Friedliche Revolution in Plauen
Die Friedliche Revolution in Plauen war der Vorreiter der Wende und friedlichen Revolution in der DDR. In der öffentlichen Erinnerung dominieren die Ereignisse in Leipzig und Ost-Berlin; die erste Großdemonstration in der Deutschen Demokratischen Republik fand aber schon am 7. Oktober 1989 in Plauen statt.
Geschichte
BearbeitenBei der Kommunalwahl am 7. Mai 1989 nahmen verstärkt Wahlbeobachter teil, die hauptsächlich aus dem Umfeld der Kirche stammten. Man dokumentierte offensichtliche Wahlfälschungen und verfasste Eingaben. Dies änderte jedoch nichts am Verhalten der Führung. Als in der Nacht vom 4. zum 5. Oktober 1989 zum zweiten Mal Züge mit Botschaftsflüchtlingen aus Prag durch Plauen Richtung Hof (Saale) fuhren, versuchten mehrere Personen aufzuspringen. Der Bahnhof und die anliegenden Gleise wurden jedoch großräumig abgesperrt.
Am 5. Oktober sollte in der Markuskirche eigentlich das Plauener Neue Forum gegründet werden, das zu dieser Zeit noch verboten war. Da sich dies jedoch herumgesprochen hatte und eine große Menschenmenge erschien, in der man auch Stasi-Mitarbeiter vermutete, setzte man spontan eine Friedensandacht an, die wegen des Andrangs wiederholt werden musste.
Zum 40. Jahrestag der Republik am 7. Oktober 1989 wurde mittels maschinengeschriebener Zettel und Mundpropaganda zu einer Demonstration in der Innenstadt aufgerufen.[1] Die Stasi wusste zwar davon, unterschätzte die Lage jedoch völlig. Gegen 15 Uhr versammelten sich tausende Menschen spontan auf dem Theaterplatz und dem Otto-Grotewohl-Platz (Tunnel). Die Polizei versuchte erfolglos mit Wasserwerfern (mangels eigener Fahrzeuge wurden welche der Freiwilligen Feuerwehr eingesetzt) und einem Hubschrauber die Menge aufzulösen und den Platz zu räumen. Etwa um 16:15 Uhr zog ein Demonstrationszug in Richtung Bahnhofstraße und traf um etwa 17:30 Uhr wieder vor dem Rathaus ein. Dabei wurden Transparente mit Losungen wie „Wir brauchen Reformen“, „Für Reformen und Reisefreiheit gegen Massenflucht – vor allem Frieden“ oder „Reisefreiheit – Meinungsfreiheit – Pressefreiheit“ mitgeführt. Vor dem Rathaus wurde der Oberbürgermeister Norbert Martin aufgefordert, zu Gesprächen herauszukommen. Durch den besonnenen Einsatz von Superintendent Thomas Küttler, der zwischen Rathaus/Polizei und Demonstranten vermittelte, blieb die Demonstration friedlich und löste sich mit dem Ruf „Wir kommen wieder“ gegen 18 Uhr langsam auf, nachdem beschlossen worden war, am nächsten Sonnabend erneut zu demonstrieren, und es außerdem Gespräche zwischen Plauener Bürgern und dem Oberbürgermeister geben sollte. Von diesem Zeitpunkt an fanden an jedem Sonnabend bis zu den ersten freien Wahlen am 18. März 1990 Demonstrationen in Plauen statt. Bei diesen Demonstrationen, die meist auf der gleichen Route vorbei an Stasi-Zentrale und SED-Kreisamt führten, nahmen auch Menschen aus dem Umland sowie teilweise Abordnungen aus der Partnerstadt Hof teil. „Es war das erste Mal, dass sich in der DDR die Bürger ohne „Anweisungen von oben“ zusammenfanden und ihren geeinten Willen gegen das System in der DDR zum Ausdruck brachten“. (Rolf Schwanitz)[2] „Plauen war die erste ostdeutsche Stadt, die einen geeinten Willen zur Wende ausdrückte; sie war die einzige, in der der ostdeutsche Umbruch von Anfang an eine Sache der Massen war.“ (John Connelly).[3] Am 12. Oktober 1989 fanden erstmals die festgelegten Gespräche zwischen dem Oberbürgermeister der Stadt und 25 Plauener Bürgern statt. Die von Superintendent Küttler geführte Bürgervertretung wurde später auch als Gruppe der 20 bezeichnet – in Anlehnung an die Dresdner Gruppe der 20.
Anders als in Leipzig und in Ost-Berlin wurde über die Ereignisse in Plauen aber kein Filmmaterial an westdeutsche Medien weitergegeben. Die Tragik an der Plauener Demonstration sei, dass es von ihr keine Bilder gab, sagt der Leiter des Berliner Forschungsverbundes SED-Staat, Klaus Schroeder.[4]
Am 15. Dezember 1989 legten in Plauen 10.000 Beschäftigte für zwei Stunden die Arbeit nieder, um für die Einheit Deutschlands einzutreten. Das war der größte Streik in dieser Entwicklungsphase in der DDR.[5]
Rezeption und Gedenken
BearbeitenAngesichts der Vorreiterrolle, die Plauen in der Wendezeit einnahm, wurde der 7. Oktober als kommunaler Gedenktag zum Tag der Demokratie. erklärt.[6] Außerdem wurde am 7. Oktober 2010 das sogenannte Wende-Denkmal, entworfen von Peter Luban, schräg gegenüber dem Neuen Rathaus eingeweiht. Die Errichtungskosten in Höhe von 60.000 Euro wurden komplett durch Spenden finanziert.[7]
2017 gründeten Manfred Sörgel, Dirk Heinze, Gerd Naumann, Eckard Scharf und Rolf Schwanitz in Plauen die regionale Aufarbeitungsinitiative Vogtland 89. Der Verein gehört zum Netzwerk der Aufarbeitungsinitiativen des Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.[8] 2019, zum 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution, produzierte der Verein den Dokumentarfilm Aufbrüche des Filmemachers Tino Peisker. Darin werden die regionalen Ereignisse vom Herbst 1989 sowie der späteren Transformationszeit nachgezeichnet.
Siehe auch
BearbeitenWeblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Fotodokumentation zur Großdemonstration am 7. Oktober 1989 in Plauen. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 3. Juli 2009; abgerufen am 27. Juni 2009.
- ↑ Zivilcourage. S. 359. (siehe oben)
- ↑ John Connelly: Moment of Revolution: Plauen (Vogtland), October 7, 1989. In: German Politics & Society. No. 20, Sommer 1990, S. 71–89.
- ↑ Markus Geiler: Die Geschichte der friedlichen Revolution im Herbst 1989. www.welt.de, 7. Oktober 2009, abgerufen am 27. Februar 2021.
- ↑ Ilko-Sascha Kowalczuk: Die Übernahme: Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde. C. H. Beck, München 2019, S. 57.
- ↑ Satzung zur Einführung des „Tages der Demokratie“ als Gedenktag (S. 16). (PDF) Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 24. Mai 2011; abgerufen am 26. Februar 2009.
- ↑ Offizielle Seite zum Wende-Denkmal in Plauen. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juli 2009; abgerufen am 27. Juni 2009.
- ↑ Sächsischer Landesbeauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Vereine. Abgerufen am 27. Februar 2021.