Die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit, auch stochastische Konvergenz genannt, ist ein Begriff aus der Wahrscheinlichkeitstheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. Die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit ist das wahrscheinlichkeitstheoretische Pendant zur Konvergenz nach Maß in der Maßtheorie und neben der Konvergenz im p-ten Mittel, der Konvergenz in Verteilung und der fast sicheren Konvergenz einer der Konvergenzbegriffe in der Stochastik. Es finden sich auch Quellen, welche die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit analog zur Konvergenz lokal nach Maß der Maßtheorie definieren. Die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit findet beispielsweise Anwendung bei der Formulierung des schwachen Gesetzes der großen Zahlen.

Graph einer Versuchsreihe mit stochastischer Konvergenz der relativen Häufigkeit gegen einen Grenzwert

Definition

Bearbeiten

Für reellwertige Zufallsvariablen

Bearbeiten

Eine Folge   von reellen Zufallsvariablen konvergiert in Wahrscheinlichkeit oder stochastisch gegen die Zufallsvariable  , wenn für jedes   gilt, dass

 

ist. Man schreibt dann   oder   oder auch  .

Für Zufallsvektoren

Bearbeiten

Eine Folge   von Zufallsvektoren mit Werten in   konvergiert in Wahrscheinlichkeit oder stochastisch gegen den  -dimensionalen Zufallsvektor  , wenn für jedes   gilt, dass

 

ist, wobei   eine Metrik auf   ist. Man schreibt dann   oder   oder  .
Die verwendete Metrik   kann beispielsweise die euklidische Metrik, die Manhattan-Metrik oder die Maximum-Metrik sein. Sie erzeugen dasselbe Konzept der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit für Zufallsvektoren.

Allgemeiner Fall

Bearbeiten

Seien   ein separabler metrischer Raum und   die zugehörige Borelsche σ-Algebra. Eine Folge   von Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum   mit Werten in   heißt konvergent in Wahrscheinlichkeit oder stochastisch konvergent gegen  , wenn für alle   gilt, dass

 

ist. Dabei wird die vorausgesetzte Separabilität benötigt, um die in der Definition verwendete Messbarkeit der Abbildung  , sicherzustellen.

Beispiel

Bearbeiten
 
Animation – Urnenmodell mit Zurücklegen und gleicher Wahrscheinlichkeit für rote bzw. blaue Kugel

Seien   unabhängige Rademacher-verteilte Zufallsvariablen, also  . Dann ist   und  . Definiert man nun die Folge von Zufallsvariablen   als

 ,

so ist aufgrund der Unabhängigkeit

 

und

 .

Mit der Tschebyscheff-Ungleichung

 

erhält man dann die Abschätzung

 .

Also konvergieren die   in Wahrscheinlichkeit gegen 0. Neben der Tschebyscheff-Ungleichung ist die allgemeinere Markow-Ungleichung ein hilfreiches Mittel, um Konvergenz in Wahrscheinlichkeit zu zeigen.

Eigenschaften

Bearbeiten
  • Konvergiert   stochastisch gegen 0 und konvergiert   stochastisch gegen 0, so konvergiert auch   stochastisch gegen 0.
  • Ist die reelle Zahlenfolge   beschränkt und konvergiert   stochastisch gegen 0, so konvergiert auch   stochastisch gegen 0.
  • Man kann zeigen, dass eine Folge   genau dann stochastisch gegen   konvergiert, falls
 
das heißt die stochastische Konvergenz entspricht der Konvergenz bezüglich der Metrik  . Der Raum aller Zufallsvariablen versehen mit dieser Metrik bildet einen topologischen Vektorraum, der im Allgemeinen nicht lokalkonvex ist.
  • Eine Folge von Zufallsvektoren   mit Werten in   konvergiert stochastisch gegen den  -dimensionalen Nullvektor   genau dann, wenn er komponentenweise stochastisch gegen Null konvergiert, wenn also
 
gilt, wobei   die  -te Komponente des Vektors   bezeichnet.

Beziehung zu anderen Konvergenzarten der Stochastik

Bearbeiten

Allgemein gelten für die Konvergenzbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie die Implikationen

 

und

 .

Die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit ist also ein mäßig starker Konvergenzbegriff. In den unten stehenden Abschnitten sind die Beziehungen zu den anderen Konvergenzarten genauer ausgeführt.

Konvergenz im p-ten Mittel

Bearbeiten

Aus der Konvergenz im p-ten Mittel folgt für   unmittelbar die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit. Dazu wendet man die Markow-Ungleichung auf die Funktion   an, die für   monoton wachsend ist, und die Zufallsvariable   an. Dann folgt

 ,

was im Grenzwert gegen Null geht. Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Ein Beispiel hierfür ist: sind die Zufallsvariablen definiert durch

 

mit  . Dann ist

 ,

wenn  . Also konvergiert die Folge für   im Mittel gegen 0. Für beliebiges   ist aber

 . Also konvergiert die Folge für alle   in Wahrscheinlichkeit gegen 0.

Ein Kriterium, unter dem die Konvergenz im p-ten Mittel aus der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit gilt ist, dass eine Majorante   mit   existiert, so dass   für alle   gilt. Konvergieren dann die   in Wahrscheinlichkeit gegen  , so konvergieren sie auch im p-ten Mittel gegen  . Allgemeiner lässt sich eine Verbindung zwischen der Konvergenz im p-ten Mittel und der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit mittels des Konvergenzsatzes von Vitali und der gleichgradigen Integrierbarkeit im p-ten Mittel ziehen: Eine Folge konvergiert genau dann im p-ten Mittel, wenn sie gleichgradig integrierbar im p-ten Mittel ist und sie in Wahrscheinlichkeit konvergiert.

Fast sichere Konvergenz

Bearbeiten

Aus der fast sicheren Konvergenz folgt die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit. Um dies zu sehen, definiert man die Mengen

 .

Die   bilden eine monoton wachsende Mengenfolge, und die Menge   enthält die Menge

 

der Stellen, an denen die Folge konvergiert. Nach Voraussetzung ist   und damit auch   und demnach  . Durch Komplementbildung folgt dann die Aussage.

Die Umkehrung gilt aber im Allgemeinen nicht. Ein Beispiel hierfür ist die Folge von unabhängigen Bernoulli-Verteilten Zufallsvariablen zum Parameter  , also  . Dann ist

 

für alle   und somit konvergiert die Folge in Wahrscheinlichkeit gegen 0. Die Folge konvergiert aber nicht fast sicher, man zeigt dies mit dem hinreichenden Kriterium für fast sichere Konvergenz und dem Borel-Cantelli-Lemma.

Bedingungen, unter denen aus der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit die fast sichere Konvergenz folgt, sind:

  • Die Konvergenzgeschwindigkeit der Konvergenz in Wahrscheinlichkeit ist ausreichend schnell, sprich, es gilt
 .
  • Der Grundraum   lässt sich als abzählbare Vereinigung von μ-Atomen darstellen. Dies ist bei Wahrscheinlichkeitsräumen mit höchstens abzählbarer Grundmenge immer möglich.
  • Ist die Folge der Zufallsvariablen fast sicher streng monoton fallend und konvergiert in Wahrscheinlichkeit gegen 0, so konvergiert die Folge fast sicher gegen 0.

Allgemeiner konvergiert eine Folge in Wahrscheinlichkeit genau dann, wenn jede Teilfolge eine weitere, fast sicher konvergente Teilfolge besitzt. Insbesondere besitzt jede in Wahrscheinlichkeit konvergierende Folge eine fast sicher konvergente Teilfolge (man wähle in „ “ als Ausgangsteilfolge die ganze Folge).

Konvergenz in Verteilung

Bearbeiten

Aus Konvergenz in Wahrscheinlichkeit folgt nach dem Satz von Slutzky die Konvergenz in Verteilung, der Umkehrschluss gilt im Allgemeinen nicht. Ist beispielsweise die Zufallsvariable   Bernoulli-verteilt mit Parameter  , also

 ,

und setzt man   für alle  , so konvergiert   in Verteilung gegen  , da sie dieselbe Verteilung haben. Es gilt aber immer  , die Zufallsvariablen können also nicht in Wahrscheinlichkeit konvergieren. Es existieren jedoch Kriterien, unter denen aus der Konvergenz in Verteilung die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit folgt. Sind beispielsweise alle Zufallsvariablen   auf demselben Wahrscheinlichkeitsraum definiert und konvergieren in Verteilung gegen die Zufallsvariable  , die fast sicher konstant ist, so konvergieren die   auch in Wahrscheinlichkeit gegen  .

Literatur

Bearbeiten