Sultan Mehmet II.
ErobErEr KonStantInopElS –
patron dEr KünStE
Herausgegeben von
neslihan asutay-Effenberger
und Ulrich rehm
– Sonderdruck –
2009
bÖHlaU VErlaG KÖln WEIMar WIEn
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz thyssen Stiftung
Arne Effenberger
zu seinem 65. Geburtstag
gewidmet
bibliografische Information der deutschen nationalbibliothek:
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Umschlagabbildung:
Gentile bellini, Sultan Mehmet II., london, national Gallery, Inv. nG 3099
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Gedruckt auf chlor- und säurefreiem papier
printed in Germany
ISbn 978-3-412-20255-2
Inhalt
117
Einleitung
die historische Gestalt des Sultans
115
Diether Roderich Reinsch
Mehmet der Eroberer in der darstellung der zeitgenössischen
byzantinischen Geschichtsschreiber
131
Peter Schreiner
die Epoche Mehmets des Eroberers in zeitgenössischen Quellen aus dem
patriarchat
141
Ömür Bakırer
Quellen und Dokumente zu Mehmet dem Eroberer als Patron
der Architektur
159
Günter Prinzing
Zu Jörg von Nürnberg, dem Geschützgießer Mehmets II., und seiner
Schrit „Geschicht von der Turckey“
177
Michael Rogers
Mehmet II. und die Naturwissenschaten
193
Hubertus Günther
Die osmanische Renaissance der Antike im Vergleich mit der italienischen
Renaissance
139
Jürg Meyer zur Capellen
Gentile Bellini als Bildnismaler am Hofe Mehmets II.
161
Ulrich Rehm
Westliche Reaktionen auf die Eroberung Konstantinopels im Bild
176
Michael Greenhalgh
Kultur aus dem Kanonenrohr? Die Belagerung Konstantinopels und der
Verlust von Altertümern
Inhalt
I 5
211
Neslihan Asutay-Efenberger
Mehmets Kanonenmeister Urban und sein Riesengeschütz
vor der Landmauer von Konstantinopel (1453)
227
Dank
6 I I nha lt
ZU JÖRG VOn nÜRnBERG,
DEM GESChÜtZGIESSER MEhMEtS II., UnD SEInER
SChRIFt „GESChICht VOn DER tURCKEY“
GÜN TER PRIN ZI N G
Im Verlauf des Symposions kamen wiederholt auch militärische Aspekte der Ära
Mehmets II. zur Sprache, so vor allem im Beitrag von Neslihan Asutay-Efenberger
über den Kanonengießer Urban und sein Riesengeschütz, das für die Belagerung
Konstantinopels eigens angefertigt worden und militärtechnisch von entscheidender Bedeutung war.1 Es erschien daher sinnvoll, in diesem Zusammenhang auch an
einen weniger berühmten ,Kollegen‘ Urbans zu erinnern: den „Büchsenmeister“
Jörg von Nürnberg. Anders als Urban nämlich hat uns dieser Jörg als Autor eines
knappen, großenteils von ihm selbst auf deutsch verfassten Berichts autobiographischen, chronikalischen und teils auch traktathaten Charakters eine historisch nicht
zu unterschätzende, im deutschen Sprachraum zudem singuläre Quelle in Form
einer Inkunabel aus (und zu) der Ära Mehmets II. (1451–1481) hinterlassen.
Der vorliegende Beitrag will sich jedoch nicht darauf beschränken, an Jörgs
Schrit erneut zu erinnern, sondern bei dieser Gelegenheit auch einige neue Ergebnisse der Beschätigung des Verfassers mit ihr vorstellen. Denn Jörgs Text ist zwar
schon längst bekannt, aber eben noch immer nicht umfassend untersucht und
bearbeitet worden. Es geht daher in dieser Studie (1.) um aktualisierte Angaben
zum Forschungsstand über den Autor Jörg, sein Werk und dessen Verbreitung im
Druck, des näheren aber (2.) um Beobachtungen zu Form bzw. Gliederung, Inhalt
und Quellenwert des Textes (auch im Hinblick auf verwandte Texte), und (3.) um
die spätere Rezeption des (teilweise noch ergänzten) Werks im Rahmen der Türkendrucke. Abschließend wird (4.) nach möglichen Vorlagen und mutmaßlichen
Entstehungsbedingungen für Jörgs Text gefragt und (mit Blick auf die hematik des
Symposions) danach, welches Bild Mehmets II. sich aus Jörgs genuinem Text (d.h.
aus dem historisch-autobiographischen Teil) gewinnen lässt.
Die Ergebnisse dieses Beitrags beruhen zu einem nicht geringen Teil aus Vorarbeiten zu dem (unten näher beschriebenen) noch laufenden Projekt einer Neuausgabe des Textes samt kommentierter Übersetzung. (Der Beitrag trägt daher in
manchem noch Züge eines Werkstattberichts).
Jö r g v o n Nü r n b e r g , d e r Ge s c h ü t z g i e ß e r M e h m e t s I I .
I 59
1 . Z u m Fo rsc hungsst a nd übe r de n Aut o r Jö rg, se in We rk
u n d d es s e n Ve rbre i t ung i m Druc k
Der Autor Jörg von Nürnberg war, worauf noch näher eingegangen wird, ein Spezialist gewesen, der längere Zeit im Dienst Mehmets II. gestanden und seinen Text erst
zu Papier gebracht hatte, nachdem er dem Machtbereich der Osmanen entkommen
und nach Westeuropa zurückgekehrt war. Von dem Bericht eines solchen Augenzeugen und Experten, der ,dabei gewesen war‘, versprach man sich damals zweifellos
authentische Informationen über die seit dem 29. Mai 1453 auch für Menschen in
Zentraleuropa so schlagartig bedrohlich gewordene, rasant expandierende Macht
der Osmanen im Südosten Europas: Jörgs Publikation konnte daher a priori bei dem
wissbegierigen zeitgenössischen Publikum mit erhöhter Aufmerksamkeit rechnen.2
Der Text, um den es geht, liegt uns in mehreren Drucken vor, deren ältester,
gedruckt von Albrecht Kunne in Memmingen,3 zwar undatiert ist, aber jetzt von
der Inkunabelforschung in die Zeit 1482/83 datiert wird.4 Dieses ,Timing‘ ist kein
Zufall, war doch Mehmet II. erst kurz vorher, am 3. Mai 1481 gestorben.5 Vielmehr
darf man annehmen, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Todesjahr des
Sultans und dem baldigen Erscheinen der Schrit Jörgs besteht. Die Vermutung bestätigt sich, wenn man nach vergleichbaren Texten Ausschau hält, die etwa zur gleichen
Zeit abgefasst und/oder erschienen sind. Ich meine damit folgende drei Texte:
1. Die ganz ähnlich strukturierten, aber (im Vergleich zu Jörgs Schrit) umfangreicheren „Erinnerungen eines Janitscharen oder Türkische Chronik“ des Serben
Konstantin Mihajlović aus Ostrovica. Historisch wesentlich reichhaltiger, sind
sie auch stilistisch geschickter formuliert, daher insgesamt literarisch ansprechender.– Die unpublizierte Kernversion des uns bekannten, anscheinend aus
heterogenen Teilen zusammengesetzten Textes entstand höchstwahrscheinlich im Jahr 1481 (und nicht erst 1490, 1498 oder 1500, wie früher vermutet).
Erst nach Bearbeitung durch Redaktoren erschienen ab dem 16. Jh. Drucke
und Abschriten, die sowohl auf tschechisch wie auch auf polnisch verbreitet
wurden. Der Verfasser der Kernversion indes dürte ein Serbe gewesen sein, der
sich höchstwahrscheinlich schon bald nach dem Fall Konstantinopels 1453 in
die Dienste Mehmets II. begeben und dann so lange in seinen Diensten stand,
bis er als Kommandant der bosnischen Festung Zvečaj 1463 in ungarische
Gefangenschat geriet.6
2. Das Memorandum, das der Bischof von Dulcigno/Ulcinj (heute in Montenegro), Martinus Segono (oder Segonio), noch 1481, bald nach Mehmets II.
Tod, an Papst Sixtus IV. gesandt hatte: Ursprünglich auf lateinisch verfasst,
wurde es 1589 auf italienisch im Druck verbreitet unter dem Titel: Dell’ origine,
della milizia et delli costumi de i Turchi. A Sisto IV. Der Byzantinist Agostino Per60 I G ün t e r Pr in zin g
tusi, hat 1972 in seiner exzellenten Studie über die ersten Abhandlungen zum
Ursprung und zur Macht der Türken auf die Bedeutung dieses Werk mit folgenden Worten hingewiesen: „Cet ouvrage est peut-être l’histoire plus exacte et plus
étendue que nous avons des Turcs de la in du XVe siècle, car elle a été composée par
son auteur peu après la mort de Mehmet II.(1481).“ Damals fügte er noch hinzu,
er plane davon eine kritische Ausgabe mit einem großen Kommentar:7 Tatsächlich erschien dieses Werk 1981, zwei Jahre nach dem frühen Tod des großen
Gelehrten.8 Und schließlich
3. Den weit verbreiteten, nach seinem Editor, Reinhard Klockow, „viel gelesen(en)
und ot ausgeschrieben(en), aber nur selten ausdrücklich genannt(en)“ Tractatus
de moribus, condicionibus et nequicia Turcorum des sog. Georg von Ungarn, bei
dem es sich um einen Siebenbürger aus Rumes handelt (vermutlich Johannes
Kloor * ca. 1422/23, † 1502 in Rom). Er geriet 1438 in türkische Gefangenschat, aus der er nach seiner 20 Jahre später (1458) erfolgten Freilassung über
Pera (bei Konstantinopel), wo er Dominikaner wurde, und über Chios nach
Rom gelangte, wo er wohl „zwischen Sommer 1480 und Ende Mai 1481“ den
Traktat verfasst hat. Der Erstdruck des Werkes, aus dem schon bald auch Jörg
von Nürnberg einige Passagen für den Schlussteil seines Büchleins übernehmen
sollte (s. unten), erschien schon im Sommer 1481.9
Zurück zu Jörg: Das älteste Exemplar seines Textes (ich beziehe mich auf das Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek, München) aus Kunnes Presse, erschienen im
Quart-Format, weist auf Bl. 2r den wohl von einem Rubrizisten (?) oder vom Erstbesitzer des Drucks mit schwarzer Tinte handgeschriebenen Titel Ayn traktat von
den Türck auf: Erst im gedruckten Text des anschließenden (1.) Absatzes begegnet
man dem in der Inkunabelforschung (bzw. in den Inkunabel-Verzeichnissen, s. oben
Anm. 2 u. 3) stets angeführten, maßgeblichen Titel Geschicht von der Turckey (vgl.
auch Abb. 1).
Auf Blatt 8r endet der Text des Büchleins. Als sein Verfasser gibt sich (im selben
Münchner Exemplar) gleich eingangs (also auf Bl. 2r) nur ein „maister von Nurnbergk ycz vnnwers hailigen vatters buchsenmaister“ zu erkennen, doch verschweigt
er uns hier seinen Namen – wohl durch eigenes oder des Druckers Versehen.10 Man
erfährt jedoch den Herkunts-, Wohn- oder Wirkungsort des Autors, Nürnberg,
sowie seinen Beruf: Büchsenmeister, d.h. Stück- oder Geschützgießer: Bei Erscheinen des Druckes (ycz /jetzt!) stand er, auch das sagt der Autor (s. unten), im Dienst
des hl. Vaters (d.h. Papst Sixtus IV. [1471–1484]). Sein auf Blatt 2r ausgelassener
(Tauf-)Name kann dann leicht von Blatt 3v her ergänzt werden: Dort spricht der
Autor zweimal von sich selbst als „maister Jorg“.
Im Focus der Historiker und Germanisten lag diese äußerlich unscheinbare
Schrit bislang eher nicht, obwohl Jörg von Nürnberg, und mit ihm sein einziges
Jö r g v o n Nü r n b e r g , d e r Ge s c h ü t z g i e ß e r M e h m e t s I I .
I 61
1
Jörg von Nürnberg, Geschicht von der Turckey, 1482/83.
Werk, sehr kompetent in der Neuaulage des Verfasserlexikons behandelt worden
ist.11 Wie erklärt es sich aber, dass es bis heute noch immer einer umfassenden Bearbeitung im Rahmen einer Neuedition, einer Übersetzung ins Neuhochdeutsche
und eines Sachkommentars harrt?
Vielleicht liegt es doch ein wenig an den hierfür benötigten Spezialkenntnissen.
Oder eben auch schlicht an der Säumigkeit des Verfassers dieser Zeilen, der eine
solche Bearbeitung schon vor längerer Zeit angekündigt, aber noch nicht eingelöst
hat, und sie – z.B. mit diesem Beitrag – weiterhin aufrecht hält.12 Gemeint ist hier
ein noch nicht abgeschlossenes Vorhaben, das ich zunächst allein bearbeitet habe,
seit 2006 aber gemeinsam mit dem Historiker und Verleger Dr. Ralf Müller (Leipzig) voranzutreiben versuche: Es gilt genau dem oben kurz skizzierten Programm
einer Neuedition des Jörg von Nürnberg-Textes (samt Übertragung ins Neuhochdeutsche), begleitet von einem Sachkommentar. Ralf Müller hat im Jahr 2005 seine
bei dem Leipziger Mediävisten und Byzantinisten Professor Klaus-Peter Matschke angefertigte Dissertation über „Franken im Osten“ veröfentlicht, worin er die
Migration aus Westeuropa ins Osmanische Reich des 15./16. Jh. anhand von Reiseberichten (im weitesten Sinne) eingehend untersucht hat.13 Selbstverständlich ist
darin auch öter von Jörg von Nürnberg die Rede. (Ergänzt wird diese Arbeit inzwischen durch eine ebenfalls von R. Müller erstellte umfangreiche Prosopographie zu
diesem Personenkreis, die außer in Buchform auch als CD-ROM erschien).14 Leider
62 I G ün t e r Pr in zin g
ging bzw. geht unsere Arbeit aufgrund anderer Verplichtungen weniger zügig voran
als geplant.
Ein anderer Grund für die noch unzureichende Aufbereitung und Auswertung
des Jörg’schen Textes liegt darin, dass es nicht so leicht ist, alle in ihm enthaltenen
Angaben zu verstehen oder richtig zu deuten. Es bedarf hierzu neben germanistischer vor allem auch osmanistischer und historisch-geographischer, teils auch
byzantinistischer Kenntnisse. Und doch waren es vor allem die Byzantinisten Alexander Vasiliev und Agostino Pertusi, die auf die Bedeutung des Traktats schon
früh nachdrücklich hingewiesen haben: Vasiliev (1935) mit einem kurzen Artikel
in der belgischen Zeitschrit Byzantion15 und Pertusi in seiner exzellenten, materialreichen Übersicht über „Frühe Untersuchungen im Westen über den Ursprung
und die Macht der Türken“ (publiziert zuerst italienisch in den Studi Veneziani 12
[1970 ], dann französisch im Bulletin der AIESEE).16 Später noch hat er auch im
Rahmen seiner Quellen-Sammlung zum Fall Konstantinopels kurz auf die Bedeutung der Schrit Jörgs hingewiesen.17 Danach war es Carl Göllner, der natürlich in
seiner grundlegenden Untersuchung der frühen Publizistik über die Türken Jörg
von Nürnberg nicht überging.18 Später hat er auch noch den Faksimile-Nachdruck
des Jörg-Textes herausgeberisch betreut und kurz kommentiert.19 Soviel vorab.
2 . Z u Fo rm und St ruk t ur, I nha lt und Q ue lle nwe rt de r
„Ge sc hicht v on der Türkei“
( a uc h i m Hi nbl i c k a u f verwandte Tex te)
Worum aber geht es konkret im Text Jörgs von Nürnberg? Was sind seine Merkmale
im Aufbau, inhaltlich und stilistisch? Der Text stammt, wie gesagt, von einem der
nicht gerade wenigen Spezialisten, die ihre Kräte und ihr für die Osmanen innovatives Wissen, kurz ihre Fähigkeiten „in der Wafentechnik, im Berg- und Schibau“
(Müller) in den Dienst der Osmanen stellten,20 mal gezwungenermaßen (infolge
tatsächlicher oder angeblicher Gefangennahme), mal mehr oder weniger freiwillig.
War die Zahl dieser Leute auch relativ hoch, so verfügen wir doch nur selten über
eigene, authentische Aussagen von ihrer Seite.21 Sie waren in der Regel ja keine Literaten, sondern wohl allenfalls Fachleute mit hinreichenden Kenntnissen darin, für
sie nützliche und notwendige Unterlagen pragmatischer Schritlichkeit selbst zu
erstellen, zu lesen und auszuwerten.22
Hier aber schreibt ein deutscher Geschützgießer über das, was er selbst erlebt
oder wovon er gehört (bzw. auch gelesen?) hat, als er im Dienst Mehmets II. stand,
wobei er auch sagt, wie es dazu kam, dass er in den Dienst des Sultans geriet (dazu
Jö r g v o n Nü r n b e r g , d e r Ge s c h ü t z g i e ß e r M e h m e t s I I .
I 63
s. unten). Aber beginnen wir auf Blatt 2r mit dem ersten Absatz. Da er eine Art
Vorwort (bzw. Selbstvorstellung des Autors dem Leser gegenüber) samt der Inhaltsangabe zum ganzen Werk darstellt, sei der Absatz im Hinblick auf eine beziferte
Gliederung des Textes mit der Nummer 0.1 belegt. Hierin teilt der Autor zunächst
mit, man solle wissen, „das maister <Jorg> von Nurnbergk ycz unnwers hailigen
vatters buchsenmaister“ (s. dazu die schon oben bei Anm. 10 gemachten Angaben)
„diese her nach geschrybne geschicht von der Turckey“ angefertigt habe, „wann er
bey .XXX. iaren dar inn gewondt hat.“23 Mit anderen Worten: Jörg gibt klar zu
erkennen, dass er seine „Geschicht von der Turckey“ erst nach Rückkehr aus einem
ca. 30-jährigen Aufenthalt im Osmanischen Reich abgefasst hat. (Vermutlich war es
aber, wie bei Georg von Ungarn, ein nur ca. 20-jähriger Aufenthalt, denn die Zahl
30 ist inkongruent mit den weiteren Angaben im Text, scheint also ein Versehen
des Autors zu sein, zumal auch im Druck von 1496 die Zahl XXX steht. Vgl. auch
unten S. 67).
Anschließend, noch im selben ersten Absatz, umreißt Jörg den Inhalt des
Buches. Seine Formulierung lautet, hier (wie auch in den folgenden Zitaten) in neuhochdeutscher Übertragung:
„Item zum ersten: wie die Türken aufgekommen sind. Zum anderen: Was ein jeglicher
türkischer Kaiser vollbracht hat und was er an Ländern und Städten und anderem gewonnen hat. Zum dritten: Ein wenig von ihrem Gesetz oder Glauben, Fasten und Beten. Zum
vierten: Wie sie die armen Gefangenen halten, kaufen und verkaufen.“
Anhand dieser Inhaltsangabe wird folgende Dreiteilung des Werks erkennbar: Es
gibt einerseits historisches Wissen wieder (das sich allerdings teils als vage bzw.
legendär durchsetzt oder ungenau erweist), andererseits behandelt es die fremden
Glaubensinhalte und Bräuche, und schließlich liefert es spezielle Informationen
über das Los von Gefangenen. Somit lässt sich Jörgs Schrit (nach Teil 0.1) in folgende drei Hauptteile aufgliedern: Teil I (Historisches, geteilt in die Abschnitte
I.1 und I.2); Teil II (Gesetze, Religiöses, Bräuche) und Teil III (über das Los von
Gefangenen).
Bei den einzelnen Abschnitten ist nun folgendes für uns von Interesse. Abschnitt
I.1: Nach der oben zitierten Übersicht setzt der zweigeteilte erste Hauptteil mit
Abschnitt I.1 ein, eingeführt durch die Wiederholung des zuvor in der Übersicht
angeführten Wortlauts: „Item zum Ersten: wie die Turcken aukommen sein.“
Anders als in den folgenden Hauptteilen II und III ist die ,Überschrit‘ hier nicht
mittig gesetzt, sondern steht am Anfang des Abschnitts.
Inhaltlich geht es hierin um den legendären Aufstieg des Namensgebers der
Osmanen-Dynastie, Ottman(n) ( Jörg nennt ihn so nach einer ebenso heißenden
64 I G ün t e r Pr in zin g
Burg in Natolia [Anatolien] und bezeichnet ihn als Bauern [oder auch: obersten
Bauern], sonst heißt er Osman I. oder auch Osman Gazi), um den Kampf gegen
die Griechen, die Entstehung des Janitscharenkorps und die ersten Eroberungen
Ottmans und seiner Mitbauern.24 Der Abschnitt umfasst drei Unterabschnitte und
reicht bis Blatt 2v, wo er mit folgender Angabe über die Dauer der Regierung Ottmans endet: „und der Ottmann regiert 22 und ein halbes Jahr.“ Das Todesdatum
Osmans I. – es ist, wie auch seine Herrschatsdauer (ab ca.1299) mit Fragezeichen
versehen – wird zumeist mit 1324/26 angesetzt.25
Der Übergang zum 2. Abschnitt des historischen Teils (= I.2) (gemäß oben
erwähnter Übersicht mit dem Inhalt: „Zum anderen: Was ein jeglicher türkischer
Kaiser vollbracht hat und was er an Ländern und Städten und anderem gewonnen
hat“) ist ließend, weil der hier zu erwartende, in der oben erwähnten Übersicht
angeführte Zwischentitel, anders als bei I.1, nicht nochmals autaucht, also fehlt.
Dass man sich nun aber im Abschnitt I.2 beindet, ist inhaltlich daran erkennbar, dass jetzt im Prinzip nacheinander (aber ungenau, und mit Lücken) die Zeit von
Orhan (bei Jörg: ,Sulenmenbek‘), dem Nachfolger Osmans I., bis hin zu Mehmet II.
(bei Jörg anfangs Ottmanogel Emhemmet genannt, dann aber durchgehend als „der
Türke“ bezeichnet) abgehandelt wird.26 Dabei wird jeder Unterabschnitt, der einem
neuen Herrscher der Osmanen gilt, mit dem Adverb „darnach“ eingeleitet, worauhin zumeist das Verb „regierte“ folgt. Sofern beziferte chronologische Angaben
zur Regierungsdauer der in den Unterabschnitten behandelten Herrscher gemacht
werden (dies ist nur in I.2.1–3, also bei Sulemenbek, Mustafa und Celibisoldan der
Fall), gleichen sie formal der oben zitierten Angabe zu Osman und stehen immer am
Ende des jeweiligen Unterabschnitts. Von ,Sulenmenbek‘/Orhan bis in den Anfang
der Regierungszeit von Ottmanogel Emhemmet/Mehmet II. zählt man bei Jörg 6
derartige Unterabschnitte, in die verschiedentlich weitere, auch durchaus umfangreiche Teile eingeschoben sind (besonders über die Serben unter ,Despot‘ Djuradj
Branković [1427–1456], von dem Jörg als ,König‘ Dispotlasar spricht, weil er ihn
anscheinend sowohl mit Fürst Lazar I. Hrebeljanović [1329–1389] als auch besonders mit ,Despot‘ Stefan Lazarević [1389–1427, Despot seit 1402] zu einer Person
verschmolzen hat),27 die sich dann jeweils auch auf den gerade im Unterabschnitt
behandelten Zeitraum beziehen. Der 6. Unterabschnitt (= I.2.6) aber besteht aus
einem geraten Überblick über die Zeit Mehmets II. und lautet:
„Darnach regierte sein Sohn namens Ottmanogel Emhemmet,28 der begann /Bl. 3v/ zu
Lebzeiten seines Vaters Krieg zu führen. Item an den im folgenden aufgezählten Königen
und Herren hat er falsch und unehrlich gehandelt, namentlich an dem König von Trabisonda, an dem König Sinopia, an dem Dispotlaser, an dem Keyser von Tartaria, an dem
König Cuttea, an den Venedigernn, an dem König Karaman, an dem König von Scandalor,
Jö r g v o n Nü r n b e r g , d e r Ge s c h ü t z g i e ß e r M e h m e t s I I .
I 65
an dem Foyfoda etc.“ (Neben Item habe ich bei der Übertragung hier und im folgenden
auch die Eigennamen kursiv gesetzt und in der Originalschreibung belassen).
Erst nach diesen nur zwei Sätze umfassenden, orientierenden Angaben über den
weiteren Inhalt des Abschnitts I.2. geht Jörg zur chronologisch, nach den Jahresdaten gegliederten Schilderung der (2.) Herrschatszeit Mehmets II. (1451–1481)
über.29
So beginnt Unterabschnitt I.2.7 mit den Sätzen:„ Item in dem .lj. iar do gewan
er Constantinopel. darnach uber drew iar zog er fur die krychenweissenburgk da ward
er schentlich zerbrochen“ (also: „Item, im 51. Jahr, da gewann er Konstantinopel [er
meint damit, freilich irrtümlich, 1451, es muss natürlich heißen: im 53. Jahr=1453,
was sich auch aus der nächsten Zeitangabe ergibt, G.P.].30 Darnach, drei Jahre später
[korrekt 1453+3 = 1456, G.P.], zog er vor Griechischweißenburg [Belgrad, G.P.], wo
er schmachvoll scheiterte“). Nach diesem Muster (s. die unterstrichenen Worte!)31
handhabt Jörg seine chronologischen Angaben im ganzen restlichen zweiten Teil des
Abschnitts I.2: Dieser erstreckt sich demgemäß inhaltlich vom 51. Jahr bis zum 80.
Jahr (=1480) und umfasst die Unterabschnitte I.2.7–29. Ausgelassen sind dabei nur
die Jahre 52–55 (s. aber oben zur Identität von 51/53) und 57–59, im wesentlichen
also der Zeitraum, in dem Jörg den eigenen Angaben nach (s. dazu unten) noch gar
nicht in osmanischen Diensten stand. (Zum Vergleich: In den vorangehenden Unterabschnitten I.2.1–5 gibt es, was formal bemerkenswert ist, beziferte chronologische
Angaben nur am Ende der Unterabschnitte I.2.1–3 in Form konkreter Zeitangaben
zur Länge der Regierungszeit des jeweils behandelten Herrschers).
Umfang und Gliederung des gesamten Abschnitts I.2 ist somit vom Textinhalt
her klar zu bestimmen: Er umfasst in sich zwei größere Teile (= I, 2.1 und I.2.2) mit
je 6 (= 1–6) bzw. 23 (= 7–29) Unterabschnitten, die sich insgesamt über den Zeitraum von Otmanns Nachfolger fast bis zum Herrschatsende Mehmets II., nämlich
bis ins Jahr 1480, erstrecken, und reicht im Büchlein Jörgs etwa bis zur Mitte von
Blatt 7r: Dort beginnt mit der diesmal sogar „mittig“ gesetzten Überschrit „Item
Hienach volget von irem gesacz oder glaubenn vasten und peten“ (= Hiernach folgt:
Von ihrem Gesetz oder Glauben, Fasten und Beten) der zweite Hauptteil (= II).
Bleiben wir aber noch beim langen Abschnitt I.2.7–29, der der Zeit Mehmets II. gilt. Er ist der eigentliche, am stärksten historisch-chronikalisch (weil nach
Jahresdaten strukturiert) und autobiographisch geprägte Abschnitt, daher auch ist
er insgesamt genauer und zugleich erzählerisch ansprechender, lebendiger abgefasst
als die 6 Unterabschnitte von I.2.1–6.
So stößt man nun auch im nächstfolgenden Unterabschnitt (I.2.8; noch Bl. 3v)
auf die erste konkrete Angabe zu Jörgs Dienst als Geschützgießer. Sie lautet übertragen ins Neuhochdeutsche):
66 I G ün t e r Pr in zin g
„Item in dem 56. Jahr wurde ich, Meister Jorg, zu Herzog Steffan in Bossna (=Bosnien)
G.P.) gesandt. Dem goss ich etliche Büchsen und blieb etliche Jahre bei ihm.“
Bei dem hier erwähnten Herzog Stefan handelt es sich um Herzog Stefan Vukčić
Kosača (1448–1466), der im Süden des bosnischen Königreichs über ein selbständiges Territorium herrschte, dessen Besitz als Herzogtum ihm 1448 von Kaiser Friedrich III. bestätigt worden war. (Leider bleibt es unklar, wer die Entsendung Jörgs
veranlasst hatte). In den Jahren 1461–1463 hatte sich Herzog Stefans älterer Sohn
Vladislav (zum zweiten Mal) gegen seinen Vater erhoben, „nachdem er zuvor eine
Teilung des Territoriums erzwungen hatte“. Vladislav hatte sich auch nicht gescheut,
dabei das Bündnis mit den Türken zu suchen.32
Von zentraler Bedeutung ist dann (auf Bl. 3v) der Unterabschnitt I.2.9 zum 60.
Jahr (=1460). Dort schildert Jörg, wie er infolge seiner (vielleicht nur vorgeschützten?)33 Gefangennahme durch die Türken in den Dienst des Sultans trat. Zunächst
berichtet er zur Vorgeschichte soviel: Ladislaua, der Sohn Herzog Stefans (also der
gerade erwähnte Vladislav) habe sich, als er mit seinem Vater im permanenten Streit
lag, auf die Seite der Türken begeben, sei dann mit 40.000 Mann zurückgekehrt
und habe „viel Volks seinem eigenen Vater“ weggeführt. Am Ende dieses Unterabschnitts heißt es dann:
„Hierbei wurde ich, Meister Jorg, mit Weib und Kindern gefangen und vor den Türken
geführt. Und da er hörte, dass ich ein Büchsenmeister war, ließ er mich leben und machte
mir einen guten Sold.“
Der nächste und zugleich letzte Hinweis auf Jörgs persönliches Schicksal indet sich
erst wieder im Unterabschnitt I.2.29, d.h. im Eintrag zum 80. Jahr (=1480), und
lautet:
„Darnach im 80. Jahr, da sandte der Türke drei Heere aus, eines für Rodis (=Rhodos, G.P.)
das andere nach Naplae (= Nauplion, G.P.) das dritte nach Allexandria (=Alexandria,
G.P.). Da entsandte mich der Türke nach Alexandriam, damit ich das Land anschauen
sollte, ob ich es einnehmen könnte, und wessen ich dazu bedürfte, das wollte er mir schicken. Ich fand daher in Alexandria geistliche Brüder des St. Franciscus-Ordens. Denen
beichtete ich. Sie halfen und rieten mir zusammen mit anderen Kaufleuten von Venedig,
dass ich davon kam, und komme nach Venedig mit den Kaufleuten. Darnach wurde ich
zu unserem Heiligen Vater, dem Papst Sixto Quarto (Sixtus IV.), geschickt, dessen Büchsenmeister ich geworden bin.“34
Überblickt man den hier besprochenen Abschnitt I.2.7–29 über die Zeit Mehmets II. im ganzen, so fällt vor allem die chronologische Gliederung auf, die dem
Jö r g v o n Nü r n b e r g , d e r Ge s c h ü t z g i e ß e r M e h m e t s I I .
I 67
ganzen Teil einen chronikartigen Charakter verleiht und den Eindruck vermittelt, man habe hier auf deutsch eine Art Chronik der türkischen Eroberungen
(bzw. Eroberungsversuche) vor sich, wie wir sie etwa aus den spät- oder postbyzantinischen sog. Kurzchroniken (partiell auch aus anderen damaligen, aber
nicht griechischen Quellen) kennen.35 Hat er also vielleicht irgendwelche chronikartigen Aufzeichnungen seiner Truppe gekannt und sie für seinen Text benutzt?
Wir wissen es nicht, können dies also nicht ausschließen. Denkbar wäre vielleicht,
dass er eine Art Itinerar/Einsatzregister der Truppe, falls es so etwas gab, verwendet
und mit eigenen Aufzeichnungen angereichert hat. Wie auch immer: Er liefert uns
ot wertvolle Informationen gleichsam über Gewinn und Verlust sowie besondere
Vorkommnisse bei den militärischen Unternehmungen Mehmets II. Trotz gelegentlich erzählerisch ausgestalteter Partien in seiner Chronik, hält sich die Zahl diferenzierter oder detaillierter Angaben bei ihm letztlich in Grenzen, es überwiegen
Informationen über Richtung, Einsatzplätze und Stärke der Truppe oder der Flotte,
über die Anzahl der Umgekommenen, der Gefangenen, der Schifsverluste oder der
eingesetzten Geschütze (s. zu letzteren I.2.12a = 63.Jahr, Einsatz bei Jajce; I.2.18 =
69.Jahr, Zug gegen Klein-Indien: Gerade hier scheint Jörg nicht Selbsterlebtes zu
bieten, sondern eine Fremdinformation zu referieren). Zumeist ist sein Berichtstil
eher unpersönlich, der es uns erschwert, die naheliegende Frage nach der jeweiligen
Autopsie oder Empirie Jörgs im Hinblick auf die besprochenen Aktionen sicher zu
beantworten. Soviel zunächst hierzu.
Die oben (S. 64) erwähnten Hauptteile II – III brauchen hier nicht näher
behandelt zu werden, da sie nahezu wörtlich aus dem oben erwähnten Werk Georgs
von Ungarn exzerpiert und übersetzt wurden,36 es handelt sich bei ihnen, wie längst
erkannt, also nicht um genuine Texte Jörgs.
3 . Z u r R e z e pt i o n de s We rk s vo n Jö r g v on Nürnberg
Um diesen Abschnitt hier kurz zu halten, nur soviel: Die nötigen Hinweise auf
die Rezeption des in den späteren Drucken noch aktuell erweiterten Textes Jörgs
von Nürnberg indet man in dem Artikel Peter Johaneks im Verfasserlexikon
(s. oben Anm. 11). Daraus ist festzuhalten, dass ein großer Teil des Jörg-Textes
in der Türkisch Chronica des Johannes Adolphus (Erstdruck Straßburg 1513)
abgedruckt ist, und zwar anhand des Memminger Drucks von 1496. 37
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4 . Z um Bi l d Sul t a n Me hme t s II. und s einen Quellen
So selten, wie Jörg von sich selbst spricht, lässt er auch direkte, subjektive Wertungen
oder sonstige Passagen mit subjektiv gefärbten Wahrnehmungen in seine Chronik
über die Regierungszeit Mehmets II. einließen:
Abgesehen von den schon oben (S. 65 bzw. 67 zitierten Passagen mit den Hinweisen über das falsche und unehrliche Handeln Mehmets II. (im Unterabschnitt
I.2.6) bzw. über „den guten Sold“, den Jörg vom Sultan erhielt (im Unterabschnitt
I.2.9), begegnen wir folgenden Passagen:
Bl. 3v/ I.2.7 (51. Jahr = 1454, recte 1456, s. oben): Er scheitert schmachvoll bei
Griechischweißenburg.- Ebd. (nach weiteren 2 Jahren): Er richtet viel Schaden an
in der Wallachey. (3v)
I.2.10 (61. Jahr = 1461): Er lässt den König (recte: Kaiser) von Trabizonda [Trapezunt] schnöde töten, mitsamt der Familie.
Bl. 4r/ I.2.12 (63. Jahr = 1463): Ein von Mehmet II. mit 60. 000 Mann in die
Morea entsandter Hauptmann versagt beim Kampf gegen die Venezianer. „Da erhob
sich der Türke mit großem Zorn und wollte auch dorthin ziehen….“
Bl. 4v/ I.2.14 (65.Jahr = 1465): Der Sultan errichtete in Albania eine neue
„schöne Stadt“ (gemeint ist Elbasan, G.P.) in 32 Tagen, doch die Albaneser töteten
viele Türken, „spießten sie auf und stellten sie in der Nacht vor das Zelt des Türken.
Da wurde der Türke sehr zornig und was er an Albanern fangen konnte, spießte er
auch auf, und das waren sehr viele.“
Bl. 5v/I.2.22 (73. Jahr = 1473): Nachdem im Kampf gegen Vsunhassan (Usunhassan) bei Beyburt (=Paipert G.P.) am Euphrat 20.000 Reiter, ein Vortrupps des
Sultans bei seinem Zug gegen Usunhassan, gefallen waren, hatte dieser deren „Häupter den Herren und Städten zur Freude“ zugesandt. „Als das der Türke vernahm, da
ward er von großem Unmut krank und blieb noch lange im Land.“
Bl. 6r/I.2.24–24a-b (75.Jahr =1475): Als der der Türke gegen Kafa (auf der Krim,
G.P.) „einen Hauptmann mit 400 großen und kleinen Schifen“ entsandt hatte, „versprach er ihnen (sc. den Einwohnern, G.P.) viel Gutes. Sie ergaben sich, aber nichts
hielt er ein. (…..). Darnach zog er vor die Stadt Sandtodero (heodoro/Mangup,
ebenfalls auf der Krim, G.P.), wo „drei Könige waren und 15.000 Menschen, jung
und alt. Er konnte diese nicht einnehmen, sondern musste sich mit Schande davonmachen. Über drei Monate darnach aber, da ergaben sie sich freiweillig. Er ließ die
Könige mit allem Volk töten.“
Aus den hier zusammengestellten Stellen ergibt sich, dass das Bild Mehmets II., wie
es sich uns aus den Angaben Jörgs erschließt, wenig diferenziert ist. Negative Züge
überwiegen, betont werden Unehrlichkeit, Unzuverlässigkeit, zornige Erregbarkeit,
Jö r g v o n Nü r n b e r g , d e r Ge s c h ü t z g i e ß e r M e h m e t s I I .
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der in Krankheit mündende Unmut bei mangelndem Erfolg. Aber diese Züge fügen
sich nicht zu einem schlüssigen Bild des Sultans, weil sie immer nur punktuell, in Verbindung mit den militärisch und politisch motivierten Unternehmungen des Sultans
gemacht werden. Als positiv wird allein der oben erwähnte gute Sold angeführt, den
der Sultan seinem Büchsenmeister bei Übernahme in seinen Dienst gewährt hat.
Um zusammenzufassen: Die Frage, inwieweit Jörg als ganz selbständiger Autor
seines Textes gelten kann, bleibt ebenso schwer zu beantworten wie die Frage,
inwieweit Autopsie für all das anzusetzen ist, wovon er berichtet. Oben habe ich
angedeutet, dass er möglicherweise auch aus gewissen chronikalischen Notizen oder
ähnlichen Unterlagen geschöpt haben könnte, doch auch hier verfügen wir nicht
über wirklich sichere, konkrete Indizien. Festzuhalten bleibt: Der Geschützgießer Jörg hat uns trotz einer gewissen Begrenztheit seines Blickwinkels eine höchst
bemerkenswerte, nüchterne und im deutschsprachigen Raum singuläre Quelle über
Mehmet II. und seine Zeit hinterlassen.
A n m er kunge n
1 Vgl. zuletzt Klaus-Peter Todt, „Der Tod des Doppeladlers.“ Die Belagerung Konstan-
2
tinopels im Jahre 1453 und der Untergang des byzantinischen Reiches, in: hetis.
Mannheimer Beiträge zur Klassischen Archäologie und Geschichte Griechenlands und
Zyperns 11–12 (2005), S. 125–136, zum Einsatz der Artillerie S. 129–131, mit reichen
Lit.-Angaben; zu ergänzen: Franz Tinnefeld, Zur Bedeutung schwerer Geschütze bei
der Eroberung Konstantinopels 1453, in: Sine ira et studio. Militärhistorische Studien
zur Erinnerung an Hans Schmidt, hrsg. v. Uta Lindgren, Karl Schnith †, Jakob
Seibert. Kallmünz/Opf. 2001, S. 51–63, jeweils ohne Hinweis od. Erwähnung Jörgs
von Nürnberg.
Vgl. zum historischen Hintergrund und zur publizistischen Wirkung der Türkendrucke, zu denen Jörg Schrit zu rechnen ist, zuletzt Ralf C. Müller, Franken im Osten.
Art, Umfang, Struktur und Dynamik der Migration aus dem lateinischen Westen in
das Osmanische Reich des 15. /16. Jahrhunderts auf der Grundlage von Reiseberichten.
Leipzig 2005, S. 77–80 und S. 85–92, und das (trotz seiner zu geringen Berücksichtigung der byzantinischen Dimension bei der Erörterung der europäischen Auseinandersetzung mit den Turkvölkern) vom methodischen Ansatz her interessante Buch: Almut
Höfert, Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das
Osmanische Reich 1450–1600. Frankfurt, New York 2003, hier S. 56–68 (mit weiteren
Nachweisen) zur einschneidenden Bedeutung des Jahres 1453.
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Zu ihm s. Ferdinand Geldner, Die deutschen Inkunabeldrucker. Ein Handbuch der
deutschen Buchdrucker des XV. Jahrhunderts nach Druckorten. Erster Band: Das deutsche Sprachgebiet. Stuttgart 1968, S. 232: Kunne ließ sich, wohl im Hinblick auf die dortige Papiermühle, 1480 in Memmingen nieder und druckte im Zeitraum 1482–1519.
Sein erster datierter Druck stammt aus dem Jahr 1482. Literatur zu Kunne: Der Buchdruck im 15. Jahrhundert. Eine Bibliographie (= Hiersemanns Bibliographische Handbücher 7,1). Hrsg. v. Severin Corsten und Kurt Hans Straub. Teil 1: Bibliographie.
Stuttgart 1988, S. 509.
Bayerische Staatsbibliothek. Inkunabelsammlung. BSB-Ink. Bd. 3. Gras-Maus (Red.:
Elmar Hertrich, in Zusammenarbeit mit Hermann Engel, Günter Mayer und
Gerhard Stella). Wiesbaden 1993, S. 329, hier wie folgt registriert: I–275: Jörg <von
Nürnberg>: Geschicht von der Turckey [Memmingen: Albrecht Kunne, c. 1482–83].
4o, 8 Bl. (u.weitere Angaben).– I–76: dito, Memmingen 1496, 4o , 30 Bl.– I–277: Dito.
Mit erweitertem Anhang. [Nürnberg: Peter Wagner] 1500, 4o , 78 Bl. – Signaturangaben
habe ich hier übergangen.
Vgl. etwa Suraiya Faroqhi, Artikel s.v. Mehmet II., in: LMA 6 (1993) Sp. 469–470.
Memoiren eines Janitscharen oder Türkische Chronik. Eingeleitet und übersetzt von
Renate Lachmann, kommentiert von Claus-Peter Haase, Renate Lachmann, Günter
Prinzing (= Slavische Geschichtsschreiber 8). Graz, Wien, Köln 1975, S. 25–31 (zum
Autor u. zur Text-Genese), vgl. auch Günter Prinzing, Zur historischen Relevanz der
«Memoiren eines Janitscharen oder Türkischen Chronik» des Konstantin Mihajlović
aus Ostrovica, in: Byzance et les Slaves. Études de civilisation. Mélanges Ivan Dujčev.
Paris 1979, S. 373–384, dort besonders S. 376f. (zur Datierung der Kernversion) sowie
374 und 384 (Hinweise auf weitere Übersetzungen), Stéphane Yérasimos, Les voyageurs dans l’empire ottoman (XIVe–XVIe siècles). Bibliographie, itinéraires et inventaires
des lieux habités. Ankara 1991, S. 110 (Angaben teilweise fehlerhat bzw. unvollständig)
und Höfert, Den Feind beschreiben (wie Anm. 2), S. 196.
Vgl. Agostino Pertusi, Premières études en Occident sur l’origine et la puissance des
Turcs, in: Association Internationale d’Etudes du Sud-Est Européenes, Bulletin 10,1
(Bukarest 1972) S. 49–94, hier S. 67 (auch das Zitat).
Ders., Martino Segono di Novo Brdo, vescovo di Dulcigno. Un umanista serbo-dalmata
del tardo Quattrocento. Vita e opere. Rom 1981.
Georgius de Hungaria, Tractatus de moribus, condicionibus et nequicia Turcorum. Traktat über die Sitten, die Lebensverhältnisse und die Arglist der Türken. Nach der Erstausgabe von 1481 herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Reinhard Klockow.
(= Schriten zur Landeskunde Siebenbürgens, 15). Köln, Weimar, Wien 1994, s. bes.
S. 11–29 (zum Autor, 29: dort sowie 52 auch kurz zu Jörgs Entlehnungen aus Georg von
Ungarn), S. 30 f. (zur Entstehungszeit des Traktats, Zitat: S. 31) und 47 (zum Erscheinen
des Erstdrucks), das obige Herausgeber- Zitat S. 57. Vgl. zum Inhalt auch Gert MelvilJö r g v o n Nü r n b e r g , d e r Ge s c h ü t z g i e ß e r M e h m e t s I I .
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le , Die Wahrheit des Eigenen und die Wirklichkeit des Fremden. Über frühe Augenzeugen des osmanischen Reiches, in: Franz-Reiner Erkens, Europa und die osmanische
Expansion im ausgehenden Mittelalter. (= Zeitschrit für Historische Forschung, Beihet 20). Berlin 1997, S. 79–101, hier 97–100, Müller, Franken im Osten (wie Anm.
2), S. 69f., 86, 242 u. 340, und Höfert (wie Anm. 2), S. 201–207.
Im Münchner Exemplar des Erstdrucks (s. Abb. 1) ist handschritlich von jüngerer Hand
der Name Jörg über der Zeile ergänzt: nicht nur die Namensform Jörg zeigt, dass dies
keine zu Jörg zeitgenössische Ergänzung ist, da im Text der Name auf Jorg lautet, sondern
auch der Schritduktus. Aber im (2.) Druck des Werks (1496) beindet sich der Name (in
der Schreibung Jörg) an dieser Stelle auch in der Zeile.
Peter Johanek, Artikel s.v. Meister Jörg von Nürnberg, in: Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon. Bd. 4 (1983) S. 867–869.
Mein Interesse am Text Jörgs ist aus der Beschätigung mit den Memoiren des Janitscharen Konstantin Mihajlović erwachsen, vgl. Prinzing, Zur hist. Relevanz (wie Anm.6),
S. 76. Die Arbeit am Projekt begann 1980: Am 20.10.1980 bekam ich, auf meine Anfrage hin, brielich von der Deutschen Staatsbibliothek [DDR–1086 Berlin, Postfach
1312], Inkunabelabteilung. Gesamtkatalog der Wiegendrucke, genaue Auskunt zu den
Drucken des Jörgschen Textes. Den Brief haben Dr. Holger Nickel (wiss. Bibliothekar)
und Dr. Ursula Altmann (Abteilungsdirektor) unterschrieben.— Arne Efenberger, dem
die Beiträge dieses Bandes gewidmet sind, weiß um den Wert eines solchen Briefes: Er
ist einer der gar nicht so raren, aber doch bewahrenswerten Belege über den zu Zeiten
der Teilung trotz mancher Behinderungen nie unterbrochenen, wissenschatlichen Austausch zwischen West- und Ostdeutschland.
Müller, Franken im Osten (wie Anm. 2), vgl. darin zu Jörg von Nürnberg vor allem
S. 339f. und 422 (für weitere Stellen s. Register).
Ders., Prosopographie der Reisenden und Migranten ins Osmanische Reich (1396–
1611). Berichterstatter aus dem heiligen Römischen Reich, außer burgundische Gebiete
und Reichsromania). 10 Teilbände. Leipzig 2006, Vgl. hier zu Jörg von Nürnberg Bd. 4,
S. 358–362 (unter RQ 000567): Im Abschnitt Bericht (S. 358–361) gibt M. hier längere
Auszüge aus dem Text Jörgs wieder, darunter auch lange Passagen aus den Anfangsabschnitten (über die Jahre vor 1456), in denen Jörg gar nichts über sich selbst oder seine
Lebensumstände berichtet.
A. A. Vasiliev, Jörg of Nuremberg. A writer contemporary with the fall of Constantinople
(1453), in: Byzantion 10 (1935) S. 205–209. S. 209 schreibt er: It would be very desirable
to have the whole text of Jörg’s Chronicle reprinted in a new accessible edition. (…).
Pertusi, Premières études (wie Anm. 7), S. 49–94, hier zu Jörg S. 67–71. Diesen Artikel
hat Müller beim Abfassen seiner beiden oben (Anm. 2 u. 14) zitierten Werke leider
übersehen.
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17 In dem Band La caduta di Costantinopoli. I: Le testimonianze dei contemporanei, ed. A.
Pertusi. Verona 1976, S. 232 weist der Herausgeber im Vorspann zu einer der im Band
präsentierten Quellen (Tommaso Eparchos e Giosuè Diplovatatzes [?]), u.a. auf unseren
Autor wie folgt hin : „Joerg di Norimberga lavoro come maestro di bombarde, prima
per Stefano di Bosnia e poi per Mehmed II: la sua Geschichte von der Türckey o anche
Anzeygung è un testo di grande importanza per la storia di questo periodo.“
18 Carl Göllner, Turcica. 3. Band. Die Türkenfrage in der öfentlichen Meinung Europas
im 16. Jahrhundert. Bukarest u. Baden-Baden 1978, besonders S. 244f.
19 Der Nachdruck, erstellt anhand des Münchner Exemplars der Memminger Ausgabe von
1482/83, indet sich in dem Band: Chronica und Beschreibung der Türckey, mit einer
Vorrhed D. Martini Lutheri. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1530
sowie fünf weiterer „Türkendrucke“ des 15. und 16. Jahrhunderts. Mit einer Einführung
von Carl Göllner (= Schriten zur Landeskunde Siebenbürgens 6). Köln, Wien 1983,
S. VII-XXVII (Einführung, darin zu Jörgs Schrit IX, XV u. XIX) und S. 107–120 (der
Nachdruck von Jörgs Text).
20 Müller, Franken im Osten (wie Anm. 2), S. 339.
21 Ebd.: „Der deutsche Stückgießer ist einer der wenigen unter den vielen seiner Berufskollegen, von denen etwas über ihre Erlebnisse in der Türkei überliefert ist.“
22 Vgl. Melville , Die Wahrheit des Eigenen (wie Anm. 9), S. 88f.
23 „...dass Meister <Jörg> von >Nürnberg, jetzt Büchsenmeister unseres Hl. Vaters, diese
hernach geschriebene Geschichte von der Türkei angefertigt hat, nachdem er an die 30
Jahre dort gewohnt hatte.“ Kursivsetzung oben im Zitat von mir (G.P.).
24 Vgl. Colin Imber, he Legend of Osman Ghazi, in: Elizabeth Zachariadou (Hrsg.),
he Ottoman Emirate (1300–1389). Rethymnon 1993, S. 67–75, bes. 74, wo er sagt,
der Traditionsstrang, demzufolge Osman und sein Vater Bauern gewesen seien, habe sich
„today“ nur beim Janitscharen Konstantin Mihajlović und der Historia Turchescha des
Donado da Lezze erhalten. Aber auch Jörg von Nürnberg bezeugt, wie man sieht, diese
Tradition. Vgl. zum Inhalt des Abschnitts I.1 auch Pertusi, Premières études (wie Anm.
7), 68f. und Göllner, Turcica 3. Band (wie Anm. 18), S. 244f.
25 Vgl. Christoph K. Neumann, ῾Osmān I., in: LMA 6 (1993) Sp. 1495f. oder Klaus
Kreiser, Der Osmanische Staat 1300–1922 (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte
30). München 2001, S. 1 und 7.
26 Vgl. dazu die trefenden, zugleich kritischen Bemerkungen bei Pertusi, Premières études
(wie Anm. 16), S. 69f., wo P. u. a. darauf hinweist, dass Jörg unter dem Namen Moratbech
[Moratbek] beide Murads, Murad I. (1362–1389) wie auch Murad II. (1421–1451) sozusagen zu einer Person verschmelzen läßt. Ein Hinweis am Rande: In dem von Pertusi hier
gebrachten längeren Zitat (des Unterabschnitts I.2.4) aus Jörg (in italienischer Übersetzung) ist die dort vorgenommene Identiizierung von Dirnofa mit Edirne/Adrianopolis
ein Versehen, da es sich um das bulgarische Tîrnovo/Tărnovo (am Fluss Jantra) handelt.
Jö r g v o n Nü r n b e r g , d e r Ge s c h ü t z g i e ß e r M e h m e t s I I .
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27 Vgl. Pertusi, Premières études (wie Anm.16), 69f., der aber Stefan Lazarević unberücksichtigt ließ, obwohl auch er, wie sich aus dem Inhalt des Unterabschnitts I.2.5 (über
Moratbech, s. dazu auch oben Anm. 26) ergibt, hier einzubeziehen ist.
28 Der Name weist, wie Pertusi, ebd., festhält, immer auf Mehmet II. (aber P. gibt die
Namensform im Text der Inkunabel versehentlich unkorrekt wieder mit „Ottomangel
Embemmet“).
29 Mehmets II. erste kurze Herrschatszeit 1444–1446 übergeht Jörg in seinem ohnehin
ungenauen Abschnitt I.1.
30 Dies ist alles, was Jörg zu 1453 zu berichten weiß. Das Ereignis lag zwar auch noch gut
10 Jahre vor seinem Eintritt in den Dienst des Sultans, doch zeigen die Unterabschnitte
I.2.1–6 seines Textes, dass er manchen anderen Vorgängen (freilich besonders solchen,
die sich auf Herrscherfamilien bezogen) durchaus größeres Interesse entgegenbringen
konnte.
31 Folgt nach einem chronologisch durch eine ( Jahres-)Zahl bestimmten Unterabschnitt
ein neuer, nur mit Item eingeleiteter Unterabschnitt, ohne dass gleichzeitig eine neue
( Jahres-)Zahl genannt wird, dann bedeutet dies, dass es sich um eine weitere Information zu dem davor genannten Jahr handelt.
32 Vgl. Sima Ćirković, Artikel s.v. 15.S(tefan) Vukčić Kosača, in: LMA 8 (1997) Sp. 93,
dort auch das Zitat, außerdem: Ders., Stefan Vukčić-Kosača i njegovo doba/Der Herzog
Stefan Vukčić-Kosača und seine Zeit. Belgrad 1964, S. 241 (mit einem nur sekundär
dokumentierten Hinweis auf Jörg von Nürnberg, da sein Text S.C. nicht zugänglich war)
und John A. Fine, he Late Medieval Balkans. A Critical Survey from the Late Twelth
Century to the Ottoman Conquest, Ann Arbor 1987, S. 584. Die bei Müller, Franken
im Osten (wie Anm. 2), 339 bzw. Prosopographie (wie Anm. 14), S. 360 vorgenommene
Identiizierung des Herzogs Stefan mit „Stephan von Bosnien [Stjepan Tomas Ostojić]“
ist unzutrefend (korrekt jedoch schon Johanek, Artikel s.v. Meister Jörg [wie Anm.
11], Sp. 867.
33 Ähnlich, wie dies beim Janitscharen vermutet wird (vgl. Prinzing, Zur hist. Relevanz
[wie oben Anm. 6], S. 378 mit weiterem Hinweis), könnte es auch sich auch hier so verhalten haben, dass Jörg sich damals angesichts der instabilen Verhältnisse in Bosnien freiwillig in türkische Dienste begeben hatte, was er 1480 (nachdem er in den päpstlichen
Dienst getreten war) natürlich kaschieren musste. Dem Sultan muss er als überaus zuverlässig gegolten haben, wofür sein zuletzt, auf Bl. 7r, im Eintrag zum 80. Jahr (=1480),
genanter Alexandrien-Autrag spricht (freundlicher Hinweis von H.-G. Majer in der
Diskussion zu meinem Beitrag). Es ist auch aufällig, dass Jörg nur an der oben zitierten
Stelle seine Familie erwähnt, ansonsten nirgends mehr. Aus diesen Überlegungen folgt,
dass die ohnehin nicht sehr überzeugende Kategorisierung von Jörgs Text als „Gefangenenbericht“ (s. Höfert, Den Feind beschreiben (wie Anm. 2), S. 177 zumindest mit
einem Fragezeichen zu versehen ist.
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34 Vgl. zu dem ganzen Passus auch Pertusi, Premières études (wie Anm. 16), S. 70f.; und
zum Erkundungsautrag Jörgs oben Anm. 33.
35 Vgl. Peter Schreiner, Die byzantinischen Kleinchroniken 1. Teil. Einleitung und Text.
(CFHB 12/1).Wien 1975, Kap. IV. Chroniken türkischer Eroberungen, S. 373–588,
und dazu auch die übrigen Bände der Ausgabe: Teil 2. Historischer Kommentar. (CFHB
12/2). Wien 1977, sowie 3. Teil. Teilübersetzungen, Addenda et Corrigenda, Indices. (=
CFHB 12/3).Wien 1979, S. 55–121 und 149–170.
36 Vgl. für die älteren Hinweise Göllners Einführung in: Chronica und Beschreybung
der Türkei (wie Anm. 19), S. XV, und oben in Anm. 9 (zu Georgius de Hungaria, ed.
Klockow) den entsprechenden Seiten-Hinweis.
37 Johannes Adelphus, Ausgewählte Schriten, hrsg. v. Bodo Gotzkowsky. Zweiter Band,
Historia von Rhodis, Die Türckisch Chronica. Berlin, New York 1980, hier S. 265 (fängt
an mit dem Abschnitt: Wie die Turcken ukommen seind) – 280 (Ende des chronikalischen Teils I.2.29), und S. 383–384 (Teil III). Vgl. dazu auch die Angaben im Nachwort,
S. 497.
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