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Der junge Bauarbeiter Ralf Reider verlässt im Zuge der "Berlin Initiative" seinen Rhöner Heimatort Katzsprung. In der Hauptstadt will er auf dem Bau genug Geld verdienen, um seiner Frau und seinem Kind ein eigenes Haus zu bauen. Allerdings ist Ralf ein eigenwilliger Charakter, der durch sein Verhalten schnell aneckt – so etwa, als er Betonlieferungen nicht nach Vorschrift, sondern nach seinem gesunden Gerechtigkeitssinn verteilt. Aus diesem Grund wird er schließlich in die Brigade von Fritz Siegert versetzt. Auch dort dauert es nicht lange, bis Ralf Ärger bekommt, weil er auch bei Regen schuftet und vehement gegen Alkoholgenuss während der Arbeitszeit vorgeht. Zusätzlichen Unmut seiner Kollegen zieht er sich zu, weil er es ablehnt, am Wochenende zu arbeiten, da er seine Familie besuchen will. Als Siegert bei einem Unfall ums Leben kommt, ist Ralf der einzige unter den Männern, der es sich zutraut, dessen Nachfolge anzutreten, ungeachtet des Protests der restlichen Arbeiter.
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Als er im Betonmischwerk gewahr wird, dass Lieferungen des begehrten Baumaterials höchst ungleich und nach persönlichen Vorlieben verteilt werden, nimmt Reider zusammen mit dem Fahrer Schorsch die Gerechtigkeit selbst in die Hand, ohne zuvor den Bauleiter Ronnseil zu informieren. Der steht mit über 60 Jahren kurz vor der Pensionierung und sieht seine auf jahrzehntelanger Erfahrung beruhende Entscheidungskompetenz durch einen jugendlichen Heißsporn, der noch nicht einmal „der Partei“ angehört, gefährdet.
„Beschnuppert euch, wenn Beton kommt, geht 'raus“: Ralf Reider wird strafversetzt in die von Fritz Siegert geführte Jugendbrigade Friedrich Wolf. Deren Mitglieder ihn zunächst ganz freundlich aufnehmen – als Renegaten, der sich mit den Vorgesetzten angelegt hat. „Soll ich euch beim Rumstehn helfen?“: Doch das ändert sich rasch, als der Neue aus ihrer Sicht zu viel Eigeninitiative zeigt und nicht nur bei Regen weiterarbeiten, sondern auch noch Alkohol während der Arbeitszeit verbieten will. „An der Stulle kannste erkennen, ob jemand von Zuhause oder aus dem Wohnheim kommt“: Der zwar King“ genannte, aber ausgesprochen menschenfreundliche Siegert, der über die spartanische Ausstattung im Wohnheim-Zimmer Reiders staunt, und sein Polier Kosenkamp haben da offenbar die Zügel schleifen lassen.
Als wegen fehlender Fahrzeuge mehrere Tage kein Beton kommt und als Ausgleich am Wochenende eine Sonderschicht eingelegt werden soll, verweigert sich Ralf Reider der Brigade. Weil auf den jungen Familienvater einige Arbeit daheim in der Rhön wartet – und nicht zuletzt eine Gattin, die im vierten Ehejahr befürchtet: „Das gute Leben kommt immer erst, wenn du nichts mehr davon hast.“ Sie muss sich zudem von ihrem Vater sagen lassen, eine so lange Trennung der Eheleute hätte es zu seiner Zeit nicht gegeben.
„Ich tanze nicht nach 'ner fremden Pfeife“: Ralf Reider verweigert sich aber auch, weil er weiß, warum es an einsatzfähigen Fahrzeugen mangelt. Früher seien die Fahrer selbst verantwortlich gewesen, hätten sich auch im eigenen finanziellen Interesse rechtzeitig um Ersatzteile oder Reparaturen gekümmert, heute seien mit großem bürokratischen Aufwand Externe für den Fuhrpark zuständig, nicht aber persönlich verantwortlich.
Nachdem er für seinen Schwiegervater eine wohl nur in Berlin erhältliche Rolle Gartenplane zum Anbau von Gemüse auf der eigenen Scholle abgeliefert hat, überlässt er es den Alten, einen Kleinlaster mit Bausteinen fürs neue Haus abzuladen: Mit dem Taxi geht es zum Bahnhof und zurück zur Baustelle, wo der dauernölende Großkotz Manne „Maus“ Herford ätzt: „Erst gar nicht und dann wie Bolle.“ Ralf Reider kann es halt niemandem recht machen. Mit zwei Ausnahmen: Paulchen Vogt, dem Benjamin der Brigade, und dem „Schieber“ Fritz Siegert. Doch der ist gerade mit dem Motorrad tödlich verunglückt.
Betretenes Schweigen als die Frage aufkommt, wer der Witwe kondoliert und ihr Fritz Siegerts Sachen aus seinem Spind übergibt. Ralf Reider traut sich – und traut sich auch die Nachfolge des „King“ zu, was dem Bauleiter Ronnseil nur ein müdes Lächeln entlockt. Jeder andere als dieser aufsässige Grünschnabel – doch keiner will die Verantwortung übernehmen. „In der Schule gabs die besseren Noten fürs Maulhalten“ gibt der eine zu Protokoll und ein anderer: „Man hats mir nicht beigebracht – Verantwortung.“ Die Bankrotterklärung eines Arbeiter- und Bauernstaates, der einen neuen sozialistischen Menschen erziehen wollte.
Mit Hilfe des bodenständigen Poliers Kosenkamp gelingt es dem Parteisekretär Ulli Trebber, Ronnseil umzustimmen – und Ralf Reider, der sogar seine Bereitschaft erklärt, „in die Partei einzutreten“, als Brigadier zu gewinnen. Die Truppe ist wenig begeistert, aber Kosenkamp macht ihr Beine – und weist Reider nach Dienstschluss in die Geheimnisse der Buchführung ein. Wenn es um Prämien und Zuschläge geht, helfen mathematische Schulkenntnisse nicht weiter. Was keiner besser weiß als der systemkonforme Brigadier Eisenbacke, der seinen Frust im Alkohol ersäuft. Was nicht nur berufliche Gründe hat, wie Charlie, die Ralf Reiders Initiativgeist bewundert, weiß: der aus Usedom stammende Brigadier hat familiäre Probleme.
Die jetzt auch Reider nachvollziehen kann. Denn seine Heide kann es nicht fassen, dass er sich für mindestens zwei weitere Berlin-Jahre verpflichtet hat – freiwillig und sogar gegen das Mehrheitsvotum der Brigade. Drei Jahre „Fahne“ (Armeezeit), ein Jahr Berlin – und nun noch weitere Jahre: „Da haben wir nun das gute Leben.“ Doch dann steht die 24-Jährige doch auf dem Bahnhof Lichtenberg...
Wie „Blonder Tango“ von Lothar Warneke, „Das Haus am Fluß“ von Roland Gräf und „Dorst“ von Claus Dobberke gehört „Der Hut des Brigadiers“ zur „Parteitagsstaffel“ der Defa, also zu Produktionen, die speziell für einen Parteitag der SED in Auftrag gegeben wurden. Worauf eine mit der ästhetischen Gestaltung höchst unzufriedene, ja sich als Zuschauerin gelangweilt fühlende Ulrike Krumbiegel im Anschluss an eine Filmvorführung am 28. März 2019 im Prenzlberger Kaffekaffe ausdrücklich hinwies. Zusammen mit der Darsteller-Riege Wolfgang Winkler, Reiner Heise und Hans Otto Reintsch, der sich als gelernter Baufacharbeiter auf der echten Berliner Baustelle wie Zuhause fühlte, wurde der Parteitagsfilm, der am 18. Dezember 1987 im Fernsehen der DDR und am 13. Juli 1988 im ZDF erstausgestrahlt wurde, sehr kontrovers diskutiert.
„Ein positiver Held aus der Retorte“ titelte der West-Berliner „Tagesspiegel“ am 27. April 1986 – und entsprach damit ganz der Philippika Ulrike Krumbiegels, die auch am uninspirierten Regisseur Horst E. Brandt und am biederen Kameramann Hans-Jürgen Kruse kein gutes Haar ließ. Die Mehrzahl der Wortmeldungen aus dem Publikum bescheinigte dem Film mit reichlich offenem Ende dagegen eine äußerst kritische Haltung zu ideologisch bedingten zentralen Alltagsproblemen der DDR – von der Arbeitsauffassung über die Materialknappheit und bürokratischer Plan-Fehlsteuerung bis hin zum Rückzug ins Private.
Pitt Herrmann