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Bianca Exklusiv Band 364
Bianca Exklusiv Band 364
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eBook464 Seiten6 Stunden

Bianca Exklusiv Band 364

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Über dieses E-Book

KIRSCHKUCHEN UND SÜSSE KÜSSE von OLIVIA MILES
Es ist Scott! Um ein Haar lässt Bäckerin Emily den leckeren Kirschkuchen fallen. Denn vor ihr steht der Mann, der vor zwölf Jahren gegangen und ihr Teenager-Herz in winzigen Krümeln zurückgelassen hat. Warum ist Scott jetzt wieder hier – bei ihr?

WARUM HAST DU MICH VERRATEN, GELIEBTE? von LYNNE MARSHALL
Es war ein Versehen! Lilly wollte Gunnar nie verraten – doch er wendet sich ab! Sie versucht alles, um den sexy Polizisten von ihrer Unschuld zu überzeugen. Und davon, zu ihr zurückzukommen …

EIN DADDY FÜR IMMER von REBECCA WINTERS
Kann Mitch Garrett den Betrüger in ihrem Familienunternehmen finden? Nur deshalb bittet Heidi ihn um Hilfe. Ansonsten hält sie Abstand zu dem attraktiven Privatdetektiv – und wird aus engsten Kreisen sabotiert: Ihr kleiner Sohn meint, dass Mitch ein perfekter Daddy wäre …

SpracheDeutsch
HerausgeberCORA Verlag
Erscheinungsdatum21. Juli 2023
ISBN9783751516730
Bianca Exklusiv Band 364

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    Buchvorschau

    Bianca Exklusiv Band 364 - Olivia Miles

    Olivia Miles, Lynne Marshall, Rebecca Winters

    BIANCA EXKLUSIV BAND 364

    IMPRESSUM

    BIANCA EXKLUSIV erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    Erste Neuauflage in der Reihe BIANCA EXKLUSIV, Band 364 07/2023

    © 2014 by Megan Leavell

    Originaltitel: „Recipe for Romance"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Meike Stewen

    Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,

    in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 15

    © 2015 by Janet Maarschalk

    Originaltitel: „Her Perfect Proposal"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Patrick Hansen

    Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,

    in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 25

    © 2012 by Rebecca Winters

    Originaltitel: „The Marshal’s Prize"

    erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

    Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

    Übersetzung: Patrick Hansen

    Deutsche Erstausgabe 2014 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,

    in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 11

    Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

    Veröffentlicht im ePub Format in 07/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

    E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN 9783751516730

    Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

    BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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    Kirschkuchen und süße Küsse

    1. KAPITEL

    Emily Porter band die Bänder ihrer Baumwollschürze im Rücken zu einer Schleife und sah auf die Wanduhr. Je mehr sich der Minutenzeiger der großen Zwölf näherte, desto schneller ging ihr Puls. Sie wechselte einen nervösen Blick mit ihrer Freundin und Chefin Lucy Miller und schaute erneut zur Uhr. In diesem Moment sprang der Zeiger vollends in die Senkrechte. Es war so weit. Punkt elf Uhr.

    Emily atmete tief durch, ging über den glänzenden Parkettfußboden zur Ladentür und drehte das selbstgemalte Schild um, das dort an der Scheibe hing. Damit war die Sweetie Pie Bakery offiziell eröffnet.

    „Puh, so aufgeregt wie heute bin ich seit meiner Hochzeit nicht mehr gewesen!" Lucys Stimme überschlug sich fast.

    Emily grinste. „Der Laden läuft bestimmt super, das hab ich im Gefühl." Die letzten Wochen waren so hektisch gewesen, dass sie gar nicht dazu gekommen war, sich in Ruhe das Ergebnis ihrer Arbeit anzusehen. An den cremefarbenen Wänden standen glänzende Schränke. In einer Glasvitrine konnte man fünfzehn verschiedene Kuchen und Torten bewundern. Alle waren diesen Morgen frisch aus dem Ofen gekommen und in der Küche standen sogar noch mehr bereit. Der rustikale Tresen aus rotbraunem Kirschholz passte perfekt zum blitzsauberen Parkett. Zehn Tische mit gemütlichen Stühlen drum herum warteten im vorderen Teil des Ladens auf Gäste.

    Lucy seufzte. „Hoffentlich hast du recht, und der Laden brummt wirklich." Sie blickte durch die breite Fensterfront auf die Hauptstraße hinaus.

    Es war das erste Mal, dass Emily ihre Freundin unsicher erlebte. Und immerhin arbeiteten die beiden schon seit Ewigkeiten miteinander, seit Emily als Bedienung in Lucys Diner auf der gegenüberliegenden Straßenseite angefangen hatte. „Ach, komm. Du bist doch schon seit zwanzig Jahren in der Branche und kennst dich prima aus."

    „Was willst du mir damit sagen? Dass ich eine alte Schachtel bin? Lucy zwinkerte ihr zu. Dann seufzte sie. „Nein, ich weiß schon, was du meinst. Aber ich habe trotzdem Angst, dass die Sache ein Flop wird.

    Emily löffelte frisch gemahlenen Kaffee in einen Filter. „Nein, ich glaube, die Bäckerei wird ein voller Erfolg, genau wie dein Diner. Bald rennt dir ganz Maple Woods die Türen ein. Sie ließ noch einmal den Blick über die Einrichtung schweifen und wünschte, dass wirklich endlich jemand in die Bäckerei käme. „Ich gieße noch schnell die Blumen vor dem Laden, verkündete sie und drückte die Eingangstür auf.

    Draußen blieb sie kurz stehen und ließ sich die warme Vormittagssonne ins Gesicht und auf die bloßen Arme scheinen, bevor sie sich den knallrosa Tulpen zuwandte, die vor dem Schaufenster wuchsen. Emily bedachte jede mit einem kräftigen Schluck Wasser aus der Gießkanne, dann blickte sie die Hauptstraße hinunter. Spätestens in einer Stunde kamen die Mittagsgäste ins Diner, und dann … tja, Emily wusste auch nicht so genau, was dann passieren würde. Sie hoffte natürlich, dass alle nach dem Mittagessen in die kleine Bäckerei herüberkommen würden.

    Sie fuhr herum, als plötzlich ein dröhnender Motor die gewohnte Stille der sonst so friedlichen Kleinstadt Maple Woods durchbrach. Dort, wo die Maple Avenue die Hauptstraße kreuzte, wartete ein knallroter Sportwagen an der Ampel darauf, dass diese auf grün schaltete. Dann bog der Wagen in die Hauptstraße ein. Emily zuckte zusammen, als der Motor erneut aufheulte und das Auto die Straße hinuntergeschossen kam – genau in ihre Richtung. Sie kniff die Augen zusammen, weil die Sonne sie blendete. Als der Wagen auf ihrer Höhe war und sie einen kurzen Blick durch die Windschutzscheibe werfen konnte, riss sie sie abrupt wieder auf.

    Das konnte nicht sein! Sie musste sich verguckt haben. Es war unmöglich, dass … er hier war!

    Emily starrte auf den Bürgersteig und suchte nach einer logischen Erklärung für das, was sie glaubte gerade gesehen zu haben. Wen sie da gerade gesehen hatte. Ihr zog sich der Magen zusammen, und sie bekam kaum noch Luft. Scott Collins. Fast zwölf Jahre lang hatte er sich nicht mehr in Maple Woods blicken lassen. Warum ausgerechnet jetzt?

    Der Schreck von eben verwandelte sich jetzt in einen dumpfen Schmerz. In den letzten Jahren hatte sie immer seltener an ihre große Jugendliebe gedacht. Aber so wie es aussah, musste Scott Collins nur einmal kurz mit dem Sportwagen vorbeibrausen und schon waren die alten Wunden wieder aufgerissen. Dabei hatte Emily wirklich geglaubt, sie wären alle längst verheilt.

    Sie schüttelte den Kopf und öffnete die Tür zu der kleinen Bäckerei. Wahrscheinlich hatte sie sich getäuscht. Das Auto war ja viel zu schnell an ihr vorbeigerauscht, als dass sie darin jemanden hätte erkennen können. Außerdem hätte Lucy es bestimmt erwähnt, wenn ihr eigener Bruder seinen Besuch angekündigt hätte.

    „George hat gerade angerufen, rief Lucy ihr atemlos zu, kaum dass Emily die Ladentür hinter sich geschlossen hatte. Lucy löste die Schleife in ihrem Rücken und hängte die Schürze an der Rückseite der Küchentür auf. „Er braucht dringend Unterstützung im Diner, bevor die Mittagsgäste kommen, und da wir hier im Moment noch keine Gäste haben … Emily hörte die Enttäuschung, die in Lucys letzten Worten mitschwang.

    Nachdenklich betrachtete Emily ihre Freundin. Sollte sie ihr erzählen, wen sie vermutlich gerade gesehen hatte? Aber Lucy wirkte überhaupt nicht so, als würde sie mit Scotts Besuch rechnen.

    „Okay, aber komm bitte so schnell wie möglich zurück, erwiderte Emily deshalb nur. Lucy suchte bereits ihre Sachen zusammen, um ihrem Mann George im Diner zu helfen, das sie gemeinsam führten. „Ich glaube nämlich, dass es hier später richtig voll wird. Sie hielt inne und ließ den Blick wieder aus dem Fenster schweifen, um nach dem geheimnisvollen roten Wagen Ausschau zu halten. Sie wandte sich wieder Lucy zu. „Kommt heute irgendein besonderer Gast zur Eröffnung?"

    „Nein, nur ein paar Freunde, Verwandte und Bekannte. Die üblichen Verdächtigen. Lucy zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich bin dann mal weg. Gib mir Bescheid, wenn du mich hier brauchst, ich bin ja gleich gegenüber.

    „In Ordnung." Emily seufzte.

    Jetzt komm mal wieder runter, ermahnte sie sich selbst. Natürlich war das eben in dem roten Sportwagen nicht Scott gewesen. Er hatte vor zwölf Jahren die Stadt verlassen, und war nie mehr zurückgekehrt.

    Was mache ich eigentlich hier?

    Scott lehnte sich gegen die Motorhaube des roten Porsche und sah die Hauptstraße hinunter in Richtung des gepflasterten Platzes, auf dem ein von Hortensien umgebener Pavillon stand. Schließlich ließ er den Blick auf Lucys Diner ruhen. Bei diesem vertrauten Anblick wurde ihm flau im Magen. Eigentlich war er nicht davon ausgegangen, dass er je wieder nach Maple Woods zurückkommen würde.

    Zwölf Jahre lang war es ihm gelungen wegzubleiben – eine lange Zeit. Und trotzdem hatte er es innerhalb dieser Zeit nicht geschafft, genug Abstand zu gewinnen. Schon gar nicht von dem schrecklichen Geheimnis, das ihn mit dieser Stadt verband und das er niemals preisgeben durfte …

    Scott wandte sich wieder zu seinem Mietwagen um und verzog das Gesicht. Aus Gewohnheit hatte er das gleiche Modell gewählt, das er auch in Seattle fuhr. Jetzt erst wurde ihm bewusst, dass weder der leuchtendrote Lack noch der stolze Preis in diese Kleinstadt passten – genauso wenig wie er selbst. Mit dem Wagen zog er nur noch mehr Aufmerksamkeit, Spekulationen und Tratsch auf sich.

    Scott verzog das Gesicht, als sich das ihm bekannte Brennen vom Magen aus die Speiseröhre hinaufzog. Das hatte er in letzter Zeit häufiger. Genau genommen, seit Lucy ihn angerufen und ihn praktisch angefleht hatte, er möge doch nach Maple Woods kommen und sich als Bauleiter um die Sanierung der Stadtbibliothek kümmern. Das Gebäude hatte einen schweren Feuerschaden erlitten, nachdem sein Neffe Bobby durch ein dummes Missgeschick einen der Flügel in Brand gesetzt hatte.

    „Dass diese Jugendlichen aber auch nicht richtig aufpassen können!", hatte Scott ins Telefon geseufzt, als seine Schwester ihm unter Tränen alles erklärt hatte. Andererseits ließ ihn das, was Bobby passiert war, nicht völlig kalt. Es weckte Erinnerungen an einen Vorfall, den Scott am liebsten ganz aus seinem Gedächtnis streichen würde.

    Lucy hatte alles Mögliche auf die Beine gestellt, um die Sache wiedergutzumachen. Ihr Sohn leistete gerade gemeinnützige Arbeit. Gleichzeitig bemühte er sich darum, über ein Football-Stipendium einen Platz an einem guten College zu bekommen. Und Lucys und Scotts Vater, der in Maple Woods ein eigenes Bauunternehmen unterhielt, hatte die Sanierung der Stadtbücherei übernommen. Zunächst schienen sich die Dinge gut zu entwickeln … aber dann war ihr Vater schwer krank geworden.

    Scott hatte keine Ahnung, warum er sich doch noch von Lucy hatte überreden lassen, das Projekt zu übernehmen. Vielleicht weil sie bis jetzt nie versucht hatte, ihn zu bedrängen und er ihr dankbar dafür war. Vielleicht aber auch, weil er nur zu gut verstand, wie wichtig es ihr war, den Fehler ihres Sohnes wiedergutzumachen.

    Wo hast du mich bloß wieder reingeritten, Lucy?

    Er lachte leise. Er konnte seiner Schwester nie lange böse sein. Weil sie ganze sieben Jahre älter war als er, waren die typischen Kabbeleien zwischen großer Schwester und kleinem Bruder zwischen ihnen ausgeblieben. Stattdessen war Lucy von Anfang an völlig vernarrt in ihn gewesen und hatte ihn von vorn bis hinten verwöhnt. Dann hatte sie irgendwann George Miller kennengelernt und war mit ihm zusammengezogen. Die beiden hatten eine eigene Familie gegründet und das Diner eröffnet.

    Wahrscheinlich war Lucy auch jetzt gerade in ihrem Diner. Wenn er wollte, konnte er sie sofort begrüßen. Eine schöne Vorstellung, auch wenn die Umstände seines Besuchs weniger schön waren.

    Scott stieß sich von seinem Leihwagen ab und ging langsam den Bürgersteig entlang. Es war unglaublich, dass sich hier in der Einkaufsstraße in den letzten zwölf Jahren absolut nichts verändert hatte! Die Pizzeria war immer noch da, der Blumenladen und die Buchhandlung ebenso. Nur die Mode, die im Schaufenster der kleinen Boutique ausgestellt war, war mit der Zeit gegangen. Stirnrunzelnd betrachtete er das Kleid an einer der Puppen und ließ den Blick zur Seite gleiten … um direkt in zwei weit aufgerissene Augen zu blicken. Eine junge Frau starrte ihn ungeniert durch die Scheibe an. Jetzt bewegte sie die Lippen – und er war sich sicher, ein „Das ist ja Scott Collins!" davon ablesen zu können. Gleich darauf erschien ein weiteres Gesicht im Fenster, auf der anderen Seite der Schaufensterpuppe. Die zweite Frau fixierte ihn genauso fasziniert wie die erste. Er kannte die beiden. Auf der Highschool waren sie zusammen mit ihm im Mathematikkurs gewesen. Und so, wie es aussah, erinnerten sie sich auch sehr gut an ihn.

    Schnell wandte Scott sich ab und ging weiter in Richtung Diner.

    Wahrscheinlich informierten sie jetzt schon sämtliche Bekannten davon, dass Scott Collins wieder in der Stadt war. Aber was hatte er erwartet? In einem kleinen Ort wie Maple Woods blieb man nicht zwölf Jahre weg und tauchte dann einfach wieder auf, ohne dass sich jemand darum kümmerte. Trotzdem wäre er ganz gerne erst einmal in Ruhe angekommen, bevor sich alle auf ihn stürzten. Ausgerechnet zur Mittagszeit in Lucys Diner aufzutauchen, war in diesem Fall keine besonders schlaue Idee, wurde ihm schlagartig klar.

    Auf einmal dachte Scott an eine andere Person, die ihm einmal sehr wichtig gewesen war und schloss kurz die Augen. Hoffentlich blieb sie von der ganzen Sache verschont. Wenn er es geschickt anstellte, konnte er ihr vielleicht sogar komplett aus dem Weg gehen, während er hier war.

    Sein Blick fiel auf eine handgeschriebene Aufstelltafel vor einem Geschäft. „Neueröffnung!" stand darauf. Scott grinste: Stimmt ja, die neue Bäckerei! Davon hatte Lucy ihm schon am Telefon erzählt. Und gleich gegenüber der Bäckerei befand sich das Diner. Gerade strömten mehrere Gäste durch die Eingangstür, alle Fensterplätze waren längst besetzt.

    Auf gar keinen Fall wollte er jetzt da hineingehen und sich den vielen neugierigen Blicken und Fragen aussetzen. Aber er hatte schon eine Lösung gefunden. In der kleinen Bäckerei auf der anderen Straßenseite war noch kein einziger Kunde. Hier würde er sich, zumindest vorübergehend, verstecken können. Wenn er Glück hatte, war Lucy sogar gerade dort, dann konnte er sich in Ruhe mit ihr unterhalten.

    Emily zuckte zusammen, als sie das Glöckchen über der Ladentür klingeln hörte. Ihr erster Kunde war eingetroffen! Die Sweetie Pie Bakery hatte inzwischen seit fast einer Stunde geöffnet, und eben war es Emily gelungen, ihre Nervosität abzulegen und sich einigermaßen zu entspannen. Jetzt fing ihr Magen sofort wieder an zu kribbeln. Schnell strich sie sich die Schürze glatt und lief von der Küche in den Verkaufsbereich.

    „Herzlich willkommen bei Sweetie Pie!, rief sie. „Was kann ich für Sie … Die nächsten Worte blieben ihr im Hals stecken.

    Vor dem Glastresen stand Scott Collins und nahm gerade ihr Angebot in Augenschein. Er hatte die Hände tief in die Taschen seiner leichten Baumwollhose geschoben. Zuletzt hatte sie ihn vor zwölf Jahren gesehen. Im Sommer, als er ihr im Sonnenuntergang zum Abschied zuwinkte, während sie auf der heruntergekommenen Veranda ihres Elternhauses zurückgeblieben war und ihm hinterhergesehen hatte. Und jetzt stand er auf einmal wieder vor ihr und sah noch genauso gut aus wie damals. Vielleicht sogar noch besser, fatalerweise.

    Langsam hob er den Kopf. Ihr Blick fiel als Erstes auf seine tiefblauen Augen. Als er auch noch lächelte, erschauerte sie. Sie hatte es nicht für möglich gehalten, dass er ihr Herz noch immer so zum Rasen bringen würde. Sein aschbraunes Haar trug er inzwischen etwas konservativer als damals. Außerdem war er genau an den richtigen Stellen breiter geworden. Aber sein schiefes Lächeln war immer noch so gefährlich, dass er dafür eigentlich einen Waffenschein gebraucht hätte. Sie schnappte nach Luft.

    Unglaublich, sie hatten sich zwölf Jahre lang nicht mehr gesehen, und seine Wirkung auf sie war immer noch die gleiche. Verdammt!

    Sobald sich ihre Blicke trafen, erstarrte er, und das unwiderstehliche Lächeln war wie weggewischt. „Emily …", sagte er heiser.

    „Hallo, Scott. Es war ein ungewohntes Gefühl, seinen Namen laut auszusprechen. „Das ist ja eine Überraschung. Die Untertreibung des Jahrhunderts.

    „Mit dir hätte ich jetzt nicht gerechnet, erwiderte er. „Also … Lucy hat mir gar nicht erzählt, dass du hier … ich meine … schön, dich zu sehen, schloss er endlich.

    Während er mühsam durch seinen Satz gestolpert war, hatte Emily ihn gemustert und in seinem Gesichtsausdruck nach einer Erklärung für sein Verhalten von damals gesucht. Warum hatte er von heute auf morgen die Stadt verlassen, ohne ihr etwas davon zu sagen oder auch nur eine Anspielung fallen zu lassen? Damit hatte er auf einen Schlag alle Versprechen gebrochen, die er ihr je gegeben hatte. Und ihr Herz gleich mit.

    Ihr Puls beschleunigte sich, als er sie erneut mit seinem tiefblauen Blick durchbohrte. „Ich hatte nicht mehr erwartet, dass du noch mal hierher zurückkommst", sagte sie. Als er darauf nichts erwiderte, fuhr sie fort: „Heute ist übrigens der große Eröffnungstag von Sweetie Pie, aber das weißt du bestimmt schon von Lucy."

    „Ist sie auch da?" Hoffnungsvoll sah sich Scott in der leeren Bäckerei um.

    Emily schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist drüben im Diner, aber sie kommt bestimmt bald zurück. Sie hat mir gar nichts davon gesagt, dass du vorbeikommst."

    Scott grinste nervös. „Wahrscheinlich hatte sie Angst, dass ich doch nicht auftauche, wenn sie es vorher ankündigt. Bisher haben sich meine Besuche ja in Grenzen gehalten."

    Emily musterte ihn lange. Dann atmete sie tief durch, in der Hoffnung, dadurch ihren rasenden Puls zu beruhigen.

    „Wie geht es dir denn so?", erkundigte sie sich schließlich und versuchte sich dabei auf alles Mögliche gefasst zu machen. Lucy hatte nie viel von ihm erzählt, und sonst hatte niemand in Maple Woods noch Kontakt zu ihm. Als er die Stadt verlassen hatte, hatte er sämtliche Verbindungen gekappt. Nicht zuletzt die Verbindung zu ihr.

    Scott zuckte mit den Schultern. „Soweit ganz gut." Dann senkte er den Blick, als hielte er es nicht aus, ihr in die Augen zu sehen. Dieser Feigling!

    „Und wo wohnst du jetzt?", versuchte sie es noch mal. Für sie war es unendlich enttäuschend und verletzend festzustellen, dass sie sich offenbar nichts mehr zu sagen hatten, obwohl sie sich einmal sehr nah gewesen waren, sich sogar eine gemeinsame Zukunft ausgemalt hatten.

    „In Seattle", erwiderte er. Emily runzelte die Stirn. Seattle lag an der Westküste der Vereinigten Staaten, Maple Woods an der Ostküste. Sehr viel weiter hätte er nicht wegziehen können.

    Sie schluckte. „Und, bist du inzwischen verheiratet? Hast du Kinder?" Sie konnte die Fragen nicht zurückhalten.

    „Nein", gab er knapp zurück, und zu ihrem eigenen Ärger war Emily erleichtert über seine Antwort.

    „Und du? Du wohnst also noch in Maple Woods", bemerkte er.

    Unglaublich, dachte Emily. Da tauchte er urplötzlich wieder hier auf und tat so, als wäre das nichts Besonderes. Diesen Mann konnte scheinbar nichts aus dem Konzept bringen!

    „Genau, sagte sie schließlich. „Ich bin nie aus Maple Woods rausgekommen. Ganz schön armselig eigentlich, schoss es ihr durch den Kopf.

    Scott errötete und senkte den Kopf, um ausgiebig den Boden zu betrachten. Offenbar hatte sie ihn mit ihrer Bemerkung doch erwischt. Umso besser, dachte sie.

    „Das habe ich mich übrigens immer wieder gefragt, erwiderte er so leise, dass sie ihn kaum hören konnte. „Ich habe mich immer wieder gefragt, wie es dir wohl geht. Jetzt blickte er doch wieder hoch und sah ihr tief in die Augen.

    Emily zog sich der Magen zusammen. Das hatte nichts zu bedeuten, sagte sie sich. Sie durfte auf keinen Fall zu viel in das hineininterpretieren, was er gerade gesagt hatte. Als würde sie sich selbst von ihren Gedanken überzeugen müssen, hob sie trotzig das Kinn. „Du hättest ja mal anrufen können, sagte sie. „Oder schreiben. Ihrem Tonfall war deutlich anzuhören, wie verletzt sie war. Das ärgerte sie, aber es ließ sich nicht vermeiden.

    „Ich war noch nie besonders gut im Kontakthalten. Scott runzelte die Stirn. „Und das hat absolut nichts mit Desinteresse zu tun. Er schaute sie aufmerksam an. Ihr Herz überschlug sich fast. Schließlich konnte sie seinem Blick nicht mehr standhalten.

    Er ist nicht meinetwegen nach Maple Woods zurückgekommen, dachte sie. „Lucy freut sich bestimmt, dass du da bist, sagte sie. „Im Moment ist auch die halbe Stadt im Diner. Geh doch schnell rüber, die Leute würden dich bestimmt gerne mal wiedersehen.

    Damals auf der Highschool war Scott ein großer Football-Star gewesen und hatte als toller Kerl und Frauenschwarm gegolten. Er kam aus einer „guten Familie", sah umwerfend aus und hatte auch sonst einiges vorzuweisen. Die ganze Stadt war völlig vernarrt in ihn gewesen. Besonders Emily.

    „Eigentlich wollte ich das Diner erst mal ein bisschen meiden, gestand er und lächelte ihr verschämt zu. „Wenigstens so lange, bis alle wissen, dass ich wieder in der Stadt bin.

    „Tja, in so einer Kleinstadt wird ganz schön getratscht", überlegte sie laut und legte einen Stapel Servietten neben die Kasse.

    „Viel zu viel, erwiderte Scott schnell, und Emily zwang sich zu einem kurzen Lächeln. Ob er auch daran dachte, wie sich die Leute hier früher die Mäuler über ihre Familie zerrissen hatten? Am Abendbrottisch, beim Einkaufen und in der Kirche war der Name „Porter in aller Munde gewesen. Meistens war er nur geflüstert worden. Und meistens hatten die Leute dabei die Augen niedergeschlagen und die Köpfe geschüttelt: „Ach, die armen Porters!", hatten sie gesagt.

    Über diese düstere Erinnerung musste Emily selbst den Kopf schütteln. Dann wandte sie sich wieder an Scott. „Ich habe gerade frischen Kaffee aufgesetzt, außerdem haben wir jede Menge Kuchen und Torten. Wenn du magst, kannst du gern hier warten."

    Er zögerte einen Moment „Na ja, warum eigentlich nicht", sagte er schließlich. Er sah sie immer noch an, aber sein Blick hatte sich verändert. Auf einmal wirkte er wärmer, nicht mehr so durchdringend.

    Emily erschauerte. „Welchen Kuchen möchtest du denn?, erkundigte sie sich nervös und ballte ihre Hände auf der Theke zu Fäusten, damit sie nicht mehr so offensichtlich zitterten. „Wir haben Erdbeer-Sahne, Pekannuss, Apfel-Streusel … oh, und das hier ist ein ganz toller Kirschkuchen, fügte sie hinzu, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Eben erst war ihr wieder eingefallen, dass das ja seine Lieblingssorte war.

    „Du kennst mich wirklich gut", seufzte er und setzte sich an die Theke.

    Emily wandte sich ab, um ihm ein Stück von dem Kuchen abzuschneiden und es auf den Teller zu legen. Bevor ihr Vater bei einem Unfall auf der Baustelle ums Leben gekommen war, hatte es bei ihnen jeden Sonntag Kuchen gegeben. Damals war sie noch ein kleines Mädchen gewesen, aber sie konnte sich gut an dieses Familienritual erinnern. Und jedes Mal, wenn sie eines ihrer warm duftenden Kunstwerke aus dem Ofen holte, breitete sich ein Gefühl von Geborgenheit in ihr aus. Dann wurde die Küche zu einer Oase der Gemütlichkeit in einer Welt, die manchmal ganz schön grausam sein konnte.

    „So, hier bitte, sagte sie zu Scott und reichte ihm den Teller. „Er ist ganz frisch, ich hab ihn heute Morgen erst gebacken.

    „Du backst einfach die besten Kuchen, Emily Porter. Das war schon immer so." Scott grinste, und seine Augen funkelten. Dann sah er schnell wieder auf seinen Teller. Wahrscheinlich hatte er bemerkt, wie sehnsüchtig sie eben seinen Blick erwidert hatte.

    Schnell wechselte sie das Thema. „Wie kommt es eigentlich, dass du wieder hier bist?" Mit ihr selbst hatte das bestimmt nichts zu tun. Damals hatte er ihr das Blaue vom Himmel versprochen und dann alle seine Versprechen gebrochen.

    „Mein Dad hat mich gebeten, ihn bei der Sanierung der Stadtbibliothek zu unterstützen. Er kratzte sich am Kinn, auf dem sich ein leichter Bartschatten abzeichnete. „Na ja, eigentlich hat mich Lucy darum gebeten.

    „Lucy hat mir schon erzählt, dass du Bauunternehmer bist – du hast also geschafft, was du immer wolltest." Sie runzelte die Stirn. Warum war er dann eigentlich nicht in Maple Woods geblieben und in den Familienbetrieb Collins Construction eingestiegen? Immerhin war das ein renommiertes Unternehmen. Ihr eigener Vater hatte früher auch dort gearbeitet, fünfzehn Jahre lang. Dann war er bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen. Damals war Emily acht Jahre alt gewesen.

    „Mein Vater kann sich im Moment nicht um den Auftrag kümmern", fügte Scott jetzt hinzu.

    Emily nickte. Dass Scotts und Lucys Vater schwer krank war, hatte Lucy ihr erzählt. Scotts Eltern hatten sich Emily gegenüber immer sehr unterkühlt gegeben, aber sie hatte längst beschlossen, das nicht persönlich zu nehmen.

    Den Arbeitsunfall ihres Vaters hatte die Polizei damals auf menschliches Fehlverhalten zurückgeführt. Offenbar hatte Emilys Vater vergessen, die Handbremse des Baggers anzuziehen, der ihn überrollt hatte. Mr. Collins war an diesem Tag auch auf der Baustelle gewesen und hatte mit der Polizei gesprochen. Er hatte die Kosten für die Beerdigung übernommen, aber in Gegenwart von Emilys Familie seitdem immer sehr angespannt gewirkt.

    „Bleibst du lange hier?", erkundigte sich Emily jetzt bei Scott. Ihr wurde bewusst, dass sie die Luft anhielt, während sie auf seine Antwort wartete – obwohl sie im Grunde wusste, dass das auf sie und ihr Leben keine Auswirkungen haben würde.

    „Nicht länger, als ich muss."

    Emily erwiderte seinen festen Blick so lange sie konnte, dann senkte sie doch den Kopf. Scott war immer noch ganz der Alte. Ein unheimlich charmanter Mensch, dem Maple Woods viel zu klein war für seine Träume und Visionen. Und sie selbst? Auch sie war immer noch die alte Emily, die nach wie vor in dieser Kleinstadt feststeckte und darauf wartete, dass ihr Leben endlich Fahrt aufnahm.

    Höchste Zeit, dass sie etwas unternahm.

    Es gab einige Leute in Maple Woods, denen Scott auf gar keinen Fall hatte begegnen wollen. Emily Porter stand ganz oben auf der Liste. Da passte es wie die Faust aufs Auge, dass er gleich als Erstes mit ihr zusammengestoßen war. Sie war die einzige Frau, die ihm jemals wirklich nah gekommen war. Und sie berührte ihn immer noch tief.

    Er stützte einen Ellbogen auf den Tresen, der zum Glück eine Barriere zwischen ihnen bildete. Sonst hätte er sich womöglich nicht zurückhalten können und hätte Emily zur Begrüßung umarmt … um ihren warmen Körper zu spüren und sicher sein zu können, dass sie wirklich da war und er sie sich nicht nur einbildete. Und dass es ihr gut ging. Trotz allem, was passiert war.

    Eigentlich hätte es ganz anders kommen sollen. Eigentlich hatten sie eine gemeinsame Zukunft geplant. Und er hatte diese Pläne sehr ernst genommen – bis man ihm an einem Sommerabend vor zwölf Jahren einen hässlichen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Es war sein letzter Abend in dieser Stadt gewesen.

    Er schluckte und sah verstohlen zu Emily hinüber. Sie stellte gerade die Platte mit dem gedeckten Kirschkuchen zurück an seinen Platz, dann wischte sie ein paar Krümel von der Theke. Dabei fiel ihr das glänzende kastanienbraune Haar über die Schulter. Er konnte den Blick nicht von ihr lösen. Da stand sie, seine Jugendliebe. Das Mädchen, von dem er nachts immer wieder geträumt hatte und das ihm auch tagsüber nicht aus dem Kopf gegangen war. Heute war sie sogar noch schöner als damals.

    Trotzdem – es hatte sich nichts daran geändert, dass Emily für ihn tabu war.

    „Was hast du denn die ganze Zeit so getrieben?", erkundigte er sich. Er erinnerte sich gut an Emilys Träume und Pläne für die Zukunft. Träume, die Welt zu entdecken, die jenseits dieser Kleinstadt lag. Diese Träume waren offenbar zerplatzt.

    „Ach, nicht viel, erwiderte sie. „Bis jetzt habe ich gegenüber im Diner gearbeitet, aber das weißt du bestimmt schon von Lucy.

    Bei ihren Worten zog sich ihm der Magen zusammen. Damals auf der Highschool war Emily eine der besten Schülerinnen gewesen. Eigentlich hätte sie ein eigenes Restaurant verdient, statt bei seiner Schwester zu kellnern. Sie hätte es verdient, aufs College zu gehen und ihrer Leidenschaft nachzugehen. Wenn ihr Vater nicht tödlich verunglückt wäre, hätte sie diese Möglichkeiten gehabt. Wenn sein Vater Emilys Familie nicht um die Versicherungssumme gebracht hätte, die ihr aufgrund des tragischen Unfalls zustand. Vor allem aber hätte Scott selbst an dem schicksalhaften Tag nicht auf der Baustelle sein dürfen …

    „Nein, sagte er schließlich. „Nein, Lucy hat mir nichts davon erzählt, dass du bei ihr im Diner arbeitest.

    Sie ging ein paar Schritte zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Na ja, ihr zwei habt wahrscheinlich interessantere Themen zu besprechen als über irgendein Mädchen, mit dem du mal zu tun hattest."

    Sie klang so verletzt, dass es ihm selbst körperlich wehtat. Aber noch viel schlimmer war für ihn der schmerzerfüllte Blick, den sie ihm dabei zuwarf. „Du warst für mich viel mehr als irgendein Mädchen, Emily."

    Sie sah kurz zu ihm hoch, dann zuckte sie mit den Schultern.

    Er seufzte. „Ich bin jetzt mal ganz tapfer und gehe ins Diner, um den Klatsch und Tratsch in Maple Woods anzukurbeln. Er zwang sich zu einem Lächeln und legte die Gabel auf seinen leergegessenen Teller. „Lucy wird stinksauer, wenn sie erfährt, dass ich nicht gleich als Erstes zu ihr rübergekommen bin.

    „Ja, geh mal lieber rüber, entgegnete Emily leise. „Ich glaube, heute ist besonders viel los, sonst wäre sie schon wieder zurückgekommen.

    Scott stand auf und zog seine Brieftasche aus der Hosentasche.

    Emily schüttelte den Kopf. „Kommt nicht infrage, sagte sie. „Das geht aufs Haus.

    „Ach, komm schon, gab er zurück. Er wusste, dass er ihr in Wahrheit viel mehr schuldete als die paar Dollar für das Stück Kuchen. „Heute ist doch der große Eröffnungstag. Und ich will dazu beitragen, dass er ein Erfolg wird.

    Aber Emily ließ sich nicht umstimmen. „Auf gar keinen Fall. Sonst wird Lucy nämlich stinksauer auf mich." Jetzt hatte sie ihn mit seinen eigenen Worten geschlagen.

    „Okay, dann gehe ich mal rüber", sagte er, wich aber keinen Schritt von der Stelle.

    „Tschüs, Scott." Ihre Stimme klang kühl.

    Er lächelte schmallippig. „Tschüs, Emily." Dann ging er durch die Ladentür in die warme Mittagssonne und überquerte die Straße. Sein Herz hämmerte wie wild, als er auf das Diner zuging. So ähnlich hatte er sich gefühlt, als er vor zwölf Jahren an einem Spätsommerabend seine Sachen zusammengepackt hatte. Kurz nachdem er mitbekommen hatte, wie sich seine Eltern über Richard Porters tödlichen Arbeitsunfall unterhalten hatten. Erst auf diese Weise hatte er erfahren, welche Rolle er selbst dabei gespielt hatte und was seine Eltern neun Jahre lang vertuscht und vor ihm verheimlicht hatten. Als er es endlich erfuhr, war es schon zu spät gewesen. Er hatte sich längst in Emily verliebt. Damals war er gerade achtzehn Jahre alt gewesen, und er hatte nur einen einzigen Ausweg gesehen. Er hatte die Stadt so schnell wie möglich verlassen, um für immer aus Emilys Leben zu verschwinden. Nach allem, was er über sich und seine Schuld erfahren hatte, konnte er unmöglich mit ihr zusammen sein.

    Also war er abgereist, bevor ihm allzu schmerzlich bewusst werden konnte, was er damit aufgab. Der Verlust hatte ihm das Herz gebrochen. Und er hatte sich geschworen, sich in seinem ganzen Leben nie wieder zu verlieben.

    Jemand wie er hatte keine Liebe verdient … schon gar nicht Emilys Liebe.

    Wohin er auch ging – sein düsteres Geheimnis reiste immer mit ihm. Er war schuld daran, dass Emily ohne ihren Vater aufgewachsen war. Und ihm war es zuzuschreiben, dass sie in dieser Kleinstadt feststeckte. Und obwohl er das nie wiedergutmachen konnte, wollte er trotzdem für Gerechtigkeit sorgen.

    2. KAPITEL

    Der Wecker klingelte durchdringend und riss Emily aus einem tiefen Schlaf. Die Eröffnung von Sweetie Pie hatte sie gestern noch viel länger auf den Beinen gehalten, als sie gedacht hätte. Und die arme Lucy war ständig hektisch zwischen ihrem Diner und der Bäckerei hin- und hergerannt, sodass die zwei Freundinnen kaum Zeit gehabt hatten, über Scotts Besuch zu sprechen.

    Scott. Bei der Erinnerung daran, wie er völlig überraschend in die Bäckerei gekommen war, war sie sofort hellwach. Sie sprang aus dem Bett, duschte und zog sich an. Dabei verhielt sie sich so leise wie möglich, um ihre zwei Jahre jüngere Schwester Julia nicht zu wecken, die normalerweise nicht vor acht Uhr aufstand. Auf Zehenspitzen schlich Emily durchs Wohnzimmer. Vor dem kleinen Beistelltischchen neben der Wohnungstür blieb sie stehen. Julia hatte am Tag zuvor die Post dort abgelegt.

    Emilys Herzschlag beschleunigte sich, als sie den Briefstapel durchsah. Schließlich seufzte sie – wieder nichts. Ob sie erleichtert war, oder enttäuscht? Sie konnte es selbst nicht sagen. Vor drei Monaten hatte sie ihre Bewerbung an ein renommiertes Ausbildungsinstitut für Köche in Boston geschickt. Und je länger sie

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