Fall Dramé: Urteil im Polizisten-Prozess
Aktuelle Stunde . 12.12.2024. 42:31 Min.. Verfügbar bis 12.12.2026. WDR. Von Christof Voigt.
Freispruch für alle Polizisten im Fall Mouhamed Dramé
Stand: 12.12.2024, 20:18 Uhr
Am Donnerstag hat das Dortmunder Landgericht das Urteil gegen fünf Polizisten wegen eines tödlichen Polizeieinsatzes verkündet. Sie sind alle freigesprochen.
Von David Peters
Eine Straftat sah das Landgericht weder beim Schützen noch beim Einsatzleiter. Sie haben rechtmäßig gehandelt, stellte der Richter fest. Die Polizisten hätten davon ausgehen müssen, in Gefahr zu sein, als Mouhamed Dramé sich mit einem Messer auf sie zu bewegte. Das Gericht betonte aber auch, dass Mouhamed Dramé die Polizisten nicht angreifen wollte, sondern lediglich versuchte vor dem eingesetzten Pfefferspray zu flüchten.
Damit folgt das Gericht den Verteidigern der fünf Angeklagten, die allesamt auf einen Freispruch plädiert hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schluss-Statement eine zehnmonatige Bewährungsstrafe für den Einsatzleiter und Freisprüche für die anderen Polizisten gefordert.
Situation eskalierte nach Pfeffersprayeinsatz
Mouhamed Dramé hatte im August 2022 im Innenhof einer Dortmunder Jugendeinrichtung gehockt und sich in suizidaler Absicht ein Messer gegen den Bauch gehalten. Weil Kontaktversuche von Zivilpolizisten gescheitert waren, hatte der Einsatzleiter befohlen, Pfefferspray gegen Dramé einzusetzen, damit dieser das Messer fallen lässt.
Stattdessen erhob sich Dramé und bewegte sich auf die Polizisten zu. Diese feuerten mit Tasern und mit einer Maschinenpistole auf den jungen Senegalesen, der später im Krankenhaus an den Schussverletzungen starb.
Mit dem Urteil geht ein langer Prozess zu Ende: Gut ein Jahr hat das Dortmunder Landgericht den Fall akribisch aufgearbeitet.
Bruder von Mouhamed Dramé: Haben den Kampf verloren
Bei der Urteilsverkündung waren auch Mouhamed Dramés Brüder aus dem Senegal Sidy und Lasanna Dramé im Gerichtssaal. Sie sind im Januar nach Dortmund gereist und haben seitdem den Prozess verfolgt. Das Urteil ist für beide ein Schock. Niedergeschlagen haben sie den Gerichtssaal verlassen.
Der älteste Bruder Sidy hat während der Verkündung geweint. "Wir haben den Kampf verloren", sagt er im Gespräch mit dem WDR. Er schäme sich für das Urteil des Richters: "Das soll Gerechtigkeit sein?"
Anwältin Grüter, Sidy und Lassana Dramé vor der Urteilsverkündung
Rechtsanwältin Lisa Grüter hatte die Angehörigen von Mouhamed Dramé als Nebenkläger unterstützt. Sie will jetzt darüber nachdenken, ob sie Revision einlegt. Das Urteil bezeichnet sie als "ernüchternd". "Familie Dramé ist mit großen Erwartungen an den Rechtsstaat hierhergekommen und bitter enttäuscht worden. Es ist strafrechtlich niemand zur Verantwortung gezogen worden, dass ihr Bruder getötet worden ist", bilanziert Grüter.
Gericht: Vorgehen der Polizisten alternativlos
Michael Emde hat den Einsatzleiter in dem Prozess verteidigt. Für Emde steht fest: "Man kann so eine Tat nicht an dem Ergebnis messen, sondern muss sie an dem messen, was mein Mandant an Ort und Stelle für einzig erforderlich und sinnvoll gehalten hat."
Der Vorsitzende Richter Kelm sah kein strafbares Handeln beim Einsatzleiter
Das Gericht hat in seinem Urteil festgehalten, dass der Einsatz von Pfefferspray gegen Mouhamed Dramé rechtmäßig und auch das einzig geeignete Vorgehen gewesen sei. Beispielsweise einen Psychologen und Dolmetscher herbeizuziehen, hätte zu lange gedauert. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Einsatzleiter mit dem Vorgehen Mouhamed Dramé an einem Suizid habe hindern wollen.
"Dass das in dem Ergebnis nicht zum dem gewünschten Erfolg geführt hat, ist selbstverständlich eine Tragödie", ergänzt Verteidiger Emde.
Zuschauer skandieren nach Urteil Parolen im Gerichtssaal
Ein Teil des Publikums nach der Urteilsverkündung
Der gesamte Prozess wurde von vielen Zuschauern verfolgt, so auch heute bei der Urteilsverkündung. Als die Verhandlung abgeschlossen war, skandierten Aktivisten im Zuschauerbereich des Gerichtssaals "Justice for Mouhamed - Das war Mord". Justizbeamte haben das Publikum dann aufgefordert, den Gerichtssaal zu verlassen.
Spontane Demonstration am Abend
Als Reaktion auf das Urteil haben am Abend rund 300 Menschen spontan in der Dortmunder Nordstadt demonstriert. Sie zeigten Unverständnis über die Freisprüche und forderten weiter Gerechtigkeit für Mouhamed Dramé.
Die Demonstration zog auch zur Nordwache, wo die freigesprochene Polizisten 2022 eingesetzt waren. Zahlreiche Polizisten sicherten die Wache vor der Demonstration ab, die nach einigen polizeifeindlichen Parolen weiterzog.
Nebenklage denkt über Revision nach
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Nebenklage und auch die Staatsanwaltschaft denken darüber nach, Rechtsmittel einzulegen. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof ist möglich.
Unsere Quellen:
- Reporter im Gericht
- Anklage der Staatsanwaltschaft
- Plädoyer der Staatsanwaltschaft
- Plädoyer der Verteidiger
- Urteilsverkündung des Landgericht Dortmund
- Gespräche mit Verteidigern, Staatsanwaltschaft und Nebenklage
- Gespräch mit Sidy Dramé