Mein Kampf – gegen Rechts
Von Europa Verlag
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Buchvorschau
Mein Kampf – gegen Rechts - Europa Verlag
1. eBook-Ausgabe 2016
© 2016 Europa Verlag GmbH & Co. KG, Berlin • München
Herausgeber: Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V.
Idee, Gestaltung, Satz: Ogilvy & Mather Werbeagentur GmbH, Berlin
Koordination und Redaktion: Lutz Meier
Fotografie: Dominik Butzmann
Bildbearbeitung: Simon Geis
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
eBook-ISBN 978-3-95890-033-2
Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.
Alle Rechte vorbehalten.
www.europa-verlag.com
www.meinkampfgegenrechts.de
Vorwort des Herausgebers
Ende des Jahres 2015 ist der Urheberrechtsschutz für Adolf Hitlers Hetzschrift Mein Kampf erloschen. Ausgerechnet zu einer Zeit, in der es in Deutschland lichterloh brennt: Pegida verzeichnet großen Zulauf, Flüchtlingsheime werden mit Brandsätzen attackiert – und die Terroranschläge in Paris werden von rechten Parteien genutzt, um den schwelenden Fremdenhass zu schüren. Die Gesellschaft droht langsam, aber sicher in eine Schieflage zu geraten.
Hitlers Buch zeigt, welchen Ausgangspunkt der Rassismus unserer Tage hat und wo das Vorbild für aktuelle gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu finden ist. Für uns gibt es darauf nur eine vernünftige Reaktion: aufstehen, sichtbar werden – und dagegenhalten.
Aus diesem Grund gibt es das Buch, das Sie jetzt in den Händen halten. Mein Kampf – gegen Rechts zeigt, dass der Kampf gegen rechte Gewalt und rechtes Gedankengut in Deutschland auch im Jahr 2016 noch nicht zu Ende gekämpft ist. Es würdigt neben den Opfern rechter Gewalt vor allem die Menschen, die heute aufstehen und kämpfen. Jeder und jede auf seine und ihre Art.
Die Menschen, die hier zu Wort kommen, unterscheiden sich in ihrer politischen Weltanschauung, ihrem Werdegang, in ihrer Religion und in ihrer ganz persönlichen Art, in der sie gegen Rechts agieren und tätig werden. Sie sind bunt, wie die weltoffene Gesellschaft, die wir uns hier in Deutschland wünschen. Eine Gesellschaft, in der niemand aufgrund seiner Herkunft angefeindet wird, in der man Zuwanderung als Chance sieht – und in der rechtes Gedankengut und Hetzpropaganda keine Chance haben.
Wir sind allen Menschen, die in diesem Buch zu Wort kommen, sehr dankbar. Mit ihren starken und persönlichen Texten, ihren klugen und berührenden Worten und ihrem mutigen Handeln werden sie zu Vorbildern für uns alle. Wir hoffen, dass ihre Geschichten unsere Leserinnen und Leser dazu inspirieren, selbst weltoffen zu fühlen, zu denken und zu handeln. Die Möglichkeiten, für eine humane Gesellschaft den Kampf aufzunehmen – das zeigt unser Buch deutlich –, sind vielfältig.
Dazu möchten wir Sie und alle Leserinnen und Leser mit diesem Buch so herzlich wie nachdrücklich aufrufen: Stehen Sie auf, zeigen Sie Gesicht und kämpfen Sie mit uns – gegen Rechts!
Uwe-Karsten Heye, Sophia Oppermann und Rebecca Weis
Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V.
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort von Iris Berben und Sascha Lobo
Hernán D. Caro
Mosche Dagan
Emma Louise Meyer
José Paca
Wana Limar
Frank Kimmerle
Andreas Hollstein
Nicola-Canio Di Marco
Irmela Mensah-Schramm
Dominik Bloh
Robert Koall
Ein Appell von Konstantin Wecker
Geleitwort von Iris Berben
Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser, liebe Betroffene, liebe Angehörige, liebe Porträtierte und liebe Autoren,
wann immer ich Drohbriefe bekomme, weil ich mich für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit einsetze, ist das genau der Moment, wo mir klar wird, man muss seinen ganzen Mut zusammennehmen und Gesicht zeigen. Nicht nur, um sich all dem zu stellen, was in unserem Land geschehen ist. Sondern auch um sich dem entgegenzustellen, was heute jeden Tag geschieht.
70 Jahre ist es her, dass Ausschwitz befreit wurde. 70 Jahre, in denen sich Deutschland mit seiner geschichtlichen Verantwortung auseinandersetzen musste, ein Prozess, der noch lange nicht zu Ende ist. 70 Jahre sind eine lange Zeit, doch es hat sich noch nicht genug geändert. Übergriffe auf Ausländer gehören wieder zum Alltag. Der Fremdenhass nimmt täglich zu und verbreitet sich in unserer Gesellschaft wie ein bösartiger Tumor: Zum prügelnden Nazi-Skinhead gesellt sich mittlerweile der besorgte Bürger auf der Pegida-Demonstration. Es kommen jene dazu, die ihre Sätze mit der scheinbar harmlosen Einleitung beginnen: »Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …« Schlimm daran finde ich: Wir haben die schleichende Zunahme von Antisemitismus, Rassismus und Intoleranz viel zu lange unterschätzt und vernachlässigt. Noch gefährlicher: Anstatt jetzt aktiv zu werden, nehmen wir all das viel zu oft einfach hin. Heute zeigen wir uns zwar schockiert über das brennende Flüchtlingsheim. Aber schon morgen haben wir es vergessen, bis das nächste Heim in Flammen steht. So dürfen wir nicht weitermachen.
Als ich 1967 im Fernsehen Bilder vom Sechstagekrieg in Israel sah, wurde ich neugierig. Mein erster Besuch in Israel war ein einschneidendes Erlebnis. Ich hatte Verantwortung angenommen. Die Verantwortung, nicht wegzuschauen, wenn Antisemitismus, Rassismus, Ausgrenzung und Intoleranz ihr Unwesen treiben. Seitdem versuche ich für die Juden in Deutschland, für die Menschen in Israel, aber auch für alle anderen, die zu einer angegriffenen, verächtlich gemachten, an den Rand gedrängten Minderheit gehören, Freundin und Mitstreiterin zu sein. Ich engagiere mich seit Jahren gemeinsam mit Gesicht Zeigen! kompromisslos gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Vorurteile. Schauspielerei ist meine Passion. Aber der Kampf gegen Rechts ist meine Pflicht. Dazu gehört, gefährliche Entwicklungen nicht einfach wortlos zu akzeptieren, sondern ihnen lautstark etwas entgegenzusetzen. Und ich sehe die Gefahr, dass neben der kommentierten Auflage von Mein Kampf irgendwann auch unkommentierte Fassungen herausgebracht werden, denn das ist nach der veränderten Urheberrechtslage durchaus möglich!
Darum unterstütze ich das Buchprojekt Mein Kampf – gegen Rechts. Wo die Fremdenfeindlichkeit – so viele Mäntelchen sie sich auch umhängen mag – immer nur ein Gesicht hat, nämlich das des Hasses, da ist besonders wichtig, was dieses Buch zeigt: wie unterschiedlich die Schicksale der Betroffenen sind, wie vielfältig das Handeln derjenigen, die sich dem Hass entgegenstellen.
Ich empfinde Ehrfurcht und Respekt für die Offenheit und Eindringlichkeit, mit der die Protagonisten des Buches über Geschehenes berichten, und für die Größe, mit der sie trotz persönlicher Tragödien versöhnliche Töne anschlagen. Das beeindruckt und berührt mich. Die Kraft all jener, die nicht die Augen verschließen und sich einmischen, sollte uns alle motivieren, es ihnen gleichzutun. Denn solange Menschen von Rechtsextremisten und Neonazis verfolgt werden, solange Synagogen bewacht werden müssen und solange Menschen die Straßenseite wechseln, weil ihnen zwei Araber entgegenkommen, so lange lohnt es sich zu kämpfen. Mit all unserer Kraft. Mit Mut. Und mit einem großen Kämpferherz.
Iris Berben im Dezember 2015
Geleitwort von Sascha Lobo
Ein Buch mit dem Titel Mein Kampf zu veröffentlichen, das ist zweifellos eine Anmaßung. Es erscheint zumindest geschmacklos, in den Augen mancher vielleicht sogar abscheulich.
Für die meisten dieser und ähnlicher Empfindungen gibt es gute Gründe. Das fatale Buch von 1925, das diesen Titel trug, steht als programmatisches Werk für den schlimmsten Horror des 20. Jahrhunderts. Nichts weist heute deutlicher auf den im Holocaust mündenden, institutionalisierten Judenhass hin als eine zuvor millionenfach verbreitete Schrift: Mein Kampf ist das buchgewordene Symbol dafür, dass ein ganzes, als zivilisiert wahrgenommenes Land sich selbst aktiv der industriellen Menschenvernichtung verschreibt.
Aber im Jahr 2016 geschieht etwas mit diesem Buch. Das Urheberrecht von Mein Kampf erlischt, 70 Jahre nach dem Tod des Autors.
Darin liegt zuallererst eine Chance. Der bisherige Inhaber der Urheberrechte, der Freistaat Bayern, ist restriktiv mit der Verwendung des Werks umgegangen, auch gegenüber kritisch kommentierten Ausgaben. Sich aber inhaltlich mit dem Buch auseinanderzusetzen, das die intellektuellen und hasssatten Fundamente des Dritten Reichs gelegt hat, ist zwingend notwendig. Deutschland muss immer wieder aufs Neue verstehen, was damals geschah, weil das der einzige Weg ist, um zu verhindern, dass dieses Land jemals wieder in die Sphären des staatlich legitimierten Hasses abgleitet. Dabei kann die Beschäftigung mit dem Inhalt von Mein Kampf helfen; wahrscheinlich wird sie sogar umso wichtiger, je länger die demokratisch gewählte Herrschaft des Nationalsozialismus her ist.
Aber das kann nicht alles sein. Denn schon im Titel transportiert Mein Kampf eine alte Erzählung, die nie wieder aufleben darf. Diese Erzählung muss deshalb immer wieder gebrochen werden, sie muss gebrochen bleiben. Das lässt sich auch mit dem Versuch bewerkstelligen, dem ursprünglichen Autor die Deutungshoheit über den Titel streitig zu machen: mit einer neuen Erzählung. Das neue Buch mit dem Titel Mein Kampf – gegen Rechts ist genau aus diesem Grund entstanden.
Denn dieses Buch versammelt Stimmen von Leuten, die ihre eigenen Kämpfe ausgefochten haben, weil sie mussten. Sie wurden dazu gezwungen durch genau den Geist, der in dem dunkelsten Buch des 20. Jahrhunderts beschworen wurde. Für viele von ihnen bedeutet der Ausruf »Mein Kampf« deshalb, überlebt zu haben. Die in diesem Buch Versammelten haben ihren Kampf gekämpft und nicht verloren.
Die ruhigen, oft sanften, aber berührenden Berichte erzählen von Begegnungen mit dem Hass, der Gewalt, der Menschenfeindlichkeit. Der Lauf einer Pistole, in die ein Mann schauen musste, weil er schwarz ist. Die verächtliche Bezeichnung »Kanake«, die ein Mädchen in der Schule erdulden musste, weil sie in Afghanistan geboren wurde. Eine im Konzentrationslager Auschwitz in den Unterarm zwangsweise eintätowierte Nummer.
Dazu kommen Texte von Menschen, die nicht nur für sich, sondern auch und zuerst für andere kämpfen. Frank Kimmerle, Mitorganisator der Initiative Willkommen in Leipzig, stellt sich immer wieder dem Leipziger Pegida-Ableger Legida in den Weg, weil er nicht anders konnte und wollte. Er arbeitet mit Jugendlichen und klärt sie über die Verbrechen auf, die auch im Namen des Buches Mein Kampf geschehen sind. Kimmerle hat auch dabei geholfen, Stolpersteine zu setzen, also die messingbeschlagenen Steinquader, die der Künstler Gunter Demnig für die Opfer des Holocaust in den Boden hämmert. Dort, wo sie deportiert wurden: »Zusammen mit Demnig und vielen Schülern haben wir schon über 100 dieser kleinen Mahnmale verlegen können. Die Biografien der Familien, die von den Schülern selbst recherchiert werden, machen auf erschütternde Weise deutlich, wie menschenverachtend der Faschismus ist. In Leipzig fanden Schüler zum Beispiel heraus, dass ein jüdischer Vater für seine zehnköpfige Familie Ausreisevisa