Der folgende Beitrag beschreibt das technische Konzept einer zukunftsfähigen Energiezelle, die Teil eines Energiezellensystems ist.
Zukunftsfähige Energiezelle
Schlüsseltechnologie wäre die autonom agierende, selbstorganisiert einem einheitlichem Verhaltenscodex folgende und durch Führungsgrößen der Netzbetreiber orchestrierte Energiezelle. Diese enthält Energieassistenzsysteme, welche mit anderen Systemen über ein Energieinformationsnetz kommunizieren und so gemeinsam die Herausforderungen der Energiewende meistern. „Besitzer“ der konsequent kooperativ agierenden Energiezellen wären in der kleinsten Ausprägung „mündige“ Energienutzer. Energiezellen werden zu größeren Ansammlungen zusammengefasst, die Ebenenstrukturen bilden. Das europäische Strom- und Gasnetz bildet technisch, der europäische Energiemarkt logisch die größte Energiezelle.
Der Strom hat kein „Verfallsdatum“, aber ihm geht rasch die „Luft“ aus
Elektrische Energie kann so gut wie überhaupt nicht gespeichert werden. Die Summe aller Einspeisungen im gesamten Netz muss deshalb augenblicklich gleich der Summe aller Entnahmen für Energiebevorratungen und/oder -nutzungen sein. Minimale Abweichungen von diesem Gleichgewicht können bisher nur Synchrongeneratoren mit ihrer Schwungmasse ausgleichen. Die Drehgeschwindigkeit dieser Generatoren (und damit die Netzfrequenz) ist ein sehr wichtiger und nützlicher Indikator für das Leistungsgleichgewicht im Stromnetz. Siehe auch den Beitrag zum wichtigen Faktor Zeit.
Bedeutung des autonomen, selbstorganisierten Verhaltens im Energiesystem
Die Beibehaltung des Leistungsgleichgewichts im Stromnetz ist mit einer Wanderung auf einem sehr schmalen Grat zu vergleichen. Veränderungen des Leistungsgleichgewichts infolge eines zu hohen Gleichzeitigkeitsfaktors führen zum Absturz, zum „Blackout“. Deshalb kommt es im Stromnetz so sehr auf ein autonomes, stochastisches und generell netzdienliches Verhalten in allen Energiezellen an. Der Zufall hilft, das Chaos zu beherrschen.
Energiesystem als vielstimmiges „Orchester“, als Zusammenspiel vieler Energiezellen
Für das Zusammenspiel kommt es auf ein netzdienliches Verhalten in allen Energiezellen und das in allen Zeitebenen des Energieversorgungssystems an. Dazu sind Führungsgrößen in einem Energieinformationsnetz zu verbreiten. Es darf jedoch kein zentrales (Fern-) Steuern geben. Letzteres ist „lebensgefährlich“, weil ein in jedem Falle wirksamer Schutz gegen Informationsverfälschung und sonstigen Missbrauch nie sichergestellt werden kann. Ein durch zentrales Einwirken in der Breite erzielter hoher Gleichzeitigkeitsfaktor ist für das Netz „tödlich“. Dagegen beschreibt die Analogie zu einem Orchester mit autonom wie auch intelligent agierenden Akteuren samt einem Taktgeber mit seiner Sicht aufs Ganze das künftig notwendige, einem einheitlichen Verhaltenscodex folgende Zusammenwirken vieler Energiezellen.
Lokale Speicherung als Daseinsvorsorge, nützlich auch für den Netzwiederaufbau
Ein Leben ohne lokale Energiespeicherung, nutzbar auch als unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV), ist zwar möglich, aber wenig ratsam. Energiezellen sollen sich künftig im Eigenbedarf fangen können, um den raschen Wiederaufbau eines ausgefallenen Netzes zu ermöglichen bzw. zu unterstützen. Kooperierende Energiezellen sind die künftige Grundstruktur des Energieversorgungssystems. Eine ausgeglichene Energiebilanz im Innern einer Zelle ist auch mit Hilfe von Beteiligungen außerhalb der jeweiligen Energiezelle ständig anzustreben. Dazu kann der messtechnisch erfasste eigene Anteil an der Energie von Beteiligungen innerhalb der Energiezelle selbst verwendet werden (Istwertaufschaltung). Das Erbringen von Systemdienstleistungen kann damit auch von Energienutzern unterstützt werden.
Energiebevorratung muss neu gelernt werden und ist erst ganz am Anfang
Bisher kam der Strom einfach aus der Steckdose – aber auch nur deshalb, weil die Energiebevorratung mittels fossilen Rohenergien möglich war. Diese Art der Bevorratung entfällt infolge der mittelfristig versiegenden Vorräte an Erdgas, Erdöl und Kohle. Künftig müssen ausschließlich die sehr stark wechselnden Energiezuflüsse erneuerbarer Energien zum Auffüllen von Energievorräten genutzt werden. Nur mit einer ausreichenden Bevorratung ist eine Pufferung und eine dem Bedarf ständig angepasste Energiebereitstellung sinnvoll möglich. Besonders für die Langzeitspeicherung fehlen noch weitgehend die technischen Möglichkeiten in den dafür notwendigen Größenordnungen.
Marktrahmenbedingungen müssen auch physikalische Gesetze konsequent beachten.
Das Energiesystem ist eine riesige „Maschine“, deren technische Komponenten in ihrem Wirken den physikalischen Gesetzen unterworfen sind. Bei der Nutzung des Netzes als Plattform für die Energieversorgung und für den Energiehandel können diese Gesetzmäßigkeiten nicht außer Kraft gesetzt werden. Nur im Gasnetz ist der Energietransport stofflicher Natur. Im Stromnetz hingegen kann der Energietransport nur indirekt mittels Messungen erfasst werden. „Unterwegs“ kann weder die Herkunft der Energie noch die belieferte Energiezelle bestimmt werden. Höchstens analog anderen Transporten von Gütern sind die logischen und (betriebs-)wirtschaftlichen Konstrukte. Sie dürfen die physikalischen Gesetze nicht ignorieren. Bei der elektrischen Energie gibt es weder einen Vorrang, noch Prioritäten oder Unterscheidungsmöglichkeiten „verschiedener“ Energiequellen oder Energienutzungen.
Nutzung der Netzplattform auch als Risikovorsorge analog zur Versicherungswirtschaft
Eine möglichst zutreffende Prognose für die Energiebereitstellung und Nutzung ist für die Betriebsplanung und den tatsächlichen online-Betrieb des Energieversorgungssystems von hoher Bedeutung. Die sich daraus in jeder Energiezelle ergebenden Fahrpläne müssen den Energieaustausch lückenlos beschreiben, d. h. die Energiebilanz muss für jedes Zeitintervall in jeder Zelle ausgeglichen sein. Eine Prognose, welche die Zukunft exakt vorweg nimmt, ist nicht möglich. Mit Abweichungen muss immer gerechnet werden. Diese Abweichungen sind künftig bei der Prognose in ihrem wahrscheinlichen Ausmaß abzuschätzen. Bei den Netzbetreibern dienen diese Abschätzungen zur Dimensionierung der Risikovorsorge. Mit den Fahrplänen sind die zu erwartenden Lastflüsse berechenbar. Mit den Abschätzungen der Prognoseabweichungen sind Grundlagen für die Risikovorsorge gegeben. Sie sind der Rahmen für den Regelhub, der durch die Netzregelung beherrscht werden muss.
Wie in der Versicherungswirtschaft ist mit statistischen Methoden aus der Summe der abgeschätzten Abweichungen das verbleibende Risiko der wahrscheinlich auftretenden Abweichungen im Lastverlauf zu bestimmen. Die zum Ausregeln notwendigen Regelbänder auf Einspeise- und/oder Nutzungsseite, müssen genauso wie die über Fahrpläne beschafften Energie“pakete“ bezahlt werden. Diese Zahlungen haben ähnlichen Charakter wie die Prämien der Kraftfahrzeugversicherungen. Bleibt der tatsächliche Energieaustausch innerhalb der geschätzten Abweichung, kann die „Prämie“ auf Dauer verringert werden. Tritt eine höhere Abweichung auf, wird die Prämie erhöht. Mit dieser monetären Steuerung wird eine gute Prognose belohnt, ein schlechte hingegen pönalisiert. Mit einem Naturalausgleich der unvermeidlichen Abweichungen gleich bei der nächstfolgenden Periode (z. B. nächster Tag) werden Spekulationen auf Preisvorteile zwischen den Prognoseperioden stark gedämpft. Ein weitergehender regulativer Eingriff oder gar Subventionen sind damit unnötig.
Der selbstorganisierte Netzwiederaufbau
Der selbstorganisierte Netzwiederaufbau, basierend auf Energiezellen, welche Energie bevorratet haben und aus einem Fangen im Eigenbedarf heraus mittels Energieassistenzsysteme befähigt sind, andere Zellen über das Energieinformationssystem zu entdecken und sich mit denen zu verbünden, wäre einer der wesentlichsten Erfolgsfaktoren, dass die Energiewende gelingt.
Über die weiterhin bestehenden Netzverbindungen bilden sich so Keimzellen eines wieder funktionsfähigen Netzes, das schrittweise zu einem leistungsfähigen Energieversorgungssystem wird. Die notwendigen Fähigkeiten nutzen eine Energiebevorratung und bauen auf USV-Eigenschaften in den Energiezellen auf. Ferner spielt das Energieinformationsnetz eine maßgebende Rolle.