Ein niederländischer Militärpolizist steht in einer Halle der Militärbasis in Gilze-Rijen neben den Überresten von Flug MH17 (Archiv 2015)

Jahrestag der MH17-Katastrophe Kein richtiges Gefühl der Gerechtigkeit

Stand: 17.07.2024 11:35 Uhr

Zehn Jahre ist der Abschuss von Flug MH17 über der Ukraine her. Ein Gericht wies eine russische Beteiligung nach. Im Gefängnis landete bislang aber niemand. Für die Hinterbliebenen eine schwierige Situation.

Von Ludger Kazmierczak, Den Haag

Es ist der 17. Juli 2014, in einer Extra-Ausgabe des NOS-Journals erfahren die Niederländer am späten Nachmittag von der Katastrophe: Im Osten der Ukraine sei ein Passagierflugzeug abgestürzt. Es ist Flug MH17, der auf dem Weg von Amsterdam nach Malaysia war.

Unter den fast 300 Menschen an Bord sind auch Mutter, Schwester, Schwager und die beiden Neffen von Paul Marckelbach aus Nuenen bei Eindhoven. Als er die Nachricht hört, hofft er zunächst, dass seine Familie den Flieger verpasst hat.

Später am Abend ist klar, dass sie an Bord waren und es keine Überlebenden gibt. Sie sind tot.

Viele Niederländer auf dem Weg in den Urlaub

Fast 200 Opfer sind Niederländer, die meisten von ihnen waren auf dem Weg in den Urlaub, so wie die Verwandten von Paul Marckelbach. Vor allem der Tod seiner beiden Neffen - dreieinhalb und sieben Jahre alt - zerreißt ihm das Herz: "Deine Zukunftsvision ist auf einmal weg. Es gibt keine Aussicht auf was Schönes, ein Stückchen Lebensfreude ist weg. Es hat lange gedauert, das zu verarbeiten."

Als eine Woche später die Särge mit den sterblichen Überresten der niederländischen MH17-Opfer in Eindhoven landen, wird Paul von seinen Freunden zur Trauerfeier begleitet. Arjen van Sluis wird diesen heißen Sommertag nicht vergessen: Die Kolonne aus 40 schwarzen Leichenwagen und die unzähligen Menschen am Straßenrand, die den Toten die letzte Ehre erweisen und leise applaudieren.

"Ich kann mich an alles noch ganz genau erinnern, an die vielen Särge", erzählt er. "Und das schwierige in dem Moment ist, dass du nicht weißt, wer oder was sich in welchem Sarg befindet. Das war auch für Paul sehr schwer."

Australien will Russland zur Rechenschaft ziehen
Am 10. Jahrestag der Absturz-Katastrophe fordert Australien, Russland für den Tod der 298 Menschen an Bord des Flugs MH17 zur Rechenschaft zu ziehen. "Ich bekräftige unser gemeinsames Streben nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Rechenschaft für die Gräueltaten vom 17. Juli 2014", sagte Außenministerin Penny Wong bei der Gedenkfeier in Canberra.

Unter den Opfern befanden sich auch 39 Australier.

Wohl von russischer BUK-Rakete abgeschossen

Ein internationales Ermittlerteam kommt sehr bald zu dem Schluss, dass die Maschine der Malaysia Airlines wohl von einer russischen BUK-Rakete abgeschossen wurde, abgefeuert im Osten der Ukraine.

Im November 2022 verurteilt ein niederländisches Gericht zwei russische Staatsangehörige und einen Ukrainer in Abwesenheit zu lebenslanger Haft wegen ihrer Beteiligung an dem Verbrechen. Ein vierter Verdächtiger wird freigesprochen.

"Gerechtigkeitsgefühl, das anders sein sollte"

Für die Hinterbliebenen ist es kein wirklich befriedigendes Urteil, sagt Dick Schoof, heute Ministerpräsident und damals oberster Terrorismusbekämpfer der Niederlande: "Letztlich ist niemand im Gefängnis gelandet, aber drei Männer wurden verurteilt. Das Gefühl von Gerechtigkeit ist da, aber nicht so, wie es eigentlich hätte sein sollen."

Vor dem Monument für die MH17-Opfer in der Nähe des Flughafens Schiphol wird heute Nachmittag der Toten vom 17. Juli 2014 gedacht. Danach erwartet Paul Marckelbach bei sich zu Hause ein paar Freunde - wie an jedem Jahrestag der Katastrophe: "Dann stoßen wir an auf das Leben. Meistens können wir bei gutem Wetter draußen sitzen und denken an meine Schwester Simone, an Antoine, Quint, Pijke und an meine Mutter."

Ludger Kazmierczak, ARD Den Haag, tagesschau, 17.07.2024 10:28 Uhr