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Lichtungen

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»Du hättest zurücksehen müssen, dachte er, allein um zu wissen, ob sie sich nach dir umgewandt hat.«

Zwischen Lev und Kato besteht seit ihren Kindertagen eine besondere Verbindung. Doch die Öffnung der europäischen Grenzen weitet ihre Lebensentwürfe und verändert ihre Beziehung für immer. Voller Schönheit und Hingabe erzählt Iris Wolff in ihrem großen neuen Roman von zeitloser Freundschaft und davon, was es braucht, um sich von den Prägungen der eigenen Herkunft zu lösen. 

Als der elfjährige Lev über Wochen ans Bett gefesselt ist, wird ausgerechnet die gescheite, aber von allen gemiedene Kato zu ihm ans Krankenbett geschickt, um ihm die Hausaufgaben zu bringen. Zwischen dem ungleichen Paar entsteht eine unverbrüchliche Verbindung, die Lev aus seiner Versteinerung löst und den beiden Heranwachsenden im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien einen Halt bietet. Ein halbes Leben später läuft Lev noch immer die Pfade ihrer Kindheit ab, während Kato schon vor Jahren in den Westen aufgebrochen ist. Geblieben sind Lev nur ihre gezeichneten Postkarten aus ganz Europa. Bis ihn eines Tages eine Karte aus Zürich erreicht, darauf nur ein einziger »Wann kommst du?« Kunstvoll und poetisch verwandelt Iris Wolff jenen Moment in Sprache, wenn ein Leben ans andere rührt, und zeichnet in ihrem großen europäischen Roman das Porträt einer berührenden Freundschaft, die sich als Reise in die Vergangenheit offenbart und deren Leuchten noch lange nachklingt.

241 pages, Kindle Edition

First published January 1, 2024

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About the author

Iris Wolff

7 books23 followers

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Community Reviews

5 stars
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263 (40%)
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159 (24%)
2 stars
47 (7%)
1 star
11 (1%)
Displaying 1 - 30 of 109 reviews
Profile Image for Kingofmusic.
226 reviews42 followers
February 19, 2024
Poetische Reise vom Jetzt in die Kindheit

Iris Wolff bedarf in den einschlägigen Kreisen wohl nicht (mehr) der Vorstellung; zu erfolgreich hat sie sich mit ihren bisherigen Veröffentlichungen profiliert. Völlig zu Recht, wie ich jetzt feststellen durfte, denn obwohl ihre Romane „So tun, als ob es regnet“ und „Die Unschärfe der Welt“ sich schon länger in meinem Regal tummeln, war „Lichtungen“ (erschienen 2024 im Klett-Cotta-Verlag) quasi mein Debüt von ihr. Nun, was soll ich sagen: besser spät als nie, denn mit ihrem aktuellen Roman hat es die Autorin schon Anfang des Jahres geschafft, sich eine der begehrten „King´s Crownjewels 2024“-Auszeichnungen zu ergattern. Da das Lesejahr noch lang ist, kann ich den abschließenden Podestplatz allerdings noch nicht nennen – Reisen in die Zukunft gibt es (zum Glück) nicht, dafür aber (literarische) Reisen in die Vergangenheit, was nun eine gute Überleitung zum Buch selbst ist *g*.

Zunächst war ich etwas irritiert, dass „Lichtungen“ mit Kapitel 9 beginnt, bis mir klar wurde, dass die Geschichte rückwärts erzählt wird. Ungewöhnlich, aber es hat gut funktioniert. Erzählt wird die Geschichte von Lev und Kato, die sich in frühester Jugend kennen- und schätzen gelernt haben, sich dann aber aus den verschiedenen Lebensentwürfen heraus aus den Augen verloren haben. Obwohl, so ganz brach die Verbindung nie ab, denn Lev hat immer Ansichtskarten von Kato bekommen; die letzte mit den drei Worten „Wann kommst du?“ hat ihn dann „beflügelt“, ihr entgegen zu kommen.

Danach geht es immer weiter in die Vergangenheit. In poetischen und beeindruckenden Sprachbildern bringt Iris Wolff den Leser:innen Themen wie Identität, das Leben in Rumänien während der Herrschaft des Ceausescu-Regimes, den daraus entstehenden und entstandenen Problemen der Bevölkerung, aber auch die Geschichte von Lev und Kato immer näher.

Die rückwärts erzählte Geschichte, die nicht stringent chronologisch erzählt ist, sondern auch zeitliche Lücken aufweist, erfordert genaues und konzentriertes Lesen, denn bei dieser Art der Erzählung ist es natürlich nicht vermeidbar, dass die Leser:innen in einem Kapitel Dinge lesen, die sie (rein theoretisch) noch gar nicht wissen können. Aber genau das macht neben der poetischen und ruhigen Erzählweise von Iris Wolff das Besondere an diesem Roman aus und hat Spaß gemacht. Vielleicht lese ich den Roman irgendwann noch einmal in der richtigen Reihenfolge *g*.

Von mir gibt es eine glasklare und 100%ige Leseempfehlung.

©kingofmusic
Profile Image for Alexander Carmele.
350 reviews178 followers
September 23, 2024
Eine Retrospektive der Verluste, leicht destruktiv erzählt.(Deutscher Buchpreis-Shortlist)

Inhalt: 1/5 Sterne (stereotypes Coming-of-Age)
Form: 3/5 Sterne (zielsicherer, aber gewollter Stil)
Komposition: 3/5 Sterne (unverbindliches Rückwärts-Erzählen)
Leseerlebnis: 1/5 Sterne (leeres, trauriges Evaneszieren)

Ausführlicher, vielleicht begründeter auf kommunikativeslesen.com

Iris Wolffs Roman „Lichtungen“ dreht sich alles um Heimat und Identität einer deutsch-rumänischen Familie in der Nähe Siebenbürgens. Die Hauptfigur, Lev oder Leonhard, wächst in einer Familie aus Halbgeschwistern auf. Lis, seine Mutter, heiratete Levs Vater, als dieser nach dem Tod seiner Frau drei Kinder, zwei Söhne, eine Tochter durchzubringen versucht. Doch zwischen den Familienmitgliedern herrscht keine Harmonie. Vor allem Lev fühlt sich als außenstehender:

Lev hatte keine Großmutter mütterlicherseits. Keinen Großvater väterlicherseits. Er hatte keinen Vater. Und wer ebenso fehlte, war Ferry. Er war in all den Jahren kaum zu Besuch gekommen.

„Lichtungen“ erzählt Levs Leben rückwärts. Der Roman startet mit Kapitel neun, als Lev seine Freundin Kato in Zürich besucht, wo sie ein Leben als Straßenkünstlerin führt, sich von ihrem Partner Tom getrennt hat. Sie hat Lev eine Karte geschrieben, in der sie ihn fragt, wann er komme. Nach kurzem Zögern entschließt sich Lev seine Kindheits- und Jugendfreundin zu besuchen. Hiermit beginnt und endet das Buch. Was daraufhin folgt, ist eine Reise zurück zu den Anfängen, die erläutert, was Kato und Lev verbindet, woher sie stammen und welche Verluste sie erlitten haben. In neun Kapiteln erzählt insofern Wolff in „Lichtungen“, wie aus Levs Leben nach und nach wichtigen Menschen verschwinden, also emotional-aufgeladene Heideggersche Lichtungen entstehen.

In allem gab es diese Dunkelstellen, wo die Erfahrung aufhörte und die Erinnerung anfing. Etwas blieb, und etwas ging verloren, manches schon im Augenblick des Geschehens, und wie sehr man sich auch bemühte, es tauchte nie wieder auf. Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen. Man begegnete ihnen nur zufällig und wusste nie, was man darin fand. Die eindrücklichsten Momente, das, was sich nicht verlor, gehörte einem nie alleine. Die Angst gehörte einem alleine. Das Vergessen. Alles sonst, dachte Lev, bleibt nur durch andere gegenwärtig.

Lev, wie das Zitat zeigt, definiert sich nur durch das Außen, durch die Anderen, durch Zuspruch, Widerspruch, durch Anerkennung und Zurückweisung. Die narrative Reise in seine Vergangenheit bringt nur diese Passivität zutage. Lev lebt nicht für sich. Er lebt für andere, aber die anderen, als sei es sein Schicksal, verschwinden, entgleiten ihm. Er trägt schwer an diesen Verlusten, befreit sich nicht von dieser Schwere, und so nimmt es nicht wunder, dass er sich zu Kato flieht, sobald diese nach ihm wie nach einem Schoßhündchen pfeift. Auf sich allein gestellt, weiß er nun einmal nicht, was er mit sich anfangen soll:

Sie schüttete den Inhalt eines Bechers in Levs Wanne, und der Geruch von Lavendel, Rosmarin und etwas anderem stieg auf. Lev sank auf den Grund. So musste sich ein Tropfen fühlen, der sich in der Iza auflöste.

Zu verschwinden, in Harmonie aufgehen, sich auflösen, darin besteht das geheime Ziel von Lev. Ausgestoßen aus einer Heimat, die in sich zerstritten wie die Familie ist, weiß er keinen Weg zu sich heraus in die Welt. Er kehrt immer wieder zurück, und so am Ende auch mit Kato:

»Wir reisen gemeinsam zurück?«, vergewisserte er sich, als sie bei dem Land Rover am Parkdeck angekommen waren. So lange hatte er gebraucht, um seine Sprache wiederzufinden. Er wollte nicht zu früh glücklich sein. Er wollte sie nicht noch einmal verlieren. »Ja«, sagte Kato. Einfach nur: Ja. Das reichte ihm für den Moment.

In disharmonischer Uneinigkeit mit sich und der Welt zerbricht der Roman von Iris Wolff an einer zu schwachen Hauptfigur, die in schiefen Bildern eine Welt in den Scherben ihres Selbstbewusstseins sucht. Die Allegorien verfehlten ihr Ziel. Die Metaphern schießen ins Leere. Der bemühte Stil radebricht von einer Heimat, die keine sein will. Wolff schreibt stilsicherer als die meisten, doch über Stichworte, Skizzen, Reminiszenzen geht „Lichtungen“ trotz vermeintlich hintergründiger barocker Ornamentalik nicht hinaus. Schade.
Profile Image for Elena.
917 reviews349 followers
January 14, 2024
"Die Kunst war ein Spiel zwischen Zeigen und Verbergen. Das Leben auch? Es gab das Sichtbare und das Unsichtbare, und nur das Wenigste kam überhaupt ans Licht. Manches konnte man in sich verstecken, bis man vergaß, dass es einmal da gewesen war. Anderes nicht." - Iris Wolff, "Lichtungen"

Lev und Kato sind seit einem einschneidenden Erlebnis in Levs Schulzeit eng befreundet. Sie erleben ihre Kindheit und Jugend gemeinsam im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien, bis die Diktatur zu Ende ist und Kato beschließt, mit einem anderen Mann und einem Fahrrad in den Westen zu reisen. Lev wandelt jahrelang noch immer die Pfade ihrer Kindheit ab, während Kato ihm Postkarten aus allen Städten schickt, in denen sie als Straßenmalerin Station macht. Bis eine Postkarte nur der Satz »Wann kommst du?« ziert - und Lev sich endlich, ein halbes Leben später, auf den Weg zu Kato macht.

Iris Wolff erzählt in ihrem neuen Roman "Lichtungen" die Geschichte einer tiefen Freundschaft und großen Liebe, vom Aufwachsen eines Menschen in einer Diktatur, vom Bleiben, vom Fortgehen und vom Sich-Wiederfinden. Dabei schildert sie Levs Leben ausgehend von einer Europareise Levs und Katos nach ihrem Wiedersehen als Erwachsene rückwärts bis zu seiner frühen Kindheit. Gerade diese Erzählweise hat den Roman für mich besonders gemacht, in Kombination mit der zärtlichen aber so präzisen Sprache Wolffs wurde ich ganz in die Geschichte hineingesogen. Iris Wolff wurde 1977 in Siebenbürgen geboren, 1985 wanderte sie mit ihrer Familie nach Deutschland aus. In ihren Figuren stecken eigene Erfahrungen, was sie noch lebendiger für mich macht. Vom Protagonisten Lev über Kato bis hin zu den Nebencharakteren war jede Figur voller Tiefe und liebevoll mit Ecken und Kanten gezeichnet. Vor jedes der neun Kapitel im Buch stellt die Autorin ein Zitat in verschiedenen Sprachen - die Übersetzungen finden sich am Ende des Buches -, das die Lesenden jeweils sehr treffend und ruhig in den neuen Leseeabschnitt leiten. Neben der Handlung selbst, die viel Raum für eigene Gedanken lässt, hat mich auch der geschichtliche Hintergrund des Romans sehr aufgewühlt, die Geschichte des Vielvölkerstaats Rumänien heftet sich an die Erzählung von Levs Leben, er wird durch die verschiedenen Staatsformen und Identitäten geprägt und erschüttert. "Lichtungen" hat mich tief berührt, ein Roman, der lange nachhallt und den ich schon jetzt zu meinen liebsten Büchern des neuen Jahres zählen kann. Von mir gibt es eine große Leseempfehlung!
Profile Image for Anna Carina.
598 reviews228 followers
September 17, 2024
*Shortlist deutscher Buchpreis 2024*

2,5 Sterne
Ach man! Sehr ähnliche Anlage einer passiven, zögerlichen Figur wie in Reichskanzlerplatz, die in einem politisch brisanten Umfeld aufwächst, von dem wir nur Ansatzweise intensivere Eindrücke bekommen. Eine Erzählung, die wie ein zu weit entferntes Echo agiert.
Das erste Drittel fand ich stark. Hier kommt es zu Immanenz. Lev auf dem Rad unterwegs. Und mit ihm der Zerfall Rumäniens. Die Menschen verlassen die Orte, wenige bleiben zurück, alles ist fort. Intensive Szenen.

„Die Auswanderung war unausweichlich. Wie eine Sucht. Jeder fürchtete, der Letzte zu sein. Anna und Herbert hatten sich fürs Bleiben entschieden. Ihre Kinder waren gegangen, ihre Nachbarn, auch der Pfarrer war fort. Warum sie hier ausharrten, wurden sie gefragt. Sie harre nicht aus, sie lebe, sagte sie“

„Die verlorene Zeit, sagten sie. Als gäbe es eine, die blieb. Von nun an sah Lev die Dörfer, durch die er mit seinem neuen Rad fuhr, mit anderen Augen. Er hatte zuvor kaum darauf geachtet, auch in seinem Dorf gab es verlassene Häuser, verwaiste Gärten. Auch in seinem Dorf war es über die letzten Jahre so gewesen, dass ein jeder den anderen ansah mit diesem Blick: Gehst auch du? Dass vor den Toren, auf den Bänken immer jemand von jemandem zu berichten wusste, der ging. Und mit jedem, der ging, wuchs der Gedanke, ebenfalls zu gehen. Und mit jedem, der blieb, festigte sich die Hoffnung, bleiben zu können.“


Ebenfalls die Verbundenheit zur Landschaft und Natur, als Eins mit den Menschen, kommt über Bilder sehr schön heraus.

Sprachlich ist der Text ebenfalls sehr gut gearbeitet. Er bearbeitet das Thema der Zugehörigkeit, des Abwartens.

„ Die Stille dieser Szene war mehr als die Abwesenheit von Geräuschen, es war ein großes Hinhören, Abwarten. Der Fluss lauschte auf etwas, ebenso Pflanzen und Tiere. Dieses Hinhören ging durch Lev hindurch, durch seine Brust, seinen Bauch, seine Beine, dauerte kaum mehr als wenige Atemzüge, dann lag es hinter ihm, war fort. Die Enten hoben ihre Köpfe aus dem Gefieder, Vögel flogen auf.“

ABER
Er driftet in künstlich, gewollte Gestaltung ab. Insbesondere wenn sie versucht philosophische und psychologische Gedanken einzubauen, wird's unrund.
Sie lässt Lev Dinge denken und sagen, die zum einen universelle Thematiken bespielen und zieht diese ins Spezifische, Besondere. Verkürzt sie dadurch, nur um dem Situativen Zustand eine zusätzliche Brisanz oder sogar Alleinstellungsmerkmal zu verleihen.
Zudem bespielt die weitere Handlung, also der Inhalt, diesen Aufbau des Gedankens nicht weiter. Er verkehrt ihn sogar. Ich bekomme stellenweise den Eindruck, als kenne Frau Wolff nur oberflächlich die Begriffe und verwendet diese schief und verunglückt.

Der episodische Charakter der Kapitel, die auch noch in der Zeit rückwärts erzählt werden, erschwert das Lesen zusätzlich. Dies dient überhaupt keinem Zweck. Ich kann jedenfalls nach Beenden nicht erkennen, warum man diese Geschichte rückwärts erzählen muss. Es reißt den Text auseinander. Sie verbindet die Teilstücke nicht ausreichend.

Kato bleibt zudem blass und kommt sehr selten vor. Es bleibt unklar, wie diese intensive Bindung zu ihr zu begreifen ist. Dem Buch fehlt es an Plausibilisierung.

Ich bin enttäuscht. Obwohl es endlich ein Buch der Longlist des deutschen Buchpreises ist, das sprachlich eine gewisse Wucht entfaltet und auf dieser Ebene in Bewegung kommt, scheitert es hier an der Nachvollziehbarkeit und der formalen Gestaltung.
Profile Image for Co_winterstein.
138 reviews8 followers
February 3, 2024
Iris Wolffs neuerschiener Roman "Lichtungen" handelt von Lev und Katos Aufwachsen zurzeit des Ceausescu - Regime in Rumänien. Die Geschichte wird rückblickend erzählt, vom erwachsenen Lev bis zurück in seine Jugend bzw. Kindheit. So eröffnet sich ein umfassender Blick auf ein Leben in der Diktatur und die Entstehung einer besonderen Freundschaft.

Der Protagonist Lev rückt hierbei in den Mittelpunkt und wir erfahren, wie er die Schule abbricht und Waldarbeiter wird, wie er seine Militärzeit absolviert und seinem Opa Ferry, der die Diktatur nicht mehr ertragen kann, zur Flucht verhilft ...
Katos Figur bleibt hingegen etwas blass und auch ihr familiärer Kosmos unbeleuchtet.
Der rückwärtsgewandte Erzählstil hat mich manchmal etwas bedrückt und auch, dass man gleich am Anfang weiß, wie es ausgeht
und keine erzählerischen Möglichkeiten mehr offen sind.
Der Autorin ist es sehr gut gelungen,
Lev und Katos differenzierte Beziehung über die vergangenen Jahrzehnte darzustellen. Die tiefe Verbundenheit und besonders von Levs Seite aus die Liebe zu Kato wird ohne Kitsch und Klischee geschildert.
Es ist mein erstes Buch von Iris Wolff und ich muss sagen, ich finde ihre Sprache wirklich wunderbar. Recht filigran, vorsichtig, etwas verschachtelt und doch sehr genau - jedes Wort sitzt. Bin schwer begeistert von diesem Stil und werde noch weitere Bücher der Autorin lesen.

Bin gespannt, ob "Lichtungen" es unter die Nominierten des Leipziger Buchpreises schafft? Ich drücke die Daumen✊.
This entire review has been hidden because of spoilers.
Profile Image for Victory_of_Books.
125 reviews42 followers
May 23, 2024
Durch Härte und Sanftmut geprägt - so wirkt die Darstellung von Levs Leben auf mich, das die Autorin Iris Wolff hier erzählt. Der Roman ist 2023 im Klett-Cotta Verlag erschienen. Die Lebensgeschichte der 2 Hauptpersonen Lev und Kato wird rückwirkend erzählt. Sie fängt mit Kapitel 9 an, es folgt Kapitel 8 usw.. Es reicht von einer freien Welt in die Zeiten des Eisernen Vorhangs.

Hineingeboren in einen sozialistischen Staat, nämlich Rumänien, wächst Lev im Regime Ceaușescus mit all seinen Hürden und Einschränkungen, aber auch den vorhandenen Schlupflöchern, auf, hauptsächlich bei seiner Mutter, ab und an kommen auch die Großeltern ins Spiel. Früh macht er die Erfahrung von Mobbing in der Schule, entscheidet sich dafür, selbige zu verlassen und mit seinen deutlich älteren Brüdern im Wald zu arbeiten. Das bekommt ihm auf Dauer nicht - nach einem schweren Unfall ist er monatelang zu Hause ans Bett gefesselt. Dort bringt ihm Kato die Aufgaben und erklärt sie ihm. Nach einer anfänglichen Ablehnung durch Lev freunden sie sich an - Kato wird zu seinem Lebensmenschen, der Person, mit der er alles teilen kann.

Irgendwann folgt sie dem Deutschen Tom, der auf seinem Fahrrad durchs Dorf geradelt kommt, in die Welt - und entgleitet damit Lev und seiner Welt. Doch das ist nur ein Abstand auf Zeit, denn Lebensmenschen verlieren sich nicht.

Iris Wolff besticht durch ihre poetische Sprache, die Kraft, die in ihr steckt, sprachgewaltig, aber ebenso durch Zartheit geprägt an den passenden Stellen. Sie erzählt sozusagen rückwärts, lässt vieles aus, beziehungsweise überlässt den Lesern den Raum, aus bestimmten Zusammenhängen Rückschlüsse zu ziehen.

Ich habe durch diesen Roman zahlreiche Anregungen zur Recherche von Hintergründen erhalten. Ein schmaler, aber gewichtiger Band. Ein Roman, der seinen Fußabdruck in der Literaturgeschichte hinterlassen wird, dessen bin ich mir sicher.
Profile Image for Marion.
184 reviews16 followers
August 29, 2024
Ich hatte mich auf dieses Buch sehr gefreut und bin wahrscheinlich von meinen Erwartungen eingeholt worden.
Die Kapitel laufen in der Zeit rückwärts, warum bleibt offen.
Die Geschichte der Freundschaft zwischen Kato und Lev wird in den Kapiteln erzählt und dazu noch einzelne Geschichten aus dem Leben von Lev und seiner Familie.
Trotzdem bleiben viele Figuren nur in Andeutungen und dadurch schemenhaft.
Die wechselvolle Geschichte Rumäniens wird angerissen und auch das Identitätsproblem der unterschiedlichen Ethnien.
Ja, und natürlich gehört auch die Mangelwirtschaft unter Ceaușescu und der unaufhaltsame Verfall mit hinein.
Was mir gut gefallen hat waren die detaillierten Beschreibungen der Natur.
Überhaupt war es ein sehr gut geschriebenes Buch.
Profile Image for Ellinor.
647 reviews320 followers
March 28, 2024
Iris Wolff ist eine Autorin, die einfach ganz wunderbar schreiben kann. Ich könnte in ihre Sprache regelrecht versinken, so sehr gefällt sie mir. Dennoch konnte ich diesmal in die Geschichte nicht so eintauchen, wie ich das gerne gewollt hätte. Dies liegt an der Erzählweise: Lichtungen wird antichronologisch erzählt. Das erste Kapitel im Buch ist eigentlich das letzte und umgekehrt. Dies wird gleich zu Beginn erwähnt, auch die Nummerierung ist gegenläufig. Für mich hatte das zur Folge, dass die Personen erstmal nur Namen waren, ich viele Handlungen nicht nachvollziehen konnte. Je weiter die Geschichte fortschritt, umso leichter wurde es, zumindest was Lev betrifft. Ihn begleiten wir die ganze Zeit. Fast alle anderen Personen tauchten plötzlich auf oder verschwanden genauso plötzlich wieder. Ich fühlte mich oft wie bei einer Kurzgeschichte, in die man sich langsam einfinden muss, die aber dann, wenn man endlich die Zusammenhänge versteht, schon wieder vorbei ist.
Dennoch habe ich Lichtungen gerne gelesen, vor allem gegen Ende hin. Vermutlich müsste ich es noch einmal lesen, eventuell sogar in umgekehrter Reihenfolge, um wirklich alles zu verstehen.
Profile Image for auserlesenes.
334 reviews8 followers
February 10, 2024
Sie stammen beide aus einem Dorf in der Maramuresch, einem waldreichen Landstrich im Norden Rumäniens, und treffen sich mit Mitte/Ende 30 in Zürich wieder: der Schulabbrecher und Holzarbeiter Lev, der eigentlich Leonhard heißt, und die Straßenkünstlerin Kato. Seit Kindheitstagen verbinden sie ihre Herkunft, gemeinsame Erinnerungen und ihre Freundschaft. Was ist in den vergangenen Jahren geschehen, das sie getrennt hat?

„Lichtungen“ ist ein Roman von Iris Wolff.

Meine Meinung:
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Lev in neun Kapiteln, die absteigend nummeriert sind. Das liegt daran, dass der Roman in umgekehrter Chronologie aufgebaut ist. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass es zwischen den einzelnen Kapiteln unterschiedlich große Zeitsprünge gibt. Die Handlung spielt überwiegend im heutigen Rumänien und erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte, wobei sich die genauen Jahre teils nur indirekt, teils gar nicht erschließen. Dieser Aufbau ist interessant und erfordert ein aufmerksames Lesen.

Eine Stärke des Romans ist seine Sprache. Beeindruckend bildstark, atmosphärisch und poetisch, so lässt sich der Stil der Autorin beschreiben, dem sie auch in ihrem neuesten Buch treu bleibt. Eingestreute Wörter und Sätze aus dem Rumänischen werden erklärt und sorgen für Authentizität.

Das Personal der Geschichte ist überraschend umfassend. Im Mittelpunkt steht Lev, ein durchaus sympathischer, aber recht reizloser Protagonist. Als weitere Personen tauchen Kato, diverse Familienangehörige Levs, andere Zeitgenossen und Nebenfiguren auf. Die Charaktere wirken psychologisch ausgefeilt, glaubhaft und in sich stimmig. Die Menge an Figuren und die vielen Namen sind allerdings verwirrend und verwässern den Fokus.

Vordergründig geht es um Liebe, Freundschaft und Verbundenheit, im weiteren Sinne aber auch um Identität und Zugehörigkeit. Ein wichtiges Motiv sind Erinnerungen. Darüber hinaus spielen Träume, Ängste und Traumata eine Rolle. Eine Mischung aus anregenden, relevanten Themen, die die Story jedoch ein wenig überfrachtet und sie zu einem Zwischending von Liebesgeschichte und Familienroman macht.

Aufgrund der Zeitsprünge entstehen immer wieder Leerstellen, die nur ansatzweise mit Andeutungen ausgefüllt werden und daher viel Spielraum für eigene Gedanken und Interpretationen lassen. Auf den 250 Seiten hat mich die eher handlungsarme Geschichte nicht durchweg gefesselt. Am meisten packen und berühren konnte mich das letzte Viertel.

Das hübsche Cover greift zwar nur einen kleinen Teilaspekt des Inhalts heraus und erklärt sich daher nicht sofort, spricht mich optisch aber sehr an. Den prägnanten, metaphorischen Titel halte ich ebenfalls für eine gute Wahl.

Mein Fazit:
Mit „Lichtungen“ hat mich Iris Wolff in sprachlicher Hinsicht erneut überzeugt. Auf inhaltlicher Ebene hat der Roman meine hohen Erwartungen allerdings leider nicht ganz erfüllt.
Profile Image for Michael Madel.
413 reviews6 followers
February 19, 2024
Ein melancholisches und berührendes Buch mit zahlreichen Leerstellen, die die LeserInnen füllen können. Romanaufbau und Inhalte erfordern ein langsames und intensives Lesen. Einmal mehr überzeugt Iris Wolff durch eine präzise und knappe Sprache, die rasch einen Sog erzeugt, dem man sich nicht entziehen will.
Profile Image for Armin Klica.
124 reviews22 followers
February 28, 2024
Abgebrochen.

Trotz einiger schöner und poetischer Sätze war das Buch ein totaler Flop. Es ist nicht einmal das Problem, dass es rückwärts erzählt wird, sondern einfach die Story zwischen Kato und Lev. Sie ist zu plakativ, zu langweilig, zu unecht. Die Sprache zu unnahbar, zu spärlich und zu überladen.

Knapp über die Hälfte, habe ich entschieden, es abzubrechen, weil ich wirklich nichts gefühlt habe. Ich wünschte, ich hätte irgendeine Emotion gefühlt außer Langweile. Denn nichts ist schlimmer als, wenn ein Buch langweilig erzählt wird. Lieber macht mich ein Buch wütend, als dass es mich lamgweilt. Denn bei Wut kann ich die Dinge hinterfragen, und mich mehr damit auseinandersetzen. Hingegen bei Langweile: Da brauche ich nichts zu hinterfragen. Es ist monoton.

Profile Image for Britta.
387 reviews40 followers
February 19, 2024
Bin sehr froh, vor dem Lesen bei ihrer Lesung gewesen zu sein. So habe ich die Struktur wenigstens gleich verstanden und hatte ihre wundervolle Lesestimme im Kopf. Win-win bei diesem poetischen, aber auch forderndem Buch.
Profile Image for Anna.
479 reviews12 followers
January 29, 2024
Lichtungen erzählt die Geschichte zweier Menschen, ihrer Beziehung zueinander und zu ihrer Umwelt. Der Roman beginnt dabei am Ende, und führt uns immer weiter in die Vergangenheit, Kapitel für Kapitel.

Ich mochte die Struktur und fand es interessant, wie Dinge, die zunächst nur vage im Hintergrund existieren, plötzlich wieder in den Fokus rücken, wie sich Sinn oft erst im Rückblick ergibt. Mir gefiel auch der Protagonist, seine Gedanken darüber, was es heißt, an einem Ort zu leben und dazuzugehören. Gerade die Teile des Buches, die sich auf das Leben der deutschen Minderheit in Siebenbürgen beziehen, die Dinge, die zwischen den Zeilen aufscheinen, die Nähe zu einer imperialen Vergangenheit, überzeugen. Es gibt sogar eine Sanatoriumsszene, und dieser Blick in eine untergehende Welt hat mir gut gefallen.

Leider gehen all diese Aspekte hinter der offiziellen Beziehungsgeschichte etwas verloren. Die weibliche Hauptfigur bleibt merkwürdig flach und kommt selten über grobe Charakterzüge hinaus. Sie ist Künstlerin, Freigeist, anders... Und damit eine Figur, die ich schon oft gelesen habe. Sie wirkt viel weniger real als ihr männliches Pendant und die Beziehung der beiden, die ja eigentlich im Mittelpunkt der Geschichte steht, hat mich selten interessiert.

Leider fand ich dann auch das Ende etwas schwach. Das Zurückgehen in der Zeit hat dem Roman viele Möglichkeiten gegeben, die aber nicht wirklich genutzt wurden. Die Sprache war oft angenehm, aber selten brillant - die Prosa diente nur als Vehikel für die Geschichte, fügte aber selbst kaum etwas hinzu. Gerade die Zeitsprünge hätten hier ganz anders wirken können, so blieb der Roman etwas flach.

Wer sich für die Themen des Buches - Minderheiten, Siebenbürgen vor, während und nach der Wende, Herkunft - interessiert, macht mit der Lektüre nichts falsch. Aber ich würde mich wundern, wenn ich in ein paar Monaten noch an das Buch denken müsste.
Profile Image for LeserinLu.
220 reviews11 followers
January 4, 2024
„Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen. Man begegnete ihnen nur zufällig und wusste nie, was man darin fand.“

In Iris Wolffs Roman "Lichtungen" entfaltet sich die Geschichte zwischen Lev und Kato, deren Verbindung seit Kindertagen besteht. Die Öffnung der europäischen Grenzen beeinflusst ihre Lebenswege und verändert ihre Beziehung grundlegend. Das Rückwärtserzählen von Levs Geschichte ermöglicht es den Lesenden, prägende Ereignisse in seinem Leben nicht mehr zufällig zu mitzuerleben, sondern zu verstehen, wie diese ihn zu Kato geführt haben.

Besonders beeindruckend ist Wolffs poetischer Erzählstil, der die Handlung mit einer nuancierten Atmosphäre durchzieht. Die Einblicke in Levs Arbeitswelt, seine Familie und den Alltag im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien verleihen dem Roman eine facettenreiche Tiefe. Dabei werden auch Nebenfiguren wie Levs Arbeitskollegen ausgearbeitet, was dem Leser eine umfassendere Perspektive auf die Welt der Protagonisten bietet.

Allerdings ist der Roman nicht in erster Linie packend oder spannend, sondern zeichnet sich eher durch eine ruhige Erzählweise aus. Der Leser begleitet Lev geduldig auf seinem Weg und wartet gemeinsam mit ihm darauf, dass das Leben ihn dazu drängt, endlich zu handeln. Insgesamt präsentiert Iris Wolff mit "Lichtungen" eine literarische Arbeit, die durch ihre Sprachkunst und die subtile Darstellung der Figuren und ihrer Umgebung besticht. Es ist eine Reflexion über die Veränderungen im Leben und die Macht der Vergangenheit.
Profile Image for Kathrin Olzog.
201 reviews18 followers
January 15, 2024
Wunderschön erzählt, die Geschichte von Lev und Kato. Ein Genussbuch zum langsam lesen und schöne Sätze anstreichen. Die Idee, die Geschichte rückwärts zu erzählen, hat mir gefallen. Der rote Faden war nicht so ersichtlich, das hat mich ein klein wenig gestört.
Note: 2
Profile Image for Leselissi.
396 reviews57 followers
March 5, 2024
Dieses Buch habe ich heute zuende gelesen und dachte: jetzt nochmal aber von hinten nach vorne! 😄
Ja, denn das Besondere an diesem Roman ist, dass Iris Wolff die Geschichte von der Gegenwart aus in die Vergangenheit zurück erzählt.
Dieses Buch zu lesen ist, als würde man einem fremden Menschen begegnen und ihn nach und nach, immer besser kennenlernen und verstehen, bis er einem am Ende zum Freund geworden ist, den man gar nicht mehr gehen lassen mag.

Das Leben ist ein großer unbekannter Wald und wie Lichtungen, sind unsere Erinnerungen darin erhellt.
Iris Wolff führt uns von Lichtung zu Lichtung, immer tiefer in den Wald hinein, und damit in das Leben von Lev und Kato.
Sie erzählt mit wundervollen poetischen und bewegenden Worten. Es ist nie zu viel oder übertrieben, sondern genau richtig und wahrhaftig.

Man merkt es vielleicht: ich bin ganz hin und weg!
(Und mein heimlicher Lieblingscharakter ist auf jeden Fall Khalil der Kater! 😁)
Profile Image for Lina.
86 reviews5 followers
January 26, 2024
In dem Buch wird Levs Leben und speziell seine Beziehung zu Kato auf ungewöhnliche Weise erzählt. Jedes Kapitel spielt in der Vergangenheit des vorherigen. So liest man erst von Levs Leben als Erwachsener und arbeitet sich immer weiter nach früher vor, bis in seine Kindheit. Ich fand diese Erzählweise sehr interessant, da man statt vorwärts zu lesen und darauf zu warten was er neues erlebt und was als nächstes passiert, wie bei einem Film, genau andersrum Lev kennenlernt. Mir kam es vor wie bei einem Bild bei dem zwar von Anfang an das gesamte Motiv als Skizze zu erkennen ist, aber durch das die Schrittweise Erzählung der Vergangenheit immer mehr Details und Farben hinzugefügt werden, die sein Leben und Sein ausmachen.
Ich mag ebenfalls, dass einige Fragen offen bleiben, bzw vieles nicht mit allen Einzelheiten beschrieben wird, da das für mich sehr gut dne Charakter von Erinnerungen wiedergibt.
Profile Image for At.Gilgamesch.
5 reviews
October 25, 2024
Rückwärts erzählte, quasi-episodische Geschichte, die dem Kennenlernen eines Menschen nachempfunden scheint. Erkundet die verschiedenen Spielarten von Heimat und menschlicher Verbundenheit sowie ihre Schwellen und Übergänge. Außerdem ein Portrait Rumäniens im Umbruch des späten 20. Jh. Leichtfüßiger Stil und klare Bildsprache. Die Figuren verschwimmen hinter den Rollen, die sie verkörpern. Etwas zu konzeptig, um stark zu emotionalisieren und damit ein eher intellektueller Genuss.
Profile Image for Estrelas.
709 reviews
January 19, 2024
Kato und Lev verbindet eine Freundschaft seit Kindertagen. „Lichtungen“ gewährt Einblicke in ihre Entwicklung und das Leben drumherum.
Während sich Handlung innerhalb der einzelnen Kapitel vorwärts bewegt, sind diese rückwärts, also vom Heute zur Vergangenheit hin, angeordnet. So ist uns der Ausblick von Anfang an bekannt, während wir uns nach und nach in der Zeit zurückbegeben.
Der Roman besteht aus Episoden im Leben der Protagonisten, die viel über die Zustände ihres Landes, Rumänien, offenbaren, einer Diktatur, die Angst schürt und Menschen fliehen lässt, die aber auch viel offenlassen. Durch das Rückwärtserzählen und das Episodenhafte wird das Erfassen der Zusammenhänge etwas erschwert.
Die auktoriale Erzählstimme verwendet eine poetische Sprache, um Alltägliches zu beschreiben. „Diese Stille, dachte Lev, war eine, die aus Tönen kommt, die noch von ihnen erzählt, die satt ist und voll, die sich erst verflüchtigen muss, wie Rauch.“ Es ist diese schöne Sprache, die mich im Buch versinken und mich darüber hinwegsehen ließ, dass mir womöglich ein Detail entgangen ist; es lohnt sich allemal!
Profile Image for hand.verlesen.
171 reviews19 followers
January 26, 2024
Lev und Kato verbindet eine jahrelange Freundschaft. Sie lernen sich als Kinder kennen, wachsen im gleichen rumänischen Dorf auf. Später, als sich die Grenzen Rumäniens öffnen, trennen sich ihre Wege, doch sie bleiben immer Teil im Leben des Anderen. Die zeitliche Struktur des Romans ist besonders, denn Iris Wolff erzählt sozusagen rückwärts. Während das erste Kapitel im Jetzt spielt, gehen wir mit jedem Kapitel weiter zurück in die Vergangenheit von Lev. Diese Zurückgehen empfand ich als sehr gelungen, immer mehr Details werden offenbar und das Puzzle setzt sich zusammen, wenn auch nie ganz vollständig.

Iris Wolff hat ein sehr besonderes, zartes und poetisches Buch geschrieben, das sich liest wie ein schöner, trauriger Traum. Melancholie durchzieht die ganze Geschichte, doch auch Hoffnung, Sehnsucht und Aufbruchsstimmung. Es ist nicht schwer, Lev und Kato nahe zu kommen.

„Lichtungen“ hat mich nicht unbedingt mitgerissen, denn es ist ein Buch, das nicht nebenbei gelesen werden möchte und ein Sich-Einlassen verlangt, was mir immer schwer fällt, wenn im Außen viel los ist. Konnte ich die Zeit (und Ruhe) dafür finden, war ich jedoch völlig in der Geschichte versunken und wurde mit einer einzigartigen ästhetischen Leseerfahrung belohnt.

(Unbezahlte Werbung, Rezensionsexemplar)
23 reviews3 followers
February 9, 2024
Wolffs neuer Roman „Lichtungen“ erzählt die Geschichte von Lev und Kato, die sich als Kinder im alten Rumänien während der Ceaucescu-Zeit kennen lernen und eine tiefe und besondere Freundschaft pflegen. Nach Öffnung der Grenzen zieht Kato mit ihrem Freund Tom durch ganz Europa und verdient ihren Lebensunterhalt als Straßenmalerin. Lev hingegen bleibt im Dorf in Siebenbürgen und arbeitet dort in einer Holzfällerei. Ihre Verbindung besteht fast nur noch aus Postkarten. Auf der letzten schreibt Kato: „Wann kommst du?“ Und Lev kommt!

Iris Wolff schreibt diese Geschichte einer Freundschaft und Liebe in einer ungewöhnlichen Weise. Sie beginnt mit Kapitel 9 in der Gegenwart, mit Levs Ankunft in Zürich, wo Kato auf ihn wartet, und arbeitet sich dann rückwärts zum Kapitel 1 in die Kindheit vor. Das mutet anfangs ungewohnt an, doch dann kommt die Erkenntnis: so ist das ja auch wenn Menschen sich kennen lernen! Man erfährt erst nach und nach über ihre Vergangenheit und was sie zu den Menschen gemacht hat, die sie jetzt sind. Ein überzeugender Kunstgriff!

Das Buch bringt einem das Leben in einer Diktatur, die harte Zeit während des Militärs, das Leben in Rumänien im Allgemeinen und die Armut, Ausgrenzung und innerfamiliären Probleme der Figuren auf eine spannende und unterhaltsame Art näher. Was dieses Buch in meinen Augen so besonders macht, ist die Sprache und Wolffs Einfühlungsvermögen in die Charaktere. Selbst die kleinste Nebenfigur wirkt lebendig und echt. Ein sowohl sprachlich wie inhaltlich überzeugender Roman!
Profile Image for Carla.
853 reviews124 followers
January 13, 2024
"𝑍𝑤𝑖𝑠𝑐ℎ𝑒𝑛 𝐺𝑒𝑠𝑡𝑒𝑟𝑛 𝑢𝑛𝑑 𝑀𝑜𝑟𝑔𝑒𝑛 𝑔𝑖𝑏𝑡 𝑒𝑠 𝑛𝑢𝑟 𝑒𝑖𝑛𝑒 ℎ𝑎𝑢𝑐ℎ𝑑ü𝑛𝑛𝑒 𝑆𝑐ℎ𝑖𝑐ℎ𝑡."

Lichtungen war mein erstes Buch von Iris Wolff und ich bin sehr begeistert von ihrem Schreibstil! Die Geschichte von Lev (und Kato) fühlt sich ein bisschen verwunschen an, ein bisschen wie ein Märchen oder eine Sage. Es hat eine bestimmte Stimmung, die ich nicht wirklich beschreiben kann. Es ist außerdem das erste Buch, das ich in gelesen habe, das in Rumänien spielt und das war auch eine sehr schöne Leseerfahrung!

Besonders an diesem Buch war die rückwärtsgerichtete Erzählweise. Wir starten mit Kapitel Neun und reisen rückwärts durch die Zeit, zurück in Kapitel Eins. Das hat mir sehr gut gefallen, auch die Begründung der Autorin, dass es wie eine Erinnerung ist.

Neben dem tollen Schreibstil und der besonderen Erzählweise ist der Inhalt der Geschichte eigentlich ziemlich bedrückend, auch wenn man weiß, dass es in der Zukunft ein bisschen mehr Hoffnung für Lev und Kato gibt als in der Vergangenheit. Lev war nach einem Unfall eine Zeit lang ans Bett gefesselt, und so lernt er auch Kato besser kennen, die im Dorf als Außenseiterin behandelt wird. Die Beziehung der beiden bleibt für mich aber immer ein wenig ungreifbar und zu undefiniert, was wahrscheinlich auch durch die Zeitsprünge kommt.

Es gibt keinen offensichtlichen roten Faden, der die Kapitel zusammenhält. Wir haben den POV von Lev, der innerlich immer auf der Flucht vor sich selbst zu sein scheint. Ich konnte leider keine engere Bindung zu ihm oder zu Kato aufbauen, auch weil mir ein wenig die Spannung gefehlt hat.

Empfehlen kann ich das Buch aber auf jeden Fall, allein weil es eine einzigartige Leseerfahrung ist. Deshalb runde ich auch auf 4 Sterne, da ich sicher bin, dass mich die Stimmung des Buches noch eine Weile begleiten wird.

3,5/5 Sterne
Profile Image for Dunja Brala.
364 reviews17 followers
August 21, 2024
Um dieses Buch bin ich lange herumgeschlichen. Doch irgendwie zog es mich immer wieder magisch hin, weil ich mir davon sprachlich etwas ganz Großes erwartete. Meine Hoffnungen wurden erfüllt.

„Das Verschwinden war schlimm genug.
Aber das Vergessen, sagte sie, sei noch schlimmer.“
Lev und Kato sind über eine lange Zeit eng miteinander verbunden. Doch Kato geht und lässt Lev in Rumänien zurück um im Westen ihr Glück zu machen. Es müssen viele Jahre vergehen, bis er ihrem Ruf folgt. So beginnt die Geschichte, und wir tasten uns langsam von hinten nach vorne, bis in Levs frühste Kindheit.
Der Zeitstrahl geht rückwärts und so werden auch die Kapitel rückwärts gezählt, beginnen mit 9 und enden mit 1. Wir begleiten Lev durch sein Scheitern, seine Adoleszenz, seinen Unfall und die erste Begegnung mit Kato, sowie die letzten Erinnerungen an seinen Vater. Wir wissen, wer zur Familie gehört, doch erst, wenn der Roman abgeschlossen ist erfahren wir, wie sie zu dem wurden, was sie am Ende sind. Wir reisen durch die politischen Veränderungen, Rumäniens, und können nachspüren, wie sich Haltungen entwickeln und Mentalitäten in festigen.

Der Anfang ist das Ende, doch das „Warum“ müssen wir uns durch lesen erschließen. Dabei ist nicht alles miteinander verbunden, wirkt manchmal so als würden wir einen Blick auf die Meilensteine in Levs Leben werfen.
Tiefer und tiefer tauchen wir in seine Wurzeln ein. Man trifft interessanten Figuren, die mir vorkamen, als wär ich Ihnen schon einmal begegnet.
Es ist, als ob man neue Leute kennenlernt und erst mit mehr und mehr Vertrautheit beginnen Sie zu einem zu sprechen und von ihren Erfahrungen zu erzählen und jetzt setzt sich wie ein Puzzle ein Bild von Ihnen zusammen. Man sitzt mit am Tisch, man geht neben her und man schaut Kat beim Malen zu.
Neben Lev hat Ferry mein Interesse an seiner Person geweckt, über ihn hätte ich gerne noch mehr erfahren. Die Beziehungen, die untereinander gewebt werden, kann man anfangs nur erahnen, doch je weiter wir in die Vergangenheit eindringen desto fester werden die Bindungen.

Wolff schafft es, ihre besondere Erzählweise sprachlich so ansprechend zu gestalten, dass ich mich wie auf Federn gebettet fühlte. Dass sie den Roman am Ende beginnt ist ein Stilmittel, dass mir richtig gut gefallen hat und zum Ende hin flog ich nur so durch die Seiten.
„Alles war rückwärtsgelaufen, weniger geworden, und wo sich die Zeit am Anfang dehnte, verkürzte sie sich jetzt unbarmherzig“

Sprachlich ein sehr intensives Leseerlebnis, voller Poesie und Anteilnahme.
Profile Image for Robin.
105 reviews4 followers
August 11, 2024
Eine wunderschöne, zarte und berührende Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei komplexen Menschen, genau um das dreht sich "Lichtungen" von Iris Wolff.
Auch wenn mich die Beschreibung nicht ganz überzeugt hat, musste ich es trotzdem lesen, weil die Büchergilde eine schöne Ausgabe kreiert hat. Und dieses Buch hat mich auf eine sanfte Art berührt und mitgenommen.
Eine recht gewöhnliche Geschichte über eine lebenslange Freundschaft, die durch Höhen und Tiefen geht, das habe ich mir vorgestellt, wurde aber direkt im ersten Kapitel überrascht! Denn dieser Roman wird chronologisch falschherum erzählt. Es beginnt mit dem Ende und endet mit dem Anfang und genau das macht diese Geschichte so besonders.
Man erlebt zu Beginn einen scheinbar unglaublichen Moment für den Protagonisten Lev, das schönste Ereignis seines Lebens, aber kann das als Leser*in noch gar nicht einschätzen, weil man noch nichts über die Freundschaft von Lev und Kato weiß. Doch mit jedem weiteren Kapitel erschließt sich dem*der Leser*in die Komplexität und Verworrenheit dieser Beziehung und die tiefen Probleme beider Figuren. Lev, der tiefgreifende Traumata in der Kindheit erlebt hat, Kato, die nie ein Zuhause gefunden hat, obwohl sie unaufhörlich danach gesucht hat. Die achronologische Erzählweise eröffnet dem*der Leser*in also in jedem Kapitel eine neue Welt, einen neuen Einblick und erschafft so eine Handlung, die sich von Kapitel zu Kapitel immer weiter öffnet, dem Lesenden zum Nachdenken anregt und philosophische Fragen über Heimat, Liebe, Freundschaft und Familie aufwirft.
In Verbindung mit dem hauchzarten Schreibstil entsteht so eine angenehme Atmosphäre, die sich beim Lesen wie eine zweite Heimat anfühlt.
Wunderschön und sanft, ein Buch, das die Bedeutung von wahrer Freundschaft aufzeigt.
Definitiv ein Jahreshighlight für mich und ein möglicher Kandidat für die Longlist des Deutschen Buchpreises 2024!
12 reviews1 follower
October 6, 2024
Empfand zu Beginn des Buches eine leichte Adjektiv-Allergie wegen Sätzen wie "[...] ihren herausfordernden, überlegen-distanzierzen Blick"(S.16) und "[...] jenem klugen, überlegenen ein wenig gehetzten Blick."(S.25). Hatte ansonsten aber stilistisch während des Lesens nichts auszusetzen und die Erzählweise von der Gegenwart in die Vergangenheit geht bei dieser Geschichte wirklich schön auf. Es werden geschickt Namen und Begebenheiten eingestreut, die erst nach und nach Sinn ergeben und ich denke, dieses Buch wäre besonders gut geeignet sich aufmerksam ein zweites Mal lesen zu lassen. 

Inhaltlich hat die Geschichte außerdem wesentlich mehr zu bieten als nur eine feine Liebesgeschichte, auch wenn diese sozusagen der rote Faden ist, der durch die Kapitel läuft. Gerade das Leben in Rumänien während der Ceaușescu-Ära wird sehr gut ins Erzählte eingeflochten. Trotzdem habe ich lange gebraucht eine gewisse Distanz zu den Figuren zu überwinden.

Nicht mein persönlicher Favorit der Shortlist, aber ich würde jetzt auch nicht den Glauben an die Literaturbranche verlieren, wenn "Lichtungen" den Preis gewinnen sollte ;)
Profile Image for Geli.
192 reviews10 followers
March 9, 2024
Das war mein erstes Buch von Iris Wollf und ich bin zum einen durch das Cover auf das Buch aufmerksam geworden, das wirklich wunderschön ist, zum anderen aber durch diverse Berichterstattungen.

Ich war neugierig, wie mir ein Buch gefallen würde, das rückwärts erzählt wird.

Die Geschichte von Lev und Kato konnte mich wirklich fesseln. Es ist ein ruhiger Erzählstil, der fast episodenhaft verschiedene Ereignisse erzählt, durch die mir Lev immer deutlicher vor Augen stand. Wie eine Zwiebel wird hier Schicht für Schicht abgetragen und wir erfahren, wie Lev zu dem Mann wurde, dem wir im ersten bzw. neunten Kapitel begegnen.

Dazu wird uns das Leben in Rumänien in einem Dorf näher gebracht, in dem alle irgendwie zwischen dem "Gehen" oder "Bleiben"-Zustand sind.

Ich mochte die Geschichte sehr, nachdem ich mich davon gelöst habe, die Lücken füllen und die Episoden zeitlich einordnen zu wollen.
Profile Image for KatSie.
62 reviews
July 2, 2024
Interessant und verrückt - Das Buch ist rückwärts geschrieben
Profile Image for Iamthesword.
272 reviews17 followers
July 13, 2024
Where do we come from? How does our past affect our later life? Iris Wolff puts these questions in the center of her novel about Lev, a Romanian man, growing up and his relationship to Kato, a woman he knows since childhood. But we don't know that, because Wolff tells the whole story in reverse. Every chapter moves us one step futher into the past, toward youth and childhood in Nicolae Ceaușescu's Romania.

The book works primarily through its structure. Each chapter uncovers the roots of what has already been read. In the course of the narrative, it reveals the different layers of time that shape the lives of the protagonists, from the remnants of the old Austro-Hungarian Empire to the present day. It is pleasantly complex and definitely worth a recommendation if you are interested in the region.

So why only three stars? This is mainly due to the relationship between the two main characters. Although they meet again and again, they are sometimes separated for long periods of time. However, because we always follow Lev, Kato remains very pale overall. For long stretches, she is (yet another) male idealization of a somewhat inscrutable woman - a literary cliché that I have simply read too often by now. It is certainly not the worst version of it, but it still annoyed me a bit. So while I think that the book is fine, I struggle to understand the overall very positive reviews it receives in the German press.
Displaying 1 - 30 of 109 reviews

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