1970 im Jazz behandelt wichtige Ereignisse im Jazz des Jahres 1970 vor allem hinsichtlich erschienener Jazz-Kompositionen und Auftritte.
Wichtige Ereignisse
Bearbeiten- Das im Vorjahr von Manfred Eicher gegründete Label ECM bringt am Neujahrstag Mal Waldrons „Free At Last“ in einer ersten Auflage von 500 Stück auf den Markt. Dank der Begeisterung für Mal im fernen Japan folgen bis Jahresende zwei weitere Pressungen. ECM ist im Geschäft - Es folgen die Produktionen Just Music eines Kollektivs um Alfred Harth, das Trioalbum Paul Bley with Gary Peacock und Afternoon of a Georgia Faun des Marion Brown Orchesters, in dem Anthony Braxton und Chick Corea sowie Bennie Maupin, Jeanne Lee und Andrew Cyrille spielen. [1]
- Frank Zappa veröffentlicht nach der Aufösung von The Mothers of Invention am 9. Februar:das Album Burnt Weeny Sandwich, darauf das suitenartrige Instrumentalstück The Little House I Lived In, das mit einem Klaviersolo von Ian Underwood beginnt. Solistisch trat neben Zappa auch der Violinist Sugarcane Harris und Don Preston als Pianist in Erscheinung.
- Columbia veröffentlicht das Miles Davis-Album Bitches Brew. Besonderheit hat das Album erlangt, da es noch konsequenter als das Vorgängeralbum In A Silent Way (1969) Jazz mit Rockelementen verband, was später als Fusion bezeichnet worden ist. Es gilt als die Initialzündung der Fusion-Musik und nimmt damit nicht nur im Werk von Miles Davis, sondern auch in der Entwicklung des Jazz eine herausragende Stellung ein.
- Der stilprägende Einfluss von Miles Davis ist bei vielen Bands dieses Jahres spürbar, so auch auf die Alben Turn it Over von Tony Williams’ Formation Lifetime mit dem Gitarristen John McLaughlin und dem Organisten Larry Young.
- Im März nimmt The Trio in England das gleichnamige Album auf. Die Formation besteht aus John Surman, Barre Phillips und Stu Martin.
- Am 21. März tritt Phil Woods mit seiner European Rhythm Machine aus Gordon Beck, Henri Texier und Daniel Humair auf dem Frankfurt Jazz Festival auf.
- Allmusic nennt sie die virtual supergroup des Free Jazz der 70er: Circle mit Chick Corea, Anthony Braxton, Dave Holland und Barry Altschul. Corea und Holland gründeten Circle bewusst aus dem Wunsch, etwas weniger Kommerzielles als die Fusionmusik von Miles Davis zu spielen, an der sie Ende der 60er noch mitwirkten.[2]
- 27. April: Duke Ellington nimmt die New Orleans Suite auf.
- 23. Juli Gary Burton nimmt mit Keith Jarrett ein gemeinsames Album für Atlantic auf.
- Am 17. August spielen Brötzmann/Van Hove/Bennink in Berlin ihr erstes Album Balls ein, zugleich die erste Aufnahme, die die unabhängige Free Music Production selbst produziert.
- 26. bis 30. August: Auf dem Isle of Wight Festival 1970 tritt neben den Rockstars und Bands Jimi Hendrix, The Who, The Doors, Chicago, Ten Years After und Emerson, Lake & Palmer auch die Miles Davis Band auf; seine Keyboarder sind Chick Corea und Keith Jarrett.
- 15. September: Mit Output gibt Eberhard Weber sein ECM-Debüt in Wolfgang Dauners explosivem Trio. Dauners Schlagzeuger Fred Braceful, der mitunter auch bei Mal Waldron spielt, weist Eicher auf die Music Improvisation Company hin, ein neues Kollektiv, das die Free-Music-Innovatoren Evan Parker und Derek Bailey mit Ex-Stockhausen-Mitarbeiter Hugh Davies zusammenbringt. Ihr ECM-Album kartografiert ein Gebiet, das Parker ein Vierteljahrhundert später mit seinem Electro-Acoustic Ensemble genauer erforschen wird.[3]
- Charles Mingus bereitet sein Comeback vor und nimmt mit neuer Band in Paris auf. Zu seinen Musikern gehören auch Jaki Byard und Dannie Richmond.
- Mit John McLaughlin, Herbie Hancock, Joe Henderson und Jack DeJohnette als Begleitmusiker erscheint das Debütalbum des Bassisten Miroslav Vitous, Infinite Search. Die Aufnahmen entstanden nach den Bitches Brew-Sessions; ein Jahr später wird Vitous Mitglied der Fusion-Band Weather Report.
- Im September reist Manfred Eicher nach Oslo, um den jungen Saxophonisten Jan Garbarek aufzunehmen, der auf europäischen Festivals mit George Russell (Musiker) Furore gemacht hat. Es ist nicht nur seine erste Begegnung mit Garbarek, Terje Rypdal, Arild Andersen und Jon Christensen, den Großen Vier des norwegischen Jazz, sondern auch mit Tontechniker Jan Erik Kongshaug.[4]
- Derek Bailey, Tony Oxley und Evan Parker gründen das unabhängie Label Incus Records, das sich auf freie Improvisationsmusik konzentriert.
- Am 25. November 1970 wird die Leiche von Albert Ayler im East River von New York gefunden; Todesursache war Ertrinken. Es kamen Gerüchte um eine Exekution aufgrund Schulden bei Drogendealern auf,[5] aber nach Aussagen seiner Lebensgefährtin Mary Parks beging er Suizid: er schmiß sein Saxophon in den Fernseher, verließ die Wohnung, nahm die Fähre zur Freiheitsstatue, sprang aber kurz vor der Ankunft ins Wasser.[6] Aus dem Nachlass Albert Aylers erscheint später auf Impulse! Music Is the Healing Force of the Universe.
- Am 4. Dezember erscheint das Experimentalalbum The End of an Ear; es ist das Debütalbum des Soft Machine-Mitglieds Robert Wyatt
Weitere wichtige Alben
Bearbeiten- Transition - John Coltrane (Impulse)
- The Song of Singing - Chick Corea '(Blue Note)
- Black Beauty: Miles Davis at Fillmore West (Columbia)
- The Bill Evans Album - Bill Evans (Columbia)
- The Panther! - Dexter Gordon (Prestige)
- Red Clay -Freddie Hubbard (CTI)
- The Awakening - Ahmad Jamal (Impulse)
- Super Nova - Wayne Shorter (Blue Note)
- Deaf, Dumb, Blind,Summun, Bukmun, Umyuh - Pharoah Sanders (Impulse)
Die wichtigen Label und ihre Aufnahmen
Bearbeiten- Auf Atlantic Records entstehen nur wenige Aufnahmen des Jazz, so Alben von Carmen McRae, Shirley Scott, Eddie Harris, Ray Bryant, Gary Burton, Junior Mance, Phil Woods & His European Rhythm Machine, das Yusef Lateef Sextett und Tentett (Suite 16), Duke Ellington Orchestra (New Orleans Suite) und das Roland Kirk Tentett (Rahsaan rahsaan).
- Auf Blue Note Records entstehen u.a. Aufnahmen von Lou Donaldsons Sextett mit Blue Mitchell, dem Andrew Hill Sextett mit Charles Tolliver, Ron Carter und Paul Motian, (One For One), dem Thad Jones/Mel Lewis Orchestra, Grant Green, dem McCoy Tyner Sextett mit Wayne Shorter und Gary Bartz, dem Jeremy Steig Quartett, dem Duke Pearson Oktett mit Lew Tabackin. Andrew Hill nimmt im März eine Album mit seinem Quintett und Chor auf (Lift Every Voice); es folgen Aufnahmen von Gene Harris And The Three Sounds, Jack McDuff, dem Wayne Shorter Septett mit Dave Holland, John McLaughlin, Miroslav Vitous, Ron Carter und Chick Corea (Moto Grosso Feio), dem Chick Corea Trio mit Holland und Barry Altschul (The Song Of Singing), dem Horace Silver Quintett, Donald Byrd (Electric Byrd), Live-Mitschnitte des Lee Morgan Quintetts aus dem "Lighthouse Club", Hermosa Beach, dem Bobby Hutcherson Quintett mit Harold Land, dem Elvin Jones Quintett mit George Coleman und Frank Foster, Hank Mobley. Anthony Braxton spielt mit Chick Corea, Dave Holland und Barry Altshul in der Formation Circle (Circulus); Wayne Shorter nimmt das Album Odyssey Of Iska u.a. mit McCoy Tyner, Ted Dunbar, Buster Williams, Billy Hart, Mtume auf.
- Im zehnten Jahr des Bestehens von Impulse! Records will sich die Geschäftsleitung auf neue musikalische Felder orientieren. So kommt es, dass auf dem Jazzlabel ein Album der britischen Rockband Genesis produziert wird (Trespass). Weitere Aufnahmen in diesem Jahr entstehen vom Alice Coltrane Quartett mit Joe Henderson und Pharoah Sanders (Ptah, The El Daoud), Ahmad Jamal (The Awakening), der Band von Pharoah Sanders, u.a. mit Woody Shaw, Gary Bartz, Lonnie Liston Smith, Cecil McBee und Clifford Jarvis, dem Alice Coltrane Quintett (Journey In Satchidananda) und die erste Session für Pharoah Sanders´ Album Thembi, das 1971 erscheint.[8]
- Das Label Prestige Records hält - im 21. Jahr seines Bestehens - gegen den Zeitgeist die Fahne des Hardbop und Soul Jazz hoch; 1970 nehmen hier u. a. auf: Das Eric Kloss Quintett mit Chick Corea, Pat Martino, Dave Holland und Jack DeJohnette (Consciousness!), das Harold Mabern Sextett mit Lee Morgan, Hubert Laws und Idris Muhammad, das Gene Ammons Quintett mit Wynton Kelly, das Houston Person Sextett, Pat Martino (Desperado); das Charles Kynard Quintett mit Houston Person und Bernard Purdie, das Charles Earland Sextett mit Jimmy Heath, das Dexter Gordon Quartett mit einem Mitschnitt vom Montreux Jazz Festival sowie sein Studioalbum mit Tommy Flangan, Larry Ridley und Alan Dawson (The Panther!), das Melvin Sparks Sextett und Johnny Hammond Smith. Daneben erscheinen bei Prestige auch Aufnahmen Charles Mingus (Aufnahmen seines Sextetts aus Paris, bei denen u.a. „Reincarnation Of A Lovebird“ und „Pithecanthropus Erectus“ und „Peggy's Blue Skylight“ entstehen) [9] Außerdem entstanden für Prestige Aufnahmen des Idris Muhammad Septetts mit Virgil Jones und Harold Mabern (Black Rhythm Revolution!), und in Coproduktion mit America in Paris eeingespielte Aufnahmen des Art Ensemble Of Chicago (Phase, I) und des Archie Shepp Nonetts, in dem auch Joseph Jarman, Lester Bowie, Alan Shorter, Clifford Thornton und Bobby Few spielten (Coral Rock).[10]
- Das Label MPS veröffentlichte Oscar Petersons virtuoses Solo-Album Tracks. Count Basie spielte mit seiner Band High Voltage, während Milt Buckner in der Villa des Label-Eigners Hans Georg Brunner-Schwer auf der Birthday Party For H.G.B.S. aufgenommen wurde. In Villingen war 1969 auch Freddie Hubbard mit Eddie Daniels, Roland Hanna, Richard Davis und Louis Hayes zu hören; 1970 erschien ihr dort mitgeschnittenes The Hub of Hubbard. Die Kenny Clarke/Francy Boland Big Band spielte ihr Album Live At Ronnie Scott's ein. Das während der Berliner Jazztage 1969 aufgenommene Konzert des Dave Pike Set erschien auf dem Label ebenso wie Mike Nocks Between Or Beyond. Aufnahmen mit dem Art Ensemble of Chicago und europäischen Musikern vom New Jazz Meeting Baden-Baden wurden unter dem Titel Gittin' To Know Y'All veröffentlicht. In Köln nahm das Label mit Rolf Kühn als Leader, Chick Corea und jungen englischen Musikern das Album Going To the Rainbow auf. Von Albert Mangelsdorff erschien die letzte Einspielung mit seiner alten Gruppe (Never Let It End). Nach früheren, experimentell ausgerichteten Platten legte Wolfgang Dauner mit Music Zounds ein vergleichsweise konventionelles Album vor. Friedrich Gulda spielte gleich zwei Jazzplatten ein; und in der Jazzgalerie Berlin lenkte ein Trio um Fritz Pauer Aufmerksamkeit auf den Jazz aus Österreich. Knut Kiesewetter bewies, dass er auch Jazz singen kann (Stop! Watch! And Listen!). In der Easy-Listening-Abteilung des Labels entstanden Aufnahmen wie Gustav Brom Goes Pop, For Nightpeople Only (Chor und Orchester Horst Jankowski) und Round Trip to Rio (Orchester Peter Jacques). Art Van Damme legte das Album Blue World vor.[11]
Veröffentlichte Songs, die später zu Jazz-Standards wurden
BearbeitenThad Jones veröffentlichte die Komposition A Child Is Born; Stanley Turrentine spielte Sugar ein. Auch einige andere Stücke, wie Joni Mitchells Big Yellow Taxi, werden vierzig Jahre häufiger gespielt (etwa von Rachel Z, Norma Winstone, Maria Pia De Vito oder Stefan Gwildis) werden aber nicht als Jazz-Standard gewertet.
Siehe auch
Bearbeiten- Wikipedia:WikiProjekt Jazz/1930 im Jazz
- Wikipedia:WikiProjekt Jazz/1940 im Jazz
- Wikipedia:WikiProjekt Jazz/1950 im Jazz
- Wikipedia:WikiProjekt Jazz/1960 im Jazz
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ Quelle: ECM Chronik 1970
- ↑ Quelle: Allmusic [1]
- ↑ Quelle: ECM Chronik 1970
- ↑ Quelle: ECM Chronik 1970
- ↑ Martin Drexler, Artikel in der Reihe Jazz in Cleveland, berichtet dagegen von Aussagen aus Aylers Umfeld, das Ayler keine harten Drogen nahm, nur hin und wieder Marihuana
- ↑ Mary Parks zum englischen Diskographen Mike Hames 1983. Motiv waren laut Parks Konflikte mit seiner Mutter um seinem Bruder Donald, einem Trompeter mit dem er anfangs nach New York gegangen war, den er aber nicht mehr in seiner Band haben wollte und der Schwierigkeiten hatte, in New York zurechtzukommen.
- ↑ alle Angaben nach Jazzdisco.org und Allmusic
- ↑ Hinweise aus Ashley Kahns Buch über das Impulse-Label.
- ↑ Das Album wurde in Europa von America vertrieben und erschien unter verschiedenen Titeln: Charles Mingus In Paris: The Complete America Session (Sunnyside SSC 3065), Charles Mingus - Reincarnation Of A Love Bird (Prestige PR 24028), Charles Mingus - Pithecanthropus Erectus (America (F) 30 AM 6109) oder Charles Mingus In Paris: The Complete America Session (Sunnyside SSC 3065).
- ↑ alle Angaben nach Jazzdisco.org.
- ↑ nach http://discog.piezoelektric.org/saba/mps-crm.html und http://mps-love.blogspot.com/2008/06/mps-discography-mysteries.html