Giovanni Angelo Becciu

italienischer Geistlicher, vatikanischer Diplomat, katholischer Kurienerzbischof

Giovanni Angelo Kardinal Becciu (* 2. Juni 1948 in Pattada, Provinz Sassari, Sardinien, Italien) ist ein italienischer Geistlicher und ehemaliger Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche. Er war Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse und ab 2017 päpstlicher Delegat beim Souveränen Malteserorden. 2020 trat er von allen Ämtern und den mit dem Kardinalat verbundenen Rechten zurück.

Giovanni Angelo Kardinal Becciu (2018)
Giovanni Angelo Becciu (2013)
Kardinalswappen

Giovanni Angelo Becciu empfing am 27. August 1972 durch den Bischof von Ozieri, Francesco Cogoni, das Sakrament der Priesterweihe für das Bistum Ozieri. Er wurde im Fach Kirchenrecht promoviert.

Am 1. Mai 1984 trat Giovanni Angelo Becciu in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls ein. Er war als beigeordneter Sekretär in den Apostolischen Nuntiaturen im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik tätig. 1985 wurde er zudem Nuntiatursekretär in der Volksrepublik Kongo. Am 19. Februar 1985 verlieh ihm Papst Johannes Paul II. den Ehrentitel Kaplan Seiner Heiligkeit[1] (Monsignore). 1986 wurde Becciu Nuntiatursekretär für die Region des Roten Meeres und im Sudan, 1988 sodann Nuntiatursekretär in den Apostolischen Nuntiaturen in Neuseeland, auf Fidschi und für den Pazifischen Ozean. 1990 wurde er Nuntiatursekretär in Gambia, Guinea, Liberia und Sierra Leone. 1991 wurde er Uditore. 1992 wurde er nach Großbritannien versetzt und 1994 wurde er Nuntiaturrat. 1995 wurde er Nuntiaturrat in Frankreich. Am 2. März 1997 verlieh ihm Papst Johannes Paul II. den Titel Ehrenprälat Seiner Heiligkeit.[2] 2000 erfolgte die Versetzung in die USA.

Johannes Paul II. ernannte ihn am 15. Oktober 2001 zum Titularerzbischof von Rusellae und bestellte ihn zum Apostolischen Nuntius in Angola.[3] Am 15. November 2001 wurde er zudem zum Apostolischen Nuntius in São Tomé und Príncipe ernannt.[4] Die Bischofsweihe spendete ihm Kardinalstaatssekretär Angelo Kardinal Sodano am 1. Dezember desselben Jahres; Mitkonsekratoren waren der Apostolische Nuntius in Italien und San Marino, Erzbischof Paolo Romeo, und der Bischof von Ozieri, Sebastiano Sanguinetti. Giovanni Angelo Becciu wählte sich den Wahlspruch Duc in altum („Fahr hinaus auf den See“), der dem Evangelium nach Lukas (Lk 5,4 EU) entstammt. Am 23. Juli 2009 bestellte ihn Papst Benedikt XVI. zum Apostolischen Nuntius in Kuba.[5]

Benedikt XVI. ernannte ihn am 10. Mai 2011 zum Substituten des Staatssekretariates.[6] In diesem Amt bestätigte Papst Franziskus ihn am 31. August 2013.[7] 2016 sagte Becciu – unter Überschreitung seiner Kompetenzen – die bevorstehende Prüfung der Buchhaltung der Kurie durch PricewaterhouseCoopers ab.[8] Am 26. Mai 2018 ernannte ihn der Papst zum Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse. Dieses Amt übernahm er am 31. August desselben Jahres, sein Amt als Substitut des Staatssekretariats endete mit Ablauf des 29. Juni 2018.[9]

Im Konsistorium vom 28. Juni 2018 nahm ihn Papst Franziskus als Kardinaldiakon mit der Titeldiakonie San Lino[10] in das Kardinalskollegium auf. Am 6. Oktober desselben Jahres ernannte ihn der Papst zum Mitglied der Kongregation für die Evangelisierung der Völker.[11] Die Besitzergreifung seiner Titeldiakonie fand am 20. Januar 2019 statt.

Am 24. September 2020 nahm Papst Franziskus Beccius Rücktritt vom Amt des Präfekten der Heilig- und Seligsprechungskongregation sowie seinen Verzicht auf die aus dem Kardinalat erwachsenden Rechte an. Die Annahme des Rücktritts erfolgte ohne Angabe von Gründen, nachdem im Vorjahr staatsanwaltliche Ermittlungen wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten eingeleitet worden waren.[12][13]

Souveräner Malteserorden

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Papst Franziskus ernannte am 4. Februar 2017 Giovanni Angelo Becciu zum vatikanischen Sonderbeauftragten für den Souveränen Malteserorden.[14] Er wurde beauftragt, den Orden spirituell und moralisch zu erneuern.[15] Grund waren ein vorhergegangener Machtkampf und Streitigkeiten im Orden, welche mit der Entlassung des damaligen Großmeisters Matthew Festing endeten.[16]

Am 22. Juni 2017 wurde Giovanni Angelo Becciu in der Kapelle des Magistralpalastes von Fra’ Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto in den Malteserorden aufgenommen und zum Kaplan Conventual-Großkreuz ad honorem ernannt.[17] Das Amt des Delegaten übte er bis 2020 auch nach dem Ende der Tätigkeit als Substitut des Staatssekretariats und dem Beginn des Amtes als Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse aus.[9] Am 1. November 2020 ernannte Papst Franziskus Silvano Tomasi zu seinem Nachfolger als Sonderbeauftragten für den Malteserorden.[18]

Vorwurf der Veruntreuung und des Amtsmissbrauchs und Strafverfahren

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Die vatikanische Staatsanwaltschaft begann 2019 Ermittlungen gegen Becciu. Becciu soll 2014 und 2018 Investitionen in ein Londoner Immobilienprojekt für Luxuswohnungen im Londoner Stadtteil Chelsea (Sloane-Avenue-Immobilie) in Höhe von 250 Millionen Euro genehmigt haben. Das Geld stammte zum großen Teil aus dem Peterspfennig. Dabei wurden Provisionen und Fondsgebühren von bis zu 60 Millionen Euro gezahlt. In die Immobilie (60 Sloane Avenue) investierte der Vatikan über einen Luxemburger beziehungsweise in Malta registrierten Investmentfonds (Athena Capital Global Opportunities Fund). Anfang 2022 wurde die Sloane-Avenue-Immobilie an den US-Finanzinvestor Bain Capital mit einem Nettoverlust von mehr als 100 Millionen Euro verkauft.[8] Der Verlust wurde durch das Staatssekretariat ausgeglichen. Als ein Rechnungsprüfer, der Generalrevisor Libero Milone, 2017 kritische Fragen zur Investition in Chelsea stellte, wurde er entlassen.[8] Nachdem das Istituto per le Opere di Religione (IOR) im Juli 2019 die Kreditaufnahme zum Kauf der Immobilie als „verdächtig“ an die vatikanische Staatsanwaltschaft gemeldet hatte, nahm diese Untersuchungen auf.[19] Papst Franziskus verteidigte im November 2019 die Investition mit den Worten „Ja, man kann auch Eigentum kaufen, es vermieten und dann verkaufen.“ Das diene dann der Sache der Menschen des Peterspfennigs. Geld nur nach alter Art in den Sparstrumpf zu stecken sei schlechte Verwaltung. Man müsse aber sichere und moralische Investitionen tätigen. „Wenn ich mit dem Peterspfennig in eine Waffenfabrik investiere, dann ist die Spende keine Spende.“[20]

Anfang Juli 2021 beschloss der Präsident des Vatikan-Gerichtshofs die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Veruntreuung, Amtsmissbrauchs und weiterer Taten gegen Becciu und neun weitere Beschuldigte, darunter der frühere Präsident der Vatikanischen Finanzaufsicht René Brülhart, deren Ex-Direktor Tommaso Di Ruzza, die Vatikanberaterin und Becciu-Vertraute Cecilia Marogna und der als Schlüsselperson geltende Investmentbanker Gianluigi Torzi. Die öffentliche Hauptverhandlung begann am 27. Juli 2021.[21][22] Die vatikanische Staatsanwaltschaft forderte im Juli 2023 eine Haftstrafe von sieben Jahren und drei Monaten.[23]

Am 16. Dezember 2023 wurde Kardinal Angelo Becciu vom Richter Giuseppe Pignatone wegen Betrugs und Unterschlagung erstinstanzlich zu fünfeinhalb Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt.[24][25] Der Mitangeklagte Rene Brülhart wurde zu einer milden Geldstrafe verurteilt. Er ist ein Schweizer Jurist und war Aufsichtsratschef der Finanzaufsicht (AIF) des Vatikans. Der Mitangeklagte Enrico Crasso, ehemaliger Finanzberater des Vatikans, wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Hauptbelastungszeuge war Alberto Perlasca, Priester und ehemaliger Büroleiter im vatikanischen Staatssekretariat. Er habe jedoch „keine überzeugenden Antworten gegeben oder sogar Aussagen gemacht, die mit anderen Feststellungen in den Akten unvereinbar“ gewesen seien, erklärten die Richter ihre Urteilsbegründung. Einige Schilderungen seien unzuverlässig und widersprüchlich gewesen, sodass kein Angeklagter „auf Grundlage ihrer Aussagen schuldig gesprochen worden“ sei.[26]

Beccius Anwälte Fabio Viglione und Marie Concetta Marzo kündigten Berufung an.[27] Die Urteilsbegründung wurde im Oktober 2024 vorgelegt.[26] Becciu wohnte noch in seiner Wohnung am Petersplatz. Er betonte weiterhin seine Unschuld und verwies auf Machenschaften gegen ihn, die im Prozess durch Zeugenaussagen erkennbar geworden seien. Auch sagte er unter anderem, seine Aufgabe sei es gewesen, [für Investitionen] die finale Genehmigung zu erteilen. Dabei habe er immer die Vorschläge, die ihm unterbreitet wurden, angenommen. Seine Experten hätten das Vertrauen aller genossen.[28]

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Commons: Giovanni Angelo Becciu – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. AAS 77 (1985), S. 455.
  2. AAS 89 (1997), S. 737.
  3. Nomina del Nunzio Apostolico in Angola. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 15. Oktober 2001, abgerufen am 24. Mai 2018 (italienisch).
  4. Nomina del Nunzio Apostolico in São Tomé e Principe. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 15. November 2001, abgerufen am 24. Mai 2018 (italienisch).
  5. Nomina del Nunzio Apostolico in Cuba. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 23. Juli 2009, abgerufen am 24. Mai 2018 (italienisch).
  6. Nomina del Sostituto per gli Affari Generali della Segreteria di Stato. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 10. Mai 2011, abgerufen am 24. Mai 2018 (italienisch).
  7. Papst bestätigt wichtigste Mitarbeiter des Staatssekretariats. In: Tagesmeldungen. Radio Vatikan, 31. August 2013, abgerufen am 24. Mai 2018.
  8. a b c Ralph Rotte: Kardinal Becciu auf der Anklagebank. Immobilien-Investitionen des Vatikans: Der Prozess. In: Herder Korrespondenz, Jg. 76 (2022), S. 13–16, hier S. 13.
  9. a b Nomina del Prefetto della Congregazione delle Cause dei Santi. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 26. Mai 2018, abgerufen am 27. Mai 2018 (italienisch).
  10. Concistoro Ordinario Pubblico: Assegnazione dei Titoli. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 28. Juni 2018, abgerufen am 28. Juni 2018 (italienisch).
  11. Nuovi Membri dei Dicasteri della Curia Romana. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 6. Oktober 2018, abgerufen am 8. Oktober 2018 (italienisch).
  12. Kardinal Becciu tritt von allen Ämtern zurück – auch Kardinalat. Katholisch.de, 24. September 2020, abgerufen am selben Tage.
  13. Rinunce e nomine (continuazione). In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 24. September 2020, abgerufen am 16. Oktober 2020 (italienisch): „rinuncia … dai diritti connessi al Cardinalato“
  14. Lettera Pontificia al Sostituto per gli Affari Generali della Segreteria di Stato per la nomina a Delegato Speciale presso il Sovrano Militare Ordine di Malta. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 4. Februar 2017, abgerufen am 24. Mai 2018 (italienisch).
  15. Nach heftigem Führungsstreit – Papst ernennt Krisenmanager für Malteser-Orden. Der Tagesspiegel, 4. Februar 2016, abgerufen am 27. Mai 2018.
  16. Großmeister tritt zurück – Machtkampf im Malteserorden. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. Januar 2017, abgerufen am 24. Mai 2018.
  17. Erzbischof Becciu in den Orden aufgenommen. Malteserorden, 22. Juni 2017, archiviert vom Original am 27. Januar 2019; abgerufen am 24. Mai 2018.
  18. Lettera Pontificia al Cardinale eletto Silvano Maria Tomasi per la nomina a Delegato Speciale presso il Sovrano Militare Ordine di Malta. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 1. November 2020, abgerufen am 1. November 2020 (italienisch).
  19. Ralph Rotte: Kardinal Becciu auf der Anklagebank. Immobilien-Investitionen des Vatikans: Der Prozess. In: Herder Korrespondenz, Jg. 76 (2022), S. 13–16, hier S. 14.
  20. Papst gesteht Finanzskandal ein. tagesschau.de, 27. November 2019, abgerufen am 4. Juli 2021.
  21. Vatikan erhebt Anklage wegen Finanzskandal um Londoner Immobilie. kathpress.at, 3. Juli 2021, abgerufen am 4. Juli 2021.
  22. Francis X. Rocca: Vatican Indicts Cardinal, Nine Other People Over London Real-Estate Deal. Wall Street Journal, 3. Juli 2021, abgerufen am 6. Juli 2021 (englisch).
  23. Thomas Jansen: Kardinal droht Haft im Vatikan. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Juli 2023, S. 4.
  24. Fünfeinhalb Jahre Haft für Kardinal Becciu. FAZ.net, 16. Dezember 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023.
  25. Sentenza del Tribunale dello Stato della Città del Vaticano. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 16. Dezember 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023 (italienisch).
  26. a b Vatikan-Richter zum Finanzprozess: Hauptzeuge unzuverlässig. In: katholisch.de. 30. Oktober 2024, abgerufen am 31. Oktober 2024.
  27. Kardinal Becciu zu Haftstrafe verurteilt. In: tagesschau.de. 16. Dezember 2023, abgerufen am 16. Dezember 2023: „Der Kardinal betonte stets seine Unschuld.“
  28. Maco Ansalado, Evelyn Finger: Angelo Becciu: „Mich tröstet mein reines Gewissen“. In: Die Zeit. 27. März 2024, S. 53–54, archiviert vom Original am 26. März 2024; abgerufen am 31. Oktober 2024.
VorgängerAmtNachfolger
Aldo CavalliApostolischer Nuntius in Angola
2001–2009
Novatus Rugambwa
Aldo CavalliApostolischer Nuntius in São Tomé und Príncipe
2001–2009
Novatus Rugambwa
Luigi BonazziApostolischer Nuntius in Kuba
2009–2011
Bruno Musarò
Fernando FiloniSubstitut des Staatssekretariates
2011–2018
Edgar Peña Parra
Angelo Kardinal Amato SDBPräfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse
2018–2020
Marcello Kardinal Semeraro