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Bootsflüchtlinge nach ihrer Rettung durch die italienische Marine. Die Seenotoperation "Mare Nostrum" wurde im Herbst 2014 beendet. Foto: UNHCR / A. D'Amato

29 Bootsflüchtlinge sind am Sonntag vor Lampedusa gestorben. Sie hätten gerettet werden können, wäre nicht mit dem Ende der italienischen Rettungsmission „Mare Nostrum“ und mit Beginn der Frontex-Mission Triton der Einsatzradius der Seenotrettung im Mittelmeer drastisch reduziert worden.

Das Ster­ben an Euro­pas Gren­zen geht unver­min­dert wei­ter. In den letz­ten Tagen fan­den Flücht­lings­tra­gö­di­en in der Ägä­is, vor der spa­ni­schen Küs­te und im zen­tra­len Mit­tel­meer statt. Am Sonn­tag erfro­ren min­des­tens 29 Boots­flücht­lin­ge zwi­schen Lam­pe­du­sa und Liby­en. Der Ret­tungs­ein­satz war auf­op­fe­rungs­voll, aber er kam zu spät. Der Anfahrts­weg war zu weit. Die Bür­ger­meis­te­rin von Lam­pe­du­sa, Gui­si Nico­li­ni, stellt fest: „Wir sind wie­der da, wo wir vor Mare Nos­trum waren.“ Mit Mare Nos­trum, so Nico­li­ni, „wären sie noch am Leben“. Lau­ra Bold­ri­ni, Prä­si­den­tin des ita­lie­ni­schen Senats, teil­te via Twit­ter mit: „Die­se Men­schen star­ben nicht bei einem Schiff­bruch, son­dern an Käl­te. Das sind die Fol­gen des Endes von Mare Nostrum.“

160 Kilo­me­ter muss­ten die Boo­te der ita­lie­ni­schen Küs­ten­wa­che bis zum Ein­satz­ort fah­ren. Die 105 Boots­flücht­lin­ge hat­ten bereits am Sonn­tag­nach­mit­tag ihren Not­ruf abge­setzt, aber die Ein­satz­kräf­te erreich­ten erst vie­le Stun­den spä­ter die Unglücks­stel­le. Zu die­sem Zeit­punkt waren bereits sie­ben Flücht­lin­ge an Unter­küh­lung gestor­ben. Und auf der lan­gen Rück­fahrt star­ben wei­te­re 22 an Erschöp­fung und Unterkühlung.

Tri­ton –Ster­be­be­ob­ach­tungs­ope­ra­ti­on statt Rettungsmission

Seit Aus­lau­fen der ita­lie­ni­schen Ret­tungs­ope­ra­ti­on „Mare Nos­trum“ im Herbst 2014 kri­ti­sie­ren UNHCR, Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen und ein­zel­ne Par­la­men­ta­ri­er, dass die euro­päi­sche Fol­ge­ope­ra­ti­on TRITON kei­ne See­not­ret­tungs­ope­ra­ti­on ist, son­dern ledig­lich der Grenz­über­wa­chung dient. Die Ope­ra­ti­on „Mare Nos­trum“, die mehr als 100.000 Men­schen ret­te­te, war im Okto­ber 2014 durch die Fron­tex-Ope­ra­ti­on „Tri­ton“ ersetzt wor­den. Der dras­tisch redu­zier­te Ein­satz­ra­di­us und die gerin­ge­re Mit­tel­aus­stat­tung machen Tri­ton zu einer Sterbebeobachtungsoperation.

Anto­nio Guter­res, UN-Flücht­lings­hoch­kom­mis­sar, hat im Dezem­ber 2014 die Hal­tung der euro­päi­schen Regie­run­gen mit schar­fen Wor­ten kri­ti­siert: „Eini­ge Regie­run­gen räu­men der Abwehr von Flücht­lin­gen höhe­re Prio­ri­tät ein, als dem Recht auf Asyl“, so Guter­res. Dies sei genau die „fal­sche Reak­ti­on in einer Zeit, in der eine Rekord­an­zahl an Men­schen vor Krie­gen auf der Flucht ist.“ Flücht­lings­po­li­tik dür­fe nicht „den Ver­lust von Men­schen­le­ben als Kol­la­te­ral­scha­den akzep­tie­ren.“ Der UN-Flücht­lings­hoch­kom­mis­sar sprach sich klar dafür aus, in 2015 eine Such- und Ret­tungs­ope­ra­ti­on im Mit­tel­meer zu rea­li­sie­ren, um wei­te­re Tra­gö­di­en zu verhindern.

In der Tat: Eini­ge  zyni­sche Innen­mi­nis­ter in den euro­päi­schen Haupt­städ­ten set­zen auf die­se Tra­gö­di­en. Sie neh­men die­se Toten bil­li­gend in Kauf, weil die See­not­ret­tung ein Anreiz bil­den könn­te für wei­te­re Flucht­be­we­gun­gen. „Mare Nos­trum war als Not­hil­fe gedacht und hat sich als Brü­cke nach Euro­pa erwie­sen“, kom­men­tier­te etwa der deut­sche Innen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­ziè­re (CDU) das Ende von Mare Nos­trum. Um die Logik der Abschre­ckung auf­recht zu erhal­ten, wird ein­fach weni­ger gerettet.

Die Schlep­per­in­dus­trie lebt präch­tig mit der Fes­tung Europa

Nach den kur­zen Betrof­fen­heits­be­kun­dun­gen kennt Euro­pa nur eine ritua­li­sier­te Ant­wort auf die neu­en Todes­op­fer: Sets heißt es, „Wir wer­den unse­re Bemü­hun­gen im Kampf gegen die Schlep­per ver­stär­ken“. Anstatt lega­le Wege nach Euro­pa für die Schutz­su­chen­de zu eröff­nen, wer­den damit nur die Sym­pto­me der Fes­tung Euro­pa bekämpft. Die Schlep­per­in­dus­trie lebt präch­tig mit den immer aus­ge­klü­gel­ten Abwehr­maß­nah­men der EU. Sie offe­riert den Zugang nach Euro­pa für teu­res Geld und häu­fig unter men­schen­ver­ach­ten­den Bedingungen.

Die Euro­päi­sche Uni­on steht erneut vor Fra­ge: Will sie das Tau­send­fa­che Ster­ben been­den? Dann muss sie die Fron­tex-Ope­ra­ti­on Tri­ton stop­pen. Die von Ita­li­en begrün­de­te See­no­t­ope­ra­ti­on „Mare Nos­trum“, muss wie­der auf­ge­nom­men wer­den und als euro­päi­scher See­not­ret­tungs­dienst ein­ge­rich­tet wer­den – voll durch die EU finan­ziert und so aus­ge­baut, dass Flücht­lin­ge und Migran­ten auf den Flucht­rou­ten über das Mit­tel­meer effek­tiv geret­tet wer­den können.

PRO ASYL sieht in die­sem Zusam­men­hang das Euro­pa­par­la­ment in der Pflicht. Zusam­men mit mehr als 11.000 Men­schen for­dern wir: See­not­ret­tung jetzt! Das Par­la­ment muss end­lich han­deln und sofort die dafür benö­tig­ten finan­zi­el­len Mit­tel bereit­stel­len. Dar­über hin­aus muss alles getan wer­den, dass Flücht­lin­ge nicht auf die Boo­te gezwun­gen wer­den. Das Ster­ben an den EU-Außen­gren­zen kann letzt­lich nur durch die Öff­nung lega­ler und gefah­ren­frei­er Wege für Schutz­su­chen­de been­det werden.

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