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Ein Sphinxkopf aus der 12. Dynastie (München ÄS 7110)

From Illahun to Djeme Papers Presented in Honour of Ulrich Luft Edited by Eszter Bechtold András Gulyás Andrea Hasznos BAR International Series 2311 2011 Published by Archaeopress Publishers of British Archaeological Reports Gordon House 276 Banbury Road Oxford OX2 7ED England [email protected] www.archaeopress.com BAR S2311 From Illahun to Djeme. Papers Presented in Honour of Ulrich Luft © Archaeopress and the individual authors 2011 ISBN 978 1 4073 0894 4 Printed in England by Infomation Press, Oxford All BAR titles are available from: Hadrian Books Ltd 122 Banbury Road Oxford OX2 7BP England www.hadrianbooks.co.uk The current BAR catalogue with details of all titles in print, prices and means of payment is available free from Hadrian Books or may be downloaded from www.archaeopress.com Ein Sphinxkopf aus der 12. Dynastie (München ÄS 7110) Gabriele Wenzel Abstract The head of a sphinx statue, on display at the Egyptian Museum in Munich (ÄS 7110), was acquired in 1991 through the art market. It was published by the museum as a rare example of Sesostris III as a young man. This opinion was accepted by several scholars but doubted by Biri Fay, who suggested an earlier date. Through a comparison of its stylistic features – especially the shape of the eyes, mouth and uraeus – with those of statues dating to the reigns of Amenemhat II, Sesostris II and Sesostris III it is now almost certain that the Munich head is indeed of earlier date and belonged to a statue of Amenemhat II. Keywords Middle Kingdom art – style – iconography – Amenemhat II – Sesostris II – Sesostris III – uraeus – wesekh collar Prof. Ulrich Luft hat sich oft und intensiv mit Fragen der Datierung bzw. Chronologie vor allem in der Epoche des Mittleren Reiches beschäftigt. Zwar sind seine Forschungen in erster Linie mit schriftlichen Zeugnissen verbunden, doch wird sicher auch eine kunstgeschichtliche Untersuchung zur Datierung einer Statue aus dem Mittleren Reich sein Interesse finden – zumal es sich um ein Objekt aus dem Ägyptischen Museum in München handelt, einer Stadt, der er durch seine Lehrtätigkeit in den 90er Jahren eng verbunden war. Bei diesem Objekt handelt es sich um den Kopf einer ägyptischen Königsstatue aus dunklem Granit (H. 18cm, B. 18,5cm, T. 19cm), die sich seit 1991 im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst München befindet und seither einen der Höhepunkte der vor allem kunsthistorisch ausgerichteten Sammlung darstellt. Sein Gesicht und die Nemes-Haube sind nahezu unversehrt, lediglich die Nasenspitze und das Kinn sind beschädigt. Der Bart ist bis auf einen Rest des Steges weggebrochen, vom Königskopftuch fehlen der Zopf und die unteren Partien der Brustlappen. Auf der rechten Seite ist noch ein kleiner Teil der Schulter erhalten, durch dessen Umriss und Dekoration der Kopf als Teil einer Sphinxfigur bestimmt werden kann (Abb. 8). Unterstützt wird diese Zuordnung auch durch die weit nach hinten ausladende Konturlinie des Nemes am Hinterkopf (Abb. 5.1). Da das Objekt im Kunsthandel erworben wurde und aufgrund seines fragmentarischen Zustandes keinerlei Inschriften aufweist, kann seine Datierung nur auf Grundlage der Stilistik erfolgen, die eindeutig ins Mittlere Reich verweist. Keiner der Autoren, die sich bislang mit dem Werk auseinandergesetzt haben, zweifelt denn auch an seiner Entstehungszeit während der 12. Dynastie. Lediglich bei der Feindatierung, der Zuschreibung zu einem bestimmten König dieser Dynastie, gehen die Meinungen auseinander. So wird der Kopf im Erwerbungsbericht und in zahlreichen weiteren Publikationen des Ägyptischen Museums München als Jugendbildnis Sesostris‘ III. identifiziert (Schoske 1991; Schoske 1994a, 189-192; Schoske 1994b; Schoske 1995, 54; Grimm, Schoske und Wildung 1997, 60 f.; Wildung 2000a, 95, 102; Wildung 2000b, 54 f.; Wildung und Schoske 2009, 52, 56). Auch Polz (1995, 228 mit Anm. 9) hat diese Datierung übernommen, während für Fay (1996a, 65) ein früherer Ansatz, in die Zeit Amenemhets II., wahrscheinlich ist. Dieser sehr überzeugende Vorschlag soll hier durch eine Analyse der ikonografischen und stilistischen Details untermauert werden. Dabei erschien es wichtig, die signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Statuen durch Zeichnungen klar herauszustellen. Das Gesicht Beim Betrachten des Münchner Sphinxkopfes fällt als erstes die annähernd runde Gesichtsform auf, die einen Eindruck von Vitalität und Kraft hinterlässt (Abb. 1.1 und 8). Verstärkt wird dieser Eindruck durch die breite, ausgesprochen flache Stirn – sie ist nur so hoch wie die Augenbrauen –, die vollen, runden Wangen, die großen, weit auseinander stehenden Augen, den breiten Mund mit fleischigen Lippen und das ebenfalls breite Kinn, dessen unterer Abschluss vom Bart verdeckt war und heute weggebrochen ist. Ein weiteres auffallendes Merkmal ist die tiefe Einkerbung, durch die die Nasenflügel von den Seitenwänden der Nase abgesetzt sind, sowie ein kräftiger Hautwulst, der direkt oberhalb der Nasenflügel horizontal von der Nase zu den Wangen verläuft (Abb. 10). Dieses körperliche Merkmal findet sich häufig bei Statuen des frühen Mittleren Reiches und bildet wahrscheinlich die Vorlage für die sogenannte ‚Kuschitenfalte‘, die als wichtiges Erkennungszeichen von Bildnissen der 25. Dynastie gilt (Fay 1996a, 18 mit Anm. 60; Eldamaty und Josephson 1999, ii; Russmann 1974, 14). Zwischen dem Hautwulst, den vollen Wangen und der vorgeschobenen Mundpartie verläuft eine deutlich sichtbare, doch weich modellierte Nasolabialfalte, die nicht ganz bis zur Höhe der Mundwinkel reicht (Abb. 8). 343 From Illahun to Djeme. PaPers PresenteD In honour oF ulrIch luFt                          anonymer KönIg: 1.1 münchen, Äs 7110  1.2 ParIs, louvre a 23; 1.3 Boston, mFa 29.1132; 1.4 st. PetersBurg, eremItage  6399; 1.5 PrIvatsammlung  sesostrIs II.: 1.6 KoPenhagen, ny carlsBerg glyPtoteK ÆIn 6659; 1.7 WIen, Khm Äs 5776   sesostrIs III.: 1.8 ParIs, louvre e 12960; 1.9 KaIro, rt 18.6.26.2; 1.10 lonDon, Bm ea 684; 1.11 neW  y orK, mma 17.9.2; 1.12 KaIro, rt 18.4.22.4  amenemhet II.:   344 gaBrIele Wenzel: eIn sPhInxKoPF aus Der 12. DynastIe (münchen Äs 7110) All diese Eigenschaften finden sich in nahezu identischer Ausführung bei der Sphinxfigur Amenemhets II. im Louvre und bei den diesem Herrscher zugewiesenen Büsten in Boston MFA 29.1132 und in Privatbesitz (Abb. 1.2, 1.3, 1.5)1: die flache breite Stirn, die ausgesprochen vollen Wangen, das breite Kinn und – unterschiedlich stark ausgeprägt – der Hautwulst seitlich neben der Nase (vgl. Fay 1996a, pl. 66a-c). Auch die Büste in St. Petersburg Eremitage 6399 (Abb. 1.4) weist zahlreiche Parallelen auf – allerdings nur im Bereich der Augen, der Stirn und des Nemes, da der untere Teil des Gesichts zu einem unbekannten Zeitpunkt stark überarbeitet wurde (Fay 1996c, 52). Bei den Sesostris II. zugeschriebenen Büsten Kopenhagen ÆIN 659 und Wien ÄS 5776 sind die Proportionen des Gesichts sogar noch stärker zugunsten der Breite verändert: Der Abstand vom Kinn zum Stirnband ist deutlich geringer als der Abstand von Ohr zu Ohr. Die größte Breite liegt auch hier unterhalb der Jochbeine (Abb. 1.6-1.7). Ganz im Gegensatz dazu stehen die Statuen seines Nachfolgers Sesostris III., die stets eine länglich ovale Grundform aufweisen mit deutlich betonten, oft hart hervorstehenden Jochbeinen, schmalen Wangen, ausgeprägten, meist als tiefe Furche gestalteten Nasolabialfalten und dreieckigem Kinn (Abb. 1.81.12). Diese Beobachtungen gelten nicht nur für die Altersbildnisse des Königs (Beterstatue Kairo RT 18.4.22.4 und Sphinx New York MMA 17.9.2), sondern auch für die Statuen, die ihn in mittlerem Alter zeigen (Sitzstatue Kairo RT 18.6.26.2) und sogar für die eher jugendlichen Bildnisse des Königs (Sitzstatue Paris Louvre E 12960). Ein besonderes Merkmal sämtlicher Beispiele ist auch das Verhältnis von Gesichtsfläche zu Sinnesorganen: In einem relativ großen Gesicht sind die kleinen, eng zusammenstehenden Augen, die schmale Nase und der meist schmallippige Mund dicht zusammengerückt und nehmen nur die mittlere Partie des Gesichts ein. Völlig anders dagegen die Statuen Amenemhets II., bei denen das Gesicht vollständig von den überproportional großen 1 Ein Verzeichnis von Abbildungen aller hier genannter Objekte findet sich zusammengefasst im Anschluss an den Text. Sinnesorganen dominiert wird. Am deutlichsten wird dieser Unterschied beim Vergleich des Sphinx Louvre A 23 und der Beterstatue Kairo RT 18.4.22.4. Die Augen und Augenbrauen Eines der wichtigsten Kriterien für die Datierung von Statuen ist ohne Frage die Gestaltung der Augen. Beim Münchner Sphinxkopf verläuft das Unterlid nahezu gerade und horizontal. Es ist vom nur schwach gewölbten und im Profil leicht geneigten Augapfel (Abb. 11) durch eine schräg geschnittene Kante abgesetzt; der Übergang zur Wange ist weich geschwungen. Den oberen, annähernd halbkreisförmigem Rand der weit geöffneten Augen begrenzt ein durch eine eingeritzte Linie zusätzlich betonter schmaler Wulst. Am äußeren Augenwinkel ist dieser Wulst als leicht erhabenes Relief vom flachen Schminkstrich abgesetzt (Abb. 2.1, 2.2 und 11; vgl. Fay 1996a, pl. 21 e, h). Ein interessantes Detail ist die in Relief modellierte, schwach erhabene Iris (Abb. 12). Augen mit modellierter oder durch Ritzung hervorgehobener Iris sind sowohl im Relief als auch im Rundbild bis zum Ende des Neuen Reichs ein nur selten zu beobachtendes Phänomen. Im Relief findet sich eine eingeritzte Iris beispielsweise beim Fragment der sog. Hundestele Antefs II., München ÄS 7117 (Wenzel 2003, 71) und bei dem wohl ebenfalls aus Theben stammenden Relief Amenophis‘ I., Boston MFA 64.140 (Freed, Berman und Doxey 2003, 141). Erst in der 3. Zwischenzeit nehmen die Beispiele zu (Hill 2004, 32-33). Der sanft geschwungene, sich nach außen leicht verbreiternde Schminkstrich umschließt den äußeren Augenwinkel und zieht sich bis weit auf die Schläfen, wo er in einer geraden Linie abschließt. Seine Kontur wurde größtenteils nur durch begrenzende Ritzlinien angegeben; lediglich am Ansatz, also im Bereich des Augenwinkels, wurde er plastisch modelliert. Die in gleicher Weise von einer Ritzlinie umrandeten Augenbrauen ziehen sich ebenfalls bis auf die Schläfen und reichen damit weit über die natürlichen Brauenwülste hinaus. Sie senken sich an der Stirn in einem flachen Bogen zur Nasenwurzel hin ab, in Richtung auf die Schläfen     anonymer KönIg: amenemhet II.:  sesostrIs II. (?):  sesostrIs III.:         2.1 münchen Äs 7110 2.2 ParIs louvre a 23  2.3 meDamuD 904+947  2.4 ParIs louvre e 12960; 2.5. neW yorK mma 17.9.2; 2.6. KaIro rt 18.4.22.4    345     From Illahun to Djeme. PaPers PresenteD In honour oF ulrIch luFt                                  3.1 münchen, Äs 7110 anonymer KönIg: a menemhet II.: 3.2 ParIs, louvre a 23; 3.3 Boston, mFa 29.1132; 3.4 st. PetersBurg, eremItage 6399;   3.5 PrIvatsammlung   sesostrIs II.: 3.6 K oPenhagen, ny carlsBerg glyPtoteK ÆIn 6659; 3.7 WIen, Khm Äs 5776;  3.8 P arIs, e 32564 (KönIgIn chenmet-neFer-heDjet)   sesostrIs II. (?): 3.9 meDamuD 904+947  s esostrIs III.: 3.10 ParIs, louvre e 12960; 3.11 KaIro, rt 18.6.26.2; 3.12 neW yorK, mma 17.9.2;   3.13 KaIro, rt 18.4.22.4; 3.14 KaIro, cg 42011    parallel zum Oberlid und das Auge ist nicht so groß und folgen sie zunächst der Kontur des Oberlids und führen dann schräg nach unten bis nahe an den Schminkstrich heran.   Die Form von Augen, Schminkstrich und Augenbrauen  findet sich in weitgehend identischer Ausführung beim  Sphinx Louvre A 23 und den Büsten Amenemhets II. in  Boston, St. Petersburg und in Privatbesitz (Abb. 3.2-3.5) und ist somit ein deutlicher Hinweis auf die Datierung des  Kopfes in die Zeit Amenemhets II. (Fay 1996a, 53).   Schon bei seinem Nachfolger Sesostris II. erscheinen die  Augen meist völlig anders: Bei den Büsten in Kopenhagen  und Wien (Abb. 3.6-3.7) sind sie klein, das Unterlid ist  stärker gebogen und das Oberlid nicht so hoch gewölbt;  es überlappt das Unterlid am äußeren Augenwinkel. Auf Schminkstrich und künstlich verlängerte Augenbrauen  wurde verzichtet. Doch bezeugen auch mehrere  Statuen aus der Regierungszeit des Königs, dass diese  stilistischen Details gelegentlich noch verwendet wurden  – möglichweise während der Koregenz mit seinem Vater  Amenemhet II. Prominente Beispiele dafür sind die beiden  Sitzfiguren seiner Gemahlin, der Königstochter Nofret,  Kairo CG 381 und 382, die wesentlich kleinere Sitzfigur  der königlichen Gemahlin Chenmet-nefer-hedjet I., Paris Louvre E 32564 (Abb. 3.8), sowie die Büste in Moskau  Puschkin Museum 3402. Der Schminkstrich ist hier  allerdings etwas schmaler ausgeführt als bei den Statuen  Amenemhets II., die Augenbraue verläuft nicht mehr weniger weit geöffnet.  Auch bei den zahlreichen Statuen Sesostris‘ III. wurde auf Schminkstrich und künstlich verlängerte Augenbrauen  verzichtet. Die Gestaltung der Augen kann daher als  Weiterentwicklung der unter Sesostris II. einsetzenden, an der Natur orientierten Stilistik angesehen werden (vgl. Abb. 3.10-3.14): Das deutlich nach unten gebogene Unterlid ist  durch eine angeschrägte Kante, das Oberlid entweder durch  einen abgeschrägten Grat oder einen schmalen Wulst vom  Augapfel abgesetzt; es ist meist etwas über den Augapfel  gesenkt. Wie bei seinem Vorgänger ist das Oberlid  häufig am äußeren Ende über das Unterlid gezogen, um die natürliche Falte am Lidwinkel wiederzugeben. Der  innere Augenwinkel ist spitzwinklig gestaltet. In seltenen  Fällen wurde die natürliche Form der Augenbrauen auf den Brauenwülsten mit einer feinen Linie nachgezogen;  bei den Kolossalstatuen des Königs sind zusätzlich sogar die einzelnen Härchen durch ein feines Fischgratmuster grafisch angedeutet (Polz 1995, 228; siehe Abb. 3.14 =  Kairo CG 42011).   Zwei bei den Grabungen des französischen Instituts  unter Bisson de la Roque in Medamud gefundene Fragmente vom Gesicht einer Königsstatue (Inv. Nr. 904  und 947) weisen ebenfalls Schminkstriche und plastisch  aufgesetzte, verlängerte Brauen auf (Abb. 3.9). Ob es sich  dabei tatsächlich um Fragmente einer Statue Sesostris‘ 346        gaBrIele Wenzel: eIn sPhInxKoPF aus Der 12. DynastIe (münchen Äs 7110)                          anonymer KönIg:  amenemhet II.:   sesostrIs III.:      4.1 münchen, Äs 7110  4.2 ParIs, louvre a 23;  4.3 PrIvatsammlung  4.4 ParIs, louvre e 12960;  4.5 lonDon, Bm ea 684;  4.6 KaIro, rt 18.4.22.4 die Mundwinkel weisen leicht nach unten. Diese Tendenz wird durch die Montierung des Kopfes mit nach oben gerichtetem Blick noch verstärkt, da der Betrachter nun schräg von unten auf das Gesicht blickt (vgl. Abb. 8 und 9). Dieselbe Beobachtung beschreibt Fay (1996a, 53) für den Sphinx Louvre A 23 (Abb. 4.2). Ober- und Unterlippe laufen an den Mundwinkeln nicht spitz zusammen, sondern sind – ebenfalls wie beim Louvre-Sphinx – durch einen halbkreisförmigen Bogen miteinander verbunden. Der Muskelknoten neben den Mundwinkeln, an dem mehrere Muskelstränge auf den Mundringmuskel (musculus orbicularis oris) treffen, ist als kleiner flacher Hügel ausgeführt. Das Philtrum ist weich modelliert, der Amorbogen an der Oberlippe nur angedeutet. In der Profilansicht fällt besonders die insgesamt vorgeschobene Mundpartie und die etwas über die Unterlippe vorstehende Oberlippe auf (Abb. 5.1). III. handelt, wie Polz (1995, 228 mit Anm. 9) vermutet, oder vielmehr um Fragmente einer Statue Sesostris‘ II. (Fay 1996a, 101), lässt sich nicht mit letzter Sicherheit entscheiden. Da in Medamud auch das Unterteil und der Torso einer Statue Sesostris‘ II. zum Vorschein kamen (Inv. Nr. 2021), ist keine der beiden Möglichkeiten auszuschließen. Für Datierungsfragen kann das Fragment daher nicht herangezogen werden. Bei den Statuen Sesostris’ III. bildet die Lippenspalte normalerweise keine durchgehende, sondern eine mehrfach geschwungene Linie: Zwar ist auch sie sichelförmig gebogen, doch ist dieser Bogen von einer mehr oder weniger starken Wölbung parallel zum Amorbogen unterbrochen; die Mundwinkel weisen am äußersten Ende häufig wieder leicht nach oben (Abb. 4.5). Der Amorbogen ist in der Oberlippenkontur sehr deutlich ausgeprägt und findet seine Entsprechung in einer Einbuchtung der Unterlippe (Abb. 4.4-4.6). Die Lippen sind eher schmal und laufen an den Mundwinkeln zu einem spitzen Winkel zusammen. Von dieser Regel ausgenommen ist lediglich die ‚jugendliche‘ Sitzfigur in Paris (Louvre E 12960), bei der die Mundwinkel abgerundet sind (Abb. 4.4). Der Mund Die Ohren Anders als beim Sphinx Louvre A 23 ist der breite Mund des Münchner Kopfes (Abb. 4.1) mit den vollen Lippen nicht durch einen scharfkantigen Grat von Wangen und Kinn abgegrenzt. Der Übergang ist zwar klar zu erkennen, jedoch weicher modelliert. Die Lippenspalte verläuft in einer durchgehend schwach sichelförmig gebogenen Linie, Die Ohren des Münchner Kopfes ÄS 7110 sind insgesamt etwas größer als beim Sphinx Louvre A 23, sitzen ein wenig zu hoch und stehen etwas ab (Abb. 1.1-1.2, 14). Ihre Gestaltung allerdings ist sehr naturalistisch: Ein wulstiger Ohrmuschelrand (helix) mit nach innen gebogenem vorderem Abschluss trennt die vertiefte Ohrmuschel in          anonymer KönIg:  5.1 münchen Äs 7110   amenemhet II.: 5.2 ParIs louvre a 23   sesostrIs III.: 5.3 neW yorK mma 17.9.2     347   From Illahun to Djeme. PaPers PresenteD In honour oF ulrIch luFt einen oberen und einen unteren Teil. Das Ohrläppchen ist flach und länglich modelliert, die Gegenleiste (anthelix) sichelförmig mit gegabeltem oberem Ende, der Ohrdeckel (tragus) länglich und höckerförmig. Lediglich der Ohrmuschelhöcker (antitragus) am unteren Ende der Gegenleiste ist nur ansatzweise wiedergegeben. Bei den Statuen Sesostris‘ III. sind die Ohren zwar in ähnlicher Weise modelliert, doch wirken sie durch ihre unnatürliche Größe – bisweilen mehr als die halbe Gesichtshöhe – und die stark ausgeprägte Flächigkeit der Ohrmuschel sehr unnatürlich. Zudem stehen sie meist im nahezu rechten Winkel vom Kopf ab und sind wesentlich zu hoch angesetzt (vgl. besonders Abb. 1.10 und 1.13). Das Königskopftuch Das Nemes ragt – wie bei Sphinxfiguren allgemein üblich (Abb. 1.1., 1.2., 1.12) – seitlich über die Schultern hinaus. Die Wölbung des Oberkopfes ist stärker ausgeprägt als bei der sehr flachen Haube des Sphinx Louvre A 23 und schwingt zu den Seiten hin leicht konkav aus. Die dadurch gebildeten Kopftuchecken sind deutlich sichtbar; sie sind allerdings noch keineswegs hörnerähnlich ausgebildet, wie es vereinzelt unter Sesostris III. (Abb. 1.10), häufig ab Amenemhet III. und vor allem später in der 13. Dynastie zu beobachten ist (Evers 1929, Bd. 2, §76). In dieser Hinsicht steht der Münchner Kopf tatsächlich den Statuen Sesostris‘ III. näher als den meisten Statuen Amenemhets II., von denen lediglich die Büste in Privatbesitz dieses Detail zeigt (Abb. 1.5). Die für die 12. Dynastie typischen, in der Frontalansicht leicht konvex gebogenen Außenkanten der Seitenflügel finden sich gleichermaßen bei den Statuen Amenemhets II., Sesostris‘ II. und Sesostris‘ III. (Evers 1929, Bd. 2, §77) und liefern somit keinen Anhaltspunkt zur genaueren Datierung des Kopfes. Im Profil verläuft die Außenkante der Seitenflügel gerade; die auffällige konvexe Krümmung, die beim LouvreSphinx zu beobachten ist (Fay 1996a, 19, 54), wiederholt sich hier also nicht (Abb. 5.1-5.2). Sehr ähnlich sind jedoch wiederum die Proportionen: Die Distanz von der Nase zum Seitenflügel im Profil ist etwa gleich groß wie die Distanz vom Seitenflügel zum Hinterkopf (vgl. Faye 1996a, 54). Bei der Sphinxfigur Sesostris‘ III. in New York ist das Verhältnis deutlich zugunsten der Tiefe Nase – Seitenflügel verschoben (Abb. 5.3). Die Schläfenkante folgt in ihrem Verlauf den Falten des Nemes; diese Art der Gestaltung wurde bereits unter Sesostris I. eingeführt (Evers 1929, Bd. 2, §§83-84) und in der gesamten 12. Dynastie beibehalten. Lediglich bei der Sphinxfigur im Louvre, wo sie nur in der oberen Hälfte ausgearbeitet wurde, überschneidet sie die Falten in einem schrägen Winkel. Wie Fay (1996a, 19) betont, ist diese Ausführung – ebenso wie die oben erwähnte konvexe Gestaltung der Seitenflügel – als bewusste Reminiszenz an die Vorbilder der 4. Dynastie zu werten. Beim Münchner Kopf reicht die Schläfenkante weiter herab, bis fast an das Stirnband. Sie ist nicht als harter Knick ausgeführt, sondern etwas abgerundet – ein weiterer deutlicher Unterschied zu den Statuen Sesostris‘ III., bei denen diese Kante stets sehr präzise als scharfer Knick erscheint, der bis an das Stirnband reicht (Abb. 1.8-1.12). Die Kopftuch-Fältelung des Münchner Sphinxkopfes ist der Zeit entsprechend im Dreistrich-Muster ausgeführt (Evers 1929, Bd. 2, §54-66) und plastisch modelliert. Die Falten zeigen im Querschnitt ein rechtwinkliges Profil und verlaufen an den Seitenflügeln waagerecht, an den Schläfen diagonal und über der Stirn senkrecht. Die Breite der Streifen ist etwas nachlässig gearbeitet, über der Stirn sind kaum noch Unterschiede zwischen breiten und schmalen Streifen zu sehen (Abb. 13). Um den Kontrast zwischen den Falten zu verstärken, wurden die erhöhten Partien gut geglättet, die Vertiefungen jedoch rau belassen. Diese Oberflächenbehandlung ist typisch für die mittlere 12. Dynastie: Sie findet sich bei allen Amenemhet II. zugesprochenen Statuen, unter Sesostris’ III. jedoch nur bei den großformatigen Werken, da das plastisch ausgeführte Dreistrich-Muster zu seiner Zeit nur noch bei lebens- und überlebensgroßen Statuen verwendet wurde. Bei kleinformatigen Bildnissen wie beispielsweise dem Sphinx MMA 17.9.2 und den Sitzfiguren Brooklyn 52.1 sowie Paris 12960 und 12961 wurde es lediglich durch Ritzlinien angedeutet (siehe Polz 1995, 238-239). Die Brustlappen sind wie üblich gleichmäßig eng geriffelt (Evers 1929, Bd. 2, §§67-69); auch dieses Muster ist nicht scharfkantig, sondern abgerundet ausgeführt. Am äußeren Rand verjüngen sie sich im erhaltenen oberen Drittel deutlich. Da der untere Teil fehlt, ist ein gutes Datierungskriterium leider nicht anwendbar: Normalerweise sind äußerer und innerer Rand im unteren Teil der Brustlappen nahezu parallel; lediglich in der Zeit von Sesostris I. bis Sesostris II. verlaufen die Außenränder über die gesamte Länge in einem spitzen Winkel zu den Innenrändern (Evers 1929, Bd. 2, §40). Der Zopf des Nemes ist beim Münchner Sphinxkopf abgebrochen. Sein Beginn wird gerade noch durch eine quer verlaufende Ritzlinie direkt vor der rückwärtigen Bruchkante markiert. Sie liegt allerdings so dicht an der Bruchkante, dass sich nicht mehr entscheiden lässt, ob die Wickelung in Flachrelief gearbeitet war wie bei der Büste in Privatbesitz, oder lediglich durch eingeritzte Linien angezeigt wurde. Der Uräus Der Brustschild der Schlange setzt knapp unterhalb des oberen Randes auf dem plastisch modellierten Stirnband an. Er ist unten ausgesprochen flach gearbeitet und wird nach oben etwas kräftiger, folgt aber insgesamt der Profillinie des Nemes über der Stirn – das verbindet ihn mit den Büsten in Boston und in Privatbesitz (Fay 1996a, pls. 62a, 64a). Der Kopf ist abgebrochen, die Oberfläche insgesamt stark berieben, so dass die ursprüngliche Binnenzeichnung des Brustschilds nur noch andeutungsweise zu erkennen ist. So scheint das ‚Rückgrat’ mit der üblichen Querrippung versehen zu sein, die beiden seitlichen Flächen waren 348 gaBrIele Wenzel: eIn sPhInxKoPF aus Der 12. DynastIe (münchen Äs 7110) Sphinxkopf Sesostris‘ I. aus Karnak, Kairo CG 42007,  belegt und setzt sich fast durch die gesamte 12. Dynastie  fort – so beispielsweise bei der Sitzfigur Sesostris’ III. Kairo RT 18.6.26.2, die sich heute im Museum von Beni  Suef befindet.                       anonymer KönIg: 6.1. münchen Äs 7110  6.2 PrIvatsammlung;  6.3 st. PetersBurg eremItage  6399;  6.4 BerlIn, ÄmP 7264;  6.5 ParIs louvre a 23  sesostrIs II.: 6.6 WIen Khm Äs 5776   sesostrIs III.: 6.7 ParIs louvre e 12960;   6.8 KaIro rt 18.6.26.2;  6.9 ParIs, louvre e 12961  amenemhet II.:    wohl im oberen Teil mit einem Kreis gezeichnet und  unten beidseitig durch eine schräg zur Mitte hin geneigte  Linie unterteilt. Ob der Kreis rechts und links die drei  für das Mittlere Reich typischen Ausbuchtungen aufwies (Evers 1929, Bd. 2, §§140, 142), lässt sich heute nicht  mehr feststellen. Eine ähnliche Gestaltung ist schon beim   Der Schlangenleib beschreibt zunächst einen  eineinhalbfachen, gegen den Uhrzeigersinn gedrehten Ring und setzt sich dann gerade bis auf den Hinterkopf  fort (Abb. 6.1, 13) – ein unter Amenemhet II. mehrfach bezeugter Uräustyp: Eine exakte Parallele findet sich bei  der Büste des Königs in Privatbesitz (Abb. 6.2), eine in  gegenläufiger Richtung gedrehte Variante bei der Büste  in St. Petersburg (Abb. 6.3) und der von Ramses II.  usurpierten, an Ohren und Mund deutlich überarbeiteten  Sitzfigur Berlin ÄMP 7264 (Abb. 6.4), die ebenfalls auf  Amenemhet II. zurückgeht (Fay 1996a, 59; siehe auch Zorn 2011, 51-53, die die Überarbeitungen im Gesicht  allerdings negiert). Bei den Statuen Sesostris‘ III. bildet  der Schlangenleib dagegen nur einen einfachen Kreis, während der hintere Teil mittig über diesen Ring gelegt  oder unter ihm hindurch geführt ist (Abb. 6.7-6.9). Diese  Variante lässt sich bei sämtlichen Statuen aus Medamud  sowie bei den meisten Beterfiguren aus Deir el-Bahari  beobachten (Polz 1995, 239 mit Anm. 74).  Als Beispiele für den zweiten unter Amenemhet II. üblichen Typus des Uräusleibes sind die Sphinxfigur im  Louvre anzuführen (Abb. 6.5), die Büste in Boston und  das Kopffragment in Berlin ÄMP 22580. Bei ihnen zieht  sich der Schlangenleib in mehrfacher Windung bis über den Scheitelpunkt. Auch dieser Typus ist unter Sesostris III. noch mehrfach bezeugt (Polz 1995, 239), während  unter Sesostris II. wohl vor allem die Doppelwindung  vorherrscht (Büsten Wien KHM ÄS 5776 und Kopenhagen ÆIN6659, Sitzfigur der Chenmet-nefer-hedjet I., Paris   Louvre E 32564; siehe Abb. 6.62).    Der Ansatz des Uräus über der Stirn scheint dagegen keinen  Anhaltspunkt für die Datierung von Statuen des Mittleren  Reiches zu liefern: Bei Amenemhet II. kann er ganz ohne  Stirnband auf dem Nemes sitzen (Louvre A 23), er kann am unteren Rand des Stirnbands beginnen (Boston MFA 29.1132), direkt über dem Stirnband (Privatsammlung),  oder auch – wie beim Münchner Sphinxkopf – im obersten  Teil des Stirnbandes (St. Petersburg Eremitage 6399). Mit Ausnahme der Variante ganz ohne Stirnband finden sich  sämtliche Möglichkeiten auch unter Sesostris III. (Polz  1995, 242).  Die Brust- und Schultermähne  Während der 12. Dynastie lassen sich drei verschiedene  Sphinxtypen unterscheiden: der klassische Typus mit stilisierter Brust- und Schultermähne, die durchgehend mit einem engen Streifenmuster dekoriert ist; der ‚Semi-    2  Mein besonderer Dank gilt Michaela Hüttner vom Kunsthistorischen  Museum Wien, die mir freundlicherweise eigens angefertigte Fotos vom  Uräus der Wiener Büste zur Verfügung gestellt hat.  349 From Illahun to Djeme. PaPers PresenteD In honour oF ulrIch luFt  Mähnensphinx‘, bei dem die Brustmähne stilisiert, die Schultermähne jedoch als zotteliges Fell gearbeitet ist; und schließlich der ‚echte’ Mähnensphinx. Obwohl beim Münchner Kopf nur ein kleiner Teil der rechten Schulter erhalten ist, kann er doch eindeutig dem klassischen Typus zugeordnet werden. Der Übergang vom Streifenmuster zur Fellwiedergabe bei den Semi-Mähnensphingen befindet sich auf dem Zenit der Schulter oder sogar noch etwas davor; beim Münchner Kopf setzt sich die Streifung jedoch bis über die Schulterhöhe hinaus fort. Direkt an der Rückseite der Schulter ist sogar noch eine schräg gesetzte Streifengruppe zu sehen, die wohl zum Dreiecksmuster des spitzwinkligen Mähnenfortsatzes gehört, der sich üblicherweise vom Rücken des Löwenkörpers über die Schulter zieht. Jedoch lässt sich auch aus der Gestaltung der Mähne kein Datierungskriterium ableiten: Der klassische Typ ist seit Sesostris I., die beiden anderen ab Amenemhet II. belegt (siehe Fay 1996a, 64-69). Der Bart Da der Bart des Münchner Kopfes bis auf einen Rest des Steges, der ihn mit dem Hals verband, abgebrochen ist, kann auch er zur genaueren Datierung keine Anhaltspunkte liefern. Aufgrund der Form des Steges dürfte es sich um einen Königsbart gehandelt haben, wie ihn fast alle Statuen Amenemhets II. tragen, aber nur 10-15% der Statuen Sesostris‘ III. Selbst von den Sphinxfiguren des Königs ist nur jede zweite mit einem Bart ausgestattet, z.B. New York MMA 17.9.2 und das nur fragmentarisch erhaltene Gegenstück in Karnak, Sheikh Labib Magazin; bartlos sind dagegen die kopflose Sphinxfigur London BM 1849 sowie der Kopf Wien ÄS 5813. Das Bartband ist durch zwei eingeritzte Linien wiedergegeben, die von der Wange her so abgeschrägt sind, dass sie das Band wie plastisch erhaben erscheinen lassen. Es setzt direkt am hinteren Ende der Schläfenlappen an und ist etwa halb so breit wie jener (Abb. 15). Die begrenzenden Linien verlaufen anfangs parallel, kurz vor dem Kinn bzw. dem Bartansatz driften sie jedoch deutlich auseinander – das Bartband wird dort etwa doppelt so breit wie an der Schläfe. Eine Parallele für diese Ausführung findet sich bei der Büste Boston 29.1132; beim Sphinx Louvre A 23 und der Sitzfigur Berlin ÄMP 7264 dagegen setzt das Bartband in der Mitte des Schläfenlappens an; es ist vom Bart durch eine feine Ritzlinie abgesetzt. Bei den Statuen Sesostris‘ III. variiert seine Form; in Einzelfällen, darunter die Sphinxfigur MMA 17.9.2, ist sogar weder Schläfenlappen noch Bartband in Relief angegeben (Abb. 5.3; Polz 1995, 243 mit Anm. 92) – möglicherweise waren diese Details einst aufgemalt. Der Perlenkragen Ein interessantes Detail wurde bei den bisher publizierten Beschreibungen des Münchner Kopfes nicht erwähnt: Auf der rechten Vorderseite sind zwischen Bartsteg und Brustlappen des Nemes noch drei parallel in einem Bogen verlaufende eingemeißelte Linien zu sehen, die nur von        amenemhet II.: 7.1 ParIs louvre a 23   amenemhet III.: 7.2 KaIro je 36359    einem breiten, direkt auf der Brustmähne aufliegenden  Perlenkragen, dem sog. Usech-Kragen, stammen können (Abb. 16). In seiner klassischen Form besteht er aus  mehreren Reihen länglicher Röhrenperlen, die durch  schmale glatte Bänder voneinander getrennt sind – im  Original oft durch eine Reihe kleiner zylindrischer  Perlchen. Den unteren Abschluss bildet eine Reihe großer  tropfenförmiger Perlen. Dieses Schmuckstück erscheint in  plastisch modellierter Ausführung erstmals schon in der frühen 4. Dynastie (anders Evers 1929, Bd. 2, §197, der die erst in den 1950er Jahren entdeckte Statue noch nicht kennen konnte): Es findet sich sowohl bei der  Standfigur des Snofru Kairo JE 98943 als auch bei den  Reliefdarstellungen des Königs aus seinem Taltempel  in Dahschur; in der Privatplastik etwa zeitgleich bei der  Sitzfigur der Nofret, Kairo CG 4 – dort allerdings nur  aufgemalt (bei einer ehemals in der Sammlung Buendia  befindlichen Sitzfigur dürfte es sich um eine neuzeitliche  Kopie der Statue der Nofret mit in Relief angegebenen  Details handeln, siehe Ede 2007, Nr. 1). Vereinzelte Beispiele für plastisch modellierte Perlenkragen in der  Privatplastik gibt es seit dem späten Alten Reich, so die  Sitzstatue des Gegi aus der 6. Dynastie, Kairo CG 75  (heute im Museum von Beni Suef). Zahlreicher erscheinen  modellierte Perlenkragen erst in der 18. Dynastie (etwa die  Gruppenstatue des Sennefer und seiner Gattin Senetnai,  Kairo CG 42126).  Im Mittleren Reich lassen sich zwei verschiedene Typen des Usech-Kragens unterscheiden (vgl. Evers 1929, Bd.  2,  §§199-200): Perlenkragen mit breiten glatten Reihen, bei denen die einzelnen Röhrenperlen allenfalls durch die Bemalung wiedergegeben wurden, und solche, bei denen  sie in Relief ausgeführt sind. Letztere können wiederum  zwei geringfügig unterschiedlichen Varianten zugeordnet  werden: mit einfacher oder mit doppelter schmaler  Einfassung am Hals und oberhalb der Tropfenperlen (Abb. 7.1-7.2). Der Usech-Kragen des Louvre-Sphinx und seines  Gegenstücks Kairo CG 639 + JE 37478 sowie einiger  Statuen Sesostris‘ II., Sesostris‘ III. und Amenemhets  III. gehören zur ersten Variante, zur zweiten offenbar der Perlenkragen des Münchner Sphinxkopfes. Bei ihm sind  ganz deutlich noch mindestens zwei schmale Bänder am Hals zu sehen. Leider ist auch bei der Betrachtung mit 350                                                gaBrIele Wenzel: eIn sPhInxKoPF aus Der 12. DynastIe (münchen Äs 7110) 8 9 10 11 12 13 16 14 münchen Äs 7110 8-9 gesIcht Frontal unD schrÄg von unten 10 ‚KuschItenFalte‘ 11 Äusserer augenWInKel unD schmInKstrIch 12 PlastIsch moDellIerte IrIs 13 nemes-FÄltelung unD urÄus 14 ohr 15 schlÄFenlaPPen unD BartBanD 16 usech-Kragen 15 351 From Illahun to Djeme. PaPers PresenteD In honour oF ulrIch luFt Streiflicht nicht mehr festzustellen, ob bei den Resten des dritten Streifens einzelne Röhrenperlen ausgearbeitet waren. Wie Fay (1996b, 122-124) und Sourouzian (1996, 748-749) feststellten, finden sich Perlenkragen mit doppelter Einfassung bei rundplastischen Werken nur relativ selten. Die bisher bekannten Beispiele stammen sämtlich aus der späteren 12. Dynastie: Als frühestes Exemplar galt bislang die fragmentarische Sphinxfigur Sesostris‘ II. in Kairo JE 37796, bei der allerdings nur der untere Abschluss des Kragens erhalten ist. Die meisten Belege stammen von den Götterstatuen Amenemhets III. aus Hawara; dazu kommt die sog. ‚Abydos-Prinzessin’ Kairo JE 36359 (wie Fay 1996b nachweisen konnte, ebenfalls ein Werk der Zeit Amenemhets III.) sowie die Dyade Neferhoteps I. aus Karnak, Kairo CG 42022 – sie datieren also in die Zeit von der späten 12. Dynastie bis zur Mitte der 13. Dynastie. Fazit Von wenigen kleinen Details abgesehen entsprechen die stilistischen Merkmale des Münchner Sphinxkopfes exakt oder zumindest weitgehend den Statuen Amenemhets II. Vor allem Augen, Mund und Uräus finden ihre Entsprechung ausschließlich bei Statuen dieses Königs, so dass die Datierung in seine über 30-jährige Regierungszeit als gesichert gelten darf. Der Corpus der Statuen Amenemhets II. ist damit um ein weiteres Beispiel gewachsen. Der Münchner Sphinxkopf ÄS 7110 zeigt zugleich auch den frühesten Beleg für einen Usech-Kragen mit doppelter Einfassung – und ist sicher eines der frühesten, wenn nicht sogar das früheste Beispiel einer modellierten Iris. Abbildungen der im Text genannten Statuen: • Standstatue des Snofru in Kairo, JE 98943: Fakhry 1961, part II, pl. 33; Stadelmann 1995, 165, Tf. 60-62). Reliefs des Snofru: Fakhry 1961, part I, pls. 16-18. • Sitzstatue der Nofret in Kairo, CG 4: Borchardt 1911, 4-5, Bl. 1; Saleh und Sourouzian 1986, Nr. 27. • Sitzstatue des Gegi in Kairo, CG 75: Borchardt 1911, 62, Bl. 17. • Sphinxkopf Sesostris‘ I. in Kairo, CG 42007: Evers 1929, Bd. 1, Tf. 33. • Sphinx Amenemhets II. in Paris, Louvre A 23: Fay 1996a, pls. 1-50. • Sphinx Amenemhets II. in Kairo, CG 639 + JE 37478: Fay 1996a, pls. 51-52. • Kopffragment Amenemhets II. in Berlin, ÄMP 22580: Fay 1996a, pls. 53-54. • Büste Amenemhets II. in Boston, MFA 29.1132: Fay 1996a, pls. 61-62. • Büste Amenemhets II. in Privatbesitz: Fay 1996a, pls. 63-64. • Büste Amenemhets II. in St. Petersburg, Eremitage 6399: Fay 1996c, pls. 1-7. • Sitzstatue Amenemhets II. in Berlin, ÄMP 7264: Fay 1996a, pls. 75-77; Zorn 2001, Abb. 3-16. • Büste Sesostris‘ II. in Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek ÆIN 659: Jørgensen 1996, 161; Wildung 2000a, 81. • Büste Sesostris‘ II. in Wien, KHM ÄS 5776: JarošDeckert 1987, 1, 55-59. • Büste Sesostris‘ II. in Moskau, Puschkin Museum 3402: Fay 1996a, pl. 80d. • Sphinx Sesostris‘ II. in Kairo, JE 37796: Sourouzian 1996. • Sitzstatue Sesostris’ II. aus Medamud, Inv. Nr. 2021: Bisson de la Roque 1927, 66 f., fig. 35 (Unterteil); Robichon und Varille 1940, 14 n. 2 (Torso). • Kopffragment Sesostris II. (?) aus Medamud, Inv. Nr. 904+947: Fay 1996a, pl. 78 a, b; Bisson de la Roque 1930, 37, fig. 22; Cottevieille-Giraudet 1933, 98 f., fig. 41. • Sitzstatuen der Nofret in Kairo, CG 381 und 382: Borchardt 1925, 1-2, Bl. 60. • Sitzstatue der Chenmet-nefer-hedjet I., Paris, Louvre E 32564: Ziegler 2001. • Sitzstatue Sesostris’ III. in Paris, Louvre E 12960: Delange 1987, 24-26. • Sitzstatue Sesostris’ III. in New York, Brooklyn Museum 52.1: Fazzini et al. 1996, No. 21. • Sitzfigur Sesostris‘ III. in Kairo, RT 18.6.26.2: Lange und Hirmer, 1967, Tf. 110. • Beterstatue Sesostris‘ III. in London, BM EA 684: Russmann 2001, 102-103 (dort irrtümlich als EA 686 bezeichnet). • Sitzstatue Sesostris‘ III. in Paris, Louvre E 12961: Delange 1987, 27-28. • Beterstatue Sesostris‘ III. in Kairo, RT 18.4.22.4: Evers 1929, Bd. 1, Tf. 83; Saleh und Sourouzian 1986, Nr. 98. • Sphinx Sesostris‘ III. in New York, MMA 17.9.2: Fay 1996a, pl. 87; Seipel 1992, 160. • Sphinx Sesostris’ III. in Karnak, Sheich Labib Magazin: Habachi 1986. • Standstatue Sesostris‘ III. in Kairo, CG 42011: Legrain 1906, pl. 6. • Standstatue einer Göttin (?) in Kairo, JE 36359: Fay 1996b, Tf. 20-24. • Dyade Neferhoteps I. in Kairo, CG 42022: Legrain 1906, pl. 13. • Gruppenstatue des Sennefer und seiner Gattin Senetnai, Kairo CG 42126: Legrain 1906, 77-78, pl. 75. 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