Sensorische Modulation für Menschen mit Demenz
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Aus Tina Champagne: „Sensorische Modulation für Menschen mit Demenz“ (9783456859880) © 2019 Hogrefe Verlag, Bern.
Sensorische Modulation für Menschen mit Demenz
Tina Champagne
Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:
Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld;
Christine Sowinski, Köln; Franz Wagner, Berlin;
Angelika Zegelin, Dortmund
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Tina Champagne
Sensorische Modulation
für Menschen mit Demenz
Assessments und Aktivitäten
für eine sensorisch anregende Umgebung
zur Bedürfnisbefriedigung
und Wahrnehmungsförderung
Aus dem amerikanischen Englisch
von Heide Börger
Deutschsprachige Ausgabe bearbeitet
und herausgegeben von Thomas Buchholz
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Tina Champagne OTD, OTR/L, FAOTA, Occupational Therapist, Ergotherapeutin
und Aktivierungsfachfrau, Massachusetts, USA
Thomas Buchholz (dt. Hrsg.) Krankenpfleger, Fachbuchautor, Dozent und Lehrer für Pflegeberufe,
Diplom-Pädagoge, Kurs- und Weiterbildungsleiter für Basale Stimulation, Kinästhetik-Trainer.
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Lektorat Pflege
z.Hd.: Jürgen Georg
Länggass-Strasse 76
3012 Bern
Schweiz
Tel. +41 31 300 45 00
[email protected]
www.hogrefe.ch
Lektorat: Jürgen Georg, Martina Kasper, Loriana Zeltner
Bearbeitung: Thomas Buchholz
Herstellung: René Tschirren
Umschlagabbildung: Martin Glauser, Uttigen
Kapiteltrenner-Fotos: Jürgen Georg, Bern
Umschlag: Claude Borer, Riehen
Satz: Claudia Wild, Konstanz
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Finidr s.r.o., Český Těšín
Printed in Czech Republic
Das vorliegende Buch ist eine Übersetzung aus dem Amerikanischen.
Der Originaltitel lautet „Sensory Modulation in Dementia Care“ von Tina Champagne.
© 2018. Tina Champagne. First published in 2018 by Jessica Kingsley Publishers, London und Philadelphia
1. Auflage 2019
© 2019 Hogrefe Verlag, Bern
(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95988-7)
(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75988-3)
ISBN 978-3-456-85988-0
http://doi.org/10.1024/85988-000
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5
Inhaltsverzeichnis
Widmung
Danksagung
Vorwort
Einführung
9
11
13
17
1
Alterungsprozess und Demenz
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
1.7
1.8
Die verschiedenen Formen der Demenz
Die Stadien der Demenz
Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Paranoia
Die Stressreaktion
Die Arbeit mit Menschen, die Demenz haben
Freiheitsentziehende Maßnahmen beschränken
Traumaorientierte Pflege
Internationale Initiativen in der Pflege von Menschen mit Demenz
21
24
26
29
29
30
31
32
33
2
Sensorische Verarbeitung in Abhängigkeit vom Alterungsprozess
2.1
Sensorische Systeme und Alterungsprozess
2.1.1 Das propriozeptive System
2.1.2 Das vestibuläre System
2.1.3 Das visuelle System: Der Gesichtssinn
2.1.4 Das auditorische System: Der Gehörsinn
2.1.5 Das gustatorische System: Der Geschmackssinn
2.1.6 Das olfaktorische System: Der Geruchssinn
2.1.7 Das taktile System: Der Tastsinn
2.1.8 Interozeption: Der Sinn für innere Selbstwahrnehmung
Sensorische Integration und Verarbeitung
2.2.1 Sensorische Deprivation
Leitbegriff – Sensorische Verarbeitung
2.3.1 Sensorische Modulation
2.2
2.3
37
40
40
42
46
48
50
51
52
54
60
63
63
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6
Inhaltsverzeichnis
2.4
Evidenzbasierte Praxis und sensorisch basierte Interventionen
69
3
Das Sensory Modulation Program
3.1
Die Komponenten des Sensory Modulation Program
3.1.1 Therapeutischer Einsatz der Person
3.1.2 Sensorisch basierte Assessments
3.1.3 Sensomotorische Aktivitäten
3.1.4 Sensorisch basierte Modalitäten
3.1.5 Sensorische Diät
3.1.6 Veränderungen und Verbesserungen der Umgebung
3.1.7 Einbindung und Aufklärung von Klienten und
Betreuungspersonen
Das Sensory Modulation Program und seine Ziele
Individuelle und programmatische Umsetzung des Sensory
Modulation Program
73
76
77
80
80
82
83
86
3.2
3.3
4
Erläuterungen zum Thema Assessment und Sicherheit
4.1
4.2
Sicherheitsbelange und Traumageschichte
Sensorisch basiertes Assessment und Screening
4.2.1 Assessments: Balance und Sturzrisiko
Einschätzung von Demenz, kognitiven Fähigkeiten und andere
Assessments
4.3.1 Demenz-Screening
4.3.2 Assessment der kognitiven Fähigkeiten: Funktionsfähigkeit
4.3.3 Skalen: Aktivitäten des täglichen Lebens und Sicherheit
4.3.4 Skalen: Agitiertheit und Schmerzen
4.3
5
Sensomotorische Aktivitäten und sensorisch basierte Modalitäten
5.1
Dämpfende und anregende Strategien
5.1.1 Kommunikation
Nach sensorischen Systemen geordnete sensorische Strategien
5.2.1 Das taktile System: Der Tastsinn
5.2.2 Das propriozeptive System: Wahrnehmung von Körper,
Körperhaltung und Bewegungen
5.2.3 Das vestibuläre System: Balance, Bewegung
und Muskeltonus
5.2.4 Das visuelle System: Der Gesichtssinn
5.2.5 Das auditorische System: Der Gehörsinn
5.2.6 Das olfaktorische System: Der Geruchssinn
5.2
86
87
89
95
97
99
101
101
102
102
102
103
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111
111
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Inhaltsverzeichnis
5.2.7 Das gustatorische System: Der Geschmackssinn
und die orale Motorik
5.2.8 Das interozeptive System: Die Wahrnehmung
innerer Befindlichkeiten
5.2.9 Multimodale multisensorische Wahrnehmungen
6
Die sensorische Diät
6.1
Sicherheit, Wohlbefinden und Partizipation fördern
6.1.1 Sicherheit und Entspannung fördern
6.1.2 Teilhabe an der Selbstversorgung fördern
6.1.3 Erholung und Schlaf fördern
6.1.4 Rollen und soziale Teilhabe stärken
6.1.5 Teilnahme an Fitness- und Freizeitaktivitäten fördern
Individuelle und programmatische Umsetzung
Die Verbreitung der sensorischen Diät
6.2
6.3
129
130
131
133
137
137
139
141
142
144
145
145
7
Veränderungen und Verbesserungen der Umgebung
7.1
7.2
7.3
7.4
7.5
7.6
Umgebungen, die stärken und die Eigenständigkeit fördern
Anheimelnde Umgebungen
Sinn- und Fühlräume
7.3.1 Multisensorische Umgebungen
7.3.2 Räume für sensorische Integration
7.3.3 Räume für sensorische Modulation
Sensorische Wagen
Sensorische Kästen
Sensorische Gärten
147
149
150
153
153
157
158
162
162
164
8
Zusammenfassung
167
Anhang A: Traumaorientierter Sicherheits-Fragebogen (TISQ)
Anhang B: Checkliste für Betreuungspersonen: sensorische Verarbeitung
Literaturverzeichnis (englisch)
Weiterführende Informationen (englisch)
Literaturverzeichnis des Herausgebers
Weiterführende Informationen (deutsch)
Autorinnen- und Herausgeberverzeichnis
Sachwortverzeichnis
7
169
171
177
187
191
193
201
203
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Widmung
Zum Andenken an meine Großmutter, die in höherem Lebensalter an Demenz
erkrankte. Ihre Wahrnehmungen haben mich veranlasst, das Sensory Modulation
Program für die Arbeit mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, nutzbar zu
machen. Meine Großmutter hat von vielen der in diesem Buch vorgestellten Strategien profitiert. Sie hat mir auch die Augen dafür geöffnet, wie wichtig es ist, anderen
zu helfen und sich den Sinn für Humor zu bewahren und sie hat mich immer ermutigt, meine Träume zu leben.
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Danksagung
Ein ganz besonderer Dank gilt meinen Kindern für ihre Liebe und unablässige
Unterstützung. Des Weiteren danke ich Kristina Tams für ihre Hilfe bei der Edition
dieses Buches sowie meinen Mentoren und Kollegen für die jahrelange Unterstützung meiner Ideen und Projekte; es war großartig, mit ihnen gemeinsam die Bedeutung der sensorischen Integration und Verarbeitung im Bereich der Beschäftigungstherapie und im Kontext anderer therapeutischer Dienste sowie deren Anwendung
bei verschiedenen Populationen in unterschiedlichen Settings zu erörtern. Allen,
die mit mir in dieser besonderen Population (Menschen mit Demenz) gearbeitet
haben, möchte ich sagen: Es war mir eine Ehre, mit Ihnen gemeinsam Ansätze zu
entwickeln und zu umzusetzen, die geeignet sind, den Nutzen eines menschlichen,
stärkenden, einfühlsamen und sensorisch basierten Ansatzes aufzuzeigen – Dank
Ihnen allen!
Ich danke auch Karen Poole, TFH USA (www.tfhusa.com) und Lisa Compton
(www.SensoryCraver.com), dass sie die Verwendung der Produktfotografien in diesem Buch erlaubt haben.
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Vorwort
Leben in unserer heutigen Zeit ist geprägt von zunehmender Vernetzung der Welt.
Die Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche ist das Kennzeichen der „Moderne“.
Vor allem in unseren scheinbar zivilisierten, westlichen Kulturen können wir uns ein
Leben ohne Laptop, Tablet oder Smartphone kaum mehr vorstellen. In ständiger
Verbindung mit unzähligen anderen Menschen erreichbar zu sein, wird zum Credo
des Menschseins. Mit hoher Geschwindigkeit erleben wir einen Zuwachs digitaler
und anderer technischer Entwicklungen. Das stetig sich erweiternde Wissen über
Beschaffenheit, Wirkungsweisen und Zusammenhänge von Mensch und Natur,
Kultur, Umwelt und Technik geschieht in atemberaubendem Tempo. Unsere Sinne
unterliegen einer fortwährenden Stimulation. Schritt halten müssen in Beruf und
Freizeit, um nicht abgehängt oder ausgegrenzt zu werden, wird zu einer unbewusst
wirkenden Grundstimmung. Der schnelle Wandel unserer Welt hinterlässt Spuren in
den Netzwerken des menschlichen Gehirns. Der Soziologe Hartmut Rosa spricht
von „dynamischer Stabilisierung“ unserer Lebenswelt, die wir als Beschleunigung
wahrnehmen. Ein Rhythmus, der etwas mit uns Menschen „macht“, der unbewusst
wirkt. Daher sucht jeder Mensch seine eigene Strategie, um mit dem „immer schneller“, „jetzt und sofort“ zurechtzukommen. Eine mögliche Strategie der Bewältigung
und Beziehung zur Welt ist für Hartmut Rosa das Erleben von Resonanz. Für ihn
entsteht Resonanzbeziehung mit der Welt, wenn ein Mensch ergriffen ist, eine sinnliche Erfahrung macht, z. B. das Erklimmen eines Berges, ein besonderes Musikstück… Kennzeichen dieser Erfahrung ist ein innerlich tiefgehendes „Bewegt“-Sein,
ein nachhaltiges Angerührt-Sein, das die Person vielleicht sogar verändert. Sinnlich
überwältigt zu sein, meint Rosa, reicht für Resonanzbeziehung mit der Welt nicht
aus. Diese muss den Menschen körperlich, emotional erreichen und eine Erfahrung
von Selbstwirksamkeitserleben mit sich bringen. Resonanzbeziehung zur Welt stellt
sich beim Erleben von sich aus ein. Sie geschieht, kann also nicht absichtlich hervorgerufen werden.
Wie erleben Menschen mit Demenz diese Form der Beziehung zur Welt? Einerseits entziehen sie sich dem gesellschaftlichen Phänomen der Beschleunigung,
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Vorwort
durch die zunehmende Langsamkeit ihrer Aktivitäten und den Rückzug ins Hier
und Jetzt. Andererseits sind sie direkt und unmittelbar von der „dynamischen Stabilisierung“ Betroffene. Die derzeitigen zeitlichen und personellen Rahmenbedingungen der Pflege führen zwangsläufig und unabdingbar zu beschleunigtem Handeln der Pflegenden, wenn sie den Bedürfnissen der hilfebedürftigen Menschen
gerecht werden wollen. Rosa (2018) stellt fest: „Wenn ich Menschen unter Zeitdruck setze, dann zwinge ich sie eigentlich dazu, aus dem Resonanzmodus zu
gehen, in einen Verdinglichungsmodus. Stress, Angst, Zeitdruck führen dazu, dass
keine Resonanz entsteht … Ein entgegenkommender Resonanzraum braucht sehr
starke soziale und institutionelle Bedingungen“. Davon sind wir in der Pflege weit
entfernt. Auch dies kann ein zusätzlicher Grund für die zunehmende Entfremdung
des Demenzkranken von der Welt sein. Gesellschaftliche Regeln und Normen verlieren für Menschen mit Demenz immer mehr an Bedeutung. Ihre Welt ist gekennzeichnet von Abbau an Wissen, Können, Wollen, Bewegen, Wahrnehmen und Kommunizieren. Ihre Sinne schwinden, Funktionen lassen nach. Das Sollen dominiert
ihr Leben (trinken Sie bitte, drehen Sie sich auf die Seite, machen Sie den Mund auf,
stehen Sie bitte auf …) durch die Unfähigkeit, sich selbst zu pflegen. Wir wissen
nicht, ob Demenzkranke in solchen Situationen auf früher erlebte Resonanzerfahrungen zurückgreifen können, um sich zu stabilisieren. Im fehlenden Rückgriff auf
diese Möglichkeit drücken sie Selbsterleben und -wirksamkeit aus, indem sie sich
verweigern, zur Wehr setzen. Daher brauchen sie vermutlich andere Menschen, die
ihnen sinnlich erfahrbar Chancen eröffnen auf Resonanzbeziehung zur Welt, durch
Schaffen fördernder Bedingungen und zugewandte Beziehung.
Champagne verfolgt mit ihrem auf die Sinne bezogenen Ansatz der „Sensorischen Modulation“ möglicherweise auch diese Ideen.
Was nunmehr im angloamerikanischen Sprachraum auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse entdeckt wird, hat in Deutschland bereits eine lange empirische pädagogische und psychologische Tradition. Schon in den siebziger Jahren
begann die Entwicklung des Konzepts „Basale Stimulation nach Andreas Fröhlich“
zur Förderung schwer beeinträchtigter Menschen. Mitte der achtziger Jahre wurde
das Konzept von Christel Bienstein in die Kranken- und Altenpflege eingeführt.
Anfänglich standen Techniken sinnlicher Anregung im Vordergrund des Konzepts.
Mittlerweile bestimmen Dialog und Resonanz die Arbeitsweise mit schwer beeinträchtigten Menschen. Fröhlich und Bienstein erkannten, dass Sinnesreize alleine
nicht ausreichen für ein erfülltes Leben mit starker Beeinträchtigung. Trotz gut
durchdachter Programme ist nicht das stimulierende Medium das, was der beeinträchtigte Mensch braucht. Vor allem der unmittelbare Austausch im Dialog mit
einem anderen Menschen setzt Entwicklung in Gang. Durch miteinander erlebte,
teilhaftige Sinneserfahrungen entsteht das „Du am Ich“ (Martin Buber). Wenn noch
so wirr Gesprochenes eine stimmlich wohlwollende Antwort hört, dem Schauen das
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Vorwort
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Gesehen-Werden, einer Geste, eine mitschwingende Bewegung, dem Zugreifen ein
Berührt-Werden folgt, entsteht ein Hin und Her zwischen Menschen, ein „Konzert“
des Aufeinander-bezogen-Seins und gegenseitigen Verstehens. Das ist das Wesen
der Resonanz – aus Sicht der Neurowissenschaften. Ein wirklicher Dialog über die
Sinne, jenseits von „nur spiegelnder“ Nachahmung.
Bei jeder Begegnung mit anderen Menschen können Menschen auf frühere
Erinnerungen zurückgreifen. In gutem wie in schlechtem Sinn (z. B. ein Trauma).
Denn jeder Kontakt, jede Sinneserfahrung kann Unbewusstes ins Bewusstsein
zurückholen. Auch bei demenzkranken Menschen. Denken, wahrnehmen, bewegen, kommunizieren, spüren des eigenen Körpers, Erfahrung des Gegenübers,
Gefühle tauchen immer gleichzeitig auf, unabhängig vom „Reizen“ eines Sinnes.
Ein ganzheitliches Erleben, geistig, seelisch, körperlich und sozial, wenn auch nur
für Momente! Umso wichtiger erscheinen Wissen über den Betroffenen zu sein und
eine sichere, stabile Bindung mit der Person, wenn Formen der Ansprache über die
Sinne angeboten werden. Denn sinnlich Erlebtes bewirkt erlebten Sinn!
Insofern können unterschiedliche Ansatzweisen und Konzepte wie Basale Stimulation und das Sensory Modulation Program auf der gemeinsamen Grundlage
menschlicher Sinne zusammenwirken, damit demenzkranke Menschen in den noch
verbleibenden Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren Lebendigkeit und erfülltes
Leben sowie Resonanzerfahrung mit anderen Menschen und Resonanzbeziehung
zur Welt genießen.
Beschreiten Sie, liebe Leser, gemeinsam mit Tina Champagne diesen „sinnvollen“ Weg!
Thomas Buchholz
Malsch, im Mai 2019
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Einführung
Dank der bedeutenden Fortschritte in den Neurowissenschaften wissen wir, dass die
Vielzahl der verschiedenartigen sensorischen Erfahrungen, die Menschen tagtäglich machen, das „Nervensystem stärken“ (Ayres, 1979, 2005). Die einzelnen sensorischen Systeme verfügen über spezielle Rezeptoren, die auf bestimmte sensorische Stimuli reagieren. Der von diesen Rezeptoren wahrgenommene sensorische
Input wird an das Gehirn weitergeleitet und er vermittelt uns ein Gefühl der Sicherheit und Selbstregulierung und befähigt uns zur Ausführung wichtiger Rollen, Routinen und Aktivitäten. Die Augen sind zuständig für die Wahrnehmung und Verfolgung des visuellen und räumlichen Inputs, die Ohren reagieren auf Laute, die Nase
nimmt die eingeatmete Luft und die verschiedenartigen Stoffe auf, die wir als Düfte
kennen, und in der Haut befindet sich eine Fülle von taktilen Rezeptoren, die uns
befähigen, die vielen verschiedenartigen Berührungen zu unterscheiden (z. B. leichte
Berührungen, kräftige Berührungen, Temperatur, Vibration, Schmerzen). Wir benutzen den Mund, um zu schmecken, zu essen und zu trinken, zu atmen, zu sprechen
und zu singen und auch, um ein Instrument zu spielen!
Neben diesen fünf elementaren sensorischen Systemen (taktil, visuell, auditorisch, olfaktorisch [Geruch] und gustatorisch [Geschmack] gibt es noch weitere
Sinne, die weniger bekannt sind: das vestibuläre, das propriozeptive und das interozeptive System. Das vestibuläre System ist zuständig für die Überwindung der
Schwerkraft, die Körperkoordination und es befähigt uns, sicher durch die Welt zu
navigieren. Auch Muskeln gehören zu den wichtigen sensorischen Organen; Propriozeptoren befinden sich in den Muskeln, Gelenken, Sehnen und dem Bindegewebe. Die Propriozeptoren werden aktiviert bei Bewegungen gegen Widerstände
sowie bei Dehn- oder anderen, mit Bewegung verbundenen Aktivitäten. Über einen
„Fühlsinn“ im Körper informiert uns propriozeptiver Input, wo wir uns räumlich
und zeitlich gerade befinden. Das vestibuläre und das propriozeptive System arbeiten mit anderen sensorischen Systemen zusammen und ermöglichen so die Wahrnehmung des Körpers und des Gleichgewichts und sie sorgen dafür, dass die einzelnen Schritte der Aktivitäten in der richtigen Reihenfolge durchgeführt werden. Die
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Einführung
Interozeption gibt Auskunft über den inneren Zustand (z. B. über die verschiedenen
Grade der Aufmerksamkeit, Krankheit, Hunger, Verdauungstätigkeit).
Für die Verarbeitung und Organisation des gesamten sensorischen und motorischen Inputs sorgt das zentrale Nervensystem über die gesamte Lebensdauer. Die
Art der individuellen Verarbeitung und Organisation des sensorischen Inputs
bestimmt darüber, wie wir uns, andere und die materielle Umgebung wahrnehmen.
Art und Intensität der sensorischen und motorischen Stimuli entscheiden darüber,
ob wir uns sicher, reguliert und imstande fühlen, funktional zu kommunizieren und
Aktivitäten durchzuführen. Zu wenig sensorischer Input führt zu sensorischer
Deprivation, die Menschen daran hindert, ihre Resilienz und ihre Fähigkeit, Stärke,
Vitalität und Aufmerksamkeit zu entwickeln oder aufrechtzuerhalten. Die sensorischen Systeme haben zudem eine Schutzfunktion, insofern als sie dem Gehirn
potenzielle Gefahren signalisieren.
Bei der Umsetzung eines sensorisch basierten Ansatzes bei Menschen mit
Demenz müssen Quantität und Qualität der sensorischen Stimuli, denen die Klienten ausgesetzt sind, intentional und strategisch eingeschätzt werden, um Fertigkeiten zu erhalten, die Mitarbeit zu fördern und Sicherheit, Wohlbefinden und Lebensqualität zu bewahren. Des Weiteren müssen neben den sensorischen Vorlieben und
Mustern der Betroffenen ihre sensorischen Bedürfnisse und Ziele ermittelt werden.
In einigen Fällen werden sensorische Strategien eingesetzt, um von Schmerzen,
Unbehagen und negativen Gedanken (Paranoia, Verwirrtheit, Grübeleien) und
Emotionen (Ärger, Traurigkeit, Furcht) abzulenken, in anderen Fällen helfen sie, die
Betroffenen zu beruhigen, zu besänftigen, zu trösten und ihnen ein Gefühl der
Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Sensorische Strategien können außerdem für kompensatorische Zwecke oder zur Entspannung und zur Förderung sozialer Teilhabe eingesetzt werden. Darüber hinaus sind sensorische Strategien geeignet, Agitiertheit und aggressives Verhalten einzudämmen sowie die Häufigkeit von
Fixierungen zu mindern.
Das Buch beinhaltet einen Überblick über die verschiedenen Formen der
Demenz, eine Einführung in sensorische Integration und Verarbeitung, eine Darstellung der sensorischen Systeme und die Veränderung ihrer Funktion in Abhängigkeit vom Alterungsprozess. Es stellt das Sensory Modulation Program (SMP) vor,
einen umfassenden, nicht pharmakologischen Ansatz, der für die Pflege von oder
die Arbeit mit Menschen, die Demenz haben, geeignet ist. [Für Deutschland sei
darauf hingewiesen, dass dieser Ansatz, neben dem Konzept der Basalen Stimulation nach Andreas Fröhlich, insbesondere für die Berufsgruppe der Betreuungskräfte nach § 53c Sozialgesetzbuch XI und Aktivierungstherapeuten (CH) geeignet
erscheint. Die Aufgaben der Betreuungskräfte sehen neben Gruppenaktivitäten
Zeiten für Angebote der Einzelbetreuung vor. Die Vorgehensweisen des SMP sind
damit in besonderer Weise für die Anwendung in Aktivierung und Betreuung geeig-
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Einführung
19
net. Anm. d. dt. Hrsg.] Das SMP ist vor allem zu empfehlen, wenn ein sensorisch
basierter Ansatz vollständig umgesetzt werden soll. Für dieses Buch wurde das SMP
auf die Arbeit mit Menschen mit Demenz abgestimmt.
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Alterungsprozess und Demenz
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1 Alterungsprozess und Demenz
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1 Alterungsprozess und Demenz
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Der Sinn des Lebens besteht darin, es zu leben, Erfahrungen maximal
auszukosten und sich neuen und bereichernden Erfahrungen bereitwillig
und furchtlos zu stellen.
Eleanor Roosevelt
Der Alterungsprozess ist ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Lebens.
Viele Menschen halten Demenz für eine normale Begleiterscheinung des Alterungsprozesses, doch laut der Alzheimer’s Association (2017a) ist dies ein Irrglaube, denn viele ältere Menschen leben ohne Demenz. Diejenigen, die eine Demenz entwickeln, erkranken aus verschiedenen Gründen. Dieses Kapitel beschreibt
die einzelnen Formen der Demenz, nennt Gründe für ihr Auftreten und präsentiert
allgemeine Sicherheitsbelange, die es bei der [Betreuung und] Pflege von Menschen
mit Demenz oder der Arbeit mit ihnen, zu beachten gilt. Die Informationen in diesem Kapitel sind nicht allumfassend, sondern als Einführung in die behandelten
Themen zu verstehen.
Der Alzheimer’s Association (2017a) zufolge geht Demenz mit verschiedenartigen Symptomen einher, etwa nachlassende Gedächtnisleistung oder Kognition und
Intellekt. Dies hat massive Auswirkungen auf die Fähigkeit der Betroffenen, sich an
Freunde und nahestehende Menschen zu erinnern sowie Routinen und Aktivitäten
des täglichen Lebens sicher und funktional durchzuführen. Die Krankheit und die
damit einhergehenden Symptome sind progressiv, was bedeutet, dass die Krankheit
und ihre Symptome sich mit der Zeit verschlimmern. Je nachdem, welche Hirnareale
betroffen sind, manifestieren sich entsprechende kognitive, soziale, emotionale und
funktionale Probleme. In der Regel treten bei Menschen mit Demenz in den einzelnen Bereichen folgende Probleme auf:
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Sicherheit (z. B. Sturzrisiko, Agitiertheit/Aggression, medizinische Komplikationen, körperliche Verletzungen, umherwandern und sich verlaufen)
Kognition (z. B. Gedächtnis, Aufmerksamkeitsspanne, Problemlösung)
sensorische Funktionsfähigkeit (z. B. Veränderung des Seh- und Hörvermögens
und des Geschmackssinns)
sensorische und motorische Integration und Verarbeitung (z. B. Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit (deconditioning), Gleichgewichtsprobleme, Probleme mit der räumlichen Orientierung und verminderte motorische Leistungsfähigkeit)
sensorische Präferenzen (z. B. gesteigerte oder verminderte sensorische Sensibilität)
sensorische und aktionale Deprivation
Rollen, Beziehungen, Selbstwert- und Identitätsgefühl
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Aus Tina Champagne: „Sensorische Modulation für Menschen mit Demenz“ (9783456859880) © 2019 Hogrefe Verlag, Bern.
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1 Alterungsprozess und Demenz
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Partizipation an Rollen, Routinen und Aktivitäten (z. B. Autofahren, Hausarbeit,
Freizeitaktivitäten, berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten, Feiertage begehen).
Gelegentlich treten Symptome auf, die denen einer Demenz sehr ähneln, z. B. wenn
Menschen deprimiert sind, unter den Nebenwirkungen von bestimmten Medikamenten leiden, exzessiv Alkohol konsumieren, unter einschneidenden hormonalen
Veränderungen, Vitaminmangel oder Schilddrüsenproblemen leiden (Alzheimer’s
Association, 2017a). Solche Demenzsymptome verschwinden gewöhnlich, sobald
die Ursache erkannt ist und behandelt wird (Alzheimer’s Association, 2017a).
1.1
Die verschiedenen Formen der Demenz
Es gibt verschiedene Formen der Demenz, doch da ungefähr 60–80 % aller
Demenzfälle der Alzheimer-Demenz zuzurechnen sind, ist sie die häufigste Form.
Die zweithäufigste Form ist die vaskuläre Demenz. Sie ist die Folge eines oder mehrerer Infarkte (Schlaganfälle) und zurückbleibender Hirnschäden. Diese führen zu
kognitiven Beeinträchtigungen und Schwierigkeiten mit dem Leistungsvermögen
und der sozialen Teilhabe (Alzheimer’s Association, 2017a). Häufig haben Menschen nicht nur einen Schlaganfall, sondern mehrere, die unterschiedlich schwer
sein können. Hinzu kommt, dass sie aufgrund der Unterbrechung der neurophysiologischen Abläufe Anfälle haben, die sich negativ auf die elektrischen Aktivitätsmuster im Gehirn auswirken.
Wer mit Menschen arbeitet, die Demenz haben, muss wissen, dass es verschiedene Demenzformen gibt, die in unterschiedlichen Lebensphasen auftreten können, und nicht nur im Alter. Nachfolgend werden die verschiedenen Formen der
Demenz kurz skizziert:
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Alzheimer-Demenz
– Ursache: Ablagerungen (Plaques) von Beta-Amyloid (Proteinpartikel) und
Cluster von Neurofibrillen schädigen die Nervenzellen und lassen das Hirngewebe absterben.
– Symptome: Fortschreitende Verschlechterung der Gedächtnisleistung und
der Fähigkeit, zu kommunizieren und sich selbst und den Haushalt zu versorgen. Es werden drei Stadien unterschieden (leicht, mittel, schwer), deren
Symptome in jedem Stadium an Heftigkeit zunehmen. Die einzelnen Stadien
der Demenz werden weiter hinten in diesem Kapitel ausführlicher dargestellt.
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1.1 Die verschiedenen Formen der Demenz
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Vaskuläre Demenz
– Ursachen: Schlaganfall und andere Gefäßprobleme
– Symptome: beeinträchtigtes Urteilsvermögen, Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, zu planen oder Gedanken zu strukturieren
Lewy-Körperchen-Demenz
– Ursache: anormale Anhäufungen (oder Klumpen) des Proteins Alpha-Synuclein im Gehirn
– Symptome: Gedächtnisverlust und Probleme mit dem Denkvermögen, die
denen der Alzheimer-Demenz ähneln. Wahrscheinlicher sind jedoch anfängliche oder frühe Symptome wie Schlafstörungen, ausgeprägte optische Halluzinationen, langsamer Gang, Gleichgewichtsprobleme oder Bewegungsmuster, die an das Parkinson-Syndrom erinnern.
Frontotemporale Demenz
– Ursache: Abnahme der Nervenzellen in den Frontal- und Temporallappen des
Gehirns
– Symptome: Identitätsprobleme und verändertes Verhalten sowie Schwierigkeiten mit Sprache und Bewegung, die sich mit der Zeit verschlimmern
Parkinson-Krankheit
– Ursache: Cluster von Alpha-Synuclein in der Substantia nigra des Gehirns. Die
Cluster führen zur Degeneration der Nervenzellen, die den Neurotransmitter
Dopamin produzieren.
– Symptome: Probleme mit der Bewegung, die meistens die ersten Anzeichen
sind. Entwickelt sich eine Demenz, ähneln die Symptome häufig der LewyKörperchen-Demenz. Das Gesicht wird mit der Zeit starr oder ausdruckslos,
unabhängig davon, was die Betroffenen empfinden. Menschen mit der Parkinson-Krankheit leiden außerdem häufig an Depressionen.
Creutzfeld-Jakob-Krankheit
– Ursache: eine schnell zum Tode führende Krankheit, die ein fehlerhaft gefaltetes Prion (Proteinpartikel) aktiviert, das einen „Dominoeffekt“ auslöst.
Dieser Effekt bewirkt, dass Gehirnstrukturen sich nicht normal entfalten und
in der Folge das Gehirn nicht richtig funktioniert.
– Symptome: Gedächtnis- und Koordinationsprobleme sowie verändertes Verhalten
Normaler druckbedingter Hydrozephalus
– Ursache: Flüssigkeitsansammlung im Gehirn
– Symptome: Gangunsicherheit, Gedächtnisverlust und mangelnde Miktionskontrolle
Chorea-Huntington
– Ursache: eine Erbkrankheit, die sich durch Proteinanomalien im Gehirn manifestiert
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1 Alterungsprozess und Demenz
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– Symptome: anormale, unwillkürliche Bewegungen, massive Abnahme des
Denk- und Urteilvermögens, Reizbarkeit, Depressionen und andere Stimmungsschwankungen
Wernicke-Korsakoff-Krankheit
– Ursache (sehr oft): massiver Alkoholkonsum über lange Zeit und bedrohlicher
Mangel an Thiamin (Vitamin B1)
– Symptome: gravierende Gedächtnisprobleme, andere Bereiche sind jedoch
weniger betroffen
Mischformen
– Zwei oder mehr Demenzformen (z. B. Alzheimer-Demenz und normaler
druckbedingter Hydrozephalus) treten gleichzeitig auf.
1.2
Die Stadien der Demenz
In der Literatur werden die einzelnen Stadien der Demenz ausgiebig beschrieben.
Die Stadien der Demenz zeigen, wie sich die Krankheit im Laufe der Zeit entwickelt
und welche Symptome und Verhaltensweisen in der Regel auftreten. Demenz wird
gewöhnlich in drei Stadien dargestellt: Frühstadium, mittleres Stadium und fortgeschrittenes Stadium (Alzheimer’s Association, 2017a). Die folgenden Symptome
der Demenz sind in den einzelnen Stadien häufig zu beobachten:
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Frühstadium (leichte kognitive Beeinträchtigung) :
– Die Betroffenen können noch ohne fremde Hilfe funktionieren.
– Gelegentlich treten Wortfindungsprobleme auf.
– Gelegentlich treten Gedächtnisprobleme auf.
– Sie vergessen Namen und wo sie bestimmte Dinge aufbewahren.
– Es fällt ihnen schwerer, zu planen und zu organisieren.
– Ängste, Gereiztheit und Depressionen nehmen zu.
Mittleres Stadium (mittlere kognitive Beeinträchtigung):
– Die Betroffenen haben Probleme, sich an Dinge aus der eigenen Lebensgeschichte zu erinnern.
– Sie haben Schwierigkeiten mit der zeitlichen (Datum, Jahreszeit) und örtlichen Orientierung (Wohnort/Aufenthaltsort/eigene Telefonnummer).
– Sie brauchen Hilfe bei der Auswahl der jahreszeitlich passenden Kleidung.
– Sie neigen dazu, umherzuwandern oder sich zu verlaufen.
– Verändertes Schlafverhalten.
– Sie haben Schwierigkeiten, Blase/Darm zu kontrollieren.
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1.2 Die Stadien der Demenz
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– Persönlichkeit und Verhalten verändern sich (sie sind argwöhnisch, zwanghaft, niedergeschlagen und zeigen repetitive Verhaltensweisen).
– Sie erzählen Geschichten immer wieder, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Fortgeschrittenes Stadium (massive kognitive Beeinträchtigung):
– Die Betroffenen leiden unter Halluzinationen und Wahnvorstellungen.
– Sie haben beträchtliche Schwierigkeiten, auf die vertraute Umgebung zu reagieren.
– Sie brauchen rund um die Uhr Unterstützung bei der täglichen Körperpflege.
– Sie haben Schwierigkeiten, mit anderen umzugehen und zu kommunizieren/
eine Unterhaltung fortzusetzen (Worte zu finden oder Sätze zu artikulieren).
– Sie können sich nicht an kurz zuvor Erlebtes erinnern.
– Sie können die eigene Umgebung nicht erkennen.
– Sie brauchen sehr viel Unterstützung bei der Durchführung von Aktivitäten
des täglichen Lebens und der Körperpflege.
– Ihre körperliche Funktionsfähigkeit verändert sich, z. B. die Fähigkeit, zu
gehen, zu sitzen und irgendwann auch zu schlucken.
– Schlafstörungen nehmen zu.
– Ihre Widerstandsfähigkeit gegen Infektionen, insbesondere Lungenentzündungen, lässt nach.
– Ihre Persönlichkeit verändert sich (Wut, Aggression, Agitiertheit, emotionale
Belastung nehmen zu).
In den Frühstadien der Demenz können die Betroffenen meist zu Hause bleiben,
wenn sie von Familienangehörigen und Freunden unterstützt werden. Verschlimmern sich die Symptome, können einige Betroffene mit häuslicher und externer
Unterstützung in demenzfreundlichen Gemeinden zu Hause bleiben, während
andere mehr Pflege in Anspruch nehmen müssen (z. B. in Einrichtungen mit Betreuungsmöglichkeiten, Tagespflegestätten oder qualifizierten Pflegeeinrichtungen).
Ist die Verschlimmerung der Symptome so weit fortgeschritten, dass Sicherheitsbelange und ein höheres Maß an Unterstützung eine Rolle spielen, kommen die
Betroffenen häufig in qualifizierte Pflegeeinrichtungen oder andere Einrichtungen,
in denen sie 24 Stunden beobachtet und betreut werden können. Verschlimmern
sich die Symptome noch weiter, zeigen die Betroffenen möglicherweise gefährliche, paranoide oder aggressive, sogenannte „herausfordernde“ Verhaltensweisen.
In solchen Situationen brauchen sie Interventionen, die sie stärken, besänftigen
und aufbauen. In den fortgeschrittenen Stadien beeinträchtigt die Demenz auch
die körperliche Funktionsfähigkeit, z. B. die Fähigkeit zu gehen, Speisen herunterzuschlucken und ohne Unterstützung und Überwachung aufrecht zu sitzen.
Tabelle 1-1 gibt einen Überblick über die einzelnen Stadien der Demenz und die
typischen Veränderungen.
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1 Alterungsprozess und Demenz
Lassen Kognition und Verlässlichkeit der Sinne weiter nach, nutzen die Betroffenen meistens besser funktionierende sensorische Systeme, um das, was sie erleben,
zu verstehen. Ist beispielsweise das Hörvermögen beeinträchtigt, verlassen sie sich
mehr auf ihre Sehfähigkeit oder ihre anderen Sinne.
[Im deutschsprachigen Raum wird gerne auf die Reisbergskala zurückgegriffen,
die mit Hilfe von sieben Stufen die Beeinträchtigungen durch die Demenzerkrankung erfasst. Der vermeintlich kontinuierlichen Verschlechterung, die die Reisbergskala impliziert, widersprechen praktische Erfahrungen, die intermittierende
und wechselhafte Verläufe beobachten. Vergleiche: https://www.alz.org/de/stadiender-alzheimer-krankheit.asp, Anm. d. dt. Herausgebers.]
Tabelle 1-1: Die Stadien der Demenz
Stadium der Demenz
Symptome und Verhaltensweisen
Frühstadium
• Vergesslichkeit und Probleme mit dem Kurzzeit
(leichte Beeinträchtigung)
gedächtnis
• versucht, Gedächtnisprobleme zu kaschieren
• zunehmende Konzentrationsprobleme
• episodisches Auftreten von Angst und Depression
ist möglich
Mittleres Stadium
(mittlere
Beeinträchtigung)
• stärker ausgeprägte Gedächtnisprobleme
(Wiedererkennen von Personen, Ablauf der Zeit)
• Probleme, sich selbst und den Haushalt zu
versorgen (sich anziehen, kochen, Umgang mit
Geld, einkaufen, schlafen)
• Enthemmtheit und andere Verhaltensprobleme
• Probleme mit dem Sehvermögen und der
räumlichen Orientierung
• beginnende Probleme mit der Balance
Fortgeschrittenes
Stadium (massive
Beeinträchtigung)
• Schwierigkeiten, einfache Entscheidungen
zu treffen
• Kommunikationsprobleme
• starke Beeinträchtigung von Mobilität, Kraft,
Balance und Koordination
• zunehmende Steifheit der Bewegungen und
erhöhtes Sturzrisiko
• Schwierigkeiten beim Essen, Schlucken und allen
Aktivitäten, die die Selbstversorgung betreffen
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