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Frauen in Vasen: Prosa
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eBook133 Seiten1 Stunde

Frauen in Vasen: Prosa

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Über dieses E-Book

Seit das sogenannte Leben der Protagonistinnen in Angelika Reitzers Erzählungen begonnen hat, seit man von ihnen erwartet, dass sie erwachsen geworden sind - seither will das Unterwegssein nicht mehr enden, scheint das Mögliche unerreichbar.
Gerade noch in einem Zimmer in Berlin, dann auf einem Markt in Tanger und schon wieder unterwegs, von einem Kontinent zum anderen, von einer schillernden Möglichkeit zur nächsten. Filmischen Sequenzen gleich folgt der Leser diesen Szenen eines Lebens, das dem ständigen Wandel unterworfen und doch nur das Bild unserer Zeit ist zwischen Freelancing und Sicherheit, Patchwork und Zweisamkeit, Selbstbestätigung und Ausbeutung.
Angelika Reitzer versteht es, in konzentrierter wie leichter Sprache ihre Geschichten poetisch auszuleuchten und eine tiefe Ahnung zu vermitteln, wie Leben ist und immer wieder sein könnte.
SpracheDeutsch
HerausgeberHaymon Verlag
Erscheinungsdatum11. Dez. 2013
ISBN9783709974926
Frauen in Vasen: Prosa
Autor

Angelika Reitzer

geboren 1971 in Graz, studierte Germanistik in Salzburg und Berlin und lebt heute als Schriftstellerin in Wien.Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Hermann-Lenz-Stipendium 2007, Reinhard-Priessnitz-Preis 2008, Literaturpreis des Landes Steiermark 2014, Outstanding Artist Award für Literatur 2016.

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    Buchvorschau

    Frauen in Vasen - Angelika Reitzer

    leben.

    Sonnenschirme

    nun: ich trinke viel; ich schreibe viel: ich versuche die Recherche für diesen Film hinzukriegen und morgen treffe ich mich mit irgendwem, der mich für irgendein Projekt als Assistentin haben will/vielleicht auch nicht. Der Unterschied schlägt sich nicht in Geld nieder. Der ist aber ein einigermaßen bekannter Regisseur, oder in der Szene bekannt zumindest, wenn ich mich einmal für eine richtige Stelle bewerben werde, wird der sicher ein gutes Wort für mich einlegen. Ich treffe mich mit G. und weiß aber nicht genau, ob ich tatsächlich etwas von ihm will. Ich treffe auf Hans, der spielt in S. letztem Film den Baby Bester und wir haben zusammen eine szenische Lesung gemacht und ich frage mich die ganze Zeit: was kann sein, was sein kann; ich bin eine Arbeitslose, die keine Existenzberechtigung hat/leider; und in meinem speziellen Fall nicht einmal die der potenziellen Genialität. Dabei ärgere ich mich über meine fehlende Radikalität und über meine Freundlichkeit, aber so wie es ist, kann’s ja auch gut sein. Aber was ist es, das einen am Atmen hält: außer deinem Körper/über den man schwer hinwegkommt. Was ist es, was dich außer Atem bringt: außer deinem Kopf, der ja auch ein höchst unzulängliches Teil ist. Ich sehe das Sommerlicht und glaube wieder an irgendwas. Dass es weitergeht. Und so. (Was ist das also. Delirium. Eine Fata Morgana, weil ich seit vorgestern nicht geschlafen habe, weil ich gleichzeitig weine und lache, ich habe nicht geschlafen, ja, aber ich kann den Termin einhalten, die Geschichte ist nicht so gut wie sie sein könnte, weil ich nicht maximal gut sein kann unter diesem Druck/den haben wir doch alle, also bitte; noch einmal: ich bemühe mich, ich kriege das schon hin. Ich sollte ein wenig Rouge auflegen, mir ist so blass um die Lenden.) Ich spüre das Licht, zart ist’s, schmerzt dabei. Einmal glaube ich wieder, dass es gut sein könnte. Ich habe seit Monaten mit keinem Mann mehr geschlafen. Du weißt ja: irgendwann geht’s dir nicht mehr so sehr ab. Ich sehe die Menschen um mich herum anbrechen/zerbrechen/nicht so sehr aufbrechen. Wenn du dich erinnerst an etwas, das mir weiterhilft/ mich wegbringt: sag’s mir. Oder sag’s mir jetzt. Ich hänge immer noch meinem eigenen Aufbruch nach. Aber wohin eigentlich. Damals hatte ich kein Ziel, ich hatte nur ein einziges großes Startfeld. Wie in einem Spiel, wo die ganze Spielfläche das Startfeld ist/dein Leben, und du weißt. Du musst los. Das heißt dann eben: du würfelst; achtest wahrscheinlich nicht einmal auf die Augenzahl und ziehst – oder. Im Ziel sind wir ja noch lange nicht. Du. Bist halt losgegangen. Dabei ist die Situation mit den Leuten hier eine, die mir guttut wie lange keine mehr, ist alles so mittendrin, jeder macht was, und draußen. Da lebt sich das Leben und wenn’s nur eine Straßenbahn ist, die hält und wieder anfährt. Na, die Eltern beteiligen sich an der Miete, Unterstützung gibt’s vom AMS, die nennen das Einsteigerhilfe, sind wir alle auch. Einsteiger, eins zwei drei. Der Jürgen hat die schicken Büromöbel von einer Insolvenz aus seinem alten Büro mitgebracht und wenn wir offizielle Termine haben, gehen wir natürlich nicht mehr ins Kaffeehaus; schinden Eindruck inmitten der Designermöbel. Manchmal kommen auch Leute direkt von der Straße rein. Bis jetzt gab’s noch keinen Auftrag, soviel ich weiß. Aber. Im Hinterhaus ist man am ehesten noch mit Vogelgezwitscher beschäftigt, was ja nicht unnett ist und natürlich auch im weitesten Sinn mit Leben zu tun hat/so nach dem Motto: das Vogelgezwitscher ist schon das Leben; aber man ist immer ein bisschen abgeschnitten, von dem, was draußen eh nicht tobt. Und hier verbringe ich zurzeit die meiste Zeit, ich gehe jetzt einfach mit einer grundsätzlichen Überheblichkeit und Selbstüberschätzung daran, meine Marrakeschgeschichte zu schreiben, das Thema ist jetzt wichtig, ich bin vielleicht knapp dran, was den Zeitgeist betrifft, hm. Aber ich tu jetzt so, als könnte ich ein halbes Jahr durchhalten und auf dieses Ziel zumindest zusteuern, und auch einmal da ankommen. Ich kann immer wieder einen Job bei S. machen und der ist wirklich gut im Geschäft, die Miete ist bezahlt, man sollte darüber gar nicht sprechen, es ist auch alles lachhaft, aber. Wie du ja sagtest. Das Leben ist schon das Leben. Ich hätte gerne einmal, dass du das für mich, dass du mich so ernst nehmen könntest, dass ich das auch ein bisschen spüre. Vorhin, bevor du hier aufgetaucht bist in diesem schrägen Licht, sind mir die Tränen über beide Wangen geronnen, als hätten wir hier etwas zu feiern. Und ich bin vor einer Stunde abgehauen, weil die wollten immer noch weitermachen. Sicher. Der Antrag muss heute vor Mitternacht rausgehen. Wir haben alles getan dafür. Irgendwann kannst du das nicht mehr überarbeiten. Ich selbst bin mehrmals über der Tastatur eingeschlafen, während ich ein paar Posten addieren wollte. Immer wieder. Kennst du das. Du glaubst, diese Zahlen sorgen dafür, dass du in irgendeinem Purgatorium hängen bleibst. Für alle Ewigkeit diesen blöden Antrag stellen musst. Aber du kommst nie durch. Jedes Mal, wenn du zum Schluss, kurz vor dem Ende, die letzten Zahlen zusammenzählen willst, sackst du zusammen. Die Höllenhunde wimmern hinten im Schädel, es ist heiß und du weißt, dass es nie mehr wieder kühler wird, und du wirst die Ziffern nicht mehr in der richtigen Reihenfolge ablesen können. So sieht’s aus. Ich bin jedenfalls gegangen. Die können mich. Egal, wenn sie mir das Honorar für den ganzen Job nicht geben. Ich meine. Es ist ein Job. Stell dir vor. Und dann treffe ich hier. Ich wollte nur einen Kaffee trinken und überlegen, wie das alles weitergeht. Ich sitze hier, und da kommt dieser Typ vorbei. Von der Aufführung. Was ist der? Journalist oder Philosoph oder was. Der tut, als wäre ich eine Dichterin, als würde das was haben. Keine Ahnung, wovon der redet. Ich denke gleich, der hat meinen Laptop umgedreht und sich meine Gedichte: reingezogen, die ich manchmal in so deprimierten Phasen schreibe/eh nur manchmal. Und es fällt ihm nicht ein, woher er meine Schreibe schon kennen könnte, und er sagt, es habe etwas mit Cage zu tun, das macht mich jedenfalls stutzig; ich wache wieder auf, als er erzählt/ich versteh’s ja, ich versteh’s! Dass er jetzt seine dreieinhalbjährige Tochter abholt, ein bisschen mit ihr spielen, Essen machen, sie ins Bett und den Computer in die Küche schaffen wird, morgen bringt er sie wieder in den Kindergarten undsoweiter. Wahrscheinlich redete er endlos so weiter, aber er saß ja nur kurz an meinem Tisch und dann sinngemäß: da weiß ich wenigstens, wofür. Das Leben ist schon das Leben, das ist doch eine Feststellung, die nur für den Kopf von Bedeutung ist, ich kann mich auch nicht mit irgendwas, mit allem oder nichts abfinden; ich frag mich aber naturgemäß, wenn nicht abfinden: was dann? Weder zum Glücklichsein noch zum Unglücklichsein reicht’s – aber was waren das für friedliche/aufregende Nachmittage, mit Gustl und Gusti und den anderen, oder. Zuerst im Volkspark, dann mit Gusti schnell nachhause oder durch den Regen und später wieder alle versammelt auf einen Kaffee, was getrunken haben wir fast immer. Wo einer meistens geblieben ist und andere zufällig dazugestoßen sind. Und kennst du noch diese zarte minimale Vertrautheit für einen Moment/(wie) wenn dir jemand unerwartet und ohne dass zwingend etwas darauf folgt, über die Wange streicht, das wahrscheinlich ist etwas, das einen atmen macht, zumindest für die nächsten paar, meist nicht ganz so schönen Momente. So leben heißt: stückeln, die ganze Zeit, und vielleicht ist das eh das Einzige, das ich haben kann. Du musst weiter. Ja, sicher. Du auch. Du wirst das sicher super machen. Wenn ich deine Hilfe brauche. Bin ja an mehreren Geschichten dran. Melde ich mich wieder.

    1

    sie haben mir was überreicht, an meinem 7. Geburtstag. Die Alte rieb fest an dem silbernen Anhänger, während sie in ihrem Gedächtnis Formeln und Sprüche suchte/ redete nie viel, diese Großmutter; alle Wünsche rieb sie hinein, ganz fest. All das Glück, vollständigen Segen, Gesundheit und Zukunft vor allem. Eine Wolke kann nie einer anderen begegnen. Die Kette lag auf ihrem Arm, dessen warme weiche Haut über den Knochen hing. Wer das liest/ist lieb. Die Frauen haben mich weggeholt vom wilden Spielen, das nun nicht mehr nötig sei, so eine von ihnen, als mir die Großmutter die Kette mit dem kleinen Anhänger feierlich überreichte. Du bist alles für mich/wenn du mich siehst. Gleich setzte die Erinnerung ein (ein Platz darin für jedes Ding): und der Anhänger hatte schwarze Flecken auf der Hinterseite.

    Super-8

    sie stand unter Alberts Balkon (traute sich nicht, nach ihm zu rufen), in einem vollgeräumten Garten: irgendwann würde er herauskommen. Es blühten Sträucher und Stauden, kaum ein Wiesenfleck war frei, hohe Gräser wuchsen da und Gartenmöbel, die niemand benutzte, Fahrräder und -anhänger, ein Leiterwagen. Die Bewohner ließen dem Garten seinen Schlaf, den schien er sich verdient zu haben. Sie kam von einem Abendessen, bei dem die Leute so Sachen sagten wie: meine Kunst ist meine Arbeit ist meine Aussage zu dieser Welt. Sie hätte wirklich mit jemandem reden müssen. (Wie macht ihr das eigentlich: die Sache mit dem Arbeitsamt und dem Überleben und dann noch guter Wein?) Aber sie hatte sich davongeschlichen, bevor die anderen sehen konnten, was für eine sie jetzt war.

    sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, warum sie so sehr an ihm hing, Albert redete kaum; die Möbel in seinen Zimmern wirkten wie verkleinerte Nachbildungen echter Möbel. Kein Staub fand sich auf den Regalen mit den alten Büchern, nirgends ein Haar. (Ein paar Mal badeten sie zusammen und einmal hatte sie ihm die Haare gewaschen. Seine feinen Haare, die nur aus Spitzen bestanden, waren immer sofort wieder trocken. Gerade so, als wäre er gar nie untergetaucht.) Sie ging immer wieder hin, stand unter seinem Balkon.

    das Holz liegt im Wasser, als wären manche Boote noch gar nicht fertiggebaut oder als wären sie schon wieder auseinandergenommen. Albert redete über Boote, sie schauten

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