Herr Nußbaum-Leclercq, Sie gelten als einer der gefragtesten Sensitivity Reader im Großraum Saarbrücken. Können Sie unseren Lesern kurz erklären, worin Ihre Arbeit besteht?
Ich schütze Leserinnen und Leser vor Texten, von denen sie sich verletzt fühlen könnten.
Und wie machen Sie das?
Indem ich die mir vorgelegten Texte prüfe und alle verletzenden Aussagen mit einem Warnhinweis versehe.
Wer legt Ihnen diese Texte denn vor?
Vor allem Redaktionen, Verlage und Leihbüchereien, aber auch Privatpersonen und staatliche Stellen. Letzte Woche sind eine Vertreterin und ein Vertreter eines Gymnasiums mit der Bitte an mich herangetreten, ein Oberstufenlesebuch zu untersuchen. Und ich bin schockiert gewesen von den Rohheiten, die den Schülerinnen und Schülern darin zugemutet werden.
Zum Beispiel?
Nehmen wir mal das Gedicht »Das verlassene Mägdlein« von Eduard Mörike. Da heißt es:
»Früh, wann die Hähne krähn,