Warum gibt es diesen Blog?

Darauf gibt es ein paar Antworten: seit Oktober 2008 führe ich meinen Blog „My New Life In Canada“. Nachdem ich da hin und wieder Einträge über mein Leben in Paraguay eingestellt habe, bekam ich viele Mails, Kommentare und Telefonate mit der Bitte, weitere Beiträge über diese Zeit zu schreiben.

Obwohl es genauso mit meinem Leben zu hat, passt es aber nicht unbedingt zwischen die Berichte von meiner neuen und jetzigen Zeit in Kanada.

Dazu kommt, dass aus dieser schicksalhaften Zeit der Einwanderer in Paraguay von Anfang 1900, sehr wenig niedergeschrieben wurde. Die Älteren, die es miterlebt haben, sind leider schon verstorben.

Doch mein wichtigster Beweggrund für diesen Blog ist, das Erlebte von damals an meine Kinder und Enkel weiterzugeben. Sollten sie irgendwann wissen wollen, wie es damals war, müssen sie sich keine Vorwürfe machen, den Zeitpunkt danach zu fragen, verpasst zu haben.

Genau das ist mir passiert. Als ich jung war, interessierte es mich nicht. Ich fand die Geschichten aus der alten Heimat und die des neuen Aufbaus in Südamerika langweilig und nervig.

Ich war Kind und wollte Kind sein. Als ich erwachsen wurde, hatte ich meine eigenen Träume und Verrücktheiten im Kopf. Dann hatte ich mein eigenes Leben und meine eigene Familie.

Später wollte ich es wissen, doch die Großeltern waren längst verstorben, mein Vater auch und meine Mutter war von mir zu weit entfernt.

Bestimmt habe ich im Leben viele Fehler gemacht. Anstatt darüber zu jammern, betrachte ich es als eine Lehre und versuche, es in Zukunft besser zu machen.

Doch würde mir das Schicksal einen einzigen Tag meiner Jugend zurückgeben, würde ich ihn mit meinem Großvater „Opa Dreyer“ verbringen und ihm pausenlos Löcher in den Bauch fragen!

Diesen Blog widme ich meinen Kindern

Sonja A. McGill und Stephen J. Bennett.


„Ein niedergeschriebenes Wort, wird durch seine Veröffentlichung zu einem eigenen Leben erweckt“.

Sonntag, 22. August 2010

Die Namen

Was sich Eltern bei der Namensvergabe wohl gedacht haben...
Am 31. Januar 1945 wurde der Älteste geboren. Unser Großvater, der Buschdoktor liebte Wagners Oper „Tristan und Isolde“, doch Unsere Mutter weigerte sich ihren Sohn Tristan zu nennen.
Tristan und Isolde, eine Szene aus der Oper.
„Manfred“ sollte der erste Sohn getauft werden. Das ging aber nicht, denn Opas Stier hieß Manfred und wieder weigerte sich Mutter, dass der Erstgeborene den Namen des Zuchtbullen trägt.
Auf „Norbert“ wurde sich geeinigt.
Als Mutter wieder schwanger wurde, musste zwangsläufig der Stier geopfert werden! Jetzt nicht so als Ritual oder um die Geister gut zu stimmen, ne… um seinen Namen zu klauen.
Oktober, der 25te im Jahre 1947 kam das zweite Baby an. Als Vater ins Geburtszimmer kam, wurde er von Opa und Mama verarscht und bekam beigebracht, dass er eine Tochter habe. Da riss er die Windeln vom Neugeborenen und war erleichtert, das zu sehen was einen Buben ausmacht. Gott sei Dank! Der Stier ist nicht umsonst in die Wurstpelle gelandet!
Manfred war da!

Ich habe leider keine Baby oder Kleinkinderfotos von alle Geschwister. Hier Meine Großeltern, Eltern und die beiden Jungs. Wie sich das abspielte mit der Geburt von meiner Schwester, habe ich Euch schon erzählt.
Und endlich durfte Richard Wagner als Namenpate in der Dreyers Geschichte eingehen!
Isolde erblickte das Licht des Lebens am 30ten März 1949. Oben ist die Jule (Isolde) es gibt keine Fotoverwechselungen, denn auf alle Fotos bin ich sehr ernst. Jule schaut immer freundlich. Wie hier... kein wunder, sie sitzt auch auf mein Schaukelpferd. Aus „Norbert“ und „Manfred“, wurde mit der Zeit, besonders durch spätere spanische Schulzeiten, „Norberto“ und „Manfredo“. Später wurden ihre Dokumente ausgestellt und heißen bis heute noch so.
„Isolde“ konnte man nicht verspanischen und blieb auch so. Zuhause wurde sie immer „Soldi“ genannt. Seit fast einem halben Leben, ist sie für mich die „Jule“, was sich auch immer mehr durchsetzte. Vielleicht nannte ich sie so, weil ich sie immer um ihren Namen beneidete. Nee, eigentlich nicht.
An dieser Stelle fällt mir ein, dass ich schon einmal nicht nur über meinen Namen, sondern auch über den fehlgeschlagenen Versuch ihn zu ändern, geschrieben habe. Das war in Dezember 2009, auf meinen anderen Blog. Diese Geschichte gehört jetzt eigentlich hier her, drum nehme ich Einiges raus, um es hier neu einzustellen.
Der Post hieß; Zwei mal getauft…
…geht das überhaupt? Oh ja! Bei mir (bzw. unsere Familie) schon!
Ich frag mich; wie kann man/frau ein Kind in die Welt setzten um es dann so einen Namen zu verpassen; „Elfriede“! Na ja, es ist ja nicht der schlechteste Name, nur ich habe ihn gehasst seit ich mich erinnern kann. Ich fand einfach, wir zwei gehören nicht zusammen! Wir passen nicht einander! Angeblich wurde er von unserer Oma-Dreyer ausgesucht. Sie war auch die Einzige, die mich so nannte.
Ich höre sie heute noch rufen… „Elfr-üüüüüü-de“… Grrrrrrrr …
Von klein an wurde ich „Ella“ genannt. Mit Ausnahme von unserem Vater, der nannte mich grundsätzlich nur „Ello“. Er wollte einen Jungen und behandelte mich auch so. Ich machte mit, (ich habe immer getan was man mir sagte, außerdem war ich viel lieber draußen bei den Tieren und der Natur) hatte bei ihm dafür einen Stein im Brett.
Hier zu Lande ist es erst recht blöd. Grundsätzlich wird man mit dem Vornamen angesprochen oder aufgerufen. Das hört sich vielleicht bescheuert an: „El-freit“! Eher wie ein Gericht im Fast Food Restaurant
Ich muss es mir angewöhnen und daran denken, immer wenn ich meinem Namen wo angebe/schreibe (Ela) hinzuzufügen.
Viele fragen mich, warum ich meistens mit „Ela“ unterschreibe. Ganz einfach „Ella“ bedeutet auf Spanisch „sie“ und wird „Elja“ ausgesprochen. Deshalb habe ich ein "l" amputiert.So, jetzt wisst Ihr was ich von meinem Namen halte! Und weil das schon immer so war… erzähl ich Euch jetzt eine kleine Geschichte dazu.
Als wir Kinder waren, hatte unser Vater Zoff mit der Deutschen Schule in Independencia. Scheinbar ziemlich arg, denn er nahm meine drei größeren Geschwister aus der Schule. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt das Schulalter noch nicht erreicht. Der große Bruder wurde aufn Gaul gesetzt und musste jeden Tag einige Kilometer zur nächsten Kolonie reiten. Der zweite wurde nach Encarnación zur Tante gebracht und ging dort zur Schule. Meine Schwester war gerade mal sieben oder acht geworden, sie kam zu Bekannten nach Asunción und ging dort in der Katholischen Nonnenschule.
Ich war damals vier Jahre und hatte plötzlich keine Geschwister mehr!Ein Jahr später. Auf einem anderem Grundstück das uns gehörte, lebte ein älterer deutscher alter Junggeselle, Eigenbrötler, Künstler und Lebenskünstler. Der Hans Stecher. (ich habe heute noch ein Gemälde von ihm.)
Bei uns wurde immer pünktlich zu Mittag gegessen. Herr Stecher erschien auch jeden Tag pünktlich um kurz vor zwölf mit irgendeiner Ausrede und blieb bis das Essen auf dem Tisch stand. Wohl oder übel wurde er gefragt, ob er mitessen wolle. So dachten sich meine Eltern; wenn er eh schon hier isst, kann er der Ella auch das Abc und 1x1 beibringen.
Na toll! Ich zog das große Los!
Von nun an kam er weiterhin jeden Tag, nur brauchte er keine Ausreden mehr und bekam zusätzlich zum Mittagessen auch noch Frühstück und Taschengeld! Ich weis noch, einmal bekam ich Ärger und eine gescheuert, weil ich ihm verpetzt hatte. Er meckerte über den Cocido (Tee) und schüttete ihn aus dem Fenster weil‘s kein Kaffee gab.Ich kann mich an Vieles erinnern, aber bestimmt nicht daran, dass er mir was beigebracht hat.Ein weiteres Jahr darauf, bemerkten die Eltern wohl meine Einsamkeit und holten die Veronika, ein Kind von Bekannten aus Encarnación, zu uns. Ich weis, es macht keinen Sinn, aber damals machte so sehr Vieles keinen Sinn bei uns. Das Thema Veronika, (sie war vier Jahre älter als ich) werde ich hier nicht weiter beschreiben. Das ist eine total andere Geschichte. Nur so viel, sie konnte weder lesen noch schreiben und durfte Stecher’s Unterricht mit mir teilen, aber sie hat mir mehr beigebracht als der Alte Knurrsack. Ich habe immernoch ein Stecher Gemälde als Andenken. Er hatte damals keine Leinwände, deshalb malte er auf Sperrholz. Seine Motive waren immer das Landleben der Paraguayer und vergaß nie die Aasgeier am Himmel.Nach zwei weiteren Jahren war ich gerade acht. Muttern ist mit uns vier Kinder (alle wieder Nachhausgepfiffen…) nach Villarrica gezogen.
Unser Vater blieb aufs Land und kam nur am Wochenende zu uns.Ich war die Einzige, die noch kein Spanisch konnte… und auch sonst nichts konnte… doch das war den Eltern gar nicht so klar gewesen. Schließlich hatte ich doch zwei oder drei Jahre Unterricht beim Hauslehrer den Herrn Stecher.
Altersgerecht gehörte ich in die 3. Klasse und so wurde ich in der katholischen Nonnenschule eingeschrieben. Niemand sprach Deutsch (oder das Kauderwelsch das wir Deutsch nannten). Doch das war alles nur halb so schlimm. Das schlimmste war ja keinen Christlichen Namen zu haben! Und nicht getauft! Evangelisch getauft zählte nicht! Wir wurden so beschwätzt, das unsere Eltern ja zur einer „richtigen Taufe“ sagten. Das einzige was ich daraus verstehen konnte und einen riesen Lichtblick an meinen bescheidenen Horizont war; ein neuer Name! Nie wieder Elfriede! Endlich würde man mit mir spielen, weil man meinen Namen aussprechen kann. Oh mein Gott war ich aufgeregt über diese Taufe! Das aller, aller, Schönste, ich durfte mir selbst einen Namen aussuchen. Jippiii, Jippiii…! Meine Eltern nahmen das alles gar nicht so ernst. Haben alles so schön mitgemacht, denn es sollte ja nur ein zusätzlicher 2. Vorname sein. Hätte ich damals schon den Spruch gekannt; „endlich gehöre ich nicht mehr zur Unterschicht“ dann wäre das mein wichtigster Satz gewesen.
Na gut, zu der zeit und die Hälfte meiner Schulkameradinnen, hatten einen Namen der mit „María“ anfing. María Mercedes, María Estela, María Graciela… ich fand das so schick und so war mein Wunschname „Maria Cristina“. Ach… ich schwebte auf Wolken… und er klang so christlich!Dann wurde ich getauft und gleich danach kam meine erste Kommunion.
Die Bescheinigung habe ich noch, María Cristina wurde mein Hauptname. Aus „Elfriede“ wurde „Wilfride“ gemacht und fünf Jahre lang, während ich auf dieser Schule ging, nie wieder erwähnt! Ich war nur María Cristina und niemand ahnte, dass ich noch einen dritten Name hatte. Elfriede oder Wilfride erschienen auf keinem Zeugnis oder sonstiges Schuldokument. Mit dreizehn kam ich auf einer neuen Schule. Mein Vater ging hin und wollte mich einschreiben. ordnungsgemäß nahm er meine Geburtsurkunde und meine Grundschulabschlusszeugnisse mit.
Man fragte meinem Vater, welche der beiden Mädels er wohl anmelden wolle. Auf die Geburtsurkunde stand Elfriede Dreyer und auf den Zeugnis María Cristina Dreyer! Meine Güte war mein Vater sauer als er heimkam. Er musste bis zum Kultusministerium um das ganze in Ordnung zu bringen. Nur es war bestimmt nicht so schlimm, wie für mich wieder die Elfriede zu sein. Da fingen wohl meine ersten Depressionen an. Zumal ein halbes Duzend meiner alten Schulkameradinnen mit zur gleichen Schule gewechselt sind! Ich weis bis heute immer noch nicht, welche Taufe gilt denn nun. 2 x Taufen geht doch nicht. Demnach bin ich Evangelisch. Doch überall steht Katholisch… ist es verwunderlich, dass ich meinen eigenen Glaube habe? Was spielt es noch für eine Rolle? Mein Vater pflegte zu sagen; „Die Religion ist unwichtig, allein der Glaube zählt!“ Hier nochmal ein Foto von uns vier Geschwistern und Mutter. Alle schon mit einen Namen!

Liebe Grüße!

Dienstag, 17. August 2010

Der Buschdoktor

Früher, und ganz besonders um in einer fremden Welt in den Urwald zu ziehen, musste man schon vom Allen ein wenig Ahnung haben. Die Zeiten, wo man die Gelben Seiten aufschlagen konnte, um einen Handwerker, Klempner, Schreiner oder gar einen Arzt zu rufen, sind bis heute noch nicht so richtig bis nach Independencia gedrungen.
Alles musste selber gemacht werden. Besonders schön war es, wenn man sich gegenseitig helfen konnte. Was aber nicht unbedingt den Eindruck erwecken soll, das damals zwischen den ersten Kolonisten alles nur Friede-Freude-Eierkuchen war. Nee, nee… es gab da schon jede Menge Reiberein. Alleine schon der Fakt, dass eine Kolonie aus Menschen von unterschiedlichen deutsche Bundesländer stammten. Dann auch Österreicher, Schweizer und eine Minderheit an andere Nationalitäten. Doch wenn es hart auf hart ging, wurde zusammengehalten.
Die allerersten Häuser, waren im Grunde nur ganz einfache Palmhütten. Unser erstes Haus, dass ich im ersten Post vorgestellt habe, war schon aus Lehm und selbstgebrannte Ziegelsteine. Türen und Fenster hatte Opa selbst gezimmert. Die Schindeln wurden aus dem Hartholzbaum „Lapacho“ mit der Axt in brauchbarer Form gehauen. Der Boden war festgetretener roter Lehm, der im trockenen Zustand sehr hart wurde. Doch alles keine Garantie um Ungeziefer fern zu halten.
Jetzt machen wir mal einen kleinen Salto; von den 20zigern hin zu 1942 – 1952. Die Jahre als unsere Eltern geheiratet haben und alle vier Kinder geboren sind.
Unser Großvater hatte ein wenig medizinische Kenntnisse. Ich glaube er war eine Zeitlang Sanitäter im Krieg, außerdem war er in dieser Hinsicht sehr interessiert und belesen. So kam es, dass er unser Doktor, Tierarzt, Hebamme, Guru und Besserwisser war. Irgendwann hatten wir schon einen Arzt, doch es sind immer noch viele Leute zu Opa zur Behandlung gekommen. Entweder war der richtige Doktor zu weit weg, er wurde nicht angetroffen oder hatte schon zu tief ins Glas geschaut. Was nützt es wenn man den Doc nicht einmal mehr auf seinem Pferd bekommt, um eine mehrstündige Strecke zum Patienten zu bewältigen.
Opa bei der Siesta.
Mutter Schwanger! Aber mit wem von uns... keine Ahnung.
Es war damals auch eine ausgesprochene „Männerwelt“. Ok, das war es überall, die sogenannte Emanzipation kam erst viel später. Doch bei uns war es in erster Linie aus Sicherheitsgründen. Am schlimmsten war immer die Angst vor Überfällen. (Was heißt hier „war“… da hat sich bis heute nicht viel geändert. ) Aber davon ein anderes mal.
Bei uns Zuhause trafen Männer Entscheidungen jeglicher Art. Es wurde mit den Frauen nichts besprochen, sondern befohlen. Selbst die Familienplanung musste vom „Oberguru „ abgesegnet werden. Vorsorglich gab es aber keine Pille, Kondom, Spirale oder sonstiges. Es gab nur die Nachsorge.
Unsere Mutter hatte die seltene Blutgruppe AB oder B Negativ. Selbst Jahre später, als wir schon erwachsen waren, wollte kein Arzt oder Laboranten glauben, dass sie Kinder gebären konnte. Dann auch noch vier und unter den gegebenen Bedingungen!
Das wir auf der Welt sind, haben wir auch zum Teil unseren Opa zu danken. Er behandelte unsere Mutter, zur Anfang jeder Schwangerschaft mit dem Baunscheid Verfahren. Sein Baunscheid Gerät und sein Öl, waren das, was ein normaler Arzt seine Arzttasche nennen würde.
Es kann sein, das der eine oder andere von Euch weiß was das ist. Es wird heute noch in der alternativen Medizin angewendet. Erfunden wurde es von Carl Baunscheid, 1809 – 1872, der durch Zufälligen Mückenstich Erleichterung seines Gichtleidens erfuhr.
Es soll entzündungshemmend sein, gegen Gicht, Rheuma und vieles mehr wirken. Aber vor allem die Durchblutung fördernd und Blut reinigend sein. Seine Wirksamkeit konnte bis heute noch nicht klinisch nachgewiesen werden.
Carl Baunscheid hatte seine eigene Rezeptur für die Zusammensetzung des Öles, hatte es aber nicht niedergeschrieben. Er nahm sein Geheimnis mit in dem Grab. Danach wurde das Krotonöl eingesetzt, was erst seit ein paar Jahrzehnte in Deutschland verboten ist. Es wurde festgestellt, dass das Krotonöl, Krebstumore bildet. Jetzt werden andere Öle, wie z.B. Wacholder öl, benutzt.
Unsere Eltern sind beide an Krebs gestorben. Zufall?
Also das Gerät selbst sieht fast so aus wie ein Mörserstab. Vorne sind 20-30 Stahlnadeln, die an einem gefederten Kopf sind. Damit wird der Patient am Körper, hauptsächlich auf dem Rücken, die Haut eins bis zwei mm eingestochen oder geritzt. Dann kommt das Baunscheidöl darauf gerieben, nach zwei bis drei Tage bilden sich kleine weiße bis gelbliche Pusteln.
Früher sind wir noch nicht mit einem Fotoapparat rumgelaufen und haben alles geknipst. Deshalb habe ich es zur besseren Verständigung, nach meinen Erinnerungen gemalt.
Fieber, Übelkeit und andere Nebenwirkungen können auftreten. Unsere Mutter nannte es die „Rosskur“. Nach ca. einer Woche krank sein, geht es einem wieder besser und der Körper ist auch von innen gereinigt. Das ist Sinn des Zweckes.
Auf diese Art und Weise, wurde unsere Mutter mehrmals von schweren Krankheiten geheilt.
Da meine Großeltern, keine Ahnung von der Heirat des aus Buenos Aires Heimkehrenden Sohn hatten, war natürlich der Teufel los, als er von Unterwegs eine Frau mitbrachte. Meine Eltern kannten sich knapp drei Wochen als sie getraut wurden. So kam es auch, dass die sofortige Schwangerschaft unserer Mutter, eher als eine Sünde angesehen und verurteil wurde. Penibel genau wurde nachgerechnet als unser großer Bruder da war. Genau neun Monate und zehn Tage nach der Hochzeit!
Unser Vater wollte Jungs… er bekam einen Sohn. Er bekam einen zweiten Sohn… er wollte immer noch mehr Jungs… das dritte Kind, meine Schwester… ein Mädchen. Was machte unser Macho-Vater…? Er zog eine Woche lang aus! Er sprach nicht mit unserer Mutter… er schaute das Kind nicht einmal an! Mutter war in ihrem Wochenbett, mit Baby und mit zwei kleinen Jungsens allein gestellt! Na prima! Nach einer Woche kriegte er sich wieder ein und akzeptierte die Realität, bzw. seine Tochter.
Danach sollte doch ein zweites Mädel kommen, denn laut seiner Aussage, würde aus einem Mädchen alleine, nur eine eingebildete dumme Ziege werden!
Dann kam ich… kann ich mich jetzt so zu sagen als „Wunschkind“ bezeichnen? Oder nur als die Rettende Schwester? Wenn Du das liest, Schwesterherz; wir gehören zusammen. Ohne dich hätte Papa mich eine Woche lang nicht angeschaut… und, ohne mich wärst du jetzt eine eingebildete dumme Ziege!!! Ha, ha…
Wie es bei der Geburt meiner Geschwister wohl war, kann ich nicht sagen, ich war ja noch nicht da. Aber ich war die, die unsere Mutter am meisten bei der Geburt quälte. Das hat sie mir später oft erzählt. Ich war eine kleine Steißlage und es gelang „Dr. und Hebamme Opa Dreyer“ nicht, mich zu drehen. Es war doch so dunkel da drinnen… woher sollte ich wissen wo der Ausgang ist! Außerdem wollte ich nicht ein Schütze werden… ich wollte nur Steinbock sein! So kam es, dass ich meine Mutter mit schmerzhaften Wehen eineinhalb Tag versorgte. Total erschöpft und mit letzter Kraft, drehte ich mich doch und Mama sah die Englein tanzen! Dann nix wie raus, denn mir wurde die Luft knapp. In dem Moment, wo sich normalerweise Eltern über den ersten Schrei freuen dürfen, gab ich keinen Laut von mir und lag reglos und blau da. Schnell wurde ich abgenabelt, aber es schien trotzdem zu spät. Das Baby „ich“ atmete und regte sich nicht. Tot… Opa nahm mich, das kleine blaue Bündel, raus vor der Tür. Es war morgens halb acht und noch nicht so warm, er versohlte meinen Arsch und schmiss mich schnell ein paar mal hintereinander in die Luft… und glaubt mir; wenn man als frischgeborenes Baby gleich so einer Folter erlebt, muss man sich ja wehren und schreien! Ich war wieder da! Ich lebte! …und bin bis heute davon überzeugt, dass man mich aus Strafe „Elfriede“ genannt hat!
Danke Opa, dass Du mich gerettet hast!
Bin doch auch ein süßes Baby!
Da konnte ich gerade laufen.
Bis zur nächsten Geschichte und herzliche Grüße!

Sonntag, 15. August 2010

Die Rahmengeschichte

Paraguay heute – kurze Zusammenfassung.
Ein südamerikanisches Binnenland, das von seinen Einwohnern mit Stolz, und nicht nur seiner geographischer Lage wegen, „das Herz Südamerikas“ genannt wird.
Mit einer gesamtfläche von 406.752Km², etwa so groß wie Deutschland und die Schweiz zusammen. Gesamteinwohnerzahl; knapp 6,4 Mio., nicht ganz das Doppelte was allein Berlin an Nasen hat. Davon leben ca. ⅙ in und um der Hauptstadt Asunción. Paraguay ist durch seinem gleichnamigen Fluss, so zu sagen in zwei geteilt; Westparaguay und Ostparaguay. Während im Ostparaguay, 28 Einwohner pro Km² leben, sind es in Westparaguay gerademal 0,3.
Nebst Spanisch, wurde inzwischen die Indianersprache „Guaraní“, auch als offizielle Landessprache deklariert.
Die Vegetation ist in beiden Regionen sehr unterschiedlich. Während im Westen sehr trockenes Steppenklima herrscht, ist es im Osten sehr Fruchtbar, Grün mit hoher Luftfeuchtigkeit.
Temperaturen im Sommer bis 42º, können aber auch auf 45º hochklettern. Im Winter kann es zu Nachtfrost kommen.
Nach Jahrelangem und fast jährlichem Oberhauptwechsel, hatten wir von 1954 bis 1989 den Deutschabstammenden Alfredo Stroessner als Diktaturoberhaupt. Seit nun über 20 Jahre Umgewöhnung auf Demokratie, ist das Land zum heutigen Zeitpunkt, wirtschaftlich gesehen, immer noch ein Außenseiter.
Meine ganz persönliche Meinung und mit einem zwinkernden Auge; Die beste Lösung für Paraguay, wäre eine „Demokratur“.
Der Kontrast zwischen Arm und Reich ist sehr groß. Kriminalität und Gewalt hat immens zugenommen. Korruption und Bestechlichkeit, macht aus dem gesamten ein sehr marodes Rechtssystem. Ein Grund für größere Investoren, sich lieber in den Nachbarsländer, Brasilien, Chile oder Argentinien nieder zu lassen.
Trotzdem, gehört Paraguay schon seit über 100 Jahren und bis heute noch, zu eines der beliebtesten Ziele für Auswanderer. Besonders aus deutschsprachigen Länder. Für Handwerker, Landwirte, Rentner, sowie Träumer mit rosaroter Brille, die ihre alte Heimat den Rücken kehren möchten, ist Paraguay sehr angesagt. Genau wie zu frühesten Zeiten, schafft es auch heute nicht Jeder. Obwohl die Gründe dafür, sich von den Damaligen sehr unterscheiden.
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Die ersten Kolonien in Paraguay, wurden im Jahre 1900 gegründet. Entlang des Paraná Flusses und nicht weit weg der Südstadt Encarnación. Nur dort haben wir bis heute noch sehr viele Verwandte.
In der kleinen Kolonie Cambyretá ist unsere Mutter, eine geborene Pretzel, als Vierte von acht Geschwistern zur Welt gekommen und groß geworden. Cambyretá ist Guaraní, die Indianersprache und bedeutet „Milchland“; camby = Milch, retá = Land.
Mutters Mutter ist von deutschen Eltern schon in Argentinien geboren. Auch ihr Vater ist von deutschen Eltern, in Brasilien geboren.
Das sind meine Urgroßeltern Ernst und Anna Pretzel, die weiß der Kuckuck wann von Deutschland nach Brasilien gekommen sind.

Unser Großvater, Vater des Vaters, ist nach dem ersten Weltkrieg, erst nach Buenos Aires, später nach Paraguay ausgewandert. Was genau ihn dazu bewogen hat, war wohl in erster Linie die schlechte Nachkriegssituation in Deutschland. Zu dieser Zeit ist auch die kleine Schwester meines Vaters verhungert. Wann genau das war, kann ich mich im Moment nicht festlegen. Unsere Oma ist 1925 mit unserem Vater, als zwölf jähriger Bub, ihrem Mann nachgewandert.
Die Eltern meines Vaters. Hochzeit in München 1912. Herrmann und Margarethe Franziska Dreyer geb. Brehm. Meine Großmutter und mein Vater Ernst August Dreyer. In Buenos Aires

Opa arbeitete in Argentinien, ich glaube als Mayordomo, Oma war sowas wie Haus- und Kindermädchen. Da ihr früheres Leben einen höheren gesellschaftlichen Status hatte, bezeichnete sie ihre argentinische Zeit, mit Vorliebe als „Gouvernante“.
Wann genau meine Großeltern und Vater nach Kolonie Independencia, Paraguay ankamen, weiß ich nicht so genau. Muss ich erst einige Recherchen abwickeln.
Auch hier ist Opa wieder voraus und die Familie kam nach.
Das war das erste Haus unserer Familie in Colonia Independencia.
Inzwischen wurde das „Colonia“ gestrichen und heißt heute nur noch Independencia.
Insgesamt gab und gibt es noch… oh Gott, ich will mich jetzt nicht festlegen, aber es müssen um die 18 – 20 deutschsprachige Kolonien in Paraguay. Die Mennoniten Kolonien in Westparaguay einbezogen.
Aktuell hat Independencia eine Fläche von ca. 250.000 Hektar² und ca. 5000 deutschsprachige Einwohner. Die weit verstreut in der reizvollen Landschaft leben.
Wie entstand die Kolonie Independencia?
Außer ein paar Afrika Deutsche die sich 1919 dort niederließen, waren es ein paar Württemberger die 1920 ursprünglich nach Argentinien wollten. Doch auch damals gab es genug Gauner, die als Agenten, den hoffnungsvollen Auswanderer das letzte zusammengekratzte Geld aus der Tasche zogen und sich anschließend in Luft auflösten.
Ohne Geld in Buenos Aires angekommen, blieb ihnen nur der Weg zur deutschen Botschaft. Dort wurden sie vor der Wahl gestellt; Entweder wieder nach Hause oder aber einen Freifahrtschein nach Paraguay, wo ihnen die Behörden insgesamt 10.000 Hektar Regierungsland für deutsche Aussiedler anbot. (Die Verteilung, wenn ich mich nicht täusche, waren 20 Hektar für jeden erwachsenen Mann.) Sie entschieden sich für das Letztere.
Den Río de la Plata und später Paraguayfluss, von Buenos Aires bis Asunción, die Hauptstadt Paraguays, von dort ging es ca. 200Km mit der Eisenbahn nach Villarrica.
Zu Fuß ging es Östlich weiter und nach 35Km erreichten sie, das ihnen zugewiesene Urwaldgebiet.
Mit dem Ochsenkarren kam das Gepäck nach. Viel hatten sie nicht dabei, nur das aller Nötigste. Hauptsächlich Werkzeug, Kleidung, Bücher und persönliche Dinge die an die alte Heimat erinnerten.
"Colonia Independencia" bedeutet auf Deutsch; Kolonie der Unabhängigkeit, was die freie Entfaltung wirtschaftlicher und kultureller Art mit einschloss, das hatte die paraguayische Regierung versprochen und auch bis zum heutigen Tage gehalten. Von der großen Not in den Anfangsjahren, wo Schlangen und Moskitos die Urwaldsiedler bedrohten und peinigten, wo es wochenlang statt Fleisch oder Brot nur Fette- Henne- Blätter-Spinat (ein Unkraut das dort überall wächst) gab, hörte ich als Kind immer wieder viele Geschichten.
Das Schlimmste seien damals die Ochsen der Carreteros gewesen, die des Nachts, die mühsam angelegten Mais- und Gemüsefelder der Siedler zertrampelten und leer fraßen. Hatten auch keine Möglichkeit einen Zaun zu errichten, so schliefen sie meistens in Schichten und es musste immer Wache gehalten werden.
Es ist schon ein wenig verdreht, denn heute noch lassen viele Hiesige ihre paar Rinder auf der Straße laufen, weil sie nicht die nötigen Weiden besitzen. Die Landwirte müssen ihre Plantagen einzäunen und ständig kontrollieren.
Das ist jetzt die allgemeine Rahmengeschichte meiner zukünftigen Geschichtchen.
Da wir in Independencia geboren und aufgewachsen sind, werden sich meine Erzählungen in diesem Blog, hauptsächlich und besonders am Anfang, dort abspielen.
Eine kleine Bitte habe ich an Euch; ich bin ein sogenannter "Stichwortmensch", schreibt mir einfach ein Stichwort auf und ich werde bestimmt ein passende Geschichte aus der damaligen Zeit erzählen können. Es gibt so viel zu erzählen... (Aber bitte nicht sowas wie MP3 Player, Mikrowelle oder PC... das gab es damals noch nicht.)
Herzliche Grüße!