P f l a n z e n b a u
Hybridgetreide hat Zukunft
Andreas Hund1, Dario Fossati2, Fabio Mascher2 und Peter Stamp1
ETH Zurich, Institut für Agrarwissenschaften, 8092 Zürich, Schweiz
2
Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 1260 Nyon, Schweiz
Auskünfte: Andreas Hund, E-Mail:
[email protected]
1
Abb. 1 | Die Eltern und ihr F1 Hybride.
Doppelhaploide (DH) verkürzen den Selektionsprozess
In der traditionellen Linienzüchtung beginnt der Werdegang einer neuen Sorte mit der Verkreuzung von zwei
reinerbigen Weizen- oder Gerstenlinien. Die daraus
resultierenden Hybriden der ersten Filialgeneration (F1),
sind uniform und mischerbig (Abb. 1). Lässt man diese
abblühen, bestäuben sich die Pflanzen selbst. In der Folgegeneration (F2) kommt es zur Aufspaltung der Merkmale beider Eltern. Ab jetzt kann man beginnen, für die
Zuchtziele aussichtsreiche Typen auszuwählen. Allerdings sind erst ab der siebten Folgegeneration alle Pflan-
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zen wieder weitgehend reinerbig. Dies erschwert es bei
vielen Merkmalen, die richtigen Erbkombinationen auch
in frühen Generationen präzise zu erkennen. Um die
Eigenschaften von Kreuzungsnachkommen schon zu
diesem frühen Zeitpunkt zu erfassen, bedarf es einer
genauen Beobachtung im Feld, kombiniert mit zusätzlichen Laboranalysen, um bereits zu diesem Zeitpunkt statistische Abschätzungen des Zuchtwerts vorzunehmen.
Ein anderer Weg, der in der Schweiz auch bei Weizen
intensiv verfolgt wurde, führt über die Schaffung von
Doppelhaploiden. Bereits seit über dreissig Jahren kön-
nen Keimzellen von Kreuzungsnachkommen in Gewebekulturen, also in Laborschalen, vermehrt werden. Werden sie – alles gar nicht so einfach – wieder zu kompletten
Pflanzen angezogen, haben sie nur einen statt zwei
Sätze der Erbanlagen. Mit Colchicin, dem Toxin der
Herbstzeitlose, das die Zellteilung während der Meiose
verhindert, lassen sich die Erbanlagen wieder verdoppeln. Sie sind damit doppelhaploid (DH), was dem Ergebnis einer hundertprozentigen Inzucht entspricht.
Dadurch umgeht man den langwierigen Prozess der
Inzüchtung und erhält bereits in einer Generation reinerbige Individuen, in denen alle Eigenschaften sofort
nachhaltig und effizient selektierbar sind (Abb. 2). Zwar
muss man bei diesem Vorgehen sehr viele Pflanzen mit
unbrauchbaren Eigenschaften ausscheiden, gegen die
bei der traditionellen Zuchtmethode Jahr für Jahr selektioniert wird. Dennoch erhöht sich die Präzision und verkürzt sich die Dauer des Selektionsprozesses. Bei Weizen
wurden entsprechende Methoden auf der Basis männlicher Keimzellen bereits vor einigen Jahrzehnten auch an
der ETH etabliert und in Zusammenarbeit mit den Forschungsanstalten auf ihre Praxistauglichkeit geprüft.
Dabei stellte sich folgendes heraus: die DH-Linien waren
zwar nutzbar, in ihrer Generierung aber zu stark vom
Genotyp der Mutter abhängig. Bei Mais wurde vor über
einem Jahrzehnt an der Universität Stuttgart Hohenheim die Generierung von DH über die Eizelle zur Praxisreife entwickelt. Urheberrechtlich geschützte Induktionslinien veranlassen die unbefruchtete Eizelle der
Zielpflanze zur haploiden Entwicklung des Embryos.
Diese Methode wird inzwischen weltweit, selbst in den
Tropen, in der Maiszüchtung verwendet. Inzwischen
wurde diese DH-Technologie auch für Weizen in den
meisten grossen Züchtungsfirmen als Standard etabliert.
Züchtung von Hybriden bei Selbstbefruchtern
Warum kam die Hybridzüchtung bei Weizen und Gerste
so spät? Diese Frage wurde bereits in einem Landwirtschaftsfachblatt behandelt, als aus der Praxis Sorgen
zur künftigen Verfügbarkeit von Qualitätssaatgut
gestellt worden waren (Stamp 2013). Vor 100 Jahren
entdeckte man in den USA, dass ingezüchtete, also
reinerbige, miteinander verkreuzte Maislinien für eine
Anbausaison deutlich mehr Ertrag liefern können, als
die offen abblühenden Ursprungssorten der beiden
Linien. Heute werden weltweit fast nur noch Maishybriden angebaut, die offen abblühenden Sorten sind
fast ganz verdrängt worden.
Die meisten bisher entwickelten Hybridsorten stammen von kompletten oder partiellen Fremdbefruchterarten. Sie leiten sich meist aus traditionellen Populationssorten ab, die die Züchtung in moderne, einheitliche
Zusammenfassung
Hybridgetreide hat Zukunft | Pflanzenbau
Fehlende Lizenzeinnahmen verlangsamen die
Züchtung von traditionellen Selbstbefruchtersorten bei Weizen und Gerste, damit
vermindern sich die Aussichten für einen
raschen Fortschritt. Seit einigen Jahrzehnten
verändern sich aber die Sortentypen in
Europa. Bei den Fremdbefruchtern Mais, Raps
und Roggen sind erfolgreiche genetischbasierte Hybridsysteme geschaffen worden,
die zu preiswertem Hybridsaatgut geführt
haben. Ein entsprechendes System besteht
nun auch für Gerste, bei Weizen fehlt es
noch. Für Hybriden werden in der Regel zwei
homozygote Linien verkreuzt, deren Erschaffung sieben Inzuchtgenerationen benötigt.
Bei vielen Getreidearten kann dieser Prozess
biotechnologisch auf einen Schritt abgekürzt
werden, indem haploide Keimzellen zu
Pflanzen mit verdoppelten Erbgut, Doppel
haploiden (DH) regeneriert werden, die
genetisch identisch mit Inzuchtlinien sind.
Biologisch gesehen sind Sorten der Selbst
befruchterarten Gerste und Weizen ertragsoptimierte Inzuchtlinien, daher darf man im
Vergleich zu den Elternlinien nur kleinere
Heterosisleistungen erwarten. Dennoch ist
der Wiedereinstieg grosser Firmen in die
Weizen- und Gerstenzüchtung zu beobachten. Warum? Selbst auf der politischen Ebene
der G20 ist mittlerweile angekommen, dass
Weizen, die Weltkulturart Nummer 1 für
unsere Ernährung, einen sogenannten
Waisenstatus eingenommen hat. Ein Weckruf
in Zusammenarbeit mit Grossfirmen ist
erfolgt. Diesen wird es genügen, wenn
Landwirtinnen und Landwirte durch erhöhte
Ertragssicherheit und soliden finanziellen
Mehrertrag vom Saatgutwechsel überzeugt
werden und damit langfristige Investitionen
in die Züchtung wieder möglich werden. Für
eher kleine Zuchtprogramme stellt sich
mittelfristig die Frage, wann und wie die
Anpassung an diese Entwicklung eingeleitet
werden kann.
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Pflanzenbau | Hybridgetreide hat Zukunft
Homozygote
Eltern
Traditionelle Selbstbefruchtung
F2
0,5
An
the
F1
ku
ltu
F3
F4
F5
F6
F7
0,25
0,13
0,06
0,03
0,02
ren
-
Doppelhaploid Technologie
r
Colchicinierung
0,00
Abb. 2 | Gegenüberstellung der Erzeugung reinerbiger Weizensorten durch traditionelle Selbstb efruchtung im Zuchtgarten verglichen mit der in-vitro Erzeugung Doppelhaploider Pflanzen aus den Staubbeuteln (Antheren) der männlichen Blütenteile. Da Antheren nur einen einfachen Chromosomensatz besitzen, sind die in-vitro -regenerierten haploiden Embryonen nach Colchicinierung, d.h Aufdoppelung des Chromosomensatzes, in einem Schritt vollständig homozygot (Anteil Heterozygotie von 0,00). Im Vergleich sind die Ingezüchteten Individuen auch nach sechs Generationen
Inzüchtung immer noch etwa zu einem Anteil von etwa 0,02 heterozygot. Gezeigt ist eines der 21 Paare homologer
Chromosomen von Weizen.
und ertragsstarke Hybridsorten überführt. Dadurch
ergibt sich ein Mehrwert, den sich Züchtungsfirmen und
Landwirte teilen. Da Hybriden bei Nachbau in der nächsten Generation genetisch wieder aufspalten, was zu
Ertragseinbussen führt, profitiert der Bauer vom jährlichen Neukauf von Saatgut. Die entrichteten Lizenzgebühren erlauben es den Züchtungsfirmen, langfristig zu
investieren. Seit nunmehr über 20 Jahren sind auch bei
Roggen und Raps Hybridsorten erfolgreich auf dem
Markt. Bei Mais sind heute 100 % der Sorten Hybriden,
bei Roggen über 75 % und bei Raps über 50 %. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, muss das Saatgut von Hybridsorten bezahlbar sein. Bei Mais mit seinen getrennten
weiblichen und männlichen Blütenständen wird das Ziel
der Bezahlbarkeit bereits seit 100 Jahren sehr einfach
durch mechanische Kastration der endständigen Rispe
der Mutterpflanzen erreicht. Bei den Getreidearten mit
zwittrigen Blüten ist die Kastration komplizierter.
Parallel zur mechanischen Kastration wurden für
Mais auch genetische Systeme zur «Cytoplasmatischen
Männlichen Sterilität, CMS» entwickelt, die seit Jahr-
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zehnten die billige und sichere Saatgutproduktion
unterstützen – Systeme, die mittlerweile auch für Roggen und Sonnenblume bestehen. Sie beruhen auf Gendefekten im «Kraftwerk» der Zelle, dem Mitochondrium
(Abb. 3). Diese lassen die Pollenzellen der als Mutter für
Hybridsaatgut verwendeten Linie verkümmern. Sie kann
sich also nicht selbst bestäuben, d.h. es kommt sicher zur
Hybridisierung durch Pollen der Vaterlinie. Die daraus
resultierenden Pflanzen würden aber dieselben defekten, nur von der Mutter weiter vererbten Mitochondrien
tragen und wären damit ebenfalls männlich steril – eine
Katastrophe für die Bauern, denn ohne Bestäubung gibt
es keinen Ertrag. Es ist aber gelungen, im Kerngenom
Gene zu identifizieren, die diesen Defekt wieder aufheben, sogenannte Restorer Gene. Die bestäubende Vaterlinie überträgt diese Restorer Gene und sorgt so dafür,
dass das verkaufte Hybridsaatgut männlich fertile Pflanzen hervorbringt (Abb. 4). Vor wenigen Jahren hat die
Syngenta ein CMS-System auch für Gerstenhybriden etabliert – ein Durchbruch, der auch für Weizen Hoffnung
weckt. Auch in der universitären und staatlichen Züch-
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Mitochondrium
Zellkern
Rf/rf
N/s
Interaktion
a
m
s
a
l
Cytop
Abb. 3 | Die cytoplasmatisch-kerngenetische männliche Sterilität wird durch eine Fehlfunktion mitochondrialer Gene verursachten. Im Vergleich zu Zellen mit einer normalen Funktion (N) führt diese Fehlfunktion
zur Sterilität (s). Die Sterilität kann jedoch durch dominante Restorergene (Rf) im Zellkern aufgehoben. Da
diese im Kern sitzen, können sie über den väterlichen Pollen übertragen werden. Im Gegensatz dazu lassen
sich Mitochondrien, nur von der Mutter weitergeben.
tungsforschung der Schweiz ist das Interesse an Getreidehybriden seit Jahrzehnten gross. Es war naheliegend,
in Kombination mit den doppelhaploiden Weizenlinien
der ETH Zürich und Agroscope , über den Einsatz von
Gametoziden, Chemikalien, die die Pollenausbildung
unterdrücken (Abb. 5), nachzudenken (Schmid et al.
1994). Grosse Hoffnungen hegte auch die Delley Samen
und Pflanzen AG (DSP), Hybriden im Rahmen des leider
aufgegebenen Triticaleprogramms von Agroscope zu
schaffen. Aus züchterischen Gesichtspunkten wäre dies
besonders reizvoll gewesen, da der Fremdbefruchter
Roggen mit seinem Genom im stark selbstbefruchtenden
Triticale ansonsten einer permanenten Inzüchtung
unterläge. Für die kommerzielle Hybridproduktion wäre
Triticale vorteilhaft, denn dank der grossen Pollenausbeute ist die Bestäubung einfacher als beim Weizen. Die
DSP hatte hierzu mit süddeutschen Firmen ein sehr
intensives Programm gestartet. Doch eine an der Universität Zürich entwickelte transgene männliche Sterilität
kam durch den wachsenden Gentech-Widerstand nicht
zur Anwendung. Zwei Gametozide waren zwar in Frank-
reich provisorisch zugelassen worden, aber Monsanto
nahm dennoch sein Produkt wieder vom Markt – nicht
gerade ermutigend für kleine Firmen, hierauf eigene
Zuchtprogramme aufzubauen. Mittlerweile ist das
zweite wirksame Gametozid, CROISOR®, von der deutschen Saaten-Union gekauft und seit 2011 in der EU
nicht nur genehmigt, sondern auch für unbedenklich
erklärt worden. Damit steht der Hybridzüchtung bei
Weizen nichts mehr im Weg und es sind bereits sehr gute
Sorten in Europa auf dem Markt. Man kann also davon
ausgehen, dass internationale und mittelständische
Unternehmen in unserem für Höchsterträge geeigneten
Klima sich vor allem auf Hybriden konzentrieren werden.
Seit 2012 setzt man an der ETH Zürich neue Akzente zur
Erforschung von genetischen Werkzeugen für die Hybridzüchtung: Die Gruppe für Futterpflanzengenetik
(Professor Bruno Studer) er-forscht Selbst-Inkompatibilität, CMS Systeme und DH Induktion bei Gräsern. Hieraus
entsteht in der Schweiz eine neue Kompetenz auch für
die Züchtung des «Grases» Weizen. Dass man Heterosis
auch bei Selbstbefruchtern nutzen kann, zeigt das Bei-
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Pflanzenbau | Hybridgetreide hat Zukunft
(CMS Linie)
Maintainer Linie (männl. fertil)
rfrf
rfrf
x
s
N
1
Kreuzungspartner
(Restorer Linie)
steril
rfrf
RfRf
s
x
N
2
steril
Rf rf
s
Männlich fertiler Hybride
Abb. 4 | Schema der Vererbung der Cytoplasmatisch-männliche Sterilität: 1)
Das sterile Cytoplasma (s) wird über über «Maintainer» Linien (N) erhalten.
Diese Linien sind mit der CMS Linie genetisch identisch, haben aber ein normales Cytoplasma (N). Fertile Hybriden lassen sich durch Kreuzung der CMS Linie
mit beliebigen fertilen Inzuchtlinien herstellen, sofern diese homozygot ein
entsprechendes «Restorergen» (Rf) im Zellkern tragen.
spiel des Hybridreises. China hat in den 1970er Jahren
mit enormem Einsatz ein Hybridreis-Programm ins Leben
gerufen. Dabei wurde ebenfalls CMS genutzt. Heute
basieren 50 % des Reisanbaus in China auf Hybriden mit
einem durchschnittlichen Ertragsvorteil von 10 – 15 %
(Khush 2013).
Die vergangenen Jahre mit ihren heftigen Wetterschwankungen haben gezeigt, wie wichtig neben einem
maximalen Ertragspotenzial die Ertragssicherheit ist.
Hier sind Hybriden wohl im Vorteil, da die hohe Robustheit der Pflanzen und eine bessere Durchwurzelung des
Bodens die Ertragssicherheit erhöht. Auch kann man
eine verbesserte Stickstoffnutzung erwarten. (Schachschneider 2012).
Doch Hybridzüchtung ist bei Selbstbefruchtern kein
Kinderspiel, es braucht Hunderte von Testkreuzungen
und das richtige Ausgangsmaterial, um eine wirklich
überzeugende neue Hybride zu schaffen. Die Etablierung der richtigen Ausgangspopulationen hat schon bei
den Fremdbefruchtern Roggen und Mais Jahrzehnte
gedauert. Bei den Selbstbefruchtern Gerste und Weizen
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stehen wir bei einem viel geringeren Heterosiszuwachs
erst am Anfang. Die Probleme macht eine Panne bei der
Saatgutproduktion von Gerstenhybriden in Deutschland
2013 deutlich, die zu sehr viel Unruhe unter den Landwirtinnen und Landwirten geführt hatte. Für die Hybridproduktion braucht es Mutterlinien, die ihre Blüten
lange offen halten, dadurch wächst jedoch die Gefahr
einer Saatgutverunreinigung. Die Umstellung auf Hybriden wird sich dann durchsetzen, wenn die Praxis davon
überzeugt ist, dass er durch Hybridanbau ebenfalls
gewinnt und der hohe Saatgutpreis sich durch eine
frühe Aussaat mit verringerter Aussaatmenge kompensieren lässt.
Wer züchtet?
Noch ist die Gesamtzahl aller in Mitteleuropa zugelassenen Weizen- und Gerstensorten gross, Genauso gross ist
das Interesse der landwirtschaftlichen Praxis, nur die für
sie passenden Sorten anzubauen. Daher «überleben»
Sorten auf den EU-Sortenlisten meist nicht sehr lange.
Dies scheint auf eine dynamische Züchtungslandschaft
Hybridgetreide hat Zukunft | Pflanzenbau
Abb. 5 | Produktion von Triticale Hybriden. Die Tüten erlauben es, den Anteil der Sterilität nach Anwendung des Gametozids zu bestimmen.
hinzuweisen. Aber 2010 wurde in Bonn an einer Konferenz der deutschsprachigen Züchter grosse Besorgnis
laut, dass ungenügende Lizenzeinnahmen jede zweite
Weizenzüchterstelle gefährde. Auch international bestehen diese Sorgen, die auf Betreiben der G20 Gruppe zur
Weizeninitiative geführt haben (http://www.wheatinitiative.org). Damit hat sich die Stimmung grundlegend
geändert. Hatten sich noch bis 2000 grosse Agrarkonzerne wie Monsanto aus der Weizenzüchtung zurückgezogen, so haben jetzt Bayer und Monsanto vor allem
durch Firmenaufkäufe ihr Engagement wieder verstärkt.
Damit soll diese plötzlich «verwaiste» Kulturart in Forschung und Züchtung wieder den Platz zurück erobern,
die ihr als Kulturart Nummer 1 für die Welternährung
gebührt. Neben Ministerien und internationalen Züchtungsinstituten beteiligen sich namhafte Firmen von
KWS (D), Desprez (F), Limagrain (F) bis Syngenta (CH)
und Monsanto (USA) an dieser Weizenvision. Damit ist
zwar die Frage noch nicht beantwortet, welche Firma
wie viel Geld heute in die Weizenzüchtung investiert,
zumindest aber hat der Weizen seinen «Waisenstatus»
einigermaßen überwunden. Dies hat und wird Konsequenzen für die Vielfalt der Züchtungshäuser haben. Ein
Weizenzuchtprogramm kann nicht auf Knopfdruck abund angeschaltet werden, wertvolles Zuchtmaterial wird
über viele Jahre aufgebaut. Selbst wenn ein Zuchtprogramm steht, braucht es 15 Jahre von der ersten Kreuzung bis zur fertigen Sorte. Also kaufen internationale
Firmen, die neu oder erneut in die Züchtung einsteigen,
bestehende Firmen auf – so wie es beispielsweise Bayer
mit der französischen RAGT jüngst vorgemacht hat. Insgesamt führte diese Strategie des Aufkaufens von kleineren durch grössere Züchtungsfirmen zu einer gewaltigen
Umstrukturierung der weltweiten Züchtungsindustrie
mit wenigen, grossen Konzernen (Howard 2008). Welche
Folgen dies für das Sortenangebot im Einzelnen haben
wird, ist schwer vorhersehbar. Da der Wettbewerb aber
wie beim Mais gross bleiben wird, könnte zum Vorteil
des Weizenproduzenten die Verbesserung der Sorten
beschleunigt werden. Schlussendlich zählt für die Praxis
nicht der Umfang der Sortenliste sondern der Umfang
des Züchtungsfortschritts.
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Pflanzenbau | Hybridgetreide hat Zukunft
Schlussfolgerungen
Bei den Fremdbefruchterarten Mais und Roggen sind
Hybriden heute selbstverständlich, Gerste und Weizen
holen derzeit auf, aber es wird sicher noch dauern, bis
genügend überzeugend robuste und ertragsstarke Hybridsorten für diese beiden Selbstbefruchterarten zur Verfügung stehen. Bei den kleinkörnigen zwittrigen Getreidearten geben Qualität und Preis für die Akzeptanz von
Hybridsaatgut den Ausschlag. Männlich sterile Mutterund Vaterlinien, die bei den Nachkommen die volle Fertilität wieder herstellen, sind hierfür unabdingbar. Zwar
besteht für Weizen noch kein verlässliches genetisches
System, doch ein in der EU anerkanntes Gametozid
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erlaubt nun Hybridsorten auf der Basis chemisch induzierter Pollensterilität. Dies erklärt auch den Wiedereinstieg
internationaler Firmen in die Weizenzüchtung, nachdem
bereits die Politik deren Vernachlässigung beklagt hat.
Hybridsorten werden dann die Landwirtinnen und Landwirte überzeugen, wenn jährlicher Saatgutwechsel ihnen
einen finanziellen Mehrertrag vor allem auch durch hohe
Ertragssicherheit garantiert. Das Markenzeichen der
staatlichen Schweizer Weizenzüchtung ist die Kombination von exzellenter Backqualität mit sehr guter Pflanzengesundheit. Der Einstieg in die Hybridzüchtung ist eine
von mehreren Möglichkeiten sich von der Schweiz aus auf
nationaler und internationaler Ebene erfolgreich in die
n
neuen Entwicklungen einzubringen.
I cereali da paglia ibridi progrediscono
Il debole flusso di ritorno degli
investimenti nella selezione di varietà
tradizionali di cereali autogami, quali il
frumento e l’orzo, ne offusca le
prospettive per il futuro. Da alcuni
decenni, però, si nota in Europa un
rinnovo a favore delle varietà ibride.
Per le specie allogame come il mais, la
colza o la segale, la disponibilità di
sistemi genetici ha permesso la
produzione di sementi ibridi a buon
mercato. Un tale sistema è attualmente
disponibile per l’orzo, ma non ancora
per il frumento. Per le specie autogame, infatti, è più difficile trovare un
effetto evidente dell’eterosi, ossia una
prestazione della prole nettamente
superiore rispetto a quella dei genitori,
perché in queste specie le capacità
biologiche sono già ottimizzate.
Eppure, si assiste da qualche anno al
ritorno delle grandi ditte alla selezione
di frumento e orzo. Perché? A livello
dei G20, dopo alcuni decenni di
disinteressamento, la collaborazione
con le grandi ditte di produzione di
sementi ha condotto ad una rivalutazione del frumento. Queste ditte
investiranno a lungo termine nella
selezione solo a condizione che il tasso
di rinnovamento delle sementi sia
prevedibile. Ciò pone i piccoli programmi di selezione di fronte alla
questione di come adattarsi a questa
evoluzione.
Summary
Riassunto
Hybridgetreide hat Zukunft | Pflanzenbau
Hybrid cereals are progressing
Low return on investment from breeding
licenses has made breeding of self-
fertilizing species like wheat and barley
less attractive. However, for some decades, the variety types have been changing in Europe, because cytoplasmic male
sterile systems of outcrossing species like
maize, rape seed and rye exist for the
production of affordable hybrid seeds,
which have recently been introduced for
barley but not for wheat. To produce
hybrid seed, two homozygous lines must
be crossed. The development of a pure
line takes up to seven inbreeding generations. In many cereals, the process can be
shortened biotechnologically by regenerating plants from haploid gametes leading
to so-called double haploids (DH), which
are genetically identical to complete
inbred lines. Varieties of self-fertilizing
species, such as barley and wheat, are
yield optimized inbred lines by definition;
therefore, it requires much more investigation to find combinations with increased
hybrid vigor for self-fertilizing than for
outcrossing species, which usually show
great inbreeding depression. However, big
international companies have renewed
their interest in hybrid wheat breeding,
now that even the G20 have realized that
the global crop number 1 for food supply,
wheat, has become an orphan crop. For
big companies, it would be attractive to
ensure long-term investments when
farmers change seeds annually due to
higher yield consistency and solid financial
gains – a win-win option. Smaller breeding programs will have to determine when
to join this new movement.
Key words: wheat breeding, F1 hybride,
CMS, gametozid, doppelhaploide (DH).
Literatur
▪▪ Howard P.H., 2009. Visualizing Consolidation in the Global Seed
I ndustry: 1996-2008. Sustainability 1, 1266–1287.
▪▪ Khush G.S., 2013. Strategies for increasing the yield potential of cereals:
case of rice as an example. Plant Breeding 132, 433–436.
doi:10.1111/pbr.1991.
▪▪ Schachschneider R., 2012. Weizenzüchtung - Tatsachen und Visionen.
Z ugang: http://media.repro-mayr.de/94/543694.pdf, [18.1.2014].
▪▪ Schmid J.E., Winzeler M., Keller B., Büter B., Stamp P. & Winzeler H.,
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programs. In: Prospectives of cereal breeding in Europe (Ed. A. Brönimann, B. Keller and H. Winzeler). Eucarpia Cereal Section, Landquart,
Switzerland, 41–42.
▪▪ Stamp P., 2013. Beim Ertrag wenig Fortschritt. dlz Agrarmagazin 10, 28–47.
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