Jonathan Littell
Jonathan Littell (* 10. Oktober 1967 in New York) ist ein französischer Schriftsteller amerikanischer Herkunft.
Leben und Werk
BearbeitenLittell stammt aus einer jüdischen Familie mit osteuropäischen Wurzeln. Der Familienname war ursprünglich „Lidsky“.[1] Seine Großeltern väterlicher- wie mütterlicherseits wanderten zwischen 1880 und 1886 von Russland in die USA aus, als nach der Ermordung Zar Alexanders II. eine weitere Judenverfolgung einsetzte.[2] Sein Vater Robert Littell wurde als Reporter und Verfasser zahlreicher, weltweit gelesener Spionageromane bekannt. Jonathan Littell wuchs zweisprachig auf, ging in Paris bis 1985 zur Schule und studierte dann in Yale. Nach vorhergehender Ablehnung durch die französischen Behörden ist er nach seinem Bucherfolg (Les Bienveillantes) seit März 2007 auch französischer Staatsbürger.[3]
Mit 39 Jahren veröffentlichte er in französischer Sprache seinen zweiten Roman Die Wohlgesinnten (Les Bienveillantes), den er nach mehreren Jahren Recherchearbeit in nur 120 Tagen niederschrieb[4] und für den er mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde. Die erste Buchveröffentlichung von Jonathan Littell ist der Science-Fiction-Roman Bad Voltage: A Fantasy in 4/4[5] in einem auf Thriller und Spionageromane spezialisierten Verlag. Littell hat u. a. Werke von Blanchot, Genet und de Sade ins Englische übersetzt.
Littell besuchte als Mitarbeiter der NGO Action Contre la Faim Bosnien, Afghanistan, den Kongo und Tschetschenien; dort wurde er im Januar 2001 leicht verwundet[6] und begann für sein Buch Die Wohlgesinnten fünf Jahre lang zu recherchieren. Er lebt heute in Barcelona. Im August 2008 reiste Littell im Auftrag von Le Monde nach Georgien.[7] Am 3. Oktober 2008 erschien ebenda sein Bericht zum Kaukasus-Konflikt 2008.[8] Im Januar 2012 reiste Littell im Auftrag von Le Monde nach Syrien, um über das dortige Bürgerkriegsgeschehen zu berichten. Die Reportage ist „ein Dokument, kein literarisches Werk“ und als E-Book im Juli 2012 erschienen.
2016 wurde der von Littell inszenierte Dokumentarfilm Wrong Elements veröffentlicht. Der Fokus liegt auf ehemaligen Kindersoldaten aus dem Bürgerkrieg in Uganda Ende der 1980er Jahre, die in der Lord’s Resistance Army kämpften. Der deutsche Kinostart war Ende April 2017.[9]
Werke
Bearbeiten- 1989: Bad Voltage. A Fantasy in 4/4. Signet Books, New York City. ISBN 0-451-16014-2[5]
- 2006: Les Bienveillantes. Éditions Gallimard. ISBN 2-07-078097-X
- Deutsch: Die Wohlgesinnten. Berlin Verlag, Berlin 2008. ISBN 978-3-8270-0738-4
- 2008: Le Sec et L’Humide. Éditions Gallimard, Paris. ISBN 978-2-07-011945-5 (v. a. über Léon Degrelle)
- Deutsch: Das Trockene und das Feuchte. Ein kurzer Einfall in faschistisches Gelände. Aus dem Französischen von Hainer Kober. Berlin Verlag, Berlin 2009. ISBN 3-8270-0825-5 (mit einem Nachwort von Klaus Theweleit)
- 2008: Georgisches Reisetagebuch. Aus dem Französischen von Hainer Kober. Berlin Verlag, Berlin 2008. ISBN 978-3-8270-0854-1
- 2009: Ein Sonntag im Sommer. Aus dem Französischen von Hainer Kober. Matthes & Seitz, Berlin 2009. ISBN 978-3-88221-741-4
- 2009: Tschetschenien im Jahr III. Aus dem Französischen von Hainer Kober. Berliner Taschenbuch Verlag btv, Berlin. ISBN 978-3-8333-0688-4
- 2011: Bericht über nichts. Aus dem Französischen von Hainer Kober. Matthes & Seitz, Berlin. ISBN 978-3-88221-614-1
- 2012: Notizen aus Homs. Aus dem Französischen von Dorit Gesa Engelhardt. Hanser, München. ISBN 978-3-446-24114-5[10]
- 2013: Triptychon: drei Studien zu Francis Bacon. Aus dem Französischen von Hainer Kober. Hanser, München. ISBN 978-3-446-24032-2
- 2016: Eine alte Geschichte. Matthes & Seitz, Berlin. ISBN 978-3-95757-231-8
Literatur
Bearbeiten- Reinhard Finck: Jonathan Littell, in: Jan-Pieter Barbian (Red.): Vive la littérature! Französische Literatur in deutscher Übersetzung. Hrsg. & Verlag Stadtbibliothek Duisburg. ISBN 978-3-89279-656-5, S. 20
- Jonathan Littell Internationales Biographisches Archiv 47/2012 vom 20. November 2012, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Jonathan Littell im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jonathan Littell in der Internet Speculative Fiction Database (englisch)
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Jonathan Littell bei Perlentaucher
- Werke von Jonathan Littell bei Open Library
- Jonathan Littell bei IMDb
- Jonathan Littell im Gespräch, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3. November 2007
- Edgar Hilsenrath zu Littell. Gespräch von Edgar Hilsenrath mit Volker Dittrich vom 26. März 2008 über Die Wohlgesinnten von Littell, Wiedergabe auf literaturkritik.de
- The executioner's song, Interview (englisch) in Haaretz, abgegriffen 5. Juni 2008
- Jonathan Littell im Interview: Mögen Sie Käse?, Frankfurter Rundschau, 24. Juni 2008
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ The executioner's song Interview (englisch) in Haaretz, abgegriffen 2. Juli 2008.
- ↑ „Jonathan Littell erklärt jeden zum Nazi“, Die Welt, 15. Februar 2008
- ↑ „Frankreich belohnt Jonathan Littell mit einem Pass“, Berliner Zeitung, 10. März 2007
- ↑ „Littells umstrittener NS-Roman jetzt auf Deutsch“ ( vom 6. März 2008 im Internet Archive), Ö1, 18. Februar 2008
- ↑ a b Rezension von Bad Voltage: „Die falsche Schönheit des Jonathan Littell“, Die Welt, 20. Februar 2008
- ↑ „Best-selling author helps student from Chechnya attend Alfred University“, Alfred University, New York, 4. August 2004
- ↑ Littell besucht Georgien, Jürg Altwegg, FAZ, 4. Oktober 2008
- ↑ Carnet de route en Géorgie ( vom 3. Oktober 2008 im Internet Archive), par Jonathan Littell, Le Monde 2, 3. Oktober 2008.
- ↑ »Ich glaube nicht an Reue«, Interview mit Jonathan Littell in konkret 5/2017, S. 54–55, ISSN 0023-3528.
- ↑ Die Handys sind Museen des Schreckens geworden, FAZ vom 7. August 2012, S. 30
Personendaten | |
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NAME | Littell, Jonathan |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanisch-französischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 10. Oktober 1967 |
GEBURTSORT | New York City |