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Ausweitung der Ausbildungsressourcen

2018

Die berufliche Bildung steht vor zwei Herausforderungen: Einerseits mehr Ausbildungsressourcen zu schaffen, sodass jeder junge Menschen in Deutschland die Chance auf einen Ausbildungsplatz hat. Andererseits müssen diese erweiterten Ausbildungsressourcen geeignet sein, der zunehmenden Heterogenität der Ausbildungsbewerber – vom Jugendlichen mit Behinderungen über Neuzugewanderte bis hin zum Studienabbrecher – gerecht zu werden. Doch trotz guter Konjunkturlage und wachsender Beschäftigung sinkt in Deutschland seit einigen Jahren die Beteiligung von Betrieben an Ausbildung. Während das Ausbildungsstellenangebot im Jahr 2000 noch bei etwa 622.000 lag, ist es bis 2017 auf rund 572.200 gefallen. Zudem konnten über 40.000 Ausbildungsstellen nicht besetzt werden. Gleichzeitig gingen bundesweit rund 80.000 Ausbildungsbewerber (13,4 %) leer aus.<br><br>Die duale Ausbildung droht in Deutschland an Bedeutung zu verlieren und gefährdet so eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbil...

Ausweitung der Ausbildungsressourcen Dieter Euler, Eckart Severing Ausweitung der Ausbildungsressourcen Prof. Dr. Dieter Euler, Prof. Dr. Eckart Severing Inhalt Vorwort 6 1 Ausgangspunkte 8 2 Betriebliche Ausbildungsressourcen 9 2.1 Bedarf an betrieblichen Ausbildungsressourcen 9 2.2 Entwicklung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung 9 3 Besetzungs- und Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt 13 3.1 Status quo und aktuelle Entwicklungen 13 3.2 Gründe für die Nichtbesetzung von Ausbildungsstellen 15 3.3 Entwicklung von Ausbildungsvertragslösungen 17 3.4 Herausforderungen durch besondere Unterstützungsbedarfe spezifischer Bewerbergruppen 18 4 Betriebliche Einflussfaktoren für das Angebot von Ausbildungsressourcen 25 4.1 Konjunkturelle und strukturelle Wirtschaftsentwicklung 25 4.2 Ausbildungsmotive 25 4.3 Strategie der Personalrekrutierung 26 4.4 Bereitschaft zu besonderen Anstrengungen in der Ausbildung spezifischer Zielgruppen 27 4.5 Erfahrungen in der Ausbildung spezifischer Zielgruppen 28 4.6 Inanspruchnahme bestehender Unterstützungsleistungen 28 5 Programme zur Förderung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung 29 6 Zwischenfazit: Einschätzung zum Status quo und zur Skizzierung grundlegender Handlungsoptionen 35 7 Ansätze zur Ausweitung der Ausbildungsressourcen 38 7.1 Optimierung bestehender Förderkonzepte 38 7.2 Ansätze und Umsetzungserfahrungen mit subsidiär staatlich geförderten Ausbildungsformen 38 7.3 Fazit 42 8 Literatur 44 Die Autoren Dank Summary Impressum 46 46 47 50 5 Vorwort Ausbildung und Beschäftigung in Deutschland haben sich einen Berufsabschluss zu ermöglichen und das System der entkoppelt: Während der Arbeitsmarkt immer neue Re- beruflichen Bildung mit diesem Ziel weiterzuentwickeln. korde bei den Beschäftigtenzahlen verzeichnet, ist die Beteiligung von Betrieben an der dualen Ausbildung zurück- In der Initiative „Chance Ausbildung“ setzen sich Ministe- gegangen. Dies ist aus zwei Gründen problematisch. Zum rien aus den Bundesländern gemeinsam mit der Bundes- einen ist die berufliche Ausbildung der jungen Generation agentur für Arbeit und der Bertelsmann Stiftung dafür ein, ein wesentlicher Schlüssel zur langfristigen Perspektive auf jedem jungen Menschen einen Berufsabschluss zu ermög- dem Arbeitsmarkt und damit zur gesellschaftlichen Teil- lichen. Im Mittelpunkt steht, wie sich das vorhandene An- habe. Zum anderen klagt die Wirtschaft bereits heute über gebot an Ausbildungsplätzen einerseits besser ausschöp- einen Fachkräftemangel. fen und andererseits erhöhen lässt und wie Auszubildende mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen auf dem Weg Im Jahr 2017 wurde seit langer Zeit erstmals wieder eine po- zu einem Abschluss individuell besser unterstützt werden sitive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt verzeich- können. Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegen- net: Sowohl die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze den Broschüre Daten, Fakten und offene Fragen rund um als auch die der jungen Menschen, die eine duale Berufs- das Thema betriebliche Ausbildungsressourcen erläutert. ausbildung nachfragten, haben zugenommen. Trotz die- Auf dieser Grundlage diskutieren die Vertreter der Initia- ser ermutigenden Entwicklung bleibt die Lage auf dem tive „Chance Ausbildung“ in unterschiedlichen Workshops Ausbildungsmarkt schwierig: Die Zahl der unbesetzten Aus- mögliche Lösungskonzepte für die bessere Ausschöpfung bildungsplätze ist erneut gestiegen; zugleich sind wie in bestehender und die Gewinnung neuer Ausbildungsressour- den Jahren zuvor rund 80.000 Jugendliche bei der Suche cen. nach einem Ausbildungsplatz leer ausgegangen. Betroffen sind besonders junge Menschen mit Hauptschul- oder Wir danken den an der Initiative „Chance Ausbildung“ be- ohne Schulabschluss. Sie bleiben – obwohl sich die Lage teiligten Vertreterinnen und Vertretern der Landesminis- für Bewerber insgesamt verbessert hat und Stellen unbe- terien und der Bundesagentur für Arbeit für die vielfältigen setzt bleiben – häufig außen vor. Nur jedem Zweiten von Informationen zu Praxisbeispielen auf Ebene des Bundes ihnen gelingt es, direkt einen dualen oder schulischen Aus- und der Länder. Die konstruktive Diskussionsbereitschaft bildungsplatz zu erlangen. Die andere Hälfte wechselt zu- zeigt uns, wie wichtig eine institutionenübergreifende Aus- nächst in eine der zahlreichen Maßnahmen des Übergangs- einandersetzung mit diesem Thema ist. Unser Dank gilt systems, in denen kein Berufsabschluss erworben werden zudem den Autoren Professor Dr. Dieter Euler und Professor kann. Dr. Eckart Severing für diese informative Aufbereitung. In Deutschland haben rund 13,4 Prozent der jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss und starten so mit schlechten Zukunftsperspektiven ins Berufsleben. Die Arbeitslosenquote Ungelernter ist aktuell mit 19,1 Prozent fünfmal so hoch wie die von beruflich Ausgebildeten. Die Bertelsmann Stiftung tritt deshalb dafür ein, jedem jungen Menschen hierzulande – unabhängig von Schulabschluss, Zuwanderungsgeschichte oder Wohnort – 6 VORWORT Naemi Härle Project Manager Programm Lernen fürs Leben Bertelsmann Stiftung Clemens Wieland Senior Project Manager Programm Lernen fürs Leben Bertelsmann Stiftung 7 1 Ausgangspunkte Ausweitung der Ausbildungsressourcen – in diesem Titel markt und damit zur gesellschaftlichen Teilhabe. Dennoch ist die Prämisse enthalten, dass zur Bewältigung der anste- befinden sich trotz vielfältiger Reformbemühungen in henden Herausforderungen in der Berufsbildung mehr Aus- Deutschland nach wie vor knapp 300.000 junge Menschen bildungskapazitäten erforderlich sind. Dieser zunächst nur in Vorfeldmaßnahmen des sogenannten Übergangssystems. quantitativ ausgerichtete Anspruch ließe sich qualitativ um die Aussage ergänzen, dass die erweiterten Ausbildungsres- Rund 1,4 Millionen (ca. 13,9 %) der 25- bis 34-Jährigen ver- sourcen geeignet sein müssen, der zunehmenden Heteroge- fügen hierzulande über keine Berufsausbildung (BIBB 2017: nität der Ausbildungsstellenbewerber gerecht zu werden. 329). Diese Situation ist alarmierend, denn zum einen ist die Arbeitslosenquote von Geringqualifizierten viermal so hoch Dieses Postulat steht jedoch in einem deutlichen Kontrast wie die von beruflich Qualifizierten. Zum anderen stellt die zu den Entwicklungen auf dem deutschen Ausbildungs- berufliche Qualifizierung der in jüngster Zeit nach Deutsch- markt. Seit Beginn des Jahrhunderts ist dort ein kontinu- land gekommenen Geflüchteten – viele von ihnen im aus- ierlicher Rückgang des betrieblichen Ausbildungsplatzan- bildungsrelevanten Alter – das Bildungssystem quantitativ gebots und der Ausbildungsplatznachfrage zu beobachten. und auch didaktisch vor enorme Herausforderungen. Während das Ausbildungsstellenangebot im Jahr 2000 noch bei rund 622.000 lag, war es bis 2016 auf etwa 564.000 ge- In dieser Broschüre steht die Frage im Vordergrund, wie fallen (AGBB 2016: 282; BIBB 2017: 16). Ein Indikator dieser insgesamt der Umfang an Ausbildungsressourcen gesteigert Entwicklung ist die rückläufige Ausbildungsbetriebsquote, werden kann. Dafür wird zunächst ein Überblick über das die 2015 einen historischen Tiefpunkt von 20,0 Prozent er- bestehende Angebot an betrieblichen Ausbildungsressour- reichte (BIBB 2017: 215). Zugleich ist auch die Zahl der cen gegeben. Auf dieser Grundlage werden die aktuell in neuen Ausbildungsverträge seit 2007 bundesweit von rund der berufsbildungspolitischen Diskussion hervorgehobenen 626.000 auf 520.000 im Jahr 2016 gesunken (BMBF 2017: Themen beleuchtet: der Rückgang an betrieblicher Ausbil- 17), also um etwa 17 Prozent. Im gleichen Zeitraum fiel die dungsbeteiligung sowie die mangelnde Passung zwischen Bevölkerungszahl in der Alterskohorte 15 bis 25 Jahre nur dem Angebot und der Nachfrage nach Ausbildungsstellen. um etwa zehn Prozent (von 9,61 Mio. 2007 auf 8,65 Mio. Daran schließt sich ein Überblick über Maßnahmen zur För- 2016; vgl. Destatis 2007, 2016). derung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung an. In einem Zwischenfazit werden die Befunde zusammengefasst Die duale Ausbildung – weltweit als Vorbild für berufliche und im Hinblick auf den weiteren Handlungsbedarf disku- Bildung angesehen – droht damit im eigenen Land deutlich tiert. Abschließend werden mögliche Optionen für die als an Bedeutung zu verlieren. Über mögliche Gründe für diese notwendig diagnostizierte Ausweitung der Ausbildungsres- Entwicklungen gibt es viele Vermutungen, interessenim- sourcen zur Diskussion gestellt. prägnierte Äußerungen und anekdotische Evidenzen, allerdings keine kohärente und empirisch fundierte Theorie. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte sowie der sozialen Integration zahlreicher junger Menschen gefährdet. Die berufliche Ausbildung einer jungen Generation ist ein wesentlicher Schlüssel zur langfristigen Perspektive auf dem Arbeits- 8 2 Betriebliche Ausbildungsressourcen 2.1 Bedarf an betrieblichen Ausbildungsressourcen wird für 2016 auf rund 100.000 beziffert, die von etwa 47.000 Kooperationsbetrieben unterstützt werden (BIBB 2017: 212). Betriebliche Ausbildungsressourcen werden aktuell in den folgenden Bereichen in unterschiedlichem Umfang nach- • • Darüber hinaus sind auch in schulischen Berufsausbildungsgängen Praktika in Betrieben vorgesehen. gefragt: Im Rahmen der Berufsorientierung an allgemeinbilden- Die Durchführung dualer Ausbildungen oder die Mitwirkung den Schulen und in Maßnahmen des Übergangssektors an (ausbildungsintegrierten) dualen Studiengängen stellt (z. B. Einstiegsqualifizierung, Berufsfachschule, berufs- für die Betriebe ein langfristiges Engagement mit rechtli- vorbereitende Bildungsmaßnahmen) stellen Betriebe chen Verpflichtungen gegenüber den Auszubildenden und Praktikumsplätze unterschiedlicher Dauer bereit. Im mit beachtlichen wirtschaftlichen Konsequenzen dar. Der Übergangssektor befanden sich 2016 rund 299.000 Ju- Verpflichtungsgrad bei der Bereitstellung von betrieblichen gendliche (BMBF 2017: 10). Ein Näherungswert für die Praktikumsplätzen ist dagegen geringer. von allgemeinbildenden Schulen nachgefragten betrieblichen Praktikumsplätze kann über die Zahl der Schüle- Die Nachfrage nach betrieblichen Ausbildungsressourcen rinnen und Schüler eines Absolventenjahrgangs gewon- wird in den kommenden Jahren von diversen Faktoren be- nen werden. So verließen 2014 ohne Berücksichtigung einflusst werden. Während insbesondere die demographi- der beruflichen Schulen etwa 840.000 Jugendliche die sche Entwicklung den Gesamtumfang an nachgefragten verschiedenen Schulformen (AGBB 2016: 273). Die Über- Praktikums- und Ausbildungsplätzen in den verschiedenen gangsforschung zeigt, dass betriebsnahe Formen der Bereichen beeinflusst, kann das Bildungsverhalten der Berufsorientierung und Ausbildungsvorbereitung die Schulabsolventen Verschiebungen zwischen den Bereichen Chancen der jungen Menschen deutlich erhöhen, in eine auslösen (z. B. von der dualen Ausbildung zu einem Studium). betriebliche Ausbildung einzumünden (Eberhard 2016). • In der dualen Berufsausbildung übernehmen Betriebe allein oder innerhalb einer Verbundausbildung mit an- 2.2 Entwicklung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung deren Betrieben Verantwortung für den betrieblichen Teil der Ausbildung. 2016 wurden circa 520.000 neue Die betriebliche Beteiligung an der dualen Ausbildung ist Ausbildungsverträge abgeschlossen, davon etwa 503.000 seit Jahren rückläufig. Am Stichtag 31.12.2015 beteiligten in betrieblichen sowie etwa 17.000 in (überwiegend) sich von den bundesweit circa 2,1 Millionen Betrieben mit öffentlich finanzierten außerbetrieblichen Ausbildungs- mindestens einem/einer sozialversicherungspflichtig Be- verhältnissen (BIBB 2017: 16). schäftigten rund 428.000 an der beruflichen Ausbildung (BIBB 2017: 214). Die Ausbildungsbetriebsquote1 reduzierte • In einem dualen Studium übernehmen Betriebe entweder die Verantwortung für die betriebliche Ausbildungsphase (ausbildungsintegriertes duales Studium) oder sie gestalten innerhalb des praxisintegrierten dualen Studiums die Praxisphasen. Die Zahl der dual Studierenden 1 „Die Ausbildungsbetriebsquote misst den Anteil der Betriebe mit Auszubildenden an allen Betrieben mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einschließlich der Ausbildungsbetriebe. Bei der Berechnung der Ausbildungsbetriebsquote wird nicht zwischen Betrieben mit und ohne Ausbildungsberechtigung unterschieden“ (BIBB 2017: 216). 9 BETRIEBLICHE AUSBILDUNGSRESSOURCEN ABBILDUNG 1 Ausbildungsquote nach Betriebsgröße 1999–2015 (in %) 8,0 7,5 7,0 6,5 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 1999 2000 2001 2002 2003 6–49 SvB 1–5 SvB 2004 2005 2006 50–249 SvB 2007 2008 2009 250–499 SvB 2010 2011 2012 2013 500 und mehr SvB 2014 2015 Insgesamt SvB: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Quelle: BA-Beschäftigungsstatistik, Sonderauswertungen, Stichtag 31.12., Baas und Baethge 2017: 27 ABBILDUNG 2 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Auszubildende, Ausbildungsquote 1999–2015 nach westund ostdeutschen Ländern (Index: 1999=100) 120 110 100 90 80 70 60 50 40 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Westdeutsche Bundesländer: Ausbildungsquote Ostdeutsche Bundesländer: Ausbildungsquote Westdeutsche Bundesländer: sozialversicherungspflichtig beschäftigte Auszubildende Ostdeutsche Bundesländer: sozialversicherungspflichtig beschäftigte Auszubildende Westdeutsche Bundesländer: sozialversicherungspflichtig Beschäftigte Ostdeutsche Bundesländer: sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 2014 2015 Quelle: BA-Beschäftigungsstatistik, Sonderauswertungen, Stichtag 31.12., Baas und Baethge 2017: 25 sich damit von 24,1 Prozent (2007) auf 20,0 Prozent (2015) schen Wandels auch von der Wirtschaft allseits ein Mangel (ebd.: 216). Korrespondierend fiel auch die Ausbildungs- an beruflich qualifizierten Fachkräften erwartet wird – was quote2 von 6,5 Prozent (2007) auf 5,1 Prozent (2015). Diese eine Zunahme der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung Entwicklung ist erstaunlich, da aufgrund des demographi- vermuten ließe. 2 Die Werte für die Bundesländer variieren zum Teil deutlich. 10 „Die Ausbildungsquote bezeichnet den Anteil der Auszubildenden an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einschließlich Auszubildender“ (BIBB 2017: 216). Während die Ausbildungsbetriebsquote in Westdeutsch- BETRIEBLICHE AUSBILDUNGSRESSOURCEN ABBILDUNG 3 Ausbildungsquote nach Bundesländern, 2006 und 2015 (in %) 10 9,0 8 7,0 6,4 6 6,1 5,1 5,4 5,2 5,8 5,5 3,4 5,9 5,5 5,1 4,9 7,1 7,3 7,1 7,1 6,5 6,2 5,5 5,9 6,0 5,5 4,6 4,2 4 7,2 6,9 6,4 4,0 3,7 3,7 3,8 3,7 2 0 DE 2006 BW BY BE BB HB HH HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH 2015 Quelle: BA-Beschäftigungsstatistik, Sonderauswertungen, Stichtag 31.12., eigene Darstellung, basierend auf Baas und Baethge 2017: 26 land bei 21,6 Prozent liegt, beträgt der Wert in Ostdeutschland (einschl. Berlin) 13,6 Prozent. In den Bundesländern TABELLE 1 Ausbildungsbetriebsquote nach Betriebsgrößenklassen 2007 und 2015 in Deutschland liegen die Schwankungen in Westdeutschland zwischen 16,9 Betriebsgrößenklasse 2007 2015 Prozent (Hamburg) und 24,6 Prozent (Saarland), in Ost- Kleinstbetriebe (1 bis 9 Beschäftigte) 16,8 % 12,0 % deutschland zwischen 11,9 Prozent (Berlin) und 14,5 Prozent Kleinbetriebe (10 bis 49 Beschäftigte) 48,4 % 43,4 % Mittlere Betriebe (50 bis 249 Beschäftigte) 68,5 % 66,4 % Großbetriebe (>249 Beschäftigte) 84,7 % 81,3 % deutlichen Abknicken der Ausbildungsquote, zunächst bei Gesamt 24,1 % 20,0 % den Kleinst-, verzögert dann auch bei den Mittel- und Groß- Quelle: BIBB 2017: 216 (Thüringen) (BIBB 2017: 218). Wie Abbildung 1 zeigt, kam es ab dem Jahr 2008 zu einem betrieben. Ob die Wirtschafts- und Finanzkrise in einem kausalen Zusammenhang mit dieser Entwicklung zu sehen ist oder sie lediglich eine Koinzidenz darstellt, bleibt vor- Die Rückgänge fallen umso stärker aus, je kleiner die Aus- erst offen. bildungsbetriebe sind – sie gehen vor allem auf Verluste bei den Klein- und Kleinstbetrieben zurück (BMBF 2017: 68; Hervorzuheben ist hier, dass Beschäftigungs- und Ausbil- BIBB 2017: 15). Zugleich tragen die kleineren Unternehmen dungsentwicklung erstmals auseinanderklaffen. Bisher in Summe unverändert die quantitative Hauptlast der Aus- wurde weithin davon ausgegangen, dass das Angebot an bildung: Kleine und mittlere Unternehmen mit unter 250 Ausbildungsstellen mit der Konjunktur- und damit Be- Beschäftigten stellen rund 70 Prozent der Auszubildenden schäftigungsentwicklung verbunden ist. Abbildung 2 zeigt sowie der Beschäftigten in Deutschland (Baas und Baethge die gegenläufigen Entwicklungen. 2017: 30). Hinzu kommt, dass insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen überproportional Jugendliche mit ma- Wie Abbildung 3 zeigt, entwickelte sich die Ausbildungs- ximal Hauptschulabschluss ausbilden. Die Ausbildungs- quote in allen Bundesländern rückläufig. chancen dieser ohnehin auf dem Ausbildungsmarkt Benachteiligten könnten sich daher beim Rückzug der kleinen Die Ausbildungsbetriebsquote hat sich zwar in allen Be- Unternehmen aus der Ausbildung weiter verschlechtern triebsgrößenklassen rückläufig entwickelt, allerdings – wie (ebd.: 58, Tab. 15A). Tabelle 1 zeigt – je nach Größe der Betriebe in unterschiedlichem Maße. 11 BETRIEBLICHE AUSBILDUNGSRESSOURCEN Die Entwicklung in den Wirtschaftszweigen zeigt beim Vergleich der Ausbildungsbetriebsquoten 2007 und 2015 ebenfalls durchweg ein negatives Muster. In Tabelle 2 sind einige für die duale Berufsausbildung wesentliche Bereiche aufgelistet. TABELLE 2 Stand der Ausbildungsbetriebsquote 2015 (in %) und Rückgänge der Ausbildungsbetriebsquote zwischen 2007 und 2015 (in Prozentpunkten) nach Wirtschaftszweigen in Deutschland Wirtschaftszweig Ausbildungsbetriebsquote 2015 Rückgang Ausbildungsbetriebsquote 2007 bis 2015 Maschinen- /Automobilbau 36,0 5,8 Metall- /Elektrogewerbe 32,9 3,4 Güterherstellung (Nahrung, Holz etc.) 31,0 7,1 Chemie, Pharmazie 29,3 2,7 Bauwirtschaft 26,9 5,5 Kraftfahrzeug-/Großhandel 24,4 3,7 Einzelhandel, Tankstellen 22,6 3,2 Information, Kommunikation 17,3 1,1 Finanz-, rechts-, wohnungswirtschaftliche Dienstleistungen 15,1 2,7 Beherbergung, Gastronomie 10,5 6,3 Quelle: BIBB 2017: 224 Neben dem Einfluss verschiedener Branchen sind auch regionale Unterschiede bei der Entwicklung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung zu beachten. Der Rückgang neuer Ausbildungsverträge von 2015 auf 2016 (–1.800) beruhte fast nur auf Einbußen in den westdeutschen Bundesländern (–1.700), hier besonders in Nordrhein-Westfalen; im Osten blieb die Ausbildungsbeteiligung fast unverändert (Matthes et al. 2017: 28). Der aktuelle Rückgang der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung reiht sich in einen seit Jahren stabilen Trend ein, dem langfristig wirksame Faktoren zugrunde liegen. 12 3 Besetzungs- und Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt 3.1 Status quo und aktuelle Entwicklungen Versorgungsprobleme entstehen dann, wenn in einer Region, einer Branche oder einem Ausbildungsberuf eine Die betriebliche Ausbildungsbeteiligung kann dadurch ge- große Nachfrage nach Ausbildungsstellen besteht, aber kein stärkt werden, dass von Betrieben angebotene Ausbildungs- entsprechendes betriebliches Angebot vorhanden ist. Dage- stellen besetzt und bis zum erfolgreichen Abschluss geführt gen kann die Nichtbesetzung angebotener Ausbildungsstel- werden. Unter dem Schlagwort „leere Lehrstellen“ spielt len je nach Region, Branche, Beruf und Betrieb auf zwei un- in jüngster Zeit das sogenannte Passungsproblem eine terschiedliche Konstellationen zurückgeführt werden: wichtige Rolle in der berufsbildungspolitischen Diskussion. „Passungsprobleme“ bedeutet hier, dass angebotene Aus- • Besetzungsprobleme: Es fehlt an nachfragenden Be- bildungsstellen nicht besetzt werden können und zugleich werberinnen und Bewerbern – sei es wegen demogra- Ausbildungssuchende keine ihren Berufswünschen ent- phischer Rückgänge, aufgrund von Abwanderung oder sprechende Ausbildungsstelle finden. attraktiveren Bildungsangeboten innerhalb oder außerhalb der beruflichen Bildung. Während die Entwicklung im Übergangsbereich darauf verweist, dass vielen Ausbildungsinteressierten der Zugang • Passungsprobleme: Die Erwartungen der quantitativ für zu einer anerkannten Berufsausbildung nicht bzw. erst mit das Ausbildungsangebot ausreichenden Nachfrager bzw. zeitlicher Verzögerung gelingt, bleiben auf der anderen die Erwartungen der Ausbildungsunternehmen an die Seite angebotene Ausbildungsstellen unbesetzt. Das Aus- Nachfrager werden nicht erfüllt. maß der Nichtbesetzung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen; 2016 wurden acht Prozent (43.500) der Besetzungsprobleme lassen sich in einigen Regionen auch Ausbildungsplätze nicht besetzt (BIBB 2017: 15). Tatsächlich auf demographische Rückgänge und auf Abwanderung zu- hat sich das betriebliche Ausbildungsangebot zwischen 2015 rückführen: Davon sind vor allem die westdeutschen Flä- und 2016 nicht verändert (± 0,0 %) (ebd.: 17), aber die Zahl chenländer außerhalb der Ballungsräume und einige ost- der unbesetzten Ausbildungsstellen hat sich im gleichen deutsche Länder in Regionen mit geringer Siedlungsdichte Zeitraum um 4,5 Prozent erhöht (ebd.: 20). betroffen (Mohr et al. 2014; AGBB 2010: 324). Je nach Region gestaltet sich die Situation im Hinblick auf Versorgungs-, Im Berufsbildungsbericht 2017 des Bildungsministeriums Besetzungs- und Passungsprobleme unterschiedlich (Ab- für Bildung und Forschung (BMBF) werden neben dem Pas- bildung 4). sungsproblem die in Tabelle 3 dargestellten Problemtypen unterschieden. Versorgungsprobleme (blau): Anteil der erfolglosen Aus- TABELLE 3 Problemtypen auf dem Ausbildungsmarkt Zahl der erfolglos suchenden Bewerber Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen niedrig hoch niedrig kein Problem Versorgungsproblem hoch Besetzungsproblem Passungsproblem bildungsplatznachfrager an der Gesamtnachfrage Besetzungsprobleme (rot): Anteil der unbesetzten Ausbildungsplatzangebote am betrieblichen Gesamtangebot Passungsprobleme (orange): Produkt der Anteile der erfolglosen Nachfrager und der unbesetzten Angebote Quelle: BMBF 2017: 69 13 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT ABBILDUNG 4 Regionale Unterschiede bei den Versorgungs- und Besetzungsproblemen 2016 bis 5 % bis 5 % bis 50 5 bis unter 10 % 5 bis unter 10 % 50 bis unter 100 10 bis unter 15 % 10 bis unter 15 % 100 bis unter 150 15 bis unter 20 % 15 bis unter 20 % 150 bis unter 200 ab 20 % ab 20 % ab 200 Die über relative Größen visualisierte Unterschiedlichkeit der regionalen Lagen (Abbildung 4) lässt sich durch die Darstellung der absoluten Dimensionen (Abbildung 5) weiter konkretisieren. Große Bedeutung für das Auftreten von Passungs- oder Besetzungsproblemen hat die Attraktivität der verschiedenen Berufe. Besonders betroffen sind das Nahrungsmittelhandwerk (insb. Fleischer/in, Fachverkäufer/in Nahrungsmittelhandwerk, Bäcker/in) und die Gastronomie (insb. Restaurantfachmann/-frau, Fachmann/-frau Systemgastronomie, Hotelkaufmann/-frau) sowie Berufe wie Gerüstbauer/in, Beton- und Stahlbetonbauer/in und Gebäudereiniger/in. Vergleichsweise schwach betroffen von Passungs- oder Besetzungsproblemen sind kaufmännische und Medienberufe (BMBF 2017: 72 f.). Quelle: BIBB 2017: 24 14 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT ABBILDUNG 5 Unbesetzte Ausbildungsstellen und noch zu vermittelnde Bewerber 2016 nach Bundesländern (absolut) 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 BW BY BE BB HB Unbesetzte Ausbildungsstellen HH HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH Noch zu vermittelnde Bewerber Quelle: Bundesagentur für Arbeit (Ausbildungsmarktstatistik), Absolutwerte werden aus Datenschutzgründen jeweils auf ein Vielfaches von 3 gerundet. Bei den Daten der Bundesagentur für Arbeit liegen Werte kleiner 3 nicht vor. Zu Berechnungszwecken werden diese durch Schätzwerte ersetzt. Berechnungen des BIBB (Tabelle 60 der BIBB-Erhebung zum 30.9., Datenstand: 12.12.2016). Baas und Baethge 2017: 27. 3.2 Gründe für die Nichtbesetzung von Ausbildungsstellen gründung der langjährigen „Krise des Ausbildungsmarktes“ wird teilweise heute noch fortgesetzt. In der DIHK-Ausbildungsumfrage (DIHK 2017: 18) bemängeln 91 Prozent der Je nach Branche, Betriebsgröße, Beruf und Region können Betriebe „mangelnde Ausbildungsreife“. 26 Prozent der die Gründe für die Nichtbesetzung von Ausbildungsstellen befragten Unternehmen geben an, dass sie offene Stellen variieren. Während beispielsweise Großbetriebe in attrak- nicht besetzen konnten, weil sie keine Bewerbungen hat- tiven Branchen und Berufen weiterhin einen Überhang an ten. 68 Prozent aber geben an, dass zwar Bewerbungen vor- qualifizierten Bewerbern haben, ist die Situation kleiner lagen, diese aber nicht geeignet waren (ebd.: 11). und mittlerer Unternehmen (KMU) je nach Branche, Beruf und Region schwieriger. Sie erscheinen vielen qualifizierten Diese Befunde bieten keine Antworten, sondern führen Bewerbern weniger attraktiv bzw. müssen für die Ausbil- zu neuen Fragen. Was sind die Kriterien einer „mangeln- dung von Jugendlichen mit schlechteren Schulabschlüssen den Eignung“? Sind diese Kriterien tatsächlich relevant für oder spezifischen Benachteiligungen tendenziell einen hö- einen Ausbildungserfolg? Mit welchen Maßnahmen in der heren Ausbildungsaufwand in Kauf nehmen. Aus regionaler Ausbildung lassen sich ggf. Eignungsdefizite beheben? Im Perspektive sind die Ungleichgewichte bzw. Wanderungs- nationalen Bildungsbericht 2016 heißt es: Bei „der konse- bewegungen zwischen Ballungsräumen und ländlichem quenteren Erschließung des Potenzials im unteren Quali- Raum bzw. zwischen West- und Ostdeutschland zu beach- fikationsspektrum haben die Betriebe bisher eher auf der ten. Ausbildungsfähigkeit als Zugangsvoraussetzung insistiert, als sich aktiv an deren Herstellung im Rahmen der betrieb- Eine genaue Analyse der Gründe für eine fehlende Beset- lichen Ausbildung zu beteiligen“ (AGBB 2016: 122). zung oder Passung ist allein schon wichtig, um gegebenenfalls differenzierte Handlungsansätze entwickeln zu kön- Die unterschiedliche Betroffenheit nach Betriebsgröße und nen. Gründe können dabei prinzipiell auf der Angebotsseite Berufsbereich lässt vermuten, dass die Attraktivität der je- (z. B. fehlende Ausbildungsqualität, Attraktivität) und/oder weils angebotenen Ausbildungsstellen für die Jugendlichen auf der Nachfrageseite (z. B. verändertes Bildungswahlver- eine große Bedeutung hat. Aus ihrer Perspektive wird diese halten, unzulängliche Information) liegen. Attraktivität maßgeblich beeinflusst durch Einkommensund Aufstiegsmöglichkeiten, die Ausbildungsqualität, die Über viele Jahre sind Überhänge der Ausbildungsnachfrage Arbeitsbedingungen (u. a. Arbeitszeit) und die Arbeitsplatz- von Schulabsolventen mit mangelnder Ausbildungsreife be- sicherheit (vgl. Baethge et al. 2014; BMBF 2017: 67). gründet worden und nicht mit einem zu geringen Bedarf der Unternehmen an Ausbildung. Diese legitimatorische Be- 15 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT ABBILDUNG 6 Reaktionsmuster von Betrieben auf rückläufige Bewerberzahlen Wie reagieren Sie bei der Gewinnung von Auszubildenden auf rückläufige Bewerberzahlen? (in %, Mehrfachantworten möglich) Angebote von Praktika verbessertes Ausbildungsmarketing Erschließung neuer Bewerbergruppen (z. B. Studienabbrecher) Kooperationen mit Schulen Kooperationen mit Hochschulen (z. B. Angebot von dualen Studiengängen) Angebot von Zusatzqualifikationen (z. B. Fremdsprachenunterricht) verstärkte überregionale Suche nach Auszubildenden Angebot von Ausbildung mit einer Aufstiegsfortbildung finanzielle/materielle Anreize Ich bilde im Verbund aus oder prüfe gerade die Möglichkeit Angebot von Auslandsaufenthalten in der Ausbildung Angebot von Ausbildung in Teilzeit Integration von Flüchtlingen (erstmals 2017 abgefragt) andere Vorgehensweisen 2017 2016 0 10 20 30 40 50 60 Quelle: DIHK 2017: 13 Die Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer macht da- wartung, Ausbildungsvergütung, Aufstiegsmöglichkeiten, rauf aufmerksam, dass viele Ausbildungsberufe mit einer Arbeitsbedingungen und Attraktivität der Ausbildung hohen Zahl unbesetzter Plätze „massive Qualitätsprobleme“ selbst. Entsprechend werden Betriebe in jenen Branchen zeigten (BMBF 2017: 138). So lägen die Vertragslösungsquote und Berufen gemieden, die hinsichtlich dieser Erwartungs- und die Misserfolgsquote bei diesen Ausbildungsberufen faktoren als schlecht eingeschätzt werden. Das liefert einen „seit Jahren weit über dem Durchschnitt“. Fragen der Qua- Hinweis darauf, dass Besetzungsprobleme durchaus auch litätsentwicklung in der betrieblichen Ausbildung wurden mit einem „marktrationalen“ Verhalten der Schulabgänger in den vergangenen Dekaden berufsbildungspolitisch meist zu erklären sind: Viele meiden Ausbildungsangebote mit vernachlässigt. hohen Vertragsrisiken bzw. geringen Übernahmequoten – zumindest solange es Alternativen gibt. Betrieblich umsetzbare Qualitätskonzepte für die Ausbildung zu entwickeln erscheint daher in Branchen mit Aus der DIHK-Ausbildungsumfrage ergeben sich einige Schwierigkeiten bei der Nachwuchsrekrutierung als eine Hinweise darauf, wie Unternehmen auf die veränderte zentrale Aufgabe. Sie stellt unter anderem auch deshalb Nachfragesituation reagieren (Abbildung 6). eine Herausforderung dar, weil die Ausbilder eine größere Heterogenität der Auszubildenden bewältigen müssen. Die Branchen setzen hier unterschiedliche Schwerpunkte. In der Vergangenheit verfolgten viele Betriebe die Strate- Beispielsweise setzen IT-Betriebe sowie Banken und Versi- gie einer Homogenisierung der Auszubildenden auf hohem cherungen verstärkt auf die Erschließung neuer Zielgruppen Leistungsniveau durch scharfe Selektion bei der Einstel- (z. B. Studienabbrecher), während etwa das Gastgewerbe lung. Dies stößt eben dort an Grenzen, wo wenige Bewerber die überregionale Suche nach Auszubildenden intensivieren auf eine große Zahl angebotener Ausbildungsstellen treffen. möchte (DIHK 2017: 14). Bei den skizzierten Reaktionsformen fällt auf, dass Faktoren wie Ausbildungsqualität, Karri- Die (zumindest) in Teilen des Ausbildungssystems nach- ereperspektiven und Arbeitsbedingungen bestenfalls nach- vollziehbare Bestenauslese bei der Rekrutierung von Auszu- geordnet und indirekt angegangen werden. bildenden durch die Betriebe hat ihr Spiegelbild in der Attraktivitätswahrnehmung der Ausbildungsberufe bei den Schulabgängern: Diese nehmen ebenfalls eine Auslese der Betriebe vor – nach Übernahmechancen, Einkommenser- 16 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT TABELLE 4 Vertragslösungsquoten nach Personenmerkmalen und Zuständigkeitsbereichen, Bundesgebiet 2015 Insgesamt Männliche Weibliche Deutsche Ausländer Industrie und Handel 21,4 % 21,0 % 22,2 % 20,8 % 30,8 % Handwerk 33,5 % 31,9 % 38,4 % 32,9 % 39,5 % Öffentlicher Dienst 6,3 % 8,3 % 5,2 % 6,3 % 7,5 % Landwirtschaft 23,1 % 22,6 % 24,7 % 22,9 % 36,5 % Freie Berufe 26,5 % 27,5 % 26,5 % 26,2 % 29,4 % Hauswirtschaft 27,4 % 31,7 % 27,0 % 27,1 % 33,9 % Gesamt 24,9 % 24,7 % 25,2 % 24,2 % 33,3 % Quelle: BIBB 2017: 164, 167 3.3 Entwicklung von Ausbildungsvertragslösungen Ausbildungsvertragslösungen können einerseits als Indikator für die Qualität der Ausbildung in den jeweiligen Berufen und Branchen verstanden werden, andererseits deuten sie auf Gefährdungspotenziale für die duale Berufsausbildung insgesamt hin. Solche Vertragslösungen können Be- TABELLE 5 Vertragslösungsquoten nach Schulabschluss Ohne Hauptschulabschluss 37,1 % Mit Hauptschulabschluss 36,4 % Hauptschule gesamt 73,5 % Mittlerer Bildungsabschluss 22,3 % Studienberechtigung 14,2 % Quelle: BMBF 2017: 76 triebe dazu bewegen, künftig ihre Ausbildungsaktivitäten zu reduzieren; sie können Jugendliche darin bestärken, auf eine duale Ausbildung zu verzichten und entweder schulische Bildungswege zu forcieren oder ohne Ausbildung eine TABELLE 6 Ausbildungsberufe mit den höchsten und niedrigsten Vertragslösungsquoten, Bundesgebiet 2015 Beschäftigung zu suchen. Allerdings muss eine Vertragslö- Hotel und Gastronomie sung nicht zwingend als ein Scheitern wahrgenommen wer- Restaurantfachmann/-frau 49,6 % Koch/Köchin 48,1 % Fachkraft im Gastgewerbe 43,6 % ein Studium aufzunehmen (Lettau 2017: 41; zu den Gründen Fachmann/-frau für Systemgastronomie 41,3 % einer Vertragslösung BIBB 2017: 168 f.). Hotelfachmann/-frau 40,2 % den. Sie kann auch als neue Chance verstanden werden, den Ausbildungsbetrieb zu wechseln, die getroffene Berufswahl zu revidieren, den schulischen Abschluss zu verbessern oder Nahrungsmittelhandwerk Der Umfang der Vertragslösungen variiert nicht nur zwischen Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk 43,4 % einzelnen Ausbildungsberufen, sondern auch zwischen Bäcker/in 40,3 % Wirtschaftsbereichen (Tabelle 4). Weitere Berufe Gebäudereiniger/in 48,0 % mit niedrigen Schulabschlüssen höher als bei denjenigen Gerüstbauer/in 43,5 % mit höheren Abschlüssen (Tabelle 5). Quelle: BIBB 2017, 167 Die Quote der Vertragslösungen liegt bei Auszubildenden Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass Auszubildende mit niedrigen Schulabschlüssen eher in Berufen, Die Frage nach der Ursache von Passungs- und Besetzungs- Branchen und Betrieben ausgebildet werden, in denen die problemen führt zu einer Gemeinsamkeit der Berufe in den Ausbildungsbedingungen und Übernahmequoten weniger Wirtschaftsbereichen mit einem hohen Anteil unbesetzter günstig sind als in Bereichen, in denen Auszubildende mit Stellen: Ihre Vertragslösungsquoten liegen zum Teil deut- höheren Abschlüssen ausgebildet werden. „Jugendliche mit lich über dem Bundesdurchschnitt von 24,9 Prozent (2015). Hauptschulabschluss findet man eher in Berufen mit instabileren Ausbildungsverhältnissen, außerdem weniger wahr- Eine Auswertung von Daten des National Education Panel scheinlich in ihrem Wunschberuf“ (BIBB 2017: 168). Survey (NEPS) zeigt, dass in den ersten zwei Jahren nach 17 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT TABELLE 7 Überblick über den weiteren Bildungsweg der Befragten des National Education Panel Survey Anschluss nach Vertragslösung Anteil 3.4 Herausforderungen durch besondere Unterstützungsbedarfe spezifischer Bewerbergruppen Wiederaufnahme einer dualen Berufsausbildung 40,6 % Aufnahme einer schulischen Berufsausbildung 7,1 % Beginn einer schulischen Höherqualifizierung 7,2 % Aufnahme eines Studiums 5,9 % „mangelnden Eignung“ vieler Ausbildungsbewerber. Zu- Beendigung der Qualifizierungsphase 39,2 % gleich zeigen die Befunde, dass einzelne Gruppen zum einen Quelle: Lettau 2017: 42 Das Passungsproblem kann unter quantitativen, aber auch unter qualitativen Kriterien analysiert werden. Ein Grund für die fehlende Passung liegt aus Sicht der Betriebe in der größere Schwierigkeiten haben, überhaupt einen Ausbildungsplatz zu bekommen, zum anderen bei einer Vertragslösung überdurchschnittlich oft ohne eine Ausbildung auf Vertragslösung etwa 40 Prozent der Personen erneut eine den Arbeitsmarkt kommen. Die Betriebe setzen in der Regel Qualifizierungsmaßnahme aufgenommen haben. Nach acht auf Ausbildungsanwärter mit mittlerer bis guter schuli- Jahren sind es rund 50 Prozent, nach 15 Jahren circa 62 Pro- scher Abschlussqualifikation, guten Deutsch- und Mathe- zent. Die Anschlusswege verteilen sich dabei wie aus Tabelle matikkenntnissen und ausgeprägten sozialen Kompetenzen 7 ersichtlich. (vgl. DIHK 2017). Das ist nicht verwunderlich: Je homogener ihre Auszubildendenkohorten sind, desto geringer der Je nach Schulabschluss verlaufen die Anschlusswege unter- voraussichtliche Aufwand für die Kompensation vorgängi- schiedlich. Personen mit Hochschulreife zeigen die ge- ger Bildungslücken – und desto eher erwarten die Betriebe, ringste Wahrscheinlichkeit, erneut eine duale Ausbildung dass sich die Ausbildung komplikationsfrei und erfolgreich zu beginnen: Rund 55 Prozent von ihnen schließen ein Stu- durchführen lässt. dium an. Aber auch diejenigen mit oder ohne Hauptschulabschluss haben eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, erneut Zugespitzt ließe sich aus den Daten folgern, dass Jugendli- eine duale Ausbildung aufzunehmen, als jene mit einem che mit einem hohen Bedarf an Unterstützung oft in Aus- mittleren Bildungsabschluss. Ein Grund könnte darin lie- bildungsbereiche kommen, die nicht gut vorbereitet sind gen, dass Personen mit einem niedrigen Bildungsniveau auf erhöhte Unterstützungsanforderungen. Für die Berufs- die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung häufiger er- bildung resultiert daraus die Gefahr, dass sich diese Betriebe schwert ist. „Hinsichtlich des familiären Hintergrunds wird aus der Ausbildung zurückziehen und Jugendliche nach er- deutlich, dass Personen aus eher bildungsfernen Familien folgloser Suche oder der Erfahrung einer Vertragslösung (Eltern mit max. Hauptschulabschluss) die höchste Wahr- eine duale Berufsausbildung meiden. scheinlichkeit haben, ihre Qualifizierungsphase nach einer Vertragslösung zu beenden, und seltener erneut eine duale Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden ein zusammen- Ausbildung aufnehmen. Unter anderem könnte ein durch- fassender Überblick über die Bewerbergruppen des Ausbil- schnittlich geringerer Schulabschluss von Personen aus so- dungsmarktes gegeben werden, die sich mit Startnachteilen zial benachteiligten Familien zur Folge haben, dass diese um eine Ausbildungsstelle bemühen und unter Umständen seltener eine zweite Ausbildungschance im dualen System auch während der Ausbildung einen besonderen Unterstüt- erhalten“ (Lettau 2017: 42). Die Daten zeigen ferner, dass zungsbedarf zeigen. Aus Sicht der Betriebe resultiert aus Frauen häufiger als Männer ihre Qualifizierungsphase nach dieser Konstellation die Frage, ob sie bereit sind, ggf. mit- einer Vertragslösung beenden. „Hinsichtlich des Migrati- hilfe bestehender oder neuer Instrumente Jugendliche onshintergrunds lässt sich feststellen, dass diese Personen- dieser Bewerbergruppen auszubilden. Diese Bereitschaft gruppe häufiger als Personen ohne Migrationshintergrund stände in Kontrast zu einer Strategie der Bestenauslese, die nach einer Vertragslösung ihre Qualifizierungsphase been- darauf zielt, die Auszubildenden mit möglichst geringem den“ (ebd.: 44). Aufwand schon früh während der Ausbildungszeit auf einen schnellen produktiven Einsatz vorzubereiten. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass vor allem Personen mit niedrigem Schulabschluss, Personen aus El- Aufseiten der Ausbildungsstellennachfrage und damit der ternhäusern mit niedrigem formalen Bildungshintergrund Ausbildungsaspiranten zeigt sich insgesamt eine wach- und Personen mit Migrationshintergrund im Anschluss an sende Heterogenität aufgrund diverser Faktoren: der eine Vertragslösung gefährdet sind, keine weiteren Bil- Differenzierung und Spreizung von sozialen Lagen in der dungsetappen zu absolvieren. Gesellschaft, der Verfestigung von beruflich ausgegrenzten 18 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT TABELLE 8 Auszubildende mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag ohne und mit Hauptschulabschluss nach Zuständigkeitsbereichen, Bundesgebiet 2009 und 2015 Zuständigkeitsbereich Ohne Hauptschulabschluss Mit Hauptschulabschluss 2009 2015 2009 2015 Industrie und Handel 2,6 % 2,5 % 25,6 % 21,3 % Handwerk 5,2 % 3,6 % 53,7 % 43,4 % Öffentlicher Dienst 0,1 % 0,2 % 4,6 % 4,0 % Landwirtschaft 10,4 % 7,6 % 46,2 % 32,5 % Freie Berufe 0,6 % 0,5 % 15,9 % 15,6 % Hauswirtschaft 29,4 % 28,8 % 57,5 % 54,8 % Gesamt 3,5 % 2,8 % 33,1 % 26,7 % Quelle: BIBB 2017: 142 Milieus, der hohen Quote von Zuwanderern mit geringen einzelnen Ausbildungssegmenten zumindest hinsichtlich deutschen Sprachkennnissen und mit fremden kulturellen der schulischen Bildungsabschlüsse eine Homogenisierung Hintergründen, aber auch der Öffnung der allgemeinbil- der Auszubildenden stattfindet (AGBB 2016: 110 f.). Be- denden Schulen für Schüler mit Behinderungen und der in stimmte Ausbildungsberufe sind für Hauptschulabsolven- einzelnen Bundesländern sehr hohen Quote von Auszubil- ten nur noch in Ausnahmefällen zugänglich, in anderen denden mit Hochschulzugangsberechtigung. Diese Hetero- beträgt der Anteil der Hochschulzugangsberechtigten über genität ist nicht einfach auf einer Skala von mehr oder we- 50 Prozent (AGBB 2016: 286; BIBB 2017: 150). niger leistungsfähigen Ausbildungsanwärtern abzubilden – sie bedeutet Unterschiedlichkeit in vielen Dimensionen, Der Anteil von Ausbildungsanfängern ohne Hauptschulab- die die Ausbildung erschweren, aber auch bereichern kön- schluss (HSA) lag 2015 bei 2,8 Prozent (2009: 3,5 %). Der An- nen. teil von Hauptschulabsolventen ist in den letzten Jahren ebenfalls stetig gesunken und lag 2015 noch bei 26,7 Pro- Heterogenität kann sich in vielerlei Hinsicht zeigen, bei- zent (2009: 33,1 %) (BIBB 2017: 146). Im Jahr 2016 begannen spielsweise in personalen Merkmalen wie Alter, Augenfarbe erstmals mehr Studienberechtigte als Hauptschulabsolven- oder Körpergröße, oder in sozialen Merkmalen wie Mig- ten eine duale Berufsausbildung (ebd.: 142). Die Anteile der rationsstatus, Schulleistung oder sozioökonomische Le- Hauptschulabsolventen ohne und mit Abschlussverteilen benslage. In diesem Zusammenhang interessieren jene sich auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche, wie es in Merkmale, die in der Berufsausbildung für die jeweiligen Tabelle 8 zu sehen ist. Gruppen einen besonderen Unterstützungsbedarf begründen. Nachfolgend werden vor diesem Hintergrund die fol- Der rückläufige Anteil von Jugendlichen ohne und mit genden, in ihren Merkmalen sich teils überschneidenden, Hauptschulabschluss ist teilweise auf die insgesamt sin- Zielgruppen aufgenommen: kende Zahl von Hauptschulen bzw. Hauptschülern zurückzuführen. Die zunehmende Schwierigkeit für Hauptschul- • Schulleistungsschwache Jugendliche absolventen, nach der Schulzeit eine duale Ausbildung • Jugendliche mit Migrationshintergrund aufnehmen zu können, zeigt sich daran, dass nur 45,3 Pro- • Geflüchtete Jugendliche zent dieser Gruppe direkt der Schritt von der Schule in die • Jugendliche mit Behinderung(en) Ausbildung gelingt (BMBF 2017: 136). Viele dieser Jugendlichen münden in eine der zahlreichen Schulleistungsschwache Jugendliche Maßnahmen des Übergangsbereichs ein (vgl. auch Bertelsmann Stiftung 2011). Nach deutlichen Rückgängen der An- Der Zugang zu einer dualen Berufsausbildung ist zwar fängerzahlen von 2005 (417.600) bis 2014 (252.700) ist die prinzipiell nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Zahl 2015 (266.200) und 2016 (298.800) im Übergangsbe- Faktisch ist der Ausbildungsmarkt jedoch im Hinblick auf reich wieder gestiegen. Der Anstieg wird u. a. auf die Inte- schulische Bildungsabschlüsse segmentiert, wodurch in den grationsmaßnahmen für junge Geflüchtete zurückgeführt 19 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT TABELLE 9 Anfänger im Übergangsbereich 2005, 2014 und 2016 sowie deren jeweiliger Anteil 2005 Anteil 2014 Anteil 2016 Anteil Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) inkl. einjähriger Berufseinstiegsklassen 58.432 16,6 % 45.202 20,7 % 105.361 36,5 % Berufsfachschulen (BFS) mit anrechenbarer einjähriger beruflicher Grundbildung 58.708 16,7 % 35.581 16,3 % 47.348 16,4 % Berufsvorbereitende Maßnahmen (BvB) der BA 91.811 26,1 % 46.149 21,2 % 44.200 15,3 % Bildungsgänge an BFS mit beruflicher Grundbildung ohne Anrechnung 29.106 8,3 % 21.490 9,9 % 40.782 14,1 % BFS, allgemeine Programme (Erfüllung Schulpflicht, Sek-I-Abschlüsse) 68.095 19,3 % 45.069 20,7 % 23.729 8,2 % Bildungsgänge Berufsschule für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag 27.035 7,7 % 14.393 6,6 % 14.956 5,2 % Einstiegsqualifizierung (EQ) der BA 18.881 5,4 % 10.213 4,7 % 12.357 4,3 % Quelle: BMBF 2017: 61 (BMBF 2017: 11). Der Gesamtanteil der ausländischen Ju- – trotz dort günstiger Relation von Angebot und Nachfrage gendlichen im Übergangsbereich lag 2015 bei 26,4 Prozent – relativ hoch (BIBB 2017: 154). Das verweist auf unter- (2014: 19,8 %) (ebd.: 61). Auf alle Teilgruppen bezogen sind schiedliche bildungspolitische Strategien der Bundesländer die einzelnen Maßnahmentypen unterschiedlich besetzt zur Lösung der Übergangsproblematik. (ebd.; vgl. Tabelle 9). Die Differenzierung nach der schulischen Vorbildung der Jugendliche mit Migrationshintergrund Jugendlichen im Jahr 2015 (BMBF 2017: 60) macht deutlich, dass neben Hauptschülern auch Jugendliche mit einem 21,0 Prozent der 2015 in Deutschland lebenden Menschen mittleren und höheren Bildungsabschluss in den Über- hatten einen Migrationshintergrund. Jugendliche mit Mi- gangsbereich einmünden: grationshintergrund sind nach der Definition des Statistischen Bundesamtes (Destatis 2016) Personen, TABELLE 10 Schulische Vorbildung der Anfänger im Übergangsbereich Ohne Hauptschulabschluss 25,7 % Hauptschulabschluss 42,6 % Saldo Hauptschule 68,3 % Mittlerer Bildungsabschluss 22,7 % Studienberechtigung 1,5 % • die nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland geboren wurden und nach 1949 zugewandert sind und/oder • die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder eingebürgert wurden und/oder • bei denen ein Elternteil mindestens eine der oben genannten Bedingungen erfüllt. Quelle: BMBF 2017: 60 In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen liegt der Anteil Die Lage auf dem regionalen Ausbildungsmarkt korre- bei 28,5 Prozent (BMBF 2017: 48). Rund ein Drittel ist in liert nicht zwangsläufig mit dem Umfang des Übergangs- Deutschland geboren, die übrigen sind zugewandert. Dabei bereichs. Ein relativ günstiges Verhältnis von Angebot und ist ein Großteil der 2015/2016 zugewanderten Geflüchteten Nachfrage am Ausbildungsstellenmarkt führt nicht di- nicht berücksichtigt. Untersuchungen zeigen, dass Jugend- rekt zu weniger Übergangsmaßnahmen – und umgekehrt liche mit Migrationshintergrund ein ebenso großes Inter- müssen schwierige Bedingungen am Ausbildungsmarkt esse an einer Berufsausbildung haben wie diejenigen ohne nicht bedeuten, dass der Übergangsbereich sich unmittel- Migrationshintergrund und sich teilweise noch intensiver bar ausdehnt (vgl. Weiß 2015: 8). So war der Anteil der Aus- als jene um einen Ausbildungsplatz bemühen (BMBF 2017: zubildenden, die vor der Ausbildung berufsvorbereitende 49). Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen hatten, etwa in Thüringen mit 5,1 Prozent und in Hessen mit 5,6 Prozent, Die Schulabschlüsse ausländischer Jugendlicher sind unter aber auch in Berlin mit ungünstiger Angebots-Nachfrage- den Ausbildungsplatzbewerbern niedriger als die der deut- Relation verhältnismäßig gering, aber in Niedersachsen schen Jugendlichen (vgl. Tabelle 11). (14,3 %), Sachsen (14,0 %) und Baden-Württemberg (12,9 %) 20 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT TABELLE 11 Höchster Schulabschluss der Ausbildungsplatzbewerber nach Staatsangehörigkeit des Berichtsjahrs 2016 ihr Wissen über die im statistischen Durchschnitt schlechteren Schulnoten von Migranten auf die Einschätzung konkreter Bewerber. Höchster Schulabschluss Ausländische Jugendliche Deutsche Jugendliche Die Ausbildungsanfängerquote lag bei ausländischen Ju- Kein Hauptschulabschluss 5% 3% gendlichen 2015 bei 26,0 Prozent, bei deutschen Jugend- Hauptschulabschluss 33 % 23 % lichen bei 56,7 Prozent (BMBF 2017: 48). Dabei bestehen Hauptschule gesamt 38 % 26 % deutliche Unterschiede nach Herkunftsregionen. Insbeson- Mittlerer Schulabschluss 40 % 52 % (Fach-)Hochschulreife 22 % 23 % Quelle: BIBB 2017: 243 dere für Jugendliche türkischer oder arabischer Herkunft ist es trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren immer noch deutlich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden. So lag 2014 die Einmündungsquote der Bewerber in eine duale Ausbildung bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund bei 42 Prozent, bei Jugendlichen mit Migrationshin- Ein wesentlicher Grund für diese Situation wird zum einen tergrund bei 27 Prozent (bei Bewerbern türkischer oder ara- in der fehlenden Fähigkeit des Bildungssystems gesehen, bischer Herkunft bei 24 Prozent; BIBB 2017: 252). herkunftsbedingte Startnachteile auszugleichen. Zum anderen werden weitergehende, migrationsbedingte Faktoren Überdurchschnittlich häufig bleiben Personen mit Migrati- zur Erklärung herangezogen. In Untersuchungen, bei denen onshintergrund daher ohne Berufsabschluss. So beträgt die Schulabschlüsse und soziale Herkunft kontrolliert wurden, Ungelerntenquote bei 20- bis 34-jährigen Migranten 29,8 bleibt „ein eigenständiger Einfluss des Migrationshinter- Prozent – bei türkischstämmigen Migranten liegt sie bei grunds bestehen. […] Dies bedeutet, dass auch unter an- 58,8 Prozent. Zum Vergleich: Bei den 20- bis 34-Jährigen sonsten gleichen Bedingungen die Chancen für Migranten ohne Migrationshintergrund liegt die Quote bei 8,8 Prozent und Migrantinnen, in eine duale Ausbildung einzumünden, (BIBB 2017: 335). geringer sind als für Jugendliche ohne Migrationshintergrund“ (Beicht und Walden 2014b: 2). „Ihre Einmündungs- Jugendliche Migranten verfügen nicht nur über niedrigere chancen sind dabei selbst unter insgesamt gleichen Be- Schulabschlüsse und einen niedrigeren sozioökonomischen dingungen (gleiche soziale Herkunft, gleiche schulische Status, sie „münden auch seltener in ihren Wunschberuf Voraussetzungen, gleiches Suchverhalten und gleiche Aus- ein und werden häufiger in Berufen mit schlechten Ausbil- bildungsmarktlage) niedriger als die von Jugendlichen ohne dungsbedingungen ausgebildet“ (BMBF 2017: 50). Vor die- Migrationshintergrund“ (ebd.: 14). sem Hintergrund erstaunt es nicht, dass sie in höherem Maße von vorzeitigen Vertragslösungen betroffen sind. Die Forschungslage bietet momentan keine vollständige Aufklärung über die Faktoren jenseits von sozialer Herkunft und Schulleistung. Hinweise können unter anderem ver- Geflüchtete Jugendliche schiedenen theoretischen Ansätzen entnommen werden (vgl. im Überblick Beicht und Walden 2014a), doch steht Die Datenlage hinsichtlich der Bildungsvoraussetzungen eine Überprüfung der darin enthaltenen Thesen zumeist und -bedarfe von geflüchteten Menschen in Deutschland noch aus. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass ist derzeit noch lückenhaft. Hierzulande wurden im Jahr ein Erklärungsfaktor in den Auswahlprozessen bei der Ver- 2015 rund 890.000 und 2016 rund 280.000 Schutzsuchende gabe von Ausbildungsplätzen liegt (Granato et al. 2011: 16; registriert (BIBB 2017: 419). Hauptherkunftsländer waren SVR 2014; Scherr et al. 2015). Obwohl Jugendliche arabischer Syrien (36,9 %), Afghanistan (17,6 %) und Irak (13,3 %) und türkischer Herkunft die meisten Bewerbungen ver- (BMBF 2017: 51). Etwa 75 Prozent der Asylbewerber sind senden, sind ihre Aussichten auf einen betrieblichen Aus- jünger als 30 Jahre. Ihre Integrationsvoraussetzungen hän- bildungsplatz unter allen Jugendlichen mit Migrations- gen neben ihrem Aufenthaltsstatus wesentlich von dem hintergrund am schlechtesten. Eine Erklärung stellt die Herkunftsland ab (vgl. BIBB 2017: 421 ff.). Geflüchtete sind sogenannte statistische Diskriminierung dar (Becker 2011). eine heterogene Gruppe: Insgesamt bringen 21,6 Prozent Ihr zufolge haben Personalverantwortliche in Betrieben der Asylantragsteller einen Gymnasial- und 16,6 Prozent Schwierigkeiten, die Lernmotivation und Leistungsfähig- einen Hochschulabschluss mit; zehn Prozent haben keine keit der Bewerber sicher einzuschätzen. Sie orientieren sich formelle Schulbildung (ebd.: 425). daher verstärkt an den Schulabschlüssen und projizieren 21 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT Es besteht eine zweigipflige Verteilung zwischen einer benden Etappen der Sprach- und Integrationskurse, der Gruppe schulisch überwiegend gut Gebildeter und einer Berufsorientierung sowie der Ausbildungsvorbereitung er- kleineren Gruppe ohne bzw. mit einer geringen Schulbil- mittelt, wie viele Geflüchtete in den einzelnen Jahren (zu- dung. Während Antragsteller aus Ländern wie Syrien oder sätzliche) Ausbildungsplätze nachfragen. Bezogen auf die in Iran sehr gute schulische Voraussetzungen mitbringen den Jahren 2015 und 2016 im Alter von unter 25 Jahren aner- (46,7 % / 75 % Gymnasial- bzw. Hochschulabschluss), ver- kannten Schutzbedürftigen (Variante 1) bzw. 75 Prozent der fügt ein hoher Anteil von Antragstellern aus Afghanistan in beiden Jahren als Asylantragsteller in Erscheinung tre- und dem Irak (27 % / 15,2 %) nicht über eine formelle Schul- tenden Personen unter 25 Jahren (Variante 2) werden Nach- bildung (BIBB 2017: 425). fragekorridore ausgewiesen von 15.000 bis 31.500 (2017), 18.500 bis 33.700 (2018) und 17.900 bis 41.500 (2019). Die Für ihre beruflichen Qualifikationen können die Geflüchte- Zahl der auf drei Jahre kumuliert ausbildungsnachfragen- ten häufig keine formal zertifizierten Abschlüsse vorweisen. den Geflüchteten erreicht 2019 bzw. 2020 ihren Höhepunkt Dennoch können sie über verwertbare Kompetenzen verfü- und liegt je nach Variante zwischen 56.000 und 100.000 gen, die durch informelles Lernen bzw. berufliche Arbeits- (2019) bzw. 52.700 und 102.000 (2020) (BIBB 2017: 467). Es erfahrungen erworben wurden (ebd.: 427). Jungen Geflüch- bleibt dabei offen, in welche Art von Berufsausbildung die teten wird eine „hohe Bildungsorientierung im Hinblick auf Geflüchteten einmünden wollen bzw. können. schulische und berufliche Abschlüsse“ zugeschrieben (ebd.: 430). Junge Erwachsene (18 bis 25 Jahre) sind überpropor- Die Zahl konkretisiert die im nationalen Bildungsbericht tional an schulischen (65 %) bzw. beruflichen Bildungs- 2016 veröffentlichten Schätzungen über den quantitativen abschlüssen (84 %) interessiert. Zugleich besteht bei den Bedarf an Ausbildungsplätzen. Diese gehen allein für die Geflüchteten eine hohe Erwerbsorientierung, die in Kon- 2015 nach Deutschland geflüchteten Jugendlichen von kurrenz zu Ausbildungsangeboten treten kann. einem Bedarf an 72.000 bis 96.000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen aus, wobei die Verteilung auf die Jahre offen- Es wird davon ausgegangen, dass viele Geflüchtete den Weg gelassen wurde (AGBB 2016: 202). in Ausbildung und Beschäftigung über einen längeren Zeitraum vollziehen werden (BIBB 2017: 458). Als Etappen auf diesem Weg sind neben Maßnahmen der sprachlichen und Jugendliche mit Behinderung(en) kulturellen Integration Angebote zur Berufsorientierung, Berufsvorbereitung, Berufsausbildung und Nachqualifizie- Für die Berufsbildung sind keine Studien bekannt, die ein rung vorgesehen, die möglichst gezielt auf die Bedingungen detailliertes Bild über den Stand und die Ausprägung von der Geflüchteten abzustimmen sind. Im Jahr 2016 hatten Inklusion in der beruflichen Bildung zeichnen könnten. Ab- insgesamt etwa 330.000 Geflüchtete mit einem Integrati- bildung 7 erfasst die prinzipiell möglichen Übergangspfade, onskurs begonnen, rund 8.000 besuchten Maßnahmen der wobei die genauen Verläufe sowie die Quantitäten nur teil- Berufswahl und -orientierung und rund 3.200 nahmen an weise erschließbar sind. einer Einstiegsqualifizierung teil (BMBF 2017: 14). Bisher steigt die Beteiligung von Geflüchteten an den Angeboten Im Schuljahr 2014/2015 befanden sich rund 508.000 Schü- der beruflichen Bildung nur langsam. Die Zahl der Ausbil- ler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf im all- dungsanfänger in der dualen Ausbildung mit einer Staats- gemeinbildenden Schulbereich; dies sind 7,0 Prozent aller angehörigkeit aus einem nicht europäischen Haupther- Schüler (AGBB 2016: Tab. D2-9web). 34,1 Prozent von ihnen kunftsland von Geflüchteten lag bei 2.900 (2015). Von den lernten an Regelschulen, 65,9 Prozent wurden in einer der etwa 10.300 Geflüchteten, die im Ausbildungsjahr 2015/2016 mehr als 3.100 Förderschulen unterrichtet (ebd.). Die größ- bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Bewerber gemel- ten Teilgruppen hatten Förderbedarf in den Bereichen Ler- det waren, konnten circa 3.500 einen Ausbildungsvertrag nen (44,3 %), emotionale und soziale Entwicklung (25,4 %) abschließen (BIBB 2017: 468). sowie Sprache (13,7 %) (ebd.: Tab. D2-10web). Jährlich verlassen entsprechend rund 50.000 Jugendliche mit sonder- In einer Modellrechnung hat das BIBB ermittelt, in welchem pädagogischem Förderbedarf den allgemeinbildenden Schul- Maße sich bis 2021 eine zusätzliche Nachfrage nach dualen bereich und stehen vor der Frage nach einem geeigneten Ausbildungsplätzen durch die voraussichtlich im Land blei- Anschluss (Euler und Severing 2014: 13). Im Jahr 2016 mün- benden Geflüchteten begründet. Dabei wird ausgehend von deten etwa 13.000 Schulabsolventen mit sonderpädagogi- den unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen, den ge- schem Förderbedarf in eine berufsvorbereitende Maßnahme äußerten Bildungspräferenzen und den sich daraus erge- (BMBF 2017: 78). 22 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT ABBILDUNG 7 Übergänge von den allgemeinbildenden Schulen in Ausbildung und Beruf Schüler/innen mit besonderem Förderbedarf Regelschulen Förderschulen Übergänge Berufsvorbereitung Ü1 Ü2 Berufsausbildung Ü3 Ü4 Beschäftigung Ü5 Ü6 Ü7 Berufsvorbereitende Maßnahmen Außerbetriebliche Berufsbildung in Ohne Ausbildung/ Ausbildung in Werkstätten für ohne Beschäftigung anerkannten behinderte Ausbildungsberufen Menschen Betrieblich-duale Außerbetriebliche Beschäftigung Ausbildung in und betriebliche auf dem anerkanntem Ausbildung in ersten/zweiten Ausbildungsberuf Sonderberufen Arbeitsmarkt Quelle: Euler und Severing 2014: 11 Die genaue Zahl von betrieblich-dualen Ausbildungsverträ- vertiefter Blick auf die Entwicklung und Struktur der Zah- gen mit behinderten Jugendlichen ist nicht bekannt, da das len über Sonderausbildungen nach § 66 BBiG bzw. § 42m Merkmal „Behinderung“ kein Bestandteil der Berufsbil- HwO verdeutlicht, dass die Einmündung von Jugendlichen dungsstatistik ist (BIBB 2012: 40, 137). Gleichwohl existie- nicht nur von ihren Ausbildungsvoraussetzungen abhängt, ren Annäherungswerte, die aus verschiedenen statistischen sondern auch von den jeweiligen Bedingungen des Ausbil- Quellen abgeleitet werden können (vgl. Euler und Severing dungsmarktes. So ist zum einen erkennbar, dass in Zeiten 2014: 14 f.). Demnach kann von rund 3.500 Einmündungen einer besseren Versorgungslage die Einmündungen in Son- von Jugendlichen mit Behinderung in eine betrieblich-duale derausbildungen abnehmen, in Zeiten eines angespannten Ausbildung ausgegangen werden. Ausbildungsmarktes wird die umgekehrte Tendenz deutlich. Es wird davon ausgegangen, dass „Verwaltungen bei Neben einer ungeförderten oder geförderten betrieblich- einem massiven Mangel an betrieblichen Ausbildungsplät- dualen Berufsausbildung sind staatlich geförderte Formen zen, wie er insbesondere Mitte der 2000er-Jahre herrschte, der außerbetrieblichen Berufsausbildung möglich. Ein we- die Bestimmungen nach § 66 BBiG bzw. § 42m HwO offen- sentliches Instrument der BA in diesem Bereich stellt die siver auslegen, um auch über diesen Weg Ausbildungsmög- Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen lichkeiten zu eröffnen“ (BIBB 2012: 40). (BaE) dar (§ 76 SGB III). Es besteht für „förderungsbedürftige junge Menschen“, worunter auch jene mit Behinderun- Zudem fallen die regionalen Disparitäten bei der Zuweisung gen fallen. Im Jahr 2015 haben insgesamt 2.376 Menschen in Sonderausbildungen auf. Während der Anteil von Son- eine Förderung für eine außerbetriebliche Ausbildung für derausbildungen nach § 66 BBiG bzw. § 42m HwO an der Menschen mit Behinderung erhalten (BIBB 2017: 140). Gesamtzahl aller Ausbildungsverträge in Westdeutschland im Jahr 2015 bei 1,5 Prozent lag, betrug er in Ostdeutsch- Insgesamt 9.152 Ausbildungsverträge wurden 2015 in den land 3,6 Prozent (BIBB 2017: 139). Daraus wird deutlich, dass Berufen zum Fachpraktiker neu abgeschlossen, etwa 5.900 ein individuell zugeschriebenes Merkmal je nach Markt- davon überwiegend öffentlich, rund 3.200 überwiegend be- bedingungen sehr unterschiedlich interpretiert wird und trieblich finanziert (BIBB 2017: 139 f.). Etwa 56 Prozent der zu unterschiedlichen Zuweisungen der Jugendlichen führt. Auszubildenden haben einen Hauptschulabschluss, drei Durchschnittlich 45 Prozent der Absolventen einer Fach- Prozent einen Realschulabschluss und circa 41 Prozent ver- praktikerausbildung finden anschließend eine Voll- oder fügen über keinen Hauptschulabschluss (ebd.: 147). Ein Teilzeitbeschäftigung, zwölf Prozent setzen die Ausbildung 23 BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT fort, 35 Prozent münden in die Erwerbslosigkeit (ebd.: 86). Rund ein Drittel der Betriebe erklärt sich bei einer Betriebsbefragung (n=298) insgesamt bereit zur Übernahme in eine Vollausbildung, wobei der Anteil bei Betrieben mit Erfahrung in der Ausbildung von Menschen mit Behinderung bei 65 Prozent liegt, während er bei Betrieben ohne Erfahrung etwa 29 Prozent erreicht (ebd.: 86). Ein weiterer Teil der Jugendlichen mit Behinderungen mündet nach der Schulzeit in den Berufsbildungsbereich einer der Werkstätten für behinderte Menschen. Im Jahresdurchschnitt wurden 2016 circa 23.000 Personen gefördert (BMBF 2017: 78). Die berufliche Bildung in den Werkstätten unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von einer Berufsausbildung im dualen System: Sie dauert nur 24 Monate, der Lernort Berufsschule ist meist nicht verankert, die angestrebten Kompetenzprofile sind nicht standardisiert und es fehlen die für eine Berufsausbildung typischen Ordnungsmittel. 24 4 Betriebliche Einflussfaktoren für das Angebot von Ausbildungsressourcen Die Motivlagen der Unternehmen können Hinweise darauf keine Möglichkeit zur Übernahme seiner Auszubildenden geben, unter welchen Bedingungen Ausbildungsressour- sieht (Mohr et al. 2015: 5) cen (Ausbildungs- und Praktikumsstellen) generell bzw. speziell für Personen mit Unterstützungsbedarf angebo- Die Entkopplung von Beschäftigung und Ausbildung lässt ten werden. Diverse Untersuchungen bieten hierzu einige sich über den Vergleich von Beschäftigtenzahlen und Aus- Hinweise, wenngleich die Konkretisierung auf der Ebene bildungsquote belegen. So ist zwischen 1999 und 2015 die einzelner Berufsgruppen und Branchen noch weiterer Ver- Zahl der Beschäftigten um 12,1 Prozent gestiegen, während tiefung bedarf. die der Auszubildenden im gleichen Zeitraum um 6,7 Prozent gesunken ist (Baas und Baethge 2017: 15). Die Ausbil- Im Einzelnen werden folgende Faktoren genannt: dungsquote ist in dieser Zeit von 6,5 auf 5,1 Auszubildende pro 100 Beschäftigte gesunken (ebd.: 26). Besonders stark • • Abhängigkeit von der konjunkturellen und strukturellen vollzog sich die Spreizung zwischen Beschäftigung und Wirtschaftsentwicklung Ausbildung in Kleinst- und Kleinbetrieben. Ertrags- vs. Investitionsmotive bei der Personalrekrutierung Die genauen Gründe für diese neue Situation sind noch un- • Neuausrichtungen der Personalrekrutierung klar. Eine mögliche Interpretation besteht darin, dass kon- • Bereitschaft zu besonderen Anstrengungen bei der junkturelle von wirtschaftsstrukturellen Einflüssen über- Ausbildung spezifischer Zielgruppen lagert werden. Dabei würden beispielsweise im Rahmen der Bisherige Erfahrungen in der Ausbildung spezifischer verstärkten Implementierung digitaler Technologien Stellen Zielgruppen überflüssig, die bisher Absolventen einer dualen Ausbildung Verfügbarkeit und Inanspruchnahme flankierender besetzt haben. Oder bislang von beruflich Qualifizierten be- Unterstützungsleistungen setzte Stellen sind mit erhöhten kognitiven Kompetenzan- • • forderungen verbunden und werden daher verstärkt mit 4.1 Konjunkturelle und strukturelle Wirtschaftsentwicklung Hochschulabsolventen besetzt. 4.2 Ausbildungsmotive Über viele Jahre korrespondierte die konjunkturelle Wirtschaftsentwicklung stark mit dem Angebot an Ausbildungs- Betriebe bieten aus unterschiedlichen Motiven Ausbildungs- stellen. Erst in der vergangenen Dekade ist zu beobachten, stellen an, wobei die eindeutige Zuordnung zu einem vor- dass sich trotz einer positiven Konjunktur die Ausbildungs- rangigen Ausbildungsmotiv oft schwierig ist. Die in der Li- betriebs- und die Ausbildungsquote für die unterschied- teratur häufig genannten betrieblichen Motive können wie lichen Betriebsgrößen rückläufig entwickeln. Als ein Indi- folgt zusammengefasst werden (Schönfeld et al. 2016): kator kann ein Befund aus dem BIBB-Qualifizierungspanel angeführt werden: Mit 43 Prozent ist der für betriebliche • Produktions- bzw. Ertragsmotiv: Bei Betrieben, für die Ausbildungsabstinenz am häufigsten genannte Grund der dieses Motiv hohe Bedeutung hat, stehen die produk- fehlende Bedarf an selbst ausgebildeten Nachwuchskräften. tiven Leistungen der Auszubildenden und die durch sie Jeder vierte Betrieb (25 %) gab dort ferner an, weniger oder erzielten Erträge im Vordergrund. Die Kosten der Aus- gar keine Ausbildungsverträge mehr abzuschließen, weil er bildung werden nach Möglichkeit bereits während der 25 BETRIEBLICHE EINFLUSSFAKTOREN FÜR DAS ANGEBOT VON AUSBILDUNGSRESSOURCEN Ausbildungszeit gedeckt. Eine Übernahme der Auszu- gen können, bestehen an dieser Stelle Ansatzpunkte für bildenden ist wirtschaftlich nicht notwendig, damit die die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsressourcen. Ausbildungsinvestitionen der Betriebe sich auszahlen; • sie ist aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. Wenzelmann Empirische Untersuchungen beschränken sich meist auf et al. 2016). Erhöhte Aufwendungen aufgrund relativ das Produktions- und das Investitionsmotiv. Zur Unter- schlechter Ausbildungsvoraussetzungen der Jugendli- scheidung der beiden Motive werden prinzipiell vor allem chen gefährden das Kalkül der Betriebe, über die Ausbil- zwei Kenngrößen herangezogen: das Übernahmeverhalten dung bereits früh Erträge zu erwirtschaften, und können der Betriebe und die Nettokosten der Ausbildung (vgl. Moh- somit den Rückzug aus der Ausbildung begünstigen. renweiser und Backes-Gellner 2010). Investitionsmotiv (vgl. Merrilees 1983): Bei diesem Motiv verfolgen die Betriebe das Ziel, sich durch die 4.3 Strategie der Personalrekrutierung Ausbildung vom externen Arbeitsmarkt unabhängig zu machen. Ausbildungskosten werden bis zu einem be- Ein weiterer potenzieller Entscheidungsfaktor ist für ein- stimmten Maß in Kauf genommen, da durch die Über- zelne Berufe – besonders in technologie- und dienstleis- nahme der Absolventen mittel- und langfristig wirk- tungsintensiven Branchen (BIBB 2017: 232) – eine aufgrund same Erträge entstehen. Der produktive Einsatz der erhöhter Kompetenzanforderungen veränderte Strategie in Auszubildenden steht nicht im Vordergrund. Ausbildung der Personalrekrutierung und -bindung. Demnach würde wird vor allem als eine Investition in die Zukunft be- sich die Personalrekrutierung verstärkt von den Absolventen trachtet. In diesem Fall können erhöhte Aufwendungen beruflicher zu akademischen Bildungsgängen verschieben. dazu führen, dass sich das Investitionsrisiko erhöht und ggf. alternative Rekrutierungswege interessant werden. Überlegungen einer möglichen Verschiebung der Personalrekrutierung von Ausbildungs- zu Hochschulabsolventen • • Screening-Motiv (vgl. Franz und Zimmermann 2002): treffen im Kern die Akademisierungsdiskussion. Durch die Dieses Motiv bewertet die Ausbildung als eine verlän- deutliche Zunahme von Schulabsolventen mit Hochschul- gerte Probezeit. Die Betriebe können die Auszubildenden zugangsberechtigung und die aufgrund gleichbleibender über einen längeren Zeitraum beobachten und testen, Übergangsquoten ebenfalls erhöhte Zahl an Studienanfän- um dann diejenigen zu übernehmen, die am besten in gern geraten Berufsbildung und Hochschulbildung in eine das betriebliche Anforderungsprofil passen. neue Relation. Reputationsmotiv: Bei diesem Motiv erhoffen sich die Dass sich Bildungswege von der Berufsausbildung in Rich- Betriebe durch die Ausbildung ein höheres Ansehen bei tung Studium verschieben, ist zunächst eine Möglichkeit. externen Stakeholdern und damit eine Verbesserung Allein aus der Überschneidung von Ausbildungs- und Stu- ihrer Marktsituation. Das gestiegene Image kann so die dienangeboten lässt sich noch keine Verschiebung zwischen Kosten der Ausbildung bzw. die Personalgewinnungs- ihnen begründen. Seit 2013 übersteigt die Zahl der Studien- kosten für neue Fachkräfte reduzieren. anfängerinnen und -anfänger in Deutschland jene der Anfängerinnen und Anfänger in der dualen Berufsausbildung • Sozialverantwortungsmotiv: Betriebe mit diesem Motiv (AGBB 2016: 278).3 Eine wesentliche Ursache für diese Ent- bemühen sich aus sozialer Verantwortungsbereitschaft, wicklung kann in einem veränderten Bildungsverhalten jungen Menschen mit Startnachteilen eine Chance zu gesehen werden: Immer mehr Jugendliche streben über die geben. Sie sehen dabei nicht nur die zusätzlichen He- allgemeinbildenden oder beruflichen Schulen eine Hoch- rausforderungen und Belastungen, sondern auch die schulzugangsberechtigung an. Bei steigender Studienbe- Chancen und möglichen Vorteile, die ein solches Enga- rechtigtenquote und konstanten Übergangsquoten in die gement mit sich bringt. So stimmen beispielsweise in Hochschulen führt die Entwicklung dazu, dass sich die An- einer Betriebsbefragung 89 Prozent der Befragten der teile von der beruflichen zur akademischen Bildung verla- Aussage zu, dass „Ausbildung der beste Weg ist, um gern. Geflüchtete in die Gesellschaft zu integrieren“ (Ebbinghaus 2017: 8). Selbst wenn die Äußerung nicht notwendigerweise mit dem eigenen Handeln übereinstimmt und auch bei Aktivitäten im Rahmen einer Corporate Social Responsibility ökonomische Motive mitschwin- 26 3 Während die Zahl der Neuzugänge im dualen System zwischen 2007 und 2015 um rund 90.000 von 570.000 auf 480.000 gefallen ist, stieg sie im Bereich der Hochschulen um etwa 130.000 auf 505.000 im Jahr 2015 (AGBB 2016: 278, 297). Dieser Vergleich ist nicht bereinigt um ca. 110.000 ausländische Studienanfänger in Deutschland und ca. 120.000 deutsche Studienanfänger im Ausland (AGBB 2016: 300, 303). BETRIEBLICHE EINFLUSSFAKTOREN FÜR DAS ANGEBOT VON AUSBILDUNGSRESSOURCEN Ein Teil der Hochschulzugangsberechtigten nimmt nach rekrutierung (z. B. über den Arbeitsmarkt oder von Hoch- Ende der Schulzeit kein Studium auf, sondern mündet in schulabsolventen); oder sie sind bereit, über zusätzliche eine duale oder schulische Berufsausbildung. Eine Verschie- Ausbildungsanstrengungen – ggf. auch mit externer Unter- bung von der beruflichen zur akademischen Bildung fin- stützung – bestehende Startnachteile der Auszubildenden det statt, wenn sich die Entscheidungen der maßgeblichen auszugleichen. Akteure – insbesondere das Bildungsverhalten der Schulabsolventen sowie das Personalrekrutierungsverhalten der In vielen Branchen und Berufen war für Betriebe in den ver- Betriebe – verändern und im Hochschulbereich durch die gangenen Jahren eine „Bestenauslese“ möglich. Sie konn- Einführung neuer Studienangebote veränderte Rahmenbe- ten unter zahlreichen Bewerberinnen und Bewerbern wäh- dingungen für das Entscheidungsverhalten entstehen. Der len, meist auch unter solchen mit hohen schulischen Schritt von der Möglichkeit zur Wirklichkeit wird demnach Bildungsabschlüssen. Die gestiegenen Bildungsvorausset- primär von diesen drei Faktoren beeinflusst. zungen bei der Rekrutierung von Auszubildenden führten beispielsweise dazu, dass der Anteil der Ausbildungsanfän- Die Befunde zu der Frage, ob Betriebe in ihrer Rekrutie- ger mit einer Studienberechtigung von 20,3 Prozent im Jahr rungspraxis künftig verstärkt Ausbildungs- durch Studien- 2009 auf 27,7 Prozent im Jahr 2016 gestiegen ist. In Bun- absolventen ersetzen, sind nicht eindeutig. Gegen eine sol- desländern wie Hamburg oder Nordrhein-Westfalen liegt che Verdrängungsthese spricht sowohl eine Befragung des die Quote bei über 40 Prozent (BIBB 2017: 143). In einem Instituts der deutschen Wirtschaft (vgl. Konegen-Grenier solchen Rahmen blieben für die Betriebe die Anforderun- et al. 2011) als auch eine international vergleichende Studie gen an ihre originären Ausbildungsanstrengungen begrenzt des BIBB (vgl. Hippach-Schneider und Weigel 2013). Beide (vgl. Gerhards und Ebbinghaus 2014). Insbesondere auf- kommen zu dem Ergebnis, dass Unternehmen Bachelorab- grund der demographischen Entwicklung und des zur aka- solventen überwiegend auf Positionen einsetzen, die zuvor demischen Bildung sich verschiebenden Wahlverhaltens bereits von anderen Hochschulabsolventen besetzt wur- der Schulabsolventen müssen sich viele Betriebe um- und den. Allerdings „findet sich in einigen Studienfächern ein verstärkt darauf einstellen, bei den Auszubildenden nicht hoher Anteil an Bachelorabsolventen, der einen Hochschul- bereits Kompetenzen vorauszusetzen, sondern diese durch abschluss für die ausgeübte Beschäftigungsposition gar teils aufwendige Prozesse noch zu entwickeln. nicht für erforderlich ansieht“ (AGBB 2016: 142). So liegt die Quote in anwendungsorientierten Studiengängen wie Wirt- In der DIHK-Ausbildungsumfrage wird berichtet, dass die schaftswissenschaften (Uni: 30 %; FH: 29 %) zwar niedri- Betriebe zunehmend bereit sind, auch „lernschwächere Ju- ger als in Studiengängen mit einem weniger engen Anwen- gendliche auszubilden“ (DIHK 2017: 20). Zugleich nutzen dungsbezug (z. B. Geisteswissenschaften: 39 %), ist jedoch sie zunehmend Instrumente, die staatlicherseits angeboten als durchaus bedeutend zu werten. Daraus ließe sich insbe- werden, um die erhöhten Ausbildungsanstrengungen zu sondere für die kaufmännischen Ausbildungsberufe ein Ge- bewältigen. Die Übersicht in Abbildung 8 zeigt, wie die Be- fährdungspotenzial begründen. triebe auf die (vermeintliche) „mangelnde Ausbildungsreife von Schulabgängern“ reagieren (ebd.): 4.4 Bereitschaft zu besonderen Anstrengungen in der Ausbildung spezifischer Zielgruppen Punktuelle Hinweise auf den Umfang der Bereitschaft von Betrieben, Ausbildungsressourcen für Jugendliche mit Startnachteilen bereitzustellen, bietet auch eine Betriebsbefragung von 1.351 Klein- und Mittelbetrieben mit Bezug Die jährliche Ausbildungsumfrage des DIHK führt für 2017 zu zehn Ausbildungsberufen (vgl. Ebbinghaus 2017). Die aus, dass der häufigste genannte Grund für die Nichtbeset- Betriebe wurden gefragt, inwieweit sie „von sich aus“ Prak- zung von Ausbildungsplätzen der Mangel an geeigneten tikums- und Ausbildungsstellen für Geflüchtete angebo- Bewerbern sei. 68 Prozent der Betriebe hätten zwar Be- ten haben. Die Befunde bestätigen die Literaturlage, wel- werbungen erhalten, die Bewerber seien aber nicht geeig- che eine gewisse Ambivalenz dokumentiert: „Auf der einen net für den angebotenen Ausbildungsplatz gewesen (DIHK Seite wird berichtet, dass Betriebe die Ausbildung junger 2017: 11). Diese Zahl drückt zunächst aus, dass die Betriebe Geflüchteter als wichtige Integrationsaufgabe und in jungen ihre Rekrutierungserwartungen durch die eingehenden Be- Schutzsuchenden durchaus auch eine Zielgruppe sehen. Auf werbungen nicht erfüllt sehen. Aus dieser Situation kön- der anderen Seite wird – mehr oder minder große – Zurück- nen sie dann zwei unterschiedliche Konsequenzen ziehen: haltung der Betriebe konstatiert, wenn es darum geht, […] Entweder suchen sie nach anderen Formen der Personal- eigens für diese Gruppe entsprechende Plätze anzubieten“ 27 BETRIEBLICHE EINFLUSSFAKTOREN FÜR DAS ANGEBOT VON AUSBILDUNGSRESSOURCEN ABBILDUNG 8 Ansätze von Unternehmen für Jugendliche mit Unterstützungsbedarf Wie reagieren Sie auf die mangelnde Ausbildungsreife von Schulabgängern? (in %; Mehrfachantworten möglich) Eigenes Angebot von Nachhilfe im Unternehmen Nutzung ausbildungsbegleitender Hilfen der Agentur für Arbeit Chance für lernschwächere Jugendliche auch ohne öffentliche Unterstützung Keine Möglichkeit für den Einsatz von lernschwächeren Jugendlichen Angebote betrieblicher Praxisphasen für Jugendliche von Bildungsträgern Angebote betrieblicher Einstiegsqualifizierung (EQ) Angebote langfristiger Schülerpraktika zum Lernen im Betrieb (z. B. Praxisklassen) Bessere Informationen zu Stärken/Schwächen von Jugendlichen Nutzung zweistufiger Ausbildungsmodelle (zweijähriger Beruf) Einsatz ehrenamtlicher Mentoren/Paten Einsatz der assistierten Ausbildung Andere Reaktionen 2017 2016 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Quelle: DIHK 2017: 20 (ebd.: 2). Die Befragung ergibt einen Anteil von rund zehn In eine grundsätzlich ähnliche Richtung deuten Befunde zur Prozent an Betrieben, die für Geflüchtete eine Ausbildungs- Bereitschaft von KMU, für Geflüchtete Ausbildungs- oder oder Praktikumsstelle angeboten haben (ca. 8 % bei Kleinst- Praktikumsstellen anzubieten. Zwölf Prozent der Betriebe betrieben mit unter 10 Beschäftigten; ca. 14 % bei Mittelbe- mit Erfahrungen in der Beschäftigung von Mitarbeitern mit trieben mit 50 bis 240 Beschäftigten). Zugleich geben die Migrationshintergrund sind bereit, entsprechende Ausbil- Betriebe an, dass sie auf etwa 70 Prozent der angebotenen dungsressourcen anzubieten, bei Betrieben ohne diese Er- Plätze keine Resonanz erhalten haben (ebd.: 6). Möglicher- fahrungsgrundlage beträgt der Anteil nur sieben Prozent weise funktionieren die Vermittlungswege in diesem Be- (Ebbinghaus 2017: 7). reich noch nicht sehr gut. 4.5 Erfahrungen in der Ausbildung spezifischer Zielgruppen 4.6 Inanspruchnahme bestehender Unterstützungsleistungen Für die Ausbildung von Zielgruppen mit besonderem Unter- Aus zwei Bereichen liegen Befunde darüber vor, dass Be- stützungsbedarf existieren bereits zahlreiche Instrumente triebe eine erhöhte Bereitschaft zur Ausbildung von Jugend- und Angebote, die Unternehmen in Anspruch nehmen lichen mit besonderem Unterstützungsbedarf zeigen, wenn können. Dabei wird immer wieder deutlich, dass viele der sie bereits gute Erfahrungen damit sammeln konnten. So Leistungen nur sehr begrenzt genutzt werden. Dies kann berichten Enggruber und Rützel (2014), dass etwa 47 Pro- entweder darauf zurückgeführt werden, dass sie den Unter- zent der Betriebe „überwiegend positive“ Erfahrungen mit nehmen nicht hinreichend bekannt sind oder dass ihre In- der Ausbildung von Jugendlichen mit Behinderungen ma- anspruchnahme als organisatorisch zu aufwendig und bü- chen, rund 39 Prozent bewerten sie als „teil, teils“. Etwa 61 rokratisch empfunden wird (BIBB 2017: 453). Denkbar ist Prozent der Betriebe bilden Jugendliche mit Behinderungen ferner, dass einzelne Leistungen den Bedarf nicht genau deshalb aus, weil sie schon gute Erfahrungen in der Ausbil- treffen oder aus betrieblicher Sicht spezifische Unterstüt- dung mit ihnen gemacht haben (Enggruber und Rützel 2014: zungsleistungen vermisst werden. 36). 28 5 Programme zur Förderung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung Ausgehend von der Darstellung der Problemlage (vgl. Ka- ner können übergeordnete Strategien der Personalrekrutie- pitel 2 und 3) und den in der einschlägigen Literatur skiz- rung das Angebot beeinflussen, etwa wenn in Branchen mit zierten Einflussfaktoren für das Angebot von betrieblichen entsprechenden Kompetenzprofilen eine Verlagerung er- Ausbildungsressourcen werden in Abbildung 9 die zentralen folgt: weg von Absolventen der beruflichen Bildung, hin zu Faktoren zusammengefasst. solchen aus der akademischen Bildung. Bedeutsam können darüber hinaus frühere Erfahrungen mit der Ausbildung Das Angebot betrieblicher Ausbildungsressourcen wird zum spezifischer Zielgruppen sein. Schließlich kann die Wahr- einen von betrieblich induzierten Faktoren beeinflusst. nehmung bestehender Unterstützungsleistungen Einfluss Die Attraktivität von Branche und Beruf erscheint hier zu- auf das betriebliche Ausbildungsverhalten haben. nächst als ein Faktor, der sich auf die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen auswirkt. Unter der Perspektive der Be- Neben den betrieblich induzierten können bewerberindu- setzungs- und Passungsproblematik kann eine fehlende zierte Faktoren die Entscheidung für oder gegen die Bereit- Nachfrage in der Folge dazu führen, dass sich Betriebe aus stellung von Praktikums- oder Ausbildungsplätzen beein- der Ausbildung zurückziehen und auf andere Formen – für flussen. Wesentlich sind dabei die Ausbildungsvorausset- sie nicht zwangsläufig gleichermaßen günstige Alternati- zungen, sowohl in kognitiver und motivationaler als auch in ven – der Personalrekrutierung ausweichen. Ein zentraler sozialer und emotionaler Hinsicht. Eine zentrale Bedeutung Einflussfaktor sind die Ausbildungsmotive, insbesondere kommt ferner dem Bildungswahlverhalten zu, das mehr die Bereitschaft zu besonderen Anstrengungen hinsichtlich oder weniger von Erfahrungen aus der Berufsorientierung der Ausbildung von Jugendlichen mit Startnachteilen. Fer- in allgemeinbildenden Schulen beeinflusst werden kann. ABBILDUNG 9 Einflussfaktoren des Angebots betrieblicher Ausbildungsressourcen Einflussfaktoren Betrieblich induziert · Attraktivität Branche/Beruf (Einkommen, Karriere, Ausbildungsqualität, Arbeitsbedingungen, Image etc.) · Ausbildungsmotive (Bereitschaft zu besonderen Ausbildungsanstrengungen etc.) · Strategie Personalrekrutierung · Ausbildungserfahrungen (insb. mit spezifischen Zielgruppen) · Externe Unterstützungsleistungen Übergreifend · Demographie · Flexible Ausbildungsstrukturen Beschäftigung · Kognitive Leistungsfähigkeit/ sozio-emotionale Stabilität · Berufsorientierung/ Berufswahlverhalten Quelle: eigene Darstellung 29 PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG Zusätzlich sind zwei übergreifende Faktoren zu nennen, die ausgerichtet sind. Neben diesen Bundesprogrammen exis- je nach Branche und Beruf möglicherweise auf das Ausbil- tieren viele Förderprogramme in den Bundesländern sowie dungsangebot einwirken. Die demographische Entwicklung zahlreiche Initiativen von Stiftungen, Verbänden etc. bestimmt den quantitativen Rahmen, innerhalb dessen die Jugendlichen eine Ausbildung nachfragen. Je enger der Rah- Im Folgenden werden relevante Förderprogramme, die men und je geringer die Attraktivität bestimmter Branchen in den vergangenen vier Jahren auf Bundesebene aufge- und Berufe, desto schwerer werden Betriebe es haben, Ju- legt wurden, mit ihren zentralen Zielbezügen skizziert. An- gendliche mit guten Ausbildungsvoraussetzungen für an- schließend werden die Programme den oben skizzierten gebotene Stellen zu finden. Ferner kann die Flexibilität der Einflussfaktoren der Bereitstellung betrieblicher Ausbil- Ausbildungsstrukturen auf das betriebliche Ausbildungs- dungsressourcen zugeordnet. verhalten wirken: Je flexibler die Strukturen, desto besser können Betriebe ihre Möglichkeiten und Erwartungen auf die Ausbildung abstimmen. So bieten beispielsweise Strukturmodelle mit Möglichkeiten zur Differenzierung eines Initiative „Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss“ Ausbildungsgangs über Fachrichtungen, Schwerpunkte, Wahlqualifikationen u. a. flexiblere Ausbildungsformen als Seit 2010 fördert das BMBF mit unterschiedlichen Kom- ein monolithisch strukturierter Bildungsgang mit festen In- ponenten die „präventive und ganzheitliche Sicherung halten. des Bildungserfolgs junger Menschen durch die sukzessive Schaffung einer strukturierten und kohärenten Förderpoli- Die einzelnen Faktoren sind durch politische Interventio- tik von Bund (BMBF und BMAS), BA und Ländern in der Be- nen in unterschiedlichem Maße beeinflussbar. Beispiels- rufsorientierung und im Übergangsbereich“ (BMBF 2017: weise kann die Politik für die Betriebe Unterstützungs- 82). Die Programmkomponenten sind in Abbildung 10 zu- leistungen mit dem Ziel bereitstellen, die Bereitschaft zur sammengestellt. Ausbildung besonderer Zielgruppen (z. B. Geflüchtete, Jugendliche mit Behinderungen) zu erhöhen. Die Entschei- Einige dieser Komponenten beziehen sich enger auf die dung und damit Verantwortung für die Inanspruchnahme skizzierten Einflussfaktoren für das Angebot betrieblicher der Leistungen bzw. die dadurch induzierte Bereitstellung Ausbildungsressourcen: von Ausbildungsressourcen liegt jedoch in der bestehenden Wirtschaftsverfassung bei den Betrieben. In gleicher Weise • Unterstützung von Jugendlichen zur Verbesserung ihrer kann mit intensiven Formen der Berufsorientierung auf das Ausbildungsvoraussetzungen durch betriebsnahe Über- Bildungswahlverhalten der Schulabsolventen eingewirkt gangsmaßnahmen (z. B. Einstiegsqualifizierung), Be- werden. Ob jedoch beispielsweise Informationen über Aus- rufseinstiegsbegleitung und regionale Koordinierung im bildungsmöglichkeiten in wenig bekannten Berufsfeldern Rahmen von Jugendberufsagenturen die Entscheidung für eine Ausbildung beeinflussen, bestimmen letztlich die Jugendlichen. Daraus resultiert, dass För- • Unterstützung von Auszubildenden und Betrieben, u. a. derprogramme zur Erhöhung betrieblicher Ausbildungs- durch Formen der assistierten Ausbildung und ausbil- ressourcen zwar relevant sein können, ihre Wirkung jedoch dungsbegleitende Hilfen (abH) (BMBF 2015: 81; BMBF unvermeidbar von den jeweiligen Akteuren – den Betrieben 2017: 113 f.) und jugendlichen Ausbildungsbewerbern – abhängt. • Maßnahmen zur „Verhinderung von Ausbildungsabbrü- Welche Fördermaßnahmen sind vor diesem Hintergrund chen“ (VerA) durch rund 3.000 ehrenamtliche Ausbil- empfehlenswert? In welchen Bereichen wären neue bzw. dungsbegleitungen (BMBF 2015: 80; BMBF 2017: 82) ergänzende Maßnahmen zu konzipieren? Bevor neue Maßnahmen erwogen werden, ist zunächst ein Ausbildungsstrukturprogramm „Jobstarter“ Überblick über bereits erprobte oder aktuell praktizierte Maßnahmen zu geben. Auf Bundesebene wurden von unter- Seit 2006 fördert das BMBF mit wechselnden Schwerpunk- schiedlichen Ressorts mit beträchtlichen Mitteln langjährige ten Projekte zur Verbesserung regionaler Ausbildungsstruk- Förderprogramme aufgelegt, von denen viele heute noch be- turen und zur Erprobung innovativer Ausbildungsansätze. stehen. Dazu kommen kleinere Programme und Maßnah- Bezogen auf die skizzierten Einflussfaktoren sind die fol- men, die auf spezifische Fragestellungen und Bedarfslagen genden Komponenten hervorzuheben: 30 PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG ABBILDUNG 10 Konzept Bildungsketten Landeskonzept Potenzialanalyse Regionale Koordinierung, Jugendberufsagenturen Berufsorientierung z. B. BOP, BOM, Praktika Integration in betriebliche Ausbildung Übergangsbereich z. B. EQ, assistierte Ausbildung Ausbildung z. B. abH, VerA Berufsabschluss Schulisches Berufsorientierungskonzept Coaching: Berufsbegleitung Gestaltungs- und Begleitinstrument Berufswahlpass Quelle: BMBF 2017: 83 • Regionale Projekte zur Entwicklung von Ausbildungs- von Schulabsolventen, auch im Hinblick auf Berufe und plätzen in KMU, darunter viele erstmals ausbildende Branchen, die zunächst nicht im Brennpunkt der Aufmerk- Unternehmen. Dabei wurden KMU besonders in der Vor- samkeit stehen. Die quantitativ bedeutendsten Instrumente bereitung und Durchführung der Ausbildung durch ein der Berufsorientierung und -beratung: „externes Ausbildungsmanagement“ unterstützt (BMBF 2015: 78; BMBF 2017: 101). • Berufsorientierungsprogramm des BMBF in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten • Einrichtung von Koordinierungsstellen Ausbildung und (BOP). Es geht um die frühe Steigerung der Berufs- bzw. Migration (KAUSA) zur Erhöhung der Ausbildungsbe- Studienwahlkompetenz von Schülern. 2016 wurden teiligung von Selbstständigen mit Migrationshinter- Maßnahmen für rund 250.000 Schülerinnen und Schüler grund und Verbesserung der Zugangswege für Jugend- bewilligt. Zusätzlich wurden mit dem BOF-Programm liche mit Migrationshintergrund (BMBF 2016: 108; Maßnahmen für junge Geflüchtete umgesetzt. BMBF 2017: 87) • • Berufsberatung und Berufsorientierung durch die BA Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit, um Be- nach § 48 SGB III: Die Berufsorientierungsmaßnahmen setzungs- und Passungsprobleme in ausgewählten (BOM) der BA dienen der vertieften Berufsorientierung Branchen zu verringern (BMBF 2017: 87) und Berufswahlvorbereitung von Schülern an allgemeinbildenden Schulen. Bestandteile der BOM sind • Über die Entwicklung von bundeseinheitlichen und fakultativ: Berufsfeldinformationen, Interessenerkun- kompetenzorientierten Ausbildungsbausteinen sowie dungen, Eignungsfeststellungen, die Vermittlung von Zusatzqualifikationen sollen die Ausbildungsstrukturen Strategien zur Berufswahl- und Entscheidungsfindung flexibler gestaltet werden und besser auf die Bedarfs- sowie Kurzzeitpraktika. Im Pilotprojekt „Lebensbeglei- lagen der Unternehmen sowie die Voraussetzungen der tende Berufsorientierung“, das derzeit in vier Arbeits- Jugendlichen abgestimmt werden (BMBF 2015: 79 f.; agenturen erprobt wird, ist vorgesehen, die Kooperation BMBF 2016: 110). mit Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen erheblich zu verstärken und die Berufsberatung im Portfolio der Maßnahmen insgesamt höher zu gewichten. Programme „Berufsorientierung“ • In der Initiative „Inklusion – Teilhabe schwerbehinder- Maßnahmen einer besseren Berufsorientierung zielen auf ter Menschen am Arbeitsleben“ fördert das BMAS zwi- die verbesserte Information und Entscheidungskompetenz schen 2011 und 2017 Maßnahmen zur verbesserten be- 31 PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG ruflichen Orientierung schwerbehinderter Schüler problemen entgegengewirkt bzw. sollen mehr Schulab- (BMBF 2017: 90). solventen für eine duale Ausbildung motiviert werden. Folgende Initiativen sind hier besonders hervorzuheben: • Zwischen 2010 und 2015 förderte das BMBF im Projekt „coach@school“ die Tätigkeit von ehrenamtlich enga- • Informationsoffensive „Berufliche Bildung – praktisch gierten Menschen als unabhängige Coaches bei der Be- unschlagbar“ (2014–2015) bzw. „Du + Deine Ausbildung rufsorientierung (BMBF 2016: 89). = praktisch unschlagbar“ (2016–2018). Die Kampagnen zielen darauf, durch eine altersgerechte Ansprache (z. B. • Daneben bestehen zahlreiche Berufsorientierungsan- in Social-Media-Kanälen) junge Menschen auf die duale gebote von Ländern, Kommunen, Vereinigungen (z. B. Ausbildung aufmerksam zu machen und diese aktiv zu „Schule-Wirtschaft“) und Verbänden. bewerben. • Programme „Ausbildungsunterstützung KMU“ An dem jährlichen „Girls‘ Day – Mädchen-Zukunftstag“ sollen u. a. technische Unternehmen ihre Türen für 10- bis 17-jährige Mädchen öffnen, um ihnen Einblicke Einzelne Programme zielen – neben den bereits skizzierten in die Arbeitswelt zu geben und eine frühzeitige Kon- Angeboten (z. B. assistierte Ausbildung, ausbildungsbeglei- taktaufnahme zu Praktikums- und Personalverantwort- tende Hilfen) – auf die Unterstützung von KMU bei der Ge- lichen zu ermöglichen. „Mädchen sollen damit moti- staltung ihrer Ausbildung bzw. der Bewältigung von Beset- viert werden, sich mit einer späteren Berufstätigkeit in zungs- und Passungsproblemen. Die folgenden Initiativen Berufsfeldern auseinanderzusetzen, die sie bislang nur sind hervorzuheben: selten im Blick haben“ (BMBF 2017: 119). • Das Programm „Passgenaue Besetzung“ des BMWi för- • An dem jährlichen „Boys‘ Day – Jungen-Zukunftstag“ dert seit 2007 Beraterinnen und Berater, die KMU bei sollen 10- bis 17-jährige Jungen neue Berufsoptionen der Besetzung ihrer offenen Ausbildungsplätze unter- kennenlernen und dadurch ihr Berufswahlspektrum er- stützen. Eine Komponente des Programms ist die In- weitern. itiative „Willkommenslotsen“, über die einerseits die Fachkräftesicherung von KMU unterstützt und anderer- • „Green Days“ sind Orientierungstage in Unternehmen seits ein Beitrag für die Integration von Flüchtlingen in und Hochschulen, die Schülerinnen und Schüler über den Arbeitsmarkt geleistet werden soll (BMBF 2017: 88). Berufsfelder und Studienfächer mit Klima- und Um- So sollen u. a. Unternehmen bei rechtlichen, administ- weltschutzbezug informieren. rativen und anderen Fragen der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Flüchtlingen unterstützt werden. • • Programme „Ausbildungsunterstützung von Jugendlichen“ In dem Programm „Neue Wege in die duale Ausbildung – Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“ Zahlreiche Programme zielen auf die Unterstützung von wurden 17 Modellversuche gefördert, in denen innova- Jugendlichen bei der Aufnahme und Durchführung einer tive Konzepte zur Unterstützung von KMU entwickelt, Berufsausbildung. Neben den bereits skizzierten Maßnah- erprobt und evaluiert wurden (BMBF 2015: 74). men sind dies insbesondere folgende: Seit vielen Jahren beteiligt sich der Bund an der Finan- • Alle jungen Menschen haben Zugang zur Ausbildungs- zierung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten, durch vermittlung sowie einen Anspruch auf Berufsaus- die u. a. KMU in der betrieblichen Ausbildung entlastet bildungsbeihilfe während der Berufsausbildung und werden. berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten, zur Unterstützung des Ausgleichs am Ausbildungsmarkt sowie zur Programme „Ausbildungsmarketing“ Sicherung und Verbesserung der beruflichen Mobilität (BMBF 2017: 112). Mit dem Ziel, die Attraktivität der Ausbildung in bestimmten Bereichen zu steigern, soll Besetzungs- und Passungs- 32 PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG TABELLE 12 Potenzielle Faktorenansprache durch Förderprogramme Einflussfaktoren – betrieblich induziert Förderprogramme Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss Flexible Ausbildungsstrukturen Ausbildungsmotive Strategie Personalrekrutierung Ausbildungserfahrungen Externe Unterstützung Kognitive/ sozioemotionale Entwicklung + (+) (+) (+) ++ ++ (+) (+) (+) ++ + + Ausbildungsunterstützung KMU Programme zum Ausbildungsmarketing Übergreifend Attraktivität Branche/ Beruf Ausbildungsstrukturprogramm Jobstarter Programme zur Berufsorientierung Einflussfaktoren – bewerberinduziert + (+) (+) (+) ++ Berufsorientierung/ Bildungswahlverhalten ++ ++ + + Ausbildungsunterstützung von Jugendlichen ++ + Quelle: Eigene Darstellung • Seit 2008 bietet die Initiative „Jugend stärken“ am Die Tabelle macht zunächst deutlich, welche Einflussfakto- Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf die ren unmittelbar durch die verschiedenen Förderprogramme Möglichkeit, Jugendliche mit besonderem sozialpädago- angesprochen werden. Beide bewerberinduzierten Faktoren gischen Unterstützungsbedarf zu fördern (BMBF 2015: sind durch das Förderinstrumentarium gut abgedeckt. Bei 74 f.; BMBF 2017: 84 f.). den betrieblich induzierten Faktoren zielen zahlreiche Programme auf die Bereitstellung von Unterstützungsleistun- • Zielgruppe des BMAS-Programms „RESPEKT – Pilot- gen für Unternehmen sowie die Verbesserung der Attrakti- programm für schwer zu erreichende junge Menschen“ vität einzelner Berufe und Branchen. Dabei können die För- sind 15- bis 25-Jährige, die sozial benachteiligt oder in- derprogramme hinsichtlich der Attraktivität jedoch letztlich dividuell beeinträchtigt sind und Schwierigkeiten haben, nur auf die Imageseite fokussieren, da die anderen Attrakti- eine ausbildungsbezogene oder berufliche Qualifikation vitätsmerkmale (Einkommen, Karriere, Ausbildungsquali- zu erreichen oder abzuschließen (BMBF 2017: 100). tät, Arbeitsbedingungen) weitgehend nur von den Betrieben selbst beeinflussbar sind. • Innerhalb der „ESF-Integrationsrichtlinie Bund“ (2014– 2019) werden Projektverbünde und Teilprojekte geför- Auch wenn die Einflussfaktoren „Ausbildungsmotive“, dert, die eine Integration von „jungen Menschen mit „Strategie Personalrekrutierung“ und „Ausbildungserfah- besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zu Arbeit oder rungen“ nicht unmittelbar durch Förderprogramme ange- Ausbildung“ unterstützen (BMBF 2017: 96 f.). sprochen werden können, erscheint es plausibel, dass externe Unterstützungsleistungen hier mittelbaren Einfluss • Für die Integration von jungen Geflüchteten in Aus- haben. Diese Leistungen können zu einer Reduktion der bildung und Beruf wurden zahlreiche Programme zur Ausbildungsaufwendungen führen und daher bei einer star- Sprachförderung aufgelegt, u. a. „Einstieg Deutsch“, ken Ausrichtung des Betriebs am Produktions- bzw. Er- „ESF-Programm zur berufsbezogenen Sprachförde- tragsmotiv die Wahrscheinlichkeit positiv beeinflussen, rung“ oder das „Bundesprogramm zur berufsbezogenen Ausbildungsressourcen bereitzustellen. Gleichermaßen Deutschsprachförderung“ (BMBF 2017: 97 ff.). kann die Inanspruchnahme von Unterstützung dazu beitragen, dass erstmals Jugendliche mit Startnachteilen aus- Die Übersicht in Tabelle 12 bezieht die eingangs skizzier- gebildet werden und die Erfahrungen aus der ersten Erpro- ten Einflussfaktoren auf die Leistungsmerkmale der unter- bung zu einem dauerhaften Engagement werden. schiedlichen Förderprogramme. 33 PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG Insgesamt schwache Ausprägungen in dem Tableau finden sich insbesondere bei den Faktoren „Strategie Personalrekrutierung“ und „Flexible Ausbildungsstrukturen“. Im Hinblick auf das Angebot betrieblicher Ausbildungsressourcen wäre bei der strategischen Planung der Personalrekrutierung zu vermeiden, dass verstärkt Wege jenseits der dualen Ausbildung eingeschlagen werden. In Berufen mit anspruchsvollen Kompetenzprofilen bestände ggf. in der Rekrutierung von Hochschulabsolventen eine Alternative, in anderen Berufen auch die Option der Rekrutierung über den Arbeitsmarkt. Auf die strategische Personalrekrutierung kann von außen durch die Gestaltung und Modernisierung von Berufen eingewirkt werden. Einen Interventionspunkt stellt demgemäß die Ordnungsarbeit dar: Es ist sicherzustellen, dass die betrieblichen Bedarfe über moderne Ordnungsgrundlagen abgedeckt werden können – dass zum Beispiel Berufe so (um-)gestaltet werden, dass sie zu erwartende erhöhte kognitive Anforderungen abdecken und somit den Betrieben nicht der Übergang zur Rekrutierung von Hochschulabsolventen nahegelegt wird. Eine ähnliche Konstellation findet sich beim Einflussfaktor „Flexible Ausbildungsstrukturen“. Auch hier wären branchenadäquate Strukturmodelle für die Gestaltung der Ordnungsgrundlagen zu gewährleisten – sowohl unter dem Kriterium der betrieblichen Bedarfsdeckung als auch dem der flexiblen Berücksichtigung heterogener Voraussetzungen bei den jugendlichen Ausbildungsbewerbern. 34 6 Zwischenfazit: Einschätzung zum Status quo und zur Skizzierung grundlegender Handlungsoptionen Ausgangspunkt dieser Darstellung war die rückläufige Ent- Im Überblick kann die aktuelle Situation wie in Abbildung 11 wicklung der Ausbildungsquote und der Ausbildungsbeteili- zusammengefasst werden. gung der Betriebe in der dualen Berufsausbildung. Während Ausbildungsbetriebs- und Ausbildungsquote kontinuierlich Die Analysen bilden die Grundlage für die Einschätzung zurückgehen, wächst die Nachfrage nach betrieblichen Aus- von bestehenden und ggf. die Entwicklung von neuen För- bildungsressourcen zunehmend. Dabei sind Ausbildungs-, derprogrammen. Durch welche Fördermaßnahmen lassen aber auch Praktikumsplätze im Rahmen unterschiedlicher sich die Einflussfaktoren für die Bereitstellung von Ausbil- Bildungsgänge angesprochen. Somit stellt sich die Frage, dungsressourcen ansprechen? wie der Trend einer rückläufigen Ausbildungsbeteiligung der Betriebe aufgehalten bzw. umgekehrt werden kann. Die Bei der Untersuchung bestehender Förderprogramme wurde Suche nach einer Antwort erfordert zunächst eine differen- primär auf jene des Bundes zurückgegriffen. Weitere Pro- zierte Betrachtung der Problemlagen auf dem Ausbildungs- gramme aus den 16 Bundesländern bzw. Initiativen von markt sowie der möglichen (Hinter-)Gründe und Einfluss- Stiftungen, Verbänden etc. sind nicht im Detail berücksich- faktoren der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung. tigt worden. Die Analysen sind dadurch begrenzt, dass kaum genaue Untersuchungen bzw. profunde Evaluationsergeb- In jüngster Zeit wächst das Besetzungs- bzw. Passungspro- nisse darüber vorliegen, inwieweit die Programme auf die blem. Dieses besteht nicht für den gesamten Ausbildungs- einzelnen Einflussfaktoren der betrieblichen Ausbildungs- markt, sondern für spezifische Bereiche der Angebots- wie beteiligung gewirkt haben. Das mag auch daran liegen, dass auch der Nachfrageseite: eine empirische Wirkungsforschung die Einflussgrößen hier kaum voneinander isolieren kann und insgesamt sehr auf- • Auf der Angebotsseite können Betriebe in ausgewähl- wendig wäre. Somit erfolgt die Auswertung und Würdigung ten Branchen und Berufen die angebotenen Ausbil- der vorliegenden Befunde unter Plausibilitätskriterien. dungsstellen nicht besetzen. Dabei bleibt weitgehend ungeklärt, ob die betroffenen Betriebe sich größten- Die Analysen verdeutlichen zunächst, welche Einflussfakto- teils auf Jugendliche mit bereits guten Ausbildungsvor- ren unmittelbar durch die verschiedenen Förderprogramme aussetzungen konzentrieren oder ob sie bereit sind, auf angesprochen werden (sollen). Hier zeigt sich, dass die bei- eine „Bestenauslese“ zu verzichten und mit besonderen den bewerberinduzierten Faktoren (Berufsorientierung Anstrengungen auch Jugendliche mit vergleichsweise sowie kognitive, soziale, emotionale und motivationale Vo- schlechten Voraussetzungen auszubilden. raussetzungen) in mehreren Programmen ebenso adressiert werden wie die betrieblich induzierten Faktoren „Ex- • Auf der Nachfrageseite haben insbesondere Jugendli- terne Unterstützung“ und „Image“. Auch wenn plausibel che mit Startnachteilen unverändert Schwierigkeiten, begründet werden kann, dass diese beiden Faktoren positiv eine für sie akzeptable Ausbildungsstelle zu finden. Aus mit den Einflussfaktoren „Ausbildungsmotive“, „Strate- den Analysen wird deutlich, dass vor allem Jugendliche gie Personalrekrutierung“ und „Ausbildungserfahrungen“ mit niedrigem Schulabschluss, aus Elternhäusern mit korrelieren, zeigt die Entwicklung der Indikatoren Ausbil- niedrigem formalen Bildungshintergrund, mit Migrati- dungsbetriebs- und Ausbildungsquote, dass ein Gesamtef- onshintergrund sowie Jugendliche mit Behinderungen fekt trotz dieser mit hohen Fördersummen unterlegten Pro- gefährdet sind, nach der Schulzeit keinen Ausbildungs- gramme ausbleibt bzw. sich gegenläufig vollzieht. abschluss zu erwerben. 35 ZWISCHENFAZIT ABBILDUNG 11 Ausbildungsressourcen – Angebot und Nachfrage Angebot Ausbildungsressourcen Nachfrage Ausbildungsressourcen Praktikumsplätze • Allgemeinbildende Schulen • Übergangssektor • (Praxisintegrierendes) duales Studium • Vollzeitschulische Berufsausbildung • Einstiegsqualifizierung (Besetzte) Betriebliche Berufsausbildung: 503.000 Offene, unbesetzte Ausbildungsstellen: 43.000 Unerschlossenes Ausbildungsangebot: ? Ausbildungsplätze • Ausbildungsmotive • Personalrekrutierung • Attraktivität Branche/Beruf (Besetzte) Betriebliche Ausbildungsstellen: 503.000 Außerbetriebliche Berufsausbildung: 17.000 Heterogene Motivlagen/ Ausbildungsvoraussetzungen • Bildungswahlverhalten • Besonderer Unterstützungsbedarf Übergangssektor: 299.000 Absehbarer Mehrbedarf: • Jugendliche mit Migrationshintergrund, Geflüchtete • Jugendliche mit Behinderungen • Nachqualifizierung BIBB 2017: 15, 16; BMBF 2017: 10. Eigene Darstellung Zusammengefasst: gramme wäre zu evaluieren, in welchem Maße die Instrumente die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe im Detail • Trotz zahlreicher Förderprogramme, die plausibel auf verändern und insofern auch wirken. Welche Effekte haben relevante Einflussfaktoren hin ausgerichtet sind, bleibt die Imagekampagnen auf die Wahrnehmung der Zielgrup- insgesamt ein Effekt aus bzw. zeigt sich dieser im Ge- pen? In welchem Maße und mit welchen Effekten werden samtbild als gegenläufig. die zahlreichen Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen? Inwieweit stabilisieren sie die Ausbildungsbe- • Auf Anreiz und Appell basierende Förderprogramme reitschaft der sie nutzenden Betriebe? Welche Ausbildungs- können den Kern des betrieblichen Entscheidungsver- motive sprechen die Unterstützungsleistungen jeweils an? haltens zum Stellenwert der dualen Berufsausbildung Stärken sie primär das Produktions- bzw. Ertragsmotiv, nicht unmittelbar erreichen. Sie mögen die Rahmenbe- oder können sie auch das Investitions- bzw. Sozialverant- dingungen für die betriebliche Entscheidung beeinflus- wortungsmotiv beeinflussen? Sind die Instrumente jeweils sen, doch die Entscheidung selbst ist in der bestehenden optimal ausgestaltet, oder lassen sie sich durch modifizierte Wirtschaftsverfassung den Betrieben vorbehalten. Diese Ausprägungen weiter optimieren? Grundkonstellation besteht übrigens auch bei jeder anderen staatlichen Intervention (z. B. bei der vor vielen Aus einer politischen Gestaltungsperspektive ließen sich Jahren in die Diskussion gebrachten Androhung einer zwei mögliche Richtungen einschlagen, die sich prinzipiell Ausbildungsumlage). nicht gegenseitig ausschließen, sondern komplementär verfolgt werden können: • Unverändert besteht großer Bedarf an betrieblichen Ausbildungsressourcen. Dabei umfasst die Nachfrage in • Optimierung: Bei dieser Option stände die Ausgestal- hohem Maße auch Jugendliche mit Startnachteilen, die tung der Förderansätze bzw. ihre Ergänzung um ähnli- bei der Gestaltung der Ausbildung besondere Anstren- che Instrumente und Maßnahmen im Vordergrund. Ge- gungen erfordern. stützt auf Befragungen, unabhängige Evaluationen oder Plausibilitätsüberlegungen wäre zu diskutieren, ob die Welche möglichen Schlussfolgerungen lassen sich aus der Umsetzung der existierenden Maßnahmen zu verbes- Situation ziehen? Hinsichtlich der bestehenden Förderpro- sern ist. Wie können staatliche Unterstützungsleistun- 36 ZWISCHENFAZIT gen besser bekannt gemacht und breiter in Anspruch genommen werden? Wie wären Imageaktionen zu gestalten, damit sie nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Interesse und Nachfrage auslösen? Wie lassen sich Ansätze einer Berufsorientierung in den Zielprofilen der Schulen verankern, die Kooperationen von Schule und externen Experten intensivieren und die Kompetenzen der Lehrkräfte in diesem Bereich verbessern? Welche weiteren Unterstützungsangebote für ausbildende Unternehmen sind möglich und sinnvoll? Wie können Jugendliche an für sie zunächst nicht attraktiv erscheinende Ausbildungsberufe herangeführt werden? Wie kann möglichen Vertragslösungen entgegengewirkt werden? • Subsidiäre Erweiterung staatlich geförderter Ausbildungsstellen: Sofern auf dem Ausbildungsmarkt kein quantitativ und qualitativ hinreichendes betriebliches Angebot gesichert wird, wären subsidiär staatlich geförderte Ausbildungsplätze zu schaffen. Ein solches zusätzliches Angebot wäre strukturell so zu gestalten, dass möglichst häufig und frühzeitig ein Wechsel in betriebliche Ausbildungsverhältnisse stattfinden kann. Erfolgt kein Wechsel, können die Jugendlichen ihre Ausbildung mit der staatlichen Förderung bis zur Kammerprüfung fortsetzen. Dabei kann es um Fragen wie die folgenden gehen: Inwieweit können neue Strukturmodelle die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhen? Welche Dynamik kann durch subsidiär staatlich geförderte Ausbildungsstellen ausgelöst werden? Wie lassen sich Übergänge von staatlich geförderten zu betrieblichen Ausbildungsplätzen gestalten? 37 7 Ansätze zur Ausweitung der Ausbildungsressourcen 7.1 Optimierung bestehender Förderkonzepte • Ein übergreifendes Problem bei der Ausrichtung einzelner Förderprogramme wird darin gesehen, dass sie oft zu kurz angesetzt werden und keine Kontinuität in der Förderung sicherstellen. Die folgenden Ausführungen fassen die Ergebnisse eines Workshops zum Thema „Optimierung bestehender Förderkonzepte“ zusammen. • Für eine sachorientierte Förderung wird es als wichtig erachtet, die vielerorts wahrgenommenen Haltungen • Die skizzierten Förderprogramme ließen sich noch- eines „Unternehmens-Bashings“ auf der einen und mals deutlich erweitern um solche, die u. a. auf Landes- eines „Jugendlichen-Bashings“ auf der anderen Seite ebene aufgelegt wurden. Prinzipiell besteht jedoch der abzuwehren. Schuldzuweisungen hinsichtlich einer Eindruck, dass es nicht an Programmen mangelt, son- fehlenden Ausbildungsreife von Unternehmen und/oder dern dass eher schon zu viele angeboten werden. Die ak- Jugendlichen erscheinen wenig konstruktiv. tuelle Förderlandschaft erscheint vielen Fachleuten als unübersichtlich; entsprechend kann vermutet werden, • Die ausschließliche Profilierung von Förderprogrammen dass auch Betriebe als potenzielle Adressaten sich mit auf „schwierige Zielgruppen“ kann eine negative Wahr- der Einordnung und Inanspruchnahme der Fördermög- nehmung beschleunigen. Es wäre zu überlegen, ob die lichkeiten schnell überfordert fühlen. Programme an positiv wahrgenommene Fragestellungen angehängt werden können (z. B. Schaffung zusätzlicher • Vor diesem Hintergrund wäre eine Kernaufgabe, nicht Ausbildungsplätze im Zusammenhang einer Digitalisie- weitere Programme zu schaffen, sondern die bestehen- rungsoffensive). den Angebote zu bündeln und in transparenten Förderpaketen auf regionale und zielgruppenspezifische • Erstrebenswert wäre, mehr über die Motivlagen und Bedarfslagen zu konzentrieren. Diese Überlegung Gründe von Betrieben zu erfahren, die sich aus der Aus- korrespondiert mit der Forderung, Förderstrukturen bildung zurückziehen. Und: In welchem Maße und unter rechtskreisübergreifend auszurichten. welchen Bedingungen sind Betriebe bereit, auch Jugendliche mit vergleichsweise schlechteren Ausbildungs- • • Entsprechende Angebote können ggf. auf Beratungs- voraussetzungen auszubilden? Ferner wäre genauer zu und Informationswegen effizienter an die Betriebe erkunden, warum die Möglichkeiten einer Verbundaus- herangetragen werden. bildung nur begrenzt genutzt werden. Ein Problem könnte darin bestehen, dass die unterschiedlichen Förderinstitutionen in Bund und Ländern die eigenen, spezifischen Unterstützungsleistungen sichtbar und marketingpolitisch hervorheben möchten. 7.2 Ansätze und Umsetzungserfahrungen mit subsidiär staatlich geförderten Ausbildungsformen Politisch erscheint es oft einfacher, ein neues Programm aufzulegen als unterschiedliche Ansätze zwischen ver- In der berufsbildungspolitischen Diskussion wird mehr- schiedenen Institutionen zu koordinieren. heitlich vertreten, dass betriebsnahe staatlich geförderte Ausbildungsstellen dann erforderlich sind, wenn die Nachfrage nicht hinreichend durch betriebliche Angebote ge- 38 ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN deckt werden kann. Über den Umfang sowie die Modalitäten in der Praxis dadurch gesichert werden, dass eine öffentlich und berufliche Ausrichtung dieser subsidiär geförderten geförderte Ausbildung für Jugendliche und Betriebe wirt- Ausbildungsstellen kann im Detail diskutiert werden – ihre schaftlich stets weniger attraktiv zu gestalten ist als eine Berechtigung im Rahmen einer staatlichen Verantwortung betriebliche Ausbildung (z. B. durch eine geringere Vergü- für die Sicherung eines hinreichenden Ausbildungsstellen- tung). Die Ausbildungsqualität muss der Qualität der dualen angebots wird jedoch nicht ernsthaft infrage gestellt. Berufsausbildung entsprechen. Zur Sicherung der Subsidiarität ist zudem immer zuerst zu prüfen, ob eine betriebliche Insofern ist die in den vorherigen Kapiteln skizzierte Situa- Ausbildung mit flankierenden geförderten Unterstützungs- tion auf dem Ausbildungsstellenmarkt nicht grundlegend leistungen für die Jugendlichen und/oder die Betriebe eben- neu. Auch in der Vergangenheit hat es immer wieder Markt- falls zum Ausbildungserfolg führen könnte. konstellationen gegeben, in denen ausbildungsbereite und -fähige Bewerber keinen für sie passenden betrieblichen In der Ausgestaltung ist darauf zu achten, dass die Durch- Ausbildungsplatz finden konnten und auf alternative Ange- lässigkeit zwischen den Ausbildungsformen – duale be- bote angewiesen waren. Ein möglicher Streitpunkt besteht triebliche Ausbildung, außerbetriebliche Ausbildung bei hier in der Definition von Umfang und Zielgruppe für subsi- Bildungsträgern bzw. in den berufsbildenden Schulen – ge- diär staatlich geförderte Ausbildungsplätze. wahrt bleibt. Nach möglichst kurzer Zeit (max. einem Jahr) soll vorrangig der Übergang in eine ungeförderte Ausbil- • Im engeren Sinne werden zunächst diejenigen Schulab- dung in Unternehmen oder in öffentlichen Betrieben erfol- gänger einbezogen, die etwa aufgrund ihrer schulischen gen. Absolvierte Ausbildungsphasen sollten angerechnet Voraussetzungen einen erfolgreichen Ausbildungsver- werden oder zu einer individuellen Verkürzung der betrieb- lauf erwarten lassen. Dazu zählen neben Hauptschul- lichen Ausbildung führen. Inverse Anreize sollen dafür sor- absolventen mit mindestens durchschnittlichen Ab- gen, dass für die Kooperationspartner (Schulen, Trägern schlussnoten auch Schulabsolventen mit mittlerem etc.) eine frühzeitige und erfolgreiche Weitervermittlung Bildungsabschluss oder mit erworbener Hochschul- der Jugendlichen in einen betrieblichen Ausbildungsvertrag zugangsberechtigung. So verfügen beispielsweise im äußerst attraktiv ist, also möglichst auch relative Vorteile in Übergangssektor von den etwa 299.000 Jugendlichen der Sach- und Personalmittelausstattung in Aussicht stellt. insgesamt 22,7 Prozent (ca. 69.000) über einen mittleren Bildungsabschluss. Nachfolgend werden einige der wesentlichen Ansätze beschrieben, bei denen sich diese Grundsätze in konkreten • Im weiteren Sinne werden auch jene Schulabgänger ein- Realisationsformen wiederfinden. bezogen, die aufgrund schlechter Startvoraussetzungen begleitend zur abschlussorientierten Ausbildung besondere Unterstützungsleistungen benötigen (vgl. Kapitel 3.4). Hier wären die subsidiär geförderten Ausbil- Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) dungsstellen mit geeigneten Unterstützungsangeboten zu verzahnen. Bei der von der Bundesagentur für Arbeit nach § 242 SGB III geförderten „außerbetrieblichen Berufsausbildung“ (BaE Für beide Zielgruppentypen sind auf Bundes- und Landes- – Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen) ebene Programme und Ausprägungen von subsidiären, be- wird die Ausbildung von Bildungsträgern durchgeführt, triebsnahen Formen der Berufsausbildung entstanden, auf mit denen der oder die Jugendliche den Ausbildungsvertrag die – ggf. in modifizierter Form – zurückgegriffen werden abschließt. Bei der integrativen BaE ist der Bildungsträger kann, um die aktuellen Problemlagen zu bewältigen. Es sowohl für die fachtheoretische als auch für die fachprakti- handelt sich um Formen der außerbetrieblichen Berufsaus- sche Unterweisung zuständig, ergänzt durch betriebliche bildung, die bei entsprechenden Trägern oder in berufsbil- Phasen von jährlich 40 bis 120 Arbeitstagen. Bei der ko- denden Schulen jeweils mit möglichst ausgeprägten be- operativen BaE wird die fachpraktische Unterweisung von trieblichen Praxisphasen umgesetzt werden. Die geförderte einem Kooperationsbetrieb durchgeführt. Die Relation zwi- Ausbildung soll so authentisch wie möglich die Situation in schen kooperativem und integrativem Modell lag 2015 bei der betrieblichen Ausbildung widerspiegeln (Ausbildungs- etwa 2:1 (BIBB 2017: 293). Gelingt der angestrebte frühzei- inhalte, ganztägige Maßnahmen, Meister als Vorgesetzte, tige Übergang in eine betriebliche Ausbildung nicht, wird erwartete Disziplin, herausfordernde Aufgaben in betrieb- die Ausbildung außerbetrieblich zu Ende geführt. lichen Wertschöpfungsprozessen). Die Subsidiarität sollte 39 ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN Maßnahmen, die zugunsten förderungsbedürftiger Jugend- erwerben. Das Ziel ist eine berufliche Qualifizierung bis hin licher als Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Ein- zum Berufsabschluss über zertifizierbare Ausbildungsbau- richtung durchgeführt werden, sind förderungsfähig, wenn steine. Die Grundlage bildet ein regulärer Ausbildungsver- (1) dem an der Maßnahme teilnehmenden Auszubildenden trag mit dem Bildungsträger nach Berufsbildungsgesetz auch mit ausbildungsbegleitenden Hilfen eine Ausbildungs- bzw. Handwerksordnung. Ein Drittel bis die Hälfte der Aus- stelle in einem Betrieb nicht vermittelt werden kann; (2) bildungszeit wird im Betrieb absolviert. Der „BaE 3. Weg“ der Auszubildende nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht lässt Unterbrechungen der Ausbildung von bis zu sechs nach den Gesetzen der Länder an einer nach Bundes- oder Monaten zu. Insgesamt hat jeder und jede Auszubildende Landesrecht auf einen Beruf vorbereitenden Maßnahme die Option, die Ausbildung bis zu fünf Jahre zu verlängern. mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten teilgenom- Die Ausbildungsbausteine sollen als Instrument zur Unter- men hat; (3) der Anteil betrieblicher Praktikumsphasen die gliederung eine individualisierte und flexibilisierte Ausbil- Dauer von sechs Monaten je Ausbildungsjahr nicht über- dung ermöglichen. Für jeden Baustein nimmt der oder die schreitet. Ausbildende eine Leistungsbewertung vor. Bei einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses können Eine strenge Umsetzung der Fördervoraussetzungen würde die bis dahin erfolgreich absolvierten Bausteine von der zu- zudem bedeuten, dass die Jugendlichen zuvor mindestens ständigen Stelle bescheinigt werden. sechs Monate in einer Maßnahme der Berufsvorbereitung (hier: Maßnahme zur Hinführung der Ausbildungsreife) Über ein Bildungscoaching sollen die Jugendlichen eine verbracht haben. Darüber hinaus ist die Maßnahme für jene ausbildungsbegleitende Stabilisierung erhalten. Neben der Ausbildungsabbrecher möglich, die nicht wieder in eine be- individuellen Begleitung der Auszubildenden zählt zum triebliche Berufsausbildung eingegliedert werden können, Aufgabenbereich des Bildungscoachings auch die Koordina- bei denen jedoch zu erwarten ist, dass die Berufsausbildung tion der drei Lernorte, das Übergangsmanagement an den in einer außerbetrieblichen Einrichtung erfolgreich abge- Schnittstellen, die Kompetenzentwicklung, eine individu- schlossen werden kann. elle Qualifizierungs- und Förderplanung sowie Lernförderung und sozialpädagogische Begleitung. Die Übergangsquoten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach der BaE lagen 2015 bei 51,8 Prozent, bei Das Pilotprojekt wurde 2010 evaluiert. Die Evaluation der der kooperativen BaE etwas höher bei 55,4 Prozent (BIBB beiden ersten Durchgänge ergab, dass 915 von 2.361 Auszu- 2017: 293). bildenden (38,8 %) die Maßnahme abgebrochen haben (Becker et al. 2011: 49). Rund 83 Prozent derer, die im Projekt Der Umfang der BaE ist in den vergangenen Jahren deutlich verblieben waren und ihre Regelausbildungszeit von zwei zurückgegangen. Während sich 2009 im Jahresdurchschnitt Jahren absolviert hatten, nahmen innerhalb von weniger als noch 80.632 Jugendliche in einer BaE befanden, ist die Zahl drei Jahren an der Abschlussprüfung teil. Etwa 88 Prozent bis 2015 auf 31.031 gesunken (ebd.). Korrespondierend dazu der Teilnehmenden haben die Prüfung bestanden (ebd.: 50). fiel die von der BA für BaE und ausbildungsbegleitende Hilfen aufgewendete Fördersumme von 672 Millionen Euro Die Integration in die Regelförderung hat bei vielen Arbeits- (2010) auf 269 Millionen Euro (2016). agenturen dazu geführt, dass die diversen Förderinstrumente nicht mehr trennscharf unterschieden werden können; daher ist der „BaE 3. Weg“ als zusätzliches besonderes „BaE 3. Weg in der Berufsausbildung (NRW)“ Förderangebot neben den ausbildungsbegleitenden Hilfen sowie der integrativen und kooperativen Berufsausbildung Das „BaE NRW 3. Weg“ war ursprünglich ein vom Land nicht mehr notwendig. So macht das Angebot „BaE NRW Nordrhein-Westfalen (NRW) initiiertes Pilotprojekt, das in 3. Weg“ im Rahmen der Regelförderung derzeit nur noch den Jahren 2006 und 2008 (jeweils ausfinanziert für die ge- einen geringen Anteil aus. Bis Sommer 2018 bzw. 2019 lau- samte Ausbildungsdauer) in Kofinanzierung von Land und fende Maßnahmen nach §§ 76 ff. SGB III – integratives Mo- BA umgesetzt wurde. Ab dem Ausbildungsjahr 2010/11 ist dell – NRW (3. Weg)“ gibt es in Nordrhein-Westfalen noch das Instrument in die Regelförderung der BA übergegangen. in den Städten Aachen, Duisburg, Düren und Düsseldorf. In der Maßnahme können Jugendliche, die ausbildungswillig, aber noch nicht „ausbildungsreif“ sind, einen Berufsabschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf 40 ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN Berufsqualifizierung dual (BQdual), Beispiel BadenWürttemberg und Hamburg ersten Ausbildungsjahres. Nach Abschluss der BFS-1 können die Absolventen die Ausbildung im jeweiligen Beruf im zweiten Ausbildungsjahr fortsetzen. In vielen Fällen haben Während die BaE vom Bund gefördert wird, erfolgt die För- die Jugendlichen mit Eintritt in die BFS-1 einen Vorvertrag derung der Ausbildungsstellen im Rahmen der BQ bzw. BQ- mit einem Ausbildungsbetrieb in Baden-Württemberg. dual durch das Land. Aufgrund dieser finanzierungstechnischen Konstellation ist nachvollziehbar, dass die Förderung Die Zahlen dieses Bildungsangebots liegen über die ver- aus Sicht der interessierten Länder komplementär erfolgt gangenen Jahre stabil bei 9.000 bis 10.000 Jugendlichen. und vom Umfang her nicht sehr ausgeprägt ist. So besteht Im Schuljahr 2016/2017 befanden sich insgesamt 10.061 die Option von BQ bzw. BQdual beispielsweise in Hamburg Jugendliche in diesem Bildungsgang, 2012/2013 waren es und Baden-Württemberg. In Hamburg wurden 2016 insge- 9.463. In einer Sonderauswertung des Statistischen Landes- samt 201 Schüler gefördert (HIBB 2017: 29), in Baden-Würt- amts zeigte sich, dass die einjährige Berufsfachschule ins- temberg niemand (wobei dort neben der BaE die einjährige besondere für das Handwerk eine große Bedeutung erlangt Berufsfachschule als Angebot für die entsprechende Ziel- hat. Im Jahr 2013 wurden 31,3 Prozent aller Neuverträge gruppe im Vordergrund stand). (insg. 6.060) im Handwerk mit Jugendlichen abgeschlossen, die zuvor die einjährige BFS absolviert hatten. Bei der BQ bzw. BQdual richtet sich in erster Linie an schulpflich- IHK lag der Anteil bei 6,2 Prozent. Nahezu 98 Prozent der im tige Jugendliche ohne Förderbedarf, die trotz mehrfacher Handwerk abgeschlossenen Verträge führten zu einer An- Bewerbungsversuche keinen Ausbildungsplatz in einem rechnung bzw. Ausbildungszeitverkürzung, im IHK-Bereich Betrieb gefunden haben. Sie erhalten in einem arbeits- lag der Anrechnungsanteil bei rund 65 Prozent. Die hohe marktrelevanten Beruf für das erste Jahr einer Berufsaus- Quote im Handwerk kann maßgeblich zurückgeführt wer- bildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. der den auf eine Vereinbarung des Baden-Württembergischen Handwerksordnung ein ganztägiges Angebot an beruflichen Handwerkskammertags mit der Landesregierung, in der die Schulen mit betrieblichen Anteilen. Im Anschluss an die BFS-1 als wertvolle Unterstützung der Ausbildung beson- erfolgreich absolvierte Berufsqualifizierung folgt entweder ders in Klein- und Mittelbetrieben bewertet und den Mit- der Übergang in eine duale Berufsausbildung in einem Be- gliedsbetrieben eine Anrechnung empfohlen wird. trieb oder, sofern kein betrieblicher Ausbildungsvertrag abgeschlossen werden konnte, eine trägergestützte Berufs- Parallel zu der einjährigen BFS, deren Gestaltung in der ausbildung mit einem Ausbildungsvertrag. politischen Zuständigkeit des Kultusministeriums liegt, werden mit Bundesförderung BaE- und mit Landesförde- Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen beginnen ihre rung – wie in Hamburg – BQdual-Ausbildungsstellen an- Ausbildung mit einem mehrwöchigen Unterricht an der je- geboten. Der Anteil von BaE-Ausbildungsstellen lag 2016 weils zuständigen berufsbildenden Schule. Anschließend bei 2,5 Prozent (1.848 von insgesamt 73.989 Neuverträgen). durchlaufen sie unterschiedliche schulische und betrieb- Landesfinanzierte BQdual-Ausbildungsstellen wurden 2016 liche Lernphasen. Die Lehr- und Lerninhalte entsprechen keine angeboten. denen des ersten Ausbildungsjahres in der dualen Berufsausbildung. Zur Beratung steht den Jugendlichen neben den Lehrkräften eine Ausbildungsbegleiterin oder ein Ausbil- Schulische Umsetzungen in NRW dungsbegleiter zur Verfügung. Diese Begleitung unterstützt auch die Unternehmen und Betriebe bei Fragen oder un- In Nordrhein-Westfalen werden zum einen vollzeitschu- erwarteten Schwierigkeiten. Ziel der Maßnahme ist es, Ju- lische „Assistentenausbildungsgänge“ angeboten. Diese gendlichen einen zügigen Übergang in die duale Ausbildung führen zu einem Berufsabschluss nach Landesrecht sowie zu ermöglichen – auch während des laufenden Schuljahres. einem weiterführenden Schulabschluss bzw. der fachgebundenen oder allgemeinen Hochschulreife. In diesen Bildungsgängen befinden sich knapp 45.000 Schülerinnen und Einjährige Berufsfachschule mit Anrechnung (Baden-Württemberg) Schüler. Zum anderen werden aktuell knapp 200 Schülerinnen und Die einjährige Berufsfachschule (BFS-1) vermittelt in be- Schüler entweder in Fachklassen des dualen Systems oder stimmten Ausbildungsberufen die praktischen und theore- in der Berufsfachschule unterrichtet. Für sie erfolgt eine tischen Kompetenzen entlang der Ordnungsgrundlagen des Zulassung zur Kammerprüfung. 41 ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN 7.3 Fazit eine deutliche Entschärfung des Problems verspricht. Auch wenn bislang keine spezifische Diskussion auf Grundlage In der Gesamtschau ergibt sich das folgende Bild: der aktuellen Ausbildungsmarktlage stattgefunden hat, wurde die Anwendung von Instrumenten einer öffentlichen • Aktuell besteht ein großer Bedarf an betrieblichen Aus- Ausbildungsförderung meist kontrovers diskutiert. Dabei bildungsressourcen. Selbst wenn alle der von Betrieben gab es insbesondere folgende Einwände: als offen gemeldeten Ausbildungsstellen besetzt würden, reichte das Angebot an betrieblichen Ressourcen • Öffentlich geförderte Ausbildungsplätze verdrängen nicht, um vor allem auch Jugendlichen mit besonderem betriebliche! Unterstützungsbedarf eine abschlussorientierte Berufs- Gegenargument: Die subsidiäre Ausrichtung lässt Betrieben bzw. den Branchen jederzeit die Initiative, das ausbildung zu ermöglichen. Primat der betrieblichen Ausbildung umzusetzen. • Bestehende Förderprogramme mildern vermutlich die Problemlage, können jedoch erkennbare Entwicklun- • Öffentlich geförderte Ausbildung geht am Bedarf im gen nicht umkehren. Ein offener Punkt bei der Konzi- Beschäftigungssystem vorbei! pierung entsprechender Programme besteht darin, dass Gegenargument: Die Wirtschaft wird in die Definition es über die Gründe für das Personalrekrutierungs- und des Bedarfs bzw. der jeweiligen Ausbildungsberufe ein- Ausbildungsverhalten der Betriebe, aber auch über das bezogen. Bildungsverhalten von Schulabsolventen nur grobe Erkenntnisse bzw. Vermutungen gibt. Diese erlauben bei • Der Übergang an der zweiten Schwelle von der Ausbil- der Gestaltung von Programminterventionen letztlich dung in eine Beschäftigung gelingt nicht! nur eine Art Schrotschuss-Strategie. Gegenargument: Die Erfahrungen mit BaE zeigen Übergangsquoten von mehr als 50 Prozent nach sechs Mo- • Gleichwohl erscheinen auch unter diesen Restriktionen naten. Es wäre zu evaluieren, wie die Übergänge über an einigen Stellen Optimierungen möglich. Eine weitere eine längere Frist erfolgen. Zudem wäre zu bedenken, Begrenzung erhalten die auf Anreiz und Appell basie- was mit den Jugendlichen passiert, wenn keine entspre- renden Programme dadurch, dass sie den Kern des be- chenden Angebote geschaffen werden. trieblichen Entscheidungsverhaltens hinsichtlich der Strategien zur Personalrekrutierung – und damit das • Staatlich geförderte Ausbildungsstellen belasten die Angebot an Ausbildungsressourcen – nicht unmittelbar öffentlichen Haushalte! erreichen können. Im besten Fall beeinflussen sie die Gegenargument: Sicherlich belasten die staatlich ge- Rahmenbedingungen für das Entscheidungsverhalten förderten Ausbildungsstellen die öffentlichen Haushalte der Akteure; die Entscheidung selbst ist allerdings in der stärker als duale Ausbildungsplätze. Als Richtgröße wird aktuellen Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung auf von rund 10.000 Euro pro Jahr und Teilnehmer ausge- der Angebotsseite den Betrieben und auf der Nachfrage- gangen. Es wären jedoch auch die Opportunitätskosten seite den Ausbildungsbewerbern vorbehalten. zu berechnen, die für alternative Maßnahmen oder – langfristig – als soziale Folgekosten für nicht ausgebil- • dete Staatsbürger entstehen würden. In der Vergangenheit wurden auf Bundes- und Länderebene verschiedene Formen öffentlich geförderter, subsidiärer Ausbildungsstellen geschaffen. Dabei werden wesentliche Teile der Ausbildung entweder in einer be- • Staatlich geförderte Ausbildung ist von minderwertiger Qualität! ruflichen Schule oder bei einem außerbetrieblichen Aus- Gegenargument: Sicher ist zu berücksichtigen, dass die bildungsträger durchgeführt. Zugleich ist erkennbar, Ausbildungsinhalte bei einem außerbetrieblichen Träger dass trotz des bestehenden Bedarfs an Ausbildungs- mit geringerer Distanz zu auftragsabhängigen Arbeits- ressourcen das Angebot an öffentlich geförderten Aus- prozessen als bei dualen Ausbildungsverhältnissen ver- bildungsstellen in den vergangenen Jahren tendenziell mittelt werden. Allerdings liegt die Qualitätssicherung rückläufig war. in der Hand der Finanziers, das heißt, es können direkter als bei betrieblichen Ausbildungsverhältnissen Qualitäts- Aus dem letztgenannten Punkt ergibt sich die Frage nach kriterien eingeführt und durchgesetzt werden. So deuten den möglichen Gründen für die zurückhaltende Anwen- viele Indikatoren darauf hin, dass auch betriebliche Aus- dung eines Förderinstruments, das auf den ersten Blick bildungsstellen von problematischer Qualität sind. 42 ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN Und auch hier gilt: Das Primat der dualen Ausbildung sieht staatlich geförderte Ausbildung nur dort vor, wo duale Ausbildung nicht möglich ist. Damit sind die Anschlusspunkte für die notwendigen Diskussionen zur Ausweitung von Ausbildungsressourcen definiert: 1. Wie können bestehende Förderprogramme in ihrem Zusammenwirken koordiniert und in der konkreten Ausgestaltung optimiert werden? 2. Wie können staatlich geförderte Ausbildungsstellen ausgestaltet werden, damit sie betriebliche Ausbildungsressourcen nicht verdrängen und zugleich dazu beitragen, dass genau diese deutlich erhöht werden? Beide Stränge verbinden sich in der Intention, für die unterschiedlichen Zielgruppen des Ausbildungsmarkts ein quantitativ ausreichendes und qualitativ hochwertiges Angebot zu schaffen, um allen Jugendlichen die Chance auf einen zukunftsträchtigen Ausbildungsplatz zu ermöglichen. 43 8 Literatur AGBB – Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010). Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld. AGBB – Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016). Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld. Baas, M., und M. Baethge (2017). Entwicklung der Berufs- Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2011). Übergänge mit System. Gütersloh. BIBB – Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2012). Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2012. Bonn. BIBB – Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2017). 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SVR – Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Hrsg.) (2014). Diskriminierung am Ausbildungsmarkt. Ausmaß, Ursachen und Handlungsperspektiven. Berlin. 45 Die Autoren Prof. Dr. Dieter Euler Die Autoren danken dem Team „Chance Ausbildung“ der studierte Betriebswirt- Bertelsmann Stiftung für den konstruktiven Austausch über schaftslehre, Wirtschafts- erste Textfassungen. Ein besonderer Dank gilt Naemi Härle, pädagogik und Sozialphilo- die in der Rolle des „Advocatus Diaboli“ die Autoren immer sophie in Trier, Köln und wieder neu herausgefordert hat und dadurch wesentlich zur London. Seit Oktober 2000 Verbesserung der Verständlichkeit und Kohärenz des Textes ist er Inhaber des Lehrstuhls beigetragen hat. für Wirtschaftspädagogik und Bildungsmanagement an der Universität St. Gallen. Zuvor war er an der Universität Potsdam (1994–1995) und an der Universität Erlangen-Nürnberg (1995–2000) tätig. Dieter Euler nimmt zahlreiche Funktionen in internationalen wissenschaftlichen und bildungspolitischen Organisationen wahr. Ein Schwerpunkt seiner international ausgerichteten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten liegt in der Reform von Berufsbildungssystemen. Prof. Dr. Eckart Severing studierte Soziologie und Politikwissenschaft in Erlangen und hat im Jahr 2000 in Hamburg habilitiert. Er lehrt an der Universität Erlangen-Nürnberg. Eckart Severing wirkt in einer Reihe von Gremien und Organisationen der Berufsbildung mit. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind Strukturen der Berufsbildung, europäische Berufsbildungspolitik sowie das informelle berufliche Lernen und seine Zertifizierung. 46 Dank Summary Summary: Expansion of Vocational Training Resources training. There are many instruments and offers in place to train young adults that require extra support, however, In Germany, company involvement in offering vocatio- companies are only making limited use of them. nal training has been on the decline for several years despite the promising economic situation and a rise in employ- Despite the availability of numerous support programs, the ment. In 2000, there were approximately 622,000 training authors conclude that the additional need for vocational placements while the number had dropped to 564,000 by training resources remains great. There are a high number 2016. At the same time, some 80,000 (13.4%) applicants ac- of disadvantaged young adults among the applicants who ross Germany came away empty-handed. Underachie- require additional support and efforts in the creation of an ving young adults are most affected and as a result, are least appropriate vocational training program. likely to find a training placement: only 49 percent of all school-leavers with or without a secondary education qua- The study closes by putting the topic of looking at possible lification (Hauptschule) were able to find a training place- options to necessitate an increase in vocational training re- ment within the dual or school-based vocational education sources up for discussion. Two questions stand out in parti- system, while the remaining 51 percent went into one of the cular: many programs offered by the transitory educational program that does not, however, provide a formal qualification How may existing vocational training support programs be at the end. optimally designed and better coordinated in their efforts towards the same goal? How can overall vocational training resources be enhanced so that every young adult in Germany has the opportu- How may state-subsidized training placements be better nity to enter into vocational training? This question is cen- organized so that they do not supplant company training tral to the current study. To answer this question, it is first resources, but at the same time significantly increase these necessary to provide an overview of the current existing vo- very same resources? cational training resources and to then trace from where the decrease in company involvement comes from. The vo- Both strategies aim to create a suitable quantitative and cational education policy discussion in the study next pre- qualitative training offer intended for different vocational sents the root causes in the decrease in company involve- target group markets so that every young adult may have ment and outlines why placements have remained without the opportunity to gain a vocational qualification. a young adult. The resulting impact has been on the increase throughout the past few years and in 2016, eight percent of vocational placements on offer remained vacant. Vocational training placements underlie company and operational factors that are also outlined. Here, it is important to understand how economic development and the varying company strategies apply within the recruiting process. The study also provides an overview of state measures aimed at supporting company involvement in offering vocational 47 48 49 Impressum © Januar 2018 Bertelsmann Stiftung Bertelsmann Stiftung Carl-Bertelsmann-Straße 256 33311 Gütersloh Telefon +49 5241 81-0 www.bertelsmann-stiftung.de Verantwortlich Clemens Wieland Naemi Härle Autoren Prof. Dr. Dieter Euler Prof. Dr. Eckart Severing Lektorat Heike Herrberg, Bielefeld Grafikdesign Nicole Meyerholz, Bielefeld Druck Matthiesen Druck, Bielefeld Bildrechte © Titelbild: Valeska Achenbach in Zusammenarbeit mit „the white elephant“ Seite 7: Steffen Krinke DOI: 10.11586/2018001 50 Adresse | Kontakt Bertelsmann Stiftung Carl-Bertelsmann-Straße 256 33311 Gütersloh Telefon +49 5241 81-0 Clemens Wieland Senior Project Manager Programm Lernen fürs Leben Telefon +49 5241 81-81352 [email protected] Naemi Härle Project Manager Programm Lernen fürs Leben Telefon +49 5241 81-81391 [email protected] www.bertelsmann-stiftung.de