Mörderische Mecklenburger Bucht: Krimis
Von Regine Kölpin
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Über dieses E-Book
Regine Kölpin
Regine Kölpin ist 1964 in Oberhausen geboren, lebt seit dem 5. Lebensjahr an der Nordseeküste und schreibt Romane und Geschichten unterschiedlicher Genres. Sie ist auch als Herausgeberin tätig und an verschiedenen Musik- und Bühnenproduktionen beteiligt. Außerdem hat sie etliche Kurztexte publiziert. Regine Kölpin ist verheiratet mit dem Musiker Frank Kölpin. Sie haben 5 erwachsene Kinder, mehrere Enkel und leben in einem kleinen Dorf an der Nordsee. In ihrer Freizeit vereisen sie gern mit ihrem Wohnmobil, um sich für neue Projekte inspirieren zu lassen. Dabei haben sie auch Usedom entdeckt und lieben gelernt. Ihre Lesungen gestaltet die Autorin oft mit dem Gitarrenduo »Rostfrei«.
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Buchvorschau
Mörderische Mecklenburger Bucht - Regine Kölpin
Impressum
Dieses Buch wurde vermittelt durch die Literaturagentur Lesen & Hören, Anna Mechler
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Besuchen Sie uns im Internet:
www.gmeiner-verlag.de
© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
Alle Rechte vorbehalten
(erschien bereits 2016 im Gmeiner-Verlag unter dem Titel »Wer mordet schon in der Mecklenburger Bucht?«)
Lektorat: Sven Lang
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © elxeneize – Fotolia.com
und © Flexmedia – Fotolia.com
ISBN 978-3-8392-5570-4
Vorwort
»Willkommen im Land zum Leben«, begrüßt das Schild an der A 20 den Besucher Mecklenburg-Vorpommerns. Diese Aussage transportiert das, was man in der Region empfindet.
An Mecklenburg-Vorpommerns Küste verbringe ich seit Jahren viele Stunden bei außergewöhnlich netten und freundlichen Menschen, die ich in der Zeit sehr zu schätzen gelernt habe. Ein Teil meiner großen Familie lebt dort und so sind auch darüber hinaus enge Freundschaften gewachsen. Sympathisch für mich und meine Familie ist, dass es sogar einen See mit dem Namen »Kölpinsee« gibt. Bei meiner Recherche für diesen Freizeitführer bin ich offene Türen eingelaufen. Allen voran möchte ich Sigrid Mindemann aus Bad Doberan danken, die mir einen wunderbaren Einblick in Stadt und Region gegeben und mich bei sich aufgenommen hat. Wir sind uns sehr nahe gekommen in der Zeit und das freut mich. Dann ein Dankeschön an das Hotel Kranich in Prerow. Tatjana Gebert und Peter Sinnemann haben mich während meiner Recherchereise mit vielen wertvollen Tipps unterstützt. Dieses familiäre Hotel kann ich nur wärmstens empfehlen.
Vor Ihnen liegt nun kein gewöhnlicher Reiseführer, sondern, wie der Titel deutlich macht, ein krimineller Freizeitführer. Beißt sich das? Ich denke nicht.
Mecklenburg-Vorpommerns Küste wirkt zwar ruhig und beschaulich, an unzähligen Stellen sogar romantisch. Und doch sind mir an den verschiedensten Ecken mörderische Gedanken gekommen. Meine kriminelle Reise beginnt im malerischen Boltenhagen, im Westen Mecklenburg-Vorpommerns. Diesen traditionellen Ort mit kleinen Geschäften und einem angenehm pulsierenden Leben habe ich mir als Erstes zum Schauplatz für meine Verbrechen auserkoren.
Weiter geht es in der Hansestadt Wismar und auf der Insel Poel. Wismars Altstadt besticht durch eine einzigartige Architektur und einen faszinierenden Stadthafen. Zur Insel Poel gelangt der Reisende über einen Damm, sodass er auch ohne Schiffsverkehr das Inselflair genießen kann. Anschließend mache ich einen Abstecher ins Landesinnere zur Landeshauptstadt Schwerin. Diese Stadt ist allein wegen des Schlosses am See eine Reise wert.
Kühlungsborn ist wiederum ein Ort mit alter Seebadkultur und gemütlichen Kneipen, einem grandiosen Strand, im Sommer oft mit Lagerfeuerromantik. Von Heiligendamm aus führt eine Fahrradküstenroute nach Börgerende und von dort nach Nienhagen. Dazwischen liegt ein verwunschenes Hexenwäldchen mit einem wilden Strand. In Bad Doberan dominiert das Münster, faszinierend ist aber auch die Dampflok Molli, die mitten durch die Stadt fährt. Ganz abgesehen von der interessanten Architektur. Lassen Sie sich überraschen. Von hier aus geht es zur Hansestadt Rostock mit dem Zoo und dem einzigartigen Darwineum, das schon allein einen Besuch wert ist. In Warnemünde wartet der große Überseehafen, aber auch eine ansprechende Flaniermeile, die zum weitläufigen Strand führt. Der Ort selbst besticht außerdem mit der Achterreeg, die das alte Warnemünde widerspiegelt. Der Darß mit seiner erlebnisreichen Natur, pittoresken kleinen Orten und dem Bodden runden den kriminellen Freizeitführer ab. Da wären der Künstlerort Ahrenshoop, der Badeort Prerow mit Weststrand und Leuchtturm und schließlich Zingst, direkt am Bodden gelegen.
Lassen Sie sich auf die mörderischen Spuren ein und erkunden Sie die Gegend auf eine ganz andere Art und Weise. Danke, dass Sie mich auf diesem Weg begleiten.
Regine Kölpin
11 Reiseziele von West nach Ost
1. Boltenhagen
2. Wismar
3. Poel
4. Schwerin
5. Kühlungsborn
6. Heiligendamm/Börgerende/Nienhagen
7. Bad Doberan
8. Rostock
9. Warnemünde
10. Prerow/Ahrenshoop
11. Zingst
1. Boltenhagen
Das Ostseebad Boltenhagen war in früheren Zeiten ein Bauern- und Fischerdorf und die Bauern unternahmen um 1830 erste Bestrebungen der »Bäderkultur«, indem sie ihre Häuser räumten, in Stall und Scheune zogen und Badegäste aufnahmen. Heute ist Boltenhagen ein bekanntes Seeheilbad und sowohl für den Familienurlaub als auch für Wellness- und Aktivtage bestens geeignet. Es gibt ein immenses Angebot an Ferienwohnungen, Pensionen und Hotels. Kuren sind ebenfalls möglich. Boltenhagen liegt westlich der Hansestadt Wismar direkt an der Ostsee mit einem feinen weißsandigen Strand und wartet daneben mit einer Steilküste auf.
Der Ort selbst ist belebt, zahlreiche Cafés, kleine Boutiquen und Restaurants liegen dicht an dicht und laden zum Verweilen ein. Von überall ist man schnell am Strand, der im Sommer stark frequentiert ist. Im Herbst oder Frühjahr aber kann man hier ausgedehnte und einsame Spaziergänge bis zur Steilküste unternehmen. Eine Seebrücke ist dem Ort ebenso zu eigen. Bei Boltenhagens Kirche auf der Paulshöhe handelt es sich um einen interessanten Backsteinbau mit einem Altarbild aus dem Jahr 1873. Wunderbar ist der Kurpark des Ortes, der direkt an die Strandpromenade grenzt und ganz neu gestaltet wurde. Auch die Kultur kommt in Boltenhagen nicht zu kurz. Für Leseratten ist ein Besuch in der Galerie »Buch im Kurpark« zu empfehlen.
Im Ortsteil Tarnewitz befindet sich die Weiße Wiek mit der Marina Boltenhagen. Ein malerischer Hafen für Skipper und Fischer. Nicht weit entfernt liegt der Ort Klütz mit seiner Windmühle und dem Literaturhaus Uwe Johnson.
Wollen Sie nur einen Tag nach Boltenhagen kommen, bietet der Ort einen Shuttle vom P & R-Parkplatz am Ortseingang. Von dort werden sie zum Strand gefahren und nach Bedarf wieder abgeholt. Dieser Transfer kostet nur 2 Euro, unabhängig von der Anzahl der Personen im Auto.
Weitere Infos:
Kurverwaltung Boltenhagen
Ostseeallee 4
23946 Boltenhagen
Telefon: 038825/360-0
www.boltenhagen.m-vp.de
Anreise:
Mit dem Pkw: A 20, Abfahrt Boltenhagen, von dort aus-
geschildert
Mit der Bahn: Die nächsten Bahnstationen liegen in Gre-
vesmühlen, ca. 17 km entfernt. Weiter mit der Linie 320
oder
in Wismar, ca. 25 km entfernt. Hier fährt die Linie 240
Seelenverwandt
Endlich Urlaub. Marion packte ihren Koffer. Sie freute sich auf zwei Wochen Ostsee, Strand und hoffentlich Sonne. Diese Ferien hatte sie sich wahrlich verdient. Ein hartes Jahr lag hinter ihr. Sie hatte ihren Job in Hamburg wechseln müssen, weil sie die Spitzen der Kollegen nicht mehr ertragen hatte. Dieses Nicht-Beachten, dieses ständige Übergehen. Dieses Nichts-wert-sein, das sie von Kindesbeinen an begleitete. Nach der Kündigung hatte Marion schließlich einen kleinen Buchladen mit Papeterie eröffnet. Sie plante langfristig, heimischen Künstlern eine Plattform zu bieten. Bei der Recherche für ähnliche Projekte war sie in Boltenhagen auf den Buchladen und die Galerie »Buch im Kurpark« 1 gestoßen. Dort vereinten sich Bilder und Literatur. Genau so stellte sie sich dieses Konzept auch in ihrem Lädchen im Hamburger Schanzenviertel vor. Sie freute sich auf ihren Besuch in der Galerie »Buch im Kurpark«.
Boltenhagen zeigte sich von seiner schönsten Seite, als sie ankam. Marion warf ihren Koffer aufs Bett und wollte sogleich an den Strand, das leise Schlagen der Wellen genießen. Auf der Strandpromenade 2 war mächtig was los, aus dem Kletterpark 3 drang fröhliches Geschrei zu ihr herüber. Marion setzte sich auf eine der Bänke und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Hier würde sie zur Ruhe kommen, hier würde sie es schaffen, ihr weiteres Leben vernünftig zu planen. Eines der Ausflugsschiffe 4 hatte angelegt und wahre Menschenströme ergossen sich auf die Promenade. Marion genoss ihr sonniges Plätzchen, das sie nicht so rasch räumen würde. Sie öffnete einmal kurz die Augen, als ein warmer Windhauch über ihr Gesicht strich. In dem Augenblick fiel ihr Blick auf einen Mann, der eben die Promenade entlangschlenderte. Groß, blond und schlank, Dreitagebart, aber viel zu alt für sie. Der Mann hielt ebenfalls inne, als sie ihn bemerkte. Er lief ein paar Schritte weiter, drehte schließlich um und ließ sich rechts von ihr auf der Bank nieder. Eine Weile saßen sie stumm nebeneinander, doch die Luft zwischen ihnen knisterte. Marions Blick schweifte immer wieder zu diesem Mann, der gar nicht ihr Typ war und sie dennoch auf eigentümliche Art und Weise faszinierte. Auch der Mann betrachtete sie heimlich und nach einer unendlich erscheinenden Zeit verhakten sich ihre Blicke ineinander. »Ich bin Klaus Müller«, stellte er sich vor.
Marion zuckte zusammen, dann überzog ein Lächeln ihr Gesicht. »Marion Müller. Ich trage auch diesen Allerweltsnamen.« Sie konnte nicht weitersprechen, als sie in den Augen dieses Mannes abtauchte. Was hatten sie für eine wunderbare dunkelblaue Färbung. Sie sahen aus, als hätte er sie direkt der Ostsee entliehen.
»Es ist ein altbewährter Name. Ich freue mich, dass wir ihn gemeinsam tragen«, sagte Klaus. »Sind Sie im Urlaub hier?«
Marion nickte. »Ja, bin erst angekommen.«
»Von woher kommen Sie? Oder bin ich zu neugierig, wenn ich danach frage?«
Marion schüttelte den Kopf. »Nein, das ist ja kein Geheimnis. Ich habe einen kleinen Buchladen in Hamburg und will mich nun ein wenig erholen. Die letzte Zeit war nicht ganz leicht für mich.«
Klaus schien zu spüren, dass sie das Thema nicht vertiefen wollte und ging deshalb nicht auf die letzte Bemerkung ein. »Eine Buchhändlerin, das ist ja schön. Wissen Sie, ich kann keinen Buchladen betreten, ohne nicht mindestens zwei Bücher zu kaufen. Allein das Gefühl über den Buchrücken zu streichen, dann dieser unvergleichliche Duft, der den Werken entströmt. Es ist doch fast, als könne man schon daran die enthaltenen Geschichten erkennen.«
Marion schmolz förmlich dahin. Er hatte von Werken gesprochen. Vom Duft der Geschichten! Klaus Müller schickte der Himmel, sie waren seelenverwandt, anders konnte sie diese Worte nicht erklären. So etwas war ihr noch nie passiert. Eine Begegnung mit einem Fremden, der schon mit wenigen Sätzen ihr Vertrauen gewonnen hatte. Gab es so etwas wie Seelenverwandtschaft wirklich? »Sie haben ja so recht«, antwortete sie. Sie rang nach Worten, wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Klaus Müller sollte nicht wieder gehen, sollte bleiben. Mit ihr sprechen …
Er druckste ebenfalls herum, hob zweimal zum Sprechen an, verschloss den Mund aber wieder. Ob es ihm ähnlich erging? Marion lächelte ihn aufmunternd an. Bitte, sag doch was, flehte sie in Gedanken und dann, endlich, fragte er: »Darf ich Ihnen einen Kaffee spendieren? Wir zwei Bücherfreunde haben uns bestimmt eine Menge zu erzählen.«
»Ja, gerne!« Marion wunderte sich über sich selbst. Was geschah hier? Sie ließ sich binnen kürzester Zeit von einem fremden Mann zum Kaffee einladen, folgte ihm wie hypnotisiert. Er war um so viele Jahre älter als sie und eigentlich war er auch nicht ihr Typ. Zu alt, zu gesetzt … Aber was hieß schon »eigentlich«. Außerdem wollte sie nichts von ihm. Außer sich mit ihm über Bücher unterhalten. Das war nicht verwerflich.
Klaus Müller bot Marion galant und nach alter Schule den Arm. Wie von einem unsichtbaren Faden gezogen, hakte sie sich bei ihm unter und ging mit ihm. Sie nahm ihre Umgebung kaum noch wahr, war völlig in seinen Bann gezogen. Sie registrierte seinen Duft und nahm an, dass es ein Parfüm von Boss war, speicherte seine Kleidung, seine Mimik und Gestik, als müsse sie all das archivieren.
Klaus erzählte derweil, welche Bücher er in den letzten Wochen verschlungen hatte. Es waren tatsächlich zwei dabei, die sie auch kannte, obwohl sie nicht auf den Bestsellerlisten zu finden waren. Sie diskutierten über die Figuren, den Plot, all diese Dinge, und hatten stets ähnliche Meinungen. Eine solche Nähe zu einem Menschen hatte Marion lange nicht gefühlt. Was machten da die mindestens 20 Jahre, die sie trennten? Sie hatte keine Kraft, sich von ihm zu lösen, wollte sich noch länger mit ihm austauschen. Weiter über Literatur sprechen, philosophieren. Lachen. Denn auch das war mit Klaus Müller uneingeschränkt möglich. Sie schienen sogar denselben Humor zu haben. Sagte einer von ihnen etwas Amüsantes, lachten beide gleichzeitig an derselben Stelle. Marions Herz klopfte immer heftiger. Sie war auf dem besten Weg, sich in diesen wildfremden Mann zu verlieben, der ihr inzwischen alles andere als fremd erschien.
Sie kamen an einem Café in der Ostseeallee an und Klaus suchte umsichtig einen Tisch. Er kümmerte sich darum, dass Marion die Sonne nicht ins Gesicht schien, aber auch dass sie in einer windstillen Ecke saß. Er stand sogar wieder auf und stellte den ausgefahrenen Sonnenschirm so, dass sie optimal geschützt wurde. So etwas war Marion noch nie passiert. Sie musste auf sich achtgeben! Aber mit Klaus Müller einen Kaffee zu trinken, war schließlich harmlos. Was bedeutete das schon? Sie war frei, hatte Urlaub. Und es war jemand da, der sie beachtete, der ihr zuhörte und sie ernst nahm.
»Was möchten Sie denn gerne essen?« Er reichte Marion die Karte.
Sie entschied sich sofort für einen Latte macchiato und einen Apfelstrudel mit Vanillesoße. »Das nehme ich auch immer«, lachte er. »Wir haben offenbar nicht nur denselben Namen. Wollen wir Du sagen?« Er berührte Marion nur leicht, aber das genügte, dass sich alle Härchen auf ihrem Unterarm aufstellten.
»Ja«, hauchte sie. Klaus. Klaus. Klaus. Marions Mund war so trocken. Sie wollte alles, aber sich nicht verlieben und doch war sie mittlerweile auf dem besten Weg dorthin. Klaus verkörperte alles, was ein Mann ihrer Meinung nach in sich vereinigen musste. Charme, Gewandtheit, die Liebe zur Literatur, ein ansprechendes Äußeres. Und dazu hatte er diese Augen, diese sonore Stimme, die ihr Herz zum Rasen brachte. Egal, ob er älter war. Warum sollte man nicht mit einem reifen Mann glücklich sein können? War es nicht einen Versuch wert?
Du kennst ihn kaum, schalt sie sich selbst. Klaus lächelte sie an. Es war unübersehbar, er mochte sie ebenfalls. Gemeinsam betrachteten sie weiter das Treiben um sie herum. Lachten über einen Dreijährigen, der hinter seinem rot gepunkteten Ball her stolperte, blickten einer alten Dame mit zwei weißen Königspudeln nach, die schmucküberladen an den Cafés vorbeiflanierte, und beobachteten ein streitendes Liebespaar, das am Nebentisch Bösartigkeiten austauschte. Dazwischen aber gab es für Momente immer nur sie. Dann tauchten beide in den Augen des anderen ab, schlossen ein Band, das offenbar schon lange vorher bestand und sie nun neu für sich entdeckten.
»Glaubst du an Seelenverwandtschaft?«, fragte Marion schließlich.
Klaus umschloss ihre Hand und sie fühlte sich beschützt. »Ja, das glaube ich und mir ist vor einer Stunde meine Seelenverwandte begegnet.«
Verlegen wandte Marion den Blick ab und kratzte mit der freien Hand den letzten Milchschaum aus dem Glas. Eine unsinnige Geste, doch sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte.
Klaus schloss seine Finger fester um ihre Hand, nahm ihr den Löffel ab und hatte sie nun ganz im Griff. »Schau mich bitte an, Marion. Mir ist klar, dass du jünger bist als ich und ich weiß nicht, ob das ein Problem für dich ist. Aber ich würde dich gern wiedersehen. Wollen wir morgen mit der Carolinchen 5 , der kleinen Bäderbahn, einen Ausflug zur Steilküste 6 machen? Es wäre ein Segen, dich besser kennenzulernen.«
Marion nickte stumm. Dass ihr so etwas passierte, war ein Wunder. Ein Geschenk. Das durfte sie nicht mit Füßen treten, sondern sollte es dankbar annehmen.
Schon früh am nächsten Morgen saß sie im Frühstücksraum der Pension, die in der Nähe des Kurparks 7 lag. Gestern Abend hatte dort ein Konzert stattgefunden, das sie mit allen Sinnen genossen hatte. Die Streicher waren ein Traum gewesen. Lauschte Marion einer Violine, fühlte sie sich jedes Mal dem Himmel nah. Den ganzen Abend hatte sie sich Klaus an ihrer Seite vorgestellt, überlegt, wie er die Musik in sich fließen lassen würde. Weil sie sich gut vorstellen konnte, was er gesagt, gefühlt und gedacht hätte, war sie den Tönen an diesem Abend förmlich entgegengeschwebt.
Gleich nach dem Aufstehen hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, was sie zu dem Ausflug tragen sollte. Sie wollte attraktiv aussehen, aber zugleich musste es ein praktisches Outfit sein, denn die Steilküste war teilweise recht unwegsam.
Sie hatte sich für ein leichtes Sommerkleid entschieden. Dazu trug sie ihre schmalen Sandalen, die elegant wirkten, aber zugleich auch stabil genug waren, einen Spaziergang an einem steinigen Strand zu überstehen. In ihr schulterlanges blondes Haar hatte Marion ein buntes, zum Kleid passendes, Seidentuch gebunden. Falls die Sonne zu sehr vom Himmel brennen sollte, konnte sie es auch als