Leo Weismantel
und Würzburg
Hommage
von
Leonhard Schäfer
1
Leo Weismantel und Würzburg
„Da als ar i h o h ei K a e,
der in einem fernen armen Bauerndorfe der Rhön
vor dem Einschlafen auf die Märchen der Mutter horchte,
die um diese Deine Stadt gingenihr Name war voll des Duftes fremdartiger Gerüche:
Würz urg!“
Diese Worte schrieb der Dichter und Pädagoge Leo Weismantel in „Totenklage über eine Stadt nach dem
verheerenden und Bombenangriff des 16. März 1945 1.
„O e si i de Rhö e ge
a u d lie sei Hei atdo f, a e Wü z u g u de u d a „sei e
Heimatstadt. Im „Tage u h ei e ska dalöse Reise bezeichnete er sie als “tadt ei e U hei at 2.
Aber diese Stadt hat ihm seine Zuneigung und Liebe nicht gedankt noch erwidert.
Beginnen wir der Reihe nach:
Leo Weismantel,1888 in Obersinn zwischen Spessart und Rhön geboren, begann nach der Gymnasialzeit in
Münnerstadt 1908 in Würzburg das Studium der Philologie, Philosophie und Naturwissenschaften.1914
wurde er mit einer geographischen Monographie über die Haßberge zum Dr. phil. promoviert. 3
In seiner Zeit als Lehrer an einer privaten Handelsrealschule in Würzburg (1915-1919) veröffentlichte er
sei e e ste Ro a „Ma ie Madle , de i de Mo atszeits h ift „Ho hla d
wurde. Diese „Ro a aus de Rhö
oa
e öffe tli ht
eg ü dete sei e s h iftstelle is he Ruf u d a zugleich die erste
von vielen Veröffentlichungen über die Rhön. 1919 hatte sei e stes D a a „Die Reite de Apokalypse
am Würzburger Stadttheater Premiere.
1 Totenklage über eine Stadt in: Leo Weismantel. Leben und Werk, Berlin 1948, S.69 ff
2 Leo Weismantel: Tagebuch einer skandalösen Reise, Weltkreisverlag Jugenheim/Bergstr. 1959, S.18
2
Weite e Ve öffe tli hu ge i
„Ho hla d u d i
Ve lag des Pat os u des folgte . Diese
Bu d, de es
sich die Erneuerung der Volksbildung, der Kultur und des Christentums zur Aufgabe gemacht hatte,
gehörten u.a. Persönlichkeiten wie Eugen Rosenstock -Huessy, Franz Rosenzweig und Karl Barth an.
1920 verließ Weismantel den Schuldienst und Würzburg und zog ins nicht weit entfernte Städtchen
Marktbreit, wo er als freischaffender Schriftsteller und Pädagoge tätig war. Eines seiner Arbeitsgebiete war
ei e auf Völke e stä digu g hi
i ke de F iede spädagogik i
Rah e ei e soge a
te „“ hule de
Volksschaft , vom Völkerbund gefördert.
Durch seine Veröffentlichungen bei Patmos und „Hochland und seine Rhön-Romane und Erzählungen
wurde Weismantel in ganz Deutschland und durch seine sozial- und bildungsreformerischen Studien auch
im Ausland bekannt.
Schon 1925 widmete er sich dem Europageda ke : „…Was die Völker miteinander zu tun haben, dürfen sie
nicht nur i
“i
e de „Realpolitike sa hli h tu , sie
üsse es tu i
Wisse u
die Ve pfli htu g a
dem Geist des neuen Europa...Was Europa, das kommende Europa aber vorbereiten müsste, das wäre eine
Hochschule europäischer Wissenschaft, an der die Jugend aller Völker erfahren könnte, wie es um das Sein
de Völke steht, o Nöte liege u d Gefah e zo e …4
Auch wenn sein Wohnort Marktbreit war, war er ständig in Würzburg, z.B. durch sein Engagement bei
Quickborn und in der katholischen Jugendbewegung.
Wie in seinen Dichtungen und Romanen kümmerte er sich besonders während seiner Zeit von 1924-28 als
Landtagsabgeordneter der Christlich-Soziale Partei (ab 1925 Christlich-Soziale Reichspartei) um die kleinen
Leute. Zentrum dieser kleinen „ h istli h- adikale
Partei war Würzburg.
e s hie sei a sp u hs olle : „De Geist als “p a he .
1930 und 1931 führte Weismantel im Auftrag des Reichsinnenministers Wirth soziologische und
sozialpädagogische Untersuchungen in den Notstandsgebieten von Oberschlesien durch. Seine
3 siehe Vita und Schaffen Weismantels bei:
-Gundolf Weismantel: Leo Weismantel.Sein Leben und Wirken,
http://www.markt-obersinn.de/gemeinde/kulturgeschichte/leoweismantel/index.html
-Arno Klönne: Leo Weismantel. Ein fränkischer Poet und Pädagoge. Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und
Kunst Bd. 37/1985
http://www.sinngrundallianz.de/seite/vg/main-spessart/1719/-/Prof_Dr_Dr_Leo_Weismantel.html
-Literaturportal Bayern:
https://www.literaturportal-bayern.de/autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=118630431
4
Die Erziehung zum wahren Frieden. Offener Brief an Marc Sangnier 1925
3
Lösungsvorschläge (hohe Investitionen) wurden vom Reichsarbeitsminister Stegerwald abgelehnt. 5
s h ie e sei e „Re elle i He gotts Na e , a e die ki hli he O igkeit e hi de te die
Theateraufführung in Würzburg.
Die erste innere Emigration
Mit Beginn der Zeit des Nationalsozialismus blieb für seine pädagogischen und kulturpolitischen
Reformvorstellungen jedoch kein Raum mehr. Der Kultur-und Sozialrevolutionär Weismantel war für das
nationalsozialsozialistische Gedankengut nicht tragbar, so dass er sein Institut schließen musste. 1936 zog
er wieder nach Würzburg, in die Theaterstraße 4.
Auf den Rat des Augustinerpaters und späteren Ordensgenerals Clemens Fuhl hin wandte er
sich nun der religiösen und kunsthistorischen Thematik zu. Mit „Dill Rie e s h eide (1936) setzte er
auch Würzburg ein Denkmal.
Der Würzburger Gauleiter Dr. Otto Hellmuth, vorher in Marktbreit Zahnarzt und in persönlicher Aversion zu
Weismantel stehend, ließ ihn von der Gestapo überwachen. In einer Einschätzung der Gauleitung MainF a ke de N“DAP aus de
Jah
u de Weis a tel als ei „typis he Ve t ete de Katholis he
Aktio , desse Bü he „alles a de e als atio alsozialistis hes Geda ke gut offe
a e , ezei h et.
Die Würzburger Buchändler, die seine Werke noch in den Auslagen führten, wurden bedroht,
man würde ihnen das Schaufenster einschlagen, bei anderen wurden die letzten Exemplare beschlagnahmt.
So berichtet Weismantel seinem Freund i
„Tage u h ei e ska dalöse Reise von seiner Zeit als
Verfemter und Geächteter:
„I diese At osphä e des Geä htetsei s u d u ge e
F eu de …“ehe “ie, da
ega
o de A gst de eige e , u
o h seh
e ige
de g osse Ve at in den eigenen Reihen! Wenn ein Geächteter so durch
die Strassen ging und Bekannte ihn von weitem kommen sahen, blieben sie vor den Schaufenstern stehen
u d et a htete zuglei h i de “piegel de “ hei e , ie e hi te ih e
Rü ke
o eigi g… Aber wo
war die grosse religiöse Gemeinschaft der Kirche, wo war sie? Spukhaft war sie nicht mehr dae s h u de !
Weismantels schriftstellerische Schaffenskraft war aber ungebrochen. Besonders sein 1939 erschienener
Ro a „Ge i ht ü e Veit “toß ist geprägt von seiner katholischen Haltung und kann somit zur Literatur
des geistige Wide sta ds de „I
e e E ig atio
ge e h et e de . Die i diese
We k e t ete e
Werte des Individualismus und Humanismus war als Kritik an der herrschenden Weltanschauung
aufzufassen. „Die Letzte
o “a kt Kla e
e s hie e
kö
e
i als e s hlüsselte
5
Fügung des Schicksals: Weismantel traf Adam Stegerwald im Sonderlager der Gestapo 1944 wieder
6
Tagebuch einer skandalösen Reise, aaO, S.57/58
4
Widerstandsroman bezeichnen. Diese Werke und sein unerschrockenes Bekenntnis zum Katholizismus
führte zu seinen Verhaftungen 1939 und 1944 durch die Gestapo.1942 erfolgte ein Veröffentlichungsverbot
seiner Werke.
Nach dem Attentat 1939 auf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller wurde er verhaftet, um als Geisel
e s hosse zu e de . De Gauleite
ollte ei e „p o i e te Katholike
auf de Liste ha e , u de
aber von Berlin zurückgepfiffen.
Der zweiten Inhaftierung nach dem 20. Juli 1944 schloss sich eine Internierung in einem
Sonderlager in Würzburg an. Weismantel erwähnt mehrere Male in seinen Werken, wie sich seine
kommunistischen Mitgefangenen um ihn kümmerten. Sterbenskrank wurde er durch ein ihm geneigten
Lagerarzt in ein Krankenhaus gebracht, wo er wochenlang noch als Gestapo-Häftling lag, bis man ihn
schließlich aus der Haft entließ.
Gesundheitlich immer noch angeschlagen kehrte Leo Weismantel noch 1944 in seinen Heimatort Obersinn
zurück. Hier musste er schließlich den Bombenangriff vom 16. März 1945 auf Würzburg erleben. Dem
Feuersturm fielen nicht nur etwa 5000 Bewohner zum Opfer, auch die Wohnung Weismantels in der
Würzburger Theaterstraße mit den Manuskript- und Dokumentensammlungen wurde vollständig zerstört.
Wie er berichtet, konnte nur zwei Kerzenleuchter retten.
Angesichts des Grauens und der Zerstörung und was Würzburg geschah schrieb er seine gewaltige
Totenklage über eine Stadt
Würzburg, 16. März 1945:
Ihr Freunde, Fremde, Völker aller Zonen - lasst uns zum ersten gedenken der Toten, der Ermordeten und
Erschlagenen dieser Stadt, der Verwundeten und Beraubten, der Entwurzelten und Zerstreuten in alle vier
Winde, ihrer lasst uns gedenken, Gott geb ihnen Frieden!
…Lasst uns zum zweiten der Barmherzigkeit Gottes empfehlen all jene, die in Schuld verstrickt, durch Taten
der Bosheit das Gericht heraufbeschworen und jene auch, die es vollzogen haben.
Schenke ihnen, Allgewaltiger, Blindheit der Augen und Taubheit der Ohren, dass sie nimmer schauen und
hören, was sie getan, wie fände ihre Seele sonst noch eine ruhige Stunde. Erbarme Dich ihrer
... Lasst uns zum dritten die gegenwärtigen und die zukünftigen Geschlechter ermahnen: dass sie
abschwören allen Taten der Gewalt und der Kriege … 7
Diese ergreifende Klage ist nicht nur eine Beschreibung des Leid seiner geliebten Stadt, sondern auch eine
Interpretation, warum der äusseren Zerstörung der innere Zerfall der Heimat vorausging. 8
7 Totenklage über eine Stadt, aaO
8 Arno Klönne, Leo Weismantel. Ein fränkischer Poet…aaO
5
Die Amerikaner hatten bereits im Herbst 1944 eine Weiße Liste mit unbelasteten deutschen
Persönlichkeiten erstellt, die für eine Mitarbeit bei der demokratischen Erneuerung des besiegten Landes
gewonnen werden sollten. Hierzu zählte auch Weismantel, der als bayerischer Kultusminister in Erwägung
gezogen wurde.
Nach Kriegsende machten dieses Vorhaben seine reformerischen pädagogischen Vorstellungen und seine
Ablehnung der Konfessionsschule in Bayern unmöglich. Restauration und geistige Reaktion waren nach
Weismantel wieder in Bayerns Kulturleben eingekehrt.1946 schrieb er in einem Brief an die Neue Zeitung
o
„Ho t de Reaktio : „…gela gt die Kultu eaktion nach dem Frühjahr 1945 wieder in die
e ts heide de “ hlüsselstellu ge i Baye . U d as de Auf au i Deuts hla d a
ela gt: „Diese
beiden Prinzipien, das der Demokratie und jenes ihr feindliche der Restauration, kämpfen heute in
Deutschland gege ei a de u d das „deuts he Volk als Ga zes
e kt es kau .
9
Das Land Hessen berief dann Leo Weismantel von 1947 bis 1951 als Leiter mit einer Professur für
Kunsterziehung an das Pädagogische Institut in Fulda.
im Jahre 1949 wurde Weismantel in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt
berufen und 1950 wurde er Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland.
„Die z eite i
ere E igratio “
So bezeichnete Arno Klönne10 die Zeit der Isolation Leo Weismantels im kalten Krieg. Es stimmt nicht ganz,
denn der Wortgewaltige erhob auch als Unperson seine Stimme und schrieb, wie immer, „seh di ekt .
Er blieb der „Mahner von der Rhön .
Schon früh wandte sich Weismantel gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, engagierte sich in
der Friedensbewegung und im West-Ostdialog. Auch zu Menschen, deren Weltanschauung er ganz und gar
nicht teilte, hielt er Kontakt, baute Brücken der Kommunikation. Er war einer, der Verständigung suchte:
„Es ist u s Me s he die “p a he gege e , da it i miteinander reden; denn nur im Wort ist alles
geistige Heil zu fi de
12
.
!948 forderte auf dem Schriftstellerkongress in einer sehr beachteten Rede in der Paulskirche ein
„Kulturpa la e t .
9
Walter Müller-Seidel: Leo Weismantel: Brief an die Schriftleitu g o „Die Neue )eitu g Mü he i : Fests h ift
zum 100. Geburtstag Leo Weismantel, Peter Lang, Frankfurt 1988, S.215/16
10
Arno Klönne, aaO
11
Ge ha d A
a ski: „De Mah e
o de Rhö
i : Fränkische Literaturlese: Essays über Poeten zwischen Main und
Donau, 1998
12
Leo Weismantel: Der Geist der Sprache 1927, in: Weismantel- B e ie
u d We k , aaO “.
6
o Rudolf Reute i „Leo Weis a tel.Le e
Aber durch seine Gesellschaftskritik, in der Hexenjagdatmosphäre des kalten Kriegs und des fast
hysterischen Antikommunismus der 50er Jahre, wurde er als Kommunistenfreund verfemt und in die
Isolation getrieben. Seine Werke, in der Weimarer Zeit nicht unumstritten, wurden immer weniger
beachtet und Verlage wie Herder oder Sebaldus legten seine Titel nicht mehr auf. Lediglich der Verlag der
DDR-CDU zeigte Interesse am Werk Weismantels.
Er stand auch für ein anderes Christentum, nicht das der Amtskirche und sprach aus, was seiner
Überzeugung und Erkenntnis nach notwendig und geboten war13. Ge äss sei es Leitsp u hs: „A e die
Schleichenden, die mag Gott nicht 14 , lie e u
e ue
als Reformator und „ko se ati e Re olutio ä .
Und wieder wies Würzburg ihren grossen Sohn zurück, ihn, der ihr mit de „Tote klage ein weiteres
Denkmal gesetzt hatte:
Im Dezember 1954 lud ihn die Stadt Würzburg als Redner zur 150-Jahr-Feier des Stadttheaters wieder aus,
nachdem seine Teilnahme an einem, von der evangelischen Kirche der DDR initiierten gesamtdeutschen
Schriftstellertreffen auf der Wartburg bekanntgeworden war. Do t eka
de Welt, i ht u u
Lite atu zu e zeuge , so de
u
te e : „Wi stehe als Di hte i
die Welt zu esse
„A h, lass
i h hi
u d zu ä de .
egs hlei he i die Ei sa keit,
bis ich zum Lusamgärtchen komme Walters von der Vogelweide
und dem Grabe Deines Dichters,
Du u da k are Stadt…“
Dies schrieb Weismantel nicht über sich, sondern über den fränkischen Dichter Max Dauthendey 15. Aber
sicher hat er selbst, besonders während de „i
„z eite i
e e E ig atio
e e E ig atio
a h
, a e au h äh e d de
si h hie hi des öfte e zu ü kgezoge .
Im Herbst 1956, jetzt 68jährig, zog Leo Weismantel von Obersinn nach Jugenheim /Bergstrasse um, wo
seine Tochter Gertrud am Pädagogischen Institut lehrte. Hier widmete er sich vor allem politischen
Schriften.
Da seine Werke im Westen nicht mehr aufgelegt wurden, publizierte er jetzt in der von ihm in Jugenheim
geg ü dete „Weltk eis Ve lags G
H .
1956 schrieb er in den in den angesehe e „Blätte fü deuts he u d i te atio ale Politik : „Deutschland
13
Volker Kahl: Christliche Literatur als Form des antifaschistischen Bewusstseins, in: Festschrift zum 100. Geburtstag
Leo Weismantel, aaO, S.119
14
Rudolf Reute i „Leo Weis a tel.Le e u d We k , aaO “.
15 in: Totenklage über eine Stadt, aaO
7
in der Ost/West-Situation -und das christliche Gewissen: Mit einer wirklich christlichen Haltung ist es
unvereinbar und eigentlich nur politisches Falschspiel, allein den Osten zu beschuldigen, daß er für das
Fehls hlage de Be ühu ge u
u se e Wiede e ei igu g e a t o tli h sei…
In: German writers and the Cold War 1945ist i
e hi zu lese : The Christian writer of the older
generation who had the highest profile in the GDR in these yea s as p o a ly Leo Weis a tel .
Noch in Obersinn hatte er eine Einladung zu den Weltjugendfestspielen nach Moskau bekommenund er nahm an. Es folgten behördliche Schikanen, Hetze und Rufmord der bürgerlichen, politischen und
kirchlichen Presse.
Trotz allem fuhren die Delegationsleiter Leo Weismantel und Ernst Rowohlt (Verleger) 1957 zu den
Weltjugendfestspielen. Nun fielen alle über ihn her.
Doch kannte kaum jemand im Westen seinen Aufruf in Moskau an die Jugend zur Neuordnung der Welt, für
Frieden und gegen die Atombombe. Er sprach von der Bergpredigt vor der kommunistischen Jugend, führte
Gespräche mit kommunistischen Pädagogen und hohen Vertretern der Ostkirche. Seine Eröffnungsrede
wurde von Radio Moskau übertragen.
Sogar etwas „Würzburgerisches war in Moskau dabei: als Gastgeschenk ei Bild a d „sei es Dill
Riemenschneider.
In seinem „Tage u h einer skandalösen Reise schreibt er, dass er sich zur Vorbereitung seiner
Moskaureise einige Tage nach Würzburg zurückzogen hatte. Er hatte sich äh e d sei es „hei li he
Besu hs in seiner Stadt
it ei e
„ä gstli he F eu d (der besorgt war wegen seiner Reise) getroffen
und mit diesem philosophiert. Sie waren auch auf de
„Käppele : „Diese u sp ü gli he Hei atstadt hatte
einen Berg, auf dem ein altes Wallfahrtsheiligtum lag- dort konnte man emporsteigen-, es war besonders
zauberhaft, das gegen Abend und in der Stunde der Dämmerung zu tun. 16
Die politischen Schriften nach 1945 nehmen einen grösseren Raum ein:
Weismantel schrieb zu den Bundestagswahlen 1957 in de „Blätte fü deuts he u d i te atio ale Politik
seine acht „Offe e B iefe a ei e Bu destagsa geo d ete (Der verspielte Friede- das verhökerte
Reich). Er schrieb u.a.: „Wer in der westlichen Politik dieser zwölf Jahre von 1945 bis 1957 die
Wahrhaftigkeit sucht, wird ihre Fußspuren im Sand dieser Wüste der Gerechtigkeit nicht finden .
1959 war er wieder in Würzburg und schrieb seinem „ä gstli he F eu d au h o sei e Ei sa keit u d
den Verfolgungen:
„Gestern war ich wieder in unserer alten Heimatstadt, in der wir vor zwei Jahren unsere Abend-und
Na htgesp ä he füh te … Es ist iede still u
i h- still und einsam….
Wir sind freie Menschen und wehren uns, als ausserhalb der Gesetze stehendes Freiwild behandelt zu
werden!
…Wir suchen Frieden für Deutschland und die Welt. Ich glaube nicht an die Gewalt…Das zu sagen, ging ich
im Sommer 1957 nach Moskau!
Das zu sagen, gehen ich im Sommer 1959 nach Wien! (zu den VIII. Weltjugendfestspielen, ndr … 17
16
17
Tagebuch einer skandalösen Reise, aaO, S. 18
aaO, S. 299/300
8
Weismantel kommentierte natürlich auch das kulturelle Leben. Im SPIEGEL 22/1960 (25.5.) können wir
lesen:
„Leo Weis a tel,…, der si h ereits it eige er Feder u ei e Refor des O era
ergauer
Passionsspieltextes bemühte, damit aber bei den Passionsspielern nicht zum Zuge kam, charakterisierte in
einem Dreispalten - Artikel der "Frankfurter Allgemeinen" das oberbayrische Naturbart -Bibelschauspiel als
"politisches Skandalon", weil es mit seinen primitiven Klischees "zur Waffe des Antisemitismus, wie Hitler sie
einschätzte", werde. Weismantel schrieb: "Der Oberammergauer Text ist ein Schriftwerk von äußerster
Primitivität; er gehört zur Devotionalien-Literatur und steht als ,Dichtung' außerhalb des Diskutierbaren."
1960 wurde er Mitglied der Deutschen Friedens Union (DFU).
1961 schrieb Weismantel in: „Deutschland- Land ohne Hoffnung über die Stellung des Schriftstellers in der
deutschen Gesellschaft und im Staat… über Freiheit und Rufmord in der angeblich "freien Welt . Ebenfalls
sp a h e o de V. Deuts he “ h iftstelle ko g ess ü e „Hu a is us als Ve pfli htu g und im
gleichen Jahr ega sei e „Deuts he No e e . Do t s h ie e u.a. dass a h
„die G ade ei e
Niederlage versäu t o de sei.
Seine Gesellschafts-und Kulturkritik trug offenbar dazu bei, dass man 1962 den Senior der fränkischen
Dichter und Schriftsteller nicht zu deren Tagung nach Würzburg ein (er, der in den 20ern erster Vorstand
de da alige „Ge ei s haft f ä kis he Di hte
a ).
Zu seinem Lebensende kam Leo Weismantel doch noch zu Ehren:
1963 erhielt er (offenbar durch Vermittlung von Hermann Gerstner „ e igste s die Max-DauthendeyPlakette, fü Ve die ste u
die f ä kis he Di htu g. „“ie eh t i F a ke ge o e e ode
it F a ke
eso de s e u de e Auto e ode Fö de e f ä kis he Lite atu , so die Bes h ei u g.
Ebenfalls 1963 erwähnte Thomas Dehle ih lo e s e t, a hde
…i de
e i Wü z u g „de
Geist de F eiheit
o le Leo Weis a tel begegnet sei 18.
Dass Prof. Weismantel im gleichen Jahr in Ost- Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille und die
Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität/Berlin erhielt, freute natürlich weder die Würzburger noch
die kalten Krieger in Westdeutschland.
Leo Weismantel starb am 16. September 1964 in Rodalben/Pfalz nach einem Herzinfarkt.
Begraben ist er in Jugenheim/Bergstraße. An seinem Grab sah man keinen Repräsentanten des
westdeutschen Staates und mit Stillschweigen überging der Grossteil der Öffentlichkeit seinen Tod.
Nach seinem Tod schrieb Eugen Rosenstock-Huessy (sein emigrierter Freund aus dem Patmos- K eis : „Leo
Weismantel ist gestorbe . Das… e egt
i h
eh , als i h e
a te ko
te…19
18
Günther Wirth: In Kooperation für ein Ganzes, für ganz Neues in: Festschrift zum 100.Geburtstag,aaO, S.340
19
Günther Wirth, aaO, S.344
9
Zu Weismantels ersten Todestag schrieb Max Rössler: „Leo Weis a tel zu
Gedä ht is (in :
„F ä kis he Hei at : „Ge iss, es ist kei )ufall, dass es i de letzte Jah e hie zula de so still u
Leo
Weismantel geworden war. Vielleicht hätte er sich und seinen Freunden manches Missverständnis erspart,
wenn ihm das Wirken nicht immer wichtiger gewesen wäre als das We k…Er… aber hat beider (der Heimat
und der katholischen Kirche, ndr) Dank in einem Masse verdient, das Verständnis und wo nötig- Versöhnung
e fo de t.
Aber: Leo Weismantel war und ist zu Unrecht vergessen worden!
Dass Weismantel viel für die fränkische Dichtkunst getan und er es, wie Leonhard Frank, (nicht nur) in
Würzburg sehr schwer hatte, vergisst man gern.
Die Leo Weismantel Gesellschaft unter Vorsitz von Prof. Gertrud Weismantel, 1982 gegründet, hatte es sich
zum Ziel gemacht, sein Werk am Leben zu erhalten und sein Gedankengut durch Veranstaltungen und
durch Öffentlichkeitsarbeit zu verbreiten.1983 fand während der Jahrestagung in Würzburg eine Lesung
zum Gedenken an Leo Weismantel im Stadttheater statt. DieGesellschaft löste sich aber 1993 nach dem
plötzlichen Tod ihrer Initiatorin auf.
Man hat zwar Strassen und Schulen in Würzburg und anderen fränkischen Orten nach ihm
benannt, aber Leo Weismantel blieb und bleibt kulturell und pädagogisch in der Versenkung.
Leo Weismantel war ein unbequemer Denker u d Di hte des „auf e hte Ga gs .
Jedoch:
„In Deutschland, der Kulturnation
Schätzt man den Dichter immer schon
– Betrachtet man es mal genau –
Nicht höher ein als eine Sau .
Hoffentlich hat Hannes Wader nicht Recht!
Es wäre wünschenswert, dass im Rahmen einer Erinnerungskultur u d „Ve ga ge heits e ältigu g dieses
grossen Sohns der Stadt Würzburg nicht nur gedacht wird, sondern dass man sich mit seinen Werken und
Schriften beschäftigen wird.
Es ist erwähnenswert, dass ab und zu wird doch noch etwas von ihm aufgeführt wird. So im Jahr 2010 und
2011 in Oberammergau: „Die Pest. Das Spiel o
O era
ergauer Passio sgelü de“ nach einem Text von
Martin F. Wall und Motiven von Leo Weismantel, Regie: Christian Stückl.
Ich habe quasi als Wiedergutmachung den folgenden Spaziergang Weismantels durch Würzburg 1955 in der
Ich-Form rekonstruiert und ihm seine damaligen Gedanken in den Mund gelegt: Seine Reflexionen
entsprechen weitgehend den Kernaussagen seiner Veröffentlichungen Mitte der Fünfziger Jahre.
10
Die Heiligen und die Scheinheiligen
Leo Weismantels Spaziergang durch Würzburg 1955
„Die ga ze Stadt i
elt o Heilige , Apostel u d E gel , u d e
a dur h die Straße geht, so
glau t a , a a dle dur h de Hi
el der Christe . A er die Täus hu g dauert i ht la g.“
Diese Worte, die Heinrich von Kleist 1800 aus Würzburg schrieb, gehen mir durch den Kopf, während ich
durch meine geliebte Stadt, die mir lange Heimat war, gehe. Aber welch ein Tag!
Vor 10 Jahren genau, am 16. März 1945, wurde Würzburg Opfer eines grausamen und verbrecherischen
Lufta g iffs. I h hielt das G aue i „Tote klage ü e ei e “tadt fest.
Trotz des Wiederaufbaus sind auch heute noch überall Ruinen und Trümmer zu sehen. Ich war vorhin
gerade in der Theaterstrasse, wo ich ja lange wohnte. Mein Gott, wie war ich damals entsetzt, als im
Feuersturm meine Wohnung mit den Manuskript- und Dokumentensammlungen vollständig zerstört
wurde! Aber in erster Linie gedachte ich der 5000 Bombenopfer, der Ausgebombten, des unfassbaren
Ausmasses der Zerstörung.
I h e i e e i h a e ge au so gut a das „Gauhaus Mai f a ke de Nazis, das eite u te a de
Ecke zum Residenzplatz stand und an ihr Grölen, ihre Pöbeleien und wie sie mir das Leben schwer machten.
Der Gauleiter Hellmuth hatte mich schon seit meiner Marktbreiter Zeit aufs Korn genommen und verfolgte
i h it sei e Hass. Mei : „Wie de heilige Geist das deuts he Volk e ählte ha e die Nazis z a i ht
e a t a e e a t. Mei „Ge i ht ü e Veit “toß
u d „Die letzte o “a kt Kla e
gefielen den braunen Machthabern gar nicht Ich erhielt Schreibverbot 1942. Man wollte mich zur
Wortlosigkeit verdammen und mich stumm machen. Und fast hätte es der Hellmuth ja 1944 geschafft, mich
für immer zum Schweigen zu bringen, als ich im Sonderlager fast umkam.
Ich verstehe es heute noch nicht, warum Bischof Ehrenfried sich so für ihn bei den Amerikanern einsetzte,
sodass Hellmuth schliesslich mit lebenslänglich davonkam. Und er kommt wohl bald wieder frei, wie ich die
Lage einschätze.
Wie konnte ich nur zu Beginn der Nazizeit den grossen und unverzeihlichen Fehler machten, als ich im
Okto e
ei e de
“ h iftstelle a , die das so ge a te „Gelö is t eueste Gefolgs haft
u te s h ie e : „F iede, A eit, Ehre und Freiheit sind die heiligsten Güter jeder Nation und die
Vo aussetzu g ei es auf i htige )usa
e le e s de Völke u te ei a de . Wel h ei T ugs hluss!
Es war eine Unterschrift für den Antichristen.
Mir bricht fast das Herz, wenn ich jetzt vor der Ruine des Hohen Doms stehe! Ich erinnere mich noch gut an
die mutigen Predigten des Bischofs Ehrenfried, die Attacken und Übergriffe der Nazis gegen ihn und die
Kirche. Ich war auch am Lusamsgärtlein, wohin ich mich während der Nazizeit manchmal zurückzog.
Und hier in der Domstrasse da gab es damals schon einige, die die Strassenseite wechselten oder
konzentriert in ein Schaufenster schauten, wenn der geächtete Weismantel vorbeikam. Auch vorhin war da
einer, der guckte geflissentlich in ei e a de e Ri htu g. Das ist do h de …? Das Alte a ht si h
bemerkbar). Der hat mich doch gesehen! Vielleicht bin ich auch für ihn eine Unperson.
Duckmäuser gab es Würzburg damals wie heute.
11
Und jetzt? Ist es denn jetzt besser? Vor drei Monaten lud mich die Stadt als Festredner zur 150-Jahr-Feier
des Stadttheaters wieder aus, nachdem meine Teilnahme am gesamtdeutschen Schriftstellertreffen auf der
Wartburg bekanntgeworden war. Wissen die ü e haupt, o u es do t gi g ode auf de „Deuts he
Begeg u g de Geistess haffe de i Ost e li i letzte No e e ? “i d ih e de die Ve stä digu g
de Deuts he u te ei a de , u se „B ü ke s hlag u d u se Beke t is zu Ei heit u se es Vaterlandes
einerlei?
Ich hatte zur 150- Jah feie die Rede: „Die Bedeutu g des Theate s i de )eit o e eitet u d glaube
durchaus, für die Stadt und die fränkische Dichtkunst einiges getan zu haben. Habe dem Oberbürgermeister
Stadelmayer geschrieben, der etwas kryptisch antwortete. In meiner Replik konnte ich nicht umhin, ihn zu
f age , o das iellei ht de Da k fü ei e „Todesklage sei.
Sie wollen und können es in ihrer Engstirnigkeit nicht begreifen, dass ich besonders jetzt meine Aufgabe als
Dichter darin sehe, nicht nur Literatur zu erzeugen, sondern diese Welt zu bessern und zu ändern.
In diesem verfilztem Duckmäuser- und Heuchler-Milieu der ewig Gestrigen ist kein Klima für kritische
Denker. Der Schleier des Verdrängens hat sich über die Stadt gesenkt.
Wie haben sie meinem Dichterkollegen Leonhard Frank, als er aus der Emigration zurückkehrte, hier
mitgespielt!
Nur kurz hielt er es in Würzburg aus, sie haben ihn als Nestbesch utze hi ausgeekelt. “ei „Ka l u d
A a hat ih e i ih e kultu elle klei ü ge li he Bo ie theit ga i ht gefalle u d o h e ige sei
„Jü ge Jesu , o e offe Wü z u g u d die au e Ve ga ge heit a sp a h. “ie ha e ih da
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zweieinhalb Jah e zu sei e
. als „T ostp eis die Silberne Stadtplakette verliehen.
Und was mich anbelangt, verdammen sie mich in Wirklichkeit wegen meines Ringens um Frieden aus
christlicher Verantwortung und wegen meines Kampfes gegen die Wiederaufrüstung.
Deutschland 1955-ein schwieriges Vaterland! Der Plan der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht steht im
krassen Widerspruch zum Petersberger Abkommen und zur Mehrheit des deutschen Volkes dieses NotStaates Bundesrepublik.
Oh ihr Kalten Krieger!
Ich habe ni hts dagege , e i h de „Mah e o de Rhö ge a t e de. Mei Ri ge u de
Frieden entspringt meiner christlichen Verantwortung. Die sogenannten Christen in Würzburg und in
Bayern in der sogenannten Christlich-Sozialen Partei: wo ist ihr christliches Gewissen? Und ebenso die in
der Christlich Demokratischen Union: Wie konnte es in diesen zehn Jahren zu dieser Bankrotterklärung
jeglicher christlicher Politik kommen? Nachdem 1945 die Gnade der Stunde der Niederlage versäumt
wurde, wird jetzt der Frieden verspielt!
Die Amtskirche verurteilt mich längst, weil ich auch deren Repräsentanten ins Gewissen rede. Dabei ist für
mich jedes Mitglied der katholischen Kirche verpflichtet, das Unkraut, das auf dem Acker der Kirche wächst,
vom Weizen zu sondern. Wo bleiben die klaren Worte der Amtskirche? Wann kommt endlich eine klare
Antwort zur sozialen Frage und zu den Nöten und Problemen der Zeit? Verwirft z.B. die Lehre Christi nicht
jegliche Gewalt? In Veröffentlichungen des politischer Katholizismus, in katholischen Zeitungen, auch im
Fränkischen Volksblatt werde ich diffamiert. Vielleicht macht da nur Max Rössler eine Ausnahme.
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Ich muss zur Alten Mainbrücke, denn ohne den Brückenheiligen einen Besuch abgestattet zu haben, hiesse
für mich, nicht in Würzburg gewesen zu sein.
Sankt Kilian und Sankt Totnan! Unwillkürlich tut sich vor mir das ergreifende Bild des apokalyptischen
Gemäldes von Wolfgang Lenz auf, die „e tstellte B ü ke figu e a h de Bo e a g iff u d das
zerstörte Würzburg.
Hier das Rathaus: Ehemalige Nazis haben jetzt in der CSU und Freien Wähler Gemeinschaft Unterschlupf
gefunden. Der starke Mann im Rathaus ist der Altnazi Zimmerer, der wohl einige Chancen hat, der nächste
Oberbürgermeister zu werden.
Wie gerne wäre ich zum Käppele hinaufgewallt; aber meine Beine schaffen es nicht mehr. So lenken mich
ei e “ h itte zu Ma ie kapelle. Die Ma ie figu „ ei es Dill Rie e s h eide uss i h iede sehe
und ich will hier beten.
„Jesus Ch istus ist die Ve kö pe u g de Be gp edigt. E lässt i ht
F iede sstifte e t e KINDER GOTTE“.
it sich markten. Und nur die
Zünden wir zwei Kerzen an, eine für die fränkischen Heiligen und eine für die Scheinheiligen: Ein Licht zur
E leu htu g…
Stadtluft macht frei?
Nein, ich kehre lieber in mein Heimatdorf Obersinn in der Rhön zurück, dort kann ich freier atmen.
Leonhard Schäfer, November 2017
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