Verpasste Gelegenheiten und andere Missverständnisse
Von Günter Tiede
()
Über dieses E-Book
Es ist ein leises, sehr persönliches Buch. Mit viel Poesie und Einfühlungsvermögen skizziert er Menschen, Orte und Landschaften die ihn auf seinen Weg berührt, begleitet, verletzt und belebt haben. Mit feinen Gespür beschreibt er vor allem Versäumnisse und Missverständnisse im Umgang miteinander und deren Absurdität im Zeichen der Vergänglichkeit. Auch die zunehmende Verrohung der Menschen treibt ihn um.
Nicht zuletzt ist das Buch eine Liebeserklärung an seine neue Heimat Graal Müritz mit seiner einmaligen Landschaft und den dort lebenden Menschen.
Günter Tiede
Günter Tiede ist eigentlich Unternehmer, beschäftigt sich aber schon von Kind an mit dem Schreiben und Malen. Bisher sind von ihm vier Kinderbücher erschienen.
Ähnlich wie Verpasste Gelegenheiten und andere Missverständnisse
Ähnliche E-Books
Wichtel vom Steilküstenwald: Kleine Naturbuchreihe, Buch 1 Herbst & Pilze Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerzgeplauder: Moderne Märchen und Seelengeschichten über die Liebe und die Magie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Geschichte von Jano dem Marienkäfer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBegegnungen Querbergein: Gedichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVon sinkenden Schiffen: Eine Retrospektive Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungentjanuk: Ein Fantasyroman über Wirksamkeit und Resilienz Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTulprellas Traum von einer hellen Waldlichtung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Geschenk der zwölf Monde: Im Königreich der Seele... Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWas ist hinter dem Gartenzaun? Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Sprache der Blumen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchuschi, die kleine Kirmeslokomotive, findet ihr Glück: Märchenhafte Geschichte mit Bildern Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFragwürdig Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Riss: von einem, wie er der Welt entrinnt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAndalie und die Elfenblume Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSonnen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie vergessene Insel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLou, der kleine Löwenzahn Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSonnenwarm und Regensanft - Band 4: Elfenlicht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWahrnehmungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTigerangst und Schmetterlingsmut: Eine Parabel über Weisheit, Liebe und den großen Plan Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSeufzer des Bedauerns Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHimmelsvolk: Ein Märchen von Blumen, Tieren und Gott Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchlaf-David entdeckt hellwach die Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGute Nacht Geschichten: Geschichten zum Vorlesen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchreiben ist wie leben - nur schöner Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNatur findet Garten: Blühende Juwelen vor der Haustür Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIns Weite: Gedanken zur Corona-Pandemie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMärchen, Parabeln, Geschichten und Gedichte: Geschichten und Gedichten zum Schmunzeln, Nachdenken und Mitfühlen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLaut und Leise: oder Die Zärtlichkeit des Hammers Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLebendige Vielfalt des Lebens: Sprüche und Gedichte zu vielen Gelegenheiten von Traudl Heuer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Biografien / Autofiktion für Sie
Hinter Frack und Fliege: Intime Geschichten um die Wiener Symphoniker 1977 bis 1988 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Mann ohne Eigenschaften Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Idiot: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStolz und Vorurteil: Vollständige deutsche Ausgabe mit neuer Rechtschreibung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Neurochirurg, der sein Herz vergessen hatte: Eine wahre Geschichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Stimmung der Welt: Der Bach-Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLandser an der Ostfront - Zwischen Tod und Stacheldraht: Nach den Erinnerungen des Soldaten Hans Gruber Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Große Gopnik: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOHNE SCHULD - DIE GANZE GESCHICHTE [von der SPIEGEL-Bestseller-Autorin] Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenÜber die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat (Civil Disobedience): Vollständige deutsche Ausgabe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tod des Vergil Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBahnwärter Thiel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchatten über Salzburg: Roman nach einer wahren Begebenheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch schwimme nicht mehr da, wo die Krokodile sind Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Abenteuer des braven Soldaten Schwejk: Vollständige deutsche Ausgabe mit vielen Illustrationen Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Der geheime Garten Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Montaigne Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGraubart Boulevard Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Bei den Herrenmenschen: Die Geschichte eines Zwangsarbeiters Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBlond Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnzensiert: Im Dschungel von Sex, Drogen und Prostitution Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLimonow Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Alzheimer, Burnout, Couchsurfing, Gurus, heiliges Lachen und mehr: Wie ich vom Singen zum Malen kam. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Vulkan Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie sieben Säulen der Weisheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErinnerung: an eine Jugend in außergewöhnlicher Zeit. 1930-1955 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNeun Lichter: Die Spitze des Himmels Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKäthe Kollwitz: Ein Leben gegen jede Konvention. Romanbiografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeilung beginnt bei mir: Leben lernen mit Multipler Sklerose und Loslassen von der Magersucht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Verpasste Gelegenheiten und andere Missverständnisse
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Verpasste Gelegenheiten und andere Missverständnisse - Günter Tiede
Inhalt
Vorwort
Der verliebte Schmetterling
Die Frau am Strand
Der Mann im Rollstuhl
Der Fischer und das Meer
Bruno und Mischka
Der Tag, der langsam vergeht
Der Mann, der das Leben bremste
Der neue Nachbar
Menschenkenntnis
Ein Tag wie kein anderer
Der Strand fremdelt
Das Paar im Wald
Abschied von der Mutter
Das leere Haus
Den Augenblick genießen
Unzulänglichkeit
Mein Schulkamerad Uwe Wegener
Der Vater
Vierzig Jahre danach
Der kleine Bernstein
Djamila die Schöne
Günter, mein sonderbarer Nachbar
Was bleibt
Die stille Eiche
Kurt und Elisabeth
Unsere Liebe
Verschwundene Gesichter
Der alte Mann im Wald
Ein Tag in unserem Viertel
Horst, Toralf und Svetlana
Das Haus am Meer
Mein Freund Peter Schlee
Von allen geliebt zu werden
Leben im Paradies
Der Auswanderer
Der Mann, der einst Schriftsteller werden wollte
Meine Mutter lebt doch
Mein Vater lebt wirklich noch
Der Wald trägt Gelb
Liebe zum Meer
Freunde
Die hundertjährigen Eichen
Der Graureiher
Die Schlange
Schönes Wetter
Der Weg
Die Gräber der Bäume
Der verliebte Hund
Der Traum vom Sommer
Termine
Totenstille
Glück muss man haben
Der Mann und der Cockerspaniel
Allein
Kein Traum vom Fliegen
Die Möwe
Die Pechsträhne
Das Haus der Großeltern
Angst, reich zu werden
Gustav aus Bösdorf
Ich wollte noch so viel fragen
Der Sohn meiner Nachbarin
Strand für mich allein
Der Blick meiner Mutter
Die Wunder der Natur
Schweigen im Wald
Chaos am Teich
Urteil des Vaters
Boris ist weg und keinen stört das
Alle Vögel sind schon weg
Schreiende Rinder
Wenn ich nicht
Dazugehören
Wiederholung federleicht
Das Lächeln von Hermann Hesse
Geöffnet
Glaube an Zeichen
Stille
Kinder glücklich machen
Traum vom Stiefvater
Lächelnde Menschen
Grüßen
Von Freunden verlassen
Das sterbende Haus
Seelenverwandtschaft?
Kein erotischer Traum
Ankunft auf der Insel Teneriffa
Wahre Hundefreunde
Übernachtwunder
Spröde als Lebenselixier?
Meine Nachbarin
Der klagende Kirschbaum
Ein letzter Wintertag
Traum von Paula
Ironie des Schicksals
Vorwort
Wenn du diese Zeilen liest, bin ich vielleicht längst Geschichte. Nein, nicht einmal Geschichte. Mein Leben ist vergangen und es blieb am Ende nichts als Erde zurück. Sicher gibt es oder gab es noch die eine oder andere Erinnerung in einem mir bekannten oder mir nahestehenden Menschen. Aber auch das ist vorbei bzw. geht vorbei. Die Zeit frisst auch diese letzten Zeugnisse. Ich bin vergessen und für immer und in alle Ewigkeit ausgelöscht. So als ob es mich nie gegeben hätte. Mein Leben war nur ein Augenblick im großen Universum. Ein Hauch, ein Windzug. War da was? Und doch wünsche ich mir, wie vielleicht viele Menschen, etwas Bleibendes zu schaffen, nicht ganz vergessen zu werden. Ich möchte den Generationen nach mir etwas mitgeben, das ihr Leben vielleicht leichter und sinnvoller macht. Dass sie bestimmte Fehler gar nicht begehen und die Konsequenzen voraussehen können.
Ich will damit nicht sagen, dass man sich nicht ausprobieren sollte. Man muss auch Wege gehen, die noch nicht gegangen wurden und die vielleicht in eine Sackgasse führen. Das kann man korrigieren, indem man umkehrt bzw. einen anderen Weg geht. Ich meine insbesondere die Fehler und Versäumnisse im zwischenmenschlichen Bereich und in der Natur. Wie gehen wir miteinander um? Genießen wir den Augenblick? Achten wir den anderen und unsere Umgebung? Nutzen wir unsere Zeit sinnvoll? Haben wir den Blick für die kleinen, aber schönen Dinge des Lebens? Tun wir alles, um zufrieden und glücklich zu sein? Freuen wir uns über das Glück der anderen? Lassen wir die Natur, die uns nicht braucht, die aber wir brauchen, in Ruhe? Oder zerstören wir sie weiter und damit uns, die Menschheit?
Es ist die Summe der kleine Dinge, Empfindungen und Gefühle, die das Leben ausmachen. Sie zu sehen und zu fühlen, halte ich für wichtiger als vergänglichen Ruhm.
Ich habe meine unspektakulären, aber authentischen Erlebnisse, Erkenntnisse und Lebenserfahrungen in einem kleinen Büchlein aufgeschrieben. Ich hoffe, dass sie euch nachdenklich machen und eure Sinne schärfen. Mehr wünsche ich mir eigentlich nicht.
Nicht zuletzt ist dieses Buch eine Liebeserklärung an meine Heimat Graal-Müritz mit seiner einmaligen Landschaft und den hier lebenden tollen Menschen.
Der verliebte Schmetterling
In einem urwüchsigen Kräutergarten lebte vor nicht allzu langer Zeit ein Schmetterling aus der Gattung »Kleiner Fuchs«. Er hatte erst vor zwei Tagen das Licht der Welt erblickt. Neben dem Wein an der Hauswand lag noch ein von Spinnweben umhülltes Häufchen Staub. Das war sein bisheriges Zuhause – seine Puppe, die in der Sonne vor sich hin trocknete und vom Wind langsam zerzaust wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Schmetterling noch nicht allzu weit vorgewagt. Er hielt sich nur im Umkreis seiner Puppe auf, so als ob er die Sicherheit seines Nestes brauchte. Noch ängstlich, roch er aber schon die verführerisch duftenden Kräuter und Gewürze. In ihm keimten Abenteuerlust und der Drang nach Nahrung.
Seine in den nächsten Tagen folgenden Erkundungsflüge beschränkten sich zunächst auf die Nähe seiner langsam verfallenen Puppe. Für weitere Flüge fehlte ihm der Mut. Der Kräutergarten war ein Sammelsurium von Kräutern, Gemüsepflanzen und kleinen Obstbüschen. Ganz am Ende des Gartens befand sich, direkt an einem Jägerzaun, ein üppig blühender Stachelbeerstrauch. Die Blüten versprachen eine reiche Ernte. Auch an den kleinen angrenzenden Johannisbeerenbäumchen schienen viele Früchte heranzuwachsen. Der rechteckige Kräutergarten beherbergte auf seiner Längsseite auch malerische Stockrosen in unterschiedlichen Farben. Der Kleine Fuchs konnte sich gar nicht sattsehen. Immer wieder startete er in die Richtung der rotvioletten, rosa und auch weißen Blüten. Es reizte ihn sofort loszufliegen. Doch immer wieder brach er den Flug dahin ab.
An den folgenden Tagen wurden der Duft der Kräuter und auch der Anblick der Blüten immer verführerischer. Eines Tages, es war ein sonniger warmer Tag, hielt es der ängstliche Schmetterling nicht mehr aus, er spreizte die Flügel und segelte vorsichtig in Richtung eines Lavendelbusches, dessen blaue Blüten mit ihrem betörenden Duft ihn dermaßen lockten, so dass er nicht widerstehen konnte. Er umrundete vorsichtig das Objekt der Begierde und ließ sich erst nach etlichen Runden erschöpft auf der erstbesten Lavendelblüte nieder. Als er gierig den süßen Nektar aufnahm, hörte er plötzlich ein leichtes Flattern über sich. Ängstlich schaute er nach oben. Was er da erblickte, ließ ihn das Herz in die Flügel rutschen. Eine für ihn wunderschöne Schmetterlingsdame wurde ebenfalls vom Lavendelduft angelockt, traute sich aber auf Grund der Anwesenheit des Schmetterlingsmännchens nicht zu landen. Verschämt wendete sich der Kleine Fuchs ab und tat, als interessierte ihn der Falter nicht. Die Schmetterlingsdame landete daraufhin in angemessenen Abstand ebenfalls auf einer Lavendelblüte und begann gierig zu trinken.
Dieser Vorgang wiederholte sich in den nächsten Tagen. Sobald die Sonne ihr gelblich weißes Licht auf den Kräutergarten richtete, flatterten beide im gewohnten Abstand auf die Blüten und saugten genüsslich den süßen und aromatischen Nektar auf. Sie würdigten sich dabei aber keines Blickes. Wobei der Kleine Fuchs aus dem Augenwinkel jede Bewegung der Schmetterlingsdame mit klopfendem Herzen beobachtete.
In den darauffolgenden Tagen, als auch Kräuter wie Rosmarin, Thymian und Oregano zu blühen begannen, fielen ganze Schmetterlingsgruppen, darunter hauptsächlich die gelblich weißen Zitronenfalter, über die duftenden Kräuter her. Sicher hatten auch sie erst vor einigen Tagen ihre Puppe verlassen und stillten ihren Hunger in dem üppigen Garten. Da die meisten Schmetterlinge nur einen Sommer lang lebten, verloren die Falter keine Zeit und suchten den Kontakt zu ihren Geschlechtspartnern. Das Balzen beginnt mit einem besonderen Flug. Während dieses Fluges berühren sich oft die Flügel des Pärchens. Immer mehr Schmetterlinge besiegelten mit diesem Hochzeitstanz den Bund für ein kurzes, aber intensives Leben. Es dauerte nicht lange, da feierten die Ersten Hochzeit.
Wochen später waren alle Schmetterlinge im Umkreis des Kräutergartens verheiratet und bald darauf legten die ersten Schmetterlingsweibchen ihre Eier unter die Blätter der Kräuter. Nur der Kleine Fuchs und die Schmetterlingsdame hatten noch keinen Partner. Immer wieder beäugte der Schmetterlingsjüngling den Falter, traute sich jedoch nicht Kontakt aufzunehmen. Scheinbar interessenlos saugte er eine Blüte nach der anderen aus und vermied es, sich dem Schmetterlingsweibchen zu nähern.
Mittlerweile waren über zwei Monate vergangen. Der Sommer neigte sich dem Ende. Die Sonne stand schon tiefer, so dass sie immer weniger wärmte. Ihre Kraft ließ von Tag zu Tag nach. Die ersten Herbststürme zogen auf. Graue Wolken schoben sich immer öfter vor die schon schwächelnde Sonne. Viele Kräuter waren verblüht, so dass die Nahrung immer spärlicher wurde. Das Leben der ersten Schmetterlinge ging zu Ende und auch der Kleine Fuchs begann langsam schwach zu werden. Von Tag zu Tag fiel ihm das Fliegen immer schwerer. Als er, wie jeden Tag, auf den restlichen Blüten sein Mahl einnahm und voller Erwartung nach der Schmetterlingsdame Ausschau hielt, setzte sich ein Artgenosse zu ihm auf eine Pflanze. Er schaute ihn besorgt an und berichtete, dass sich die schöne Schmetterlingsdame am Morgen besonders hübsch gemacht hatte. Lange schaute sie in einen Wassertropfen, der ihr als Spiegel diente. Es sah so aus, als ob sie zu einer Hochzeit wollte. Als sie dann ihr Nachtquartier entschlossen flatternd verließ, ergriff sie plötzlich eine Windböe und der damit einsetzende Regen schleuderte sie mit solcher Kraft zu Boden, dass sie regungslos liegen blieb.
Sommerduft
Gerüche, vielfältig wie lange nicht mehr.
Lavendel, ein Hauch von Provence.
Pfefferminze, so frisch und rein.
Thymian und Oregano, würzig und belebend.
Frisch getrocknetes Heu.
Liebliche Erinnerung an Kindheit und Spiel auf der Wiese.
Die Frau am Strand
Als ich sie das erste Mal sah, dachte ich, die ist aber ausdauernd. Noch in den späten Abendstunden saß sie am Strand und schaute versonnen aufs Meer. Die Sonne war längst untergegangen. Touristen, die das Sonnenschauspiel mit einer Flasche Wein beobachteten, hatten den Strand schon seit Stunden verlassen. Es begann bereits dunkel zu werden. Der Horizont wurde langsam, aber bestimmt schwarzgrau übertüncht. Bald sah man nur noch eine schwarze Wand. Kein schöner Anblick mehr. Einzig das Rauschen und Plätschern der Wellen durchbrachen die Stille. Ein ungastlicher Wind zerstörte jegliche Behaglichkeit. Eine Art Todesstimmung macht sich breit. Ein Tag stirbt und das stimmt mich immer aufs Neue traurig. Das Gute daran ist, dass alles vergeht, auch die Nacht.
Am nächsten Morgen, noch vor dem Sonnenaufgang, war ich wieder am Strand. Das Meer lag unter einer Dunstglocke und schien seine Weite eingebüßt zu haben. Keine Welle suchte den Weg an den Strand. Ruhig und spiegelglatt lag die See vor mir. Der Platz, an dem die Frau am späten Abend gebannt aufs Meer schaute, war leer. Mein Hund, der freudig am Strand rumtollte, spitzte plötzlich die Ohren und lief schnurstracks auf ein Bündel im Sand liegender Kleidung zu. Als ich so schnell wie möglich, innerlich etwas aufgewühlt, sein Schnüffeln unterbrach, sah ich, dass dort ein Mensch zusammengerollt in einem Schlafsack schlief. Da das gerade in den Sommermonaten öfter vorkam, schenkte ich der Tatsache wenig Beachtung und setzte erleichtert den Spaziergang mit meinem braunen Neufundländer Bruno fort.
Beim Abendspaziergang sah ich die Frau schon von den Dünen aus erneut am Strand sitzen und aufs Meer schauen. Sie schien völlig abwesend und in sich versunken. Um sie nicht zu stören, leinte ich den Hund an und machte, sie nicht aus dem Auge lassend, einen großen Bogen um die Meditierende. Auch als ich Bruno in einiger Entfernung von der Leine nahm und der bellend die kreischenden Möwen aufscheuchte, ließ sie sich nicht stören.
An dem darauffolgenden Wochenende kamen Bruno und ich erst sehr spät an den Strand. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und schickte ihre wärmenden Strahlen auf die Erde. Der sonst ruhige und menschenleere Strand von Graal-Müritz hatte sich mit Touristen und Einheimischen gefüllt. Einige Kinder bauten mit ihren Vätern Sandburgen, andere wieder kreischten beim Durchwaten der noch kühlen Ostsee vor Schmerz und Vergnügen. Auch die Möwen stimmten in diesen Chor ein. Von weitem hörte man eine Säge kreischen. Irgendwo hupte ein Auto. Viele Strandbesucher lagen faul in der Sonne und genossen die warmen Sonnenstrahlen. Immer wieder wanderten neue Strandgäste durch den Sand und hielten Ausschau nach einem sonnigen Plätzchen.
Auch mein Neufundländer und ich suchten uns einen ruhigen Platz am Ende des Hundestrandes, direkt am Anfang des FKK-Bereiches. Hier hielten sich nur wenige Leute auf. Sicher befürchteten sie von herumtobenden Hunden belästigt zu werden oder hatten Angst um ihre Kinder. Wir ließen uns gerade gemütlich nieder, da sah ich sie. Die Strandfrau lag ca. zwanzig Meter entfernt nackt in der Sonne und genoss wie alle anderen den schönen Sommervormittag. Wie sie so dalag, konnte man sie von den Touristen nicht unterscheiden. Wohlig streckte sie ihr Gesicht der Sonne entgegen und räkelte sich entspannt auf einer Stranddecke. Ihr Körper war fast makellos. Gleichmäßig braungebrannt verunzierte keine Speckfalte ihre Figur. Sie war keine mehr ganz junge Frau, im ersten Moment schätzte ich sie auf Anfang fünfzig. Später, als ich ihr Gesicht aus der Nähe sah, ahnte ich, dass sie doch schon sehr viel älter sein musste. So ging es den ganzen Sommer weiter. Morgens sah ich sie ruhig und unbeweglich in ihrem Schlafsack liegen. Am Abend konnte ich mich darauf verlassen, dass sie am Strand saß und auf das Meer schaute. Im Ort erzählte man sich, dass die Frau eine Aussteigerin sei. Was hatte sie dazu bewogen, dem gesellschaftlichen Leben den Rücken zu kehren? Hatte sie ihr gutbürgerliches Leben mit oft einhergehendem Stress und kaum zu vermeidender Hektik satt? Hat ihr das Schicksal arg mitgespielt und sie Liebgewordenes verloren? Besann sie sich auf die wirklich wichtigen Dinge, wie die Natur und deren nicht durch Menschen beeinflussbare Gesetzmäßigkeiten? Oder wollte sie einfach mit sich allein im Einklang sein.
Hilfsangebote von sich sorgenden Menschen, vor allem an kalten und regnerischen Tagen, nahm sie nicht an. Offensichtlich war sie in der Lage für sich selbst zu sorgen. Jeden Tag suchte sie das in der Nähe befindliche Fischrestaurant »Zur Boje« auf und kaufte sich zwei Zitronen. Wiederholt sah man sie beim Durchsuchen von Abfalltonnen. Als ihr eine hilfsbereite Bewohnerin in meiner Nachbarschaft ein frisches Brot anbot, lehnte sie das mürrisch, ja schimpfend ab.
Mittlerweile war es Hochsommer. Der Ort platzte aus allen Nähten. Menschenmassen bevölkerten den Strand und lagen mehr oder weniger entspannt in der Sonne. Der sonst dominierende Geruch von Tang und Fisch wurde von Sonnencremewolken übertüncht. Auch die Frau am Strand nutzte die Tage zum Sonnenbaden. Mittlerweile war sie am ganzen Körper dunkelbraun und unterschied sich nicht mehr von Langzeiturlaubern, die jedes Jahr an der Küste den Sommer verbrachten. Es war erstaunlich, dass sie es trotz des Andrangs schaffte, immer etwas abseits von den Menschenmassen zu liegen. War da eine Hemmschwelle, die Strandbesucher davon abhielt, ihr zu nahe zu kommen? Ihr entspannter Gesichtsausdruck, ihre schönen braunen Augen waren nicht gerade abweisend. Trotzdem sah sie aus wie jemand, der in Ruhe gelassen werden wollte. In Gedanken war sie weit weg. Man sah ihren Körper, doch geistig schien sie ganz woanders zu sein. In einer Welt fernab vom Trubel dieses Strandes. Nur ihr Gesichtsausdruck und das Leuchten ihrer Augen verrieten, dass diese Welt sehr schön sein musste. Ein immer wieder aufflackerndes Lächeln erahnte glückliche Momente. Im Spätsommer wurde dann der Strand von Tag zu Tag leerer. Jetzt konnte man wieder fast ungestört den Möwen und Wellen lauschen. Die Luft war klar und sauber. Selbst der Gesang des Windes war wieder zu hören. Mein Neufundländer Bruno konnte wieder an einigen Strandabschnitten ohne Leine herumtollen und glücklich ein Bad in den Fluten genießen. Auch die Tagesabläufe wiederholten sich jetzt fast wieder im gleichen Rhythmus. Wenn wir morgens vor Sonnenaufgang an den Strand kamen, lag die Frau in ihrem Schlafsack und ließ sich durch uns nicht stören. Beim Abendspaziergang schaute sie an gleicher Stelle versunken aufs Meer und schien weit weg zu sein.
Auch als die Herbststürme begannen, änderte sie nichts an ihrem Tagesablauf.
Die Nächte wurden kälter und immer noch schlief sie in ihrem Schlafsack. Auch das abendliche Bild war für mich ein Déjà-vu. Der einzige Unterschied war, dass sie jetzt eine bunte Pudelmütze trug. Mittlerweile war sie auch aus meinem Tagesablauf nicht mehr wegzudenken. Es wurde selbstverständlich, dass ich sie am Strand erwartete, so wie ich die Möwen, den Sand, die Buhnen und das Meer erwartete. Sie wurde zu einem festen Bestandteil meiner visuellen Erlebnisse und Gedankenwelt.
Eines Tages, die Ostsee begann schon leicht zu überfrieren, sah ich am Morgen nur das Bündel Kleider und den verlassenen Schlafsack am Strand liegen. Auch am darauffolgenden Abend sah ich nur den Haufen Stoff, schon vom Wind zerzaust. Ich machte mir Sorgen, wusste aber nicht, was ich tun sollte. Auch an den nächsten Tagen blieb sie verschwunden. Ein seit Tagen wütender Sturm begann die Habseligkeiten der Frau mit Sand zu überdecken. Lediglich ein Zipfel des Schlafsacks wedelte noch ein paar Tage im Wind und wehrte sich hartnäckig, nicht auch unter dem Sand begraben zu werden.
Eines Tages, ich dachte schon kaum noch an die Frau am Strand, sah ich in den Wellen die Mütze der Frau. Ich machte mir Vorwürfe und fühlte mich irgendwie schuldig. Nun bereute ich sie nicht doch angesprochen zu haben. Vielleicht hätte ich ihr doch helfen können? Diese Gedanken geisterten noch einige Zeit in meinem Kopf. Aber irgendwann waren auch die verschwunden. Bis ich sie eines Tages in Rostock in der Fußgängerzone Kröpeliner Straße wiedersah. Ihre Bräune war verschwunden. Dafür war sie im Gegensatz zum Strand elegant gekleidet. Sie trug etliche Einkaufstüten, machte einen gehetzten Eindruck und ihr einst in sich gekehrtes Lächeln war einem traurigen Blick gewichen. Ihr ziemlich schneller Gang erinnerte mich an Frauen, die nach der Arbeit schnell nach Hause mussten. Mit zerstreutem Blick und gerunzelter Stirn schien sie noch von Problemen des Tages in Anspruch genommen. Dabei schaute sie verloren ins Leere.
Wellenrauschen
Wellen rauschen endlos;
Wann kommen sie zur Ruh,
Eigentlich nie,
Nur wenn der Wind schläft,
Schlafen auch sie.
Der Mann im Rollstuhl
Endlich war ich meinem Traum ein Stück näher gekommen. Ich wollte schon immer am Meer leben. Und jetzt hatte ich ein Vorstellungsgespräch in einem ehemaligen Fischerdorf an der Ostseeküste in Graal-Müritz. Dort sollte ein neues Freizeitbad gebaut werden und dafür suchte man einen Geschäftsführer. Das Leben in der Stadt Magdeburg in Sachsen-Anhalt hatte zwar seine Reize, aber mit den Jahren sehnte ich mich nach Beschaulichkeit, Ruhe und Frieden. Mein Managerjob in einem großen Freizeitzentrum forderte mich rund um die Uhr, fraß an meiner Seele und ließ ein Leben außerhalb des Berufs kaum noch zu. Man war immer aufgewühlt und unter Spannung. Ruhe und Entspannung kannte ich nur aus Urlaubsaufenthalten an der Ostsee. Nur das Rauschen des Meeres, das Kreischen der Möwen, der Geruch des Seetangs und ein ständiger Wind ließen meine Seele zur Ruhe kommen. Diese Gleichförmigkeit, die Berechenbarkeit eines jeden Tages gaben mir Halt und Sicherheit und