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Pergamon, Türkei. Die Arbeiten des Jahres 2017

2018

The work of the Pergamon excavation in 2017 concentrated on the exploration of the Hellenistic residence city and its surroundings within the framework of the current research programme, whose field work could be completed. The focus was on geophysical prospections and stratigraphic trenches on the burial mound Yığma Tepe. To test hypotheses on the development of the settlement history of the city hill of Pergamon, Bau X on the western slope was examined. The survey of the Kane-peninsula was finished; it provided unexpected insights into the importance of the site for traffic and trade in the microregion. The extensive monument preservation measures at Pergamon concentrated on the Gymnasion and the Red Hall. A detailed preliminary report, which contains also information about other fields of activity such as the study of elite burial practises, will be published in "Archäologischer Anzeiger" 2018/2.

Powered by TCPDF (www.tcpdf.org) https://publications.dainst.org iDAI.publications ELEKTRONISCHE PUBLIKATIONEN DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS Dies ist ein digitaler Sonderdruck des Beitrags / This is a digital offprint of the article Felix Pirson – Burkard Emme – Ercan Erkul – Stefan Feuser – Eric Laufer – Ulrich Mania – Matthias Meinecke – Rebekka Mecking – Wolfgang Rabbel – Seçil Tezer-Altay Pergamon, Türkei. Die Arbeiten des Jahres 2017 aus / from e-Forschungsberichte Ausgabe / Issue 2 • 2018 Seite / Page 169–195 https://publications.dainst.org/journals/efb/2168/6552 • urn:nbn:de:0048-journals.efb-2018-2-p169-195-v6552.3 Verantwortliche Redaktion / Publishing editor Redaktion e-Jahresberichte und e-Forschungsberichte | Deutsches Archäologisches Institut Weitere Informationen unter / For further information see https://publications.dainst.org/journals/efb Redaktion und Satz / Annika Busching ([email protected]) Gestalterisches Konzept: Hawemann & Mosch Länderkarten: © 2017 www.mapbox.com ©2018 Deutsches Archäologisches Institut Deutsches Archäologisches Institut, Zentrale, Podbielskiallee 69–71, 14195 Berlin, Tel: +49 30 187711-0 Email: [email protected] / Web: dainst.org Nutzungsbedingungen: Die e-Forschungsberichte 2018-2 des Deutschen Archäologischen Instituts stehen unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International. 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To see a copy of this licence visit http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ 169 PERGAMON, TÜRKEI Die Arbeiten des Jahres 2017 Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts von Felix Pirson, Burkard Emme, Ercan Erkul, Stefan Feuser, Eric Laufer, Ulrich Mania, Matthias Meinecke, Rebekka Mecking, Wolfgang Rabbel und Seçil Tezer-Altay e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 Kooperationspartner: HTW Berlin, Grabungstechnik; FU Berlin, Chemie und Biochemie; FU Berlin, Klassische Archäologie; HU Berlin, Klassische Archäologie; KIT Karlsruhe, Geodäsie; LMU München, Vor- und Frühgeschichte; Hochschule Regensburg, Bauforschung; Universität Köln, Klassische Archäologie und Informatik Kulturwissenschaften; BTU Cottbus-Senftenberg, Darstellungslehre; Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Orientalische und Europäische Archäologie; UMR 8546 „Archéologie et philologie d’Orient et d’Occident“ École normale supérieure; British School at Rome; University Southampton, Archaeology; Mimar Sinan Universität Istanbul, Klassische Archäologie; Celal Bayar Universität Manisa, Archäologie; DAI, Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik; Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; Museum Bergama. Förderung: Agence nationale de la recherche (Hellenistische Funeralkultur); Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hellenistische Funeralkultur); European Research Council (Kane Regional Harbour Survey); Fritz Thyssen Stiftung (Untere Agora); Studiosus Foundation (Säulenstellung Gymnasion). Leitung des Projektes: F. Pirson, G. Ateş (Stellv. Leitung), U. Mania (Stellv. Leitung). Team: Z. M. Aksan, A. G. Altinel, E. D. Aras, f. Așkın, E. Babazade, K. Başak (FTS-Projekt „Untere Agora“), M. Blechschmidt, L. Böttger, K. Bolz, I. Boyer, M. Brandl, J. Capelle, J. Chameroy, B. Emme, E. Erkul, S. Feuser, E. Güngör, S. Hay, U. Herrmann, B. Horejs, S. Japp, V. Kästner, S. Kanmaz, S. Kay, U. Kelp, A. Keweloh-Kaletta, O. Koç, J. Köster, U. Kunnert, E. Laufer, Ph. Leineweber, B. Ludwig, R. Mecking, M. Meinecke, P. Michalski, B. Milić, N. Neuenfeld, H. Özel, İ. Özlem, A. Pirson, W. Rabbel, Y. Rahimov, M. Savaşgan, R. Schmid, H. C. Schwall (ÖAW-OREAProjekt „Prähistorischer Umlandsurvey“), A. J. Schwarz, J. Simonis, V. Stappmanns, J. Steiner, J. Taragano, W.-R. Teegen, R. Tekin, S. Tezer, S. Tezer-Altay, T. Toplaoğlu, M. Tüzel, M. Ünsal, V. Walser, D. Weisbrich, A. Weiser, D. Wozniok, İ. Yeneroğlu, Ü. Yilmaz, A. Zeitler, M. Zolchow. The work of the Pergamon excavation in 2017 concentrated on the exploration of the Hellenistic residence city and its surroundings within the framework of the current research programme, whose field work could be completed. The focus was on geophysical prospections and stratigraphic trenches on the burial mound Yığma Tepe. To test hypotheses on the development of the settlement history of the city hill of Pergamon, Bau X on the western slope was examined. The survey of the Kane-peninsula was finished; it provided unexpected insights into the importance of the site for traffic and trade in the microregion. The extensive monument preservation measures at Pergamon concentrated on the Gymnasion and the Red Hall. A detailed preliminary report, which contains also information about other fields of activity such as the study of elite burial practises, will be published in “Archäologischer Anzeiger” 2018/2. Nachdem im Jahr 2016 in Pergamon keine Feldkampagne durchgeführt werden konnte, konzentrierten sich die Arbeiten der Pergamongrabung 2017 e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 170 auf den Abschluss des Forschungsprogramms zur hellenistischen Residenzstadt als urbanem Gesamtorganismus. Im Mittelpunkt standen wiederum geophysikalische Prospektionen und mehrere Sondagen am monumentalen Tumulus Yığma Tepe. Zur Vervollständigung eines ersten Bildes der Besiedlungsgeschichte am Ost- und Westhang des Stadtberges innerhalb der so genannten Eumenischen Stadterweiterung wurden Sondagen im Bereich von Bau X am mittleren Westhang angelegt (zum Thema Siedlungsgeschichte siehe Pirson 2017). Im kommenden Jahr werden Aufarbeitung und Publikationsvorbereitung im Vordergrund stehen, bevor frühestens ab 2019 mit der Etablierung eines neuen Forschungsprogramms begonnen werden kann. Die Maßnahmen der Baudenkmalpflege in der Roten Halle und im Gymnasion wurden planmäßig fortgesetzt; Schadensereignisse der letzten beiden Jahre auf dem Stadtberg und im Asklepieion machten eine flexible Anpassung des Arbeitsprogramms erforderlich. Im Folgenden soll ein knapper Überblick über die verschiedenen Arbeitsbereiche und ihre wichtigsten Ergebnisse gegeben werden (Abb. 1). Pergamon 1 Pergamon. Arbeitsgebiete 2017 gesamt. (Abb.: B. Ludwig nach U. Wulf) Ausgrabungen in Bau X Im Rahmen des Stadtsurveys wurden 2012 am mittleren Westhang des Stadtberges die Reste eines west-östlich ausgerichteten, ca. 30,2 × 22 m messenden Gebäudes entdeckt und dokumentiert (Abb. 1–3; siehe Pirson 2013, 91 f. Abb. 5. 13). Die Anlage gliedert sich in zwei Bauterrassen, zwischen denen eine mehr als 2 m hohe Stufe verläuft, der eine Terrassenmauer vorgeblendet ist. Die Außenmauern sind aus unregelmäßigem Quadermauerwerk gefügt. Die Errichtung der Terrassenmauer in locker gesetztem Polygonal-Mauerwerk erinnert an verdeckte Hangstützmauern, wie wir sie in Pergamon z. B. aus dem Großen Gymnasion kennen. Daraus kann gefolgert werden, dass die untere Terrasse von vornherein als Substruktionsgeschoss geplant war, dessen praktische Nutzung erst noch zu klären wäre. Primäres Ziel der Arbeiten war jedoch die Datierung der Anlage und damit verbunden die Frage, wie sich die Ergebnisse aus Bau X zur Hypothese einer e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 2 Pergamon. Stadtberg. Westhang. Bau X. Grundriss. (Abb.: K. Bașak, E. Wegmann, İ. Yeneroğlu, B. Ludwig) 171 planmäßigen, geschlossenen Bebauung von Ost- und Westhang des Stadtberges erst nach Ende der hellenistischen Königszeit mit Schwerpunkt im 1. Jahrhundert v. Chr. verhalten. Zu diesem Zweck wurde an der Nordseite des Gebäudes ein knapp 20 m langer Schnitt angelegt, der sich aus Sondage 6 auf der unteren und Sondage 7 auf der oberen Terrasse zusammensetzt (Abb. 2. 3). Zur Kontrolle der dort gewonnenen Ergebnisse wurde im Südosten der unteren Terrasse Sondage 8 angelegt. Auf Basis der Befunde aus den Sondagen 6–8 können wir ein erstes, vorläufiges Bild von der Bau- und Nutzungsgeschichte von Bau X zeichnen: Ausgangspunkt ist die Vorgängerbebauung im Norden, zu der auch die polygonale Terrassenmauer gehört haben könnte. Mit Errichtung von Bau X wäre im Norden an die Terrassenmauer eine Ecke aus Quadermauerwerk angesetzt worden, im Süden hätte man sie durch eine Quadermauer verlängert. Der Nachweis von Keramikfragmenten mit Laufzeiten ausschließlich im 3.–2. Jahrhundert v. Chr. in Kontexten späthellenistischer bis frühkaiserzeitlicher Zeitstellung zeugt von der Nutzung des Areals spätestens nach dessen Integration in den großen hellenistischen Befestigungsring im frühen 2. Jahrhundert v. Chr. Art und Ausführung der Vorgängerbebauung von Bau X unterscheiden sich aber grundsätzlich vom Ausbau der pergamenischen Wohnstadt im Bereich des oberen Südhangs des Stadtberges im 2. Jahrhundert v. Chr., sodass sie nicht als Beleg für eine systematische Besiedlung des mittleren Westhangs bereits in der Königszeit herangezogen werden können (Pirson 2017, 82–86 Abb. 30). Denkbar wäre am ehesten eine vorstädtische, vielleicht auch agrarische Nutzung in einem Bereich, der durch die neue Mauer ausreichend geschützt war und dank seiner geringen Steigung bis in die Gegenwart hinein für die Landwirtschaft attraktiv ist. In der Übergangsphase nach dem Ende der Attalidenherrschaft und bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit entstand Bau X und durchlief eine mehrphasige Bau- und Nutzungsgeschichte bis in die byzantinische Epoche. Die Verwendung von Spolien für seine Außenmauern (Abb. 2), die am ehesten von der nahegelegenen Eumenischen Stadtmauer stammen, liefern ein weiteres Indiz für eine Entstehung nach Ende der mithridatischen Kriege, in deren Folge es zu einer Schleifung der Stadtmauer gekommen sein könnte e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 3 4 Pergamon. Stadtberg. Westhang. Bau X. (Luftbild: B. Ludwig) Pergamon. Stadtberg. Westhang. Bau X. Grundriss Sondagen 6 und 7. (Abb.: İ. Yeneroğlu, B. Ludwig) 172 (Pirson 2017, 96 mit Anm. 168). Wegen der schlechten Erhaltung der Anlage konnten nur deren Substruktionen untersucht werden, die kaum Informationen über die Zweckbestimmung des Gebäudes liefern. Mit der prominenten Position von Bau X, der sich selbst im ruinösen Zustand noch deutlich von seiner Umgebung abhebt, war sicher ein besonderer Anspruch verbunden. Im Inneren des Gebäudes scheint die Ableitung von Wasser von großer Bedeutung gewesen zu sein, was aber ein unspezifisches Charakteristikum ist, das auf zahlreiche Gebäudefunktionen, die wir aus späthellenistischer Zeit kennen, zutrifft. Mit der Verifizierung der Spätdatierung der Unteren Agora in das 1. Jahrhundert v. Chr. bis frühe 1. Jahrhundert n. Chr. ist die Entstehung öffentlicher Nutzbauten am mittleren Stadtberg von Pergamon für diese Zeit belegt (Pirson 2017, 82 f. mit Bezug auf Emme – Öztürk 2015, 118 f.). Bau X könnte ein weiterer, bescheidenerer Vertreter öffentlicher Architektur in dieser Übergangsphase gewesen sein. Seine Untersuchung hat zwar viel Neues zur Besiedlungsgeschichte des mittleren Westhangs erbracht, konnte die Funktion von Bau X aber noch nicht klären. Neue Forschungen zur Unteren Agora Im Rahmen des Projektes zur Neubearbeitung der Unteren Agora wurden die abschließenden Schritte zur Vervollständigung der Dokumentation vor Ort durchgeführt. Die beiden Schwerpunkte dieser Arbeiten bildeten einerseits die Vervollständigung und Überprüfung des während der Kampagnen 2013– 2015 erstellten Befundplanes sowie andererseits die Aufnahme der 2015 geborgenen Fundkeramik. Darüber hinaus war es möglich, einen Komplex von Baugliedern der kaiserzeitlichen Phase der Nordhalle zu dokumentieren, wodurch sich erstmals vertiefte Einblicke in die Konstruktionsweise der Hallenarchitektur in dieser Phase ergeben. Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse der Forschungen 2017 kurz zusammengefasst und ihre Bedeutung für die historische Entwicklung der Unteren Agora kursorisch herausgestellt. Der unter der Ägide von W. Dörpfeld von dem damaligen Grabungsarchitekten P. Sursos erstellte Plan der Unteren Agora wies seit jeher eine Reihe von Schwächen auf, die eine Bewertung des erhaltenen Baubestands anhand des Planmaterials deutlich erschwerten (zum Charakter des Plans, den e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 5 Pergamon, Stadtberg. Untere Agora. Befundplan auf Basis der Neuaufnahme 2013-2015. (Abb.: A. Öztürk, K. Bașak) 6 Pergamon, Stadtberg. Untere Agora, rekonstruierter Schnitt durch die Nordhalle mit Blick nach Westen und Angabe der sekundär eingezogenen Bogenkonstruktion. (Abb.: A. Öztürk, K. Bașak) 173 teilweise vorgenommenen Ergänzungen und ‚Korrekturen‘ gegenüber dem erhaltenen Baubestand vgl. Dörpfeld 1902, 19). Vor diesem Hintergrund bildet die Erstellung eines neuen, steingerechten Befundplanes der gesamten Anlage die maßgebliche Voraussetzung für eine Neubewertung der Anlage insgesamt. Mit Abschluss der Bauaufnahme liegt nun erstmals ein detaillierter Befundplan der Unteren Agora vor (Abb. 5). Von dem geringen Fundmaterial, das aus Säuberungen der Kampagne 2015 geborgen wurde, ist besonders ein Fundkomplex von Bedeutung. Es handelt es sich um keramisches Material aus einer Verfüllung am Ostende der südlichen Peristasis. Der bauliche bzw. stratigraphische Zusammenhang macht es in diesem Fall wahrscheinlich, dass der zugehörige Befund als bauzeitlich anzusprechen ist. Wie die Auswertung ergab, handelt es sich bei den Funden um Material mit einer Laufzeit vom mittleren 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum mittleren 1. Jahrhundert n. Chr. Das Material bestätigt damit die Datierung der Unteren Agora in die Jahrzehnte um die Zeitenwende. Schließlich soll auf einen Befund hingewiesen werden, der bereits von Dörpfeld kursorisch besprochen wurde, bislang jedoch nicht systematisch untersucht worden ist. Es handelt sich dabei um die Konstruktionsweise der in der hohen Kaiserzeit errichteten Bögen, die zur Stabilisierung im westlichen Teil der Nordhalle eingezogen wurden. Während die aus wiederverwendetem Steinmaterial unter Verwendung von Kalkmörtel aufgemauerten Pfeiler dieser Konstruktion sich vor allem im westlichen Teil der Nordhalle verhältnismäßig gut erhalten haben, war die Ausführung der Bögen selbst bislang unklar. Im Verlauf der Kampagne 2017 konnte nun erstmals systematisch eine Gruppe von im Hofareal der Agora lagernden Steinbalken untersucht werden, die sich aufgrund ihrer Zurichtung und ihrer Abmessungen als dieser Konstruktion zugehörig erweisen. Zeitgenössische Vergleiche für die von uns rekonstruierte Konstruktionsweise (Abb. 6) lassen sich innerhalb der Architektur des kaiserzeitlichen Pergamons nur vereinzelt nachweisen und stimmen zudem nur teilweise mit dem Befund der Agora-Nordhalle überein. Abschließend bleibt anzumerken, dass der umfangreiche Umbau der Nordhalle allem Anschein nach unvollendet blieb, wie sich aus den Blöcken ohne ausgeführte Wölbung und ohne seitliche Einlassungen eindeutig ergibt. e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 7 8 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. Lage der Sondagen 2017 Übersichtsplan. (Abb.: İ. Yeneroğlu, M. Meinecke) Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. Luftbild mit Grabungen 2017. (Foto: B. Ludwig) 174 Der Tumulus Yığma Tepe In der diesjährigen Kampagne konnte auch das auf drei Jahre angelegte interdisziplinäre Forschungsprojekt zum Großgrabhügel Yığma Tepe vorläufig abgeschlossen werden. Die Untersuchungen sind ein zentraler Bestandteil des Projektes „Von den Grabhügeln der Herrscher zu den Nekropolen der Bürger: Moderne Funeralarchäologie im Dienste der Erforschung sozialer Stratifizierung und lokaler Identitäten im hellenistischen Pergamon und den Städten der Aiolis – NekroPergEol“ (Leitung: F. Pirson – St. Verger; siehe http://www.nekropergeol.org ↗), gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Agence nationale de la recherche. Für 2018 sind höchstens noch geophysikalische Kontrollmessungen vorgesehen. Im Folgenden werden zunächst die Ausgrabungen mit ihren wichtigsten Ergebnissen vorgestellt, gefolgt von den geophysikalischen Prospektionen und einer ersten Interpretation des in Grabung und Prospektion nachgewiesenen Systems von Steinreihen, das bei der Errichtung des Tumulus eine wesentliche Rolle spielte und neue Einblicke in die Konstruktion von Großgrabhügeln erlaubt. Ausgrabungen – Ziel der Ausgrabungen 2017 am Yığma Tepe war einerseits die archäologische Untersuchung des Gipfelplateaus, da dieser Bereich von den Altgrabungen unter Dörpfeld 1905–1909 ausgespart worden war. Es wurde vermutet, dass sich dort womöglich Reste eines Bauwerkes oder einer Konstruktion zur Aufstellung eines statuarischen Denkmals befinden. So berichtet Pausanias 8, 4, 9, dass der als Grab der Auge bezeichnete Grabhügel mit Krepis in der Kaikosebene bei Pergamon von der Bronzestatue einer nackten Frau bekrönt gewesen sei (siehe dazu F. Pirson – B. Ludwig, Tumuli and Natural Sanctuaries: Visual Aspects of Urban Space- and LandscapeInteraction in Hellenistic Pergamon and its Micro-region, in: A. Haug – S. Merten, Practices in Ancient Public Spaces [im Druck]). Hinweise auf die Platzierung einer Statue auf der Spitze eines Grabhügels gibt es im Fall des kaiserzeitlichen Tumulus an der Heiligen Straße zum Asklepieion von Pergamon, während der ebenfalls kaiserzeitliche Grabhügel Maltepe eine nicht näher bestimmbare Architektur trug (Kelp 2014, 367 Abb. 9). Darüber e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 9 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. Sondage 1 (Abb.: İ. Yeneroğlu, M. Meinecke) 10 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. Sondage 1. (Foto: B. Ludwig) 175 hinaus zeigen die geophysikalischen Messungen im Gipfelbereich drei charakteristische Anomalien (Mecking – Rabbel – Erkul 2016, 166–168 Abb. 38), weshalb dort Schnitte zur Klärung ihrer Ursachen angelegt werden sollten. Gleiches galt in Bezug auf eine weitere Anomalie, die im Zentrum des Tumulus von der Seismik erfasst worden war. Schon die Topographie des Gipfelbereiches mit der deutlich erkennbaren Einsattelung zwischen einer nördlichen und einer südlichen Spitze (Abb. 7. 8), dem bis dorthin reichenden großen nordwestlichen Einschnitt und der flachen östlichen Senke deutet auf erhebliche Störungen hin, sodass intakte antike Strukturen kaum zu erwarten waren. Vor diesem Hintergrund ist die Identifikation sekundärer Eingriffe in den Gipfelbereich des Yığma Tepe, die bereits an der Oberfläche durch Streufunde überwiegend byzantinischer Zeitstellung angezeigt werden, ein weiteres Ziel der Grabungen. Schließlich sollte geklärt werden, ob und wie sich das regelmäßige System aus radialen Steinreihen, das 2015 mehrfach beobachtet worden war, in der oberen Aufschüttung des Hügels zum Gipfelbereich hin fortsetzt. Am Fuße des Hügels sollten im Bereich der Krepis weitere Schnitte geöffnet werden, um zum einen die Beobachtungen von 2015 zum unteren Aufbau des Grabhügels hinter der Ringmauer zu verifizieren, da dieser bislang nur in der sehr kleinen Sondage 4 des Jahres 2015 dokumentiert werden konnten. Zum anderen bestand weiterhin die Hoffnung, datierbares Material aus bauzeitlichen Kontexten zu bergen. Schließlich sollte ein von Dörpfeld beschriebenes und fotografisch dokumentiertes Podest vor der Krepis exakt lokalisiert, dokumentiert und einschließlich seines Umfeldes genauer untersucht werden, da es sich um den einzigen bekannten Punkt der Krepis handelt, der in signifikanter Form hervorgehoben ist. Die Grabungsflächen der Kampagne 2017 (Abb. 7. 8) konzentrierten sich im Bereich der Krepis am großen Einschnitt der Altgrabung in der nordwestlichen Flanke sowie auf dem Gipfel des Tumulus. Sondage 1 (Abb. 9. 10) lag zwischen dem nördlichen Rand des südlichen Gipfels und der östlichen Senke des Gipfelplateaus und erfasste somit Teile von Anomalie B der Georadar- und Geoelektrik-Messungen aus 2014. Sondage 2 war am nordöstlichen Rand des nördlichen Gipfels plaziert. Sondage 4 lag auf dem südlichen e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 11 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. Säuberung 1 und Sondage 5. (Abb.: İ. Yeneroğlu) 12 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. Säuberung 1 und Sondage 5 (Foto: B. Ludwig) 176 Gipfel in nur einem Meter Entfernung vom geometrischen Zentrum des Tumulus. Nordöstlich des großen Einschnittes wurde über der Krepis So 03 angelegt. Am westlichen Rand des großen Einschnitts befanden sich Säuberung 1 und Sondage 5 (Abb. 11. 12). Die Ausgrabungen 2017 haben zum einen zahlreiche neue Erkenntnisse zum System der Steinreihen im Gipfelbereich erbracht, die wesentlich für deren Interpretation sind. Des Weiteren verfügen wir nun über belastbare Indizien für die Existenz einer Baustruktur auf dem Gipfel des Tumulus. Die Befunde in Sondage 3 sprechen für eine mehrphasige Entstehung des Yığma Tepe, wie sie auch von der Schichtstruktur des Hügels nahegelegt wird, die durch die seismischen Messungen nachvollziehbar geworden ist (Abb. 13). Mit der Rampe in Säuberung 1 und Sondage 5 konnte eine aussagekräftige Baustruktur freigelegt werden, die erstmalig einen Hinweis auf die Position einer möglichen Grabanlage gibt. Aufgrund der Störungen der Aufschüttung durch den großen Einschnitt in der Nordwestseite des Hügels können wir aber davon ausgehen, dass diese bereits zerstört ist. Aussagekräftiges Fundmaterial für die Datierung der Gründungsphase des Monuments mit Anlage der Krepis konnte nicht gewonnen werden. Die oberflächennah geborgene Keramik scheint überwiegend in das 1. Jahrhundert v. Chr. zu datieren. Was dies für die Einschätzung der Datierung des Yığma Tepe bedeutet, muss in der abschließenden Publikation unter Einbeziehung der wenigen dokumentierten Funde der Altgrabung und deren stratigraphischer Zuordnung diskutiert werden. Geophysikalische Prospektion – Die geophysikalischen Prospektionen (Christian-Albrechts-Universität Universität zu Kiel, Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik [Leitung: W. Rabbel]) werden im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Agence nationale de la recherche geförderten Projektes NekroPergEol durchgeführt. Die Arbeiten, wiederum in Kooperation mit der Kocaeli Üniversitesi in Izmit, dauerten vom 4.9.– 20.9.2017. In diesem Zeitraum wurden die geophysikalische Untersuchung am monumentalen Tumulus Yığma Tepe in einer dritten Messkampagne vorläufig abgeschlossen. Die Messungen basierten auf den Ergebnissen der e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 13 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. 3D-Ansicht des Schichtmodells des Yığma Tepe basierend auf P-Wellen-Refraktionsseismik. (Abb.: R. Mecking, W. Rabbel, E. Erkul) 14 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. Luftbild mit GPR-Tiefenscheibe in der Tiefe von 0,8 m. (Abb.: R. Mecking, W. Rabbel, E. Erkul) 177 Jahre 2014 und 2015, sollten diese vervollständigen und noch offene Fragen klären. Seismische Messungen sollten ergänzend zu den vorangegangenen Kampagnen durchgeführt werden, um die Ergebnisse im Bereich der Kuppen des Hügels zu verifizieren und nicht abgedeckte Bereiche in den Flanken zu ergänzen. Parallel zu den Ausgrabungen im Bereich der Kuppen und an der Krepis wurden Geoelektrik und GPR-Messungen durchgeführt, um in den Sondagen sichtbare Strukturen in die angrenzenden Hügelbereiche zu verfolgen und die Interpretation der Ergebnisse zu verbessern. Durch hochauflösende Georadar-Messungen konnten linear und kreisförmig angeordnete Strukturen auf der Kuppe des Hügels identifiziert werden, die mit Steinsetzungen, die in Grabungen gefunden wurden, korrelieren (Abb. 14). Basierend auf seismischen Messungen konnte ein 3D-Modell der Stratigraphie erstellt werden, das drei Bauphasen des Hügels in Form unterschiedlich konsolidierter Schichten aufweist (Abb. 13). Seismische Messungen zeigen weiterhin, dass es auf und oberhalb der untersten Bauphase im Inneren des Yığma Tepe markante isolierte Strukturen mit Abmessungen von mehreren Metern gibt (Abb. 15), deren Beschaffenheit jedoch bisher ungeklärt ist. Bauablauf und Konstruktionsweise des Yığma Tepe – Durch die Ergebnisse der neuen Untersuchungen 2014–2017 und unter Zuhilfenahme der Dokumentation der Altgrabungen W. Dörpfelds kann der Bauablauf am Yığma Tepe wie folgt rekonstruiert werden: Zuerst wurde die antike Oberfläche begradigt, die in Form einer stark verhärteten, humosen und fast steinfreien Schicht von max. 0,5 m Stärke sowohl in der Altgrabung (Dörpfeld 1908, 366) als auch in den Sondagen der neuen Ausgrabungen nachgewiesen werden konnte. Wie die Stollengrabung Dörpfelds belegt, wurden danach zentral ein Pfosten von 0,15 m Durchmesser sowie ein schmalerer Nebenpfosten aufgestellt (Abb. 16). Durch Referenzierung des Altplans und Neuvermessung der Krepis konnte bestätigt werden, dass die Pfosten zur Markierung deren nahezu regelmäßigen kreisförmigen Verlaufs dienten, da der Mittelpunkt des Radius der Krepis fast genau über den Pfosten liegt. Zugleich dienten sie der Visualisierung des Hügelzentrums und ermöglichten einen e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 15 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. 3D-Ansicht der Strukturen im tieferen Hügelinneren, die durch Scherwellenreflexionen identifiziert werden konnten. (Abb.: R. Mecking, W. Rabbel, E. Erkul) 16 Pergamon, Grabhügel Yiğma Tepe. Plan und Profil der Altgrabung Dörpfelds mit Markierung der Mittelpfosten im Zentrum des Stollensystems (vergrößert unten links) und Markierung der Aufschüttungsphasen im Profil. (nach: Dörpfeld 1910, 391) 178 regelmäßigen Aufbau. Ferner könnte der Nebenpfosten anzeigen, dass die Pfostenstellung in späteren Bauphasen stets erneuert wurde. Die daran anschließende Aufschüttung konnte vollständig mit aus dem Umfassungsgraben gewonnenem Material realisiert werden, wie vorläufige Volumenberechnungen belegen. Nach Dörpfelds Beobachtungen wurde auf der alten Oberfläche zunächst ein kleiner Kernhügel von etwa 22–24 m Durchmesser um die Pfosten herum errichtet, der sich durch die Verwendung eines deutlich festeren und lehmigeren Materials auszeichnete, bei dem es sich vermutlich um den antiken Oberboden aus dem Graben handelte (Dörpfeld 1910, 391). Darüber folgten drei großflächige und beinah horizontal ausgeführte Aufschüttungsphasen aus sandig-kiesigem und geröllhaltigem Flusssediment (Abb. 16). Die großen Schüttungsphasen aus recht homogenem Material wurden unter Umständen durch Schichten eines festeren, lehmigeren Materials getrennt, wie man der Publikation Dörpfelds entnehmen könnte. In der Aufschüttung des Yığma Tepe traten darüber hinaus noch weitere konstruktive Elemente in Form von lockeren Steinsetzungen aus kleineren bis mittelgroßen Flussgeröllen auf. Während sie 2015 nur im Bereich direkt oberhalb der Krepis in radialer Ausrichtung dokumentiert werden konnten, gelang 2017 schließlich ihr Nachweis auf dem Gipfel des Tumulus, wo zudem konzentrisch ausgerichtete Steinsetzungen erkennbar sind. Abschließend ist festzustellen, dass die Steinreihen wohl in erster Linie als Visierhilfen zur Herstellung einer regelmäßigen Aufschüttung dienten, wie das Aufgreifen derselben Fluchten auf unterschiedlichen Niveaus und ihr Bezug zum Tumuluszentrum verdeutlicht. Gleichermaßen hatten sie sicherlich auch eine Funktion zur temporären Stabilisierung der lockeren Erdmassen während des Bauvorgangs und danach als Erosionsschutz. Konservierungsarbeiten 2017 in Pergamon Mit dem völlig unerwarteten und viel zu frühen Tod Martin Bachmanns (1964–2016) ging in Pergamon eine von ihm geprägte Ära baudenkmalpflegerischer Maßnahmen abrupt zu Ende. Seine großen Verdienste sind an verschieden Stellen bereits ausführlich gewürdigt worden (eine Auswahl der Nachrufe ist am Ende dieses Beitrags zu finden). Die erfolgreichen Arbeiten e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 179 werden in seinem Sinne von U. Mania als Stellvertretendem Grabungsleiter und S. Tezer-Altay als leitender Architektin der Pergamongrabung fortgesetzt. Nachdem im Jahr 2016 auf dem Ausgrabungsgelände nicht gearbeitet werden konnte, galt es im folgenden Jahr, die Arbeiten zügig fortzusetzen. Insbesondere die Rekonstruktion der Nordwestecke des Palästraperistyls musste vorangetrieben werden, da die Finanzierung der dort tätigen Handwerker durch die Studiosus-Foundation über das Jahr 2018 hinaus nicht vorgesehen war. Aus diesem Grund wurden die Arbeiten im Gymnasion bereits Ende Mai, also rund zwei Monate vor Beginn der eigentlichen Ausgrabungskampagne aufgenommen. In der Roten Halle wurde die Konsolidierung der Temenos-Südmauer während der Monate August und September fortgesetzt. Allerdings machten Schadensereignisse der letzten beiden Jahre auf dem Stadtberg und im Asklepieion eine flexible Anpassung des Arbeitsprogramms erforderlich. 18 Pergamon, Stadtberg. Gymnasion. Ergänzung eines Geisonblocks mit Prokonnesos-Marmor. (Foto: U. Mania) Gymnasion Ab Ende Mai wurde an der Rekonstruktion der nordwestlichen Peristylecke in der Palästra des Gymnasions gearbeitet. Im Jahr 2015 war noch die untere Trommel der herzförmigen Ecksäule des Untergeschosses versetzt worden. Danach fertigten zwei Steinmetze über das gesamte Jahr 2016 auf einem Werkplatz an der Roten Halle fehlende Werkstücke neu an und ergänzten originale beschädigte Bauteile. Sämtliche Arbeiten wurden mit prokonnesischem Marmor ausgeführt, dem Werkstein, der bereits für die kaiserzeitliche Peristylordnung verwendet worden war. Die Oberflächen der neuen Säulentrommeln wurden zunächst in einem maschinell geschliffenen Rohzustand belassen, da ihre Anpassung an die originalen Trommeln erst nach dem Versetzen erfolgt. Die neu angefertigten Architrave wurden dagegen bereits mit dem Zahneisen überarbeitet, um eine Absetzung der Neuteile vom Original sicherzustellen. In einem aufwendigen handwerklichen Verfahren wurden beschädigte Originalteile mit Marmor Bruch an Bruch ergänzt (Abb. 17). Steinersatzmassen wurden nicht verwendet. Die angesetzten e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 18 Reduzierter Entwurf für die wiederzuerrichtende Peristylecke mit der Aufstellung exemplarischer Bauglieder des Obergeschosses. (Zeichnung: S. Tezer-Altay) 19 Pergamon, Stadtberg. Gymnasion. Anastylose der nordwestlichen Ecke der Säulenstellung in der Palästra. Arbeitsstand am Ende der Kampagne 2017. (Foto: U. Mania) 180 Teile wurden flächig verklebt und entsprechend der statischen Notwendigkeit Edelstahldübel zur Erhöhung der Bruchfestigkeit eingesetzt. Die wiederverwendeten Säulentrommeln sind zum Teil von Haarrissen durchzogen und wurden durch das Einkleben von Fiberglasstäben ertüchtigt. Die wiedererrichtete Peristylecke erstreckt sich über drei Joche und ist dementsprechend im Grundriss L-förmig. Diese Form verleiht der frei stehenden Konstruktion eine hohe Stabilität. Dennoch mussten die Säulenbasen mit bis zu 2 m langen Edelstahlprofilen im felsigen Untergrund verankert werden, während die Dübel in den darüber folgenden Schichten entsprechend ihrer abnehmenden mechanischen Belastung immer geringer dimensioniert sind. In der Gebälkzone wurden außerdem Edelstahlklammern zur Fixierung der Werkstücke verwendet. Der insgesamt umfangreiche Einsatz solcher Armierungen ist notwendig, da die Peristylecke nicht mehr wie im ursprünglichen Zustand über Decke und Dach an den Baukörper der Palästra angebunden ist und dementsprechend Windlasten, Erschütterungen und anderen mechanischen Belastungen allein standhalten können muss. Für die entsprechende Beratung sowie die Erarbeitung eines statischen Konzepts bedanken wir uns bei Dipl.-Ing. J. Steiner. Parallel zu diesen Arbeiten wurde aus konservatorischen Gründen das Konzept der Wiederaufstellung der Peristylecke überarbeitet, denn es zeigte sich, dass aufgrund des Zustands der wiederverwendeten Originalteile nicht sämtliche vorgesehenen Armierungen eingebracht werden konnten bzw. dies mit einem hohen Verlust an Originalsubstanz verbunden gewesen wäre. Es wurde deshalb der Beschluss gefasst, das Obergeschoss der Säulenstellung lediglich durch zwei Plinthen, Basen, einem Säulenstumpf und einer Schrankenplatte anzudeuten. Dadurch konnten im oberen Bereich der Peristylecke die stabilisierenden Eingriffe reduziert werden und gleichzeitig ergab sich mit dem unvollständigen oberen Abschluss eine Silhouette, die sich harmonischer in das Gesamtensemble der Ruinen des Gymnasions einfügt. Bauteile des Obergeschosses, wie das Eckkapitell, eine Gebälkprobe und eine vollständige Säule mit Kapitell, sollen nun exemplarisch in einer musealen Aufstellung seitlich vor der Peristylecke präsentiert werden (Abb. 18). Damit wird zugleich an die von W. Dörpfeld etablierte Visualisierung antiker e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 20 Pergamon, Stadtberg. Gymnasion. Mittlere Terrasse. Konsolidierung des Übergangs zwischen hellenistischer Terrassenmauer und spätbyzantinischer Befestigung. (Foto: S. Tezer-Altay) 21 Pergamon, Unterstadt. Rote Halle. Ansicht der südlichen Temenosmauer nach Abschluss der Arbeiten 2017. (Foto: U. Mania) 181 Bauten durch sogenannte Architekturproben angeknüpft, die sich gerade im Gymnasion bis heute mehrfach erhalten haben. Bis zum Abschluss der Kampagne 2017 wurde das gesamte Untergeschoss bis hinauf zum Geison fertiggestellt und die Voraussetzungen geschaffen, die gesamten Arbeiten im darauffolgenden Jahr abzuschließen (Abb. 19). Im Winter 2015/2016 waren Teile einer Mauer am Rand der mittleren Terrasse des Gymnasions abgestürzt. Der Bereich wurde in dieser Kampagne konsolidiert und teilweise wiederhergestellt (Abb. 20). Bei der abgestürzten Mauer handelt es sich um einen Abschnitt der spätbyzantinischen Verteidigungsanlage, die hier auf den bereits ruinösen Mauern des hellenistischen Gymnasions errichtet worden war. Ursache für den Einsturz waren die Freilegungsarbeiten im frühen 20. Jahrhundert, bei denen die antike Hauptstraße ausgegraben worden und dabei zwangsläufig der Mauerfuß bzw. das Fundament der byzantinischen Verteidigungsmauer freigelegt worden war. Bei den Wiederherstellungsarbeiten 2017 ging es folglich darum, den historischen Befund der sich überlagernden hellenistischen und byzantinischen Mauern zu erhalten und gleichzeitig einen Zustand herzustellen, mit dem der Terrassenabschnitt dauerhaft konsolidiert ist. Zunächst wurde die hellenistische Terrassenmauer um zwei Lagen aufgehöht, um die Neigung des dahinter ansteigenden Abhangs zu verringern. Dabei wurde wie in den Jahren zuvor bei Reparaturen an den Terrassenmauern des Gymnasions ein Mauerwerkstyp gewählt, der dem hellenistischen Quadermauerwerk angepasst ist, sich aber durch einen Rücksprung gegenüber der originalen Wand um 2–5 cm leicht als moderne Maßnahme erkennen lässt. Die steinmetzmäßig bearbeiteten Quader wurden in Mörtel versetzt und zum Teil mit Dübeln an den nach hinten anschließenden Quermauern angebunden. Die beiden in dem betroffenen Abschnitt befindlichen Quermauern wurden ebenfalls erhöht, und zwar so weit, dass sie eine zweite und ursprünglich in der Terrasse verborgene Mauer wieder ausreichend gegen den Hangdruck stabilisieren können. Durch die Aufhöhungen wurde das Gefälle in dem ruinösen Abschnitt der Terrasse soweit verringert, dass eine weitere die Erosion weitgehend unterbunden wird. Abschließend wurden die Reste der spätbyzantinischen Verteidigungsmauer verfugt. e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 22 Pergamon, Asklepieion. Unterer Rundbau. Konsolidierung des Mittelpfeilers. (Foto: U. Mania) 23 Pergamon, Asklepieion. Unterer Rundbau. Konsolidierung der bogenförmigen Pfeiler. (Foto: U. Mania) 182 Rote Halle Die bis zu 16 m hohe Stützmauer an der Südostecke des Temenos der Roten Halle hat eine äußere Mauerschale aus kleinen Andesitquadern, die in nachantiker Zeit zur Gewinnung von Baumaterial aus der Mauer herausgebrochen wurden. So entstanden bis in eine Höhe von 10 m großflächige Fehlstellen in der Wand. Um die Standsicherheit der Mauer langfristig zu gewährleisten, müssen diese Fehlstellen wieder gefüllt werden. Das Vorgehen wurde bereits in den Jahren zuvor im östlichen Mauerabschnitt angewandt. Um das Erscheinungsbild der kaiserzeitlichen Mauer weitmöglich anzugleichen, werden alle Andesitquader von Hand überarbeitet, sodass keine modernen Sägeschnitte zu sehen sind. Die Steine werden mit hydraulischem Kalkmörtel versetzt und die Fugen während des Abbindens abgekratzt, um ein optimales Erscheinungsbild zu erreichen. Die Grenze zwischen antikem und neuem Mauerwerk wurde, wie bereits zuvor praktiziert, mit schwarzen Basaltsteinen markiert. Insgesamt wurden rund 900 Steine in zwei Abschnitten der Stützmauer versetzt (Abb. 21). Asklepieion Vom Unteren Rundbau des Asklepieions ist im Wesentlichen das Untergeschoss erhalten. Dieses besitzt einen kreisförmigen Umgang, der von zwei konzentrischen Gewölbetonnen überdeckt wird. Dabei ist die innen liegende Tonne um einen massiven Mittelpfeiler geführt, dessen äußere Mauerschale aus kleinen Andesitquadern besteht, während sein Inneres locker mit Steinen und Mörtel gefüllt ist. Von der Überwölbung sind noch Reste erhalten. Am Mittelpfeiler hatten sich im Bereich des Gewölbeanlaufs Steine aus der Mauerfüllung gelöst und waren abgestürzt. Der darüber auskragende Wandbereich wurde konsolidiert, indem ein Teil der inneren Gewölbeschale auf der Seite des Mittelpfeilers neu aufgemauert und der absturzgefährdete Bereich so unterstützt wurde (Abb. 22). Außerdem wurden die Fugen zwischen den kleinformatigen Quadern am Wandfuß erneuert. Zwischen dem inneren und dem äußeren Gewölbering befinden sich gemauerte Pfeiler, die mit Bögen verbunden waren, sodass ein ringförmiges Auflager für die Gewölbetonnen entstand. Die Pfeiler selbst sind nicht e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 183 massiv, sondern bestehen aus zwei seitlichen Mauerpartien, die ein kleiner Bogen miteinander verbindet. Diese fragile Konstruktion wurde in der Antike durch ein Erdbeben stark beschädigt. Die Pfeiler sind von Rissen durchzogen und zum Teil bereits verformt. Zwei dieser Pfeiler drohten jetzt zu kollabieren und wurden wieder instand gesetzt (Abb. 23). Dazu wurden die tief ausgewaschenen Fugen mit Kalkmörtel verschlossen und Teile der Gewölbe in den Bögen ersetzt. 24 Ausschnitt aus der Dokumentation des östlichen Abschnitts der Stützmauer der mittleren Gymnasionterrasse (grün=Bewuchs; türkis=Verfugung; rot=Ergänzung; gelb=Verfugugn und Hinterfüllung). (Abb.: K. Başak) 25 Schnitt durch den nördlichen Rundbau der Roten Halle auf der Grundlage eines 3D-Modells. (Abb.: B. Ludwig) Sonstige Arbeiten Die östliche Stützmauer des Gymnasions wurde photogrammetrisch aufgenommen und anschließend Bauphasen bzw. unterschiedliche Mauerwerkstypen und Schäden kartiert sowie ein Konzept zu ihrer Konservierung erarbeitet (Abb. 24). Die Sicherung dieser Mauer ist Bestandteil der Maßnahmen zur besseren touristischen Erschließung des Gymnasions, wobei der Berücksichtigung von Besucherwegen durch das sich über drei Terrassen erstreckende Bauwerk eine entscheidende Rolle zukommt. Die Arbeiten sollen im Jahr 2018 aufgenommen werden. Die Rote Halle und der nördliche der beiden Rundbauten waren in den vergangenen sechs Jahren Gegenstand eines groß angelegten Restaurierungsprogramms, das von türkischer Seite finanziert und durchgeführt wurde. Im Zuge der Bauarbeiten im nördlichen Rundbau wurden sämtliche Einbauten der dort befindlichen Kurtuluş-Moschee entfernt und Sondagen unter dem rezenten Fußboden durchgeführt. Die günstige Situation während der Bauarbeiten im Jahr 2017 wurden genutzt, um ein 3D-Modell des Innenraums anzufertigen, bevor der Bau wieder seiner Nutzung zugeführt und mit einer Inneneinrichtung versehen wird. Das Modell wurde aus Fotos errechnet, die mit einer Drohne aufgenommen worden waren (Structure from Motion). Das Material erlaubt eine genaue Untersuchung der architekturgeschichtlich außergewöhnlichen Kuppel, die aus horizontal geschichteten Ziegelplatten in Form eines Kragsteingewölbes errichtet wurde (Abb. 25). e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 26 Pergamon, Umlandsurvey. Arbeitsgebiet 2017. (Karte: B. Ludwig) 27 Kane-Halbinsel, Plan der antiken Stätten und Untersuchungsareale des Surveys 2014–2017. (Abb.: J. Schlegel, B. Ludwig. Datengrundlage: DLR RESA Rapid Eye Image, Aufnahme September 2011) 184 Das Umland von Pergamon (Leitung: B. Horejs, OREA – ÖAW Wien) Nachdem im Jahr 2016 keine Feldarbeiten im Umland von Pergamon durchgeführt werden konnten, lag der Schwerpunkt der Arbeiten 2017 auf dem Abschluss des Projekts „The Maritime Topography of the Ancient Kane Peninsula: A Micro-Regional Approach to the Impact of Harbours and Anchorages on Politics, Economy and Communication of a Western Anatolian Landscape. Kane Regional Harbour Survey“ (Abb. 26). Im Fokus stand dabei die Dokumentation von Bauresten an der Küste zwischen Bademli (Kane) und Çandarlı (Pitane) (Abb. 27) sowie in der westlichen Hafenbucht von Çandarlı. Weiterhin wurden mehrere Plätze im westlichen unteren Flusstal des Bakır Çay (Kaikos) erkundet, die im Rahmen eines neuen Forschungsprogramms ab 2019 intensiv untersucht werden sollen. Ebenfalls abgeschlossen wurde die Fundbearbeitung des prähistorischen Umlandsurveys. Der Survey auf der Kane-Halbinsel („Kane Regional Harbour Survey“) Kane (Stadt): Neue Beobachtungen zur Befestigung und zu den Hafenbauten – Die vorläufige Auswertung der Baubefunde an beiden Buchten von Kane ließ die Frage einer möglichen älteren Stadtbefestigung in das Blickfeld rücken (Abb. 28. 29). Im Flachwasserbereich der Ostbucht lässt sich ein rechteckiger Bau überzeugend als Turm ansprechen. Zwei nordwärts anschließende, grob gefügte Mauerstücke können zur Mauerschale einer Kurtine gehören. Dieser Abschnitt wurde später von der hellenistischen, geradlinig-uferparallelen Andesitquader-Mauer einplaniert, die ältere Befestigungstrasse im weiteren Verlauf von ihr schräg überschnitten (Abb. 30). Neu aufgenommen wurde ein Mauerzug, der etwa 5 m seeseitig vor der erhaltenen Quaderschale der hellenistischen Mauer leicht schräg zu dieser verläuft. Die Mauer besteht aus großen, unregelmäßigen Blöcken, die zweireihig gesetzt sind; eine adäquate zeichnerische und fotografische Dokumentation war aufgrund der Wassertiefe nicht möglich. Eine Anzahl vergleichbarer Baubefunde läßt sich vom Uferstreifen der Westbucht anschließen, wo ebenfalls verschiedene ältere Mauerreste von der hellenistischen Stadtmauer teils überschnitten, teils in die Linie einbezogen bzw. überbaut sind. Nahe der Wasserlinie waren hier 2017 zwei parallele, vom e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 28 Kane (Stadt), Landzunge mit der antiken Stadtlage (von Nordosten). (Foto: B. Ludwig) 29 Kane, Stadtplan (Stand 2017, M. 1:2500). (Abb.: Hochschule Karlsruhe – KIT; Bearbeitung: I. Yeneroğlu, T. Topal, E. Laufer) 185 30 Kane, Ostbucht: Baureste der älteren Befestigung, ummantelt von der Quaderschale der hellenistischen Stadtmauer. (Hochschule Karlsruhe – KIT; Bearbeitung: A. Fediuk, E. Laufer) 31 Kane, Uferzone am Hafen mit mehreren Bauabschnitten der mutmaßlichen älteren Befestigung. (Foto:B. Ludwig) Ufer rechtwinklig abgehende Quadermauerreste freigespült, die am ehesten als weiterer Turm zu deuten sind. Prospektion mit Georadar auf dem Nordwesthang des südlichen Stadthügels hat 2017 neben den vereinzelten oberirdisch fassbaren Anhaltspunkten und der 2015 durchgeführten Geomagnetik weitere Indizien erbracht, dass die hellenistische Mauer über dessen Kuppe verlief. Auch im Bereich der westlichen, aus Steinen angeschütteten Hafenmole können zwei kurze Mauerpartien, die bislang als Rest der Molenkrone interpretiert worden waren (Abb. 31), einem weiteren Turm zuordnet werden. Seiner Bautechnik nach ist er eher der hellenistischen als der älteren Befestigung zuzuschreiben. Der Lage der in situ befindlichen Blöcke nach war der Turm vielleicht mit halbrunder oder polygonaler Südseite ausgebildet, was neben möglichen fortifikatorischen Implikationen auch mit seiner Widerstandsfähigkeit gegen die Brandung begründet sein mag. Für die Westbucht ermöglichen georeferenzierte 3D-Modelle zur Morphologie der Bucht jetzt auch eine nähere Vorstellung von den Nutzungsszenarien der Hafenzone. Bei einem angenommen Wasserstand für die hellenistische Zeit von etwa -2 m gegenüber heute bliebe von der Wasserlinie bis zur Stadtmauer eine Strandzone von ca. 30–35 m Breite, auf der Schiffe e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 186 4323008,2 4322908,1 4322808,3 32 Kane, Planausschnitt der Hafenbucht mit dem Wassertiefen-Modell der Bucht (gestrichelte Linie = simulierter Wasserstand -2 m unter dem heutigen). (Abb.: B. Ludwig) UM 2017 Kane Fundstelle 01 Maßstab: 1:200 Datum: 06.06.201 4322708,4 40 0 80m 483911,1 483811,1 483699,1 483611,1 4323005,1 4322955,2 Kane Fundstelle 01 Maßstab: 1:1500 Datum: 06.06.2018 30 0 60m 483746,2 483696,6 483646,3 33 Kane, Planausschnitt der Hafenbucht. (Abb.: Hochschule Karlsruhe – KIT; Bearbeitung: I. Yeneroğlu, T. Topal) UM 2017 hätten anlanden können (Abb. 32). Unter Einberechnung eines kontinuierlichen Anstiegs des Meeresspiegels in späterer Zeit kann die um nur ca. 6 m gegenüber der Stadtmauer seewärts vorverlagerte Mauer mit opus caementitium-Kern ebenfalls als Kai bzw. Uferbefestigung angesprochen werden. Denkbar sind für den Hafenbetrieb auch zusätzliche, ins Meer vorgeschobene hölzerne Piere. Für die Hafenzone wurde 2017 ein referenziertes Luftbild angefertigt, das im CAD-Plan eine Überlagerung mit den kartierten Baubefunden ermöglicht (Abb. 33). Die bei sehr klaren Wasser- und Sichtbedingungen aufgenommenen Luftbilder lassen im Bereich des Hafenbeckens noch weitere Steinkonzentrationen erkennen, die vielleicht noch weiteren Aufschluß über ehemalige Bebauungsstrukturen ermöglichen werden. Die Vermessungstätigkeit oblag dem Team des Instituts für Geodäsie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Georadar-Untersuchungen in Kane und Çandarlı dem Team der Universität Southampton/British School at Rome. Der Survey auf der Kane-Halbinsel ist Teil des „Portus Limen – Rome’s Mediterranean Ports“-Forschungsverbundes ↗). Die Finanzierung ist dem European Research Council (European Union’s Seventh Framework Program FP7/2007-2013) zu verdanken. Pitane (Çandarlı) – In Pitane (Abb. 34, erarbeitet von A. Fediuk [CAU Kiel, Institut für Geowissenschaften]; zur geomorphologischen und anthropogenen Struktur des Hafenbereiches vgl. Fediuk u. a. 2018) konzentrierten sich die Arbeiten 2017 auf den ufernahen Bereich des modernen Hafens im Westen der Landzunge (Abb. 35). Ausgehend von einem rechteckigen, massiven Fundament aus opus caementitium, das bis unmittelbar ans Wasser reicht und in die moderne Uferpromenade integriert ist, wurden in einer Tiefe zwischen 0,5 m und 1 m unterhalb des Meeresspiegels weitere ausgedehnte Strukturen erkannt und eingemessen. Die Befunde erstrecken sich auf einer Länge (Nord-Süd) von ca. 135 m und einer Breite (Ost-West) von ca. 90 m. Im südlichen Teil befindet sich westlich des Fundaments aus opus caementitium ein langrechteckiger Gebäudegrundriß (23 × 6 m) in der gleichen Bautechnik, der durch Zungenmauern in insgesamt sechs Kompartimente e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 187 2341 4159 4558 2292 2293 A A 2297 2298 A 2314 4311140.9 (GPR Fläche 2015/06) ı Hafen Riff 2015/06 4833 4832 4831 4839 4122 4121 4115 4123 4120 4126 4116 4119 4124 4125 4117 4118 Hafen 2015/15 4310703.9 Insel (antike Mole unter der modernen) Seemauer (2015/12 Nr. 002) 2824 UM 2017 4310266.6 Çandarlı Maßstab: 1:3500 Datum: 06.10.2017 Bauaufnahme: K. Basak, D. Weisbrich Umzeichnung: K. Basak, T. Topal 0 350m Mauer (2015/12 Nr. 001) 494774.3 494466.3 494029.0 34 Pitane, Stadtplan (mit dem heutigen Kataster, blau: moderne Küstenlinie). (Abb.: Hochschule Karlsruhe – KIT; Bearbeitung: K. Başak, T. Topal, E. Laufer) (jeweils ca. 5 × 3 m) eingeteilt ist. Unmittelbar nördlich ist eine leicht schräg dazu verlaufende caementitium-Mauer auf einer Länge von mindestens 60 m zu verfolgen, die bis zu einer Steinschüttung aus großen Felsbrocken im Nordwesten reicht. Eine weitere, amorphe Struktur aus opus caementitium (10 × 8 m) befindet sich nördlich des langrechteckigen Grundrisses, ohne dass eine Anbindung an die anderen Strukturen erkennbar wäre. Die erwähnten Baureste sind in eine ausgedehnte Steinschüttung eingebettet, die nachträglich modifiziert wurde: Wie historische Fotografien belegen, stand Anfang des 20. Jahrhunderts an diesem Abschnitt der Küste ein großes, wirtschaftlich genutztes Gebäude. Um davor eine gesicherte Anlegestelle für kleine Schiffe zu schaffen, sind offenbar Teile der Steinschüttung entfernt worden. Die Bauweise aus opus caementitium sowie die relative Lage zum modernen Meeresspiegel und zur rezenten Bebauung sprechen dafür, dass die dokumentierten Mauerzüge nach der hellenistischen Epoche und vor der Neuzeit errichtet wurden. Der historische Hintergrund und die wenigen Funde in Çandarlı aus dieser Epoche sprechen gegen eine Datierung in byzantinische Zeit, weswegen eine Errichtung der beschriebenen Strukturen in der römischen Kaiserzeit am wahrscheinlichsten ist, als von Pitane aus nachweislich Keramik in großem Stil exportiert und zu deren Herstellung Brennholz herbeigeschafft werden musste. Die konkrete Funktion der Baustrukturen könnte man folgendermaßen rekonstruieren: Um die zur Verfügung stehende Nutzfläche im Hafen von Pitane zu erweitern, wurde in der römischen Kaiserzeit Gelände, das möglicherweise in Folge des Baus der Mole im Westen zusehend verlandete oder Untiefen aufwies, baulich befestigt. Dazu wurden im Westen und Norden große Mengen an Felsbrocken als Unterbau versenkt. Der unter Wasser noch erkennbare gerade Abschluss nach Westen und Norden zeigt, dass hier Schiffe festmachen sollten. Ein 60 m langer Mauerzug, der weitgehend parallel zum westlichen Abschluss der massiven Steinschüttung verläuft, könnte als Begrenzung der Steinschüttung gedient haben. Bei den übrigen Baustrukturen dürfte es sich dann um Bauten der Hafeninfrastruktur an Land handeln. Die langrechteckige Baustruktur erinnert in ihrem Grundriss an Gebäude mit Kammern bzw. e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 188 010 4310980.9 009 4310918.7 011 008 005 007 4839 UM 2017 Çandarlı 4310855.9 0 25 50m 37 Pitane, Wulstbasis. (Foto: E. Laufer) 4120 494223.3 494179.3 36 Pitane, Seemauer. (Foto: E. Laufer) Maßstab: 1:500 Datum: 06.10.2017 Bauaufnahme: K. Basak, D. Weisbrich Umzeichnung: K. Basak, T. Topal 494116.9 35 Pitane, Planausschnitt der ufernahen Hafenzone. (Abb.: Hochschule Karlsruhe – KIT; Bearbeitung: K. Başak, T. Topal, E. Laufer) 4119 tabernae, die sich in der römischen Kaiserzeit unmittelbar auf den Hafen öffneten. Nach Osten schloss sich daran ein weiterer Mauerzug an, der heute in der modernen Strandpromenade endet. In welchem Verhältnis zu diesem Bau das lediglich 5 m weiter östlich gelegene massive Fundament und die amorphe Struktur aus opus caementitium standen, muss vorerst offenbleiben. Die dokumentierten Befunde sind Winden aus westlichen Richtungen unmittelbar ausgesetzt, die in den Sommermonaten an diesem Küstenabschnitt vorherrschend sind. Damit können die maritimen Anlagen ohne einen im Westen gelegenen Wellenbrecher nicht als Anlegestellen funktioniert haben. Nur bedingt konnte die im Südwesten gelegene, bis zu einer kleinen Insel reichende Mole (Abb. 34) als Schutz vor dem offenen Meer gedient haben. Ungefähr 350 m nördlich dieser Insel befindet sich jedoch eine Untiefe, die heute bis unmittelbar an die Wasseroberfläche reicht. Von dort nach Süden zur genannten Insel verlaufend zeichnet sich unterhalb des Meeresspiegels deutlich die Linie eines Riffs ab (Abb. 30). Da in der römischen Kaiserzeit der Meeresspiegel ungefähr 1,5 m niedriger lag als heute, dürfte dieses Riff damals als natürlicher Wellenbrecher gewirkt haben. Der Felsuntergrund könnte zudem ehemals durch weitere künstliche Aufbauten verstärkt worden sein. In dieser maximalen Ausdehnung hätte auf der Westseite Pitanes ein 8,5 ha großes Hafenbecken bestanden. Im übrigen Stadtgebiet wurden 2017 die wenigen bereits 2015 beobachteten antiken Baureste aufgenommen (Abb. 34). Dazu zählt insbesondere das besterhaltene Stück der Seemauer an der Südwestseite der Stadt: eine 6,40 m lange Mauerpartie aus grauen Andesitquadern; die zugehörige seeseitige Mauerschale ist gänzlich verloren (Abb. 36). Das Mauerstück muss der Bautechnik nach zu einer hellenistischen Ausbauphase der Stadtbefestigung gehören. Im Altstadtbereich, nahe beim Kastell, wurde eine sehr wahrscheinlich archaische Säulenbasis aus Andesit dokumentiert (Abb. 37), die von einem auf einen Sakralbau äolisch-ionischer Ordnung stammen könnte. Ergänzend zu den Geomagnetik-Messungen 2015 wurden im zentralen Stadtgebiet zwei kleine Flächen mit Radar prospektiert (Abb. 34, rot). Dabei konnte eine ringförmige Anomalie, die am ehesten von einem Brennofen e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 189 herrührt, bestätigt werden. An dieser Stelle, d. h. unweit der oben beschriebenen Hafenbauten, lag offenbar eine ausgedehnte Produktionsstätte der sog. Çandarlı Ware („Late Roman C“). Im zweiten Areal, dem ca. 120 m weiter südlich gelegenen Hof der alten Schule der Ada Mahallesi, lassen die Ergebnisse eine dichte (Haus-)Bebauung vermuten; diese Annahme wird von einer Ausgrabung des Museums Bergama 2015 auf der südlich benachbarten Parzelle gestützt, wo dicht unter der Oberfläche ein großes Hausensemble mit vergleichbarer Orientierung der Mauern freigelegt worden ist. 38 Denizköy. Lage der ‚Warte‘ 2017/05 (Pfeil) (Blick von Südosten), links daneben der Mal Tepe (= Südwestkap der Kane-Halbinsel). (Foto: E. Laufer) 39 Denizköy. ‚Warte‘ 2017/05. Westseite der Umfassungsmauer (Blick von Norden, im Hintergrund die Insel Mardalıç Adası). (Foto: S. Feuser) Neue ‚Warten‘ an der Küste der Kane-Halbinsel – Zur militärischen Sicherung der ‚maritimen Fassade‘ von Pergamon wurden entlang der Küste der KaneHalbinsel und in deren Landesinneren befestigte Siedlungen und befestigte Gehöfte mit Türmen errichtet. Die bislang im Rahmen des Umland-Surveys dokumentierten Beispiele liegen zumeist in Hochtälern und sind deutlich vom Meer zurückgesetzt (Zimmermann – Matthaei – Ateş 2015, 213 f.). In der Kampagne 2017 des Kane-Surveys wurden nun zwei befestigte Anlagen mit zentralem Turm neu aufgenommen, die nur wenig landeinwärts in der Nähe der Küste lagen. Die erste Anlage befindet sich auf einer Kuppe im Norden von Denizköy oberhalb der Bucht (Abb. 38). Auf der Oberseite der Kuppe ist die zweischalige Mauer eines zentralen, rechteckigen Baus mit einer Binnenmauer gut nachvollziehbar. Eine zweite, ebenfalls zweischalige Mauer, die in ihrem Verlauf an die Topographie angepasst ist, umgibt die zentrale Struktur in einem Abstand von ca. 7 m (Abb. 39. 40). Die Mauerzüge prägen die Topographie der Kuppe: Zu allen Seiten fällt das Gelände jenseits der äußeren Mauerzüge stark ab. Die im Bereich der Fundstelle liegenden bearbeiteten Steine sowie die zahlreichen in einer rezenten Mauer verbauten Bruchsteine lassen darauf schließen, dass die Umfassungsmauern und die zentrale Baustruktur bis zu einer beträchtlichen Höhe aus Stein bestanden. Zu denken ist an einen zentralen Turm mit einer Umfassungsmauer als Befestigung. Der Turm war mit einem Ziegeldach gedeckt, von dem zahlreiche Ziegelfragmente unterschiedlichen Typus auf der Oberfläche zu finden sind. Die Keramik am Ort e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 40 Denizköy. ‚Warte‘ 2017/05. (Abb.: S. Feuser, B. Ludwig, K. Başak) 190 umfasst nach erster Sichtung ausschließlich Stücke hellenistischer Zeit ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. Die befestigte Anlage mit einem zentralen Turm und einer umgebenden Mauer ist am besten als weitere ‚Warte‘ bzw. Beobachtungsposten anzusprechen. Die Lage auf dem höchsten Punkt der Felskuppe und das Fehlen von Nebengebäuden schließen aus, dass es sich um ein landwirtschaftlich genutztes Turmgehöft gehandelt hat (als solche sind andere Anlagen auf der KaneHalbinsel von Zimmermann 2013, 211–213 interpretiert worden). Von der Ortslage bestanden gute Sichtverbindungen nach Nordwesten in Richtung Lesbos und nach Südosten (u. a. zur Mardalıç Adası) (Abb. 39) sowie nach Söğütlü Kale (Zimmermann 2013, 213) im Inneren der Kane-Halbinsel. Auch wenn ein breiterer Sichtstreifen nach Westen durch den vorgelagerten und höheren Mal Tepe und das dortige Kap Karataş/Kap Kane versperrt wurde (Abb. 38), konnten von dem Aussichtspunkt aus Schiffsbewegungen auch in weiterer Entfernung entlang der Kane-Halbinsel gut beobachtet werden. Eine vergleichbare Anlage wurde ungefähr 4 km südsüdwestlich von Bademli östlich der Straße Bademli – Denizköy dokumentiert. Etwas vom Meer zurückgesetzt wurde auf einer Felskuppe eine Steinsetzung mit Keramik- und Ziegelfragmenten aufgefunden. Vom Meer aus ist sie wegen eines Hügels nur eingeschränkt sichtbar, dennoch bieten sich von der Fundstelle aus hervorragende Ausblicke auf die Küste, die Durchfahrt zwischen den Arginusen und zwischen der Kane-Halbinsel und Lesbos (Abb. 40). Auf der Felskuppe befindet sich eine Mauerecke in situ (1,60 × 3,10 m), die aus großen Bruchsteinen besteht, die unmittelbar auf den Felsen gesetzt sind. Die zahlreichen Bruchstücke von Ziegeln zeigen, dass die Baustruktur über ein Dach verfügte. Der erhaltene Befund, die Lage der Fundstelle und die Aussicht auf das Meer machen es wahrscheinlich, dass es sich auch bei dieser Fundstelle um die Überreste einer weiteren ‚Warte‘ handelt, auch wenn der Befund deutlich schlechter erhalten ist als bei dem Exemplar oberhalb von Denizköy. Nebengebäude wurde an dieser Stelle nicht beobachtet, weswegen eine landwirtschaftliche Nutzung auch hier unwahrscheinlich ist. Die gegenüber dem Meer etwas zurückgesetzte Lage der beiden Beobachtungsposten könnte typisch für die in Meeresnähe gelegene militärische e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 191 Infrastruktur hellenistischer Zeit im Umland von Pergamon sein. Die beiden 2017 neu entdeckten ‚Warten‘ lagen nicht unmittelbar am Meer, sondern hinter Erhebungen und waren somit für vorbeifahrende Schiffe nicht unmittelbar sichtbar. Von den beiden Ortslagen konnten dennoch die Schiffsbewegungen entlang der Kane-Halbinsel sehr gut beobachtet werden, gleichzeitig bestanden von dort Blickverbindungen zu ähnlich ausgebauten Punkten in den höher gelegenen Regionen der Kane-Halbinsel. Eine ähnliche Lage ist auch bei der kleinen hellenistischen Festung der sog. Gavur Evleri südlich von Elaia feststellbar, die ebenfalls vom Meer zurückgesetzt in erhöhter Lage mit einer sehr guten Beobachtungsposition des südlichen Teils der Bucht von Elaia lag (zu den Gavur Evleri: Pirson 2010, 200 f.). 4318466.3 Um 2017 Ilıca Nord Fundstelle: UM15, 02 Maßstab: 1:150 Datum: 06.06.2018 Bauaufnahme: K. Basak, T. Topal Umzeichnung: K. Basak, T. Topal 4318451.3 4318436.3 4318421.3 0 5 10m 482762.8 482747.8 482732.8 41 Bademli, ‚Ilıca Nord’. Römischer Baukomplex. (Abb.: Hochschule Karlsruhe – KIT; Bearbeitung: K. Başak, T. Topal, B. Ludwig) Weitere Fundplätze entlang der Küste zwischen Kane und Pitane Die 2015 begonnene Dokumentation des als ‚Ilıca Nord‘ bezeichneten Baukomplexes an der Küste südlich von Bademli konnte 2017 abgeschlossen werden (Abb. 41; vgl. Laufer 2016, 179 Abb. 50). Dank der besseren Sichtbedingungen im flachen Wasser wurde jetzt eine deutlich größere Ausdehnung der Baureste erkannt als ursprünglich angenommen: Den am Uferstreifen auf einer Länge von etwa 25 m erhaltenen Baubefunden entspricht im vorgelagerten Flachwasserstreifen eine Fläche von etwa 50 m Länge, in der einzelne Mauerzüge und vor allem unregelmäßig große Partien aus opus caementitium erfasst wurden. Das Areal des Baukomplexes misst damit mindestens 500 m2. Er bleibt gleichwohl aufgrund des starken, durch Brandung und Hangerosion bedingten Zerstörungsgrades nicht leicht verständlich. Die Anlage umfasste eine Reihe uferparallel (grob in Nord-Süd-Richtung) angeordneter Räume sowie massive Fußbodenpartien. Die Deutung als bloße Thermalbadeanlage allein, die nach den Quellaustritten von Thermalwasser am Ufer zunächst nahelag, ist in Anbetracht einer solchen Ausdehnung kaum mehr wahrscheinlich; denkbar ist vielmehr eine Deutung als villa maritima (zum Vorkommen großer kaiserzeitlicher Seevillen an der Kane-Küste vgl. den Befund auf der nur wenige Kilometer entfernten Insel Mardalıç Adası: Laufer 2016, 180 f.) – vielleicht in Kombination mit einem Badetrakt. Das Bauensemble von ‚Ilıca-Nord‘ und das benachbarte, im Befundbild sehr ähnliche ‚Ilıca Süd‘ (Laufer 2016, e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 192 178 f.) sollten in Zukunft noch eingehender hinsichtlich ihrer Raumstrukturen und möglichen Thermen-Funktionalität analysiert werden. Ausblick – Der Survey an der Küste der Kane-Halbinsel 2014–2017 stellte geographisch den direkten Anschluss zu den übrigen, bereits abgeschlossenen Survey-Projekten im unteren Kaikostal und Vorland von Pergamon her: namentlich den Untersuchungen in Atarneus und Elaia, sowie dem im Zuge des Umland-Surveys untersuchten bergigen Binnenland der Kane-Halbinsel mit der größeren Ortslage von Hatipler Kalesi und einer Anzahl der sog. ‚Warten‘ bzw. Gehöfte hellenistischer Zeit (Zimmermann 2013; Laufer 2016, 184 f.). Im Zentrum des Kane-Surveys stand die Frage nach den Häfen und Ankerplätzen an diesem Küstenabschnitt und der westlichen Kane-Halbinsel, für die aufgrund unwegsamer Landverbindungen in der Antike der Seeverkehr eine besondere Rolle gespielt haben muss. Die erstmalige systematische Erforschung der antiken Häfen von Kane und Pitane wird im Laufe der weiteren Auswertung ein präziseres Bild der beiden wichtigsten Hafenorte dieser Teil-Landschaft der Mikroregion Pergamon ermöglichen. Nahe am Meer gelegene Fundplätze wie die ‚Warten‘ gestatten ferner eine differenzierte Vorstellung von Art und Intensität der Nutzung dieser Küstenlandschaft in hellenistischer Zeit. Die Befunde größerer extraurbaner, jeweils direkt am Meer gelegener Baukomplexe in Ilıca und auf Mardalıç Adası zeigen zum anderen aber auch neue Akzente während der pax Romana: Bauten römischer Villegiatur und Badekultur (vgl. Pirson 2017, 113). 42 Arpalık Dere. Römische Therme. Gewölbestruktur in opus caementicium von Norden. (Foto: U. Mania) Weitere Fundplätze im westlichen Tal des Bakır Çay – Beim Dorf Kıroba nordwestlich von Dikili (Abb. 26) wurden im Arpalık Dere die bekannten Reste einer römischen Therme erneut aufgesucht (Abb. 42; vgl. Zimmermann 2009, 175.). Die Fundstelle erstreckt sich entlang des Flussbetts über mehrere Olivenhaine und Felder, die durch Gestrüpp, Mauern und dorniges Astwerk voneinander abgetrennt sind. Es fanden sich noch mehrere caementitium-Baukörper, ein durch eine Raubgrabung freigelegter Mauerzug, ein Kapitell aus Andesit und Keramikstreuungen. Zudem fanden sich größere Haufen abgesammelter Andesitbrocken mit zahlreichen Ziegelfragmenten. Die Keramik reicht durch- e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 193 gehend von der frühen Kaiserzeit bis in das 7. Jahrhundert n. Chr. Die Baureste sowie Flächen für zukünftige geophysikalische Prospektionen wurden kartiert. Reste eines römischen Großbaus westlich des Dorfes Sindel am Südrand des Tals des Bakır Çay (Kaikos) unweit von Pergamon (Abb. 27. 43) sind bereits im frühen 20. Jahrhundert als mutmaßliche Therme angesprochen worden (Conze u. a. 1912, 129 f.). Auf den benachbarten Äckern fand sich wenig Keramik und Ziegel. Oberhalb der modernen Fahrstraße konnte ein mutmaßlich antiker Weg gefunden werden, in dessen Umfeld zahlreiche Keramikstreuungen beobachtet wurden. Die Keramik datiert von späthellenistischer Zeit bis in die späte Kaiserzeit, daneben finden sich vereinzelte byzantinische und osmanische Scherben. Die Baureste sowie Flächen für zukünftige geophysikalische Prospektionen wurden kartiert. Einzelstudien und Aufarbeitung Auch in diesem Jahr wurden die Untersuchungen zu einzelnen Materialgattungen und älteren Grabungsbefunden fortgesetzt. Auch wenn sie nicht im Rahmen des aktuellen Forschungsprogramms zur hellenistischen Residenzstadt und ihrem Umland stattfanden, zählen sie für ein langfristiges Unternehmen wie die Pergamongrabung doch zu den Kernaufgaben. Archäologische Karte und 3D-Modelle Die Erstellung der neuen digitalen archäologischen Karte von Pergamon befindet sich in der letzten Phase der gestalterischen Vereinheitlichung der Pläne, ihrer maßstäblichen Anpassung und schließlich ihrer Zusammenführung. Die 3D-Visualisierung der antiken Stadt wurde in einem ersten Prototyp auf die römische Unterstadt mit dem Asklepieion ausgedehnt. Dieser Prototyp soll zukünftig weiter detailliert werden, was vor allem durch die Integration bislang noch unerforschter römischen Großbauten wie dem Amphitheater erreicht werden soll. 43 Sindel. Römische Ruine. Baustruktur in opus caementicium von Süden. (Foto: U. Mania) e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 Altgrabungen und Architektur Die Untersuchungen zur Baugeschichte des Dionysos-Tempels auf der Theaterterrasse wurden fortgesetzt. Auf der Grundlage der Laserscandaten aus dem Jahr 2015 entstanden mittels verformungsgerechter Bauaufnahme der Grundrissplan im Maßstab 1:50 sowie zwei Schnitte und eine Ansicht im Maßstab 1:25. Des Weiteren konnten ca. 40 Bauteile des Tempels für die Erstellung von 3D-Modellen über die Structure-from-Motion-Methode fotografisch dokumentiert werden. Parallel zu diesen Arbeiten wurden die Bauzeichnungen am Dionysos-Tempel erneut untersucht. Am Zeus-Tempel auf der Oberen Agora wurde mit der Aufnahme der ungeordnet im Gelände verstreuten Bauteile begonnen. Ziel ist ihre vollständige Erfassung und auf dieser Basis die Entwicklung eines Konzepts für ihre denkmalgerechte Lagerung. Als letzte Arbeiten für die abschließende Publikation der Architektur des Großen Altars wurde die bisherige Bauaufnahme von Werkstücken kontrolliert und vervollständigt. Die Arbeiten zur Vorlage der Badeanlage in der Stadtgrabung wurden einer Kontrolle unterzogen; gleiches gilt für Befunde und Fundmaterial aus Bau Z. Aufnahme und Bauuntersuchung eines oktogonalen Großbaus der römischen Kaiserzeit in verschiedenen Kellergewölben der Kale Mahallesi von Bergama wurden fortgesetzt. Schließlich wurden die Arbeiten an der Publikation des Trajaneums von Pergamon vorangebracht (K. Nohlen, Straßburg). Fundmaterial Die archäometrische Untersuchung von Keramik aus Pergamon und seinem Umland wurde mit der Entnahme zwölf weiterer Proben für die RFA-Analyse fortgesetzt. Nach Abschluss der Bearbeitung der Schmuck- und Trachtbestandteile vom pergamenischen Stadtberg aus sämtlichen Grabungen bis 2017 wurden in dieser Kampagne nur mehr Kontrollen durchgeführt. Weitere Arbeiten galten den Metallfunden aus der Südostnekropole als Teil der publikationsvorbereitenden Fundbearbeitung. Die Bearbeitung von Fragmenten der Wanddekoration im Inkrustationsstil aus dem Hauptraum des sog. Banketthauses konnte abgeschlossen 194 werden. Im Mittelpunkt standen die zeichnerische Dokumentation von Halbsäulenfragmenten und Quadern, die bereits 2015 zusammengesetzt werden konnten. Die Fundmünzen aus den Jahren 2015 und 2017 konnten dokumentiert werden; weiterhin wurden Münzfunde aus den 1980er- und 90er-Jahren erneut aufgenommen und fotografiert. Ein Großteil dieser Münzen ist auf der neuen Homepage zu den Fundmünzen von Pergamon ↗ bereits zugänglich, die in Kooperation zwischen den Staatlichen Museen zu Berlin, dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz und dem DAI eingerichtet worden ist. In memoriam Martin Bachmann Z. Kuban, Bergama Kazısı Mimarı Martin Bachmann, Mimarlık 392, 2016, 13 T. Saner, Bir Anadolu Kâșifi ve İstanbul Beyefendisi: Martin Bachmann, Mimar. Ist 57, 2016, H. 3, 10 F. Pirson, Dr.-Ing. Martin Bachmann (19.12.1964 – 3.8.2016), Türk Eskiçağ Bilimleri Enstitüsü Haberler 42, 2016, 12 J. Steiner, Sensibel, pragmatisch und entscheidungsfreudig – Die breite Spur von Martin Bachmann in Pergamon, Bautechnik – Zeitschrift für den gesamten Ingenieurbau 94, 2017, 69–77 F. Pirson – D. Roos, In Memoriam Martin Bachmann: 19. Dezember 1964 – 3. August 2016, IstMitt 66, 2016, 5-22 e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2018 · Faszikel 2 Literatur A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und Landschaft, AvP 1, 1 (Berlin 1912) 195 und Urbanistik in der Aiolis, Tagung 07.–09.04.2017 Onsekiz Mart University Çanakkale (im Druck) W. Dörpfeld, Die Arbeiten zu Pergamon 1900–1901. Die Bauwerke, AM 27, 1902, 10–43 R. Mecking – W. Rabbel – E. Erkul, Geophysikalische Prospektion am Yığma Tepe, in: F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2015, AA 2016/2, 2016, 164–169 W. Dörpfeld, Die Arbeiten zu Pergamon 1906–1907. I. Die Bauwerke, AM 33, 1908, 328–374 F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2009, AA 2010/2, 2010, 139–236 W. Dörpfeld, Die Arbeiten zu Pergamon 1908–1909. I. Die Bauwerke, AM 35, 1910, 345–400 F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2012, AA 2013/2, 2013, 79–164 B. Emme – A. Öztürk, Neue Forschungen zur Unteren Agora, in: F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2014, AA 2015/2, 2015, 118–126 F. Pirson, Die Siedlungsgeschichte Pergamons. Überblick und kritische Revision. Mit einem Appendix von A. Keweloh-Kaletta, IstMitt 67, 2017, 43–130 A. Fediuk – D. Wilken – T. Wunderlich – W. Rabbel – M. Seeliger – E. Laufer – F. Pirson, Marine seismic investigation of the ancient Kane harbour bay, Turkey, Quaternary International (2018) ↗ U. Kelp, Pergamon Nekropolleri. The Necropoleis of Pergamon, in: F. Pirson – A. Scholl (Hrsg.), Pergamon. Anadolu'da Bir Helenistik Dönem Başkenti. A Hellenistic Capital in Anatolia (Istanbul 2014) E. Laufer, Der Survey auf der Kane-Halbinsel („Kane Regional Harbour Survey“), in: F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2015, AA 2016/2, 2016, 174–185 E. Laufer, Die urbanistische Entwicklung von Kane und neue Erkenntnisse zur Topographie von Pitane. Ergebnisse des Kane Regional Harbour Survey 2014–2015, in: N. Arslan – E.-M. Mohr – K. Rheidt (Hrsg.), Architektur M. Zimmermann, Die Chora von Pergamon, in: F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2008, AA 2009/2, 2009, 174–182 M. Zimmermann, Chora von Pergamon: Abschlussbericht des Umlandsurveys 2011, in: F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2011, AA 2012/2, 2013, 208–218 M. Zimmermann – A. Matthaei – G. Ateş, Die Chora von Pergamon: Forschungen im Kaikostal und in der antiken Stadt Atarneus, in: A. Matthaei – M. Zimmermann (Hrsg.), Urbane Strukturen und bürgerliche Identität im Hellenismus (Heidelberg 2015) 193–236