Seitenkrankheit

historische Bezeichnung für Rippenfellentzündung und Krankheiten mit ähnlichen Symptomen

Die Seitenkrankheit (lat. morbus lateralis, dolor lateralis, Seitensschmerz, synonym auch Seitenstechen,[1][2][3] ältere Schreibungen Seitenkranck,[2] Seitenkränke[1] oder seiten kräncke[1]) ist eine nicht eindeutige, aus dem Mittelalter stammende, im Althochdeutschen stechido genannte Bezeichnung, mit der aus heutiger Sicht wahrscheinlich unterschiedliche Krankheits-Symptome in Verbindung gebracht wurden, meist[4] jedoch die seitlichen Schmerzen bei einer Pleuritis[5] (Rippenfellentzündung) bzw. Pleurodynie.[6] Die Pleuritis wird beispielsweise erwähnt bei Tabernaemontanus 1625,[1][2] eine ausführliche Beschreibung findet sich im 3. Band der Onomatologia Medico-Practica: Encyklopädisches Handbuch für ausübende Aerzte in alphabetischer Ordnung unter dem Stichwort Pleuritis. Dort wird sowohl auf die lateinischen Bezeichnungen als auch auf frühere Literatur verwiesen.[7] Es finden sich in alter Literatur aber auch Verwendungen der Bezeichnung für Erkrankungen der Leber (Gelbsucht)[4] sowie der Milz sowie im Rahmen rheumatischer bzw. arthritischer Erkrankungen.[8]

Die Diagnose Seitenstechen lag nach einer Darstellung des ausgehenden 18. Jahrhunderts vor, „wenn der Kranke öfters hustet, einen schnellen und fieberhaften Puls hat, zugleich an einem äußerlichen oder innerlichen Theile des Umkreises der Brust einen stechenden Schmerz klaget, und wenn dieser Schmerz auf jedesmal Einathmen und Husten heftiger, beym Ausathmen hingegen gelinder wird“.[9]

In der Veterinärmedizin war der Begriff ebenfalls gebräuchlich.[10]

Bekanntheit erlangte der Begriff durch Noah Gordons Roman Der Medicus von 1986 und den gleichnamigen Film von 2013. Hier wurde die Erkrankung jedoch als Appendizitis gedeutet, auch wenn für die geschilderte Zeit keine Belege für eine im Film dargestellte Appendektomie existieren.

Einzelnachweise

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  1. a b c d Seitenkränke, f.. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 16: Seeleben–Sprechen – (X, 1. Abteilung). S. Hirzel, Leipzig 1905 (woerterbuchnetz.de).
  2. a b c Gabriele Hoppe: „Reinigung und Fixierung“ – Etablierung neoklassischer Lehn-Wortbildung Etymologisch-korrekte Wiederherstellung von fachsprachlichen |itis|-Lehnwörtern und ihren Ableitungen seit der Frühen Neuzeit. Herausbildung einer fachsprachlichen Lehn-Wortbildungseinheit -itis. Mannheim 2010, ids-mannheim.de (PDF).
  3. Hieronymus Bock: Artzneybüchlein. Ordentliche, gemeine Cur und hülffe für das Stechen und Seitengeschwür, genannt Pleuritis […]. Augsburg 1551.
  4. a b Monica Niederer: Der St. Galler Botanicus. Ein frühmittelalterliches Herbar. Kritische Edition, Übersetzung und Kommentar. Peter Lang, Bern 2005, ISBN 3-03910-195-1, S. 229 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Christoph Mörgeli und Hans Schulthess: Krankheitsnamen und Todesursachen in Zürcher Pfarrbüchern. In: Vom Luxus des Geistes. Festgabe zum 60. Geburtstag von Bruno Schmid. Zürich 1994, S. 165–183, hier: S. 182 („Stich“) und 181 („Seitenstick“).
  6. Arnoldo Baffoni: Storia della pleuriti da Ippocrate a Laennec. Rom 1947.
  7. Friedrich August Weber (Hrsg.): Onomatologia Medico-Practica: Encyklopädisches Handbuch für ausübende Aerzte in alphabetischer Ordnung. Band 3, Pleuritis, S. 1770 ff., (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek).
  8. Max Höfler: Deutsches Krankheitsnamen-Buch. Piloty & Loehle, München 1899; Neudruck Olms, Hildesheim / New York 1970 und 1979, ISBN 1-174-35859-9, S. 677 f. und 919 (Textarchiv – Internet Archive).
  9. Franz Georg Nonner: Der redliche Dorfbader oder Medicinisch-chirurgisches Handbuch zum schnellen und sichern Gebrauch in Krankheiten und Nothfaellen auf dem Lande. Johann Michael Daisenberger (Imprimatur 1791), Stadtamhof 1799, S. 19 f. (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek)
  10. Jean de Saunier, Gaspard de Saunier: Vollständige Erkenntniß von Pferden. Christian Friedrich Günther, Leipzig / Großglogau 1767, S. 69 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).