Ausweitung der
Ausbildungsressourcen
Dieter Euler, Eckart Severing
Ausweitung der
Ausbildungsressourcen
Prof. Dr. Dieter Euler, Prof. Dr. Eckart Severing
Inhalt
Vorwort
6
1
Ausgangspunkte
8
2
Betriebliche Ausbildungsressourcen
9
2.1
Bedarf an betrieblichen Ausbildungsressourcen
9
2.2
Entwicklung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung
9
3
Besetzungs- und Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt
13
3.1
Status quo und aktuelle Entwicklungen
13
3.2
Gründe für die Nichtbesetzung von Ausbildungsstellen
15
3.3
Entwicklung von Ausbildungsvertragslösungen
17
3.4
Herausforderungen durch besondere Unterstützungsbedarfe spezifischer
Bewerbergruppen
18
4
Betriebliche Einflussfaktoren für das Angebot von Ausbildungsressourcen
25
4.1
Konjunkturelle und strukturelle Wirtschaftsentwicklung
25
4.2
Ausbildungsmotive
25
4.3
Strategie der Personalrekrutierung
26
4.4
Bereitschaft zu besonderen Anstrengungen in der Ausbildung spezifischer Zielgruppen
27
4.5
Erfahrungen in der Ausbildung spezifischer Zielgruppen
28
4.6
Inanspruchnahme bestehender Unterstützungsleistungen
28
5
Programme zur Förderung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung
29
6
Zwischenfazit: Einschätzung zum Status quo und zur Skizzierung
grundlegender Handlungsoptionen
35
7
Ansätze zur Ausweitung der Ausbildungsressourcen
38
7.1
Optimierung bestehender Förderkonzepte
38
7.2
Ansätze und Umsetzungserfahrungen mit subsidiär staatlich geförderten
Ausbildungsformen
38
7.3
Fazit
42
8
Literatur
44
Die Autoren
Dank
Summary
Impressum
46
46
47
50
5
Vorwort
Ausbildung und Beschäftigung in Deutschland haben sich
einen Berufsabschluss zu ermöglichen und das System der
entkoppelt: Während der Arbeitsmarkt immer neue Re-
beruflichen Bildung mit diesem Ziel weiterzuentwickeln.
korde bei den Beschäftigtenzahlen verzeichnet, ist die Beteiligung von Betrieben an der dualen Ausbildung zurück-
In der Initiative „Chance Ausbildung“ setzen sich Ministe-
gegangen. Dies ist aus zwei Gründen problematisch. Zum
rien aus den Bundesländern gemeinsam mit der Bundes-
einen ist die berufliche Ausbildung der jungen Generation
agentur für Arbeit und der Bertelsmann Stiftung dafür ein,
ein wesentlicher Schlüssel zur langfristigen Perspektive auf
jedem jungen Menschen einen Berufsabschluss zu ermög-
dem Arbeitsmarkt und damit zur gesellschaftlichen Teil-
lichen. Im Mittelpunkt steht, wie sich das vorhandene An-
habe. Zum anderen klagt die Wirtschaft bereits heute über
gebot an Ausbildungsplätzen einerseits besser ausschöp-
einen Fachkräftemangel.
fen und andererseits erhöhen lässt und wie Auszubildende
mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen auf dem Weg
Im Jahr 2017 wurde seit langer Zeit erstmals wieder eine po-
zu einem Abschluss individuell besser unterstützt werden
sitive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt verzeich-
können. Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegen-
net: Sowohl die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze
den Broschüre Daten, Fakten und offene Fragen rund um
als auch die der jungen Menschen, die eine duale Berufs-
das Thema betriebliche Ausbildungsressourcen erläutert.
ausbildung nachfragten, haben zugenommen. Trotz die-
Auf dieser Grundlage diskutieren die Vertreter der Initia-
ser ermutigenden Entwicklung bleibt die Lage auf dem
tive „Chance Ausbildung“ in unterschiedlichen Workshops
Ausbildungsmarkt schwierig: Die Zahl der unbesetzten Aus-
mögliche Lösungskonzepte für die bessere Ausschöpfung
bildungsplätze ist erneut gestiegen; zugleich sind wie in
bestehender und die Gewinnung neuer Ausbildungsressour-
den Jahren zuvor rund 80.000 Jugendliche bei der Suche
cen.
nach einem Ausbildungsplatz leer ausgegangen. Betroffen sind besonders junge Menschen mit Hauptschul- oder
Wir danken den an der Initiative „Chance Ausbildung“ be-
ohne Schulabschluss. Sie bleiben – obwohl sich die Lage
teiligten Vertreterinnen und Vertretern der Landesminis-
für Bewerber insgesamt verbessert hat und Stellen unbe-
terien und der Bundesagentur für Arbeit für die vielfältigen
setzt bleiben – häufig außen vor. Nur jedem Zweiten von
Informationen zu Praxisbeispielen auf Ebene des Bundes
ihnen gelingt es, direkt einen dualen oder schulischen Aus-
und der Länder. Die konstruktive Diskussionsbereitschaft
bildungsplatz zu erlangen. Die andere Hälfte wechselt zu-
zeigt uns, wie wichtig eine institutionenübergreifende Aus-
nächst in eine der zahlreichen Maßnahmen des Übergangs-
einandersetzung mit diesem Thema ist. Unser Dank gilt
systems, in denen kein Berufsabschluss erworben werden
zudem den Autoren Professor Dr. Dieter Euler und Professor
kann.
Dr. Eckart Severing für diese informative Aufbereitung.
In Deutschland haben rund 13,4 Prozent der jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss
und starten so mit schlechten Zukunftsperspektiven ins
Berufsleben. Die Arbeitslosenquote Ungelernter ist aktuell mit 19,1 Prozent fünfmal so hoch wie die von beruflich
Ausgebildeten. Die Bertelsmann Stiftung tritt deshalb dafür
ein, jedem jungen Menschen hierzulande – unabhängig von
Schulabschluss, Zuwanderungsgeschichte oder Wohnort –
6
VORWORT
Naemi Härle
Project Manager
Programm Lernen fürs Leben
Bertelsmann Stiftung
Clemens Wieland
Senior Project Manager
Programm Lernen fürs Leben
Bertelsmann Stiftung
7
1 Ausgangspunkte
Ausweitung der Ausbildungsressourcen – in diesem Titel
markt und damit zur gesellschaftlichen Teilhabe. Dennoch
ist die Prämisse enthalten, dass zur Bewältigung der anste-
befinden sich trotz vielfältiger Reformbemühungen in
henden Herausforderungen in der Berufsbildung mehr Aus-
Deutschland nach wie vor knapp 300.000 junge Menschen
bildungskapazitäten erforderlich sind. Dieser zunächst nur
in Vorfeldmaßnahmen des sogenannten Übergangssystems.
quantitativ ausgerichtete Anspruch ließe sich qualitativ um
die Aussage ergänzen, dass die erweiterten Ausbildungsres-
Rund 1,4 Millionen (ca. 13,9 %) der 25- bis 34-Jährigen ver-
sourcen geeignet sein müssen, der zunehmenden Heteroge-
fügen hierzulande über keine Berufsausbildung (BIBB 2017:
nität der Ausbildungsstellenbewerber gerecht zu werden.
329). Diese Situation ist alarmierend, denn zum einen ist die
Arbeitslosenquote von Geringqualifizierten viermal so hoch
Dieses Postulat steht jedoch in einem deutlichen Kontrast
wie die von beruflich Qualifizierten. Zum anderen stellt die
zu den Entwicklungen auf dem deutschen Ausbildungs-
berufliche Qualifizierung der in jüngster Zeit nach Deutsch-
markt. Seit Beginn des Jahrhunderts ist dort ein kontinu-
land gekommenen Geflüchteten – viele von ihnen im aus-
ierlicher Rückgang des betrieblichen Ausbildungsplatzan-
bildungsrelevanten Alter – das Bildungssystem quantitativ
gebots und der Ausbildungsplatznachfrage zu beobachten.
und auch didaktisch vor enorme Herausforderungen.
Während das Ausbildungsstellenangebot im Jahr 2000 noch
bei rund 622.000 lag, war es bis 2016 auf etwa 564.000 ge-
In dieser Broschüre steht die Frage im Vordergrund, wie
fallen (AGBB 2016: 282; BIBB 2017: 16). Ein Indikator dieser
insgesamt der Umfang an Ausbildungsressourcen gesteigert
Entwicklung ist die rückläufige Ausbildungsbetriebsquote,
werden kann. Dafür wird zunächst ein Überblick über das
die 2015 einen historischen Tiefpunkt von 20,0 Prozent er-
bestehende Angebot an betrieblichen Ausbildungsressour-
reichte (BIBB 2017: 215). Zugleich ist auch die Zahl der
cen gegeben. Auf dieser Grundlage werden die aktuell in
neuen Ausbildungsverträge seit 2007 bundesweit von rund
der berufsbildungspolitischen Diskussion hervorgehobenen
626.000 auf 520.000 im Jahr 2016 gesunken (BMBF 2017:
Themen beleuchtet: der Rückgang an betrieblicher Ausbil-
17), also um etwa 17 Prozent. Im gleichen Zeitraum fiel die
dungsbeteiligung sowie die mangelnde Passung zwischen
Bevölkerungszahl in der Alterskohorte 15 bis 25 Jahre nur
dem Angebot und der Nachfrage nach Ausbildungsstellen.
um etwa zehn Prozent (von 9,61 Mio. 2007 auf 8,65 Mio.
Daran schließt sich ein Überblick über Maßnahmen zur För-
2016; vgl. Destatis 2007, 2016).
derung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung an. In
einem Zwischenfazit werden die Befunde zusammengefasst
Die duale Ausbildung – weltweit als Vorbild für berufliche
und im Hinblick auf den weiteren Handlungsbedarf disku-
Bildung angesehen – droht damit im eigenen Land deutlich
tiert. Abschließend werden mögliche Optionen für die als
an Bedeutung zu verlieren. Über mögliche Gründe für diese
notwendig diagnostizierte Ausweitung der Ausbildungsres-
Entwicklungen gibt es viele Vermutungen, interessenim-
sourcen zur Diskussion gestellt.
prägnierte Äußerungen und anekdotische Evidenzen, allerdings keine kohärente und empirisch fundierte Theorie.
Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung
qualifizierter Fachkräfte sowie der sozialen Integration
zahlreicher junger Menschen gefährdet. Die berufliche
Ausbildung einer jungen Generation ist ein wesentlicher
Schlüssel zur langfristigen Perspektive auf dem Arbeits-
8
2 Betriebliche Ausbildungsressourcen
2.1 Bedarf an betrieblichen
Ausbildungsressourcen
wird für 2016 auf rund 100.000 beziffert, die von etwa
47.000 Kooperationsbetrieben unterstützt werden (BIBB
2017: 212).
Betriebliche Ausbildungsressourcen werden aktuell in den
folgenden Bereichen in unterschiedlichem Umfang nach-
•
•
Darüber hinaus sind auch in schulischen Berufsausbildungsgängen Praktika in Betrieben vorgesehen.
gefragt:
Im Rahmen der Berufsorientierung an allgemeinbilden-
Die Durchführung dualer Ausbildungen oder die Mitwirkung
den Schulen und in Maßnahmen des Übergangssektors
an (ausbildungsintegrierten) dualen Studiengängen stellt
(z. B. Einstiegsqualifizierung, Berufsfachschule, berufs-
für die Betriebe ein langfristiges Engagement mit rechtli-
vorbereitende Bildungsmaßnahmen) stellen Betriebe
chen Verpflichtungen gegenüber den Auszubildenden und
Praktikumsplätze unterschiedlicher Dauer bereit. Im
mit beachtlichen wirtschaftlichen Konsequenzen dar. Der
Übergangssektor befanden sich 2016 rund 299.000 Ju-
Verpflichtungsgrad bei der Bereitstellung von betrieblichen
gendliche (BMBF 2017: 10). Ein Näherungswert für die
Praktikumsplätzen ist dagegen geringer.
von allgemeinbildenden Schulen nachgefragten betrieblichen Praktikumsplätze kann über die Zahl der Schüle-
Die Nachfrage nach betrieblichen Ausbildungsressourcen
rinnen und Schüler eines Absolventenjahrgangs gewon-
wird in den kommenden Jahren von diversen Faktoren be-
nen werden. So verließen 2014 ohne Berücksichtigung
einflusst werden. Während insbesondere die demographi-
der beruflichen Schulen etwa 840.000 Jugendliche die
sche Entwicklung den Gesamtumfang an nachgefragten
verschiedenen Schulformen (AGBB 2016: 273). Die Über-
Praktikums- und Ausbildungsplätzen in den verschiedenen
gangsforschung zeigt, dass betriebsnahe Formen der
Bereichen beeinflusst, kann das Bildungsverhalten der
Berufsorientierung und Ausbildungsvorbereitung die
Schulabsolventen Verschiebungen zwischen den Bereichen
Chancen der jungen Menschen deutlich erhöhen, in eine
auslösen (z. B. von der dualen Ausbildung zu einem Studium).
betriebliche Ausbildung einzumünden (Eberhard 2016).
•
In der dualen Berufsausbildung übernehmen Betriebe
allein oder innerhalb einer Verbundausbildung mit an-
2.2 Entwicklung der betrieblichen
Ausbildungsbeteiligung
deren Betrieben Verantwortung für den betrieblichen
Teil der Ausbildung. 2016 wurden circa 520.000 neue
Die betriebliche Beteiligung an der dualen Ausbildung ist
Ausbildungsverträge abgeschlossen, davon etwa 503.000
seit Jahren rückläufig. Am Stichtag 31.12.2015 beteiligten
in betrieblichen sowie etwa 17.000 in (überwiegend)
sich von den bundesweit circa 2,1 Millionen Betrieben mit
öffentlich finanzierten außerbetrieblichen Ausbildungs-
mindestens einem/einer sozialversicherungspflichtig Be-
verhältnissen (BIBB 2017: 16).
schäftigten rund 428.000 an der beruflichen Ausbildung
(BIBB 2017: 214). Die Ausbildungsbetriebsquote1 reduzierte
•
In einem dualen Studium übernehmen Betriebe entweder die Verantwortung für die betriebliche Ausbildungsphase (ausbildungsintegriertes duales Studium) oder sie
gestalten innerhalb des praxisintegrierten dualen Studiums die Praxisphasen. Die Zahl der dual Studierenden
1
„Die Ausbildungsbetriebsquote misst den Anteil der Betriebe mit
Auszubildenden an allen Betrieben mit sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten einschließlich der Ausbildungsbetriebe. Bei der Berechnung der Ausbildungsbetriebsquote wird nicht zwischen Betrieben mit und ohne Ausbildungsberechtigung unterschieden“ (BIBB
2017: 216).
9
BETRIEBLICHE AUSBILDUNGSRESSOURCEN
ABBILDUNG 1 Ausbildungsquote nach Betriebsgröße 1999–2015 (in %)
8,0
7,5
7,0
6,5
6,0
5,5
5,0
4,5
4,0
1999
2000
2001 2002
2003
6–49 SvB
1–5 SvB
2004
2005
2006
50–249 SvB
2007
2008
2009
250–499 SvB
2010
2011
2012
2013
500 und mehr SvB
2014
2015
Insgesamt
SvB: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
Quelle: BA-Beschäftigungsstatistik, Sonderauswertungen, Stichtag 31.12., Baas und Baethge 2017: 27
ABBILDUNG 2 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, Auszubildende, Ausbildungsquote 1999–2015 nach westund ostdeutschen Ländern (Index: 1999=100)
120
110
100
90
80
70
60
50
40
1999
2000
2001 2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Westdeutsche Bundesländer:
Ausbildungsquote
Ostdeutsche Bundesländer: Ausbildungsquote
Westdeutsche Bundesländer:
sozialversicherungspflichtig beschäftigte Auszubildende
Ostdeutsche Bundesländer:
sozialversicherungspflichtig beschäftigte Auszubildende
Westdeutsche Bundesländer:
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
Ostdeutsche Bundesländer:
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
2014
2015
Quelle: BA-Beschäftigungsstatistik, Sonderauswertungen, Stichtag 31.12., Baas und Baethge 2017: 25
sich damit von 24,1 Prozent (2007) auf 20,0 Prozent (2015)
schen Wandels auch von der Wirtschaft allseits ein Mangel
(ebd.: 216). Korrespondierend fiel auch die Ausbildungs-
an beruflich qualifizierten Fachkräften erwartet wird – was
quote2 von 6,5 Prozent (2007) auf 5,1 Prozent (2015). Diese
eine Zunahme der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung
Entwicklung ist erstaunlich, da aufgrund des demographi-
vermuten ließe.
2
Die Werte für die Bundesländer variieren zum Teil deutlich.
10
„Die Ausbildungsquote bezeichnet den Anteil der Auszubildenden an
allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einschließlich Auszubildender“ (BIBB 2017: 216).
Während die Ausbildungsbetriebsquote in Westdeutsch-
BETRIEBLICHE AUSBILDUNGSRESSOURCEN
ABBILDUNG 3 Ausbildungsquote nach Bundesländern, 2006 und 2015 (in %)
10
9,0
8
7,0
6,4
6
6,1
5,1
5,4
5,2
5,8
5,5
3,4
5,9
5,5
5,1 4,9
7,1
7,3
7,1
7,1
6,5
6,2
5,5
5,9
6,0
5,5
4,6
4,2
4
7,2
6,9
6,4
4,0
3,7
3,7
3,8
3,7
2
0
DE
2006
BW
BY
BE
BB
HB
HH
HE
MV
NI
NW
RP
SL
SN
ST
SH
TH
2015
Quelle: BA-Beschäftigungsstatistik, Sonderauswertungen, Stichtag 31.12., eigene Darstellung, basierend auf Baas und Baethge 2017: 26
land bei 21,6 Prozent liegt, beträgt der Wert in Ostdeutschland (einschl. Berlin) 13,6 Prozent. In den Bundesländern
TABELLE 1 Ausbildungsbetriebsquote nach Betriebsgrößenklassen 2007 und 2015 in Deutschland
liegen die Schwankungen in Westdeutschland zwischen 16,9
Betriebsgrößenklasse
2007
2015
Prozent (Hamburg) und 24,6 Prozent (Saarland), in Ost-
Kleinstbetriebe (1 bis 9 Beschäftigte)
16,8 %
12,0 %
deutschland zwischen 11,9 Prozent (Berlin) und 14,5 Prozent
Kleinbetriebe (10 bis 49 Beschäftigte)
48,4 %
43,4 %
Mittlere Betriebe (50 bis 249 Beschäftigte)
68,5 %
66,4 %
Großbetriebe (>249 Beschäftigte)
84,7 %
81,3 %
deutlichen Abknicken der Ausbildungsquote, zunächst bei
Gesamt
24,1 %
20,0 %
den Kleinst-, verzögert dann auch bei den Mittel- und Groß-
Quelle: BIBB 2017: 216
(Thüringen) (BIBB 2017: 218).
Wie Abbildung 1 zeigt, kam es ab dem Jahr 2008 zu einem
betrieben. Ob die Wirtschafts- und Finanzkrise in einem
kausalen Zusammenhang mit dieser Entwicklung zu sehen
ist oder sie lediglich eine Koinzidenz darstellt, bleibt vor-
Die Rückgänge fallen umso stärker aus, je kleiner die Aus-
erst offen.
bildungsbetriebe sind – sie gehen vor allem auf Verluste bei
den Klein- und Kleinstbetrieben zurück (BMBF 2017: 68;
Hervorzuheben ist hier, dass Beschäftigungs- und Ausbil-
BIBB 2017: 15). Zugleich tragen die kleineren Unternehmen
dungsentwicklung erstmals auseinanderklaffen. Bisher
in Summe unverändert die quantitative Hauptlast der Aus-
wurde weithin davon ausgegangen, dass das Angebot an
bildung: Kleine und mittlere Unternehmen mit unter 250
Ausbildungsstellen mit der Konjunktur- und damit Be-
Beschäftigten stellen rund 70 Prozent der Auszubildenden
schäftigungsentwicklung verbunden ist. Abbildung 2 zeigt
sowie der Beschäftigten in Deutschland (Baas und Baethge
die gegenläufigen Entwicklungen.
2017: 30). Hinzu kommt, dass insbesondere Klein- und
Kleinstunternehmen überproportional Jugendliche mit ma-
Wie Abbildung 3 zeigt, entwickelte sich die Ausbildungs-
ximal Hauptschulabschluss ausbilden. Die Ausbildungs-
quote in allen Bundesländern rückläufig.
chancen dieser ohnehin auf dem Ausbildungsmarkt Benachteiligten könnten sich daher beim Rückzug der kleinen
Die Ausbildungsbetriebsquote hat sich zwar in allen Be-
Unternehmen aus der Ausbildung weiter verschlechtern
triebsgrößenklassen rückläufig entwickelt, allerdings – wie
(ebd.: 58, Tab. 15A).
Tabelle 1 zeigt – je nach Größe der Betriebe in unterschiedlichem Maße.
11
BETRIEBLICHE AUSBILDUNGSRESSOURCEN
Die Entwicklung in den Wirtschaftszweigen zeigt beim Vergleich der Ausbildungsbetriebsquoten 2007 und 2015 ebenfalls durchweg ein negatives Muster. In Tabelle 2 sind einige
für die duale Berufsausbildung wesentliche Bereiche aufgelistet.
TABELLE 2 Stand der Ausbildungsbetriebsquote 2015
(in %) und Rückgänge der Ausbildungsbetriebsquote
zwischen 2007 und 2015 (in Prozentpunkten) nach
Wirtschaftszweigen in Deutschland
Wirtschaftszweig
Ausbildungsbetriebsquote
2015
Rückgang
Ausbildungsbetriebsquote
2007 bis 2015
Maschinen- /Automobilbau
36,0
5,8
Metall- /Elektrogewerbe
32,9
3,4
Güterherstellung (Nahrung, Holz
etc.)
31,0
7,1
Chemie, Pharmazie
29,3
2,7
Bauwirtschaft
26,9
5,5
Kraftfahrzeug-/Großhandel
24,4
3,7
Einzelhandel, Tankstellen
22,6
3,2
Information, Kommunikation
17,3
1,1
Finanz-, rechts-, wohnungswirtschaftliche Dienstleistungen
15,1
2,7
Beherbergung, Gastronomie
10,5
6,3
Quelle: BIBB 2017: 224
Neben dem Einfluss verschiedener Branchen sind auch regionale Unterschiede bei der Entwicklung der betrieblichen
Ausbildungsbeteiligung zu beachten. Der Rückgang neuer
Ausbildungsverträge von 2015 auf 2016 (–1.800) beruhte fast
nur auf Einbußen in den westdeutschen Bundesländern
(–1.700), hier besonders in Nordrhein-Westfalen; im Osten
blieb die Ausbildungsbeteiligung fast unverändert (Matthes
et al. 2017: 28).
Der aktuelle Rückgang der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung reiht sich in einen seit Jahren stabilen Trend ein,
dem langfristig wirksame Faktoren zugrunde liegen.
12
3 Besetzungs- und Passungsprobleme auf
dem Ausbildungsmarkt
3.1 Status quo und aktuelle Entwicklungen
Versorgungsprobleme entstehen dann, wenn in einer Region, einer Branche oder einem Ausbildungsberuf eine
Die betriebliche Ausbildungsbeteiligung kann dadurch ge-
große Nachfrage nach Ausbildungsstellen besteht, aber kein
stärkt werden, dass von Betrieben angebotene Ausbildungs-
entsprechendes betriebliches Angebot vorhanden ist. Dage-
stellen besetzt und bis zum erfolgreichen Abschluss geführt
gen kann die Nichtbesetzung angebotener Ausbildungsstel-
werden. Unter dem Schlagwort „leere Lehrstellen“ spielt
len je nach Region, Branche, Beruf und Betrieb auf zwei un-
in jüngster Zeit das sogenannte Passungsproblem eine
terschiedliche Konstellationen zurückgeführt werden:
wichtige Rolle in der berufsbildungspolitischen Diskussion.
„Passungsprobleme“ bedeutet hier, dass angebotene Aus-
•
Besetzungsprobleme: Es fehlt an nachfragenden Be-
bildungsstellen nicht besetzt werden können und zugleich
werberinnen und Bewerbern – sei es wegen demogra-
Ausbildungssuchende keine ihren Berufswünschen ent-
phischer Rückgänge, aufgrund von Abwanderung oder
sprechende Ausbildungsstelle finden.
attraktiveren Bildungsangeboten innerhalb oder außerhalb der beruflichen Bildung.
Während die Entwicklung im Übergangsbereich darauf verweist, dass vielen Ausbildungsinteressierten der Zugang
•
Passungsprobleme: Die Erwartungen der quantitativ für
zu einer anerkannten Berufsausbildung nicht bzw. erst mit
das Ausbildungsangebot ausreichenden Nachfrager bzw.
zeitlicher Verzögerung gelingt, bleiben auf der anderen
die Erwartungen der Ausbildungsunternehmen an die
Seite angebotene Ausbildungsstellen unbesetzt. Das Aus-
Nachfrager werden nicht erfüllt.
maß der Nichtbesetzung ist in den vergangenen Jahren
deutlich gestiegen; 2016 wurden acht Prozent (43.500) der
Besetzungsprobleme lassen sich in einigen Regionen auch
Ausbildungsplätze nicht besetzt (BIBB 2017: 15). Tatsächlich
auf demographische Rückgänge und auf Abwanderung zu-
hat sich das betriebliche Ausbildungsangebot zwischen 2015
rückführen: Davon sind vor allem die westdeutschen Flä-
und 2016 nicht verändert (± 0,0 %) (ebd.: 17), aber die Zahl
chenländer außerhalb der Ballungsräume und einige ost-
der unbesetzten Ausbildungsstellen hat sich im gleichen
deutsche Länder in Regionen mit geringer Siedlungsdichte
Zeitraum um 4,5 Prozent erhöht (ebd.: 20).
betroffen (Mohr et al. 2014; AGBB 2010: 324). Je nach Region
gestaltet sich die Situation im Hinblick auf Versorgungs-,
Im Berufsbildungsbericht 2017 des Bildungsministeriums
Besetzungs- und Passungsprobleme unterschiedlich (Ab-
für Bildung und Forschung (BMBF) werden neben dem Pas-
bildung 4).
sungsproblem die in Tabelle 3 dargestellten Problemtypen
unterschieden.
Versorgungsprobleme (blau): Anteil der erfolglosen Aus-
TABELLE 3 Problemtypen auf dem Ausbildungsmarkt
Zahl der erfolglos suchenden Bewerber
Zahl der
unbesetzten
Ausbildungsstellen
niedrig
hoch
niedrig
kein Problem
Versorgungsproblem
hoch
Besetzungsproblem
Passungsproblem
bildungsplatznachfrager an der Gesamtnachfrage
Besetzungsprobleme (rot): Anteil der unbesetzten Ausbildungsplatzangebote am betrieblichen Gesamtangebot
Passungsprobleme (orange): Produkt der Anteile der erfolglosen Nachfrager und der unbesetzten Angebote
Quelle: BMBF 2017: 69
13
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
ABBILDUNG 4 Regionale Unterschiede bei den Versorgungs- und Besetzungsproblemen 2016
bis 5 %
bis 5 %
bis 50
5 bis unter 10 %
5 bis unter 10 %
50 bis unter 100
10 bis unter 15 %
10 bis unter 15 %
100 bis unter 150
15 bis unter 20 %
15 bis unter 20 %
150 bis unter 200
ab 20 %
ab 20 %
ab 200
Die über relative Größen visualisierte Unterschiedlichkeit
der regionalen Lagen (Abbildung 4) lässt sich durch die Darstellung der absoluten Dimensionen (Abbildung 5) weiter
konkretisieren.
Große Bedeutung für das Auftreten von Passungs- oder Besetzungsproblemen hat die Attraktivität der verschiedenen
Berufe. Besonders betroffen sind das Nahrungsmittelhandwerk (insb. Fleischer/in, Fachverkäufer/in Nahrungsmittelhandwerk, Bäcker/in) und die Gastronomie (insb. Restaurantfachmann/-frau, Fachmann/-frau Systemgastronomie,
Hotelkaufmann/-frau) sowie Berufe wie Gerüstbauer/in,
Beton- und Stahlbetonbauer/in und Gebäudereiniger/in.
Vergleichsweise schwach betroffen von Passungs- oder Besetzungsproblemen sind kaufmännische und Medienberufe
(BMBF 2017: 72 f.).
Quelle: BIBB 2017: 24
14
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
ABBILDUNG 5 Unbesetzte Ausbildungsstellen und noch zu vermittelnde Bewerber 2016 nach Bundesländern (absolut)
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0
BW
BY
BE
BB
HB
Unbesetzte Ausbildungsstellen
HH
HE
MV
NI
NW
RP
SL
SN
ST
SH
TH
Noch zu vermittelnde Bewerber
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (Ausbildungsmarktstatistik), Absolutwerte werden aus Datenschutzgründen jeweils auf ein Vielfaches
von 3 gerundet. Bei den Daten der Bundesagentur für Arbeit liegen Werte kleiner 3 nicht vor. Zu Berechnungszwecken werden diese durch
Schätzwerte ersetzt. Berechnungen des BIBB (Tabelle 60 der BIBB-Erhebung zum 30.9., Datenstand: 12.12.2016). Baas und Baethge 2017: 27.
3.2 Gründe für die Nichtbesetzung von
Ausbildungsstellen
gründung der langjährigen „Krise des Ausbildungsmarktes“
wird teilweise heute noch fortgesetzt. In der DIHK-Ausbildungsumfrage (DIHK 2017: 18) bemängeln 91 Prozent der
Je nach Branche, Betriebsgröße, Beruf und Region können
Betriebe „mangelnde Ausbildungsreife“. 26 Prozent der
die Gründe für die Nichtbesetzung von Ausbildungsstellen
befragten Unternehmen geben an, dass sie offene Stellen
variieren. Während beispielsweise Großbetriebe in attrak-
nicht besetzen konnten, weil sie keine Bewerbungen hat-
tiven Branchen und Berufen weiterhin einen Überhang an
ten. 68 Prozent aber geben an, dass zwar Bewerbungen vor-
qualifizierten Bewerbern haben, ist die Situation kleiner
lagen, diese aber nicht geeignet waren (ebd.: 11).
und mittlerer Unternehmen (KMU) je nach Branche, Beruf
und Region schwieriger. Sie erscheinen vielen qualifizierten
Diese Befunde bieten keine Antworten, sondern führen
Bewerbern weniger attraktiv bzw. müssen für die Ausbil-
zu neuen Fragen. Was sind die Kriterien einer „mangeln-
dung von Jugendlichen mit schlechteren Schulabschlüssen
den Eignung“? Sind diese Kriterien tatsächlich relevant für
oder spezifischen Benachteiligungen tendenziell einen hö-
einen Ausbildungserfolg? Mit welchen Maßnahmen in der
heren Ausbildungsaufwand in Kauf nehmen. Aus regionaler
Ausbildung lassen sich ggf. Eignungsdefizite beheben? Im
Perspektive sind die Ungleichgewichte bzw. Wanderungs-
nationalen Bildungsbericht 2016 heißt es: Bei „der konse-
bewegungen zwischen Ballungsräumen und ländlichem
quenteren Erschließung des Potenzials im unteren Quali-
Raum bzw. zwischen West- und Ostdeutschland zu beach-
fikationsspektrum haben die Betriebe bisher eher auf der
ten.
Ausbildungsfähigkeit als Zugangsvoraussetzung insistiert,
als sich aktiv an deren Herstellung im Rahmen der betrieb-
Eine genaue Analyse der Gründe für eine fehlende Beset-
lichen Ausbildung zu beteiligen“ (AGBB 2016: 122).
zung oder Passung ist allein schon wichtig, um gegebenenfalls differenzierte Handlungsansätze entwickeln zu kön-
Die unterschiedliche Betroffenheit nach Betriebsgröße und
nen. Gründe können dabei prinzipiell auf der Angebotsseite
Berufsbereich lässt vermuten, dass die Attraktivität der je-
(z. B. fehlende Ausbildungsqualität, Attraktivität) und/oder
weils angebotenen Ausbildungsstellen für die Jugendlichen
auf der Nachfrageseite (z. B. verändertes Bildungswahlver-
eine große Bedeutung hat. Aus ihrer Perspektive wird diese
halten, unzulängliche Information) liegen.
Attraktivität maßgeblich beeinflusst durch Einkommensund Aufstiegsmöglichkeiten, die Ausbildungsqualität, die
Über viele Jahre sind Überhänge der Ausbildungsnachfrage
Arbeitsbedingungen (u. a. Arbeitszeit) und die Arbeitsplatz-
von Schulabsolventen mit mangelnder Ausbildungsreife be-
sicherheit (vgl. Baethge et al. 2014; BMBF 2017: 67).
gründet worden und nicht mit einem zu geringen Bedarf der
Unternehmen an Ausbildung. Diese legitimatorische Be-
15
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
ABBILDUNG 6 Reaktionsmuster von Betrieben auf rückläufige Bewerberzahlen
Wie reagieren Sie bei der Gewinnung von Auszubildenden auf rückläufige Bewerberzahlen? (in %, Mehrfachantworten möglich)
Angebote von Praktika
verbessertes Ausbildungsmarketing
Erschließung neuer Bewerbergruppen (z. B. Studienabbrecher)
Kooperationen mit Schulen
Kooperationen mit Hochschulen (z. B. Angebot von dualen Studiengängen)
Angebot von Zusatzqualifikationen (z. B. Fremdsprachenunterricht)
verstärkte überregionale Suche nach Auszubildenden
Angebot von Ausbildung mit einer Aufstiegsfortbildung
finanzielle/materielle Anreize
Ich bilde im Verbund aus oder prüfe gerade die Möglichkeit
Angebot von Auslandsaufenthalten in der Ausbildung
Angebot von Ausbildung in Teilzeit
Integration von Flüchtlingen (erstmals 2017 abgefragt)
andere Vorgehensweisen
2017
2016
0
10
20
30
40
50
60
Quelle: DIHK 2017: 13
Die Gruppe der Beauftragten der Arbeitnehmer macht da-
wartung, Ausbildungsvergütung, Aufstiegsmöglichkeiten,
rauf aufmerksam, dass viele Ausbildungsberufe mit einer
Arbeitsbedingungen und Attraktivität der Ausbildung
hohen Zahl unbesetzter Plätze „massive Qualitätsprobleme“
selbst. Entsprechend werden Betriebe in jenen Branchen
zeigten (BMBF 2017: 138). So lägen die Vertragslösungsquote
und Berufen gemieden, die hinsichtlich dieser Erwartungs-
und die Misserfolgsquote bei diesen Ausbildungsberufen
faktoren als schlecht eingeschätzt werden. Das liefert einen
„seit Jahren weit über dem Durchschnitt“. Fragen der Qua-
Hinweis darauf, dass Besetzungsprobleme durchaus auch
litätsentwicklung in der betrieblichen Ausbildung wurden
mit einem „marktrationalen“ Verhalten der Schulabgänger
in den vergangenen Dekaden berufsbildungspolitisch meist
zu erklären sind: Viele meiden Ausbildungsangebote mit
vernachlässigt.
hohen Vertragsrisiken bzw. geringen Übernahmequoten –
zumindest solange es Alternativen gibt.
Betrieblich umsetzbare Qualitätskonzepte für die Ausbildung zu entwickeln erscheint daher in Branchen mit
Aus der DIHK-Ausbildungsumfrage ergeben sich einige
Schwierigkeiten bei der Nachwuchsrekrutierung als eine
Hinweise darauf, wie Unternehmen auf die veränderte
zentrale Aufgabe. Sie stellt unter anderem auch deshalb
Nachfragesituation reagieren (Abbildung 6).
eine Herausforderung dar, weil die Ausbilder eine größere
Heterogenität der Auszubildenden bewältigen müssen.
Die Branchen setzen hier unterschiedliche Schwerpunkte.
In der Vergangenheit verfolgten viele Betriebe die Strate-
Beispielsweise setzen IT-Betriebe sowie Banken und Versi-
gie einer Homogenisierung der Auszubildenden auf hohem
cherungen verstärkt auf die Erschließung neuer Zielgruppen
Leistungsniveau durch scharfe Selektion bei der Einstel-
(z. B. Studienabbrecher), während etwa das Gastgewerbe
lung. Dies stößt eben dort an Grenzen, wo wenige Bewerber
die überregionale Suche nach Auszubildenden intensivieren
auf eine große Zahl angebotener Ausbildungsstellen treffen.
möchte (DIHK 2017: 14). Bei den skizzierten Reaktionsformen fällt auf, dass Faktoren wie Ausbildungsqualität, Karri-
Die (zumindest) in Teilen des Ausbildungssystems nach-
ereperspektiven und Arbeitsbedingungen bestenfalls nach-
vollziehbare Bestenauslese bei der Rekrutierung von Auszu-
geordnet und indirekt angegangen werden.
bildenden durch die Betriebe hat ihr Spiegelbild in der Attraktivitätswahrnehmung der Ausbildungsberufe bei den
Schulabgängern: Diese nehmen ebenfalls eine Auslese der
Betriebe vor – nach Übernahmechancen, Einkommenser-
16
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
TABELLE 4 Vertragslösungsquoten nach Personenmerkmalen und Zuständigkeitsbereichen, Bundesgebiet 2015
Insgesamt
Männliche
Weibliche
Deutsche
Ausländer
Industrie und Handel
21,4 %
21,0 %
22,2 %
20,8 %
30,8 %
Handwerk
33,5 %
31,9 %
38,4 %
32,9 %
39,5 %
Öffentlicher Dienst
6,3 %
8,3 %
5,2 %
6,3 %
7,5 %
Landwirtschaft
23,1 %
22,6 %
24,7 %
22,9 %
36,5 %
Freie Berufe
26,5 %
27,5 %
26,5 %
26,2 %
29,4 %
Hauswirtschaft
27,4 %
31,7 %
27,0 %
27,1 %
33,9 %
Gesamt
24,9 %
24,7 %
25,2 %
24,2 %
33,3 %
Quelle: BIBB 2017: 164, 167
3.3 Entwicklung von Ausbildungsvertragslösungen
Ausbildungsvertragslösungen können einerseits als Indikator für die Qualität der Ausbildung in den jeweiligen Berufen und Branchen verstanden werden, andererseits deuten
sie auf Gefährdungspotenziale für die duale Berufsausbildung insgesamt hin. Solche Vertragslösungen können Be-
TABELLE 5 Vertragslösungsquoten nach Schulabschluss
Ohne Hauptschulabschluss
37,1 %
Mit Hauptschulabschluss
36,4 %
Hauptschule gesamt
73,5 %
Mittlerer Bildungsabschluss
22,3 %
Studienberechtigung
14,2 %
Quelle: BMBF 2017: 76
triebe dazu bewegen, künftig ihre Ausbildungsaktivitäten
zu reduzieren; sie können Jugendliche darin bestärken, auf
eine duale Ausbildung zu verzichten und entweder schulische Bildungswege zu forcieren oder ohne Ausbildung eine
TABELLE 6 Ausbildungsberufe mit den höchsten und
niedrigsten Vertragslösungsquoten, Bundesgebiet 2015
Beschäftigung zu suchen. Allerdings muss eine Vertragslö-
Hotel und Gastronomie
sung nicht zwingend als ein Scheitern wahrgenommen wer-
Restaurantfachmann/-frau
49,6 %
Koch/Köchin
48,1 %
Fachkraft im Gastgewerbe
43,6 %
ein Studium aufzunehmen (Lettau 2017: 41; zu den Gründen
Fachmann/-frau für Systemgastronomie
41,3 %
einer Vertragslösung BIBB 2017: 168 f.).
Hotelfachmann/-frau
40,2 %
den. Sie kann auch als neue Chance verstanden werden, den
Ausbildungsbetrieb zu wechseln, die getroffene Berufswahl
zu revidieren, den schulischen Abschluss zu verbessern oder
Nahrungsmittelhandwerk
Der Umfang der Vertragslösungen variiert nicht nur zwischen
Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk
43,4 %
einzelnen Ausbildungsberufen, sondern auch zwischen
Bäcker/in
40,3 %
Wirtschaftsbereichen (Tabelle 4).
Weitere Berufe
Gebäudereiniger/in
48,0 %
mit niedrigen Schulabschlüssen höher als bei denjenigen
Gerüstbauer/in
43,5 %
mit höheren Abschlüssen (Tabelle 5).
Quelle: BIBB 2017, 167
Die Quote der Vertragslösungen liegt bei Auszubildenden
Bei diesen Zahlen ist zu berücksichtigen, dass Auszubildende mit niedrigen Schulabschlüssen eher in Berufen,
Die Frage nach der Ursache von Passungs- und Besetzungs-
Branchen und Betrieben ausgebildet werden, in denen die
problemen führt zu einer Gemeinsamkeit der Berufe in den
Ausbildungsbedingungen und Übernahmequoten weniger
Wirtschaftsbereichen mit einem hohen Anteil unbesetzter
günstig sind als in Bereichen, in denen Auszubildende mit
Stellen: Ihre Vertragslösungsquoten liegen zum Teil deut-
höheren Abschlüssen ausgebildet werden. „Jugendliche mit
lich über dem Bundesdurchschnitt von 24,9 Prozent (2015).
Hauptschulabschluss findet man eher in Berufen mit instabileren Ausbildungsverhältnissen, außerdem weniger wahr-
Eine Auswertung von Daten des National Education Panel
scheinlich in ihrem Wunschberuf“ (BIBB 2017: 168).
Survey (NEPS) zeigt, dass in den ersten zwei Jahren nach
17
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
TABELLE 7 Überblick über den weiteren Bildungsweg der
Befragten des National Education Panel Survey
Anschluss nach Vertragslösung
Anteil
3.4 Herausforderungen durch besondere
Unterstützungsbedarfe spezifischer
Bewerbergruppen
Wiederaufnahme einer dualen Berufsausbildung
40,6 %
Aufnahme einer schulischen Berufsausbildung
7,1 %
Beginn einer schulischen Höherqualifizierung
7,2 %
Aufnahme eines Studiums
5,9 %
„mangelnden Eignung“ vieler Ausbildungsbewerber. Zu-
Beendigung der Qualifizierungsphase
39,2 %
gleich zeigen die Befunde, dass einzelne Gruppen zum einen
Quelle: Lettau 2017: 42
Das Passungsproblem kann unter quantitativen, aber auch
unter qualitativen Kriterien analysiert werden. Ein Grund
für die fehlende Passung liegt aus Sicht der Betriebe in der
größere Schwierigkeiten haben, überhaupt einen Ausbildungsplatz zu bekommen, zum anderen bei einer Vertragslösung überdurchschnittlich oft ohne eine Ausbildung auf
Vertragslösung etwa 40 Prozent der Personen erneut eine
den Arbeitsmarkt kommen. Die Betriebe setzen in der Regel
Qualifizierungsmaßnahme aufgenommen haben. Nach acht
auf Ausbildungsanwärter mit mittlerer bis guter schuli-
Jahren sind es rund 50 Prozent, nach 15 Jahren circa 62 Pro-
scher Abschlussqualifikation, guten Deutsch- und Mathe-
zent. Die Anschlusswege verteilen sich dabei wie aus Tabelle
matikkenntnissen und ausgeprägten sozialen Kompetenzen
7 ersichtlich.
(vgl. DIHK 2017). Das ist nicht verwunderlich: Je homogener ihre Auszubildendenkohorten sind, desto geringer der
Je nach Schulabschluss verlaufen die Anschlusswege unter-
voraussichtliche Aufwand für die Kompensation vorgängi-
schiedlich. Personen mit Hochschulreife zeigen die ge-
ger Bildungslücken – und desto eher erwarten die Betriebe,
ringste Wahrscheinlichkeit, erneut eine duale Ausbildung
dass sich die Ausbildung komplikationsfrei und erfolgreich
zu beginnen: Rund 55 Prozent von ihnen schließen ein Stu-
durchführen lässt.
dium an. Aber auch diejenigen mit oder ohne Hauptschulabschluss haben eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, erneut
Zugespitzt ließe sich aus den Daten folgern, dass Jugendli-
eine duale Ausbildung aufzunehmen, als jene mit einem
che mit einem hohen Bedarf an Unterstützung oft in Aus-
mittleren Bildungsabschluss. Ein Grund könnte darin lie-
bildungsbereiche kommen, die nicht gut vorbereitet sind
gen, dass Personen mit einem niedrigen Bildungsniveau
auf erhöhte Unterstützungsanforderungen. Für die Berufs-
die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung häufiger er-
bildung resultiert daraus die Gefahr, dass sich diese Betriebe
schwert ist. „Hinsichtlich des familiären Hintergrunds wird
aus der Ausbildung zurückziehen und Jugendliche nach er-
deutlich, dass Personen aus eher bildungsfernen Familien
folgloser Suche oder der Erfahrung einer Vertragslösung
(Eltern mit max. Hauptschulabschluss) die höchste Wahr-
eine duale Berufsausbildung meiden.
scheinlichkeit haben, ihre Qualifizierungsphase nach einer
Vertragslösung zu beenden, und seltener erneut eine duale
Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden ein zusammen-
Ausbildung aufnehmen. Unter anderem könnte ein durch-
fassender Überblick über die Bewerbergruppen des Ausbil-
schnittlich geringerer Schulabschluss von Personen aus so-
dungsmarktes gegeben werden, die sich mit Startnachteilen
zial benachteiligten Familien zur Folge haben, dass diese
um eine Ausbildungsstelle bemühen und unter Umständen
seltener eine zweite Ausbildungschance im dualen System
auch während der Ausbildung einen besonderen Unterstüt-
erhalten“ (Lettau 2017: 42). Die Daten zeigen ferner, dass
zungsbedarf zeigen. Aus Sicht der Betriebe resultiert aus
Frauen häufiger als Männer ihre Qualifizierungsphase nach
dieser Konstellation die Frage, ob sie bereit sind, ggf. mit-
einer Vertragslösung beenden. „Hinsichtlich des Migrati-
hilfe bestehender oder neuer Instrumente Jugendliche
onshintergrunds lässt sich feststellen, dass diese Personen-
dieser Bewerbergruppen auszubilden. Diese Bereitschaft
gruppe häufiger als Personen ohne Migrationshintergrund
stände in Kontrast zu einer Strategie der Bestenauslese, die
nach einer Vertragslösung ihre Qualifizierungsphase been-
darauf zielt, die Auszubildenden mit möglichst geringem
den“ (ebd.: 44).
Aufwand schon früh während der Ausbildungszeit auf einen
schnellen produktiven Einsatz vorzubereiten.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass vor allem
Personen mit niedrigem Schulabschluss, Personen aus El-
Aufseiten der Ausbildungsstellennachfrage und damit der
ternhäusern mit niedrigem formalen Bildungshintergrund
Ausbildungsaspiranten zeigt sich insgesamt eine wach-
und Personen mit Migrationshintergrund im Anschluss an
sende Heterogenität aufgrund diverser Faktoren: der
eine Vertragslösung gefährdet sind, keine weiteren Bil-
Differenzierung und Spreizung von sozialen Lagen in der
dungsetappen zu absolvieren.
Gesellschaft, der Verfestigung von beruflich ausgegrenzten
18
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
TABELLE 8 Auszubildende mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag ohne und mit Hauptschulabschluss nach
Zuständigkeitsbereichen, Bundesgebiet 2009 und 2015
Zuständigkeitsbereich
Ohne Hauptschulabschluss
Mit Hauptschulabschluss
2009
2015
2009
2015
Industrie und Handel
2,6 %
2,5 %
25,6 %
21,3 %
Handwerk
5,2 %
3,6 %
53,7 %
43,4 %
Öffentlicher Dienst
0,1 %
0,2 %
4,6 %
4,0 %
Landwirtschaft
10,4 %
7,6 %
46,2 %
32,5 %
Freie Berufe
0,6 %
0,5 %
15,9 %
15,6 %
Hauswirtschaft
29,4 %
28,8 %
57,5 %
54,8 %
Gesamt
3,5 %
2,8 %
33,1 %
26,7 %
Quelle: BIBB 2017: 142
Milieus, der hohen Quote von Zuwanderern mit geringen
einzelnen Ausbildungssegmenten zumindest hinsichtlich
deutschen Sprachkennnissen und mit fremden kulturellen
der schulischen Bildungsabschlüsse eine Homogenisierung
Hintergründen, aber auch der Öffnung der allgemeinbil-
der Auszubildenden stattfindet (AGBB 2016: 110 f.). Be-
denden Schulen für Schüler mit Behinderungen und der in
stimmte Ausbildungsberufe sind für Hauptschulabsolven-
einzelnen Bundesländern sehr hohen Quote von Auszubil-
ten nur noch in Ausnahmefällen zugänglich, in anderen
denden mit Hochschulzugangsberechtigung. Diese Hetero-
beträgt der Anteil der Hochschulzugangsberechtigten über
genität ist nicht einfach auf einer Skala von mehr oder we-
50 Prozent (AGBB 2016: 286; BIBB 2017: 150).
niger leistungsfähigen Ausbildungsanwärtern abzubilden
– sie bedeutet Unterschiedlichkeit in vielen Dimensionen,
Der Anteil von Ausbildungsanfängern ohne Hauptschulab-
die die Ausbildung erschweren, aber auch bereichern kön-
schluss (HSA) lag 2015 bei 2,8 Prozent (2009: 3,5 %). Der An-
nen.
teil von Hauptschulabsolventen ist in den letzten Jahren
ebenfalls stetig gesunken und lag 2015 noch bei 26,7 Pro-
Heterogenität kann sich in vielerlei Hinsicht zeigen, bei-
zent (2009: 33,1 %) (BIBB 2017: 146). Im Jahr 2016 begannen
spielsweise in personalen Merkmalen wie Alter, Augenfarbe
erstmals mehr Studienberechtigte als Hauptschulabsolven-
oder Körpergröße, oder in sozialen Merkmalen wie Mig-
ten eine duale Berufsausbildung (ebd.: 142). Die Anteile der
rationsstatus, Schulleistung oder sozioökonomische Le-
Hauptschulabsolventen ohne und mit Abschlussverteilen
benslage. In diesem Zusammenhang interessieren jene
sich auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche, wie es in
Merkmale, die in der Berufsausbildung für die jeweiligen
Tabelle 8 zu sehen ist.
Gruppen einen besonderen Unterstützungsbedarf begründen. Nachfolgend werden vor diesem Hintergrund die fol-
Der rückläufige Anteil von Jugendlichen ohne und mit
genden, in ihren Merkmalen sich teils überschneidenden,
Hauptschulabschluss ist teilweise auf die insgesamt sin-
Zielgruppen aufgenommen:
kende Zahl von Hauptschulen bzw. Hauptschülern zurückzuführen. Die zunehmende Schwierigkeit für Hauptschul-
•
Schulleistungsschwache Jugendliche
absolventen, nach der Schulzeit eine duale Ausbildung
•
Jugendliche mit Migrationshintergrund
aufnehmen zu können, zeigt sich daran, dass nur 45,3 Pro-
•
Geflüchtete Jugendliche
zent dieser Gruppe direkt der Schritt von der Schule in die
•
Jugendliche mit Behinderung(en)
Ausbildung gelingt (BMBF 2017: 136).
Viele dieser Jugendlichen münden in eine der zahlreichen
Schulleistungsschwache Jugendliche
Maßnahmen des Übergangsbereichs ein (vgl. auch Bertelsmann Stiftung 2011). Nach deutlichen Rückgängen der An-
Der Zugang zu einer dualen Berufsausbildung ist zwar
fängerzahlen von 2005 (417.600) bis 2014 (252.700) ist die
prinzipiell nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
Zahl 2015 (266.200) und 2016 (298.800) im Übergangsbe-
Faktisch ist der Ausbildungsmarkt jedoch im Hinblick auf
reich wieder gestiegen. Der Anstieg wird u. a. auf die Inte-
schulische Bildungsabschlüsse segmentiert, wodurch in den
grationsmaßnahmen für junge Geflüchtete zurückgeführt
19
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
TABELLE 9 Anfänger im Übergangsbereich 2005, 2014 und 2016 sowie deren jeweiliger Anteil
2005
Anteil
2014
Anteil
2016
Anteil
Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) inkl. einjähriger Berufseinstiegsklassen
58.432
16,6 %
45.202
20,7 %
105.361
36,5 %
Berufsfachschulen (BFS) mit anrechenbarer einjähriger beruflicher
Grundbildung
58.708
16,7 %
35.581
16,3 %
47.348
16,4 %
Berufsvorbereitende Maßnahmen (BvB) der BA
91.811
26,1 %
46.149
21,2 %
44.200
15,3 %
Bildungsgänge an BFS mit beruflicher Grundbildung ohne Anrechnung
29.106
8,3 %
21.490
9,9 %
40.782
14,1 %
BFS, allgemeine Programme (Erfüllung Schulpflicht, Sek-I-Abschlüsse)
68.095
19,3 %
45.069
20,7 %
23.729
8,2 %
Bildungsgänge Berufsschule für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag
27.035
7,7 %
14.393
6,6 %
14.956
5,2 %
Einstiegsqualifizierung (EQ) der BA
18.881
5,4 %
10.213
4,7 %
12.357
4,3 %
Quelle: BMBF 2017: 61
(BMBF 2017: 11). Der Gesamtanteil der ausländischen Ju-
– trotz dort günstiger Relation von Angebot und Nachfrage
gendlichen im Übergangsbereich lag 2015 bei 26,4 Prozent
– relativ hoch (BIBB 2017: 154). Das verweist auf unter-
(2014: 19,8 %) (ebd.: 61). Auf alle Teilgruppen bezogen sind
schiedliche bildungspolitische Strategien der Bundesländer
die einzelnen Maßnahmentypen unterschiedlich besetzt
zur Lösung der Übergangsproblematik.
(ebd.; vgl. Tabelle 9).
Die Differenzierung nach der schulischen Vorbildung der
Jugendliche mit Migrationshintergrund
Jugendlichen im Jahr 2015 (BMBF 2017: 60) macht deutlich,
dass neben Hauptschülern auch Jugendliche mit einem
21,0 Prozent der 2015 in Deutschland lebenden Menschen
mittleren und höheren Bildungsabschluss in den Über-
hatten einen Migrationshintergrund. Jugendliche mit Mi-
gangsbereich einmünden:
grationshintergrund sind nach der Definition des Statistischen Bundesamtes (Destatis 2016) Personen,
TABELLE 10 Schulische Vorbildung der Anfänger im
Übergangsbereich
Ohne Hauptschulabschluss
25,7 %
Hauptschulabschluss
42,6 %
Saldo Hauptschule
68,3 %
Mittlerer Bildungsabschluss
22,7 %
Studienberechtigung
1,5 %
•
die nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik
Deutschland geboren wurden und nach 1949 zugewandert sind und/oder
•
die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder
eingebürgert wurden und/oder
•
bei denen ein Elternteil mindestens eine der oben genannten Bedingungen erfüllt.
Quelle: BMBF 2017: 60
In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen liegt der Anteil
Die Lage auf dem regionalen Ausbildungsmarkt korre-
bei 28,5 Prozent (BMBF 2017: 48). Rund ein Drittel ist in
liert nicht zwangsläufig mit dem Umfang des Übergangs-
Deutschland geboren, die übrigen sind zugewandert. Dabei
bereichs. Ein relativ günstiges Verhältnis von Angebot und
ist ein Großteil der 2015/2016 zugewanderten Geflüchteten
Nachfrage am Ausbildungsstellenmarkt führt nicht di-
nicht berücksichtigt. Untersuchungen zeigen, dass Jugend-
rekt zu weniger Übergangsmaßnahmen – und umgekehrt
liche mit Migrationshintergrund ein ebenso großes Inter-
müssen schwierige Bedingungen am Ausbildungsmarkt
esse an einer Berufsausbildung haben wie diejenigen ohne
nicht bedeuten, dass der Übergangsbereich sich unmittel-
Migrationshintergrund und sich teilweise noch intensiver
bar ausdehnt (vgl. Weiß 2015: 8). So war der Anteil der Aus-
als jene um einen Ausbildungsplatz bemühen (BMBF 2017:
zubildenden, die vor der Ausbildung berufsvorbereitende
49).
Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen hatten, etwa in
Thüringen mit 5,1 Prozent und in Hessen mit 5,6 Prozent,
Die Schulabschlüsse ausländischer Jugendlicher sind unter
aber auch in Berlin mit ungünstiger Angebots-Nachfrage-
den Ausbildungsplatzbewerbern niedriger als die der deut-
Relation verhältnismäßig gering, aber in Niedersachsen
schen Jugendlichen (vgl. Tabelle 11).
(14,3 %), Sachsen (14,0 %) und Baden-Württemberg (12,9 %)
20
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
TABELLE 11 Höchster Schulabschluss der Ausbildungsplatzbewerber nach Staatsangehörigkeit des Berichtsjahrs
2016
ihr Wissen über die im statistischen Durchschnitt schlechteren Schulnoten von Migranten auf die Einschätzung konkreter Bewerber.
Höchster Schulabschluss
Ausländische
Jugendliche
Deutsche
Jugendliche
Die Ausbildungsanfängerquote lag bei ausländischen Ju-
Kein Hauptschulabschluss
5%
3%
gendlichen 2015 bei 26,0 Prozent, bei deutschen Jugend-
Hauptschulabschluss
33 %
23 %
lichen bei 56,7 Prozent (BMBF 2017: 48). Dabei bestehen
Hauptschule gesamt
38 %
26 %
deutliche Unterschiede nach Herkunftsregionen. Insbeson-
Mittlerer Schulabschluss
40 %
52 %
(Fach-)Hochschulreife
22 %
23 %
Quelle: BIBB 2017: 243
dere für Jugendliche türkischer oder arabischer Herkunft ist
es trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren immer
noch deutlich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden.
So lag 2014 die Einmündungsquote der Bewerber in eine
duale Ausbildung bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund bei 42 Prozent, bei Jugendlichen mit Migrationshin-
Ein wesentlicher Grund für diese Situation wird zum einen
tergrund bei 27 Prozent (bei Bewerbern türkischer oder ara-
in der fehlenden Fähigkeit des Bildungssystems gesehen,
bischer Herkunft bei 24 Prozent; BIBB 2017: 252).
herkunftsbedingte Startnachteile auszugleichen. Zum anderen werden weitergehende, migrationsbedingte Faktoren
Überdurchschnittlich häufig bleiben Personen mit Migrati-
zur Erklärung herangezogen. In Untersuchungen, bei denen
onshintergrund daher ohne Berufsabschluss. So beträgt die
Schulabschlüsse und soziale Herkunft kontrolliert wurden,
Ungelerntenquote bei 20- bis 34-jährigen Migranten 29,8
bleibt „ein eigenständiger Einfluss des Migrationshinter-
Prozent – bei türkischstämmigen Migranten liegt sie bei
grunds bestehen. […] Dies bedeutet, dass auch unter an-
58,8 Prozent. Zum Vergleich: Bei den 20- bis 34-Jährigen
sonsten gleichen Bedingungen die Chancen für Migranten
ohne Migrationshintergrund liegt die Quote bei 8,8 Prozent
und Migrantinnen, in eine duale Ausbildung einzumünden,
(BIBB 2017: 335).
geringer sind als für Jugendliche ohne Migrationshintergrund“ (Beicht und Walden 2014b: 2). „Ihre Einmündungs-
Jugendliche Migranten verfügen nicht nur über niedrigere
chancen sind dabei selbst unter insgesamt gleichen Be-
Schulabschlüsse und einen niedrigeren sozioökonomischen
dingungen (gleiche soziale Herkunft, gleiche schulische
Status, sie „münden auch seltener in ihren Wunschberuf
Voraussetzungen, gleiches Suchverhalten und gleiche Aus-
ein und werden häufiger in Berufen mit schlechten Ausbil-
bildungsmarktlage) niedriger als die von Jugendlichen ohne
dungsbedingungen ausgebildet“ (BMBF 2017: 50). Vor die-
Migrationshintergrund“ (ebd.: 14).
sem Hintergrund erstaunt es nicht, dass sie in höherem
Maße von vorzeitigen Vertragslösungen betroffen sind.
Die Forschungslage bietet momentan keine vollständige
Aufklärung über die Faktoren jenseits von sozialer Herkunft
und Schulleistung. Hinweise können unter anderem ver-
Geflüchtete Jugendliche
schiedenen theoretischen Ansätzen entnommen werden
(vgl. im Überblick Beicht und Walden 2014a), doch steht
Die Datenlage hinsichtlich der Bildungsvoraussetzungen
eine Überprüfung der darin enthaltenen Thesen zumeist
und -bedarfe von geflüchteten Menschen in Deutschland
noch aus. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass
ist derzeit noch lückenhaft. Hierzulande wurden im Jahr
ein Erklärungsfaktor in den Auswahlprozessen bei der Ver-
2015 rund 890.000 und 2016 rund 280.000 Schutzsuchende
gabe von Ausbildungsplätzen liegt (Granato et al. 2011: 16;
registriert (BIBB 2017: 419). Hauptherkunftsländer waren
SVR 2014; Scherr et al. 2015). Obwohl Jugendliche arabischer
Syrien (36,9 %), Afghanistan (17,6 %) und Irak (13,3 %)
und türkischer Herkunft die meisten Bewerbungen ver-
(BMBF 2017: 51). Etwa 75 Prozent der Asylbewerber sind
senden, sind ihre Aussichten auf einen betrieblichen Aus-
jünger als 30 Jahre. Ihre Integrationsvoraussetzungen hän-
bildungsplatz unter allen Jugendlichen mit Migrations-
gen neben ihrem Aufenthaltsstatus wesentlich von dem
hintergrund am schlechtesten. Eine Erklärung stellt die
Herkunftsland ab (vgl. BIBB 2017: 421 ff.). Geflüchtete sind
sogenannte statistische Diskriminierung dar (Becker 2011).
eine heterogene Gruppe: Insgesamt bringen 21,6 Prozent
Ihr zufolge haben Personalverantwortliche in Betrieben
der Asylantragsteller einen Gymnasial- und 16,6 Prozent
Schwierigkeiten, die Lernmotivation und Leistungsfähig-
einen Hochschulabschluss mit; zehn Prozent haben keine
keit der Bewerber sicher einzuschätzen. Sie orientieren sich
formelle Schulbildung (ebd.: 425).
daher verstärkt an den Schulabschlüssen und projizieren
21
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
Es besteht eine zweigipflige Verteilung zwischen einer
benden Etappen der Sprach- und Integrationskurse, der
Gruppe schulisch überwiegend gut Gebildeter und einer
Berufsorientierung sowie der Ausbildungsvorbereitung er-
kleineren Gruppe ohne bzw. mit einer geringen Schulbil-
mittelt, wie viele Geflüchtete in den einzelnen Jahren (zu-
dung. Während Antragsteller aus Ländern wie Syrien oder
sätzliche) Ausbildungsplätze nachfragen. Bezogen auf die in
Iran sehr gute schulische Voraussetzungen mitbringen
den Jahren 2015 und 2016 im Alter von unter 25 Jahren aner-
(46,7 % / 75 % Gymnasial- bzw. Hochschulabschluss), ver-
kannten Schutzbedürftigen (Variante 1) bzw. 75 Prozent der
fügt ein hoher Anteil von Antragstellern aus Afghanistan
in beiden Jahren als Asylantragsteller in Erscheinung tre-
und dem Irak (27 % / 15,2 %) nicht über eine formelle Schul-
tenden Personen unter 25 Jahren (Variante 2) werden Nach-
bildung (BIBB 2017: 425).
fragekorridore ausgewiesen von 15.000 bis 31.500 (2017),
18.500 bis 33.700 (2018) und 17.900 bis 41.500 (2019). Die
Für ihre beruflichen Qualifikationen können die Geflüchte-
Zahl der auf drei Jahre kumuliert ausbildungsnachfragen-
ten häufig keine formal zertifizierten Abschlüsse vorweisen.
den Geflüchteten erreicht 2019 bzw. 2020 ihren Höhepunkt
Dennoch können sie über verwertbare Kompetenzen verfü-
und liegt je nach Variante zwischen 56.000 und 100.000
gen, die durch informelles Lernen bzw. berufliche Arbeits-
(2019) bzw. 52.700 und 102.000 (2020) (BIBB 2017: 467). Es
erfahrungen erworben wurden (ebd.: 427). Jungen Geflüch-
bleibt dabei offen, in welche Art von Berufsausbildung die
teten wird eine „hohe Bildungsorientierung im Hinblick auf
Geflüchteten einmünden wollen bzw. können.
schulische und berufliche Abschlüsse“ zugeschrieben (ebd.:
430). Junge Erwachsene (18 bis 25 Jahre) sind überpropor-
Die Zahl konkretisiert die im nationalen Bildungsbericht
tional an schulischen (65 %) bzw. beruflichen Bildungs-
2016 veröffentlichten Schätzungen über den quantitativen
abschlüssen (84 %) interessiert. Zugleich besteht bei den
Bedarf an Ausbildungsplätzen. Diese gehen allein für die
Geflüchteten eine hohe Erwerbsorientierung, die in Kon-
2015 nach Deutschland geflüchteten Jugendlichen von
kurrenz zu Ausbildungsangeboten treten kann.
einem Bedarf an 72.000 bis 96.000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen aus, wobei die Verteilung auf die Jahre offen-
Es wird davon ausgegangen, dass viele Geflüchtete den Weg
gelassen wurde (AGBB 2016: 202).
in Ausbildung und Beschäftigung über einen längeren Zeitraum vollziehen werden (BIBB 2017: 458). Als Etappen auf
diesem Weg sind neben Maßnahmen der sprachlichen und
Jugendliche mit Behinderung(en)
kulturellen Integration Angebote zur Berufsorientierung,
Berufsvorbereitung, Berufsausbildung und Nachqualifizie-
Für die Berufsbildung sind keine Studien bekannt, die ein
rung vorgesehen, die möglichst gezielt auf die Bedingungen
detailliertes Bild über den Stand und die Ausprägung von
der Geflüchteten abzustimmen sind. Im Jahr 2016 hatten
Inklusion in der beruflichen Bildung zeichnen könnten. Ab-
insgesamt etwa 330.000 Geflüchtete mit einem Integrati-
bildung 7 erfasst die prinzipiell möglichen Übergangspfade,
onskurs begonnen, rund 8.000 besuchten Maßnahmen der
wobei die genauen Verläufe sowie die Quantitäten nur teil-
Berufswahl und -orientierung und rund 3.200 nahmen an
weise erschließbar sind.
einer Einstiegsqualifizierung teil (BMBF 2017: 14). Bisher
steigt die Beteiligung von Geflüchteten an den Angeboten
Im Schuljahr 2014/2015 befanden sich rund 508.000 Schü-
der beruflichen Bildung nur langsam. Die Zahl der Ausbil-
ler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf im all-
dungsanfänger in der dualen Ausbildung mit einer Staats-
gemeinbildenden Schulbereich; dies sind 7,0 Prozent aller
angehörigkeit aus einem nicht europäischen Haupther-
Schüler (AGBB 2016: Tab. D2-9web). 34,1 Prozent von ihnen
kunftsland von Geflüchteten lag bei 2.900 (2015). Von den
lernten an Regelschulen, 65,9 Prozent wurden in einer der
etwa 10.300 Geflüchteten, die im Ausbildungsjahr 2015/2016
mehr als 3.100 Förderschulen unterrichtet (ebd.). Die größ-
bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Bewerber gemel-
ten Teilgruppen hatten Förderbedarf in den Bereichen Ler-
det waren, konnten circa 3.500 einen Ausbildungsvertrag
nen (44,3 %), emotionale und soziale Entwicklung (25,4 %)
abschließen (BIBB 2017: 468).
sowie Sprache (13,7 %) (ebd.: Tab. D2-10web). Jährlich verlassen entsprechend rund 50.000 Jugendliche mit sonder-
In einer Modellrechnung hat das BIBB ermittelt, in welchem
pädagogischem Förderbedarf den allgemeinbildenden Schul-
Maße sich bis 2021 eine zusätzliche Nachfrage nach dualen
bereich und stehen vor der Frage nach einem geeigneten
Ausbildungsplätzen durch die voraussichtlich im Land blei-
Anschluss (Euler und Severing 2014: 13). Im Jahr 2016 mün-
benden Geflüchteten begründet. Dabei wird ausgehend von
deten etwa 13.000 Schulabsolventen mit sonderpädagogi-
den unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen, den ge-
schem Förderbedarf in eine berufsvorbereitende Maßnahme
äußerten Bildungspräferenzen und den sich daraus erge-
(BMBF 2017: 78).
22
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
ABBILDUNG 7 Übergänge von den allgemeinbildenden Schulen in Ausbildung und Beruf
Schüler/innen mit besonderem Förderbedarf
Regelschulen
Förderschulen
Übergänge
Berufsvorbereitung
Ü1
Ü2
Berufsausbildung
Ü3
Ü4
Beschäftigung
Ü5
Ü6
Ü7
Berufsvorbereitende
Maßnahmen
Außerbetriebliche
Berufsbildung in
Ohne Ausbildung/
Ausbildung in
Werkstätten für
ohne Beschäftigung
anerkannten
behinderte
Ausbildungsberufen
Menschen
Betrieblich-duale
Außerbetriebliche
Beschäftigung
Ausbildung in
und betriebliche
auf dem
anerkanntem
Ausbildung in
ersten/zweiten
Ausbildungsberuf
Sonderberufen
Arbeitsmarkt
Quelle: Euler und Severing 2014: 11
Die genaue Zahl von betrieblich-dualen Ausbildungsverträ-
vertiefter Blick auf die Entwicklung und Struktur der Zah-
gen mit behinderten Jugendlichen ist nicht bekannt, da das
len über Sonderausbildungen nach § 66 BBiG bzw. § 42m
Merkmal „Behinderung“ kein Bestandteil der Berufsbil-
HwO verdeutlicht, dass die Einmündung von Jugendlichen
dungsstatistik ist (BIBB 2012: 40, 137). Gleichwohl existie-
nicht nur von ihren Ausbildungsvoraussetzungen abhängt,
ren Annäherungswerte, die aus verschiedenen statistischen
sondern auch von den jeweiligen Bedingungen des Ausbil-
Quellen abgeleitet werden können (vgl. Euler und Severing
dungsmarktes. So ist zum einen erkennbar, dass in Zeiten
2014: 14 f.). Demnach kann von rund 3.500 Einmündungen
einer besseren Versorgungslage die Einmündungen in Son-
von Jugendlichen mit Behinderung in eine betrieblich-duale
derausbildungen abnehmen, in Zeiten eines angespannten
Ausbildung ausgegangen werden.
Ausbildungsmarktes wird die umgekehrte Tendenz deutlich. Es wird davon ausgegangen, dass „Verwaltungen bei
Neben einer ungeförderten oder geförderten betrieblich-
einem massiven Mangel an betrieblichen Ausbildungsplät-
dualen Berufsausbildung sind staatlich geförderte Formen
zen, wie er insbesondere Mitte der 2000er-Jahre herrschte,
der außerbetrieblichen Berufsausbildung möglich. Ein we-
die Bestimmungen nach § 66 BBiG bzw. § 42m HwO offen-
sentliches Instrument der BA in diesem Bereich stellt die
siver auslegen, um auch über diesen Weg Ausbildungsmög-
Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen
lichkeiten zu eröffnen“ (BIBB 2012: 40).
(BaE) dar (§ 76 SGB III). Es besteht für „förderungsbedürftige junge Menschen“, worunter auch jene mit Behinderun-
Zudem fallen die regionalen Disparitäten bei der Zuweisung
gen fallen. Im Jahr 2015 haben insgesamt 2.376 Menschen
in Sonderausbildungen auf. Während der Anteil von Son-
eine Förderung für eine außerbetriebliche Ausbildung für
derausbildungen nach § 66 BBiG bzw. § 42m HwO an der
Menschen mit Behinderung erhalten (BIBB 2017: 140).
Gesamtzahl aller Ausbildungsverträge in Westdeutschland
im Jahr 2015 bei 1,5 Prozent lag, betrug er in Ostdeutsch-
Insgesamt 9.152 Ausbildungsverträge wurden 2015 in den
land 3,6 Prozent (BIBB 2017: 139). Daraus wird deutlich, dass
Berufen zum Fachpraktiker neu abgeschlossen, etwa 5.900
ein individuell zugeschriebenes Merkmal je nach Markt-
davon überwiegend öffentlich, rund 3.200 überwiegend be-
bedingungen sehr unterschiedlich interpretiert wird und
trieblich finanziert (BIBB 2017: 139 f.). Etwa 56 Prozent der
zu unterschiedlichen Zuweisungen der Jugendlichen führt.
Auszubildenden haben einen Hauptschulabschluss, drei
Durchschnittlich 45 Prozent der Absolventen einer Fach-
Prozent einen Realschulabschluss und circa 41 Prozent ver-
praktikerausbildung finden anschließend eine Voll- oder
fügen über keinen Hauptschulabschluss (ebd.: 147). Ein
Teilzeitbeschäftigung, zwölf Prozent setzen die Ausbildung
23
BESETZUNGS- UND PASSUNGSPROBLEME AUF DEM AUSBILDUNGSMARKT
fort, 35 Prozent münden in die Erwerbslosigkeit (ebd.: 86).
Rund ein Drittel der Betriebe erklärt sich bei einer Betriebsbefragung (n=298) insgesamt bereit zur Übernahme in eine
Vollausbildung, wobei der Anteil bei Betrieben mit Erfahrung in der Ausbildung von Menschen mit Behinderung bei
65 Prozent liegt, während er bei Betrieben ohne Erfahrung
etwa 29 Prozent erreicht (ebd.: 86).
Ein weiterer Teil der Jugendlichen mit Behinderungen mündet nach der Schulzeit in den Berufsbildungsbereich einer
der Werkstätten für behinderte Menschen. Im Jahresdurchschnitt wurden 2016 circa 23.000 Personen gefördert (BMBF
2017: 78). Die berufliche Bildung in den Werkstätten unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von einer Berufsausbildung im dualen System: Sie dauert nur 24 Monate, der
Lernort Berufsschule ist meist nicht verankert, die angestrebten Kompetenzprofile sind nicht standardisiert und es
fehlen die für eine Berufsausbildung typischen Ordnungsmittel.
24
4 Betriebliche Einflussfaktoren für das
Angebot von Ausbildungsressourcen
Die Motivlagen der Unternehmen können Hinweise darauf
keine Möglichkeit zur Übernahme seiner Auszubildenden
geben, unter welchen Bedingungen Ausbildungsressour-
sieht (Mohr et al. 2015: 5)
cen (Ausbildungs- und Praktikumsstellen) generell bzw.
speziell für Personen mit Unterstützungsbedarf angebo-
Die Entkopplung von Beschäftigung und Ausbildung lässt
ten werden. Diverse Untersuchungen bieten hierzu einige
sich über den Vergleich von Beschäftigtenzahlen und Aus-
Hinweise, wenngleich die Konkretisierung auf der Ebene
bildungsquote belegen. So ist zwischen 1999 und 2015 die
einzelner Berufsgruppen und Branchen noch weiterer Ver-
Zahl der Beschäftigten um 12,1 Prozent gestiegen, während
tiefung bedarf.
die der Auszubildenden im gleichen Zeitraum um 6,7 Prozent gesunken ist (Baas und Baethge 2017: 15). Die Ausbil-
Im Einzelnen werden folgende Faktoren genannt:
dungsquote ist in dieser Zeit von 6,5 auf 5,1 Auszubildende
pro 100 Beschäftigte gesunken (ebd.: 26). Besonders stark
•
•
Abhängigkeit von der konjunkturellen und strukturellen
vollzog sich die Spreizung zwischen Beschäftigung und
Wirtschaftsentwicklung
Ausbildung in Kleinst- und Kleinbetrieben.
Ertrags- vs. Investitionsmotive bei der Personalrekrutierung
Die genauen Gründe für diese neue Situation sind noch un-
•
Neuausrichtungen der Personalrekrutierung
klar. Eine mögliche Interpretation besteht darin, dass kon-
•
Bereitschaft zu besonderen Anstrengungen bei der
junkturelle von wirtschaftsstrukturellen Einflüssen über-
Ausbildung spezifischer Zielgruppen
lagert werden. Dabei würden beispielsweise im Rahmen der
Bisherige Erfahrungen in der Ausbildung spezifischer
verstärkten Implementierung digitaler Technologien Stellen
Zielgruppen
überflüssig, die bisher Absolventen einer dualen Ausbildung
Verfügbarkeit und Inanspruchnahme flankierender
besetzt haben. Oder bislang von beruflich Qualifizierten be-
Unterstützungsleistungen
setzte Stellen sind mit erhöhten kognitiven Kompetenzan-
•
•
forderungen verbunden und werden daher verstärkt mit
4.1 Konjunkturelle und strukturelle
Wirtschaftsentwicklung
Hochschulabsolventen besetzt.
4.2 Ausbildungsmotive
Über viele Jahre korrespondierte die konjunkturelle Wirtschaftsentwicklung stark mit dem Angebot an Ausbildungs-
Betriebe bieten aus unterschiedlichen Motiven Ausbildungs-
stellen. Erst in der vergangenen Dekade ist zu beobachten,
stellen an, wobei die eindeutige Zuordnung zu einem vor-
dass sich trotz einer positiven Konjunktur die Ausbildungs-
rangigen Ausbildungsmotiv oft schwierig ist. Die in der Li-
betriebs- und die Ausbildungsquote für die unterschied-
teratur häufig genannten betrieblichen Motive können wie
lichen Betriebsgrößen rückläufig entwickeln. Als ein Indi-
folgt zusammengefasst werden (Schönfeld et al. 2016):
kator kann ein Befund aus dem BIBB-Qualifizierungspanel
angeführt werden: Mit 43 Prozent ist der für betriebliche
•
Produktions- bzw. Ertragsmotiv: Bei Betrieben, für die
Ausbildungsabstinenz am häufigsten genannte Grund der
dieses Motiv hohe Bedeutung hat, stehen die produk-
fehlende Bedarf an selbst ausgebildeten Nachwuchskräften.
tiven Leistungen der Auszubildenden und die durch sie
Jeder vierte Betrieb (25 %) gab dort ferner an, weniger oder
erzielten Erträge im Vordergrund. Die Kosten der Aus-
gar keine Ausbildungsverträge mehr abzuschließen, weil er
bildung werden nach Möglichkeit bereits während der
25
BETRIEBLICHE EINFLUSSFAKTOREN FÜR DAS ANGEBOT VON AUSBILDUNGSRESSOURCEN
Ausbildungszeit gedeckt. Eine Übernahme der Auszu-
gen können, bestehen an dieser Stelle Ansatzpunkte für
bildenden ist wirtschaftlich nicht notwendig, damit die
die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsressourcen.
Ausbildungsinvestitionen der Betriebe sich auszahlen;
•
sie ist aber auch nicht ausgeschlossen (vgl. Wenzelmann
Empirische Untersuchungen beschränken sich meist auf
et al. 2016). Erhöhte Aufwendungen aufgrund relativ
das Produktions- und das Investitionsmotiv. Zur Unter-
schlechter Ausbildungsvoraussetzungen der Jugendli-
scheidung der beiden Motive werden prinzipiell vor allem
chen gefährden das Kalkül der Betriebe, über die Ausbil-
zwei Kenngrößen herangezogen: das Übernahmeverhalten
dung bereits früh Erträge zu erwirtschaften, und können
der Betriebe und die Nettokosten der Ausbildung (vgl. Moh-
somit den Rückzug aus der Ausbildung begünstigen.
renweiser und Backes-Gellner 2010).
Investitionsmotiv (vgl. Merrilees 1983): Bei diesem
Motiv verfolgen die Betriebe das Ziel, sich durch die
4.3 Strategie der Personalrekrutierung
Ausbildung vom externen Arbeitsmarkt unabhängig zu
machen. Ausbildungskosten werden bis zu einem be-
Ein weiterer potenzieller Entscheidungsfaktor ist für ein-
stimmten Maß in Kauf genommen, da durch die Über-
zelne Berufe – besonders in technologie- und dienstleis-
nahme der Absolventen mittel- und langfristig wirk-
tungsintensiven Branchen (BIBB 2017: 232) – eine aufgrund
same Erträge entstehen. Der produktive Einsatz der
erhöhter Kompetenzanforderungen veränderte Strategie in
Auszubildenden steht nicht im Vordergrund. Ausbildung
der Personalrekrutierung und -bindung. Demnach würde
wird vor allem als eine Investition in die Zukunft be-
sich die Personalrekrutierung verstärkt von den Absolventen
trachtet. In diesem Fall können erhöhte Aufwendungen
beruflicher zu akademischen Bildungsgängen verschieben.
dazu führen, dass sich das Investitionsrisiko erhöht und
ggf. alternative Rekrutierungswege interessant werden.
Überlegungen einer möglichen Verschiebung der Personalrekrutierung von Ausbildungs- zu Hochschulabsolventen
•
•
Screening-Motiv (vgl. Franz und Zimmermann 2002):
treffen im Kern die Akademisierungsdiskussion. Durch die
Dieses Motiv bewertet die Ausbildung als eine verlän-
deutliche Zunahme von Schulabsolventen mit Hochschul-
gerte Probezeit. Die Betriebe können die Auszubildenden
zugangsberechtigung und die aufgrund gleichbleibender
über einen längeren Zeitraum beobachten und testen,
Übergangsquoten ebenfalls erhöhte Zahl an Studienanfän-
um dann diejenigen zu übernehmen, die am besten in
gern geraten Berufsbildung und Hochschulbildung in eine
das betriebliche Anforderungsprofil passen.
neue Relation.
Reputationsmotiv: Bei diesem Motiv erhoffen sich die
Dass sich Bildungswege von der Berufsausbildung in Rich-
Betriebe durch die Ausbildung ein höheres Ansehen bei
tung Studium verschieben, ist zunächst eine Möglichkeit.
externen Stakeholdern und damit eine Verbesserung
Allein aus der Überschneidung von Ausbildungs- und Stu-
ihrer Marktsituation. Das gestiegene Image kann so die
dienangeboten lässt sich noch keine Verschiebung zwischen
Kosten der Ausbildung bzw. die Personalgewinnungs-
ihnen begründen. Seit 2013 übersteigt die Zahl der Studien-
kosten für neue Fachkräfte reduzieren.
anfängerinnen und -anfänger in Deutschland jene der Anfängerinnen und Anfänger in der dualen Berufsausbildung
•
Sozialverantwortungsmotiv: Betriebe mit diesem Motiv
(AGBB 2016: 278).3 Eine wesentliche Ursache für diese Ent-
bemühen sich aus sozialer Verantwortungsbereitschaft,
wicklung kann in einem veränderten Bildungsverhalten
jungen Menschen mit Startnachteilen eine Chance zu
gesehen werden: Immer mehr Jugendliche streben über die
geben. Sie sehen dabei nicht nur die zusätzlichen He-
allgemeinbildenden oder beruflichen Schulen eine Hoch-
rausforderungen und Belastungen, sondern auch die
schulzugangsberechtigung an. Bei steigender Studienbe-
Chancen und möglichen Vorteile, die ein solches Enga-
rechtigtenquote und konstanten Übergangsquoten in die
gement mit sich bringt. So stimmen beispielsweise in
Hochschulen führt die Entwicklung dazu, dass sich die An-
einer Betriebsbefragung 89 Prozent der Befragten der
teile von der beruflichen zur akademischen Bildung verla-
Aussage zu, dass „Ausbildung der beste Weg ist, um
gern.
Geflüchtete in die Gesellschaft zu integrieren“ (Ebbinghaus 2017: 8). Selbst wenn die Äußerung nicht notwendigerweise mit dem eigenen Handeln übereinstimmt
und auch bei Aktivitäten im Rahmen einer Corporate
Social Responsibility ökonomische Motive mitschwin-
26
3
Während die Zahl der Neuzugänge im dualen System zwischen 2007
und 2015 um rund 90.000 von 570.000 auf 480.000 gefallen ist, stieg
sie im Bereich der Hochschulen um etwa 130.000 auf 505.000 im Jahr
2015 (AGBB 2016: 278, 297). Dieser Vergleich ist nicht bereinigt um
ca. 110.000 ausländische Studienanfänger in Deutschland und ca.
120.000 deutsche Studienanfänger im Ausland (AGBB 2016: 300, 303).
BETRIEBLICHE EINFLUSSFAKTOREN FÜR DAS ANGEBOT VON AUSBILDUNGSRESSOURCEN
Ein Teil der Hochschulzugangsberechtigten nimmt nach
rekrutierung (z. B. über den Arbeitsmarkt oder von Hoch-
Ende der Schulzeit kein Studium auf, sondern mündet in
schulabsolventen); oder sie sind bereit, über zusätzliche
eine duale oder schulische Berufsausbildung. Eine Verschie-
Ausbildungsanstrengungen – ggf. auch mit externer Unter-
bung von der beruflichen zur akademischen Bildung fin-
stützung – bestehende Startnachteile der Auszubildenden
det statt, wenn sich die Entscheidungen der maßgeblichen
auszugleichen.
Akteure – insbesondere das Bildungsverhalten der Schulabsolventen sowie das Personalrekrutierungsverhalten der
In vielen Branchen und Berufen war für Betriebe in den ver-
Betriebe – verändern und im Hochschulbereich durch die
gangenen Jahren eine „Bestenauslese“ möglich. Sie konn-
Einführung neuer Studienangebote veränderte Rahmenbe-
ten unter zahlreichen Bewerberinnen und Bewerbern wäh-
dingungen für das Entscheidungsverhalten entstehen. Der
len, meist auch unter solchen mit hohen schulischen
Schritt von der Möglichkeit zur Wirklichkeit wird demnach
Bildungsabschlüssen. Die gestiegenen Bildungsvorausset-
primär von diesen drei Faktoren beeinflusst.
zungen bei der Rekrutierung von Auszubildenden führten
beispielsweise dazu, dass der Anteil der Ausbildungsanfän-
Die Befunde zu der Frage, ob Betriebe in ihrer Rekrutie-
ger mit einer Studienberechtigung von 20,3 Prozent im Jahr
rungspraxis künftig verstärkt Ausbildungs- durch Studien-
2009 auf 27,7 Prozent im Jahr 2016 gestiegen ist. In Bun-
absolventen ersetzen, sind nicht eindeutig. Gegen eine sol-
desländern wie Hamburg oder Nordrhein-Westfalen liegt
che Verdrängungsthese spricht sowohl eine Befragung des
die Quote bei über 40 Prozent (BIBB 2017: 143). In einem
Instituts der deutschen Wirtschaft (vgl. Konegen-Grenier
solchen Rahmen blieben für die Betriebe die Anforderun-
et al. 2011) als auch eine international vergleichende Studie
gen an ihre originären Ausbildungsanstrengungen begrenzt
des BIBB (vgl. Hippach-Schneider und Weigel 2013). Beide
(vgl. Gerhards und Ebbinghaus 2014). Insbesondere auf-
kommen zu dem Ergebnis, dass Unternehmen Bachelorab-
grund der demographischen Entwicklung und des zur aka-
solventen überwiegend auf Positionen einsetzen, die zuvor
demischen Bildung sich verschiebenden Wahlverhaltens
bereits von anderen Hochschulabsolventen besetzt wur-
der Schulabsolventen müssen sich viele Betriebe um- und
den. Allerdings „findet sich in einigen Studienfächern ein
verstärkt darauf einstellen, bei den Auszubildenden nicht
hoher Anteil an Bachelorabsolventen, der einen Hochschul-
bereits Kompetenzen vorauszusetzen, sondern diese durch
abschluss für die ausgeübte Beschäftigungsposition gar
teils aufwendige Prozesse noch zu entwickeln.
nicht für erforderlich ansieht“ (AGBB 2016: 142). So liegt die
Quote in anwendungsorientierten Studiengängen wie Wirt-
In der DIHK-Ausbildungsumfrage wird berichtet, dass die
schaftswissenschaften (Uni: 30 %; FH: 29 %) zwar niedri-
Betriebe zunehmend bereit sind, auch „lernschwächere Ju-
ger als in Studiengängen mit einem weniger engen Anwen-
gendliche auszubilden“ (DIHK 2017: 20). Zugleich nutzen
dungsbezug (z. B. Geisteswissenschaften: 39 %), ist jedoch
sie zunehmend Instrumente, die staatlicherseits angeboten
als durchaus bedeutend zu werten. Daraus ließe sich insbe-
werden, um die erhöhten Ausbildungsanstrengungen zu
sondere für die kaufmännischen Ausbildungsberufe ein Ge-
bewältigen. Die Übersicht in Abbildung 8 zeigt, wie die Be-
fährdungspotenzial begründen.
triebe auf die (vermeintliche) „mangelnde Ausbildungsreife
von Schulabgängern“ reagieren (ebd.):
4.4 Bereitschaft zu besonderen
Anstrengungen in der Ausbildung
spezifischer Zielgruppen
Punktuelle Hinweise auf den Umfang der Bereitschaft von
Betrieben, Ausbildungsressourcen für Jugendliche mit
Startnachteilen bereitzustellen, bietet auch eine Betriebsbefragung von 1.351 Klein- und Mittelbetrieben mit Bezug
Die jährliche Ausbildungsumfrage des DIHK führt für 2017
zu zehn Ausbildungsberufen (vgl. Ebbinghaus 2017). Die
aus, dass der häufigste genannte Grund für die Nichtbeset-
Betriebe wurden gefragt, inwieweit sie „von sich aus“ Prak-
zung von Ausbildungsplätzen der Mangel an geeigneten
tikums- und Ausbildungsstellen für Geflüchtete angebo-
Bewerbern sei. 68 Prozent der Betriebe hätten zwar Be-
ten haben. Die Befunde bestätigen die Literaturlage, wel-
werbungen erhalten, die Bewerber seien aber nicht geeig-
che eine gewisse Ambivalenz dokumentiert: „Auf der einen
net für den angebotenen Ausbildungsplatz gewesen (DIHK
Seite wird berichtet, dass Betriebe die Ausbildung junger
2017: 11). Diese Zahl drückt zunächst aus, dass die Betriebe
Geflüchteter als wichtige Integrationsaufgabe und in jungen
ihre Rekrutierungserwartungen durch die eingehenden Be-
Schutzsuchenden durchaus auch eine Zielgruppe sehen. Auf
werbungen nicht erfüllt sehen. Aus dieser Situation kön-
der anderen Seite wird – mehr oder minder große – Zurück-
nen sie dann zwei unterschiedliche Konsequenzen ziehen:
haltung der Betriebe konstatiert, wenn es darum geht, […]
Entweder suchen sie nach anderen Formen der Personal-
eigens für diese Gruppe entsprechende Plätze anzubieten“
27
BETRIEBLICHE EINFLUSSFAKTOREN FÜR DAS ANGEBOT VON AUSBILDUNGSRESSOURCEN
ABBILDUNG 8 Ansätze von Unternehmen für Jugendliche mit Unterstützungsbedarf
Wie reagieren Sie auf die mangelnde Ausbildungsreife von Schulabgängern? (in %; Mehrfachantworten möglich)
Eigenes Angebot von Nachhilfe im Unternehmen
Nutzung ausbildungsbegleitender Hilfen der Agentur für Arbeit
Chance für lernschwächere Jugendliche auch ohne öffentliche Unterstützung
Keine Möglichkeit für den Einsatz von lernschwächeren Jugendlichen
Angebote betrieblicher Praxisphasen für Jugendliche von Bildungsträgern
Angebote betrieblicher Einstiegsqualifizierung (EQ)
Angebote langfristiger Schülerpraktika zum Lernen im Betrieb (z. B. Praxisklassen)
Bessere Informationen zu Stärken/Schwächen von Jugendlichen
Nutzung zweistufiger Ausbildungsmodelle (zweijähriger Beruf)
Einsatz ehrenamtlicher Mentoren/Paten
Einsatz der assistierten Ausbildung
Andere Reaktionen
2017
2016
0
5
10
15
20
25
30
35
40
Quelle: DIHK 2017: 20
(ebd.: 2). Die Befragung ergibt einen Anteil von rund zehn
In eine grundsätzlich ähnliche Richtung deuten Befunde zur
Prozent an Betrieben, die für Geflüchtete eine Ausbildungs-
Bereitschaft von KMU, für Geflüchtete Ausbildungs- oder
oder Praktikumsstelle angeboten haben (ca. 8 % bei Kleinst-
Praktikumsstellen anzubieten. Zwölf Prozent der Betriebe
betrieben mit unter 10 Beschäftigten; ca. 14 % bei Mittelbe-
mit Erfahrungen in der Beschäftigung von Mitarbeitern mit
trieben mit 50 bis 240 Beschäftigten). Zugleich geben die
Migrationshintergrund sind bereit, entsprechende Ausbil-
Betriebe an, dass sie auf etwa 70 Prozent der angebotenen
dungsressourcen anzubieten, bei Betrieben ohne diese Er-
Plätze keine Resonanz erhalten haben (ebd.: 6). Möglicher-
fahrungsgrundlage beträgt der Anteil nur sieben Prozent
weise funktionieren die Vermittlungswege in diesem Be-
(Ebbinghaus 2017: 7).
reich noch nicht sehr gut.
4.5 Erfahrungen in der Ausbildung
spezifischer Zielgruppen
4.6 Inanspruchnahme bestehender
Unterstützungsleistungen
Für die Ausbildung von Zielgruppen mit besonderem Unter-
Aus zwei Bereichen liegen Befunde darüber vor, dass Be-
stützungsbedarf existieren bereits zahlreiche Instrumente
triebe eine erhöhte Bereitschaft zur Ausbildung von Jugend-
und Angebote, die Unternehmen in Anspruch nehmen
lichen mit besonderem Unterstützungsbedarf zeigen, wenn
können. Dabei wird immer wieder deutlich, dass viele der
sie bereits gute Erfahrungen damit sammeln konnten. So
Leistungen nur sehr begrenzt genutzt werden. Dies kann
berichten Enggruber und Rützel (2014), dass etwa 47 Pro-
entweder darauf zurückgeführt werden, dass sie den Unter-
zent der Betriebe „überwiegend positive“ Erfahrungen mit
nehmen nicht hinreichend bekannt sind oder dass ihre In-
der Ausbildung von Jugendlichen mit Behinderungen ma-
anspruchnahme als organisatorisch zu aufwendig und bü-
chen, rund 39 Prozent bewerten sie als „teil, teils“. Etwa 61
rokratisch empfunden wird (BIBB 2017: 453). Denkbar ist
Prozent der Betriebe bilden Jugendliche mit Behinderungen
ferner, dass einzelne Leistungen den Bedarf nicht genau
deshalb aus, weil sie schon gute Erfahrungen in der Ausbil-
treffen oder aus betrieblicher Sicht spezifische Unterstüt-
dung mit ihnen gemacht haben (Enggruber und Rützel 2014:
zungsleistungen vermisst werden.
36).
28
5 Programme zur Förderung der
betrieblichen Ausbildungsbeteiligung
Ausgehend von der Darstellung der Problemlage (vgl. Ka-
ner können übergeordnete Strategien der Personalrekrutie-
pitel 2 und 3) und den in der einschlägigen Literatur skiz-
rung das Angebot beeinflussen, etwa wenn in Branchen mit
zierten Einflussfaktoren für das Angebot von betrieblichen
entsprechenden Kompetenzprofilen eine Verlagerung er-
Ausbildungsressourcen werden in Abbildung 9 die zentralen
folgt: weg von Absolventen der beruflichen Bildung, hin zu
Faktoren zusammengefasst.
solchen aus der akademischen Bildung. Bedeutsam können
darüber hinaus frühere Erfahrungen mit der Ausbildung
Das Angebot betrieblicher Ausbildungsressourcen wird zum
spezifischer Zielgruppen sein. Schließlich kann die Wahr-
einen von betrieblich induzierten Faktoren beeinflusst.
nehmung bestehender Unterstützungsleistungen Einfluss
Die Attraktivität von Branche und Beruf erscheint hier zu-
auf das betriebliche Ausbildungsverhalten haben.
nächst als ein Faktor, der sich auf die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen auswirkt. Unter der Perspektive der Be-
Neben den betrieblich induzierten können bewerberindu-
setzungs- und Passungsproblematik kann eine fehlende
zierte Faktoren die Entscheidung für oder gegen die Bereit-
Nachfrage in der Folge dazu führen, dass sich Betriebe aus
stellung von Praktikums- oder Ausbildungsplätzen beein-
der Ausbildung zurückziehen und auf andere Formen – für
flussen. Wesentlich sind dabei die Ausbildungsvorausset-
sie nicht zwangsläufig gleichermaßen günstige Alternati-
zungen, sowohl in kognitiver und motivationaler als auch in
ven – der Personalrekrutierung ausweichen. Ein zentraler
sozialer und emotionaler Hinsicht. Eine zentrale Bedeutung
Einflussfaktor sind die Ausbildungsmotive, insbesondere
kommt ferner dem Bildungswahlverhalten zu, das mehr
die Bereitschaft zu besonderen Anstrengungen hinsichtlich
oder weniger von Erfahrungen aus der Berufsorientierung
der Ausbildung von Jugendlichen mit Startnachteilen. Fer-
in allgemeinbildenden Schulen beeinflusst werden kann.
ABBILDUNG 9 Einflussfaktoren des Angebots betrieblicher Ausbildungsressourcen
Einflussfaktoren
Betrieblich induziert
· Attraktivität Branche/Beruf
(Einkommen, Karriere, Ausbildungsqualität, Arbeitsbedingungen, Image
etc.)
· Ausbildungsmotive
(Bereitschaft zu besonderen
Ausbildungsanstrengungen etc.)
· Strategie Personalrekrutierung
· Ausbildungserfahrungen
(insb. mit spezifischen Zielgruppen)
· Externe Unterstützungsleistungen
Übergreifend
· Demographie
· Flexible Ausbildungsstrukturen
Beschäftigung
· Kognitive Leistungsfähigkeit/
sozio-emotionale Stabilität
· Berufsorientierung/
Berufswahlverhalten
Quelle: eigene Darstellung
29
PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG
Zusätzlich sind zwei übergreifende Faktoren zu nennen, die
ausgerichtet sind. Neben diesen Bundesprogrammen exis-
je nach Branche und Beruf möglicherweise auf das Ausbil-
tieren viele Förderprogramme in den Bundesländern sowie
dungsangebot einwirken. Die demographische Entwicklung
zahlreiche Initiativen von Stiftungen, Verbänden etc.
bestimmt den quantitativen Rahmen, innerhalb dessen die
Jugendlichen eine Ausbildung nachfragen. Je enger der Rah-
Im Folgenden werden relevante Förderprogramme, die
men und je geringer die Attraktivität bestimmter Branchen
in den vergangenen vier Jahren auf Bundesebene aufge-
und Berufe, desto schwerer werden Betriebe es haben, Ju-
legt wurden, mit ihren zentralen Zielbezügen skizziert. An-
gendliche mit guten Ausbildungsvoraussetzungen für an-
schließend werden die Programme den oben skizzierten
gebotene Stellen zu finden. Ferner kann die Flexibilität der
Einflussfaktoren der Bereitstellung betrieblicher Ausbil-
Ausbildungsstrukturen auf das betriebliche Ausbildungs-
dungsressourcen zugeordnet.
verhalten wirken: Je flexibler die Strukturen, desto besser
können Betriebe ihre Möglichkeiten und Erwartungen auf
die Ausbildung abstimmen. So bieten beispielsweise Strukturmodelle mit Möglichkeiten zur Differenzierung eines
Initiative „Bildungsketten bis zum
Ausbildungsabschluss“
Ausbildungsgangs über Fachrichtungen, Schwerpunkte,
Wahlqualifikationen u. a. flexiblere Ausbildungsformen als
Seit 2010 fördert das BMBF mit unterschiedlichen Kom-
ein monolithisch strukturierter Bildungsgang mit festen In-
ponenten die „präventive und ganzheitliche Sicherung
halten.
des Bildungserfolgs junger Menschen durch die sukzessive
Schaffung einer strukturierten und kohärenten Förderpoli-
Die einzelnen Faktoren sind durch politische Interventio-
tik von Bund (BMBF und BMAS), BA und Ländern in der Be-
nen in unterschiedlichem Maße beeinflussbar. Beispiels-
rufsorientierung und im Übergangsbereich“ (BMBF 2017:
weise kann die Politik für die Betriebe Unterstützungs-
82). Die Programmkomponenten sind in Abbildung 10 zu-
leistungen mit dem Ziel bereitstellen, die Bereitschaft zur
sammengestellt.
Ausbildung besonderer Zielgruppen (z. B. Geflüchtete, Jugendliche mit Behinderungen) zu erhöhen. Die Entschei-
Einige dieser Komponenten beziehen sich enger auf die
dung und damit Verantwortung für die Inanspruchnahme
skizzierten Einflussfaktoren für das Angebot betrieblicher
der Leistungen bzw. die dadurch induzierte Bereitstellung
Ausbildungsressourcen:
von Ausbildungsressourcen liegt jedoch in der bestehenden
Wirtschaftsverfassung bei den Betrieben. In gleicher Weise
•
Unterstützung von Jugendlichen zur Verbesserung ihrer
kann mit intensiven Formen der Berufsorientierung auf das
Ausbildungsvoraussetzungen durch betriebsnahe Über-
Bildungswahlverhalten der Schulabsolventen eingewirkt
gangsmaßnahmen (z. B. Einstiegsqualifizierung), Be-
werden. Ob jedoch beispielsweise Informationen über Aus-
rufseinstiegsbegleitung und regionale Koordinierung im
bildungsmöglichkeiten in wenig bekannten Berufsfeldern
Rahmen von Jugendberufsagenturen
die Entscheidung für eine Ausbildung beeinflussen, bestimmen letztlich die Jugendlichen. Daraus resultiert, dass För-
•
Unterstützung von Auszubildenden und Betrieben, u. a.
derprogramme zur Erhöhung betrieblicher Ausbildungs-
durch Formen der assistierten Ausbildung und ausbil-
ressourcen zwar relevant sein können, ihre Wirkung jedoch
dungsbegleitende Hilfen (abH) (BMBF 2015: 81; BMBF
unvermeidbar von den jeweiligen Akteuren – den Betrieben
2017: 113 f.)
und jugendlichen Ausbildungsbewerbern – abhängt.
•
Maßnahmen zur „Verhinderung von Ausbildungsabbrü-
Welche Fördermaßnahmen sind vor diesem Hintergrund
chen“ (VerA) durch rund 3.000 ehrenamtliche Ausbil-
empfehlenswert? In welchen Bereichen wären neue bzw.
dungsbegleitungen (BMBF 2015: 80; BMBF 2017: 82)
ergänzende Maßnahmen zu konzipieren?
Bevor neue Maßnahmen erwogen werden, ist zunächst ein
Ausbildungsstrukturprogramm „Jobstarter“
Überblick über bereits erprobte oder aktuell praktizierte
Maßnahmen zu geben. Auf Bundesebene wurden von unter-
Seit 2006 fördert das BMBF mit wechselnden Schwerpunk-
schiedlichen Ressorts mit beträchtlichen Mitteln langjährige
ten Projekte zur Verbesserung regionaler Ausbildungsstruk-
Förderprogramme aufgelegt, von denen viele heute noch be-
turen und zur Erprobung innovativer Ausbildungsansätze.
stehen. Dazu kommen kleinere Programme und Maßnah-
Bezogen auf die skizzierten Einflussfaktoren sind die fol-
men, die auf spezifische Fragestellungen und Bedarfslagen
genden Komponenten hervorzuheben:
30
PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG
ABBILDUNG 10 Konzept Bildungsketten
Landeskonzept
Potenzialanalyse
Regionale Koordinierung,
Jugendberufsagenturen
Berufsorientierung
z. B. BOP, BOM,
Praktika
Integration in
betriebliche Ausbildung
Übergangsbereich
z. B. EQ, assistierte
Ausbildung
Ausbildung
z. B. abH, VerA
Berufsabschluss
Schulisches
Berufsorientierungskonzept
Coaching: Berufsbegleitung
Gestaltungs- und Begleitinstrument Berufswahlpass
Quelle: BMBF 2017: 83
•
Regionale Projekte zur Entwicklung von Ausbildungs-
von Schulabsolventen, auch im Hinblick auf Berufe und
plätzen in KMU, darunter viele erstmals ausbildende
Branchen, die zunächst nicht im Brennpunkt der Aufmerk-
Unternehmen. Dabei wurden KMU besonders in der Vor-
samkeit stehen. Die quantitativ bedeutendsten Instrumente
bereitung und Durchführung der Ausbildung durch ein
der Berufsorientierung und -beratung:
„externes Ausbildungsmanagement“ unterstützt (BMBF
2015: 78; BMBF 2017: 101).
•
Berufsorientierungsprogramm des BMBF in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten
•
Einrichtung von Koordinierungsstellen Ausbildung und
(BOP). Es geht um die frühe Steigerung der Berufs- bzw.
Migration (KAUSA) zur Erhöhung der Ausbildungsbe-
Studienwahlkompetenz von Schülern. 2016 wurden
teiligung von Selbstständigen mit Migrationshinter-
Maßnahmen für rund 250.000 Schülerinnen und Schüler
grund und Verbesserung der Zugangswege für Jugend-
bewilligt. Zusätzlich wurden mit dem BOF-Programm
liche mit Migrationshintergrund (BMBF 2016: 108;
Maßnahmen für junge Geflüchtete umgesetzt.
BMBF 2017: 87)
•
•
Berufsberatung und Berufsorientierung durch die BA
Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit, um Be-
nach § 48 SGB III: Die Berufsorientierungsmaßnahmen
setzungs- und Passungsprobleme in ausgewählten
(BOM) der BA dienen der vertieften Berufsorientierung
Branchen zu verringern (BMBF 2017: 87)
und Berufswahlvorbereitung von Schülern an allgemeinbildenden Schulen. Bestandteile der BOM sind
•
Über die Entwicklung von bundeseinheitlichen und
fakultativ: Berufsfeldinformationen, Interessenerkun-
kompetenzorientierten Ausbildungsbausteinen sowie
dungen, Eignungsfeststellungen, die Vermittlung von
Zusatzqualifikationen sollen die Ausbildungsstrukturen
Strategien zur Berufswahl- und Entscheidungsfindung
flexibler gestaltet werden und besser auf die Bedarfs-
sowie Kurzzeitpraktika. Im Pilotprojekt „Lebensbeglei-
lagen der Unternehmen sowie die Voraussetzungen der
tende Berufsorientierung“, das derzeit in vier Arbeits-
Jugendlichen abgestimmt werden (BMBF 2015: 79 f.;
agenturen erprobt wird, ist vorgesehen, die Kooperation
BMBF 2016: 110).
mit Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen erheblich
zu verstärken und die Berufsberatung im Portfolio der
Maßnahmen insgesamt höher zu gewichten.
Programme „Berufsorientierung“
•
In der Initiative „Inklusion – Teilhabe schwerbehinder-
Maßnahmen einer besseren Berufsorientierung zielen auf
ter Menschen am Arbeitsleben“ fördert das BMAS zwi-
die verbesserte Information und Entscheidungskompetenz
schen 2011 und 2017 Maßnahmen zur verbesserten be-
31
PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG
ruflichen Orientierung schwerbehinderter Schüler
problemen entgegengewirkt bzw. sollen mehr Schulab-
(BMBF 2017: 90).
solventen für eine duale Ausbildung motiviert werden.
Folgende Initiativen sind hier besonders hervorzuheben:
•
Zwischen 2010 und 2015 förderte das BMBF im Projekt
„coach@school“ die Tätigkeit von ehrenamtlich enga-
•
Informationsoffensive „Berufliche Bildung – praktisch
gierten Menschen als unabhängige Coaches bei der Be-
unschlagbar“ (2014–2015) bzw. „Du + Deine Ausbildung
rufsorientierung (BMBF 2016: 89).
= praktisch unschlagbar“ (2016–2018). Die Kampagnen
zielen darauf, durch eine altersgerechte Ansprache (z. B.
•
Daneben bestehen zahlreiche Berufsorientierungsan-
in Social-Media-Kanälen) junge Menschen auf die duale
gebote von Ländern, Kommunen, Vereinigungen (z. B.
Ausbildung aufmerksam zu machen und diese aktiv zu
„Schule-Wirtschaft“) und Verbänden.
bewerben.
•
Programme „Ausbildungsunterstützung KMU“
An dem jährlichen „Girls‘ Day – Mädchen-Zukunftstag“ sollen u. a. technische Unternehmen ihre Türen für
10- bis 17-jährige Mädchen öffnen, um ihnen Einblicke
Einzelne Programme zielen – neben den bereits skizzierten
in die Arbeitswelt zu geben und eine frühzeitige Kon-
Angeboten (z. B. assistierte Ausbildung, ausbildungsbeglei-
taktaufnahme zu Praktikums- und Personalverantwort-
tende Hilfen) – auf die Unterstützung von KMU bei der Ge-
lichen zu ermöglichen. „Mädchen sollen damit moti-
staltung ihrer Ausbildung bzw. der Bewältigung von Beset-
viert werden, sich mit einer späteren Berufstätigkeit in
zungs- und Passungsproblemen. Die folgenden Initiativen
Berufsfeldern auseinanderzusetzen, die sie bislang nur
sind hervorzuheben:
selten im Blick haben“ (BMBF 2017: 119).
•
Das Programm „Passgenaue Besetzung“ des BMWi för-
•
An dem jährlichen „Boys‘ Day – Jungen-Zukunftstag“
dert seit 2007 Beraterinnen und Berater, die KMU bei
sollen 10- bis 17-jährige Jungen neue Berufsoptionen
der Besetzung ihrer offenen Ausbildungsplätze unter-
kennenlernen und dadurch ihr Berufswahlspektrum er-
stützen. Eine Komponente des Programms ist die In-
weitern.
itiative „Willkommenslotsen“, über die einerseits die
Fachkräftesicherung von KMU unterstützt und anderer-
•
„Green Days“ sind Orientierungstage in Unternehmen
seits ein Beitrag für die Integration von Flüchtlingen in
und Hochschulen, die Schülerinnen und Schüler über
den Arbeitsmarkt geleistet werden soll (BMBF 2017: 88).
Berufsfelder und Studienfächer mit Klima- und Um-
So sollen u. a. Unternehmen bei rechtlichen, administ-
weltschutzbezug informieren.
rativen und anderen Fragen der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Flüchtlingen unterstützt
werden.
•
•
Programme „Ausbildungsunterstützung von
Jugendlichen“
In dem Programm „Neue Wege in die duale Ausbildung
– Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“
Zahlreiche Programme zielen auf die Unterstützung von
wurden 17 Modellversuche gefördert, in denen innova-
Jugendlichen bei der Aufnahme und Durchführung einer
tive Konzepte zur Unterstützung von KMU entwickelt,
Berufsausbildung. Neben den bereits skizzierten Maßnah-
erprobt und evaluiert wurden (BMBF 2015: 74).
men sind dies insbesondere folgende:
Seit vielen Jahren beteiligt sich der Bund an der Finan-
•
Alle jungen Menschen haben Zugang zur Ausbildungs-
zierung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten, durch
vermittlung sowie einen Anspruch auf Berufsaus-
die u. a. KMU in der betrieblichen Ausbildung entlastet
bildungsbeihilfe während der Berufsausbildung und
werden.
berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten, zur Unterstützung des Ausgleichs am Ausbildungsmarkt sowie zur
Programme „Ausbildungsmarketing“
Sicherung und Verbesserung der beruflichen Mobilität
(BMBF 2017: 112).
Mit dem Ziel, die Attraktivität der Ausbildung in bestimmten Bereichen zu steigern, soll Besetzungs- und Passungs-
32
PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG
TABELLE 12 Potenzielle Faktorenansprache durch Förderprogramme
Einflussfaktoren – betrieblich induziert
Förderprogramme
Bildungsketten bis zum
Ausbildungsabschluss
Flexible
Ausbildungsstrukturen
Ausbildungsmotive
Strategie
Personalrekrutierung
Ausbildungserfahrungen
Externe
Unterstützung
Kognitive/
sozioemotionale
Entwicklung
+
(+)
(+)
(+)
++
++
(+)
(+)
(+)
++
+
+
Ausbildungsunterstützung KMU
Programme zum
Ausbildungsmarketing
Übergreifend
Attraktivität
Branche/
Beruf
Ausbildungsstrukturprogramm Jobstarter
Programme zur
Berufsorientierung
Einflussfaktoren –
bewerberinduziert
+
(+)
(+)
(+)
++
Berufsorientierung/
Bildungswahlverhalten
++
++
+
+
Ausbildungsunterstützung
von Jugendlichen
++
+
Quelle: Eigene Darstellung
•
Seit 2008 bietet die Initiative „Jugend stärken“ am
Die Tabelle macht zunächst deutlich, welche Einflussfakto-
Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf die
ren unmittelbar durch die verschiedenen Förderprogramme
Möglichkeit, Jugendliche mit besonderem sozialpädago-
angesprochen werden. Beide bewerberinduzierten Faktoren
gischen Unterstützungsbedarf zu fördern (BMBF 2015:
sind durch das Förderinstrumentarium gut abgedeckt. Bei
74 f.; BMBF 2017: 84 f.).
den betrieblich induzierten Faktoren zielen zahlreiche Programme auf die Bereitstellung von Unterstützungsleistun-
•
Zielgruppe des BMAS-Programms „RESPEKT – Pilot-
gen für Unternehmen sowie die Verbesserung der Attrakti-
programm für schwer zu erreichende junge Menschen“
vität einzelner Berufe und Branchen. Dabei können die För-
sind 15- bis 25-Jährige, die sozial benachteiligt oder in-
derprogramme hinsichtlich der Attraktivität jedoch letztlich
dividuell beeinträchtigt sind und Schwierigkeiten haben,
nur auf die Imageseite fokussieren, da die anderen Attrakti-
eine ausbildungsbezogene oder berufliche Qualifikation
vitätsmerkmale (Einkommen, Karriere, Ausbildungsquali-
zu erreichen oder abzuschließen (BMBF 2017: 100).
tät, Arbeitsbedingungen) weitgehend nur von den Betrieben
selbst beeinflussbar sind.
•
Innerhalb der „ESF-Integrationsrichtlinie Bund“ (2014–
2019) werden Projektverbünde und Teilprojekte geför-
Auch wenn die Einflussfaktoren „Ausbildungsmotive“,
dert, die eine Integration von „jungen Menschen mit
„Strategie Personalrekrutierung“ und „Ausbildungserfah-
besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zu Arbeit oder
rungen“ nicht unmittelbar durch Förderprogramme ange-
Ausbildung“ unterstützen (BMBF 2017: 96 f.).
sprochen werden können, erscheint es plausibel, dass externe Unterstützungsleistungen hier mittelbaren Einfluss
•
Für die Integration von jungen Geflüchteten in Aus-
haben. Diese Leistungen können zu einer Reduktion der
bildung und Beruf wurden zahlreiche Programme zur
Ausbildungsaufwendungen führen und daher bei einer star-
Sprachförderung aufgelegt, u. a. „Einstieg Deutsch“,
ken Ausrichtung des Betriebs am Produktions- bzw. Er-
„ESF-Programm zur berufsbezogenen Sprachförde-
tragsmotiv die Wahrscheinlichkeit positiv beeinflussen,
rung“ oder das „Bundesprogramm zur berufsbezogenen
Ausbildungsressourcen bereitzustellen. Gleichermaßen
Deutschsprachförderung“ (BMBF 2017: 97 ff.).
kann die Inanspruchnahme von Unterstützung dazu beitragen, dass erstmals Jugendliche mit Startnachteilen aus-
Die Übersicht in Tabelle 12 bezieht die eingangs skizzier-
gebildet werden und die Erfahrungen aus der ersten Erpro-
ten Einflussfaktoren auf die Leistungsmerkmale der unter-
bung zu einem dauerhaften Engagement werden.
schiedlichen Förderprogramme.
33
PROGRAMME ZUR FÖRDERUNG DER BETRIEBLICHEN AUSBILDUNGSBETEILIGUNG
Insgesamt schwache Ausprägungen in dem Tableau finden sich insbesondere bei den Faktoren „Strategie Personalrekrutierung“ und „Flexible Ausbildungsstrukturen“.
Im Hinblick auf das Angebot betrieblicher Ausbildungsressourcen wäre bei der strategischen Planung der Personalrekrutierung zu vermeiden, dass verstärkt Wege jenseits
der dualen Ausbildung eingeschlagen werden. In Berufen
mit anspruchsvollen Kompetenzprofilen bestände ggf. in
der Rekrutierung von Hochschulabsolventen eine Alternative, in anderen Berufen auch die Option der Rekrutierung
über den Arbeitsmarkt. Auf die strategische Personalrekrutierung kann von außen durch die Gestaltung und Modernisierung von Berufen eingewirkt werden. Einen Interventionspunkt stellt demgemäß die Ordnungsarbeit dar: Es ist
sicherzustellen, dass die betrieblichen Bedarfe über moderne Ordnungsgrundlagen abgedeckt werden können –
dass zum Beispiel Berufe so (um-)gestaltet werden, dass sie
zu erwartende erhöhte kognitive Anforderungen abdecken
und somit den Betrieben nicht der Übergang zur Rekrutierung von Hochschulabsolventen nahegelegt wird.
Eine ähnliche Konstellation findet sich beim Einflussfaktor
„Flexible Ausbildungsstrukturen“. Auch hier wären branchenadäquate Strukturmodelle für die Gestaltung der Ordnungsgrundlagen zu gewährleisten – sowohl unter dem Kriterium der betrieblichen Bedarfsdeckung als auch dem der
flexiblen Berücksichtigung heterogener Voraussetzungen
bei den jugendlichen Ausbildungsbewerbern.
34
6 Zwischenfazit: Einschätzung zum Status
quo und zur Skizzierung grundlegender
Handlungsoptionen
Ausgangspunkt dieser Darstellung war die rückläufige Ent-
Im Überblick kann die aktuelle Situation wie in Abbildung 11
wicklung der Ausbildungsquote und der Ausbildungsbeteili-
zusammengefasst werden.
gung der Betriebe in der dualen Berufsausbildung. Während
Ausbildungsbetriebs- und Ausbildungsquote kontinuierlich
Die Analysen bilden die Grundlage für die Einschätzung
zurückgehen, wächst die Nachfrage nach betrieblichen Aus-
von bestehenden und ggf. die Entwicklung von neuen För-
bildungsressourcen zunehmend. Dabei sind Ausbildungs-,
derprogrammen. Durch welche Fördermaßnahmen lassen
aber auch Praktikumsplätze im Rahmen unterschiedlicher
sich die Einflussfaktoren für die Bereitstellung von Ausbil-
Bildungsgänge angesprochen. Somit stellt sich die Frage,
dungsressourcen ansprechen?
wie der Trend einer rückläufigen Ausbildungsbeteiligung
der Betriebe aufgehalten bzw. umgekehrt werden kann. Die
Bei der Untersuchung bestehender Förderprogramme wurde
Suche nach einer Antwort erfordert zunächst eine differen-
primär auf jene des Bundes zurückgegriffen. Weitere Pro-
zierte Betrachtung der Problemlagen auf dem Ausbildungs-
gramme aus den 16 Bundesländern bzw. Initiativen von
markt sowie der möglichen (Hinter-)Gründe und Einfluss-
Stiftungen, Verbänden etc. sind nicht im Detail berücksich-
faktoren der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung.
tigt worden. Die Analysen sind dadurch begrenzt, dass kaum
genaue Untersuchungen bzw. profunde Evaluationsergeb-
In jüngster Zeit wächst das Besetzungs- bzw. Passungspro-
nisse darüber vorliegen, inwieweit die Programme auf die
blem. Dieses besteht nicht für den gesamten Ausbildungs-
einzelnen Einflussfaktoren der betrieblichen Ausbildungs-
markt, sondern für spezifische Bereiche der Angebots- wie
beteiligung gewirkt haben. Das mag auch daran liegen, dass
auch der Nachfrageseite:
eine empirische Wirkungsforschung die Einflussgrößen hier
kaum voneinander isolieren kann und insgesamt sehr auf-
•
Auf der Angebotsseite können Betriebe in ausgewähl-
wendig wäre. Somit erfolgt die Auswertung und Würdigung
ten Branchen und Berufen die angebotenen Ausbil-
der vorliegenden Befunde unter Plausibilitätskriterien.
dungsstellen nicht besetzen. Dabei bleibt weitgehend
ungeklärt, ob die betroffenen Betriebe sich größten-
Die Analysen verdeutlichen zunächst, welche Einflussfakto-
teils auf Jugendliche mit bereits guten Ausbildungsvor-
ren unmittelbar durch die verschiedenen Förderprogramme
aussetzungen konzentrieren oder ob sie bereit sind, auf
angesprochen werden (sollen). Hier zeigt sich, dass die bei-
eine „Bestenauslese“ zu verzichten und mit besonderen
den bewerberinduzierten Faktoren (Berufsorientierung
Anstrengungen auch Jugendliche mit vergleichsweise
sowie kognitive, soziale, emotionale und motivationale Vo-
schlechten Voraussetzungen auszubilden.
raussetzungen) in mehreren Programmen ebenso adressiert werden wie die betrieblich induzierten Faktoren „Ex-
•
Auf der Nachfrageseite haben insbesondere Jugendli-
terne Unterstützung“ und „Image“. Auch wenn plausibel
che mit Startnachteilen unverändert Schwierigkeiten,
begründet werden kann, dass diese beiden Faktoren positiv
eine für sie akzeptable Ausbildungsstelle zu finden. Aus
mit den Einflussfaktoren „Ausbildungsmotive“, „Strate-
den Analysen wird deutlich, dass vor allem Jugendliche
gie Personalrekrutierung“ und „Ausbildungserfahrungen“
mit niedrigem Schulabschluss, aus Elternhäusern mit
korrelieren, zeigt die Entwicklung der Indikatoren Ausbil-
niedrigem formalen Bildungshintergrund, mit Migrati-
dungsbetriebs- und Ausbildungsquote, dass ein Gesamtef-
onshintergrund sowie Jugendliche mit Behinderungen
fekt trotz dieser mit hohen Fördersummen unterlegten Pro-
gefährdet sind, nach der Schulzeit keinen Ausbildungs-
gramme ausbleibt bzw. sich gegenläufig vollzieht.
abschluss zu erwerben.
35
ZWISCHENFAZIT
ABBILDUNG 11 Ausbildungsressourcen – Angebot und Nachfrage
Angebot
Ausbildungsressourcen
Nachfrage
Ausbildungsressourcen
Praktikumsplätze
• Allgemeinbildende Schulen
• Übergangssektor
• (Praxisintegrierendes) duales Studium
• Vollzeitschulische Berufsausbildung
• Einstiegsqualifizierung
(Besetzte)
Betriebliche Berufsausbildung:
503.000
Offene, unbesetzte
Ausbildungsstellen:
43.000
Unerschlossenes
Ausbildungsangebot:
?
Ausbildungsplätze
• Ausbildungsmotive
• Personalrekrutierung
• Attraktivität Branche/Beruf
(Besetzte)
Betriebliche Ausbildungsstellen:
503.000
Außerbetriebliche
Berufsausbildung:
17.000
Heterogene Motivlagen/
Ausbildungsvoraussetzungen
• Bildungswahlverhalten
• Besonderer Unterstützungsbedarf
Übergangssektor:
299.000
Absehbarer Mehrbedarf:
• Jugendliche mit Migrationshintergrund, Geflüchtete
• Jugendliche mit Behinderungen
• Nachqualifizierung
BIBB 2017: 15, 16; BMBF 2017: 10. Eigene Darstellung
Zusammengefasst:
gramme wäre zu evaluieren, in welchem Maße die Instrumente die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe im Detail
•
Trotz zahlreicher Förderprogramme, die plausibel auf
verändern und insofern auch wirken. Welche Effekte haben
relevante Einflussfaktoren hin ausgerichtet sind, bleibt
die Imagekampagnen auf die Wahrnehmung der Zielgrup-
insgesamt ein Effekt aus bzw. zeigt sich dieser im Ge-
pen? In welchem Maße und mit welchen Effekten werden
samtbild als gegenläufig.
die zahlreichen Unterstützungsleistungen in Anspruch
genommen? Inwieweit stabilisieren sie die Ausbildungsbe-
•
Auf Anreiz und Appell basierende Förderprogramme
reitschaft der sie nutzenden Betriebe? Welche Ausbildungs-
können den Kern des betrieblichen Entscheidungsver-
motive sprechen die Unterstützungsleistungen jeweils an?
haltens zum Stellenwert der dualen Berufsausbildung
Stärken sie primär das Produktions- bzw. Ertragsmotiv,
nicht unmittelbar erreichen. Sie mögen die Rahmenbe-
oder können sie auch das Investitions- bzw. Sozialverant-
dingungen für die betriebliche Entscheidung beeinflus-
wortungsmotiv beeinflussen? Sind die Instrumente jeweils
sen, doch die Entscheidung selbst ist in der bestehenden
optimal ausgestaltet, oder lassen sie sich durch modifizierte
Wirtschaftsverfassung den Betrieben vorbehalten. Diese
Ausprägungen weiter optimieren?
Grundkonstellation besteht übrigens auch bei jeder anderen staatlichen Intervention (z. B. bei der vor vielen
Aus einer politischen Gestaltungsperspektive ließen sich
Jahren in die Diskussion gebrachten Androhung einer
zwei mögliche Richtungen einschlagen, die sich prinzipiell
Ausbildungsumlage).
nicht gegenseitig ausschließen, sondern komplementär
verfolgt werden können:
•
Unverändert besteht großer Bedarf an betrieblichen
Ausbildungsressourcen. Dabei umfasst die Nachfrage in
•
Optimierung: Bei dieser Option stände die Ausgestal-
hohem Maße auch Jugendliche mit Startnachteilen, die
tung der Förderansätze bzw. ihre Ergänzung um ähnli-
bei der Gestaltung der Ausbildung besondere Anstren-
che Instrumente und Maßnahmen im Vordergrund. Ge-
gungen erfordern.
stützt auf Befragungen, unabhängige Evaluationen oder
Plausibilitätsüberlegungen wäre zu diskutieren, ob die
Welche möglichen Schlussfolgerungen lassen sich aus der
Umsetzung der existierenden Maßnahmen zu verbes-
Situation ziehen? Hinsichtlich der bestehenden Förderpro-
sern ist. Wie können staatliche Unterstützungsleistun-
36
ZWISCHENFAZIT
gen besser bekannt gemacht und breiter in Anspruch
genommen werden? Wie wären Imageaktionen zu gestalten, damit sie nicht nur Aufmerksamkeit, sondern
auch Interesse und Nachfrage auslösen? Wie lassen sich
Ansätze einer Berufsorientierung in den Zielprofilen der
Schulen verankern, die Kooperationen von Schule und
externen Experten intensivieren und die Kompetenzen
der Lehrkräfte in diesem Bereich verbessern? Welche
weiteren Unterstützungsangebote für ausbildende
Unternehmen sind möglich und sinnvoll? Wie können
Jugendliche an für sie zunächst nicht attraktiv erscheinende Ausbildungsberufe herangeführt werden? Wie
kann möglichen Vertragslösungen entgegengewirkt
werden?
•
Subsidiäre Erweiterung staatlich geförderter Ausbildungsstellen: Sofern auf dem Ausbildungsmarkt kein
quantitativ und qualitativ hinreichendes betriebliches
Angebot gesichert wird, wären subsidiär staatlich geförderte Ausbildungsplätze zu schaffen. Ein solches zusätzliches Angebot wäre strukturell so zu gestalten, dass
möglichst häufig und frühzeitig ein Wechsel in betriebliche Ausbildungsverhältnisse stattfinden kann. Erfolgt
kein Wechsel, können die Jugendlichen ihre Ausbildung
mit der staatlichen Förderung bis zur Kammerprüfung
fortsetzen. Dabei kann es um Fragen wie die folgenden
gehen: Inwieweit können neue Strukturmodelle die Zahl
der Ausbildungsplätze erhöhen? Welche Dynamik kann
durch subsidiär staatlich geförderte Ausbildungsstellen
ausgelöst werden? Wie lassen sich Übergänge von staatlich geförderten zu betrieblichen Ausbildungsplätzen
gestalten?
37
7 Ansätze zur Ausweitung der
Ausbildungsressourcen
7.1 Optimierung bestehender
Förderkonzepte
•
Ein übergreifendes Problem bei der Ausrichtung einzelner Förderprogramme wird darin gesehen, dass sie oft
zu kurz angesetzt werden und keine Kontinuität in der
Förderung sicherstellen.
Die folgenden Ausführungen fassen die Ergebnisse eines
Workshops zum Thema „Optimierung bestehender Förderkonzepte“ zusammen.
•
Für eine sachorientierte Förderung wird es als wichtig
erachtet, die vielerorts wahrgenommenen Haltungen
•
Die skizzierten Förderprogramme ließen sich noch-
eines „Unternehmens-Bashings“ auf der einen und
mals deutlich erweitern um solche, die u. a. auf Landes-
eines „Jugendlichen-Bashings“ auf der anderen Seite
ebene aufgelegt wurden. Prinzipiell besteht jedoch der
abzuwehren. Schuldzuweisungen hinsichtlich einer
Eindruck, dass es nicht an Programmen mangelt, son-
fehlenden Ausbildungsreife von Unternehmen und/oder
dern dass eher schon zu viele angeboten werden. Die ak-
Jugendlichen erscheinen wenig konstruktiv.
tuelle Förderlandschaft erscheint vielen Fachleuten als
unübersichtlich; entsprechend kann vermutet werden,
•
Die ausschließliche Profilierung von Förderprogrammen
dass auch Betriebe als potenzielle Adressaten sich mit
auf „schwierige Zielgruppen“ kann eine negative Wahr-
der Einordnung und Inanspruchnahme der Fördermög-
nehmung beschleunigen. Es wäre zu überlegen, ob die
lichkeiten schnell überfordert fühlen.
Programme an positiv wahrgenommene Fragestellungen
angehängt werden können (z. B. Schaffung zusätzlicher
•
Vor diesem Hintergrund wäre eine Kernaufgabe, nicht
Ausbildungsplätze im Zusammenhang einer Digitalisie-
weitere Programme zu schaffen, sondern die bestehen-
rungsoffensive).
den Angebote zu bündeln und in transparenten Förderpaketen auf regionale und zielgruppenspezifische
•
Erstrebenswert wäre, mehr über die Motivlagen und
Bedarfslagen zu konzentrieren. Diese Überlegung
Gründe von Betrieben zu erfahren, die sich aus der Aus-
korrespondiert mit der Forderung, Förderstrukturen
bildung zurückziehen. Und: In welchem Maße und unter
rechtskreisübergreifend auszurichten.
welchen Bedingungen sind Betriebe bereit, auch Jugendliche mit vergleichsweise schlechteren Ausbildungs-
•
•
Entsprechende Angebote können ggf. auf Beratungs-
voraussetzungen auszubilden? Ferner wäre genauer zu
und Informationswegen effizienter an die Betriebe
erkunden, warum die Möglichkeiten einer Verbundaus-
herangetragen werden.
bildung nur begrenzt genutzt werden.
Ein Problem könnte darin bestehen, dass die unterschiedlichen Förderinstitutionen in Bund und Ländern
die eigenen, spezifischen Unterstützungsleistungen
sichtbar und marketingpolitisch hervorheben möchten.
7.2 Ansätze und Umsetzungserfahrungen
mit subsidiär staatlich geförderten
Ausbildungsformen
Politisch erscheint es oft einfacher, ein neues Programm
aufzulegen als unterschiedliche Ansätze zwischen ver-
In der berufsbildungspolitischen Diskussion wird mehr-
schiedenen Institutionen zu koordinieren.
heitlich vertreten, dass betriebsnahe staatlich geförderte
Ausbildungsstellen dann erforderlich sind, wenn die Nachfrage nicht hinreichend durch betriebliche Angebote ge-
38
ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN
deckt werden kann. Über den Umfang sowie die Modalitäten
in der Praxis dadurch gesichert werden, dass eine öffentlich
und berufliche Ausrichtung dieser subsidiär geförderten
geförderte Ausbildung für Jugendliche und Betriebe wirt-
Ausbildungsstellen kann im Detail diskutiert werden – ihre
schaftlich stets weniger attraktiv zu gestalten ist als eine
Berechtigung im Rahmen einer staatlichen Verantwortung
betriebliche Ausbildung (z. B. durch eine geringere Vergü-
für die Sicherung eines hinreichenden Ausbildungsstellen-
tung). Die Ausbildungsqualität muss der Qualität der dualen
angebots wird jedoch nicht ernsthaft infrage gestellt.
Berufsausbildung entsprechen. Zur Sicherung der Subsidiarität ist zudem immer zuerst zu prüfen, ob eine betriebliche
Insofern ist die in den vorherigen Kapiteln skizzierte Situa-
Ausbildung mit flankierenden geförderten Unterstützungs-
tion auf dem Ausbildungsstellenmarkt nicht grundlegend
leistungen für die Jugendlichen und/oder die Betriebe eben-
neu. Auch in der Vergangenheit hat es immer wieder Markt-
falls zum Ausbildungserfolg führen könnte.
konstellationen gegeben, in denen ausbildungsbereite und
-fähige Bewerber keinen für sie passenden betrieblichen
In der Ausgestaltung ist darauf zu achten, dass die Durch-
Ausbildungsplatz finden konnten und auf alternative Ange-
lässigkeit zwischen den Ausbildungsformen – duale be-
bote angewiesen waren. Ein möglicher Streitpunkt besteht
triebliche Ausbildung, außerbetriebliche Ausbildung bei
hier in der Definition von Umfang und Zielgruppe für subsi-
Bildungsträgern bzw. in den berufsbildenden Schulen – ge-
diär staatlich geförderte Ausbildungsplätze.
wahrt bleibt. Nach möglichst kurzer Zeit (max. einem Jahr)
soll vorrangig der Übergang in eine ungeförderte Ausbil-
•
Im engeren Sinne werden zunächst diejenigen Schulab-
dung in Unternehmen oder in öffentlichen Betrieben erfol-
gänger einbezogen, die etwa aufgrund ihrer schulischen
gen. Absolvierte Ausbildungsphasen sollten angerechnet
Voraussetzungen einen erfolgreichen Ausbildungsver-
werden oder zu einer individuellen Verkürzung der betrieb-
lauf erwarten lassen. Dazu zählen neben Hauptschul-
lichen Ausbildung führen. Inverse Anreize sollen dafür sor-
absolventen mit mindestens durchschnittlichen Ab-
gen, dass für die Kooperationspartner (Schulen, Trägern
schlussnoten auch Schulabsolventen mit mittlerem
etc.) eine frühzeitige und erfolgreiche Weitervermittlung
Bildungsabschluss oder mit erworbener Hochschul-
der Jugendlichen in einen betrieblichen Ausbildungsvertrag
zugangsberechtigung. So verfügen beispielsweise im
äußerst attraktiv ist, also möglichst auch relative Vorteile in
Übergangssektor von den etwa 299.000 Jugendlichen
der Sach- und Personalmittelausstattung in Aussicht stellt.
insgesamt 22,7 Prozent (ca. 69.000) über einen mittleren Bildungsabschluss.
Nachfolgend werden einige der wesentlichen Ansätze beschrieben, bei denen sich diese Grundsätze in konkreten
•
Im weiteren Sinne werden auch jene Schulabgänger ein-
Realisationsformen wiederfinden.
bezogen, die aufgrund schlechter Startvoraussetzungen
begleitend zur abschlussorientierten Ausbildung besondere Unterstützungsleistungen benötigen (vgl. Kapitel 3.4). Hier wären die subsidiär geförderten Ausbil-
Berufsausbildung in außerbetrieblichen
Einrichtungen (BaE)
dungsstellen mit geeigneten Unterstützungsangeboten
zu verzahnen.
Bei der von der Bundesagentur für Arbeit nach § 242 SGB III
geförderten „außerbetrieblichen Berufsausbildung“ (BaE
Für beide Zielgruppentypen sind auf Bundes- und Landes-
– Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen)
ebene Programme und Ausprägungen von subsidiären, be-
wird die Ausbildung von Bildungsträgern durchgeführt,
triebsnahen Formen der Berufsausbildung entstanden, auf
mit denen der oder die Jugendliche den Ausbildungsvertrag
die – ggf. in modifizierter Form – zurückgegriffen werden
abschließt. Bei der integrativen BaE ist der Bildungsträger
kann, um die aktuellen Problemlagen zu bewältigen. Es
sowohl für die fachtheoretische als auch für die fachprakti-
handelt sich um Formen der außerbetrieblichen Berufsaus-
sche Unterweisung zuständig, ergänzt durch betriebliche
bildung, die bei entsprechenden Trägern oder in berufsbil-
Phasen von jährlich 40 bis 120 Arbeitstagen. Bei der ko-
denden Schulen jeweils mit möglichst ausgeprägten be-
operativen BaE wird die fachpraktische Unterweisung von
trieblichen Praxisphasen umgesetzt werden. Die geförderte
einem Kooperationsbetrieb durchgeführt. Die Relation zwi-
Ausbildung soll so authentisch wie möglich die Situation in
schen kooperativem und integrativem Modell lag 2015 bei
der betrieblichen Ausbildung widerspiegeln (Ausbildungs-
etwa 2:1 (BIBB 2017: 293). Gelingt der angestrebte frühzei-
inhalte, ganztägige Maßnahmen, Meister als Vorgesetzte,
tige Übergang in eine betriebliche Ausbildung nicht, wird
erwartete Disziplin, herausfordernde Aufgaben in betrieb-
die Ausbildung außerbetrieblich zu Ende geführt.
lichen Wertschöpfungsprozessen). Die Subsidiarität sollte
39
ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN
Maßnahmen, die zugunsten förderungsbedürftiger Jugend-
erwerben. Das Ziel ist eine berufliche Qualifizierung bis hin
licher als Berufsausbildung in einer außerbetrieblichen Ein-
zum Berufsabschluss über zertifizierbare Ausbildungsbau-
richtung durchgeführt werden, sind förderungsfähig, wenn
steine. Die Grundlage bildet ein regulärer Ausbildungsver-
(1) dem an der Maßnahme teilnehmenden Auszubildenden
trag mit dem Bildungsträger nach Berufsbildungsgesetz
auch mit ausbildungsbegleitenden Hilfen eine Ausbildungs-
bzw. Handwerksordnung. Ein Drittel bis die Hälfte der Aus-
stelle in einem Betrieb nicht vermittelt werden kann; (2)
bildungszeit wird im Betrieb absolviert. Der „BaE 3. Weg“
der Auszubildende nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht
lässt Unterbrechungen der Ausbildung von bis zu sechs
nach den Gesetzen der Länder an einer nach Bundes- oder
Monaten zu. Insgesamt hat jeder und jede Auszubildende
Landesrecht auf einen Beruf vorbereitenden Maßnahme
die Option, die Ausbildung bis zu fünf Jahre zu verlängern.
mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten teilgenom-
Die Ausbildungsbausteine sollen als Instrument zur Unter-
men hat; (3) der Anteil betrieblicher Praktikumsphasen die
gliederung eine individualisierte und flexibilisierte Ausbil-
Dauer von sechs Monaten je Ausbildungsjahr nicht über-
dung ermöglichen. Für jeden Baustein nimmt der oder die
schreitet.
Ausbildende eine Leistungsbewertung vor. Bei einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses können
Eine strenge Umsetzung der Fördervoraussetzungen würde
die bis dahin erfolgreich absolvierten Bausteine von der zu-
zudem bedeuten, dass die Jugendlichen zuvor mindestens
ständigen Stelle bescheinigt werden.
sechs Monate in einer Maßnahme der Berufsvorbereitung
(hier: Maßnahme zur Hinführung der Ausbildungsreife)
Über ein Bildungscoaching sollen die Jugendlichen eine
verbracht haben. Darüber hinaus ist die Maßnahme für jene
ausbildungsbegleitende Stabilisierung erhalten. Neben der
Ausbildungsabbrecher möglich, die nicht wieder in eine be-
individuellen Begleitung der Auszubildenden zählt zum
triebliche Berufsausbildung eingegliedert werden können,
Aufgabenbereich des Bildungscoachings auch die Koordina-
bei denen jedoch zu erwarten ist, dass die Berufsausbildung
tion der drei Lernorte, das Übergangsmanagement an den
in einer außerbetrieblichen Einrichtung erfolgreich abge-
Schnittstellen, die Kompetenzentwicklung, eine individu-
schlossen werden kann.
elle Qualifizierungs- und Förderplanung sowie Lernförderung und sozialpädagogische Begleitung.
Die Übergangsquoten in eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung nach der BaE lagen 2015 bei 51,8 Prozent, bei
Das Pilotprojekt wurde 2010 evaluiert. Die Evaluation der
der kooperativen BaE etwas höher bei 55,4 Prozent (BIBB
beiden ersten Durchgänge ergab, dass 915 von 2.361 Auszu-
2017: 293).
bildenden (38,8 %) die Maßnahme abgebrochen haben (Becker et al. 2011: 49). Rund 83 Prozent derer, die im Projekt
Der Umfang der BaE ist in den vergangenen Jahren deutlich
verblieben waren und ihre Regelausbildungszeit von zwei
zurückgegangen. Während sich 2009 im Jahresdurchschnitt
Jahren absolviert hatten, nahmen innerhalb von weniger als
noch 80.632 Jugendliche in einer BaE befanden, ist die Zahl
drei Jahren an der Abschlussprüfung teil. Etwa 88 Prozent
bis 2015 auf 31.031 gesunken (ebd.). Korrespondierend dazu
der Teilnehmenden haben die Prüfung bestanden (ebd.: 50).
fiel die von der BA für BaE und ausbildungsbegleitende Hilfen aufgewendete Fördersumme von 672 Millionen Euro
Die Integration in die Regelförderung hat bei vielen Arbeits-
(2010) auf 269 Millionen Euro (2016).
agenturen dazu geführt, dass die diversen Förderinstrumente nicht mehr trennscharf unterschieden werden können; daher ist der „BaE 3. Weg“ als zusätzliches besonderes
„BaE 3. Weg in der Berufsausbildung (NRW)“
Förderangebot neben den ausbildungsbegleitenden Hilfen
sowie der integrativen und kooperativen Berufsausbildung
Das „BaE NRW 3. Weg“ war ursprünglich ein vom Land
nicht mehr notwendig. So macht das Angebot „BaE NRW
Nordrhein-Westfalen (NRW) initiiertes Pilotprojekt, das in
3. Weg“ im Rahmen der Regelförderung derzeit nur noch
den Jahren 2006 und 2008 (jeweils ausfinanziert für die ge-
einen geringen Anteil aus. Bis Sommer 2018 bzw. 2019 lau-
samte Ausbildungsdauer) in Kofinanzierung von Land und
fende Maßnahmen nach §§ 76 ff. SGB III – integratives Mo-
BA umgesetzt wurde. Ab dem Ausbildungsjahr 2010/11 ist
dell – NRW (3. Weg)“ gibt es in Nordrhein-Westfalen noch
das Instrument in die Regelförderung der BA übergegangen.
in den Städten Aachen, Duisburg, Düren und Düsseldorf.
In der Maßnahme können Jugendliche, die ausbildungswillig, aber noch nicht „ausbildungsreif“ sind, einen Berufsabschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf
40
ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN
Berufsqualifizierung dual (BQdual), Beispiel BadenWürttemberg und Hamburg
ersten Ausbildungsjahres. Nach Abschluss der BFS-1 können die Absolventen die Ausbildung im jeweiligen Beruf im
zweiten Ausbildungsjahr fortsetzen. In vielen Fällen haben
Während die BaE vom Bund gefördert wird, erfolgt die För-
die Jugendlichen mit Eintritt in die BFS-1 einen Vorvertrag
derung der Ausbildungsstellen im Rahmen der BQ bzw. BQ-
mit einem Ausbildungsbetrieb in Baden-Württemberg.
dual durch das Land. Aufgrund dieser finanzierungstechnischen Konstellation ist nachvollziehbar, dass die Förderung
Die Zahlen dieses Bildungsangebots liegen über die ver-
aus Sicht der interessierten Länder komplementär erfolgt
gangenen Jahre stabil bei 9.000 bis 10.000 Jugendlichen.
und vom Umfang her nicht sehr ausgeprägt ist. So besteht
Im Schuljahr 2016/2017 befanden sich insgesamt 10.061
die Option von BQ bzw. BQdual beispielsweise in Hamburg
Jugendliche in diesem Bildungsgang, 2012/2013 waren es
und Baden-Württemberg. In Hamburg wurden 2016 insge-
9.463. In einer Sonderauswertung des Statistischen Landes-
samt 201 Schüler gefördert (HIBB 2017: 29), in Baden-Würt-
amts zeigte sich, dass die einjährige Berufsfachschule ins-
temberg niemand (wobei dort neben der BaE die einjährige
besondere für das Handwerk eine große Bedeutung erlangt
Berufsfachschule als Angebot für die entsprechende Ziel-
hat. Im Jahr 2013 wurden 31,3 Prozent aller Neuverträge
gruppe im Vordergrund stand).
(insg. 6.060) im Handwerk mit Jugendlichen abgeschlossen, die zuvor die einjährige BFS absolviert hatten. Bei der
BQ bzw. BQdual richtet sich in erster Linie an schulpflich-
IHK lag der Anteil bei 6,2 Prozent. Nahezu 98 Prozent der im
tige Jugendliche ohne Förderbedarf, die trotz mehrfacher
Handwerk abgeschlossenen Verträge führten zu einer An-
Bewerbungsversuche keinen Ausbildungsplatz in einem
rechnung bzw. Ausbildungszeitverkürzung, im IHK-Bereich
Betrieb gefunden haben. Sie erhalten in einem arbeits-
lag der Anrechnungsanteil bei rund 65 Prozent. Die hohe
marktrelevanten Beruf für das erste Jahr einer Berufsaus-
Quote im Handwerk kann maßgeblich zurückgeführt wer-
bildung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. der
den auf eine Vereinbarung des Baden-Württembergischen
Handwerksordnung ein ganztägiges Angebot an beruflichen
Handwerkskammertags mit der Landesregierung, in der die
Schulen mit betrieblichen Anteilen. Im Anschluss an die
BFS-1 als wertvolle Unterstützung der Ausbildung beson-
erfolgreich absolvierte Berufsqualifizierung folgt entweder
ders in Klein- und Mittelbetrieben bewertet und den Mit-
der Übergang in eine duale Berufsausbildung in einem Be-
gliedsbetrieben eine Anrechnung empfohlen wird.
trieb oder, sofern kein betrieblicher Ausbildungsvertrag
abgeschlossen werden konnte, eine trägergestützte Berufs-
Parallel zu der einjährigen BFS, deren Gestaltung in der
ausbildung mit einem Ausbildungsvertrag.
politischen Zuständigkeit des Kultusministeriums liegt,
werden mit Bundesförderung BaE- und mit Landesförde-
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen beginnen ihre
rung – wie in Hamburg – BQdual-Ausbildungsstellen an-
Ausbildung mit einem mehrwöchigen Unterricht an der je-
geboten. Der Anteil von BaE-Ausbildungsstellen lag 2016
weils zuständigen berufsbildenden Schule. Anschließend
bei 2,5 Prozent (1.848 von insgesamt 73.989 Neuverträgen).
durchlaufen sie unterschiedliche schulische und betrieb-
Landesfinanzierte BQdual-Ausbildungsstellen wurden 2016
liche Lernphasen. Die Lehr- und Lerninhalte entsprechen
keine angeboten.
denen des ersten Ausbildungsjahres in der dualen Berufsausbildung. Zur Beratung steht den Jugendlichen neben den
Lehrkräften eine Ausbildungsbegleiterin oder ein Ausbil-
Schulische Umsetzungen in NRW
dungsbegleiter zur Verfügung. Diese Begleitung unterstützt
auch die Unternehmen und Betriebe bei Fragen oder un-
In Nordrhein-Westfalen werden zum einen vollzeitschu-
erwarteten Schwierigkeiten. Ziel der Maßnahme ist es, Ju-
lische „Assistentenausbildungsgänge“ angeboten. Diese
gendlichen einen zügigen Übergang in die duale Ausbildung
führen zu einem Berufsabschluss nach Landesrecht sowie
zu ermöglichen – auch während des laufenden Schuljahres.
einem weiterführenden Schulabschluss bzw. der fachgebundenen oder allgemeinen Hochschulreife. In diesen Bildungsgängen befinden sich knapp 45.000 Schülerinnen und
Einjährige Berufsfachschule mit Anrechnung
(Baden-Württemberg)
Schüler.
Zum anderen werden aktuell knapp 200 Schülerinnen und
Die einjährige Berufsfachschule (BFS-1) vermittelt in be-
Schüler entweder in Fachklassen des dualen Systems oder
stimmten Ausbildungsberufen die praktischen und theore-
in der Berufsfachschule unterrichtet. Für sie erfolgt eine
tischen Kompetenzen entlang der Ordnungsgrundlagen des
Zulassung zur Kammerprüfung.
41
ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN
7.3 Fazit
eine deutliche Entschärfung des Problems verspricht. Auch
wenn bislang keine spezifische Diskussion auf Grundlage
In der Gesamtschau ergibt sich das folgende Bild:
der aktuellen Ausbildungsmarktlage stattgefunden hat,
wurde die Anwendung von Instrumenten einer öffentlichen
•
Aktuell besteht ein großer Bedarf an betrieblichen Aus-
Ausbildungsförderung meist kontrovers diskutiert. Dabei
bildungsressourcen. Selbst wenn alle der von Betrieben
gab es insbesondere folgende Einwände:
als offen gemeldeten Ausbildungsstellen besetzt würden, reichte das Angebot an betrieblichen Ressourcen
•
Öffentlich geförderte Ausbildungsplätze verdrängen
nicht, um vor allem auch Jugendlichen mit besonderem
betriebliche!
Unterstützungsbedarf eine abschlussorientierte Berufs-
Gegenargument: Die subsidiäre Ausrichtung lässt Betrieben bzw. den Branchen jederzeit die Initiative, das
ausbildung zu ermöglichen.
Primat der betrieblichen Ausbildung umzusetzen.
•
Bestehende Förderprogramme mildern vermutlich die
Problemlage, können jedoch erkennbare Entwicklun-
•
Öffentlich geförderte Ausbildung geht am Bedarf im
gen nicht umkehren. Ein offener Punkt bei der Konzi-
Beschäftigungssystem vorbei!
pierung entsprechender Programme besteht darin, dass
Gegenargument: Die Wirtschaft wird in die Definition
es über die Gründe für das Personalrekrutierungs- und
des Bedarfs bzw. der jeweiligen Ausbildungsberufe ein-
Ausbildungsverhalten der Betriebe, aber auch über das
bezogen.
Bildungsverhalten von Schulabsolventen nur grobe Erkenntnisse bzw. Vermutungen gibt. Diese erlauben bei
•
Der Übergang an der zweiten Schwelle von der Ausbil-
der Gestaltung von Programminterventionen letztlich
dung in eine Beschäftigung gelingt nicht!
nur eine Art Schrotschuss-Strategie.
Gegenargument: Die Erfahrungen mit BaE zeigen Übergangsquoten von mehr als 50 Prozent nach sechs Mo-
•
Gleichwohl erscheinen auch unter diesen Restriktionen
naten. Es wäre zu evaluieren, wie die Übergänge über
an einigen Stellen Optimierungen möglich. Eine weitere
eine längere Frist erfolgen. Zudem wäre zu bedenken,
Begrenzung erhalten die auf Anreiz und Appell basie-
was mit den Jugendlichen passiert, wenn keine entspre-
renden Programme dadurch, dass sie den Kern des be-
chenden Angebote geschaffen werden.
trieblichen Entscheidungsverhaltens hinsichtlich der
Strategien zur Personalrekrutierung – und damit das
•
Staatlich geförderte Ausbildungsstellen belasten die
Angebot an Ausbildungsressourcen – nicht unmittelbar
öffentlichen Haushalte!
erreichen können. Im besten Fall beeinflussen sie die
Gegenargument: Sicherlich belasten die staatlich ge-
Rahmenbedingungen für das Entscheidungsverhalten
förderten Ausbildungsstellen die öffentlichen Haushalte
der Akteure; die Entscheidung selbst ist allerdings in der
stärker als duale Ausbildungsplätze. Als Richtgröße wird
aktuellen Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung auf
von rund 10.000 Euro pro Jahr und Teilnehmer ausge-
der Angebotsseite den Betrieben und auf der Nachfrage-
gangen. Es wären jedoch auch die Opportunitätskosten
seite den Ausbildungsbewerbern vorbehalten.
zu berechnen, die für alternative Maßnahmen oder –
langfristig – als soziale Folgekosten für nicht ausgebil-
•
dete Staatsbürger entstehen würden.
In der Vergangenheit wurden auf Bundes- und Länderebene verschiedene Formen öffentlich geförderter, subsidiärer Ausbildungsstellen geschaffen. Dabei werden
wesentliche Teile der Ausbildung entweder in einer be-
•
Staatlich geförderte Ausbildung ist von minderwertiger
Qualität!
ruflichen Schule oder bei einem außerbetrieblichen Aus-
Gegenargument: Sicher ist zu berücksichtigen, dass die
bildungsträger durchgeführt. Zugleich ist erkennbar,
Ausbildungsinhalte bei einem außerbetrieblichen Träger
dass trotz des bestehenden Bedarfs an Ausbildungs-
mit geringerer Distanz zu auftragsabhängigen Arbeits-
ressourcen das Angebot an öffentlich geförderten Aus-
prozessen als bei dualen Ausbildungsverhältnissen ver-
bildungsstellen in den vergangenen Jahren tendenziell
mittelt werden. Allerdings liegt die Qualitätssicherung
rückläufig war.
in der Hand der Finanziers, das heißt, es können direkter
als bei betrieblichen Ausbildungsverhältnissen Qualitäts-
Aus dem letztgenannten Punkt ergibt sich die Frage nach
kriterien eingeführt und durchgesetzt werden. So deuten
den möglichen Gründen für die zurückhaltende Anwen-
viele Indikatoren darauf hin, dass auch betriebliche Aus-
dung eines Förderinstruments, das auf den ersten Blick
bildungsstellen von problematischer Qualität sind.
42
ANSÄTZE ZUR AUSWEITUNG DER AUSBILDUNGSRESSOURCEN
Und auch hier gilt: Das Primat der dualen Ausbildung
sieht staatlich geförderte Ausbildung nur dort vor, wo
duale Ausbildung nicht möglich ist.
Damit sind die Anschlusspunkte für die notwendigen
Diskussionen zur Ausweitung von Ausbildungsressourcen
definiert:
1. Wie können bestehende Förderprogramme in ihrem
Zusammenwirken koordiniert und in der konkreten
Ausgestaltung optimiert werden?
2. Wie können staatlich geförderte Ausbildungsstellen
ausgestaltet werden, damit sie betriebliche Ausbildungsressourcen nicht verdrängen und zugleich dazu
beitragen, dass genau diese deutlich erhöht werden?
Beide Stränge verbinden sich in der Intention, für die unterschiedlichen Zielgruppen des Ausbildungsmarkts ein quantitativ ausreichendes und qualitativ hochwertiges Angebot
zu schaffen, um allen Jugendlichen die Chance auf einen
zukunftsträchtigen Ausbildungsplatz zu ermöglichen.
43
8 Literatur
AGBB – Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010).
Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter
Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im
Lebenslauf. Bielefeld.
AGBB – Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016).
Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter
Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im
Lebenslauf. Bielefeld.
Baas, M., und M. Baethge (2017). Entwicklung der Berufs-
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2011). Übergänge mit System.
Gütersloh.
BIBB – Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2012).
Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2012. Bonn.
BIBB – Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.) (2017).
Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2017. Bonn.
BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung
(Hrsg.) (2015). Berufsbildungsbericht 2015. Bonn.
BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung
ausbildung in Klein- und Mittelbetrieben. Expertise
(Hrsg.) (2016). Berufsbildungsbericht 2016. Bonn.
im Rahmen des Ländermonitors berufliche Bildung.
BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung
Gütersloh.
Baethge, M., C. Kerst, M. Lesczensky und M. Wieck (2014).
Zur neuen Konstellation zwischen Hochschulbildung
und Berufsausbildung. Forum Hochschule 3/2014.
Berlin.
(Hrsg.) (2017). Berufsbildungsbericht 2017. Bonn.
Destatis (2007). Statistisches Jahrbuch 2007. Wiesbaden.
Destatis (2015). Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung
mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus
2015. Wiesbaden.
Becker, C., T. Bleikertz und J. Gehrke (2011). „Der 3. Weg
Destatis (2016). Statistisches Jahrbuch 2016. Wiesbaden.
in der Berufsausbildung: Evaluationsergebnisse zum
DIHK – Deutscher Industrie- und Handelskammertag
Pilotprojekt in NRW“. Berufsbildung in Wissenschaft und
Praxis (40) 2. 47–51.
Becker, R. (2011). „Integration von Migranten durch
Unternehmensbefragung. Berlin.
Ebbinghaus, M. (2017). Praktikums- und Ausbildungsstellen
Bildung und Ausbildung – theoretische Erklärungen
für Geflüchtete: Wann Klein- und Mittelbetriebe sie von
und empirische Befunde“. Integration durch Bildung:
sich aus anbieten. BIBB-Report 1/2017. Bonn.
Bildungserwerb von jungen Migranten in Deutschland.
Hrsg. R. Becker. Wiesbaden. 11–36.
Beicht, U. (2015). Berufliche Orientierung junger Menschen
mit Migrationshintergrund und ihre Erfolgschancen
beim Übergang in betriebliche Berufsausbildung.
Wissenschaftliche Diskussionspapiere 163. Hrsg.
Bundesinstitut für Berufsbildung. Bonn.
Beicht, U., und G. Walden (2014a). „Chancennachteile von
Jugendlichen aus Migrationsfamilien beim Übergang in
die berufliche Ausbildung. Welche Rolle spielt die soziale
Herkunft?“ Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik
(110) 2. 188–215.
Beicht, U., und G. Walden (2014b). Einmündungschancen
Eberhard, V. (2016). „Der Übergang im Überblick. Von den
Herausforderungen eines marktgesteuerten Zugangs“.
Sozialer Fortschritt (65) 9–10. 211–217.
Enggruber, R., und J. Rützel (2014). Berufsausbildung junger
Menschen mit Behinderungen. Eine repräsentative
Befragung von Betrieben. Gütersloh.
Euler, D., und E. Severing (2014). Inklusion in der beruflichen
Bildung. Gütersloh.
Franz, W., und V. Zimmermann (2002). „The transition
from apprenticeship training to work“. International
Journal of Manpower (23) 5. 411–425.
Gerhards, C., und M. Ebbinghaus (2014). Betriebe auf
der Suche nach Ausbildungsplatzbewerberinnen und
in duale Berufsausbildung und Ausbildungserfolg junger
-bewerbern: Instrumente und Strategien. BIBB-Report
Migranten und Migrantinnen. Ergebnisse der BIBB-
3/2014. Bonn.
Übergangsstudie 2011. BIBB-Report 5/2014. Bonn.
44
(2017). Ausbildung 2017. Ergebnisse einer DIHK-Online-
LITERATUR
Granato, M., U. Beicht, V. Eberhard, M. Friedrich, C.
Weiß, R. (2015). „Viel hilft nicht immer viel: Wirkung von
Schwerin, J. G. Ulrich und U. Weiß (2011). Ausbildungs-
Fördermaßnahmen im Übergang von der Schule in die
chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
berufliche Ausbildung. Einführung und Überblick“.
BIBB-Abschlussbericht. Bonn.
Wirkung von Fördermaßnahmen im Übergangssystem.
HIBB – Hamburger Institut für Berufsbildung (Hrsg.) (2017).
HIBB-Jahresbericht 2016. Hamburg.
Hippach-Schneider, U., und T. Weigel (2013). „Gründe
und Motive für die Rekrutierung von qualifizierten
Forschungsstand, Kritik, Desiderata. Hrsg. H. Solga und
R. Weiß. AGBFN: Berichte zur beruflichen Bildung.
Band 17. 7–24.
Wenzelmann, F., A. Jansen, G. Schönfeld und H. Pfeifer
Fachkräften. Fallstudien aus Deutschland, England und
(2016). Kosten und Nutzen der dualen Ausbildung aus
der Schweiz“. Akademisierung der Berufswelt? Hrsg. E.
Sicht der Betriebe. Ergebnisse der fünften BIBB-Kosten-
Severing und U. Teichler. Bielefeld. 167–187.
Nutzen-Erhebung. Bielefeld.
Konegen-Grenier, C., B. Placke und T. Stangl (2011).
„Unternehmen im Fokus“. Mit dem Bachelor in den Beruf.
Arbeitsmarktbefähigung und -akzeptanz von Bachelorstudierenden und -absolventen. Hrsg. K. Briedis, C. Heine,
C. Konegen-Grenier und A.-K. Schröder. Essen. 83–111.
Lettau, J. (2017). „Bildungswege nach einer vorzeitigen
Vertragslösung“. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis
(46) 3. 41–44.
Matthes, S., J. G. Ulrich, S. Flemming und R. Granath
(2017). Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im
Jahr 2016. Analysen auf Basis der BIBB-Erhebung
über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge und
der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für
Arbeit. Bonn.
Merrilees, W. J. (1983). „Alternative models of apprentice
recruitment: with special reference to the British
engineering industry“. Appl. Econ. (15) 1. 1–21.
Mohr, S., K. Troltsch und C. Gerhards (2014). Rückzug von
Betrieben aus der beruflichen Ausbildung. Gründe und
Muster. BIBB-Report 5/2015. Bonn.
Mohr, S., K. Troltsch und C. Gerhards (2015). „Regionale
Passungsprobleme und Betriebe mit rückläufigen
Ausbildungsstellen“. Berufsbildung in Wissenschaft und
Praxis (43) 2. 26–30.
Mohrenweiser, J., und U. Backes-Gellner (2010).
„Apprenticeship Training, what for: Investment or
Substitution?“ International Journal of Manpower (31) 5.
545–562.
Scherr, A., C. Janz und S. Müller (2015). Diskriminierung in
der beruflichen Bildung. Wie migrantische Jugendliche bei der
Lehrstellenvergabe benachteiligt werden. Wiesbaden.
Schönfeld, G., A. Jansen, F. Wenzelmann und H. Pfeifer
(2016). Kosten und Nutzen der dualen Ausbildung aus Sicht
der Betriebe. Bielefeld.
SVR – Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Hrsg.) (2014). Diskriminierung
am Ausbildungsmarkt. Ausmaß, Ursachen und Handlungsperspektiven. Berlin.
45
Die Autoren
Prof. Dr. Dieter Euler
Die Autoren danken dem Team „Chance Ausbildung“ der
studierte Betriebswirt-
Bertelsmann Stiftung für den konstruktiven Austausch über
schaftslehre, Wirtschafts-
erste Textfassungen. Ein besonderer Dank gilt Naemi Härle,
pädagogik und Sozialphilo-
die in der Rolle des „Advocatus Diaboli“ die Autoren immer
sophie in Trier, Köln und
wieder neu herausgefordert hat und dadurch wesentlich zur
London. Seit Oktober 2000
Verbesserung der Verständlichkeit und Kohärenz des Textes
ist er Inhaber des Lehrstuhls
beigetragen hat.
für Wirtschaftspädagogik und
Bildungsmanagement an der
Universität St. Gallen. Zuvor
war er an der Universität Potsdam (1994–1995) und an der
Universität Erlangen-Nürnberg (1995–2000) tätig.
Dieter Euler nimmt zahlreiche Funktionen in internationalen wissenschaftlichen und bildungspolitischen Organisationen wahr. Ein Schwerpunkt seiner international ausgerichteten Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten liegt in
der Reform von Berufsbildungssystemen.
Prof. Dr. Eckart Severing studierte Soziologie und Politikwissenschaft in Erlangen und
hat im Jahr 2000 in Hamburg
habilitiert. Er lehrt an der
Universität Erlangen-Nürnberg.
Eckart Severing wirkt in einer
Reihe von Gremien und Organisationen der Berufsbildung mit. Schwerpunkte seiner
wissenschaftlichen Arbeit sind Strukturen der Berufsbildung, europäische Berufsbildungspolitik sowie das informelle berufliche Lernen und seine Zertifizierung.
46
Dank
Summary
Summary: Expansion of Vocational Training Resources
training. There are many instruments and offers in place
to train young adults that require extra support, however,
In Germany, company involvement in offering vocatio-
companies are only making limited use of them.
nal training has been on the decline for several years despite the promising economic situation and a rise in employ-
Despite the availability of numerous support programs, the
ment. In 2000, there were approximately 622,000 training
authors conclude that the additional need for vocational
placements while the number had dropped to 564,000 by
training resources remains great. There are a high number
2016. At the same time, some 80,000 (13.4%) applicants ac-
of disadvantaged young adults among the applicants who
ross Germany came away empty-handed. Underachie-
require additional support and efforts in the creation of an
ving young adults are most affected and as a result, are least
appropriate vocational training program.
likely to find a training placement: only 49 percent of all
school-leavers with or without a secondary education qua-
The study closes by putting the topic of looking at possible
lification (Hauptschule) were able to find a training place-
options to necessitate an increase in vocational training re-
ment within the dual or school-based vocational education
sources up for discussion. Two questions stand out in parti-
system, while the remaining 51 percent went into one of the
cular:
many programs offered by the transitory educational program that does not, however, provide a formal qualification
How may existing vocational training support programs be
at the end.
optimally designed and better coordinated in their efforts
towards the same goal?
How can overall vocational training resources be enhanced so that every young adult in Germany has the opportu-
How may state-subsidized training placements be better
nity to enter into vocational training? This question is cen-
organized so that they do not supplant company training
tral to the current study. To answer this question, it is first
resources, but at the same time significantly increase these
necessary to provide an overview of the current existing vo-
very same resources?
cational training resources and to then trace from where
the decrease in company involvement comes from. The vo-
Both strategies aim to create a suitable quantitative and
cational education policy discussion in the study next pre-
qualitative training offer intended for different vocational
sents the root causes in the decrease in company involve-
target group markets so that every young adult may have
ment and outlines why placements have remained without
the opportunity to gain a vocational qualification.
a young adult. The resulting impact has been on the increase throughout the past few years and in 2016, eight percent
of vocational placements on offer remained vacant.
Vocational training placements underlie company and operational factors that are also outlined. Here, it is important
to understand how economic development and the varying
company strategies apply within the recruiting process. The
study also provides an overview of state measures aimed
at supporting company involvement in offering vocational
47
48
49
Impressum
© Januar 2018
Bertelsmann Stiftung
Bertelsmann Stiftung
Carl-Bertelsmann-Straße 256
33311 Gütersloh
Telefon +49 5241 81-0
www.bertelsmann-stiftung.de
Verantwortlich
Clemens Wieland
Naemi Härle
Autoren
Prof. Dr. Dieter Euler
Prof. Dr. Eckart Severing
Lektorat
Heike Herrberg, Bielefeld
Grafikdesign
Nicole Meyerholz, Bielefeld
Druck
Matthiesen Druck, Bielefeld
Bildrechte
© Titelbild: Valeska Achenbach in
Zusammenarbeit mit „the white elephant“
Seite 7: Steffen Krinke
DOI: 10.11586/2018001
50
Adresse | Kontakt
Bertelsmann Stiftung
Carl-Bertelsmann-Straße 256
33311 Gütersloh
Telefon +49 5241 81-0
Clemens Wieland
Senior Project Manager
Programm Lernen fürs Leben
Telefon +49 5241 81-81352
[email protected]
Naemi Härle
Project Manager
Programm Lernen fürs Leben
Telefon +49 5241 81-81391
[email protected]
www.bertelsmann-stiftung.de