Tilmann Marstaller /
Gerd Schäfer
Die Ruine Löffelstelz in Mühlacker –
Zur Erforschung und Sanierung
der Schildmauerburg über der Enz
Hoch über der Enz thront die Ruine der 1282 erstmals erwähnten Vöstin Dürrmenz, der späteren Burgruine Löffelstelz. Die Burganlage war über mehr als
zwei Jahrhunderte Sitz der Herren von Dürrmenz,
die in der südlich der Burg im Enztal gelegenen und
durch einen Fußweg mit der Burg verbundenen
Peterskirche ihren Begräbnisort einrichteten. Hier
findet sich dementsprechend der 1303 datierte Grabstein eines Mich[ael von D]urmense.
1482 verkaufte Heinrich von Dürrmenz den letzten Anteil an der Festungsanlage an das Kloster
Maulbronn. Nach ihrer Zerstörung wurde die Burg
zumeist als Altes Schloss oder Burgstall bezeichnet.
Erst später – gesichert seit 1697 – übertrug man auf
die Ruine den seit dem 16. Jahrhundert bezeugten
Namen Löffelstelz für den unterhalb der Burg sich
der Enz entlang ziehenden Weiler auch auf die Burg-
ruine. Im Jahre 1604 wurde die Burg in einem Bericht
zum Oberamt Maulbronn zusammen mit vier weiteren Burgställen als altte verstöwerte heüßer aufgeführt.
Im Zuge der Befestigung der Eppinger Linien wurden 1695 die Überreste des Alten Schlosses gegen die
Überfälle französischer Truppen letztmalig als
Wehranlage eingesetzt.
Denkmalschutz als Zivilschutz –
Erhebliche Schäden an Umfassungsmauern
Den Anlass für die 2004 begonnenen, von der Stadt
Mühlacker, dem Landesamt für Denkmalpflege, der
Denkmalstiftung Baden-Württemberg und zahllosen privaten Spendern finanzierten Untersuchungen
und Sanierungsmaßnahmen stellten gravierende
Bauschäden an den erhaltenen Umfassungswänden
Hoch über der Enz
erhebt sich auf einem
steil abfallenden
Felsen die Burgruine
Löffelstelz, nicht weit
entfernt von Mühlacker.
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Schwäbische Heimat 2010/1
der Ruine dar. Vor allem an der westlichen Talseite
wurden Schäden erkannt, die ein erhebliches Gefahrenpotential in sich bargen: Große Teile der Westmauer drohten gar ins Tal zu stürzen, das bis an den
Fuß des 50 Meter tief abfallenden Felsens unter der
Burg mit Häusern bebaut ist. Ein bis zu vier Meter
mächtiger Auffüllhorizont, der gegen die auf porösem Fels gegründete Umfassungsmauer drückte,
hatte die Wandseite bereits erheblich deformiert.
Daher wurde beschlossen, die Auffüllungsschichten
in dem am stärksten gefährdeten südwestlichen Eckbereich vollständig herauszunehmen und die entsprechenden Teile der Umfassungsmauer horizontal
im dahinter ansteigenden Fels zu verankern. Die
archäologisch begleiteten Aushubarbeiten begannen
im Oktober 2004 und erstreckten sich bis in den April
2005.
Weitere Untersuchungen während der laufenden
Sicherungsarbeiten gaben auch an den übrigen Seiten der Burg teils schwere Mauerwerksschäden zu
erkennen, die vor allem durch das Wurzelwerk des
allseits wuchernden Efeus ausgelöst wurden. An der
annähernd zehn Meter hoch erhaltenen Schildmauer
im Osten war ein Abrutschen der westlichen Mauerschale zu befürchten. Dementsprechend wurde
beschlossen, die Sanierung hier – wo nötig – bereits
ab Gründungsniveau durchzuführen, was im Mai
und November 2006 erneut archäologische Begleituntersuchungen erforderlich machte.
Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte –
Eine Vorgängerburg des 11. Jahrhunderts (?)
Zu den wichtigsten Ergebnissen der Untersuchungen zählt die Erkenntnis, dass die bestehende Burganlage erstens einen Vorgängerbau besaß und zweitens keineswegs einen einheitlichen, sondern einen
im Laufe der Geschichte mehrfach unterteilten
Besitz darstellte.
Die Hinweise auf die Vorgängeranlage der bestehenden Burg sind spärlich, wenngleich eindeutig.
Anstatt des östlich vor der Schildmauer erwarteten
Burggrabens traf die Baggerschaufel hier dicht unter
der Humusauflage auf ein Felsplateau, an dessen
nördlicher Kante entlang sich Reste einer 1,5 m breiten Bruchsteinmauer befanden. Dieses Mauerwerk
wird von der Baugrube der Schildmauer durchschlagen und von einer nachfolgenden Planierschicht überdeckt. Demnach gehörte das Mauerstück zu einer Wehranlage, die schon vor der
bestehenden Burganlage existierte und bei deren
Errichtung vollständig niederlegt wurde.
Auch im Innern ergaben sich konkrete Hinweise
auf diese ältere Burganlage: So konnte im nordwestSchwäbische Heimat 2010/1
Rekonstruktionsskizze der Burganlage im 14./15. Jahrhundert.
lichen Bereich innerhalb der Burg die südöstliche
Ecke sowie Teile der östlichen Langseite eines Steingebäudes ergraben werden, das bei Errichtung der
Umfassungsmauern abgebrochen wurde.
Da im Fundmaterial der Burganlage Stücke des
12. Jahrhunderts fehlen, dafür aber Keramikfragmente des 8. bis 11. Jahrhunderts vorliegen, könnte
die erste Anlage bereits deutlich vor 1100 errichtet,
jedoch schon bald darauf wieder aufgegeben worden sein.
Völlig ungeklärt ist das Alter des Burggrabens
und dessen Grabenschürzmauer, mit der die Befestigungsanlage zur Bergseite und zu den Flanken hin
geschützt war. Die bis zu 1,6 m mächtige, den Graben nach außen hin absichernde Wehrmauer war in
ihren ergrabenen Teilen lediglich trocken gemauert.
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Die Schildmauerburg des frühen 13. Jahrhunderts
und ihre späteren Ergänzungen
Bei der nachfolgenden, mit ihren Umfassungswänden heute noch bestehenden Burganlage handelte es
sich nach Aussage der bauhistorischen und archäologischen Untersuchungen einst um eine Schildmauerburg ohne Bergfried. Damit besaß die Anlage
in ihren Grundzügen sicherlich eine enge Verwandtschaft zu den Schildmauerburgen von Amlishagen
(Gemeinde Gerabronn) oder Berneck bei Altensteig
im Schwarzwald. Die 2,8 m starke Ostseite der Burg
Löffelstelz ließ – wie in Berneck – einen Aufbau von
über 25 m zu. Diese beeindruckende Höhe war erforderlich, um der Innenbebauung ausreichenden
Schutz zu bieten, aber auch um die militärisch
bedeutsamen Sichtbeziehungen zu naheliegenden
Burgen oder Orten herzustellen.
Im Innern des Mauergevierts standen zumindest
drei Gebäude. Ein hohes, im Lichten 7,9 x 6,1 m großes Steingebäude mit 1,4 m Mauerstärke befand sich
– am besten geschützt von der Schildmauer – in der
Südostecke und beinhaltete eventuell den ursprüng-
lichen Palas. Im Südwesten entstand über einem
flach gedeckten Felskeller ein weiterer Massivbau
von 8,7 x 8,8 m lichter Weite mit 0,9 bis 1,25 m starkem Bruchsteinmauerwerk, der sich zum Burghof
hin zunächst vermutlich nur zweigeschossig zeigte.
Im Nordwesten war anstelle der Vorgängerburg ein
mindestens zweigeschossiger Holzbau errichtet,
dessen Funktion unklar ist.
Als Laufoberfläche im Burginnern diente von
Beginn an die stufenweise von Ost nach West abfallende Felsoberfläche. Fußbodenaufbauten wie z.B.
Pflaster fehlen auch aus der nachfolgenden Nutzungszeit der Burg praktisch vollständig, sodass aus
den Nutzungshorizonten der Burg nur wenig datierende Funde stammen. Das Mauerwerk der Umfassungswände wie auch der Innenbebauung gründet
zumeist unmittelbar auf dem nur leicht überarbeiteten Fels und weist daher selten eine Baugrube auf.
Eine sichere Datierung der Schildmauerburg ist
daher kaum möglich. Die baugeschichtliche Abfolge
der Burggebäude mit den Zerstörungs- und Wiederaufbauphasen sowie das Fundmaterial aus einer
Brandschuttschicht im Keller des Südwestbaus sprechen für eine Entstehung spätestens im
zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts.
Bereits um 1260 werden das südwestliche
Eckgebäude sowie die nördlich anschließenden Teile der Umfassungmauer durch einen
Brand zerstört und mussten nachfolgend
wieder aufgebaut werden. Der Keller unter
dem Südwestbau wurde dabei durch Einzug eines Mauerwinkels etwas verkleinert.
Das aufgehende Gebäude entpuppte sich als
zumindest zweigeschossiger Wohn- und
Repräsentationsbau, der sich wie die nun
nördlich anschließende Erweiterung zum
Burghof hin als Fachwerkbau präsentierte.
Der Südwestbau erhielt zur Beleuchtung der
Ritterstube im ersten Obergeschoss sowohl
rundbogige als auch spitzbogig überkuppelte Zwillingsfenster. Ein in dieser Bauphase im Nordwestbau eingelassener Balken ergab anhand der Jahrringfolge ein
Fälldatum im Zeitraum 1264–84. So spricht
alles dafür, dass der Wiederaufbau auf den
1282 erstmals genannten Heinrich von Dürrmenz zurückgeht.
Die Veste Dürrmenz –
eine geteilte Burg
Nicht näher datierbar ist die Errichtung
Gesamtplan der Grabungsbefunde mit rekonstruiertem Verlauf der Graben- eines weiteren, im Lichten 8,7 x 5,0 m großen Steinhauses in der Nordostecke der
befestigung (Stand Januar 2010).
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Schwäbische Heimat 2010/1
Burg Löffelstelz. Nach Aussage von nachträglich
eingefügten Steinkonsolen an der nördlichen Umfassungsmauer handelte es sich um ein mindestens vier
Geschosse in die Höhe ragendes Gebäude, dessen
Erdgeschoss durch eine Quermauer zweigeteilt war.
Auch hierbei wird es sich um ein Wohngebäude
gehandelt haben, das aufgrund der altertümlichen
Mauertechnik der bis zu 1,5 m starken Wände durchaus noch im fortgeschrittenen 13. oder frühen 14.
Jahrhundert entstanden sein dürfte.
Demnach war spätestens um die Mitte des 14.
Jahrhunderts das Burginnere in mindestens drei
getrennte Wohnbereiche aufgeteilt, entsprach also
eher einem dicht bebauten Stadtviertel und passt so
gar nicht zu der romantischen Vorstellung einer mittelalterlichen Ritterburg mit turnierfähigem Innenhof. Die Burg Dürrmenz hatte sich zu einer regelrechten Mehrfamilienburg gewandelt, die von
verschiedenen Familien und Besitzern bewohnt
oder genutzt wurde. Diese Entwicklung deutet sich
auch in den Schriftquellen an, die, im Unterschied
zur derzeit noch völlig im Dunkeln liegenden Frühgeschichte der Burg, nun reichlich fließen.
So wurde im Spätmittelalter innerhalb der Burg
munter weitergebaut. Der südwestliche Eckbau
erhielt vermutlich noch im 14. Jahrhundert eine weitere Aufstockung mit einem hölzernen, übereck zum
Tal hin auskragenden Fachwerkaufsatz. Der auf der
Nordmauer teilweise erhaltene Wehrgang erfuhr
vermutlich in gleicher Zeit eine umfassende Sanierung. Hier hat sich neben der auf rund 12 m Länge
erhaltenen Treppe auch eine Brustwehrscharte erhalten, die als Mauerwerkssturz ein Eichenholz mit
Fälldatenhinweis für das ausgehende 14. Jahrhundert besitzt. Sowohl dem nordwestlichen, als auch
dem südöstlichen Eckbau wurden in dieser Phase
jeweils westlich kleinere Holzbauten vorgesetzt. Der
Dachanschlag des Vorbaus im Norden zeichnet sich
noch deutlich am Mauerwerk der nördlichen Wehrmauer ab. In das 14. Jahrhundert scheint auch der
Einbau eines Gewölbekellers innerhalb des Südosteckbaus zu gehören, wie das Fundmaterial nahelegt.
Burg im Besitz des Klosters Maulbronn bis zur Zerstörung 1504 im Bayrisch-Pfälzischen Erbfolgekrieg
Mit Ausnahme des nordwestlichen Eckbaus lieferten sämtliche Baureste eindeutige Hinweise zur Art
ihrer Zerstörung. Die starke Brandrötung an den
jeweiligen Stellen der erhaltenen Umfassungsmauern wie auch der Felsoberfläche, ebenso der teils
noch in situ liegende Brandschutt geben zu erkennen, dass sämtliche Wohn- und angrenzenden
Schwäbische Heimat 2010/1
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Nebengebäude durch Feuer zerstört wurden. Während die Bauten im Osten nachfolgend aufgegeben
wurden, zeigen die systematische Verfüllung des Kellers im Südwesteckbau sowie nachfolgende Belege
eines weiteren Brandes, darunter zahlreiche Bruchstücke von Fensterglas, dass der Südwestbau abermals durch einen hölzernen Neubau ersetzt wurde.
Das mehrere Zentner schwere, einige tausend
Stücke umfassende Fundmaterial aus der Kellerverfüllung im Südwesteckbau ist in seiner Zusammensetzung auffallend heterogen und zeigt auch in der
Ausformung der Keramik, dass hier kein geschlossenes Inventar, sondern vielmehr ein Müllsammelsurium des 13. bis 15. Jahrhunderts eingefüllt wurde.
Da die jüngsten Fundstücke der Kellerverfüllung in
die Zeit um 1500 datieren, ist damit auch ein indirekter Hinweis auf den Zeitpunkt der Zerstörung
und des nachfolgenden Wiederaufbaus des Südwesteckbaus gegeben.
Eine Zerstörung der Burganlage ist in den Schriftquellen zwar nicht überliefert, aus den Befundzusammenhängen im Südwesteckbau ergeben sich
jedoch gute Gründe dafür, die Zerstörung als Folge
der Auseinandersetzungen im Bayrisch-Pfälzischen
Erbfolgekrieg anzusehen. Der an der Seite der kaiserlichen Truppen gegen den Kurfürsten von der
Pfalz agierende württembergische Herzog Ulrich
belagerte 1504 die unter kurpfälzischer Schirmherrschaft stehende Zisterzienserabtei Maulbronn und
verwüstete dabei auch die meisten klostereigenen
Orte. Zu den durch Ulrich in Schutt und Asche
gelegten Dörfern gehörten auch Mühlacker, Dürrmenz und Lomersheim, also die unmittelbar der Löffelstelz benachbarten Ortschaften. Es wäre in hohem
Maße erstaunlich, wenn Herzog Ulrich ausgerechnet
die ebenfalls im Besitz des Klosters befindliche Burganlage verschont hätte. Insofern spricht alles für eine
mutwillige Zerstörung der Burggebäude im Jahre
1504.
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kann, handelt es sich mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit um den Unterbau einer Plattform, die in einem Längsschnitt des Alten Schlosses
aus dem Jahre 1695 dargestellt ist. Die Zeichnung
findet sich auf einem Plan der 1695–97 errichteten
«Eppinger Linien» im Bereich um Mühlacker und
Dürrmenz. Die Burganlage mit der in der Höhe
bereits stark reduzierten Schildmauer war folglich
für kurze Zeit Bestandteil der Befestigungsanlage
des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden gegen
die Franzosen im Rahmen des Pfälzer Erbfolgekriegs.
Funde über Funde – die Geburtsstunde
der «Löffelstelzer Scherbabuzzer»
«Scherbabuzzer» bei der Arbeit: Aussieben und Ausschlämmen
der Funde aus dem Aushub an selbstgebauten Vorrichtungen.
Das sicherlich durch das Zisterzienserkloster wieder aufgebaute Gebäude in der Südwestecke der
Burg Löffelstelz, über dessen Funktion wir keine
Kenntnis besitzen, scheint jenes Gebäude zu sein,
auf das sich die Nennung von 1604 bezieht. Nicht
lange danach fiel auch dieses letzte Burggebäude
einem Brand zum Opfer.
Ein schmales, ost-west-orientiertes Schwellfundament im mittleren Bereich vor der Schildmauer
stammt eindeutig aus der Zeit nach Aufgabe der
Burg. Da es keinem Gebäude zugewiesen werden
«Drecksarbeit» als Freizeitspaß und kulturelle Weiterbildung
fur Muhlacker Burger aller Altersklassen.
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Ein besonderes Ergebnis der Grabungen stellt die
außergewöhnliche Menge an archäologischen Funden dar, vor allem kleinteilig zerscherbte Tongefäße,
Tierknochen, Metall und wenig Glas. Hinzu kommen unzählige Bruchstücke von Hohlziegeln der
ehemals mit Mönch und Nonne gedeckten Dächer,
Backsteine, vermutlich von Entlastungsbögen spätmittelalterlicher Fensteröffnungen, sowie Putzreste,
die in einigen Fällen auch Reste einer farbigen Fassung aufweisen.
Ein Vortrag zu den ersten Untersuchungsergebnissen, der im Frühjahr 2005 von den Verfassern des
Beitrags im Mühlacker Uhlandbau vor über 250
Zuhörern gehalten wurde, hatte unerwartete, für die
weitere Sanierungsgeschichte der Burg segensreiche
Folgen. Der Hinweis, dass der fundreiche Aushub
aus dem Areal des südwestlichen Eckbaus während
der Aushubarbeiten nur teilweise nach Funden
durchsucht werden konnte, der vor der Schildmauer
gelagerte, mehr als hundert Kubikmeter große Erdhaufen folglich noch zahlreiche Funde aus der Burg
erwarten ließ, führte spontan zur Gründung einer
ehrenamtlichen Arbeitsgruppe. Diese setzte sich
zum Ziel, die im Aushub verbliebenen Funde zu bergen, die Idee der selbsternannten «Scherbabuzzer»
war geboren. Mit unvorstellbarem Eifer machte sich
eine Gruppe von über zwanzig, reich mit Schaffensdrang, technischem Knowhow, dem nötigen Humor
und Spaß an der Gesellschaft ausgestatteten Ruheständlern und einzelnen Berufstätigen mit ihrem
gewitzten Organisator Bernd Wellinger an die
Arbeit.
Die Idee des Projektleiters, auch Kinder für die
Sache zu begeistern, fruchtete in einem regelrechten
Massenandrang von insgesamt an die 35 Schulklassen. Die jungen Forscher waren nicht nur mit großem Enthusiasmus dabei, Funde an den eigens dafür
gebauten Schlämmvorrichtungen auszuwaschen,
Schwäbische Heimat 2010/1
Tonpfeifenfragmente
des 17. bis 19. Jahrhunderts aus dem Aushub. Einige Tabakpfeifen stammen sicher
aus dem Besitz der
Wachmannschaften
zur Zeit der Eppinger
Linien um 1694/95.
Andere durften Weinbauern gehört haben,
die hier ihre Weingärten betrieben haben.
sondern wurden durch die großen «Scherbabuzzer»
auch in die Geschichte der Burg und in die Bedeutung der Funde eingeführt. Auch Mitglieder von
verschiedensten Vereinen und Gruppierungen aus
Mühlacker zog die Suche nach den normalerweise
verloren gegangenen Zeugen der Burggeschichte in
ihren Bann. Unterstützt durch unzählige Spender
von Sachmitteln und kulinarischer Verpflegung
wurde letztlich das Unmögliche möglich gemacht
und der gesamte Aushub aus dem Burginnern
durchgesiebt.
Der Lohn der umfangreichen ehrenamtlichen
Arbeit waren mindestens 15.000 zusätzliche Funde,
darunter auch Raritäten wie z.B. ein nahezu vollständig erhaltener Rädchensporn des 13. oder frühen 14. Jahrhunderts. Die neu entdeckte Begeisterung für das alte Glomp führte dazu, dass die
«Scherbabuzzer» im Mai und November 2006 auch
den Hauptteil der Grabungshelfer inklusive Baggerfahrer und Kranführer stellten und bis heute an der
Aufbereitung des Fundmaterials tatkräftig mithelfen.
Über 35.000 Einzelfunde und viele Fragen –
Forschungspotential für spätere Archäologen
Durch die Arbeit der «Scherbabuzzer» liegt inzwischen aus der Burgruine ein für die Region einmaliger Fundkomplex von über 35.000 Einzelfunden vor,
an welchen zentrale Fragen zur Burggeschichte diskutiert werden können. Fragen gibt es genug:
So konnten trotz der außerordentlichen Menge an
Keramikscherben kaum zueinander passende Teile
gefunden, geschweige denn vollständige Gefäße
zusammengesetzt werden. Dementsprechend stark
Schwäbische Heimat 2010/1
variieren auch die Randformen der Gefäße, was auf
unterschiedliche Entstehungszeiten der einzelnen
Gefäße hindeutet. Auch fällt auf, dass sich unter den
Funden kaum Stücke befinden, die über das Spektrum gewöhnlicher Siedlungsfunde herausragen.
Diese Beobachtung trifft insbesondere auf die Verfüllungs- und Auffüllschichten aus der Zeit unmittelbar nach der Burgzerstörung vermutlich von 1504
zu. Dagegen weisen die wenigen älteren Auffüllschichten aus der Bestandszeit der Burganlage einen
deutlich höheren Anteil an burgentypischen Funden
auf, wie z.B. Signalhornfragmente oder Fragmente
einer ornamentierten Bodenfliese.
Vieles spricht dafür, dass der überwiegende Teil
der Funde originär nicht aus der Burg selbst stammt,
sondern zusammen mit dem sie umgebenden Erdreich von außen her eingebracht wurde. Der Sinn
dieses Fremdeintrags war sicherlich nicht die Nutzung der Burg als Müllkippe, denn die festgestellten
Auffüllungen stehen durchweg in Zusammenhang
mit Neubaumaßnahmen (Südwesteckbau) oder der
Anlage von Weinbergen im Innern des Mauergevierts.
Damit stellt sich die Frage nach der Herkunft solcher Fundmassen. Dass die Bauherren des Südwesteckbaus – vermutlich das Kloster Maulbronn – oder
später die Weinbauern das an Latrinenfüllungen
erinnernde Verfüllungsmaterial aus dem Enztal
mühsam den Berg hinauf schafften, nur um es in die
Burg zu kippen, erscheint wenig glaubhaft. Wahrscheinlicher dürfte sein, dass der Burganlage ein
oder mehrere Wirtschaftshöfe vorgelagert waren, die
ebenfalls beim Militärschlag Herzog Ulrichs zerstört
wurden. Während sich in den Schriftquellen bis dato
keinerlei Hinweise auf eine solche Vorburgsiedlung
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Die Kunst
des Unterscheidens
Ornamentierte Bodenfliese («Viertelsrond») mit Lilien- und
Palmettenmotiv aus der Bauzeit der Schildmauerburg um
1220/40.
vorfinden, ergaben sich bei einer 2006 durchgeführten geoelektrischen Prospektion im Bereich des
«Burgrains» deutliche Anomalien, die auf reichhaltige Baustrukturen hindeuten. Das Forschungspotenzial im Bereich der Burganlage ist also noch
längst nicht ausgereizt.
LITERATUR
Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2005,
S. 234–237.
Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2006,
S. 250–255.
Mit sortentypischen Weiß- und Rotweinen,
harmonisch abgestimmten Cuvées oder Raritäten aus dem
Barrique gehört die WZG zu den Spitzenerzeugern der
württembergischen Weingärtner-Kultur. Individuell ausgebaute
Lagenweine aus ganz Württemberg vermitteln einen repräsentativen Querschnitt der württembergischen Wein-Kultur.
Und fördern so die Kunst des Unterscheidens.
Württembergische WeingärtnerZentralgenossenschaft e.G.
71696 Möglingen · Raiffeisenstraße 2
Der Drache von der Löffelstelz: Eckstuck einer Nischenkachel
der Zeit um 1400 mit burgentypischem Motiv.
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Tel. 0 71 41 / 48 66 - 0 · www.wzg-weine.de
Schwäbische Heimat 2010/1