahrhunderts ein Ende setzt. Die Kstlichkeit der neuen Fenster tritt in den normannischen Meisterwerken der ersten Hlfte des 14. Jahrhunderts klar zutage: Marienkapelle der Kathedrale von Rouen (13101320), Chor von Saint-Ouen in Rouen (13251340) und Chor der Kathedrale zu Evreux (1325 bis 1340). Selbst die Musik spiegelt Unruhe und Unbestndigkeit wider. Die modale Einheitlichkeit des 13. Jahrhunderts wird durch den Wechsel zweier Tonarten und schlielich, nach der Erfindung des Teilungspunktes, durch eine Mischung aller Tonarten, also praktisch durch ihre Auflsung verdrngt. Auch hier zgellose Freiheit. Die Harmonie leidet unter der bertriebenen Verwendung melodischer Vernderungen (Alterationen); Tonerhhungen und -erniedrigungen nehmen derart zu, da die Zeitgenossen von musica falsa = falscher, oder musica ficta = knstlicher Musik gesprochen haben. Auch die Instrumentalmusik verndert sich, und die Instrumente gewinnen gegenber den Stimmen an Selbstndigkeit. Neben den Trouvres, die sich singend auf einem Instrument begleiten, gibt es seit dem Ende des 13. Jahrhunderts Instrumentalisten oder mnestrels (zu den niedrigen Beamten, ministeriali, gehrend). In Frankreich lassen sie sich 1288 in den Rechnungsbchern Philipps des Schnen nachweisen und schlieen sich 1321 in Paris zu einer Zunft zusammen. Die Krise des Denkens und Empfindens gipfelt in einer geistigen und religisen Krise. Die um 1300 auftretende neue Glubigkeit nimmt verschiedene Formen an, von der Frmmigkeit der Beginen bis zur Revolte der Spiritualen. Sie findet ihren tiefsten Ausdruck bei einem sehr bedeutenden Geist: Meister Eckehart. Er ist der groe Theologe der neuen Frmmigkeit. Um 1260 in Thringen geboren, jung in das Dominikanernoviziat in Erfurt eingetreten,
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erwirbt Eckehart die akademischen Grade in Paris, wo er auch 1302/03 und von 1311 bis 1313 lehrt. Seit 1314 hlt er vor allem Predigten, in Straburg, spter in Kln. Er stirbt, kurz bevor Johannes XXII. im Jahre 1329 einen Teil seiner Lehre als Ketzerei verdammt. Er ist der Theologe der augenblicklichen unio mystica. Das Entgegenkommen Gottes, das sogleich auf das spontane Streben der Seele antwortet, drngt die persnliche Askese, die Mittlerrolle der Kirche und sogar die Sakramente auf den zweiten Platz zurck. Gott ist das ewige Jetzt. Am Ende der Krise steht die religise Anarchie.
Zusammenfassung: Deutung der Krisenjahre 12701330 Die Worte, mit denen die Zeitgenossen die Vorgnge und Figuren der Krisenjahre um 1300 bezeichnen, sind aufschlureich. Die Ockhamisten heien moderni, die Musik des beginnenden 14. Jahrhunderts ist die Ars nova, die Mystik eines Eckehart prludiert der devotio moderna. Da wo wir in erster Linie Krise, Niedergang und Verfall sehen, erblickten die Zeitgenossen Erneuerung und Modernitt. Es handelt sich also vor allem um eine Wachstumskrise, eine schpferische Revolte, eine Neugeburt. Wenn sich auch das Klima verndert, so sind die Strukturen doch nicht grundstzlich anders. Rhythmus, Stil und Farben sind neu, der Grund bleibt. Diese Erschtterung ist noch keine Revolution. Die vorlufigen Lsungen allerdings sind zusammengebrochen: weltliche Einheit der Christenheit, Harmonie des persnlichen und Gesellschaftslebens, Einklang von Glauben und Vernunft. Der Mensch des beginnenden 14. Jahrhunderts hat seine grere Freiheit mit Aufspaltung, Erschtterung und innerer Unruhe erkauft. Die Geburt der modernen Welt erfolgt unter Schmerzen. Das 14. Jahrhundert ist das Zeitalter der Katastrophen. Wie knnte es anders sein? Im Grunde haben wir es mit einer Krise der Feudalitt zu tun. Die Herren haben die kleinen Mittel Anhebung der Feudaleinknfte, Untersttzung durch die Frsten, wirtschaftliche Umstellung ausgeschpft. Es bleibt ihnen nur noch der Krieg als ultima ratio der bedrohten Fhrungsschichten. Da wo dem Adel in Mittel- und Osteuropa eine friedliche Refeudalisierung gelingt, verewigen sich die Schwchen der Feudalgesellschaft. Im Westen aber, wo er blutige Konflikte auslst, entsteht aus den Kriegsmiseren eine wahrhaft neue, moderne Welt. Die Reaktion der Feudalwelt auf die Krise der Jahre von 12701330 fhrt zur Liquidation des Mittelalters. Zeittafel
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1054 Endgltige Trennung der Christenheit in die rmische und orthodoxe Kirche 10561106 Heinrich IV. 1059 Papstwahldekret Nikolaus II. 1063 burgundischer Kreuzzug in Spanien zwischen 1064 und 1069 die usatges von Katalonien, das erste bekannte Feudalgesetzbuch zwischen 1065 und 1100 Rolandslied 1066 Schlacht von Hastings: Beginn der normannischen Herrschaft in England; Charta von Huy 10661087 Wilhelm der Eroberer 1071 Eroberung Baris durch die Normannen: Ende der byzantinischen Herrschaft im westlichen Mittelmeer; Schlacht von Mantzikert: Sieg der Seldschuken ber Byzanz 1072 erster colleganza-Vertrag in Venedig 10731074 Revolten der Brgerschaft in Worms und Kln 10731085 Gregor VII. 1075 Dictatus Papae Gregors VII. 1076
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Wormser Synode: Exkommunikation und Absetzung Gregors VII. auf Betreiben Heinrichs IV. 1077 Canossa: Heinrich IV. durch Gregor VII. vom Kirchenbann gelst 1078 Eroberung Jerusalems durch die Trken um 1080 Gilde von Saint-Omer 1086 Anlage des Domesday Books 10881130 Bau der groen romanischen Kirche in Cluny 10961099 erster Kreuzzug 1112 Eintritt des heiligen Bernhard in das Kloster Cteaux 1122 Wormser Konkordat 1127 Grndung des Knigreiches Beider Sizilien durch Roger II. (1130 vom Papst als Knig anerkannt) 11321144 Wiederaufbau der Basilika von Saint-Denis unter Abt Suger: Beginn der Gotik 1140 Konzil von Sens; Verurteilung des Abalard 1147 Wendenkreuzzug 11471149 zweiter Kreuzzug
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11511190 Friedrich I. Barbarossa 1154 Gewhrung von Privilegien an die Professoren und Studenten der Universitt Bologna durch Friedrich I. Barbarossa 1155 Hinrichtung Arnolds von Brescia in Rom 1156 Grndung des Herzogtums sterreich 11571182 Waldemar der Groe 1158 Reichstag von Roncaglia 1170 Ermordung Thomas Beckets 1176 Schlacht von Legnano: Sieg des Lombardischen Stdtebundes ber Friedrich I. Barbarossa 1179 drittes Laterankonzil 1180 Heinrich der Lwe gechtet und seiner Lnder verlustig erklrt um 1180 erste Windmhlen in der Normandie und in England 1181 Philipp II. August nimmt den Titel Knig von Frankreich anstatt des bisherigen Knig der Franzosen an 1183 Frieden von Konstanz zwischen Friedrich I. Barbarossa und den Lombarden 11891192
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dritter Kreuzzug 11981216 Innozenz III. um 1200 Wolfram von Eschenbach: Parzival 12021204 vierter Kreuzzug 1204 Eroberung Konstantinopels durch westliche Kreuzfahrer: Errichtung eines lateinischen Kaisertums 1207 Mission des heiligen Dominikus im Gebiet von Albi 1209 erste franziskanische Gemeinschaft 1212 entscheidender Sieg der Knige von Kastilien, Aragonien und Navarra ber die Mohammedaner bei Las Navas de Tolosa 1213 Albigenserkreuzzug; Schlacht von Muret: Sieg Simons von Montfort ber Peter II. von Aragonien 1214 Schlacht von Bouvines 1215 viertes Laterankonzil; Magna Charta Libertatum 12151250 Friedrich II. 1220 Confoederatio cum principibus ecclesiasticis 1225 Sachsenspiegel des Eike von Repkow
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12261270 Ludwig der Heilige 1228 Grundsteinlegung zur Basilika von Assisi 1230 Grndung von Berlin 1231 Statutum in favorem principum 1241 Sieg der Mongolen bei Liegnitz 1242 erste Darstellung eines Steuerruders (Stadtsiegel von Elbing) 1245 erstes Konzil von Lyon 1252 erstes Auftreten von Goldmnzen in Genua und Florenz 1258 Provisionen von Oxford 12661274 Entstehung der Summa theologica des Thomas von Aquino 1274 zweites Konzil von Lyon 1277 Syllabus des Erzbischofs von Paris, Etienne Tempier 1278 Schlacht auf dem Marchfeld: Sieg Rudolfs von Habsburg (12731291) ber Ottokar II. von Bhmen 1282 Sizilianische Vesper
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1284 Einsturz des Gewlbes der Kathedrale von Beauvais 12851314 Philipp der Schne 1291 Schwyz, Uri und Unterwalden grnden die Schweizer Eidgenossenschaft; Fall von Akkon 12941304 Bonifaz VIII. 13041306 Ausmalung der Capella degli Scrovegni in Padua durch Giotto 1309 Beginn der ppstlichen Residenz in Avignon 1313 Tod Heinrichs VII. in Pisa 1315 Schlacht bei Morgarten: Sieg der Eidgenossen ber Leopold von Habsburg; Meister Eckehart lehrt an der Dominikanerschule in Kln 13151317 groe Hungersnot im Abendland 1321 Tod Dantes 1324 Defensor Pacis des Marsilius von Padua Anmerkungen und Literaturverzeichnis Einleitung: ber das Schisma von 1054 wird man weniger das veraltete Werk von L. Brhier, Le schisme oriental du XIe sicle. Paris 1899 zu Rate ziehen als A. Michel, Humbert und Kerullarios, 2 Bde. Paderborn 19251930, zu berichtigen und ergnzen durch
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V. Laurent in Echos dOrient 35 (1935), S. 97ff. und V. Grumel, Les prliminaires du schisme de Michel Crulaire ou la question romaine avant 1054, in Revue des tudes Byzantines 10 (1952), S. 5ff. ber die Beziehungen zwischen dem Westen und Byzanz: J. Ebersolt, Orient et Occident. Recherches sur les influences byzantines et orientales en France pendant les Croisades. Paris 1954, P. Lemmerle, Byzance et la croisade. Xe Congresso Internazionale di Scienze Storiche. Rom 1955, Relazione, Bd. III, S. 595ff., P. Lamma, Comneni et Staufer, Ricerche sui rapporti fra Bizanzio e loccidente nel secolo XII. 2 Bde. Rom 1955, W. Ohnesorge, Abendland und Byzanz. Darmstadt 1958. ber den byzantinischen Einflu im normannischen Knigreich Sizilien neue Erkenntnisse bei H. Wieruszowski, Roger II of Sicily, Rex Tyrannus, in Twelfth Century Political Thought, Speculum XXXVIII (1936), S. 46ff. und bei A. Marongiu, Uno stato modello nel medioevo: Regno Normanno-Suevo de Sicilia, in: Critica Storica II (1963), S. 379ff. Diese Einflsse wurden verneint von L.R. Mnager, Notes sur les codifications byzantines et loccident, in: Varia III (1957), S. 239ff., und Linstitution monarchique dans les tats normands dItalie, in: Cahiers de Civilisation Mdivale IV (1959), S. 311ff. ber die Mischkultur im normannischen Sizilien: A. de Stefano, La cultura in Sicilia nel periodo normanno. Bologna 1954. Eine der wichtigsten Seiten des griechischen Einflusses im Westen wurde von A. Guillou dargelegt: Grecs dItalie du Sud et de Sicile au Moyen Age, in: Les Moines, Mlanges dArchologie et dHistoire publis par lcole Franaise de Rome, 1963, S. 79ff. ber den byzantinischen Einflu beim religisen und geistigen Wiederaufblhen des Abendlandes im 11. und 12. Jahrhundert: E. Werner, Die gesellschaftlichen Grundlagen der Klosterreform im 11. Jahrhundert. Berlin 1953, Milton V. Anastos, Some Aspects of Byzantine Influence on Latin Thought. Twelfth-Century Europe and the Foundations of Modern Society. Hg. von M. Clagett, G. Post und R. Reynolds. Madison 1961. ber Anselm von Havelberg und die byzantinische Kirche: G. Schreiber, Anselm von Havelberg und die Ostkirche, in: Zeitschrift fr Kirchengeschichte LX (1941), S. 354ff. Orientale lumen heit das 13. Kapitel bei M.D. Chenu, La Thologie au Douzime Sicle. Paris 1957. Das Aufeinandertreffen von russisch-byzantinischem Osten und frnkischrmischem Westen in Tihany wurde krzlich von M. Komjthy dargestellt: Quelques problemes concernant la charte de fondation de labbaye de Tihany, in: tudes Historiques publies par la commission Nationale des Historiens Hongrois. Bd. I. Budapest 1960, S. 221ff. Die zitierten Stellen von M. Bloch stehen in La Socit Fodale. Bd. I: La formation des liens de dpendance. Paris 1939, S. 97 und 111, die Zitate von W. Abel in Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frhen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Stuttgart 1962, S. 2627 und von P. Francastel in LHumanisme roman. Critique des thories sur lart du XIe sicle en France. Rodez 1942, S. 91, 103 und 231. Die Stadt-Charta von Huy (1066) lt sich aus ihrem lokalen Zusammenhang verstehen dank A. Joris, La ville de Huy au Moyen Age. Paris 1959. Der Fall Mailand wurde untersucht von C. Violante, La societ milanese nett et precomunale, Bari 1953 und La pataria milanese e la Reforma ecclesiastica. Bd. I: Le premesse (10451057). 1955 und von G. Miccoli, Per la storia della Pataria
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milanese, in: Bullettino dell Istituto Storico Italiano 70 (1958), S. 43ff. Auf die Renaissance des 12. Jahrhunderts wird spter eingegangen. Die Frage nach einer Renaissance im 10. Jahrhundert ist von R.S. Lopez aufgeworfen worden: Still another Renaissance?, in: American Historical Review LVII (195152), S. 1ff., und die amerikanischen Medivisten haben sie bejahend beantwortet: Symposium on the Tenth Century, Medievalia et Humanistica VIII (1955). Die Revolution in der Landwirtschaft, die sie seit dem 10. Jahrhundert ermglicht haben soll, wird beschrieben von Lynn White in Medieval Technology and Social Change. Oxford 1962, namentlich auf S. 78. W. Abel hat in seinem genannten Werk auf das 7. Jahrhundert hingewiesen: Der Motor des Landausbaus war die Bevlkerungszunahme. Es ist ungewi, wann diese Zunahme einsetzte, vielleicht erst im 7. Jahrhundert. Er zitiert die Behauptung von J. Werner (Das alemannische Grberfeld von Blach. 1953): Die zweite Hlfte des 7. Jahrhunderts ist in Sddeutschland ganz allgemein die Zeit des beginnenden Landausbaus. K. Bosl (Die Groe Illustrierte Weltgeschichte, Bd. I.C. Bertelsmann Verlag. 1964, Spalte 152021) spricht sogar ganz allgemein vom 7. Jahrhundert als Geburtsstunde einer neuen Zivilisation. Die Vor-Renaissancen, die angeblich im 8. Jahrhundert die karolingische Renaissance ankndigten, wurden krzlich von P. Rich herausgearbeitet: Education et culture dans loccident barbare. VI-VIIIe sicle. Paris 1962, S. 410ff. Die Ansicht von G. Duby findet sich in Lconomie rurale et la vie des campagnes dans loccident mdival. Bd. I. Paris 1962, S. 145. Das Werk von B. Slicher van Bath heit De agrarische Geschiedenis van West- Europa (500 1850), Utrecht-Antwerpen 1960. Engl. bersetzung: The agrarian History of Western Europe (A.D. 5001850). London 1963. Der berhmte Satz von Raoul Glaber steht in Historiae III,4. H. Focillon hat Les grandes expriences. Le XIe sicle im ersten Kapitel von Art dOccident. Paris 1938 dargestellt. Der tonlieu von Arras ist untersucht worden von R. Doehaerd im Bulletin de lAcademie dArras, 1943/44 u. 1945/46. Sonderdruck mit dem Titel Note sur lhistoire dun ancien impt. Le tonlieu dArras. Arras o.J. Die Entstehung einer weltlichen Stadtkultur in Frankreich in der zweiten Hlfte des 11. Jahrhunderts hat N. Sidorowa vertreten in dem anfechtbaren Buch Versuche ber die Geschichte der Stadtkultur in Frankreich im 11. und 12. Jahrhundert. Russische Ausgabe. Moskau 1953. Kapitel 1 ber den Handelswert und die symbolische Bedeutung des Besant im Mittelalter siehe R.S. Lopez, The dollar of the Middle Ages, in: Journal of Economic History XI (1951). Die Zitate aus der Geste de Guillaume dOrange erfolgten nach der modernen franzsischen Fassung von P. Tuffrau, La Lgende de Guillaume dOrange. 1920. ber die Verwendung der verschiedenen Baustoffe und die Verdrngung des Holzes durch den Stein finden sich auf Frankreich bezgliche Stellen in der wertvollen Sammlung Recueil de Textes relatifs lhistoire de larchitecture et la condition des architectes en France au Moyen Age von V. Mortet.
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Bd. I, 11.12. Jh. 1911. ber die norwegischen Stabkirchen siehe Anders Bugge, The Norvegian Stave Churches. 1953. Zur Backsteinarchitektur der Hanse siehe K. Pagel, Die Hanse. 2. Aufl. 1952 und A. Renger-Patzsch, Norddeutsche Backsteindome. 1930. Der Text von Suger ist enthalten in E. Panofsky (Hg.), Abbot Suger on the Abbey Church of Saint-Denis and Its Art Treasures. 1946. Franzsische bersetzung in J. Gimpel, Les btisseurs de cathdrales. 1958, S. 166. ber den Architekten als Maurer und Zimmermann siehe P. du Colombier Les chantiers des cathdrales, 1953, und vor allem das bemerkenswerte Buch von D. Knoop und G.P. Jones, The Mediaeval Mason, 1953, das vor allem das Sptmittelalter behandelt. Die Literatur ber den mittelalterlichen Wald, seinen wirtschaftlichen Wert und seine Bewohner ist sehr reichhaltig. Den klassischen Seiten von Marc Bloch in Les caractres originaux de lhistoire rurale franaise. Neuausg. 1952, Bd. I, S. 6ff. u. Bd. II, S. 10 u. 1423 lassen sich die wertvollen und gleichfalls allgemeingltigen Feststellungen von G. Duby, Lconomie rurale et la vie des campagnes dans loccident mdival, 1962 (Stichwort bois, namentlich S. 240ff.) und von W. Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962 (Stichwort Wald, namentlich S. 3234) anfgen. Von besonderem Interesse sind die Forschungen von A. Timm, Zur Waldgeschichte des Sdostharzes, in: Harz-Zeitschrift f.d. HarzVerein 7 (1955) und Die Waldnutzung in Nordwestdeutschland im Spiegel der Weistmer, 1960, vor allem fr das Sptmittelalter gltig. Als historischgeographische Monographie sei genannt L. Boutry, La fret dArdenne, in: Annales de Gographie, 1920, die einen Wald behandelt, der in den Legenden und der Literatur des Mittelalters eine besonders wichtige Stellung einnimmt. In der Einleitung (S. 49) zu seiner Ausgabe von Berte aus grans pis. Les oeuvres dAdenet le Roi. Bd. IV (Universit libre de Bruxelles, Travaux de la Facult de Philosophie et Lettres XXIII), 1963 stellt A. Henry die Hypothese auf, die berhmte Szene im Wald knne sich auf die persnliche Kenntnis sttzen, die der Dichter vom Wald von Le Mans besa, in dem im 14. Jahrhundert der Wahnsinn des franzsischen Knigs Karl VI. ausbrechen sollte. In England waren die kniglichen Forsten besonders gro, und bekanntlich wurde der Magna Charta von 1215 eine Wald-Charta hinzugefgt. Siehe J.C. Cox, Royal forests of England und die interessanten Hinweise von H.S. Bennett in Life of the English Manor. 3. Aufl. 1948, namentlich die fachliche und juristische Definition des Waldes, S. 52: the technical medieval term forest was not confined to a densely wooded domain, but included much open waste country suitable for agriculture. Siehe auch B.T.H. Slicher van Bath, The agrarian History of Western Europe, A.D. 500 1850. Engl. bers. 1963, S. 7273. Der Text von Gallus Anonymus steht in den Monumenta Poloniae Historica, nova series, Bd. II. Hg. von K. Maleczynski. 1952, S. 8. Die berhmte Miniatur der schne walt befindet sich in der Handschrift der Carmina Burana (13. Jahrhundert) aus dem Kloster Benediktbeuren (heute Staatsbibliothek Mnchen, Cod. lat. 4660, F. 64 v.). Sie ist abgebildet bei A. Boeckler, Deutsche Buchmalerei vorgotischer Zeit. 1959, S. 61 und bei J. Le Goff, La Civilisation de lOccident mdival. 1964, S. 184. Zum Wortschatz der Arbeit siehe
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G. Keel, Laborare und Operari. Verwendungs- und Bedeutungsgeschichte zweier Verben fr arbeiten im Lateinischen und Galloromanischen. 1932. ber die Geschichte des Pfluges hat sich seit dem klassischen Werk von August Meitzen, Siedelungs- und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen, der Kelten, Rmer, Finnen und Slawen. 1895. Bd. I, S. 272284 (und schon vorher) ein betrchtliches Schrifttum angesammelt. Meitzens Erklrung der unterschiedlichen AckerbauMethoden und -Kulturen durch den Rassenbegriff ist im brigen heute vollstndig aufgegeben. Gleichfalls klassisch sind die Ausfhrungen von Marc Bloch in Les caractres originaux de lhistoire rurale franaise. S. 51ff. Bei Lynn White jr., Medieval Technology and Social Change. 1962, Kapitel II, 1 beachten: The plough and the Manorial System. S. 4157. England behandelt F.G. Payne, The Plough in ancient Britain, in: Archaeological Journal CIV (1947). Fr die slawischen Lnder siehe B. Bratani, On the antiquity of the oneside plough in Europe, especially among the slavic peoples, in: Laos II (1952), Z. Podwiska, Origines et propagation de la charrue sur les territoires polonais, in: Ergon 9 (1960) und das Buch Technika uprawy roli w Polsce redniowieczney (Die Technik der Landbearbeitung im mittelalterlichen Polen). 1962, mit englischer Zusammenfassung, und F. Sach, Radlo und pluh in der Tschechoslowakei. Bd. I: Die ltesten Werkzeuge. 1961 in Tschechisch. Fr den groen berblick eignet sich das von zwei Spezialisten der Anthropo-Geographie und der Technikgeschichte, A.G. Haudricourt und M.J.B. Delamarre, verfate Werk Lhomme et la charrue. 1955. ber die Aspekte und Aufgaben der Techniken im Mittelalter konsultiere man die allgemeinen Handbcher der Technik, von denen keines angesichts der diffizilen Problematik und der schwierigen Beschaffung von Unterlagen vllig zufriedenstellend ist: F.M. Feldhaus, Technik der Antike und des Mittelalters, C. Singer, E.S. Holmyard, A.R. Hall und T.I. Williams, A History of technology. Bd. II: The Mediterranean civilizations and the Middle Ages (c. 77 B.C. to A.D. 1500). 1956 und B. Gille, Les origines de la civilisation technique. 1962, S. 431598, ein Werk, das, vom gleichen Autor, den Artikel Les developpements technologiques en Europe de 1100 1400, in: Cahiers dHistoire Mondiale III (1956) nicht berflssig macht. Man wird sich die allgemeinen und anregenden Einsichten von Lewis Mumford, Technics and Civilization. 1934 und den vorgenannten glnzenden Essay von Lynn White jr. merken. In La Civilisation de lOccident Mdival. 1964, Kap. VII: La vie matrielle versucht J. Le Goff, die mittelalterliche Technik in die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen der Zeit einzubetten. Die anregendsten Gesichtspunkte finden sich weiterhin bei L. Thorndike, Technology and Inventions in the Middle Ages, in: Speculum XI (1940) und vor allem bei Marc Bloch, Les inventions medivales, in: Annales dHistoire Economique et Sociale VII (1935) mit weiteren Essays ber die Geschichte der Technik, nachgedruckt in Mlanges Historiques. Bd. II. 1963. Marc Blochs Schriften ber die Technik sind auch auf italienisch verffentlicht worden. ber die Ertrge siehe B.H. Slicher van Bath, Yield Ratios, 810 bis 1820, in: A.A.G. Bijdragen 10 (1963). ber die unzureichenden und teuren
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Transportmglichkeiten des Mittelalters als wirtschaftlicher Engpa siehe C.M. Cipolla, In tema di trasporti medievali, in: Bollettino Storico Pavese V (1944) und R.S. Lopez, Levoluzione dei trasporti terrestri nel medio evo, in: Bollettino Civico dell Instituto Colombiano I, (1953) und The evolution of land transport in the middle ages, in: Past and Present 9 (1956). ber das Aussehen und die technische Beschaffenheit der mittelalterlichen Straen siehe die Anmerkungen von Marc Bloch, Notes larticle de F. Imberdis: Les routes mdivales: mythes et ralits historiques, in: Annales dHistoire Sociale, 1939. ber die Hungersnte liegt bisher nur die wichtige, aber ltere Studie von F. Curschmann vor: Hungersnte im Mittelalter. Ein Beitrag zur deutschen Wirtschaftsgeschichte des 8. bis 13. Jahrhunderts = Leipziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte VI, 1, (1900). Sie enthlt Auszge von Chronisten und eine erste chronologische Zusammenstellung. Das Thema Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft hat sich im historischen Schrifttum (vor allem ber das Mittelalter) eingebrgert seit dem Artikel von Bruno Hildebrand, Naturalwirtschaft, Geldwirtschaft und Kreditwirtschaft, in: Jahrbcher fr Nationalkonomie II (1864) und dem Buch von Alfons Dopsch, Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft. 1930. Diese etwas knstliche Gegenberstellung wird korrigiert durch die Besprechung des Buchs von Dopsch durch H. van Werveke in Annales dHistoire Economique et Sociale III (1931) und den Artikel von Marc Bloch, Economie- nature ou conomie-argent: un pseudodilemme, a.a.o. V (1933). Ein ausgezeichnetes konkretes Beispiel findet sich in dem Artikel von G. Duby, Economie domaniale et economie montaire: le budget de labbaye de Cluny entre 1080 et 1155, in: Annales. E.S.C. VII (1952). Zur Drei-Stnde-Gesellschaft: die franzsische bersetzung des Textes von Adalbron von Laon steht bei E. Pognon, LAn Mille, 1947, wo man auch die frher zitierten Stellen von Raoul Glaber findet. Zu den Pionieruntersuchungen ber dies Thema gehren G. Dumzil, Mtiers et classes fonctionnelles chez divers peuples indoeuropens, in: Annales E.S.C. XIII (1958); J. Brough, The tripartite ideology of the Indo-Europeans, an experiment in method, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies XXII (1959); J. Batany, Des Trois Fonctions aux Trois Etats?, in: Annales E.S.C. XVIII (1963) und V.I. Abaev, Le cheval de Troie, a.a.O. Im Gegensatz zu G. Dumzil, der in der gesellschaftlichen Dreiteilung einen eigentmlichen Zug der indogermanischen Vlker sieht, ist sie fr Abaev eine notwendige Entwicklungsstufe jeder menschlichen Gemeinschaftsform. Die Entwicklung von der karolingischen Dreiteilung (Klerus, Laien, Mnchstum) zu einer Zweiteilung (Klerus, Laien) ist krzlich von G. Constable herausgehoben worden in: Monastic Tithes from their origines to the XIIth century. 1964, S. 147. Zur Frage, wie sich die Entwicklung des Feudalsystems im Wortschatz spiegelt, siehe F.L. Ganshof, Qu-est-ce que la fodalit? 7. Aufl. 1957, namentlich S. 94, und K.J. Hollyman, Le dveloppement du vocabulaire fodal en France pendant le Haut Moyen Age. 1957. ber die Vereinheitlichung der Lebensbedingungen vorher unterschiedlicher buerlicher Klassen im 11. Jahrhundert siehe G. Duby, La
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socit aux XIe et XIIe sicles dans la rgion mconnaise. 1953; ber die laboratores M. David, Les laboratores jusquau renouveau conomique des XIe-XIIe sicles, in: Etudes dHistoire du Droit Priv offertes P. Petot, 1959, zu ergnzen durch Les laboratores du renouveau du XIIe sicle la fin du XIVe sicle, in: Revue historique de Droit Franais et Etranger, 1959. ber den tonlieu von Arras siehe die in den Anmerkungen zur Einleitung genannte Untersuchung von R. Doehaerd. Die wirtschaftlichen Kosten der Gewaltttigkeit wurden dargelegt von F.C. Lane in The Journal of Economic History XVIII (1958). ber die wirtschaftliche Belastung durch den Zehnten vergl. die genannte Untersuchung von G. Constable. Texte ber bte (und Bischfe) als Kirchenbauer des 11. Jh. in der erwhnten Sammlung von V. Mortet, Receuil de Textes. ber Abt Desiderio und MonteCassino, das Wunder des Okzidents, siehe T. Leccisotti, Montecassino, sein Leben und seine Ausbreitung. 1949. Kostbare Miniaturen illustrieren den Alptraum Heinrichs I. von England (Oxford, Ms Corpus Christi College, 157, f. 382383, abgebildet bei J. Le Goff, a.a.O., S. 344). ber Krankheiten, krperliches Befinden und Hygiene der westlichen Christenheit siehe J.C. Russell, Late Ancient and Medieval Population. 1958; ber die Bildzeugnisse: J. Schumacher, Die Krankheitsdarstellungen der Volksepidemien in der deutschen Kunst vom frhen Mittelalter bis einschlielich 16. Jahrhundert. 1937. ber das Antoniusfeuer und seine psychologischen Auswirkungen kluge Bemerkungen bei P. Alphandry und A. Dupront, La Chrtient et lide de croisade. Bd. I, 1954, S. 46ff. Doch hat Wolff in Die Bauernkreuzzge des Jahres 1096, S. 108119 festgestellt, da die am strksten von dem groen Ausbruch des Mutterkornbrands (10851096) heimgesuchten Gegenden Deutschland, Rheingebiete, Ostfrankreich auch am Ursprung des Volkskreuzzuges von 1095/96 standen. Der Orden der Antoniter, der auf Grund einer Reliquienberfhrung aus St. Antonius in Konstantinopel in der Dauphin gegrndet wurde, drfte mit dem Mutterkornbrand in Verbindung stehen (H. Chaumartin, Le mal des ardents et le feu Saint-Antoine. 1946). ber die apokalyptische Gesinnung und Kunst zu Beginn des 11. Jahrhunderts siehe H. Focillon, LAn Mil. 1952. Von einer berhmten Handschrift des 11. Jahrhunderts mit apokalyptischen Buchmalereien, dem ApokalypsenKommentar des Beatus de Liebana, entstanden zwischen 1028 und 1072 in der Abtei von Saint-Sever (Bibliothque Nationale Ms. lat. 8878) handelt E. Van Mo, LApocalypse de Saint- Sever. 1943. ber Gerhard von Czanad siehe G. Morin, Un thologien ignor du XIe sicle: lvque- martyr Grard de Czanad, in: Revue Bndictine XXVII (1910). ber Abt Otloh von St. Emmeran in Regensburg, den Autor einer merkwrdigen Autobiographie, Liber de tentationibus suis et scriptis, siehe G. Misch, Geschichte der Autobiographie. 3. Aufl. 194850. Die Vorstellungen des Hl. Petrus Damiani ber die Wissenschaft sind von A. Endres untersucht worden: Petrus Damiani und die weltliche Wissenschaft. 1910. Ein ausgeglicheneres, jedenfalls vorteilhafteres Portrt dieser bedeutenden Figur des 11. Jahrhunderts wurde krzlich von J. Leclercq entworfen: Saint Pierre Damien,
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ermite et homme dglise. 1960. Unter einem anderen Aspekt: R. Bultot, La doctrine du mpris du monde en Occident, de S. Ambroise Innocent III. IV-1: Pierre Damien. 1963. Als Reaktion auf eine etwas schmeichelhafte berlieferung ist dagegen die Mittelmigkeit der Schule von Chartres zu Zeiten Fulberts und unmittelbar nach ihm bewiesen worden von L. Mac Kinney, Bishop Fulbert and the school of Chartres. 1957. Das angefhrte Urteil ber Anselm von Besate steht bei E. Gilson, La Philosophie au Moyen Age. 3. Aufl. 1947, S. 233234. Die Rhetorimachia wurde ediert von E. Dmmler, Anselm der Peripatetiker. 1872. In dem postumen Sammelband Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frhmittelalters. 1951 findet sich eine Studie von C. Erdmann ber diese Figur: Anselm der Peripatetiker: Kaplan Heinrichs III. ber Huy siehe das Buch von A. Joris, der auch eine bemerkenswerte Neuuntersuchung: Der Handel der Maasstdte im Mittelalter, in: Hansische Geschichtsbltter LXXIX (1961) als unentbehrliche Ergnzung zu dem klassischen Werk von P. Rousseau, La Meuse et le pays mosan en Belgique. 1930 verffentlicht hat. ber die Maaskunst siehe den Katalog der Ausstellung Lart mosan et arts anciens du pays de Lige (Lttich 1951), das 1953 von P. Francastel herausgegebene Sammelwerk Lart mosan und den herrlichen Bildband Lart mosan aux XIe et XIIe sicles (Verlag Cultura Lart en Belgique VIII [1964]) mit einer Einfhrung von J. Stiennon. ber Mailand im 11. Jahrhundert das klassische und wesentliche Werk von Cinzio Violante, La societ milanese nell et precomunale. 1953.
Kapitel 2 Der Text von Philipp I. steht in Receuil des actes de Philippe Ier roi de France (1059 1108). Hg. von M. Prou. 1908, S. 26, Nr. 8. Die Stelle ber den Vogt von Mantua befindet sich in dem Buch von P. Torelli, Un Comune cittadino in territorio ad economia agricola. Bd. I: Distribuzione della propriet. Sviluppo agricolo. Contratti agrari. Mantova 1930, das die Beziehungen zwischen Stadt und Land untersucht. Die Stelle aus Parzival, 398,7403,9, wurde nach Wilhelm Stapel, Parzival. Mnchen 1950, S. 234 zitiert. ber Polder und dyke villages in Flandern und den Niederlanden: S.J. Fockema Andreae, Embanking and drainage authorities in the Netherlands during the middle ages, in: Speculum 27 (1952). F. Niermeyer, De vroegste berichten omtrent bedijking in Nederland, in: Tijdschrift voor ec. en sociale geografie, 49 (1958). Regionale Beispiele bei M.K.E. Gottschalk, Historische geografie van westelijk Zeeuw-Vlanderen. 2 Bde. 195558 und A. Verhulst, Historische geografie van de Vlaamse Kustulakt tot omstreeks 1200, in Bijdragen voor de geschiedenis der Nederlanden 14 (1959). Fr England: H.G. Darby, The Draining of the Fens. 1940 und H.E. Hallam, The New Lands of Elloe. A study of early Reclamation in Lincolnshire. 1959. Der Text der berhmten Rodungsurkunde des Bischofs Friedrich von Hamburg findet sich bei G. Franz, Deutsches Bauerntum. Bd. I: Mittelalter, in: Germanen-Rechte, N.F. Weimar 1940, S. 8790. ber die
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Polder der Abtei Bourbourg hat M. Mollat gearbeitet: Les htes de labbaye de Bourbourg, in: Mlanges Louis Halphen, 1951, S. 513522, sowie E. Perroy, La terre et les paysans en France aux XIIe et XIIIe sicles. Centre de Documentation Universitaire. Paris 1958. Den Grafen Bonifazio von Canossa behandelt G. Luzzatto in Storia economica dItalia. Bd. I. 1949, S. 269. Die Bevlkerungszahlen sind entnommen aus B.H. Sucher van Bath, The Agrarian History, S. 78 und aus M.K. Bennett, The worlds food, 1954, 9. ber die Bevlkerungszunahme siehe den Bericht von C. Cipolla, J. Dhondt, M.M. Postan und Ph. Wolff beim IXe Congrs International des Sciences Historiques (Paris 1950), Bd. I, S. 55ff.; L. Gnicot, La Population en Occident du XIe au XIIIe sicle, in: Cahiers dHistoire Mondiale I,2 (1953) und der anregende Essay von C.M. Cipolla, An economic history of ihe world population, 1962. Zusammenfassender Hinweis auf die Agrarrevolution bei G. Duby, La rvolution agricole mdivale. Revue de Gographie de Lyon. 1954 und bei D. Herlihy, Agrarian Revolution in France and Italy 8011150, in: Speculum XXII (1958). ber die Spannsysteme hat Lefebvre des Nottes das bahnbrechende und klassische Werk geschrieben, Lattelage, le cheval de selle travers les ges. 1931, zu ergnzen durch die Ergebnisse von A.G. Haudricourt, De lorigine de lattelage moderne, in: Annales dHistoire Economique et Sociale VIII, (1936) und Lumires sur lattelage moderne, in: Annales dHistoire Sociale, 1945. ber den Gebrauch des Pferdes siehe auch Lynn White jr., Medieval Technology and Social Change. 1962, S. 5769: The Discovery of Horse-Power. ber Abbau und Verwendung des Eisens: Mining and Metallurgy in Medieval Civilization von J.U. Nef in The Cambridge Economic History of Europe, Bd. II, 1952, S. 430493, der Bericht von Jean Schneider, Fer et sidrurgie dans lconomie europenne du XIe au XVIIe sicle, in: Actes du colloque international: Le fer travers les ges. Nancy 1956, G. Gille, Lindustrie mtallurgique en Champagne au Moyen Age, in: Revue dhistoire de la sidrurgie I (1960) und R.H. Bautier, Notes sur le commerce du fer en Europe occidentale du XIIIe au XVIe sicle, ebd. 1960. ber die Dreifelderwirtschaft, bis zur Verffentlichung des Kolloquiums in der 6. Sektion der Ecole Pratique des Hautes Erudes (Paris), siehe Lynn White jr., a.a.O., S. 6976: The Threefield rotation and Improved Nutrition. ber Ungarn siehe M. Belnyesy, Angaben ber die Verbreitung der Zwei- und Dreifelderwirtschaft im mittelalterlichen Ungarn, in: Acta Ethnographica Academiae Scientiarium Hungaricae V (1956) und La culture permanente et lvolution du systme biennal et triennal en Hongrie mdivale, in: Ergon II (1960). Zu den Weinbergrodungen siehe R. Grand, Le contrat de complant depuis les origines jusqu nos jours, in: Nouvelle Revue historique de droit franais et tranger XL (1916). ber den Gegensatz zwischen Feldwaldwirtschaft und Feldgraswirtschaft siehe Th. von der Goltz, Geschichte der deutschen Landwirtschaft. Bd. I. 1902, S. 51. ber die Einfeldwirtschaft oder Dauerwirtschaft siehe A. Hmberg, Grundfragen der deutschen Siedlungsforschung. 1938, S. 9399. ber die Landwirtschaft in Bhmen siehe F. Graus, Dejiny venkovskho lidu v echch v dobe predhusitsk (Geschichte des Landvolks in Bhmen in vorhussitischer Zeit). Bd. I. 1953, namentlich S. 116118.
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ber die Anreicherung der mittelalterlichen Ernhrung durch Proteine siehe Lynn White jr., The vitality of the XIIth century, in: Medievalia et Humanistica IX (1955). Der Text ber die Gewhrung des Marktrechts an das Dorf Priss durch Ludwig VIII. steht bei G. Duby, Lconomie rurale. Bd. I, S. 346/47. Das Schrifttum ber den mittelalterlichen Handel ist immens. Neben den bewhrten, aber etwas zu optimistischen berblicken von Henri Pirenne, Histoire Economique et Sociale du Moyen Age. 1933 (durch H. van Werveke 1963 auf den heutigen Stand gebracht) und F. Rrig, Mittelalterliche Weltwirtschaft, 1933 (vor allem das Sptmittelalter behandelnd) lese man die nuancierteren Darstellungen von M.M. Postan, The Trade of Medieval Europe: The North und von R.S. Lopez, The Trade of Medieval Europe: The South, in: The Cambridge Economic History of Europe. Bd. II. 1952. ber die Straen und den Fernhandel in der Mitte des 11. Jahrhunderts glnzende bersicht und ausgezeichnete Karte bei M. Lombard, La route de la Meuse et les relations lointaines des pays mosans entre le VIIIe et le XIe sicle, in: Lart mosan. 1953. Gute Erluterung eines regionalen Verkehrsnetzes und der Beziehungen zwischen Straennetz und Umgebung bei T. Wasowicz, Uwagi w sprawie osadnictwa wczesnoredniowecznego na Lubelszczynie (Anmerkungen ber die Landbauweise des hohen Mittelalters [7. bis 13. Jh.] im Raum von Lublin), in: Archeologia Polski VI,2 (1961) und Le rseau routier de la Pologne du IXe au XIIIe sicle, in: Le Moyen Age, 1962. ber die Entwicklung der italienischen Stdte siehe Y. Renouard, Les villes dItalie de la fin du Xe au dbut du XIVe sicle. Centre de Documentation Universitaire. Paris 1960/61. ber das Aufblhen Brgges: A.E. Verhulst, Les origines et lhistoire ancienne de Bruges (IXe-XIIe sicle), in: Le Moyen Age LXVI (1960) und A.C.F. Koch, Brugges topografische ontwikkeling tot in de 12. eeuw, in: Handel van het Genotschap, Socit dEmulation dBrugge XCIX (1962). ber die Entstehung der Hanse siehe K. Pagel, Die Hanse. 1941, R. Rrig, Die Entstehung der Hanse und der Ostseeraum, in: Wirtschaftskrfte im Mittelalter, 1959 und Ph. Dollinger, La Hanse (XIIe-XVIIe sicles). 1964. Zum groen Tuchexport Nordwesteuropas das bewhrte Werk von H. Laurent, Un grand commerce dexportation au moyen-ge. La draperie des Pays- Bas en France et dans les pays mditrranens (XIIe-XVe sicle). 1935, zu ergnzen durch H. Ammann, Deutschland und die Tuchindustrie Nordwesteuropas im Mittelalter, in: Hansische Geschichtsbltter 72 (1954) und Die Anfnge des Aktivhandels und der Tucheinfuhr aus Nordwesteuropa nach dem Mittelmeergebiet, in: Studi in onore di Armando Sapori. Bd. I. 1957. ber die englische Wollausfuhr E. Power, The Wool Trade in English Mediaeval History. 1941. ber Holzausfuhren des Westens im Hochmittelalter: M. Lombard, Un problme cartographi: Le bois dans la mditerrane musulmane (VIIe-XIe sicle), in: Annales E.S. C, 1959. ber den Sklavenhandel: Ch. Verlinden, Lesclavage dans lEurope mdivale. Pninsule ibrique. France. 1955. ber den Frberwaid: J.B. Hurry, The Wood Plant and its Dye. 1930, F. Borlandi, Note per la storia della produzione e del commercio di una materia prima. Il guado nel medio evo, in: Studi in onore di Gino Luzzatto. 1949 und A. Ioris, La gude en Hesbaye au Moyen Age, in: Le Moyen Age, 1963. Zum Weinexport der klassische Artikel von H.
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Pirenne, Un grand commerce dexportation au Moyen Age: les vins de France, in: Annales dHistoire Ec. et Soc, 1933, zu ergnzen und zu berichtigen durch Y. Renouard, Le grand commerce du vin au Moyen Age, in: Revue Historique de Bordeaux, 1952. J. Craeybeckx, Un grand commerce dimportation: Les vins de France aux anciens Pays-Bas. (XIIIe-XVIe sicle). Paris 1958 und R. Dion. Histoire de la vigne et du vin en France, des origines au XIXe sicle. 1959. ber die Entstehung des Seehandelsrechts Th. Kiesselbach, Der Ursprung der rles dOlron und des Seerechts von Damme, in: Hansische Geschichtsbltter, 1906. Die Bibliographie ber das Messewesen ist reich, aber meist veraltet. Als Wegweiser empfiehlt sich: Recueils de la Socit Jean Bodin. Bd. V: La foire. 1953. ber die Rolle des Geldes in der mittelalterlichen Wirtschaft unterrichtet am besten Marc Bloch, Esquisse dune Histoire Montaire de lEurope. 1954. ber Klosterkredite bleibt die Studie von R. Gnestal, Le rle des monastres comme tablissements de crdit tudi en Normandie du XIe sicle la fin du XIIIe sicle. 1901 grundlegend, desgleichen ber das Pfandwesen (mort-gage), das erst unter Papst Alexander III. (1159 bis 1181) verboten wird, der Aufsatz von H. van Werveke, Le mortgage et son rle conomique en Flandre et en Lotharingie, in: Revue Belge de philologie et dhistoire VIII (1929). Das Treffen von zwei deutschen Mnchen whrend einer Hungersnot im Jahre 1197 berichtet Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum. Dist. IV, Kap. 67. Die Anfnge des mittelalterlichen Handelswesens lassen sich verfolgen mit Hilfe der in Englisch von R.S. Lopez und I.W. Raymond edierten Texte in Medieval Trade in the Mediterranean World. 1955 und mit Hilfe der gedrngten Darstellungen von Y. Renouard, Les hommes daffaires italiens du Moyen Age. 1949 und von J. Le Goff, Marchands et Banquiers du Moyen Age. 1956. In einem Artikel in Speculum XXXVII (1962) hat A.L. Udovitch krzlich vorgeschlagen, die commenda als Nachahmung des muselmanischen gird anzusehen. Das Schrifttum ber die mittelalterlichen Stdte ist sehr umfangreich. Die Arbeiten von Henri Pirenne sind als Einfhrung bemerkenswert, sonst aber berholt; sie sind gesammelt in Les villes et les institutions urbaines. 2 Bnde 1939. ber die Anfnge der Stadt siehe die vorzglichen Untersuchungen von E. Ehnen, Frhgeschichte der europischen Stadt. 1953, sowie der Mitarbeiter des Sammelbandes Studien zu den Anfngen des europischen Stdtewesens. Vortrge und Forschungen IV (1958). ber das Aufblhen der Stdte gute Zusammenfassung bei H. van Werveke, The Rise of the Towns, in: The Cambridge Economic History of Europe. Bd. III. 1963. Die Werke von H. Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter (mit vielen Plnen) 1954 und, trotz des Titels, von F. Rrig, Die europische Stadt im Mittelalter, 1955 behandeln die deutsche Entwicklung, die sich nicht ohne weiteres auf ganz Europa bertragen lt. Zur Entwicklung der Stadt in anderen Lndern Europas benutze man fr Polen: Les origines des villes polonaises. Congrs et Colloques de la VIe section de lEcole Pratique des Hautes Etudes II (1960) und W. Hensel, Mthodes et perspectives de recherches sur les centres ruraux et urbains chez les slaves (VIIe-XIIe sicles), fr Ungarn: G. Szkely, Le sort des agglomrations pannoniennes au dbut du Moyen Age et les origines de lurbanisme
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en Hongrie, in: Annales Univ. Scient. Budapestinensis, Sectio hist. III (1961). Die Stadt, vor allem die mittelalterliche, wird behandelt in zwei Bnden Recueils de la Socit Jean Bodin. Bd. VI: Institutions administratives et judiciaires. 1954; Bd. VII: Institutions conomiques et sociales. 1955. Interessanter berblick (Dokumente in Englisch) von J.H. Mundy und P. Riesenberg. The Medieval Town. 1958. L. Mumford, The City in History. 1961, enthlt anregende Erkenntnisse, wimmelt aber fr das Mittelalter von Fehlern und falschen Auffassungen. ber Wasserund Windmhlen und ihre Anwendung ist unerllich der Aufsatz von Marc Bloch, Avnement et conqute du moulin eau, in: Annales dHistoire Ec. et Soc. VII (1935), aufgenommen in Mlanges Historiques II (1963). Seither wurden interessante Einzelheiten beigebracht von B. Gille, Le moulin eau, une rvolution technique mdivale, in: Techniques et civilisations III (1954) und von A.M. Bautier, Les plus anciennes mentions de moulins hydrauliques industriels et de moulins vent, in: Bulletin Philologique et Historique II (1960). In seinem Artikel: An industrial revolution of the XIIIth century, in: The Economic History Review XI (1941), mit Zustzen nachgedruckt in Essays in Economic History. 1954, sieht E.M. Carus Wilson in der Nutzbarmachung der Wasserkraft fr die englische Tuchindustrie und in der Verwendung von Frberwaid beim Einfrben eine industrielle Revolution. ber das Auftauchen von Wassermhlen im Polen des 12. Jahrhunderts siehe S. Trawkowski, Mlyny wodne w Polsce w XII wieku, in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 7 (1959). Zur Friedensbewegung: R. Bonnaud- Delamare, Fondement des institutions de paix au XIe sicle, in: Mlanges Louis Halphen. 1951, B. Tpfer, Volk und Kirche zur Zeit der Gottesfriedensbewegung in Frankreich. 1951. Recueils de la socit Jean Bodin. Bd. XIV: La Paix. 1962.
Kapitel 3 ber die franzsische Auswanderung nach Spanien siehe M. Defourneaux, Les Franais en Espagne aux 11e et 12e sicle. 1949; nach Ungarn und Mitteleuropa: H. Ammann, Die franzsische Sdostwanderung im Rahmen der mittelalterlichen franzsischen Wanderungen, in: Festgabe Harald Steinacker. 1955 und G. Szkely, Wallons et Italiens en Europe centrale au XIe-XVIe sicle, in: Annales Universitatis Scientiarum Budapestiensis. Sectio Historica VI (1964). ber die Bildwerke von Modena und die franzsische Kolonie siehe J. Stiennon und R. Lejeune, La lgende arthurienne dans la sculpture de la cathdrale de Modne, in: Cahiers de Civilisation Mdivale, 1963. Die Texte von Guillaume le Marchal und die Bedeutung der Ritterfahrten werden behandelt von G. Duby, Au XIIe sicle: les jeunes dans la socit aristocratique, in: Annales E.S.C., 1964. ber die Wanderpredigerbewegung: J. v. Walter, Die ersten Wanderprediger Frankreichs. 2 Bde. 19031906 und E. Werner, Pauperes Christi Studien zu sozialreligisen Bewegungen im Zeitalter des Reformpapsttums. 1956. ber Goliarden und Carmina Burana: H. Waddel, The Wandering Scholars. 1927. Texte bei A. Hilka und O.
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Schumann, Carmina Burana. Gute Auswahl mit Text und franzsischer bersetzung bei O. Dobiache-Rojdesvensky, Les posies des Goliards. 1931. ber die piepowders siehe Ch. Gross, The Court of Piepowder, in: The Quarterly Journal of Economics, 1906. Le Guide du Plerin de Saint Jacques de Compostelle wurde mit franzsischer bersetzung ediert von J. Vielliard (1950, Neuauflage 1963). Das fundamentale Werk ber diese Pilgerfahrt ist L. Vzquez de Parga, J.M. Lacarra und J. Uria Riu, Las peregrinaciones a Santiago de Compostela. 3 Bde. 1948/49. ber die libertas Ecclesiae das grundlegende Buch von G. Tellenbach, Libertas, Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites. 1936. Die Frage der rechtlichen und sozialen Freiheit im Mittelalter ist zuletzt dargestellt worden von K. Bosl, Freiheit und Unfreiheit Zur Entwicklung der Unterschichten in Deutschland und Frankreich whrend des Mittelalters, in: Vierteljahrschrift fr Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1957, nachgedruckt in Frhformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa. ber die mittelalterliche Auffassung der Freiheit: H. Grundmann, Freiheit als religises, politisches und persnliches Postulat, in: Historische Zeitschrift, 1957. ber die Immunittsurkunden: Ch. Ed. Perrin, Les chartes de franchises de la France-Etat des recherches: le Dauphin et la Savoie, in: Revue Historique, 1964. Die seigneurie banale wurde vor allem behandelt von G. Duby, La socit aux XIe et XIIe sicles dans la rgion mconnaise. 1953 und in Lconomie rurale et la vie des campagnes dans lOccident mdival. 1962, Bd. II, S. 452ff. M. Bloch hatte seinerzeit eine Untersuchung ber den mittelalterlichen Adel in den Annales dhistoire conomique et sociale, 1936 verffentlicht, deren Ergebnisse heftig angegriffen wurden von L. Verriest, Noblesse. Chevalerie. Lignages. 1959. Die Untersuchung des mittelalterlichen Adels wurde krzlich wiederaufgenommen, namentlich durch G. Duby, Une enqute poursuivre: la noblesse dans la France Mdivale, in: Revue Historique, 1961, von K. Bosl in mehreren Artikeln in Frhformen der Gesellschaft, L. Gnicot, La noblesse au moyen ge dans lancienne Francie, in: Annales E.S.C., 1961 und La Noblesse au Moyen Age dans lancienne Francie: continuit, rupture ou volution?, in: Comparative Studies in Society and History, 1962, P. Bonnenfant und G. Despy, La noblesse en Brabant au XIIe et XIIIe sicle, in: Le Moyen Age, 1958, G. Despy, Sur la noblesse dans les principautes belges au Moyen Age, in: Revue Belge de Philologie et dHistoire, 1963, O. Forst de Battaglia, La noblesse europenne au Moyen Age, in: Comparative Studies in Society and History, 1962, E. Perroy, La noblesse des Pays-Bas, in: Revue du Nord, 1961. F. Vercauteren, Une parentle dans la France du Nord aux XIe et XIIe sicles, in: Le Moyen Age, 1963. ber das Rittertum enthlt L. Gautier, La chevalerie. 1884 trotz der frhen Entstehung eine wertvolle Dokumentation. Eine kluge Arbeit ist das Buch von S. Painter, French Chivalry. 1940. ber Steigbgel und Feudalherrschaft siehe Lynn White jr., Medieval Technology and Social Change. 1962, Kap. 1. Zur Organisation der Feudalheere siehe J.F. Verbruggen, La tactique militaire des armes des chevaliers, in: Revue du Nord, 1947. ber die ministeriales die klassischen und diskutierten Aufstze von F.L. Ganshof, Etudes sur les ministriales en Flandre et en Lotharingie. 1926 und von M. Bloch, Un problme
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dhistoire compare. La ministrialit en France et en Allemagne, in: Revue historique de droit franais et tranger, 1928 und vor allem die drei Artikel von K. Bosl, Vorstufen der deutschen Knigsdienstmannschaft, Das ius ministerialium. Dienstrecht und Lehnsrecht im deutschen Mittelalter und Die Reichsministerialitt als Element der mittelalterlichen deutschen Staatsverfassung im Zeitalter der Salier und Staufer, neugedruckt in Frhformen der Gesellschaft. Aus dem sehr umfangreichen Schrifttum ber das Feudalwesen seien erwhnt, fr die juristische Definition: F.L. Ganshof, Quest-ce que la fodalit? 3. Aufl. 1957, fr den vergleichenden Standpunkt: R. Coulborn (Hg.), Feudalism in History. 1956, die groen Zusammenfassungen von H. Mitteis, Lehnrecht und Staatsgewalt. 1933 und M. Bloch, La Socit Fodale. 2 Bde. 1939/40, sowie drei regionale, meisterhaft in den allgemeinen Zusammenhang eingebaute Beispiele: G. Duby, La socit aux XIe et XIIe sicles dans la rgion mconnaise. 1953, L. Verriest, Institutions mdivales. Introduction au corpus des records de coutumes et des lois de chefslieux de lancien comt de Hainaut. Bd. I. 1946 und L. Gnicot, Lconomie rurale namuroise au bas Moyen Age (11991429). 2 Bde. 19431960, auch fr das 12. Jahrhundert wichtig. ber die Bauern siehe G. Duby, Lconomie rurale et la vie des campagnes dans loccident mdival. 2 Bde. 1962. Ausgezeichnete Texterluterungen von E. Perroy, La terre et les paysans en France aux XIIe et XIIIe sicles. Centre de Documentation Universitaire. Paris 1958. G.G. Coulton, The Medieval Village. 1925 (Neuauflage 1960 unter dem Titel Medieval Village, Manor and Monastery). Regionale Untersuchungen: H.S. Bennett, Life on the English manor A study of peasant conditions 11501400. 1937. Ph. Dollinger, Lvolution des classes rurales en Bavire depuis la fin de lpoque carolingienne jusquau milieu du XIIIe sicle. 1949. R. Caggese, Classi e communi rurali nel medio evo italiano. 1903. F. Graus, Dejiny venkovskho lidu v echch v dobe pedhusitsk (Geschichte des Bauerntums in Bhmen in vorhussitischer Zeit). Bd. I: 10. Jahrhundert bis erste Hlfte des 13. Jahrhunderts. 1953. ber die Leibeigenschaft siehe Ch. Ed. Perrin, Le servage en France et en Allemagne au Moyen Age. X. Congresso Internationale di Scienze Storiche. Rom 1955, Bd. III. ber die Rodung und Freiheit: K.A. Kroeschell, Rodungssiedlung und Stadtgrndung. Lndliches und stdtisches Hagenrecht, in: Bltter fr deutsche Landesgeschichte, 1954. Bryce Lyon, Medieval Real Estate Development and Freedom, in: The American Historical Review, 1957. Das Beispiel der Freiheiten von Lorris: M. Prou, Les coutumes de Lorris et leur propagation aux XIIe-XIIIe sicles. 1884. ber die Besonderheiten des spanischen Feudalsystems: C. Sanchez Albornoz, Las behetrias. La encomendacion en Asturias, Len y Castilla, in: Anuario de Historia del Derecho Espaol, 1924. C. Pescador, La caballeria popular en Len y Castilla, in: Cuadernos de Historia de Espaa, 1961. ber die Bauernbewegungen siehe S. Epperlein, Bauernbedrckung und Bauernwiderstand im hohen Mittelalter. Zur Erforschung der Ursachen buerlicher Abwanderung nach Osten im 12. und 13. Jahrhundert vorwiegend nach Urkunden geistlicher Grundherrschaften. 1960. ber die soziale und politische Seite der Stadtbewegung siehe neben dem schon klassischen Werk von H. Pirenne, Les villes et les
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institutions urbaines. 2 Bde. 1939 die Arbeiten von J. Mundy und P. Riesenberg, The Medieval Town. 1958. H. Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter. 1954. Ch. Petit-Dutaillis, Les communes franaises. 1947. E. Sestan, La citt comunale italiana dei secoli XI-XIII nelle sue note caratteristiche rispetto al movimento comunale europeo. XI. Congrs International des Sciences Historiques. Stockholm 1960, Bd. III. H. Mitteis, ber den Rechtsgrund des Satzes Stadtluft macht frei, in: Das Problem der Freiheit. Recueils de la Socit Jean Bodin. Bd. VI/VII: La Ville. 1954/55. ber den Geist des Brgertums: J.L. Romero, Ensayos sobre la burguesia medieval. 1961. Spanische Beispiele in R. Gibert, Los Fueros de Seplveda. Kritische Ausgabe von E. Saez. 1953. J.M. Lacarra, Les villes-frontieres dans lEspagne des XIe et XIIe sicles, in: Le Moyen Age (Volume jubilaire), 1963. Helmolds Text ber die Grndung Lbecks steht in Helmoldi presbyteri Bozoviensis Chronica Slavorum, hg. von B. Schmeidler (Monumenta Germaniae Historica, Schulausgabe 32, 1937), S. 111, 145 u. 168. Zur militrischen Organisation der Gemeinden: P. Pieri, Alcuni quistioni sopra la fanteria in Italia nel periodo comunale, in: Rivista storica italiana, 1933. ber das Patriziat siehe das populr geschriebene Werk von J. Lestocquoy, Aux origines de la bourgeoisie. Les villes de Flandre et dltalie sous le gouvernement des patriciens. XIe-XVe sicle. 1952 (und die Kritiken von L. Febvre in Annales E.S.C., 1953 und von A. Sapori in der Revue du Moyen Age Latin, 1952), sowie die krzliche Richtigstellung von T. Roslanowski, Recherches sur la vie urbaine et en particulier sur le patriciat dans les villes de la Moyenne Rhnanie septentrionale. 1964. ber die Znfte siehe G. Mickwitz, Die Kartellfunktion der Znfte und ihre Bedeutung bei Entstehung des Zunftwesens. 1936. E. Coornaert, Les corporations de France avant 1789. 1941. ber die Beziehungen zwischen Znften und Bruderschaften siehe G. Espinas, Les origines du droit dassociation dans les villes de lArtois et de la Flandre franaise jusquau debut du XVIe sicle. 2 Bde. 1943. ber Gilden und Hansen siehe E. Coornaert, Les guildes mdivales (Ve-XIVe sicle), in: Revue Historique, 1948 und H. van Werveke, Das Wesen der flandrischen Hansen, in: Hansische Geschichtsbltter, 1958. Zur Entstehung der Hanse: F. Rrig, Vom Werden und Wesen der Hanse. 1940. ber buerliche ministeriales: K. Modzelewski, Lorganisation ministriale en Pologne mdivale, in: Annales E.S.C., 1964 und B. Krzemienska D. Tetik, Organisation des services en Bohme durant le Haut Moyen Age, in: eskoslovensky asopis historicky. ber die Lehenshuldigung: P. Petot, Lhommage servile, in: Revue historique du droit franais et tranger, 1927. H. Richardot, Le fief roturier Toulouse aux XIIe et XIIIe sicles, in: Revue historique du droit franais et tranger, 1935. P. Curliac, Lhommage servile dans la rgion toulousaine, in: Mlanges Louis Halphen, 1951.
Kapitel 4
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Die politische Geschichte der hier behandelten Lnder findet sich in den bekannten Welt- und Nationalgeschichten. Fr England siehe D.C. Douglas, William the Conqueror. The Norman Impact upon England. 1964. Ich habe ferner benutzt: Ch. Edmond Perrin, La Socit Fodale allemande et ses institutions du Xe au XIIIe sicle. Teil I: Les grands traits de lhistoire politique de lAllemagne de 911 1250. Centre de Documentation Universitaire. Paris 1956. Y. Renouard, Les villes dItalie de la fin du Xe sicle au dbut du XIVe sicle. Centre de Documentation Universitaire. Paris 1960. M. Pacaut, Louis VII et son royaume. 1964. Ch. Petit Dutaillis, La monarchie fodale en France et en Angleterre. 1933. L. Musset, Les peuples scandinaves au Moyen Age. 1951. ber den Investiturstreit die bewhrte Studie von A. Fliche, La querelle des investitures. 1946. Krzlich interessante Untersuchung von R. Sprandel, Ivo von Chartres und seine Stellung in der Kirchengeschichte. 1962. ber Kaisertum und Papsttum: R. Folz, Lide dempire en Occident du Ve au XVe sicle. 1953. M. Pacaut, La Thocratie. LEglise et le pouvoir laque au Moyen Age. 1957. ber das Knigtum, im besonderen die religisen und symbolischen Aspekte der Knigsmacht: M. Bloch, Les rois thaumaturges. 1923, Neuausgabe 1961. P.E. Schramm, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. 3 Bde. 1954. G.E. Kantorowicz, The Kings two bodies. 1957. F. Schneider, Rom und Romgedanke im Mittelalter. 1926. P.E. Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio. 1929. Dupr Theseider, Lidea imperiale di Roma. 1942. P. Brezzi, Roma e limpero medievale. 1947. Th. Mayer (Hg.), Vortrge und Forschungen. Bd. III: Das Knigtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen. 1956. ber Arnold von Brescia: A. Frugoni, Arnaldo da Brescia neue fonti del secolo XII. 1954.
Kapitel 5 ber die Eroberung Englands durch die Normannen und die normannische Ausbreitung im Mittelmeer gute allgemeinverstndliche Werke von M. de Board, Guillaume le Conqurant. 1958. P. Zumthor, Guillaume le Conqurant et la civilisation de son temps, 1964. J. Braud-Villars, Les Normands en Mediterrane. 1951. Die deutsche Ostkolonisation hat ein umfangreiches Schrifttum gezeitigt, das auf deutscher wie auf slawischer Seite nicht immer von wissenschaftlicher Objektivitt geprgt ist. Wesentliche Bcher: H. Aubin, Wirtschaftsgeschichtliche Bemerkungen zur ostdeutschen Kolonisation, in: Gedchtnisschrift fr G.v. Below, 1928. R. Koebner, Deutsches Recht und deutsche Kolonisation in den Piastenlndern, in: Vierteljahrschrift fr Sozial- und Wirtschaftsgeschichte XXV (1933) und Dans les terres de colonisation: marchs slaves et villes allemandes, in: Annales dhistoire conomique et sociale, 1937. R. Ktzschke und W. Ebert, Geschichte der ostdeutschen Kolonisation. 1937. H. Ludat, Vorstufen und Entstehung des Stdtewesens in Osteuropa. Zur Frage der vorkolonialen Wirtschaftszentren im slawisch-baltischen Raum. 1955. Siedlung und Verfassung der Slaven zwischen Elbe, Saale und Oder. Hg. von H. Ludat. 1960. W. Schlesinger. Mitteldeutsche Beitrge zur
264
deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters. 1961. W. Vogel, Der Verbleib der wendischen Bevlkerung in der Mark Brandenburg, 1960. S. Epperlein, Bauernbedrckung und Bauernwiderstand im hohen Mittelalter. Zur Erforschung der Ursachen buerlicher Abwanderung nach Osten im 12. und 13. Jahrhundert. 1960. S. Trawkowski, Zur Erforschung der deutschen Kolonisation auf polnischem Boden im 13. Jahrhundert, in: Acta Poloniae Historica, 1962. E. Klebel, Siedlungsgeschichte des deutschen Sdostens. 1940. Die Geschichte der spanischen Reconquista behandelt das klassische Werk von R. Menendez-Pidal, La Espaa del Cid, 2 Bde. 1929. Aus der riesigen Literatur ber die Kreuzzge sei hingewiesen auf die krzlich erschienenen Essays von A.S. Atiya, The Crusade. Historiography and Bibliography, 1962 und Crusade, Commerce and Culture. 1962. Sehr ereignisreiche Gesamtdarstellungen von R. Grousset, Histoire des croisades et du royaume franc de Jrusalem, 3 Bde. 193436. S. Runciman, A History of the Crusades, 3 Bde. 1951 bis 1954. Pennsylvania History of the Crusades. Hg. von J.L. La Monte und K.M. Setton, 2 Bde. 1955 und 1961. ber die Kreuzzugsideologie: C. Erdmann, Die Entstehung der Kreuzzugsgedanken. 1935. P. Alphandry und A. Dupront, La Chrtient et lide de croisade, 2 Bde. 1954. P. Rousset, M. Villey, P. Lemerle, A. Cahen und S. Runciman, Lide de croisade. X. Congresso internazionale di Scienze Storiche. Rom 1955. Bd. III. Idee und Wirklichkeit der Kreuzzge. Texte, hg. von H.E. Mayer. 1965. ber die lateinischen Reiche im Heiligen Land: C. Cahen, La Syrie du Nord lpoque des croisades. 1940. J.L. La Monte, Feudal Monarchy in the Latin Kingdom of Jerusalem. 1932. J. Richard, Le royaume latin de Jrusalem. 1953. Die bersetzung des Werkes von J. Prawer aus dem Hebrischen steht noch aus. Die Fehlinterpretation der wirtschaftlichen Bedeutung der Kreuzzge stammt aus dem Standardwerk von W. Heyd, Histoire du commerce du Levant au Moyen Age. 2 Bde. 1885, das leider noch nicht ersetzt worden ist. ber die christliche Militrarchitektur: P. Deschamps, Les chteaux des croiss en Terre Sainte, 2 Bde. 193439. Ausgezeichnete Richtigstellung bei E. Perroy, Les croisades et lOrient Latin (10951204). Centre de Documentation Universitaire. Paris 1963. Die These vom Gral als Ersatz und Trost fr den Verlust des Heiligen Grabes wurde aufgestellt von H. Adolf, Visio Pacis: Holy City and Grail. 1960. ber die wirtschaftliche Blte: The Cambridge Economic History of Europe. Bd. II: Vgl. Kap. IV. The Trade of Medieval Europe: The North von M.M. Postan und Kap. V. The Trade of Medieval Europe: The South von R.S. Lopez. ber die italienischen Kaufleute: A. Sapori, Le marchand italien au Moyen Age. 1952. R.S. Lopez, European Merchants in the Medieval Indies: the Evidence of Commercial Documents, in: Journal of Economic History, 1943. Zur Schaffung von Kolonialreichen durch Genua und Venedig: R.S. Lopez, Storia delle colonie genovesi nel Mediterraneo. 1938. F. Thiriet, La Romanie vnitienne au moyen ge: le dveloppement et lexploitation du domaine colonial venitien (XIIe-XVe sicle). 1959
Kapitel 6
265
Aus dem sehr umfangreichen Schrifttum ber die religise, geistige und knstlerische Renaissance des 12. Jahrhunderts fhre ich nur jene Werke und Untersuchungen an, die ich besonders benutzt habe. ber die Armut: M.v. Dmitrewski, Die christliche freiwillige Armut vom Ursprung der Kirche bis zum 12. Jahrhundert. 1913 und E. Werner, Pauperes Christi. 1956. ber die Einsiedlerbewegung: Leremitismo in Occidente nei secoli XI-XII. La Mendola 1962. ber das Gemeinschaftsleben eine Studie von Ch. Dereine ber die Chorherren, vor allem sein Artikel Chanoines, in: Dictionnaire dhistoire et de gographie ecclsiastique XII (1953), ferner La vita commune del clero nei secoli XI e XII. La Mendola 1959 und P. Toubert, La vie commune des clercs aux XI-XII sicles: un questionnaire, in: Revue Historique CCXXI (1964). Zur geistlichen Situation der erhellende Artikel von M.D. Chenu, Moines, clercs et laics au carrefour de la vie vanglique, in: Revue dhistoire ecclsiastique XLIX (1954), aufgenommen in La thologie au XIIe sicle. 1957, und G. Miccoli, Ecclesiae primitivae forma, in: Studi Medievali, 1960. ber die Laien: I laici nella societas christiana dei secoli XI et XII. La Mendola 1965. ber Grandmont Aufstze von J. Bequet, namentlich La rgle de Grandmont, in: Bulletin de la socit archologique et historique du Limousin, 1958 und La premire crise de lordre de Grandmont, ebd. 1960. ber die Kartuser: B. Bligny, LEglise et les ordres religieux dans le royaume de Bourgogne aux XIe et XIIe sicles. 1960. ber Prmontr: F. Petit, La spiritualit des Prmontrs aux XIIe et XIIIe sicles und S. Trawkowski, Midzy Herezj Ortodoksj-Rola spoeczna premonstratensww XII wieku. 1964. ber Robert DArbrissel: J. Walter, Die ersten Wanderprediger Frankreichs. Bd. I. 1903. ber Cteaux: J.B. Mahn, Lordre cistercien et son gouvernement des origines au milieu du XIIIe sicle. 1946. L.J. Le Kai, Les moines blancs. 1957. L. Bouyer, La spiritualit de Cteaux. 1955, sowie die 1953 erschienenen Gemeinschaftswerke ber St. Bernhard: Bernard de Clairvaux. Paris. Mlanges Saint Bernard. Dijon. Saint Bernard thologien. Rom, Petrus Venerabilis. Rom 1956. ber Gerhoh von Reichersberg: P. Classen, Gerhoh von Reichersberg, 1960. ber die Spiritualitt: J. Leclercq, F. Vanderbroucke und L. Bouyer, La Spiritualit du Moyen Age. 1961. Zur Theologie das genannte Werk von M.D. Chenu. ber Hildegard von Bingen: H. Schipperges, Hildegard von Bingens Heilkunde. 1957. M. Bckler, Hildegard von Bingen: Wisse die Wege. Deutsche bersetzung von Scivias mit Illustrationen und Einleitung. ber Aelred de Rievaulx: F.M. Powicke, The Life of Ailred of Rievaulx by Walter Daniel. 1950. ber den heiligen Anselm von Canterbury: R.W. Southern. Saint Anselm and his biographer. 1964. ber die Renaissance des 12. Jahrhunderts: Ch. H. Haskins, The Renaissance of the XIIth century. 1927, und Studies in the History of Medieval Science. 2. Aufl. 1927. G. Par, A. Brunet und P. Tremblay, La Renaissance du XIIe sicle Les Ecoles et LEnseignement. 1933. J. Le Goff, Les Intellectuels du Moyen Age. 1957. M. Clagett, G. Post und R. Reynolds (Hg.), Twelfth Century Europe and the Foundations of Modern Society. 1961. Zur Vermittlung der arabischen Wissenschaft die bedeutsame Richtigstellung von R. Lemay, Dans lEspagne du XIIe sicle: les
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traductions de larabe au latin, in: Annales E.S.C., 1963. ber die Viktoriner: R. Baron, Science et Sagesse chez Hugues de Saint Victor. 1957, und Hugues et Richard de Saint Victor. 1961. G. Dumeige, Richard de Saint-Victor et lide chrtienne de lamour. B. Smalley, The study of the Bible in the Middle Ages. 1952. ber die mittelalterliche Philosophie groe bersichten bei M. de Wulf und E. Gilson (franz.), ausgezeichnete Anmerkungen von P. Vignaux, Ph. Delhaye und E. Jeauneau (franz.) und G. Leff (engl.). ber Abalard: J.G. Sikes, Peter Abailard. 1932. E. Gilson, Hloise et Ablard. 1938. A. Borst, Ablard und Bernhard, in: Historische Zeitschrift 186 (1958) und J. Jolivet, Sur quelques critiques de la thologie dAblard, in: Archives dHistoire doctrinale et littraire du Moyen Age, 1964. ber Adelard von Bath: F. Bliemetzrieder, Adelard von Bath. 1935. ber das Unterrichtssystem: Ph. Delhaye, Lorganisation scolaire au XIIe sicle, in: Traditio, 1947 und Grammatica et Ethica au XIIe sicle, in: Recherches de Thologie ancienne et mdivale, 1958. ber das Decretum Gratiani: Studia Gratiana, seit 1953. ber die Domschule von Chartres: E. Jeauneau, Note sur lcole de Chartres, in: Studi Medievali, 1964. ber die lateinische Literatur des 12. Jahrhunderts: E.R. Curtius, Europische Literatur und lateinisches Mittelalter. 1948. J. de Ghellinck, Lessor de la littrature latine au XIIe sicle. 2 Bde. 1946. F. Raby, A history of Christian latin poetry in the Middle Ages. 2. Aufl. 1953 und A history of secular latin poetry in the Middle Ages. 2 Bde. 1934. W. von den Steinen, Humanismus um 1100, in: Archiv fr Kulturgeschichte, 1964. ber die Geschichtsschreibung: P. Rousset, La conception de lhistoire lpoque fodale, in: Mlanges Louis Halphen, 1951. H. Wolter, Ordericus Vitalis. Ein Beitrag zur Kluniazensischen Geschichtsschreibung. 1955 und G. Misch, Geschichte der Autobiographie. 4 Bde. 194954. ber Petrus Lombardus: Ph. Delhaye, Petrus Lombardus. Sa vie, ses oeuvres, sa morale. 1961 und Miscellanea Lombardiana. 1957. ber Johannes von Salisbury: H. Liebeschtz, Medieval humanism in the life and writings of John of Salisbury. 1950 und J. Huizinga, John of Salisbury: A Pre-Gothic Mind, neu herausgegeben in: Men and Ideas, 1959. ber Alanus ab Insulis: G. Raynaud, Alain de Lille. 1951. ber die romanische Kunst: H. Focillon, Art dOccident. Le Moyen Age roman et gothique. 1938 und Lart des sculpteurs romans. 1931. ber die gotische Schrift: R. Marichal, Lcriture latine et la civilisation occidentale du Ier au XVIe sicle, in: LEcriture et la Psychologie des Peuples. 1964. ber Wallfahrten und Kunst: A. Kingsley Porter, The romanesque sculpture of the pilgrimage roads. 1923. ber die romanische Plastik in Spanien: G. Gaillard, Les dbuts de la sculpture romane espagnole. Leon. Jaca. Compostelle. 1938. ber die romanische Malerei: A. Grabar, La peinture romane du XIe au XIIe sicle. 1958. Zur Ikonographie des 12. Jahrhunderts: E. Mle, Lart religieux du XIIe sicle en France, 1. Aufl. 1922., 6. Aufl. 1953. ber die romanische Kleinkunst: H. Swarzenski, Monuments of romanesque art. 1956. ber romanische Bronzeportale: H. Leisinger, Romanische Bronzen Kirchentren im mittelalterlichen Europa. 1956. ber den bergang von der Romanik zur Gotik: Romanesque and Gothic Art. Acts of the XXth International Congress of the History of Art. Bd. I. 1963. ber Gotik und Scholastik brillanter Essay von E. Panofsky, Gothic architecture
267
and scholasticism, 2. Aufl. 1957. Die hfische Literatur wird dargestellt nach dem bedeutsamen Werk von R. Bezzola, Les origines et la formation de la littrature courtoise en Occident (5001200). 5 Bde. 194463. ber die Heldenlieder: I. Siciliano, Le origini delle canzoni di gesta. 1940. J. Rychner, La chanson de geste, essai sur lart pique des jongleurs. 1955. R. Louis, Girart de Roussillon, de lhistoire la lgende. 2 Bde. 1947. R. Lejeune, Recherches sur le thme: Les chansons de geste et lhistoire. 1948. J. Frappier, Les chansons de geste du cycle de Guillaume dOrange. 1955. P. Le Gentil, La Chanson de Roland. 1955. R. Menendez Pidal, La chanson de Roland et la tradition pique des Francs. 1960. E. Kohler, Ideal und Wirklichkeit in der hfischen Epik. 1956. Chansons de geste und hfischer Roman. Heidelberger Kolloquium 1961. ber die Troubadoure: H. Davenson, Les Troubadours, 1960. E. Kohler, Troubadourlyrik und hfische Dichtung. 1962 und Observations historiques et sociologiques sur la posie des troubadours, in: Cahiers de Civilisation Mdivale, 1964. ber die hfische Liebe: Denis de Rougemont, Lamour et lOccident. 1939. R. Nelli, Lrotique des troubadours. 1963. H. Kolb, Der Begriff der Minne und das Entstehen der hfischen Lyrik. 1958. ber die Stellung der Frau: D. Herlihy, Land, Family and Women in Continental Europa, in: Traditio, 1962. ber das romanische Gefhlsleben: P. Rousset, La sensibilit lpoque romane, in: Cahiers de Civilisation Mdivale, 1960 und J. Gyry, Le cosmos, un songe, in: Annales Universitatis Budapestinensis, sectio philologica, 1963. Zum Alexanderroman: G. Cary, The medieval Alexander. 1956. Zur matire de Bretagne: R.S. Loomis (Hg.), Arthurian Literature in the Middle Ages. 1959. J. Marx, La lgende arthurienne et le Graal. 1952. Les romans du Graal dans la littrature des XIIe et XIIIe sicles. Colloques du CNRS. Paris 1956. In der gleichen Kolloquiensammlung: Lhumanisme mdival dans les littratures romanes du XIIe au XIVe sicle. 1964. ber Tristan und Isolde: B. Panvini, La leggenda di Tristano e Isotta. 1952 und J. Frappier, Structure et sens du Tristan: version commune, version courtoise, in: Cahiers de Civilisation Mdivale, 1963. ber Chrtien von Troyes: J. Frappier, Chrtien de Troyes. 1957. ber die Goliarden: H. Waddell, The wandering scholars. 1927 und O. DobiacheRojdesvensky, Les Posies des Goliards. 1931. Aus der immensen Literatur ber die Juden im Mittelalter: J. Trachtenberg, The Devil and the Jews. The medieval conception of the Jew and its relations to modern antisemitism. 1943. ber Spitler und Leproserien: Atti del Primo Congresso Europeo di Storia Ospitaliera. Reggio Emilia. 1960. ber Hresien: H. Grundmann, Religise Bewegungen im Mittelalter. 1935 (Neuaufl. 1961) und Ketzergeschichte des Mittelalters. 1963. E. Dupr Theseider, Introduzione alle eresie mediovali. 1953. R. Morghen, Medio Evo cristiano. 1951, Neuausgabe 1961. R. Manselli, Studi sulle eresie del secolo XII. 1953 und Leresia del male. 1963. Movimenti religiosi popolari ed eresie del Medio Evo, in: X Congresso Internazionale di Scienza Storiche. Rom 1955, Bd. III. A. Borst, Die Katharer. 1953. R. Nelli, Spiritualit de lhrsie: le catharisme. 1953 und Le phnomne chathare. 1964. N. Cohn, The Pursuit of the Millenium. 1957. Hrsies et Socits. Actes du colloque de Royaumont, 1962. Hg. von J. Le Goff (im Druck). T. Manteuffel, Die Geburt der Ketzerei. 1965. (bers, aus dem Poln.)
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Kapitel 7 Zur Landwirtschaft die genannten Werke von G. Duby, B. Slicher van Bath, W. Abel. ber die konomie Vaulerent: Ch. Higounet, Lassolement triennal dans la plaine de France au XIIIe sicle, in: Comptes rendus des sances de lAcadmie des Inscriptions et Beiles Lettres, 1956. ber die landwirtschaftlichen Traktate: D. Oschinsky, Medieval Treatises on estate management, in: Economic History Review, 1956. W. Harvey, Walter of Henley and the old Farming, in: Agriculture LIX (1952/53). L. Olsen, Pietro de Crescenzi: The founder of modern agronomy, in: Agricultural History Review, 1944. Der Clairvaux betreffende Text bei J. Le Goff, La Civilisation de lOccident Mdival. 1964, S. 276/77. Le Vieil Rentier dAudenarde wurde ediert von L. Verriest. Die wirtschaftliche Lage im 13. Jahrhundert wurde krzlich am englischen Beispiel untersucht von E. Miller, The English economy in the XIIIth century, in: Past and Present, 1964. ber das Eisen: R.H. Bautier, Notes sur le commerce du Fer en Europe occidentale du XIIIe au XVIe sicle. I., in: Revue dHistoire de la Sidrurgie, 1960. Die Texte von Bonvesin de la Ripa wurden herausgegeben von F. Novati in Bullettino dell Istituto Storico Italiano, 1898, freie italienische bersetzung mit Kommentar von E. Verga, Fra Bonvesino della Ripa. Le meraviglie di Milano. Die hier zitierten Stellen wurden ins Englische bersetzt von R.S. Lopez und I. W Raymond, Medieval Trade in the Mediterranean World. 1955, S. 6169. Die Stelle von Joinville steht im Kap. VI der bearbeiteten Ausgabe von A. Mary, 1928. ber die Textilien: G. Espinas, Essai sur la technique de lindustrie textile Douai aux XIIIe et XIVe sicles. 1909 und La draperie dans la Flandre franaise au Moyen Age. 1923. H. Laurent, Un grand commerce dexportation au Moyen Age. La draperie des Pays-Bas en France et dans les pays mditerranens. 1935. E.E. Power, The Wool Trade in English Medieval History. 1941. G. de Poerk, La draperie mdivale en Flandre et en Artois. 1951 (unentbehrlich fr Technik und Ausdrcke). H. Ammann, Deutschland und die Tuchindustrie Nordwesteuropas im Mittelalter, in: Hansische Geschichtsbltter, 1954. P. Vczy, La transformation de la technique et de lorganisation de lindustrie textile en Flandre aux XIe-XIIIe sicles, in: Etudes historiques, verffentlicht vom Nationalkomitee ungarischer Historiker. Bd. I. 1960. ber Villard de Honnecourt und sein Skizzenbuch Hans R. Hahnloser, Villard de Honnecourt Kritische Gesamtausgabe des Bauhttenbuches. 1935 und S. Schultz, Villard de Honnecourt et son carnet, in: LOeil, Mrz 1965. Zur Seidenindustrie: F. Edler de Roover, Lucchese Silks, in: Ciba-Review, 1950. ber Handel und Industrie im allgemeinen: The Cambridge Economic History of Europe, Hg. von M.M. Postan und H.J. Habakkuk. Bd. II (1952) und III (1963). ber die Messen H. Laurent, a.a.O.R.H. Bautier, Les foires de Champagne, in: Recueils da la Socit Jean Bodin. Bd. V. La Foire 1953. ber die Hanseschiffe: P. Heinsius, Das Schiff der hansischen Frhzeit. 1956 und Dimensions et caractristiques des koggen hansatiques dans le commerce baltique, in: Le navire et lconomie maritime du Nord de lEurope, hg. von M. Mollat. ber die Mittelmeerschiffe und das
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Seerecht: E.H. Byrne, Genoese Shipping in the XIIth and XIIIth century. 1930. F.C. Lane, Venetian Ships and Shipbuilding of the Renaissance. 1934. Venetian Maritime Law and Administration (1250 bis 1350), in: Studi in onore di Amintore Fanfani III (1962). R. Zeno, Storia del diritto marittimo italiano nel Mediterraneo. 1946. ber die Bildung des Kaufmanns: H. Pirenne, Linstruction des marchands au moyen ge, in: Annales dHistoire Economique et Sociale, 1929. A. Sapori, La cultura del mercante medievale italiano, Lusura nel Dugento a Pistoia, Il giusto prezzo nella doctrina di San Tommaso e nella pratica del suo tempo, nachgedruckt in Studi di Storica Economica sec. XIII-XIV-XV. 3. Aufl. 1955. J.W. Baldwin, The Medieval Theories of the Just Price. 1959. G. Le Bras, Usure, in: Dictionnaire de thologie catholique XV-2, 1950. J. Le Goff, Marchands et banquiers au Moyen Age. 2. Aufl. 1962. Die Briefe des Alfons von Poitiers wurden ediert von V. Mortet und P. Deschamps, Recueil de textes relatifs lhistoire de larchitecture. Bd. II. 1929, S. 243/44. Zur Entwicklung des Geldes: M. Bloch, Esquisse dune histoire montaire de lEurope. 1954. R.S. Lopez, Settecento anni fa: il ritorno all oro nell occidente duecentesco. 1955. C. Cipolla, Money, prices and civilization in the Mediterranean world. 1956.
Kapitel 8 Die Zitate aus Philippe de Beaumanoir, Coutumes du Beauvaisis erfolgen nach dem Text von A. Salmon. 1900, Bd. II: S. 23335 ber die Stnde, S. 2324 ber die knigliche Gewalt und S. 270 ber die Regierung der Reichen in den Stdten. Das Zitat von M. Bloch steht in La Socit Fodale. 2. Aufl. 1949, Bd. II, S. 81. Die Stellen von Joinville, Le Livre des Saintes Paroles et des Bons Faits de notre saint Roi Louis stehen in der Ausgabe von A. Mury. 1928, S. 1, 45, 30/31, 83, 90, 205, 10, 41/42, 270, 219. ber den Libro de caballeria von Raimundus Lullus siehe M. Battlori, Introduccin al libro de caballeria, in: Obras Literarias, 1948. A. Oliver, El Libro del Orden de Caballeria de Raimondo Lullo y el De laude novae militiae de San Bernardo, in: Estudios Lulianos II, 1958. ber die Manessehandschrift: F. Pfaff, Die groe Heidelberger Liederhandschrift. Zur Entwicklung des Adels im Mconnais: G. Duby, La socit aux XIe et XIIe sicles dans la rgion mconnaise. 1953, S. 494ff. Bertrand de Born, angefhrt bei M. Bloch, a.a.O., S. 21/22, Edition Appel, 28,3. Zu den im 3. Kapitel genannten Untersuchungen ber den Adel kommt noch hinzu: E. Perroy, Mobility among the French noblesse at the end of the XIIIth century, in: Past and Present, 1963. ber das Entstehen der Feudalrente und die Bildung einer Kulakenschicht: E. Miller, a.a.O., in: Past and Present, 1965. G. Duby, Lconomie rurale et la vie des campagnes dans loccident mdival. 1962, Bd. II, S. 462537. E.A. Kosminsky, Studies in the Agrarian History of England in the XIIIth century. 1956. M.M. Postan, The chronology of Labour services, in: Transactions of the Royal Historical Society, 1937. ber die Lehensrenten: M. Szczaniecki, Le fief-rente. 1947. B. Lyon, From fief to indenture. 1957. Der Text ber die adlige Frau in der Provence, angefhrt von M. Bloch, a.a.O., S. 73, findet sich
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in Olim, Bd. I, S. 427, Nr. XVII. Die Stellen ber Itteville, Chevilly und lHay stehen in Cartulaire de lEglise Notre Dame de Paris. Ausgabe von B. Gurard und bei J. Le Goff, Le Moyen Age. 1962, S. 122/23, die ber Mischwitz in G. Franz, Deutsches Bauerntum, S. 201203 und bei G. Duby, a.a.O., S. 751/52, ber Broughton ebd., S. 704707, ber Lagheim ebd., S. 731/32 und in G. Franz, a.a.O., S. 210/11. ber den bail cheptel siehe L. Verriest, Etude dun contrat priv de droit medieval: le bail cheptel vif Tournai (12971334), in: Revue du Nord, 1946. ber die Pacht: I. Imberciadori, Mezzadria classica toscana. 1951. ber die casane der Lombarden: A.M. Matrone, Le casane astigiane in Savoia. 1959. Die Stelle aus dem Roman de Renard findet sich bei J. Le Goff, La Civilisation de lOccident Mdival. 1964, S. 314. Der Satz ber die cottiers findet sich bei E.A. Kosminsky, a.a.O., S. 296. ber die Bevlkerung und die Preise: J.Z. Titow, Some evidence of XIIIth century population increase, in: Economic History Review, 1961. C. Cipolla, Economic History of World Population. B. Slicher van Bath, The Agrarian History of Western Europe. 5001850. 1963. ber die Brgerschaft von Metz: J. Schneider, La ville de Metz aux XIIIe et XIVe sicles. 1950. ber Stdte und Bauern: R. Caggese, La Repubblica di Siena e il suo contado nel secolo XIII, in: Bolletino Senese di Storia Patria, 1906. P. Vaccari, Le affrancazioni collective dei servi della gleba. 1940. L. Simeoni, La liberazione dei Servi a Bologna nel 125657, in: Archivio Storico Italiano CIX (1951). J. Plesner, Lmigration de la campagne la ville libre de Florence au XIIIe sicle. 1934. G. Luzzatto, Linurbamento delle popolazioni rurali in Italia nei secoli XII et XIII, in: Studi in onore di E. Besta, 1938. Der Livre des Mtiers von Etienne Boileau wurde herausgegeben von R. Lespinasse und F. Bonnardot. 1879. Aus dem umfangreichen Schrifttum ber das Patriziat wurden speziell herangezogen: H. Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter. 1954. F. Rrig, Die europische Stadt und die Kultur des Brgertums im Mittelalter. 1955. Stdtewesen und Brgertum als geschichtliche Krfte. Gedchtnisschrift fr F. Rrig. 1953. J. Lestocquoy, Les Villes de Flandre et dItalie sous le gouvernement des patriciens. 1952, dazu die wichtige Besprechung von A. Sapori in Revue du Moyen Age Latin. 1952. G. de Valdeavellano, Sobre los burgos y los burgueses de la Espaa medieval. 1960. ber einzelne Stdte: M. Blockmans, Het Gentsche stadspatriciaat tot omstreeks 1302. 1938 und H. van Wervecke, Gand, esquisse dhistoire sociale. 1946, ferner die Artikel von A. Sayous, R. Lopez und G. Luzzatto ber Genua und Venedig in Annales dhistoire conomique et sociale, 1937. F. von Klocke, Patriziat und Stadtadel im alten Soest. 1927. ber die politischen und sozialen Ereignisse in Florenz am Ende des 13. Jahrhunderts das bewhrte Werk von G. Salvemini, Magnati e popolani a Firenze dal 12801295. 1899, zu ergnzen durch neuere Studien. Siehe M. Becker, The Republican City State in Florence: An Inquiry into its Origin and Survival, in: Speculum, 1960. ber die Kaufleute vor allem: A. Sapori, Mercatores. 1941 und Le marchand italien au Moyen Age. 1952. Y. Renouard, Les hommes daffaires italiens du Moyen Age. 2. Aufl. 1962. ber zwei Persnlichkeiten: R. Lopez, Genova marinare nel Duecento: Benedetto Zaccaria, ammiraglio e mercante. 1933 und G. Espinas, Les origines du capitalisme. Bd. I: Sire Jehan Boinebroke patricien
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et drapier dovaisien. 1933. M. Chiaudano nannte und untersuchte I Rothschild del Duecento: la Gran Tavola di Orlando Bonsignori, in: Bolletino Senese di Storia Patria. 1935. ber die Znfte Aufschlsse vor allem in: The Cambridge Economic History. Bd. III. 1963 und bei G. Mickwitz, Die Kartellfunktionen der Znfte. 1936. ber die stdtischen Finanzen finden sich die neuesten Untersuchungen in dem Sammelband Finances et comptabilit urbaines du XIIIe au XVIe sicle. Collection Histoire. Historische Uitgaven 7 (1964) und bei M.M. Fryde, Studies in the History of Public Credit of German Principalities and Towns in the Middle Ages, in: Studies in Medieval and Renaissance History. Hg. von W.M. Bowsky. Bd. I. 1964. ber Meier Helmbrecht: Es gibt viele Ausgaben (die beste von F. Panzer, Altdeutsche Textbibliothek 11, zwischen 1903 und 1930 fnf Auflagen), bersetzungen ins Neuhochdeutsche und Untersuchungen. A. Moret besorgte eine franzsische bersetzung: Helmbrecht le Fermier. 1938.
Kapitel 9 ber die Entwicklung des Knigtums im 13. Jahrhundert und das Hervortreten der ffentlichen Gewalt: E.H. Kantorowicz, The Kings Two Bodies. 1957. M. David, La souverainet et les limites du pouvoir monarchique. 1954. G. Post, Ratio publicae utilitatis, ratio status und Staatsrson (11001300) in: Die Welt als Geschichte, 1961 und Status Regis, in: Studies in Medieval and Renaissance History. Bd. I. Hg. von W.M. Bowsky. 1964. B. Tierney, Bracton on Government, in: Speculum, 1963 und The Prince is not bound by the laws. Accursius and the origins of the Modern State, in: Comparative Studies in Society and History, 1963. E. Lewis, King above Law? Quod principi placuit in Bracton, in: Speculum, 1964. F. Calasso, Origine italiane della formula Rex in regno suo est imperator, in: Rivista di storia del diritto italiano, 1930, und I glossatori e la teoria della sovranit. 3. Aufl. 1957. S. Mochi-Onory, Fonti canonistiche dell idea moderna dello stato. 1951. M. Boulet-Sautel, Le Princeps de Guillaume Durand, in: Etudes dHistoire du Droit canonique ddies Gabriel Le Bras. Bd. II. 1965. R. Feenstra, Jean de Blamot et la formule Rex Franciae in regno suo princeps est, ebd. ber die Frstenspiegel siehe W. Berges, Die Frstenspiegel des hohen und spten Mittelalters. 1938. Der norwegische Knigsspiegel (Konungskuggsj) wurde 1920/21 von F. Jonnson ediert, 1917 von L.M. Larson ins Englische und 1944 von R. Meissner ins Deutsche bersetzt. ber die Unveruerlichkeit siehe P.N. Riesenberg, Inalienability of Sovereignty in Medieval Political Thought. 1956. E. Kantorowicz, Inalienabilty: A Note on Canonical Practice and the English Coronation Oath in the XIIIth century, in: Speculum, 1954. ber den Begriff der Krone: Corona Regni, Studien ber die Krone als Symbol des Staates im spten Mittelalter. Hg. von M. Hellmann 1961, mit besonderem Nachdruck auf Bhmen (J. Prochno), Ungarn (J. Karpat) und Polen (J. Dabrowski). ber Knigtum und Heer: J.R. Strayer, Defense of the Realm and Royal Power in France, in: Studi in onore di Gino Luzzatto, 1949
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und B. Keeney, Military Service and the Development of Nationalism in England, 12721327, in: Speculum, 1947. Zum Thema Knigtum und Fiskalitt siehe R.S. Hoyt, Royal Taxation and the Growth of the Realm in Medieval England, in: Speculum, 1950. ber Knig und Tyrann: ber die Herkunft siehe H. Wiernszowski, Roger II of Siciliy, Rex Tyrannus, in XIIth Century Political Thought, in: Speculum, 1963; als konkretes Beispiel wurde Ezzelino da Romano, Tyrann von Verona in der Mitte des 13. Jahrhunderts, behandelt von G. Fasoli, R. Manselli, C.G. Mor, G. Arnaldi, W. Hagemann, M. Boni, E. Raimondi und P. Toschi in Studi Ezzeliani, 1963 und von G. Arnaldi, Studi sui cronisti della marca trevigiana nell et di Ezzelino da Romano. 1963. ber die Entstehung der Signorien: E. Sestan, Le origini delle signorie cittadine: un problema storico esaurito? in: Bulletino dell Istituto Storico Italiano per il Medio Evo, 1961. ber die Grenzen monarchischer und frstlicher Gewalt: Crown, Community and Parliament in the later Middle Ages. Hg. von H.M. Cam und G. Barraclough. 1951. G.I. Langmuir, Counsel and Capetian Assemblies, in: Studies Presented to the International Commission for the History of Representative and Parliamentary Institutions, 1958. G. Post, Plena Potestas and Consent in Medieval Assemblies, in: Traditio, 1943 und A. Romano, Canonical Maxim Quod omnes tangit in Bracton. ebd. 1946. Y. Congar, Quod omnes tangit ab omnibus tractari et approbari debet, in: Revue historique de droit franais et tranger, 1958. J.A. Maravall, La formula Quod omnes tangit y la corriente democratica medieval en Espaa, in: Anciens Pays et Assembles dEtats XXXII (1964). ber Venedig und sein Reich: F. Thiriet, La Romanie vnitienne au moyen ge: le dveloppement et lexploitation du domaine colonial vnitien (XII-XVe sicle). 1959 und S. Borsari, Il dominio veneziano a Creta nel XIII secolo. 1963. Ein gutes Beispiel einer Untersuchung der sozialen Grundlagen fr die politische Entwicklung einer italienischen Stadt im 13. Jahrhundert E. Cristiani, Nobilit e Popolo nel Commune de Pisa Dalle origine del Podestariato alla Signoria dei Donoratico. 1962. Das grundlegende Werk ber Friedrich II. schrieb E.H. Kantorowicz, Kaiser Friedrich II. 2 Bde. 3. Aufl. 1963. ber Rudolf von Habsburg siehe A. Gerlich, Studien zur Landfriedenspolitik Knig Rudolfs von Habsburg. 1963. H. Roessler, Ein Knig fr Deutschland. Die Krnung Rudolfs von Habsburg 1273. ber den Deutschritterorden: K. Grski, LOrdre Teutonique: un nouveau point de vue, in: Revue Historique, 1963. ber die Hanse: Ph. Dollinger, La Hanse. 1964 und H. Sproemberg, Die Hanse in europischer Sicht, in: XXXVIe Congrs de la Fdration archologique et historique de Belgique. Brssel 1958 und Danewerc-Opstellen aangeboden aan Prof. Dr. Th. Enklaar. 1959. Zur Lage auf der Iberischen Halbinsel: P.E. Schramm, Das Kastilische Knigtum und Kaisertum whrend der Reconquista, in: Festschrift fr G. Ritter. 1950 und R. Menendez-Pidal, El Imperio hispanico y los cinco reinos, in: Rivista di estudios politicos, 1950. E. Prestage, Royal Power and the Cortes in Portugal. 1927. H. da Gama Barios, Histria da administrao pblica em Portugal nos scula XII a XIV. Neuausgabe 1945ff. ber England: F.M. Powicke, The Thirteenth century, in: The Oxford History of England, 1953. J.C. Holt, Magna Charta. 1965. ber Frankreich:
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P.E. Schramm, Der Knig von Frankreich, 2 Bde. 1939. F. Lot und R. Fawtier, Histoire des Institutions franaises au Moyen Age. Bd. II: Les Institutions royales. 1958. B. Guene, Lhistoire de ltat en France la fin du Moyen Age vue par les historiens franais depuis cent ans, in: Revue Historique, 1964. ber Philipp den Schnen und den Konflikt mit dem Papsttum: R. Scholz, Publizistik zur Zeit Philipps des Schnen und Bonifaz VIII. 1908. J. Rivire, Le problme de lglise et de ltat au temps de Philippe le Bel. 1920. H. Kaempf, Pierre Dubois und die geistigen Grundlagen des franzsischen Nationalbewutseins um 1300. 1935. Kapitel 10 ber die Entwicklung der ppstlichen Monarchie: J. Haller, Das Papsttum Idee und Wirklichkeit. 2. Aufl. 195053 (Der Autor ist ein liberaler Protestant). W. Ullmann, Medieval papalism. 1949. M. Pacaut, Lautorit pontificale sehn Innocent IV, in: Le Moyen Age, 1960. ber Innozenz III.: M. Maccarone, Chiesa e stato nella dottrina di papa Innocenzio III. 1940. F. Kempf, Papsttum und Kaisertum bei Innozenz III. 1954. H. Tillmann, Papst Innozenz III. 1954. R. Schneider, Innozenz III. 1959. ber Papst, Kaiser, Knig oder Frst als allmchtige Herrscher ber das Gesetz siehe F. Gillmann, Romanus pontifex iura omnia in scrinio pectoris sui censetur habere, in: Archiv fr Katholisches Kirchenrecht XCII (1912) und CVI (1926) und A. Hof, Plenitudo potestatis und imitatio Imperii, in: Zeitschrift fr Katholische Theologie, 195455. Der Text des Vagantengedichts Sequentia falsi evangelii secundum marcam argenti, der vor allem in der Handschr. Clm 4660 der Staatsbibl. Mnchen enthalten ist, wurde u.a. von P. Lehmann, Parodistische Texte. 1923 verffentlicht. Franzsische bersetzung bei O. DobiacheRojdesvensky, Les posies des Goliards. 1931, S. 79 und J. Le Goff, Les Intellectuels au Moyen Age. ber Leben und Einrichtungen der Kirche: G. le Bras, Institutions ecclsiastiques de la Chrtient mdivale. 2 Bde. 1959 und 1964; E. Perroy, La vie religieuse au XIIIe sicle. Centre de Documentation Universitaire. Paris 1959. W.E. Lunt, Papal revenues in the Middle Ages. 2 Bde. 1934 und, auf nationaler Ebene, J.R.H. Moorman, Church Life in England in the 13th century. 1946. ber die Verbreitung des kanonischen Rechts zwei ausgezeichnete Beispiele: A. Vetulani, La pntration du droit des decrtales dans lglise de Pologne au XIIIe sicle. 1936 und S. Stelling-Michaud, Luniversit de Bologne et la pntration des droits romain et canonique en Suisse au XIIIe et au XIVe sicle. 1953. Die Erklrung Robert Grossetestes auf dem Konzil zu Lyon findet sich bei F.S. Stevenson, Robert Grosseteste. 1899, S. 285ff. ber die Grenzen der ppstlichen Gewalt der in Kapitel 9 erwhnte Artikel von Y. Congar. J. Leclercq, Jean de Paris et lecclsiologie du XIIIe sicle. 1942 und B. Tierney, Foundations of the conciliar Theory. 1955. ber die Handbcher fr Beichtvter: P. Michaud- Quantin, Sommes de casuistique et manuels de confession au Moyen Age (XIIe-XVIe sicle). 1962. ber die Hresien, die Katharer und die Inquisition auer den schon Kapitel 6 zitierten Arbeiten: J. Guiraud, Histoire de lInquisition au Moyen Age. 2 Bde. 193538. H. Maisonneuve,
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Etudes sur les origines de linquisition, 1960 und, als Beispiele und Monographien, Mariano da Alatri, Linquisizione francescana nellItalia centrale nel secolo XIII. 1954. L. Fry, Die Ketzerverfolgung in Deutschland unter Gregor IX. 1932. R.W. Emery, Heresy and Inquisition in Narbonne. 1941. G.W. Davis, Inquisition at Albi. 1948. Y. Dossat, Les crises de lInquisition toulousaine au XIIIe sicle. 1959. R. Manselli, Per la storia dell eresia catara nella Firenze del tempo di Dante, in: Bulletino dell Istituto Storico Italiano, 1950. E. Dupr-Theseider, Leresia a Bologna nei tempi di Dante, in: Studi in onore di G. Volpe 2 (1958). W.H. May, The confession of Prous Boneta, heretic and heresiarch (1935), in: Essays in Medieval life and thought in honor of A.P. Evans. 1955. Aus den zahlreichen Texten nennen wir: a) ber den Albigenserkreuzzug: La chanson de la croisade albigeoise. Hg. von E. MartinChabot. 3 Bde. 193161; b) ein katharischer Text Un trait cathare du debut du XIIIe sicle, in: Cahiers dtudes cathares, 2. Serie, Nr. 13, 1962; c) antikatharische Texte: Ch. Thouzellier, Une somme anticathare Le liber contra Manicheos de Durand de Huesca. 1964. J.N. Garvin und J.A. Corbett, The Summa contra Haereticos ascribed to Praepositus of Cremona. 1958 (dazu die Besprechung von A. Borst in der Zeitschrift fr Kirchengeschichte, 1959). Das Handbuch des dominikanischen Inquisitors Bernhard Gui wurde 1926 von G. Mollat herausgegeben. ber die Belagerung von Montsgur: Z. Oldenbourg, Le bcher de Montsgur. 1959. ber die Bettelorden existiert ein weitlufiges Schrifttum. ber den heiligen Franz von Assisi und die Franziskaner: J. Jrgensen, Den Hellige Frans of Assisi. 1907 (Dnische Ausgabe, aber in viele Sprachen bersetzt). A. Masseron, La lgende franciscaine Textes choisis, traduits et annots. 1954. I. Gobry, Mystiques franciscains. 1959. A. Levasti, Mistici del Duecento e del Trecento. 1935. P. Gratien, Histoire de la Fondation et de lEvolution de lordre des Frres Mineurs au XIIIe sicle. 1928. M.D. Lambert, Franciscan Poverty (12101323). 1961. R.B. Brooks Early Franciscan Government. Elias to Bonaventure. 1959. K. Essen, Ordo Fratrum Minorum ber seine Anfnge und ursprnglichen Zielsetzungen, in: Franziskanische Studien, 1960 und 1961. Ders., Die religisen Bewegungen des Hochmittelalters und Franziskus von Assisi, in: Festgabe fr J. Lortz. 1957. L. Salvatorelli, Movimento francescano e gioachimismo, in: Relazioni del X. Congresso Internazionale di Scienze Storiche. Roma 1955, Bd. III (darin ein ausgezeichneter Bericht ber die zeitgenssische franziskanische Geschichtsschreibung). E. Delaruelle, Linfluence de Saint Franois dAssise sur la pit populaire, wie oben. H. Thode, Franz von Assisi und die Anfnge der Kunst der Renaissance in Italien. 1885. S. Classen, Die Armut als Beruf: Franziskus von Assisi, in: Miscellanea Mediaevalia 3 (1964). ber den heiligen Dominikus und die Dominikaner: H.M. Vicaire, Histoire de Saint Dominique. 2 Bde. 1957. M. Th. Laureilhe, Saint Dominique et ses fils. 1956. ber die Anfeindung der Bettelorden: E. Faral, Pour le commentaire de Rutebeuf le dit des Rgles, in: Studi Medievali XVI (19431950). ber Joachim von Fiore: H. Grundmann, Studien ber Joachim von Floris. 1927. Ders., Neue Forschungen ber Joachim von Fiore. 1950 und ein Aufsatz in: Deutsches Archiv, 1960. W.M. Bloomfield, Joachim of Flora, a critical survey, in: Traditio 13. A. Crocco, Gioacchino da Fiore. 1960. ber die Spiritualen:
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E. Benz, Ecclesia Spiritualis, Kirchenidee und Geschichtstheologie der franziskanischen Reformation. 1934. R. Manselli, La lectura super Apocalipsim di Pietro di Giovanni Olivi Ricerche sull escatologismo mediaevale. 1955. Derselbe, Spirituali e Beghini in Provenza. 1959. ber Clestin V.: A. Frugoni, Celestiana. 1954. ber Beginen und Begarden: A. Mens, Oorsproug en betekenis van de Nederlandse begijnen- en begardenbeweging. 1947. E.W. DcMonnell, The Beguines and Beghards in Medieval Culture. 1954 (vgl. auch A. Mens in: Le Moyen Age, 1954). H. Grundmann, La mistica tedesca nei suoi riflessi popolari: il beghinismo, in: Relazioni del X Congresso Internazionale delle Scienze Storiche. Roma 1955, Bd. III und ders., Die geschichtlichen Grundlagen der deutschen Mystik, in: Deutsche Vierteljahrsschrift fr Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 1934. ber den Zustand der Kirche zu Beginn des 14. Jahrhunderts: E. Mller, Das Konzil von Vienne 13111312. Seine Quellen und seine Geschichte. 1934 und R. Foreville, Lide de jubil chez les thologiens et les canonistes avant linstitution du jubil romain (1300), in: Berichte des XI. Internationalen Kongresses der Geschichtswissenschaft. Stockholm 1960.
Kapitel 11 Das grundlegende Werk ber die Universitten stammt von H. Rashdall, The Universities of Europe in the Middle Ages. Neuauflage von F.M. Powicke und A.B. Emden. 3 Bde. 1936. Die beste Zusammenfassung des Problems und das neuere Schrifttum bei S. Stelling-Michaud, Les universits au Moyen Age et la Renaissance, in: Berichte des XI. Internationalen Kongresses der Geschichtswissenschaft. Stockholm 1960, Bd. I. Die beste Untersuchung der Anfnge: H. Grundmann, Vom Ursprung der Universitt im Mittelalter, in: Berichte ber die Verhandlungen der Schsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 103/2 (1957). ber die korporative und berufliche Seite der Universitten: G. Post, Parisian Masters as a corporation 12001246, in: Speculum, 1934. P. Michaud-Quantin, Le droit universitaire dans le conflit parisien 12521257, in: Studia Gratiana VIII (1963) und La conscience dtre membre dune universitas, in: Miscellanea Mediaevalia 3 (1964). J. Le Goff, Quelle conscience luniversit mdivale a-t-elle eu delle mme? Ders., Les Intellectuels du Moyen Age. 1957. ber die Scholastik: M.D. Chenu, Introduction ltude de Saint Thomas dAquin. 1950. P. Glorieux, La littrature quodlibtique. 1935 und O en est la question du Quodlibet?, in: Revue du Moyen Age Latin, 1946. ber den lateinischen Aristotelismus am Ende des 12. Jahrhunderts: R. Palacz, Bezporednia Recepcja Arystotelizmu w Metalogiconie Jana z Salisbury, in: Studia Mediewistyczne 5 (1963), F. van Steenberghen Aristote en occident Les origines de laristotlisme parisien. 1946. D.A. Callus, Introduction of Aristotelian Learning to Oxford. 1944. F. Pelster, Neuere Forschungen ber die Aristotelesbersetzungen des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Gregorianum, 1949. J. Legowicz, Metodologiczne zalozenia recepcji arystotelizmu u Bonawentury, in: Studia Filozoliczne, schlielich die Note sull Aristotele latino medievale von L. Minio-Paluello in der Rivista di Filosofia
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Neoscolastica (seit 1950). ber Bonaventura: E. Gilson, La philosophie de Saint Bonaventure. 1943. J.G. Bougerol, Introduction ltude de Saint Bonaventure. 1961 und Saint Bonaventure et la sagesse chrtienne. 1963. ber Albertus Magnus: A. Garreau, Saint Albert le Grand. 1957. P. Aiken, The animal history of Albertus Magnus and Thomas of Cantimpr, in: Speculum, 1947 und H. Balss, Albertus Magnus als Zoologe. 1947. ber Thomas von Aquino: E. Gilson, Le thomisme. 1948. M.D. Chenu, Saint Thomas dAquin et la thologie. 1959. Die Zitate von Pater Chenu sind entnommen aus La Parole de Dieu. Bd. II: LEvangile dans le temps. 1964. J. Piper, Einfhrung zu Thomas von Aquin. 1958. W.P. Eckert, Das Selbstverstndnis des Thomas von Aquino als Mendikant und als Magister S. Theologiae, in: Miscellanea Mediaevalia 3 (1964). ber Siger von Brabant: F. van Steenberghen, Siger de Brabant dans lhistoire de lAristotlisme. 1942. P. Mandonnet, Siger de Brabant et laverrosme latin au XIIIe sicle. 2. Auflage 190811. A.A. Maurer, The state of historical Research in Siger de Brabant, in: Speculum, 1956. Als Beispiel eines averroistischen Textes: Gza Saj, Un trait rcemment dcouvert de Boce de Dacie: De mundi aeternitate. 1954. ber Roger Bacon: R. Carton, La Synthse doctrinale de Roger Bacon. 1924. S.C. Easton, Roger Bacon and his search for a universal science. 1952. ber Robert Grosseteste: A.C. Crombie, Robert Grosseteste and the origins of experimental science. 1953. D.A. Callus, Robert Grosseteste, scholar and bishop. 1955. ber die Enzyklopdien: M. de Board, Encyclopdies mdivales, in: Revue des Questions Historiques CXII (1930). Friedrichs II. Buch ber die Falkenjagd wurde 1942 von C.A. Willemsen herausgegeben. ber Witelo: C. Bumker, Witelo, ein Philosoph und Naturforscher des XIII. Jahrhunderts, in: Beitrge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters III/2 (1908) und A. Birkenmayer, Etudes sur Witelo. IV, in: Bulletin international de lAcadmie polonaise des Sciences et des lettres de Cracovie, Classe dhistoire et de philosophie, 1918, 1920, 1922. Die Zitate ber die Glasfenster stammen aus L. Grodecki, Vitraux de France. 1953. ber die gotische Kunst H. Focillon, Art doccident. 1947. F. Salet, Lart grothique. 1963. P. Frankl, The gothic, literary sources and interpretations through eight centuries. J. Harvey, The gothic world 11001600. 1950. O. von Simpson, The gothic Cathedral; origins of gothic architecture and the medieval concept of order. 1956 sowie der bereits genannte Essay von E. Panofski, Gothic architecture and scholasticism. 2. Aufl. 1957. ber die franzsischen Vorbilder: H. Jantzen, Kunst der Gotik. 1957. Engl. bersetzung: High Gothic: Cathedrals of Chartres, Reims, Amiens. 1962. H. Reinhardt, La cathdrale de Reims. 1964. R. Brauner, La cathdrale de Bourges et sa place dans larchitecture. 1962. ber Gotische Provinzen: R. Brauner, Burgundian gothic architecture. 1960. A. Mussat, Le style gothique de louest de la France. 1963. ber die Gotik auerhalb Frankreichs: E. Lambert, Lart gothique en Espagne aux XIIe et XIIIe sicles. 1931. ber die Plastik: W. Vge, Bildhauer des Mittelalters. 1950. ber die Ikonographie: E. Mle, Lart religieux du XIIIe sicle en France. 8. Aufl. 1947 bleibt grundlegend. A. Katzenellenbogen, The sculptural programs of Chartres cathedral. 1959. ber die Schlsser Friedrichs II. der fr ein breites Publikum bestimmte, gut illustrierte Band Hohenstaufenschlsser in der Reihe Die Blauen Bcher. 1964. Zu den
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Fenstern der Sainte Chapelle in Paris: M. Aubert, L. Grodecki, J. Lafond, J. Verrin, Corpus vitrearum medii aevi. Bd. I: Les vitraux de Notre-Dame et de la SainteChapelle de Paris. 1959. ber die Entstehung des style rayonnant: R. Brauner in The Art Bulletin, 1962 und S. Salet in Congrs archologique de France. Saint-Urbain de Troyes 1955. ber die italienische Plastik: J. Pope-Hennessy, Italian Gothic Sculpture. 1955 und Ch. Seymour jr., Invention and Revival in Nicola Pisanos Heroic Style, in: Romanesque and Gothic Art (Acts of the XXth International Congress of the History of Art, Bd. I. Princeton 1963). ber Cimabue: R. Savini, Cimabue. 1946. ber Giotto: E. Cecchi, Giotto. 1938. ber die Basilika von Assisi: L. Coletti, Gli affreschi della basilica di Assisi. 1950. R. Sciamannini, La Basilica di San Francesco di Assisi e gli altri santuari. 1952. Gotische Buchmalerei des 13. Jahrhunderts illustrierte Psalter: G. Haseloff, Die Psalterillustration im 13. Jahrhundert. 1938. Beispiel einer Erzhlbild-Bibel: A. de Laborde, La Bible moralise conserve Oxford, Paris et Londres. 5 Bde. 191127. ber die Pariser Schreibstuben: G. Graf Vitzthum, Die Pariser Miniaturmalerei von der Zeit des hl. Ludwig bis zu Philipp von Valois und ihr Verhltnis zur Malerei in Nordwesteuropa. 1907. ber die gotische Goldschmiedekunst: F. Courtoy, Le trsor du prieur dOignies et loeuvre de frre Hugo. 1953. ber franzsische Elfenbeinarbeiten: R. Koechlin, Les ivoires gothiques franais. 1924. L. Grodecki, Ivoires franais. 1947. Aus dem umfangreichen Schrifttum ber den Minnesang sei das neuere Werk von H. Fromm genannt: Der deutsche Minnesang. Aufstze zu seiner Erforschung. 1961. F. Tschirch, Das Selbstverstndnis des mittelalterlichen deutschen Dichters, in: Miscellanea Mediaevalia 3 (1964). ber Wolfram von Eschenbach die neuere Untersuchung von H.J. Koppitz, Wolframs Religiositt. 1959. ber den ProsaLanzelot: J. Frappier, Etude sur la Mort de Roi Arthur. 2. Aufl. 1961 und Les Romans du Graal dans la litterature des XIIe et XIIIe sicles. CNRS Paris 1956. ber die realistische Strmung und die Fabliaux: A. Fourrier, Le courant raliste dans le roman courtois en France au Moyen Age. 1960. Per Nykrog, Les Fabliaux. 1957. J. Rychner, Contribution ltude des fabliaux. 2 Bde. 1960. J. Flinn, Le Roman de Renart dans la littrature franaise et dans les littratures trangres du Moyen Age. 1964. H. Roussel, tude sur Renart le Nouvel du pote lillois Jacquemart Gile. 1956. ber die Sagas: H. Kott, Sagalitteraturen. 1938. ber ein literarisches Zentrum M. Ungureanu, Socit et littrature bourgeoises dArras aux XIIe et XIIIe sicles. 1955. Ch. Foulon, Loeuvre de Jehan Bodel. 1958. ber den Rosenroman G. Par, Les Ides et les lettres au XIIIe sicle: le Roman de la Rose. 1947. Auch die Literatur zu Dante ist sehr umfangreich: M. Barbi, Dante, vita, opere et fortuna. 1933. U. Cosmo, Guida a Dante. 1947. L. Tondelli, Da Gioacchino a Dante. 1944. E. Gilson, Dante et la Philosophie. 1939. M. Asin Palacios, La escatologia musulmana en la Divina Commedia. 1943. A. Valensin, Le christianisme de Dante. 1954. A. Renaudet, Dante humaniste. 1952. E. Buonaiuti, La prima rinascit. Il profeta: Gioacchino da Fiore. Il missionario: Francesco di Assisi. Il cantore: Dante. 1952. H. Rheinfelder, Das Selbstverstndnis Dantes als politischer Dichter, in: Miscellanea Mediaevalia 3 (1964).
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Kapitel 12 ber Stillstand und Rckgang der landwirtschaftlichen Nutzung seit dem Ende des 13. Jahrhunderts siehe G. Duby, Lconomie rurale ..., Bd. II. 1962 S. 541ff. W. Abel, Die Wstungen des ausgehenden Mittelalters. 2. Aufl. 1955. M.W. Beresford, The lost villages of England. 2. Aufl. 1963. Villages dserts et histoire conomique. VI. Section de lcole Pratique des Hautes Etudes. Paris 1965. M. Postan und J. Titow, Heriots and prices on Winchester Manors, in: Economic History Review XI (1959). ber die Entforstung z.B. Th. Sclafert, Cultures en Haute- Provence. Dboisements et paturages au Moyen Age. 1959. ber die Bevlkerung: E. Baratier, La dmographie provenale du XIIIe au XVIe sicle. 1961. J.C. Russell, Recent advances in mediaeval Demography, in: Speculum, 1965. ber den Begriff der Grenze: A.R. Lewis, The Closing of the Mediaeval Frontier 12501350, in: Speculum, 1958. C.J. Bishko, The Frontier in Medieval History. Paper delivered at the Annual Meeting of the American Historical Association, 1955. R. Ignatius, The Parish as a Frontier Institution in XIIIth century Valencia, in: Speculum 1963. ber die Grenzen des Handels: R.S. Lopez, Lextrme frontire du commerce de lEurope mdivale, in: Le Moyen Age, 1963. Liste der 1277 verdammten Irrtmer bei Denifle-Chatelain, Chartularium Universitatis Parisiensis. Bd. I, S. 543555; P. Mandonnet, Siger de Brabant et lAverrosme latin au XIIIe sicle. 2. Aufl. 1911, S. 175 bis 181. Die von P. Duhem in Etudes sur Lonard de Vinci. 19061913, Bd. II, S. 411ff. geuerte optimistische Ansicht ber die angeblich fruchtbaren wissenschaftlichen Folgen der Verdammungen von 1277 wurden begrndet richtiggestellt von E. Gilson, La Philosophie au Moyen Age. 3. Aufl. 1947 (unter dem Stichwort Etienne Tempier) und von A. Koyr in seinem bewundernswrdigen Artikel Le vide et lespace infini au XIVe sicle, in: Archives dHistoire doctrinale et littraire du Moyen Age, 1949 (nachgedruckt in: tudes dhistoire de la pense philosophique, 1961), dem unsere Zitate entnommen sind. ber die Philosophen des 13. Jahrhunderts R.A. Gauthier, Magnanimit lidal de la grandeur dans la philosophie paenne et dans la thologie chrtienne. 1951. D.A. Callus, The function of the philosopher in XIIIth century Oxford, in: Miscellanea Mediaevalia 3 (1964). P. Wilpert, Boethius von Dacien die Autonomie des Philosophen, ebd. und J. Le Goff, Quelle conscience luniversit mdivale a-t-elle delle-mme?, ebd., S. 2426. ber Geldmanipulationen und Whrungskrise: M. Bloch, Esquisse dune histoire montaire de lEurope, S. 40ff. R. Guilhermoz, Avis sur les questions montaires donns aux rois Philippe le Bel, Philippe le Long, Charles IV le Bel, in: Revue numismatique, 192226. A. Grundzweig, Les incidences internationales des mutations montaires de Philippe le Bel, in: Le Moyen Age, 1953. R.H. Bautier, Lor et largent en Occident aux XIIIeXIVe sicles, in: Compterendus de lAcademie des Inscriptions et Belles-Lettres, 1951. ber die Hungersnot von 13151317: H.S. Lucas, The great european famine of 1315, 1316 and 1317, in: Speculum, 1930 und H. van Werveke, La famine de lan
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1316 en Flandre et dans les rgions voisines, in: Revue du Nord, 1959. ber die Seewege zwischen Mittelmeer und Flandern am Ende des 13. Jahrhunderts: R. Doehaerd, Les galres gnoites dans la Manche et la mer du Nord la fin du XIIIe et au dbut du XIVe sicle, in: Bulletin de lInstitut Historique Beige de Rome, 1938 und R.S. Lopez, Majorcans and Cenoese on the North Sea Route in the XIIIth century, in: Revue Belge de Philologie et dHistoire, 1951. Die durch die Krise ausgelste Entwicklung der Fron- und Arbeitsdienstleistungen ist fr England und Flandern abweichend beurteilt worden von M. Postan, The chronology of Labour Services, in: Transactions of the Royal Historical Society, 1937 und von B. Lyon, Encore le problme de la chronologie des corves, in: Le Moyen Age, 1963. ber die Aufstnde in Stadt und Land im spten 13. und beginnenden 14. Jahrhundert: R.H. Hilton, Peasant Movements in England before 1381, in: English Historical Review, 1949. L. Verriest, Le registre de la loi de Tournai de 1302, in: Bulletin de la Commission royale dhistoire, 1911. H. Pirenne, Le soulvement de la Flandre maritime de 13231328. 1900. Frhes Beispiel einer Bankkrise: R.S. Lopez, La prima crisi della banca di Genova (12501259). 1956. ber die Templer als Bankiers: J. Piquet, Des banquiers au Moyen Age: les Templiers. Etude de leurs oprations financires. 1939. ber den Templerproze ist eine betrchtliche, oft wenig wissenschaftliche Literatur erschienen. Empfohlen sei das knappe, allgemeinverstndliche Werk von R. Oursel, Le Procs des Templiers. 1955. ber eine brutale Reaktion auf die Krise: P. Elman, The economic causes of the expulsion of the Jews in 1290, in: Englisch Historical Review, 1937. ber eine wichtige Seite der Umwandlungen innerhalb der Textilindustrie: F. Borlandi, Futainiers et futaines dans lItalie du Moyen Age, in: Lventail de lhistoire vivante. Hommage Lucien Febvre II (1953). ber die Einstellung der Dombauten siehe R.S. Lopez, Economie et architecture mdivale. Cela aurait-il tu ceci? Annales E.S.C., 1952 und ders., Hard Times and investment in culture, in: The Renaissance. A Symposium. New York 1953. ber den Beginn der enclosure: R.H. Hilton, A Study in the Prehistory of English Enclosure, in: Studi in onore di Armando Sapori. 1957. ber die Adelskrise: R. Boutruche, Aux origines dune crise nobiliaire: donations pieuses et pratiques successorales en Bordelais du XIIIe au XIVe sicle, in: Annales dhistoire sociale, 1939. Die politischen Gegenmanahmen der adligen franzsischen Grundherren wurden dargestellt in dem veralteten Werk von A. Artonne, Le mouvement de 1314 et les chartes provinciales de 1315. 1912. ber die Art des Denkens im 14. Jahrhundert: Gordon Leff, Medieval Thought from Saint Augustine to Ockham. 1958, S. 255ff. und The XIVth century and the decline of Scholasticism, in: Past and Present, 1956. ber den westlichen Laizismus auf dem Gebiet der Lehre im 13. und 14. Jahrhundert: G. de Lagarde, La naissance de lesprit laique au dclin du Moyen Age. 3. Aufl. 6 Bde. 1956 und, konkreter, J.R. Strayer, The Laicization of French and English Society in the XIIIth century, in: Speculum, 1940. ber Ockham: L. Baudry, Guillaume dOccam, sa vie, ses oeuvres, ses ides. 1949 und W. Klmel, Wilhelm Ockham der Mensch zwischen Ordnung und Freiheit, in: Miscellanea Medievalia 3 (1964). ber Marsilius von Padua: J. Quillet, Lorganisation de la
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socit humaine selon le Defensor Pacis de Marsile de Padoue, ebd. E. Lewis, The Positivism of Marsiglio of Padua, in: Speculum, 1963. A. Gewirth, Marsilius of Padua. The Defender of Peace. Bd. I: Marsilius of Padua and Medieval Political Philosophy. 1951. ber Bradwardine siehe Gordon Leff, Bradwardine and the Pelagians. 1957. ber die musikalische Krise, die zur Ars Nova fhrt, siehe J. Chailley, Histoire musicale du Moyen Age. 1950, S. 216ff. ber Meister Eckhart: F.W. Wentzlaff-Eggebert, Deutsche Mystik zwischen Mittelalter und Neuzeit. 1947. K. Heussi, Eckhart-Studien. 1953. J. Ancelet-Hustache, Matre Eckhart et la mystique rhnane. 1956. Zusammenfassung Die Krise des 14. Jahrhunderts wurde verschieden beurteilt, namentlich von M.M. Postan in The Cambridge Economic History of Europe. Bd. II, S. 19ff. und von E.A. Kosminsky, Peut-on considrer le XIVe et le XVe sicle comme lpoque de la dcadence de lconomie europenne?, in: Studi in onore di Armando Sapori. Bd. I. 1957. Zum gleichen Thema standen R.S. Lopez und H.A. Miskimin den Auffassungen von C.M. Cipolla gegenber (in: The Economic History Review, 1962 und 1964). Ausgleichende Ansichten bei E. Perroy, A lorigine dune conomie contracte: les crises du XIVe sicle, in Annales ESC, 1949, F. Ltge, Das 14. und 15. Jahrhundert in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, in: Jahrbuch fr Nationalkonomie und Statistik, 1953, M. Mollat, P. Johansen, M. Postan, A. Sapori, Ch. Verlinden, Lconomie europenne aux deux derniers sicles du Moyen Age, in: Relazioni del X Congresso Internazionale di Scienze Storiche VI. Roma 1955. Deutung als Krise der Feudalitt: R.H. Hilton, Y eut-il une crise gnrale de la fodalit?, in: Annales ESC, 1951. E.A. Kosminsky, The evolution of feudalrent in England from the XIth to the XVth century, in: Past and Present, 1955. F. Graus, Die erste Krise des Feudalismus, 1955; R. Romano und A. Tenenti in: Die Fischer Weltgeschichte. Bd. 12. ber das Fortbestehen und die Verschrfung der dsteren, gewaltttigen Seite des Mittelalters im 14. und 15. Jahrhundert das klassische, einsichtsvolle, jedoch literarische Werk von J. Huizinga, Herbst des Mittelalters. (Herfsteij der Middeleeuwen. 1919) ber das Weiterbestehen mittelalterlichen Denkens und Fhlens im 16. Jahrhundert das bedeutende Buch von L. Febvre, Le problme de lincroyance au XVIe sicle la religion de Rabelais. 1942. Im gleichen Sinne R. Mandrou, Introduction la France moderne. Essai de psychologie historique 15001640. 1961. Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen
1 Das Abendland in der Mitte des 11. Jahrhunderts: nach einer Vorlage des Autors
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2 Fortschritte im Ackerbau: Rderpflug und Egge: Foto Bibliothque Nationale, Paris 3 Fortschritte in der Kriegstechnik: Ritter im Kampf. Wandteppich der Knigin Mathilde in Bayeux (Calvados, Frankreich): Foto Giraudon, Paris 4 Der Kampf der Stnde im Zeitalter des Feudalismus: Ritter und Bauern. Bauer im Kampf gegen einen Ritter. Ausschnitt vom Nordportal des Domes von Modena: Foto Cav. Uff. Umberto Orlandini, Modena 5 Sacerdotium und Imperium. Kaiser Otto II. verleiht dem heiligen Adalbert die Investitur. Ausschnitt der Bronzetren der Kathedrale von Gnesen (Polen): Foto Ullstein-Grimm, Berlin 6 Die kaiserliche Gewalt. Friedrich I. Barbarossa und seine Shne. Aus der Weingartner Welfenchronik. Foto Hessische Landes bibliothek, Fulda 7 Die Ausbreitung des Abendlandes vom 11. bis zum 14. Jahrhundert: nach Jacques Le Goff, La Civilisation de lOccident Mdival. Paris 1964 (Arthaud, Paris) 8 Die Fahrenden: Kreuzritter und Pilger. Kreuzritter und Pilger bei der Ankunft an der Pforte des Paradieses. Ausschnitt aus dem Tympanon der Kathedrale von Autun (Sane-et-Loire, Frankreich): Foto Trianon Press, Paris 9 Kreuzzge und Kreuzfahrerfestungen: Der Krak des Chevaliers (Hhenburg). Rekonstruktion im Palais Chaillot, Paris: Foto Archives Photographiques, Paris 10 Das romanische Abendland: nach F. van der Meer, Kleine Atlas van de Westerse Beschaving. Amsterdam 1964 (N.V. Uitgeversmaatschappij Elsevier, Amsterdam) 11 Romanische Architektur: Cluny. Rekonstruktion des Chores der Abteikirche SaintHugues durch Conant: Foto Archives Photographiques, Paris 12 Das gotische Abendland: nach F. van der Meer, Kleine Atlas van de Westerse Beschaving. Amsterdam 1964 (N.V. Uitgeversmaatschappij Elsevier, Amsterdam) 13 Eine zeitgenssische Vorstellung vom Teufel. Der Teufel als Menschenfresser. Ausschnitt eines Kapitells in Saint-Pierre zu Vienne (Frankreich): Foto P. Jahan. Ed. du Rocher
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14 Fortschritte der Geldwirtschaft und der Genossenschaften. Die Wechsler von Allones. Ausschnitt aus dem Glasfenster der Kathedrale von Le Mans (Sarthe, Frankreich) mit der Darstellung der Marienwunder: Foto Archives Photographiques, Paris 15 Der Ritter als allegorische Kalenderfigur. Der Monat Mai als Ritter. Ausschnitt aus dem Wandteppich der Kirche von Baldishol (Norwegen): Foto Kunstindustrimuseet, Oslo 16 Kulturelle Kontakte whrend der spanischen Reconquista. Innenraum von Santa Maria la Blanca in Toledo, eines Bauwerkes im Mudjar- Stil, das zunchst Juden, spter Christen als Gotteshaus diente: Foto Garzon, Granada 17 Entwicklung der Geistigkeit und der religisen Gefhlswelt. Der heilige Franz von Assisi gibt seinen Mantel einem Armen. Gemlde von Giotto in der Oberkirche von San Francesco (Assisi): Foto Frati Minori Conventuali. Sacro Convento di San Francesco, Assisi 18 Die Universitten und die Fortschritte der Scholastik. Szenen aus dem Leben der Pariser Studenten am Sdportal von Notre-Dame: Foto Jean Roubier, Paris 19 Gotische Kunst: das Zeitalter der Kathedralen. Innenraum der Kathedrale von Amiens (Somme, Frankreich): Foto Jean Roubier, Paris 20 Das Abendland zu Beginn des 14. Jahrhunderts: nach einer Vorlage des Autors 21 Die Wirtschaft des Abendlandes am Ende des 13. Jahrhunderts: nach E. Perroy, Le Moyen Age. Paris 1955 (Presses Universitaires de France, Paris)
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