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Der Markt für "politische Zitronen

2001

Der vorliegende Aufsatz zeigt, dass der Ubergang von einer direkten zu einer indirekten Demokratie und die Einschaltung von Reprasentanten nicht nur mit dem Entstehen eines Delegationsproblems zwischen den Burgern und Politikern verbunden ist, sondern zusatzlich Negativauslese der politischen Zitronen den Nutzen der Delegation fur die Burger schmalern kann. Besteht auf der Nachfrageseite Unkenntnis uber die Qualitat der kandidierenden Politiker kann dies zur adversen Auslese und einer Verscharfung der Prinzipal-Agent-Probleme bei der Entscheidungsdelegation fuhren. Gleichwohl existieren verschiedene Instrumente, die einem Versagen der Marktallokation aufgrund bestehender Informationsmangel und einer Entwicklung des Marktes fur Politiker zu einem Markt fur politische Zitronen entgegenwirken. Einige diesbezugliche Instrumente werden in ihrer Wirkungsweise dargestellt und ihre Praktikabilitat aus okonomischer Sicht diskutiert.

View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by Research Papers in Economics econstor www.econstor.eu Der Open-Access-Publikationsserver der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft The Open Access Publication Server of the ZBW – Leibniz Information Centre for Economics Steinrücken, Torsten Working Paper Der Markt für politische Zitronen Diskussionspapier // Technische Universität Ilmenau, Institut für Volkswirtschaftslehre, No. 20 Provided in cooperation with: Technische Universität Ilmenau Suggested citation: Steinrücken, Torsten (2001) : Der Markt für politische Zitronen, Diskussionspapier // Technische Universität Ilmenau, Institut für Volkswirtschaftslehre, No. 20, http://hdl.handle.net/10419/27959 Nutzungsbedingungen: Die ZBW räumt Ihnen als Nutzerin/Nutzer das unentgeltliche, räumlich unbeschränkte und zeitlich auf die Dauer des Schutzrechts beschränkte einfache Recht ein, das ausgewählte Werk im Rahmen der unter → http://www.econstor.eu/dspace/Nutzungsbedingungen nachzulesenden vollständigen Nutzungsbedingungen zu vervielfältigen, mit denen die Nutzerin/der Nutzer sich durch die erste Nutzung einverstanden erklärt. zbw Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft Leibniz Information Centre for Economics Terms of use: The ZBW grants you, the user, the non-exclusive right to use the selected work free of charge, territorially unrestricted and within the time limit of the term of the property rights according to the terms specified at → http://www.econstor.eu/dspace/Nutzungsbedingungen By the first use of the selected work the user agrees and declares to comply with these terms of use. Technische Universität Ilmenau Institut für Volkswirtschaftslehre _________________________________________________________ Diskussionspapier Nr. 20 Der Markt für „politische Zitronen“ Torsten Steinrücken Februar 2001 Institut für Volkswirtschaftslehre Helmholtzplatz Oeconomicum D-98684 Ilmenau Telefon 03677/69-4030/-4032 Fax 03677/69-4203 http://www.wirtschaft.tu-ilmenau.de ISSN 0949-3859 Diskussionspapier Nr. 20 Der Markt für „politische Zitronen“ von Torsten Steinrücken∗ Inhaltsübersicht 1. Vorbemerkungen ................................................................................................................................ 1 2. Das Modell ......................................................................................................................................... 3 2.1. Die Anbieterseite – Kandidaten für ein politisches Amt 3 2.2. Die Staatsbürger als Nachfrager 5 2.3. Wohlfahrtswirkungen durch die Entscheidungsdelegation 8 3. Strategien zur Verhinderung der „Zitronisierung“ des Marktes....................................................... 11 3.1. Informationsbeschaffung und Entdeckungswahrscheinlichkeit 11 3.2. Instrument der Bürger - Verhaltensabhängige Entlohnung 12 3.3. Signalingstrategien der Kandidaten - Pfandhinterlegung 14 4. Politischer und ökonomischer Wettbewerb - einige Übertragungsprobleme ................................... 18 4.1. Ist der informierte Bürger der eigentlich Dumme? 18 4.2. Die glaubhafte Absicherung – ein Problem? 19 5. Ausblick und abschließende Überlegungen...................................................................................... 21 Zusammenfassung Der vorliegende Aufsatz zeigt, dass der Übergang von einer direkten zu einer indirekten Demokratie und die Einschaltung von Repräsentanten nicht nur mit dem Entstehen eines Delegationsproblems zwischen den Bürgern und Politikern verbunden ist, sondern zusätzlich Negativauslese der „politischen Zitronen“ den Nutzen der Delegation für die Bürger schmälern kann. Besteht auf der Nachfragerseite Unkenntnis über die Qualität der kandidierenden Politiker kann dies zur adversen Auslese und einer Verschärfung der Prinzipal-Agent-Probleme bei der Entscheidungsdelegation führen. Gleichwohl existieren verschiedene Instrumente, die einem Versagen der Marktallokation aufgrund bestehender Informationsmängel und einer Entwicklung des Marktes für Politiker zu einem Markt für „politische Zitronen“ entgegenwirken. Einige diesbezügliche Instrumente werden in ihrer Wirkungsweise dargestellt und ihre Praktikabilität aus ökonomischer Sicht diskutiert. ∗ Für Anmerkungen und Kritik zu diesem Diskussionspapier ist der Autor dankbar: [email protected]. - Der Markt für „politische Zitronen“ - 1. -1- Vorbemerkungen∗ Die Ausweitung der ökonomischen Analysemethoden und Verhaltensannahmen auf den politischen Bereich hat sich als sehr fruchtbar erwiesen. In der Sichtweise der Neuen Politischen Ökonomie ist der Wettbewerb auf dem Wählerstimmenmarkt vergleichbar mit normalem marktlichen Leistungswettbewerb. Dabei ist die Umsetzung von Wählerinteressen ein „Nebenprodukt“ des Strebens der Politiker nach Wiederwahl, Einkommen, Prestige und Macht. „Aber um zu verstehen, wie die demokratische Politik dem sozialen Ziele dient, müssen wir vom Konkurrenzkampf um Macht und Amt ausgehen und uns klar werden, daß die soziale Funktion, so wie die Dinge nun einmal liegen, nur nebenher erfüllt wird – im gleichen Sinne wie die Produktion eine Nebenerscheinung beim Erzielen von Profiten ist.“ Schumpeter (1950/ 1993) S. 448. Ähnlich wie bei der neoklassischen Gleichgewichtsanalyse des Marktgeschehens finden auch bei der Ökonomischen Theorie der Politik oft sehr restriktive Annahmen als Grundlage der Modelle Anwendung. Verlässt man diese Modellwelt des perfekten politischen Wettbewerbs ohne Informations- und Organisationskosten und arbeitet mit realistischeren Annahmen, lassen sich weitere Erkenntnisse der ökonomischen Theorie nutzen1. Den Ausgangspunkt der Ökonomischen Theorie der Politik bildet die Ersetzung des wohlwollenden Diktator durch den egoistisch handelnden demokratisch gewählten Politiker und die Annahme, dass sowohl die Delegierten als auch die Wähler sich bei ihren Entscheidungen rational verhalten2. Staatliche Aufgaben werden in dieser Sichtweise nicht von uneigennützig handelnden Akteuren ausgeübt, die ausschließlich zum Wohle der Bürger handeln, sondern von Menschen, die versuchen in diversen Rollen durch eigennutzorientiertes strategisches Verhalten ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Akteure finden sich in der Realität in Positionen und Situationen innerhalb der staatlichen Organisation wieder, die ihnen Möglichkeiten zu opportunistischem Verhalten3 eröffnet. „Corruption is a consequence of discretionary political authority. All governments vest in officials discretionary control over some property, and the amount of discretion varies dramatically. [...] Hence, the potential for corruption is a constant danger when government officials allocate property rights.“ Baden/ Benson (1985) S. 394 f. ∗ Für wertvolle Anregungen und kritische Bemerkungen bin ich insbesondere G. Sichelstiel, S. Jaenichen, H. H. Kallfass, M. Czygan, B. Kuchinke, H. Walterscheid, H. Pitlik und J. Haucap zu Dank verpflichtet. 1 Downs (1968) geht in seinem Werk „Ökonomische Theorie der Demokratie“ insbesondere in den Kapiteln 11, 12 und 13 auf Informationskosten bei demokratischen Entscheidungen ein. Er nimmt jedoch implizit an, dass für die Wähler alle Informationen prinzipiell zugänglich sind. Dieser Annahme wollen wir im vorliegenden Aufsatz zunächst nicht folgen. 2 Vgl. Bernholz/ Breyer (1994) S. 2. 3 „By opportunism I mean self-interest seeking with guile. This includes but is scarcely limited to more blatant forms, such as lying, stealing, and cheating. Opportunism more often involves subtle forms of deceit. Both active and passive forms and both ex ante and ex post types are included.“ Williamson (1985) S. 47. - Der Markt für „politische Zitronen“ - -2- Diese, mit der Delegation von Macht verbundene Gelegenheit, zumindest kurzfristig etwas von der durch Entscheidungsdelegation erzielbaren Delegationsrente für die Verfolgung persönlicher Interessen abzuzweigen4, werden nicht alle, wohl aber einige Akteure wahrnehmen. Ein Rückblick in die Geschichte, aber auch aktuelle Beobachtungen zeigen, dass diskretionäre Handlungsspielräume nicht nur auf legale Art und Weise – wie in der Neuen Politischen Ökonomie zumeist unterstellt5 – genutzt werden, sondern die Grenzen der Legalität oft überschritten werden. Nicht allein das legal zu erzielende Gehalt kann einen Anreiz ausüben ein Amt im staatlichen Dienst anzustreben, sondern auch die erzielbaren Nebeneinkünfte können für rationale Akteure ein solches Motiv schaffen. Auch in demokratischen Rechtsstaaten6 gibt es Entscheidungspositionen, die mit großen diskretionären Handlungsspielräumen verbunden sind, welche Anreize zur individuellen Bereicherung setzen. Gerade die aus der Sicht der Prinzipale vorteilhafte Delegation von Entscheidungen an einen oder mehrere Agenten birgt die Gefahr in sich, dass die Agenten bestehende Informationsasymmetrien ausnutzen und Aktivitäten entfalten, welche den Nutzen der Prinzipale schmälern. In der ökonomischen Literatur gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die sich mit dem Delegationsproblem beschäftigen7. Das vorliegende Papier möchte diesen Erörterungen keine weitere hinzufügen, sondern stattdessen auf einen weiteren Aspekt dieses Problems aufmerksam machen, der in der Literatur noch nicht thematisiert wurde. Geht man von der vollkommenen Informationslage der handelnden Akteure bei dem Wettbewerbsprozess um politische Ämter ab und berücksichtigt explizit die Möglichkeiten der Wähler, spezifische Informationen über die wählbaren Kandidaten zu erlangen, so können Probleme des Informationszugangs und eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den Marktseiten zur Negativauslese der schlechten Qualität führen. Es soll gezeigt werden, dass die Verbindung aus verborgenen Eigenschaften („hidden characteristics“) und verborgenen Handlungen („hidden action“) auf dem Markt für Politiker unter bestimmten Annahmen zu ebensolchen Ergebnissen führen kann, wie sie Akerlof (1970) in dem Artikel „The market for lemons“ am Beispiel eines Gebrauchtwagenmarktes dargestellt hat8. Mit der skizzierten Herangehensweise wollen wir eine Anregung von Downs (1968) aufgreifen und die ökonomische Theorie der Demokratie in einem kleinem Bereich versuchen zu erweitern. 4 Vgl. Witt (1993) S. 235. 5 „Die Selbstsucht jedes Parteiangehörigen hat [...] Grenzen: Er wird nicht gegen Gesetze verstoßen, z.B. Bestechungsgelder annehmen oder seine Amtsgewalt zu einem Verfassungsbruch ausnutzen. Zwar sind diese Grenzen [...] unrealistisch, aber ohne sie müßte unsere Analyse über den Bereich dieser Studie hinaus erweitert werden.“ Downs (1968) S. 29. 6 „Der demokratische Rechtsstaat läßt sich verstehen als ein relationaler (impliziter) PA- Vertrag zwischen den Staatsangehörigen und ihrem Herrscher (ihren Repräsentanten).“. Richter/ Furubotn (1999) S. 457. 7 Von einem „Delegationsproblem“ zwischen Prinzipal und Agent spricht auch Schmidt-Trenz (1996) S. 5 ff. Siehe auch Schweizer (1993) S. 210 ff., Richter/ Furubotn (1996) S. 457, Coleman (1979) S. 29. 8 Vgl. Akerlof (1970) S. 3 ff. - Der Markt für „politische Zitronen“ - -3- 2. Das Modell9 2.1. Die Anbieterseite – Kandidaten für ein politisches Amt Angenommen, die Bürger eines Staates kommen überein, bestimmte Entscheidungen nicht durch direkte Wahlentscheidungen zu treffen, sondern einem Bürger aus ihren Reihen zu übertragen. Sie erwarten durch den Übergang von einer direkten zu einer indirekten Demokratie Nutzenzuwächse und delegieren aufgrund dessen einen Teil ihrer Entscheidungsgewalt an einen Politiker. Prinzipiell sind alle für ein politisches Mandat in Frage kommenden Bürger bereit, als politische Entscheider Aufgaben zu übernehmen. Betrachtet werden in diesem Zusammenhang Bürger mit gleicher fachlicher Qualifikation. Dem gewählten Politiker eröffnen sich nach seiner Wahl diskretionäre Spielräume, die er zu seinem eigenen Vorteil nutzen kann. Es wird zunächst angenommen, dass den Bürgern keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe sie überwachen können, ob und auf welche Art und Weise der gewählte Politiker seinen Verhaltensspielraum nutzt10. Es soll unter den Einwohnern des Staates zwei Gruppen von Bürgern mit unterschiedlicher Neigung zu korruptem Verhalten11 geben. Ein Teil der Bürger lehnt korrupte Handlungen aus Überzeugung ab, da ihnen der Verstoß gegen ein bestehendes Gesetz sehr hohe moralische Kosten verursacht12. Die andere Gruppe von Bürgern mit dem Anteil π an der Gesamtbevölkerung verspürt weniger Skrupel bei der Verletzung formeller oder informeller Regeln und sieht sich niedrigeren moralischen Kosten bei Verletzung von Gesetzen ausgesetzt. Die moralische Qualität der betrachteten Bürger ist exogen vorgegeben13. Wir nehmen an, dass ein Bürger mit geringen moralischen Kosten ( z ) vorhandenen diskretionären Entscheidungsspielraum eigennutzorientiert unter Verletzung bestehender Regeln ausnutzt. Ein Bürger, der der Gruppe mit hohen moralischen Kosten angehört ( g ), wird – wie in der Neuen Politischen Ökonomie zumeist unterstellt – zwar auch von seinen Handlungsspielraum zur Maximierung seines Nutzens Gebrauch machen, aber nur soweit, wie er keine Regeln formeller bzw. informeller Art verletzt. Diese unterschiedlichen moralischen Kosten wirken sich auf die Bereitschaft, ein politisches Amt zu übernehmen, aus. Die Opportunitätskosten der Ausübung eines Politikeramtes seien für Bürger beider Gruppen identisch mit c z = c g = c mit c > 0 gegeben und bilden alle anderen Einkünfte ab, die die 9 Das nachfolgend skizzierte Modell orientiert sich an der Darstellung des Lemons-Problems auf Produktmärkten, wie es bei Haucap (1998) S. 162 ff. modelliert ist. 10 Auch eine zufällige Aufdeckung eines Korruptionsskandals wird zunächst aus Gründen der Vereinfachung ausgeschlossen. 11 Korruption kann man als Tauschakt unter Überschreitung bestehender Regeln definieren. Ein Tausch findet jedoch nur dann statt, wenn beide Seiten einen Vorteil (Agent und Klient) erwarten. D.h. das Einkommen aus Korruption, welches dem Agenten zufließt, stellt nur einen Teil der gesamten Tauschrente durch Korruption dar. Zur Vereinfachung wollen wir jedoch annehmen, dass der Agent (Politiker) sich die gesamte Korruptionsrente aneignet. Wir unterstellen insofern einen horizontalen Verlauf der Nachfragekurve nach korrupten Leistungen. 12 Die moralischen Kosten der Bürger werden als konstant unterstellt, was bedeutet, dass nach Übernahme eines politischen Amtes sich ein Bürger mit hohen moralischen Kosten auch als ein solcher verhält. 13 Die moralische Qualität eines Bürgers kann beispielweise durch die Sozialisation eines Menschen langfristig determiniert sein und aufgrund dessen kurzfristig nicht geändert werden. - Der Markt für „politische Zitronen“ - -4- Kandidaten für ein politisches Amt alternativ erzielen könnten14. Wir wollen annehmen, dass ein Delegierter nach seiner Wahl – verglichen mit seinen alternativen Möglichkeiten Einkommen zu erzielen – in dem politischen Amt zusätzliche Geldmittel aus illegalen Handlungen in der Höhe x ⋅σ korr 15 sicher erzielen kann. Aus den Opportunitätskosten und unter Berücksichtigung, dass die „politischen Zitronen“ schon vor der Wahl mit dem späteren Einkommen aus Korruption ( x ⋅σ korr ) rechnen, Angehörige der anderen Bürgergruppe hingegen nicht, ergeben sich unterschiedliche Mindestlohnforderungen der Vertreter der beiden Bürgergruppen. Die Mindestlohnforderung16 eines Bürgers für die Übernahme eines Politikeramtes mit hohen moralischen Kosten soll wg betragen wg ≥ c . Die Nutzenverluste, die ihm bei einer Überschreitung gesetzlicher Bestimmungen entstehen, können nicht durch den Nutzenzuwachs aus einem Korruptionseinkommen ausgeglichen werden. Berücksichtigen die Bürger mit niedrigeren moralischen Kosten das mögliche Korruptionseinkommen, so sind sie schon bereit, zu einem Lohn wz , der unter ihren alternativen Verdienstmöglichkeiten liegt, ein politisches Amt auszuüben. (1) 17 wz ≥ c − x ⋅ σ korr ; x ⋅ σ korr > 0 Diesen Lohn wz können sie fordern, da sie, einmal in einer politischen Entscheidungsposition angelangt, ihren Handlungsspielraum sicher ausnutzen werden. Es gilt wg > wz . Der Markt für Politiker lässt sich folgendermaßen charakterisieren: Bürger beider Gruppen signalisieren durch die Kandidatur für ein politisches Amt ihr Angebot, in die Politik zu gehen. Durch ihre Bereitschaft, Steuern zu zahlen, zeigen die regierten Bürger an, dass sie bereit sind, Entscheidungen zu delegieren und dafür einen Lohn den Delegierten zu zahlen. Wir wollen im folgenden annehmen, dass die Bürger einen Politiker über direkte Wahlverfahren zufällig aus allen Kandidaten auswählen18, wobei die politischen Ansichten, welche die Kandidaten vertreten, für die Wahlentscheidungen der Bürger keine Rolle spielen sollen. Wie der Wettbewerb auf Produktmärkten lässt sich auch der Wettbewerb um politische Ämter in zwei 14 Die Annahme, dass Bürger beider Gruppen identische Opportunitätskosten haben, wurde im Sinne der Vereinfachung gewählt. Vorstellbar wäre aber auch, dass Bürger mit hohen moralischen Kosten höhere Opportunitätskosten haben (z.B. könnten sie in der Wirtschaft höhere Gehälter erzielen als die Bürger mit niedrigen moralischen Kosten). Es könnte aber auch sein, dass die politischen Zitronen höhere Opportunitätskosten haben (z.B. Betätigung im Rauschgifthandel). Einen Zusammenhang zwischen der Ausübung politischer Ämter und den Opportunitätskosten stellen McCormick/ Tollison (1981) S. 79 ff. dar. 15 Das Korruptionseinkommen des Politikers wird von x Bürgern zu gleichen Teilen ( σ korr ) bereitgestellt x ≥ 1. 16 In diesem Modell soll nur der Lohn für die Entscheidung eines Bürgers in die Politik zu gehen betrachtet werden. Es können natürlich auch noch viele andere Gründe (z.B. Publicity, Prestige) für eine politische Tätigkeit sprechen. 17 Es ist denkbar, dass die „politische Zitronen“ sogar etwas bezahlen würden, um in ein politisches Amt zu gelangen. Diese Zahlung an die Bürger könnten sie später durch ein höheres Korruptionseinkommen wieder ausgleichen. Diese Lohnforderung werden sie gegenüber den Wählern natürlich nicht offenbaren, da dies einer Selbstaufdeckung gleichkäme. 18 Das in diesem Zusammenhang genutzte Wahlverfahren selbst ist nicht entscheidend. Die Aussagen des Modells selbst ändern sich nicht, wenn man anstatt direkter Wahl annimmt, dass die Bürger die Politiker über Listenwahl bestimmen. In diesem Fall müssen die jeweiligen Parteien die Entscheidung treffen, wen sie auf der Liste platzieren. Doch auch die Parteimitglieder unterliegen der Annahme, dass sie nicht zwischen den Kandidaten der beiden Gruppen unterscheiden können. - Der Markt für „politische Zitronen“ - -5- Teilprozesse, den Austausch- und den Parallelprozess, untergliedern19. Letzterer umfasst die Beziehungen zwischen den Akteuren auf derselben Marktseite und bildet die Versuche der Anbieter ab, ihre Position gegenüber ihren Konkurrenten zu verbessern. Diese Sichtweise wird zumeist in Analysen des politischen Wettbewerbs gebraucht, wo der Frage nachgegangen wird, wie sich politische Unternehmer auf einem politischen Spektrum positionieren, um ihre Wählerstimmenzahl zu maximieren20. Im Austauschprozess, der hier betrachtet werden soll, wählen die Nachfrager den Anbieter, von dem sie Leistungen empfangen wollen. 2.2. Die Staatsbürger als Nachfrager Zur Vereinfachung wollen wir annehmen, dass die Anzahl der Staatsbürger n ( n > 0 ) sei und politische Entscheidungen an nur einen Politiker delegiert werden21. Der geldwerte Bruttonutzen aus dieser Delegation d j mit j ∈ {g , z} ist für alle Staatsbürger gleich22. Dieser Bruttonutzen aus der Delegation unterscheidet sich, je nachdem, welcher Gruppe der Politiker zuzurechnen ist. Die Delegation an einen moralischen Politiker verschafft dem einzelnen Bürger den Bruttonutzen d g und die Delegation an eine „politische Zitrone“ generiert für den Staatsbürger den Nutzen d z . Darüber hinaus gibt es unter allen Staatsbürgern noch eine Anzahl x von Bürgern23, die individuelle Korruptionszahlungen σ korr an den Delegierten leisten und einen Nutzen aus den korrupten Gegenleistungen des Politikers in Höhe von d korr erzielen. Wir unterstellen, dass der geldwerte Nutzenzuwachs durch die korrupten Handlungen des Politikers genau den individuell geleisteten Korruptionszahlungen entspricht, d.h. 24 d korr = σ korr . Der Bruttonutzen aus der Delegation an einen nicht-korrupten Politiker für den einzelnen Staatsbürger soll größer sein als die Summe aus dem Delegationsnutzen an eine „politische Zitrone“ und dem möglichen Nutzen aus korrupten Aktivitäten des Politikers, d.h. d g > d z + d korr . Man kann Regelungen, die korrupte Handlungen dem Bereich der Illegalität zuordnen, als Schutzmaßnahme der Bürger vor Ausbeutung durch die Politiker betrachten. Unter Nutzung dieser Sichtweise ist es einsichtig, dass Delegierte, die gegen diese Regeln verstoßen, den Bürgern einen geringeren Nutzen stiften als Politiker die sich innerhalb bestehender Gesetze bewegen. Die Bruttonutzendifferenz d z + d korr − d g bildet insofern die negativen Allokati- 19 Zur Untergliederung des Wettbewerbs in diese beiden Prozesse vgl. Hoppmann (1967) S. 88 f 20 Siehe zu diesbezüglichen Veröffentlichungen Downs (1968) S. 3 ff. Und für einen allgemeinen Überlick Bernholz/ Breyer (1994) S. 98 ff. 21 Die Anzahl der Bürger wird als konstant unterstellt. Es gibt keinen Zuzug und keine Abwanderung. 22 Für alle Bürger ist der Nutzen aus der Delegation gleich groß. Dies ist eine sehr problematische Annahme, da es voraussetzt, dass alle Bürger in dem selben Maß von der Entscheidungsdelegation profitieren. 23 Es ist vorstellbar, dass die Anzahl x genau π ⋅ n − 1 entspricht. 24 Der Nettonutzen für die Bürger, die Korruptionszahlungen leisten ist (annahmegemäß) Null. Vgl. auch FN 11. Findet eine Entscheidungsdelegation an einen Bürger mit hohen moralischen Kosten statt, finden keine korrupten Tauschakte zwischen dem Politiker und den Bürgern statt d.h. x = 0 . - Der Markt für „politische Zitronen“ - -6- onswirkungen der individuellen Korruptionshandlung25 einer „politischen Zitrone“ für die Prinzipale ab. Zwar können prinzipiell Politiker beider Gruppen gleich gute Entscheidungen treffen, aber um ein Zusatzeinkommen durch Korruption zu erlangen, sind die „politischen Zitronen“ gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die zugleich Nutzenverluste für die Bürger generieren. Durch Handlungen im Bereich der Illegalität senden sie negative externe Effekte aus, die in der Bruttonutzendifferenz erfasst werden. Zur Finanzierung der Politikerentlohnung wird eine Kopfsteuer erhoben, was bedeutet, dass alle Bürger den gleichen Anteil zur Entlohnung des Delegierten beitragen. Der Steuerpreis s bildet jenen Betrag ab, welchen der einzelne Bürger für die Delegation zahlt. Unter Berücksichtigung dieser Steuerzahlungen an den Politiker ergibt sich der geldwerte Nettonutzen U Del der Entscheidungsdelegation für den einzelnen Staatsbürger als Differenz zwischen dem Bruttonutzen aus der Delegation d j und den individuellen Steuerzahlungen s . Wir nehmen an, dass die Steuerzahlungen ausschließlich für die Entlohnung des Politikers verwendet werden und dieser Politiker den Lohn w j = n ⋅ s erhält. Können die Bürger selbst festlegen, wie viel Steuern sie zur Finanzierung der Delegation zahlen wollen26, stellt sich die Frage, wie hoch sie den Lohn setzen werden, den sie dem Delegierten für seine Tätigkeit in Aussicht stellen27. Eingedenk des Zusammenhangs, dass die Bürger beider Gruppen nur dann einen Anreiz haben, ein politisches Mandat zu übernehmen, wenn der Lohn über ihren jeweiligen Mindestlohnforderungen liegt ( n ⋅ s ≥ w j ), stehen den Bürgern folgende Möglichkeiten der Lohnsetzung offen28: (1) (2) (3) Sie zahlen dem Politiker keinen Lohn ( n ⋅ s = 0 ) oder einen Lohn, der unter wz liegt ( n ⋅ s < wz ). Dann findet sich niemand, der ein politisches Amt übernehmen wird, da die Mindestlohnforderungen sowohl der „politischen Zitronen“ als auch der nicht-korrupten Politiker größer als Null sind ( wg > 0; wz > 0) . Sie offerieren einen Lohn von n ⋅ s = wz . In diesem Fall kandidieren nur „politische Zitronen“ für politische Ämter. Selbst wenn der Lohn größer als wz ist, aber unter wg liegt, sind nur „politische Zitronen“ bereit, in die Politik zu gehen, deshalb lohnt es sich für die Bürger nicht, einen Lohn zwischen wg und wz zu setzen. 25 Korruption ist aus normativer Sicht ambivalent einzustufen. Vgl. Dietz (1998) S. 42 ff. So kann Korruption helfen, ineffiziente Regelungen in einer Volkswirtschaft zu überwinden. Korruption reduziert den Abschreckungscharakter von Regeln, da Sanktionen durch Bestechungsgelder gemindert werden. „Whether a reduction in effectiveness is desirable or not obviously depends on whether laws are passed in the “social” interest […].” Becker/ Stigler (1974) S. 6. Die im vorgestellten Modell zugrundegelegte Sichtweise stellt darauf ab, dass korrupte Tauschakte die Ressourcenallokation in einer Volkswirtschaft ausschließlich negativ beeinflussen. 26 In der Realität legen die Politiker selbst ihr Gehalt fest. Um die Annahme plausibel zu machen, könnte man argumentieren, dass die Politiker ihr Gehalt zu einem gewissen Grad an der Zahlungsbereitschaft der Bürger ausrichten müssen und insoweit diese Zahlungsbereitschaft den Lohn der Politiker bestimmt. 27 Die Steuerzahlungen s werden allen n Bürgern abverlangt, individuelles Trittbrettfahren bei der Politikerfinanzierung ist nicht möglich, da die Erhebung der Steuern durch das staatliche Gewaltmonopol abgesichert wird. Eine Verschleierung der individuellen Zahlungsbereitschaft findet nicht statt. 28 Die nachfolgende Darstellung des Negativausleseproblems lehnt sich an den Argumentation an, wie sie bei Haucap (1998) S. 162 ff. zu finden ist. - Der Markt für „politische Zitronen“ - (4) (5) -7- Zu einem Lohn n ⋅ s = wg sind sowohl Zitronen als auch nicht-korrupte Politiker bereit ein Amt zu übernehmen. Einen höheren Lohn als wg zu zahlen lohnt sich nicht, da moralische Politiker schon bei n ⋅ s = wg bereit sind, politische Verantwortung zu übernehmen. Den Bürgern bieten sich insofern nur drei sinnvolle Möglichkeiten der Lohnsetzung: n ⋅ s = 0 , n ⋅ s = wz und n ⋅ s = wg , d.h. n ⋅ s ∈ {0, w z , wg }. Für die individuellen Steuerzahlungen bedeutet dies: (2)  w wg  s = 0 , s = w z und s = w g , d.h. s ∈ 0, z ,  n n  n n  Bei vollständiger Informationslage zwischen den Bürgern und den politischen Kandidaten werden die Bürger den hohen Lohn n ⋅ s = wg setzen, bei dem sich sowohl „politische Zitronen“ als auch Bürger mit hohen moralischen Kosten zur Wahl stellen, denn sie können die Vertreter dieser beiden Gruppen unterscheiden und wählen nur die nicht-korrumpierbaren Bürger in Entscheidungspositionen. „Die erste Bedingung [dafür, dass die demokratische Methode ein Erfolg ist] ist, daß das Menschenmaterial der Politik, - die Leute, die die Parteimaschine bedienen, ins Parlament gewählt werden und zu Kabinettsposten aufsteigen-, von hinreichend hoher Qualität ist. Das bedeutet mehr, als daß eine genügende Zahl von Individuen mit entsprechenden Fähigkeiten und sittlichem Charakter existieren müssen. Wie schon früher betont, trifft die demokratische Methode ihre Auswahl nicht einfach aus „der“ Bevölkerung, sondern nur aus jenen Elementen der Bevölkerung, die für dem politischen Beruf verfügbar sind oder, noch genauer, die sich zur Wahl offerieren.“ Schumpeter (1950/ 1993) S. 461. [Anmerkungen u. Hervorhebungen vom Verfasser T.S.] Gebricht es den Wählern hingegen an der Fähigkeit, Angehörige der beiden Gruppen zu unterscheiden, ändert sich die Situation. Wir wollen annehmen, dass die Qualität der potenziellen Politiker für die Bürger ein Vertrauens- oder Glaubensgut darstellt. Sie kann weder vor der Wahl29 noch nach einer bestimmten Regierungszeit von den Wählern zuverlässig eingeschätzt werden. Es liegt zwischen den Bürgern und den Politikern vollständige Qualitätsunkenntnis über die jeweilige moralische Qualität der wählbaren Politiker vor. In diesem Fall haben die Kandidaten, die sich zur Wahl stellen, einen Informationsvorsprung, denn sie kennen ihre eigene Zuordnung zu den beiden Gruppen, für die Wähler stellen die verschiedenen Kandidaten jedoch perfekte Substitute dar. Den Wählern ist allerdings bekannt, wie sich der Pool der zur Wahl stehenden Politiker zusammensetzt. Der Anteil der „politischen Zitronen“ unter allen Kandidaten für ein Politikeramt soll π mit π ∈ [0,1] betragen. Eingedenk der angenommenen Informationsasymmetrie sind die nicht zur Wahl stehenden Bürger bereit, den hohen Steuerpreis n ⋅ s = wg für die Politikerentlohnung zu zahlen, wenn gilt: 29 Die Wahl wird als (zwangsläufig unvollständiger) Vertrag zwischen Bürgern und Politikern betrachtet, der eine Laufzeit entsprechend der vorgesehenen Amtszeit hat. - Der Markt für „politische Zitronen“ - (3) (1 − π ) ⋅ d g + π ⋅ d z − -8- wg ≥ max{d z − wz ,0} n n Ist diese Ungleichung erfüllt, dann sind die einzelnen Staatsbürger bereit, den hohen Lohn wg zu zahlen und gleichzeitig in Kauf zu nehmen, dass bei diesem Lohn auch „politische Zitronen“ politische Ämter bekleiden. Diese Konstellation verschafft ihnen dennoch einen höheren Nutzen als der Verzicht auf die Delegation oder die ausschließliche Delegation an „politische Zitronen“. Unter der Voraussetzung, dass d z ≥ wz erfüllt ist, lässt sich die obige Bedingung n umformulieren zu: (4) (1 − π ) ⋅ (d g − d z ) ≥ wg − wz n Übersteigt der erwartete Bruttonutzenzuwachs aus der Delegation an einen nichtkorrumpierbaren Politiker die sichere Steuerersparnis, so sind die Bürger bereit, den hohen Lohn wg zu zahlen. In diesem Fall werden Entscheidungen mit der Wahrscheinlichkeit π an eine „politische Zitrone“ delegiert und mit der Wahrscheinlichkeit ( 1 − π ) an einen moralischen Politiker. Gilt die Ungleichung hingegen nicht, d.h. sind die Bürger nicht bereit, den Lohn n ⋅s = wg zu zahlen, so findet eine Negativauslese statt. Das Marktsegment für Bürger mit hohen moralischen Kosten bricht zusammen und die Bürger mit niedrigen moralischen Kosten drängen die Bürger mit hohen moralischen Kosten aus dem Markt. Politische Entscheidungen werden bei diesen Konditionen ausschließlich von „politischen Zitronen“ getroffen. Denn Bürger mit hohen moralischen Kosten kandidieren nicht für ein politisches Amt, da der von den Bürgern gezahlte Lohn unter ihrem Mindestlohn liegt. In diesem Fall versagt die Marktallokation beim Wettbewerb um politische Ämter vollkommen. Obwohl seitens der Nachfrager die Bereitschaft vorhanden ist, den hohen Lohn zu zahlen, und auf der Anbieterseite sich ebenso Personen finden, die bereit sind, zu diesem Lohn zu arbeiten, verhindert die Qualitätsunsicherheit der Nachfrager Vertragsabschlüsse zwischen moralischen Politikern und den Bürgern. Unter den skizzierten Konditionen kommt es aufgrund des ex ante Opportunismus der Bürger, ebenso wie beim Akerlofschen Zitronen-Problem, zu einem Kooperationsversagen und eine Delegation an Bürger mit hohen moralischen Kosten wird verhindert30. Die angenommene Informationsasymmetrie zwischen den Marktseiten hat Auswirkungen auf die durch Entscheidungsdelegation erzielbare gesamtgesellschaftliche Delegationsrente. 2.3. Wohlfahrtswirkungen durch die Entscheidungsdelegation Durch die Entscheidungsdelegation und dem Übergang zu einer repräsentativen Demokratie kann eine Delegationsrente realisiert werden. Die gesellschaftliche Delegationsrente wird 30 Vgl. Haucap (1998) S. 164 zur Darstellung ähnlicher Ergebnisse bei Vorliegen von Informationsasymmetrien auf Produktmärkten. - Der Markt für „politische Zitronen“ - -9- verstanden als die Summe aus Bürgerrente und Politikerrente31. Die Höhe der jeweiligen Rente hängt von der in Aussicht gestellten Politikerentlohnung ab. Es können hierbei die drei Fälle der Lohnsetzung für Politiker n ⋅ s ∈ {0, wz , wg} unterschieden werden. (1) Die Bürger zahlen den Politikern keinen Lohn ( n ⋅ s = 0 ). Da sich niemand findet, der ein politisches Amt übernehmen will, findet in diesem Fall keine Entscheidungsdelegation statt. Es entstehen weder ein Nutzenzuwachs für die Bürger noch ein Nutzenzuwachs für den Politiker. Es findet keine Wohlfahrtsveränderung statt, d.h. U Del (0) = 0 . (2) Die Bürger offerieren einen Lohn von n⋅s = wz . In diesem Fall werden Entscheidungen sicher an eine „politische Zitrone“ delegiert, da Bürger mit hohen moralischen Kosten nicht willens sind ein politischen Amt zu übernehmen. Ihr Mindestlohnsatz wg wird nicht erreicht und Bürger mit hohen moralischen Kosten stehen nicht als Kandidaten für ein politisches Amt zur Verfügung. Die Bürgerrente ist unter diesen Bedingungen n ⋅d z − wz + x ⋅ ( d korr − σ korr ) und die Rente des Politikers wz + x ⋅ σ korr − c . Die Summe aus Bürger- und Politikerrente stellt die Wohlfahrtssteigerung durch die Entscheidungsdelegation dar. Da wz aus gesamtgesellschaftlicher Sicht nur eine Umverteilung zwischen den Bürgern und dem Politiker darstellt32 und annahmegemäß d korr = σ korr ist, ergibt sich die Wohlfahrtssteigerung als: U Del ( wz ) = n ⋅ d z + x ⋅ σ korr − c = n ⋅ d z + x ⋅ d korr − c (3) Die Bürger offerieren einen Lohn von n ⋅ s = wg . Unter den Kandidaten sind moralische Politiker mit dem Anteil (1 − π ) und „politische Zitronen“ mit dem Anteil π vertreten33. Der Erwartungswert für die Bürgerrente beträgt in diesem Fall n ⋅ ((1 − π )( d g − d z ) + d z − wg ) . Der Erwartungswert für die Politikerrente setzt sich zusammen aus der Rente der moralischen Politiker, wg − c , und der Rente der „politischen Zitronen“, wg + x ⋅σ korr − c , gewichtet mit ihrem Anteil unter den Kandidaten für ein politisches Amt. Als Erwartungswert für die Politikerrente erhält man somit wg + π ⋅ x ⋅σ korr − c . Der Erwartungswert für die Wohlfahrtssteigerung durch die Entscheidungsdelegation entspricht der Summe aus dem Erwartungswert der Bürgerrente und dem Erwartungswert für die Politikerrente34. U Del ( w g ) = (1 − π ) ⋅ n ⋅ d g + π ⋅ ( n ⋅ d z + x ⋅ d korr ) − c 31 Die Begriffe Bürger- und Politikerrente wurden in Anlehnung an die Begriffe Konsumenten- und Produzentenrente gewählt. Die Bürger- bzw. Politikerrenten stellen im ökonomischen Sinn Differentialrenten dar. Zur Definition von ökonomischer Rente und Differentialrente vgl. Alchian (1987) S. 143. 32 Es wird unterstellt, dass keine Transaktionskosten durch die reine Umverteilung zwischen den Bürgern und dem Politiker über Kopfsteuern und die Korruptionszahlungen auftreten. 33 Es wird angenommen, dass wenn der Anteil der politischen Zitronen unter allen Kandidaten π beträgt, auch die Wahrscheinlichkeit eine politische Zitrone zu wählen π ist. 34 Der Lohn w g stellt aus gesamtgesellschaftlicher Sicht nur eine Umverteilung zwischen den Bürgern und Politikern dar. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 10 - Nicht nur die Bürger, sondern auch die moralischen Politiker erleiden durch die bestehende Informationsasymmetrie zwischen den Marktseiten Wohlfahrtseinbußen. Denn könnten die Wähler zwischen den „politischen Zitronen“ und den nicht-korrumpierbaren Politikern unterscheiden, dann wäre es ihnen möglich, Entscheidungen ausschließlich an einen Politiker mit hohen moralischen Kosten zu delegieren, und sie könnten eine Rente in Höhe von n⋅d g − wg erzielen. Die Politikerrente im Fall vollkommener Qualitätskenntnis der Wähler und der daraus resultierenden sicheren Delegation an Bürger mit hohen moralischen Kosten ist wg − c . Die erzielbare gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt aus der Delegation bei Nichtvorliegen Info der Informationsasymmetrie beträgt U Del ( w g ) = n ⋅d g − c und diese ist größer als die gesellschaftliche Wohlfahrt bei den eben dargestellten Fällen mit asymmetrischer Informationslage. (5) U Del ( wg ) > max{U Del ( wg ), U Del ( wz ), U Del (0)} Info Die Delegationsrente könnte gesteigert werden, wenn es durch geeignete Instrumente möglich wäre, die Informationsasymmetrie zwischen den Marktseiten zu beheben. Zwar ist eine Delegation an einen Politiker mit hohen moralischen Kosten aus Sicht der Bürger wünschenswert, aber die bestehende Informationsasymmetrie verhindert die sichere Delegation an einen solchen Bürger. Die Wahlhandlung, ob die Bürger Entscheidungen an eine „politische Zitrone“ oder an einen Bürger mit hohen moralischen Kosten delegieren, ist ihnen durch das Informationsproblem verwehrt und der Markt für Politiker kann sich zu einem Markt für „politische Zitronen“ wandeln. Wenn unter den eben skizzierten Umständen vor allem Bürger mit geringen moralischen Kosten politische Ämter anstreben, dann verstärken sich die Probleme aus der Entscheidungsdelegation für die Bewohner des jeweiligen Staates. An die Seite des Delegationsproblems tritt das Problem der Negativauslese. Dies bedeutet, dass nicht nur einige wenige Agenten ihre diskretionären Handlungsspielräume durch illegale Handlungen missbrauchen, sondern dass vor allem solche Personen ein politisches Amt anstreben, die fest mit diesem Zusatzeinkommen rechnen. Bürger, die nicht die Absicht haben, ein solches Zusatzeinkommen durch Korruption zu erzielen, werden sich nicht als Kandidaten aufstellen lassen, da ihre Mindestlohnforderung nicht erreicht wird. Es stellt sich die Frage, ob dieses Problem, dass aus gesamtgesellschaftlicher Sicht in den dargestellten Fällen die Delegationsrente nur teilweise erschlossen wird, geheilt werden kann35. Zwei Möglichkeiten diesem Problem zu begegnen, sollen im folgenden dargestellt werden. 35 „Wenn Kooperationsrenten unrealisiert bleiben, wird in der neoklassisch geprägten Wohlfahrtsökonomik in aller Regel von Ineffizienzen gesprochen.“ Haucap (1998) S. 164. Haucap (1998) verweißt zurecht darauf, dass ein Vergleich mit nichtrealisierten Zuständen problematisch ist. „Alleine aufgrund der Tatsache, daß die Realität vom Idealfall in der Modellwelt abweicht, kann noch nicht darauf geschlossen werden, daß eine andere Lösung superior ist.“ . Vgl. Haucap (1998) S. 106. - Der Markt für „politische Zitronen“ - 3. - 11 - Strategien zur Verhinderung der „Zitronisierung“ des Marktes 3.1. Informationsbeschaffung und Entdeckungswahrscheinlichkeit Das vollständige Versagen der Marktallokation beim Wettbewerb um politische Ämter und das Obsiegen der „politischen Zitronen“ aufgrund ungleicher Informationsverteilung zwischen den Marktseiten kann, wie auf vielen anderen Märkten auch, durch unterschiedliche Strategien der Anbieter- oder Nachfragerseite begrenzt werden. Im eben dargestellten Modell hatten wir angenommen, dass es den handelnden Akteuren nicht möglich ist, Informationen über die Qualität der jeweiligen Kandidaten zu erlangen. Die Nachfrager wissen nur, dass zwei unterschiedliche Qualitäten existieren und diese einen Anteil von π bzw. (1 − π ) unter allen potentiellen Politikern ausmachen. Von dieser restriktiven Annahme wollen wir im folgenden abgehen und unterstellen, dass durch Ressourcenaufwendungen die eingangs angenommene vollkommene Qualitätsunkenntnis teilweise behoben werden kann. Die uninformierten Wähler haben nun die Möglichkeit, sich zusätzliche Informationen über die Wahlkandidaten zu beschaffen. Wir unterstellen, dass durch die Aufwendung von Informationskosten die Bürger nach dem Ablauf einer Amtsperiode mit der Wahrscheinlichkeit ψ mit ψ ∈ [0,1] beurteilen können, ob der gewählte Politiker korrupte Handlungen vollzogen hat oder nicht. Die Aktivitäten des Politikers im Amt sind insofern für die Bürger kein reines Vertrauens- bzw. Glaubensgut mehr, sondern werden in einem gewissen Maße zu einem Erfahrungsgut, denn die Art der Handlungen – legal oder illegal – werden infolge von Screeningaktivitäten36 für die Bürger mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ex post erkennbar37. Antizipieren die Kandidaten vor der Wahl die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung, so hat dies auf die Lohnforderung wg der Kandidaten mit hohen moralischen Kosten keinerlei Auswirkung. Sie verlangen für ihre Tätigkeit weiterhin einen Lohn der zumindest ihren Opportunitätskosten entspricht wg ≥ c . Die Mindestlohnforderung der „politischen Zitronen“ wird sich hingegen verändern. Zuvor konnten sie mit dem sicheren Zusatzeinkommen x ⋅ σ korr rechnen und daher eine um diesen Betrag niedrigere Lohnforderung als die ehrlichen Bürger offerieren. Die teilweise Erkennbarkeit korrupter Handlungen führt allerdings zu einer Anpassung der Mindestlohnforderung der „politischen Zitronen“. Nimmt man an, dass im Falle der Entdeckung die „politischen Zitronen“ das Einkommen aus Korruption nach der Periode zurückzahlen müssen38 und nur entsprechend ihrer – an die neuen Rahmenbedingungen angepassten – Lohnforderung wψz entlohnt werden, so wird sich die Lohnforderung im Vergleich zur Situation ohne Entdeckung verändern. Der Erwartungswert des Einkommens – erzielbar durch illegale Handlungen – ist die mit den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten gewichtete 36 Geht der Drang zur Informationsgewinnung von den Nachfragern aus, so spricht man von Screeningaktivitäten. Maßnahmen der Anbieterseite zur Verminderung der Informationsasymmetrie werden hingegen als Signalingstratgien bezeichnet. 37 Den Begriff des Erfahrungsgutes wurde von Nelson (1970) S.311 ff. in die informationsökonomische Literatur eingebracht. Darby/ Karni (1973) S. 69 ff. haben die Gütereinteilung von Nelson noch um die Vertrauensgüter erweitert. 38 Das bedeutet, dass illegales Verhalten nachweisbar und vor Dritten (z.B. Gerichten) beweisbar ist. Es wird angenommen, dass nur der Anbieter (d.h. unser Delegierter) mit Sanktionen rechnen muß. Die Nachfrager korrupter Leistungen werden nicht bestraft (sie erzielen ja annahmegemäß auch keinen Nettonutzen). - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 12 - Summe aus dem Einkommen im Fall der Entdeckung wψz und dem Einkommen bei Nichtentdeckung x ⋅ σ korr + wψz . Ein Kandidat ist dann indifferent zwischen einer alternativen Beschäftigung mit der Entlohnung c und der Ausübung eines politischen Amtes, wenn das erwartete Einkommen beider Alternativen gleich hoch ist. (6) (7) c = ψ ⋅ wψz + (1 − ψ ) ⋅ ( x ⋅ σ korr + wψz ) ψ wz = c − (1 − ψ ) ⋅ x ⋅ σ korr Wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit unter eins liegt, ist ein Bürger mit niedrigen moralischen Kosten noch bereit zu einem Lohn, der unter seinen alternativen Einkommenserzielungsmöglichkeiten liegt, ein politisches Amt auszuüben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das erwartete Einkommen aus Korruption, welches er neben dem sicheren Lohn erzielen kann, von Null verschieden und positiv ist. (8) (1 − ψ ) ⋅ x ⋅ σ korr > 0 ; ψ ≠1 Die neue Mindestlohnforderung der „politischen Zitronen“ ( wψz ) , welche die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung berücksichtigt, liegt über der ursprünglichen Mindestlohnforderung wz , da das Einkommen aus Korruption – verglichen mit der eingangs dargestellten Situation – um ψ ⋅ x ⋅ σ korr unter dem Korruptionseinkommen ohne Entdeckungswahrscheinlichkeit liegt. Der Nachweis illegaler Handlungen eröffnet den Nachfragern und Anbietern nun verschiedene Optionen, die helfen können, korrupte Aktivitäten des gewählten Vertreters zu unterbinden39. Im Zusammenhang mit den negativen Wirkungen von Korruption wird oft eine Anhebung des Strafmaßes und die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Entdeckung gefordert. Wir wollen im folgenden zwei andere Möglichkeiten darstellen, mit Hilfe derer die Bürger Einfluss auf korruptes Verhalten des Agenten nehmen können. Wir erörtern in diesem Zusammenhang die Wirkungsweise einer verhaltensabhängigen Lohnzahlung seitens der Bürger und die Hinterlegung eines Pfands durch die Kandidaten. 3.2. Instrument der Bürger - Verhaltensabhängige Entlohnung Die bisherigen Überlegungen waren geprägt von der Annahme, dass die „politischen Zitronen” ihren diskretionären Handlungsspielraum in jedem Fall unter Verletzung bestehender Gesetze ausnutzen werden. Von dieser Annahme wollen wir im folgenden abgehen und prüfen, wann es sich für die „politischen Zitronen” überhaupt lohnt, illegale Aktivitäten zu er- 39 Die dargestellte Handlungsweise ist nur eine unter vielen möglichen. So könnten die Bürger dem Politiker einen Lohn zahlen, der über dem Lohnsatz in alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten liegt. Betrachtet man mehrere Perioden, so kann in einem solchen Fall die Drohung der Bürger einen Kandidaten nicht wiederzuwählen den Politiker im Amt hinreichend disziplinieren, keine korrupten Aktivitäten auszuüben. Selbst wenn illegales Verhalten vor Dritten nicht beweisbar ist, kann durch Verfolgung einer solchen Bestrafungsstrategie durch die Nachfrager, die Verhaltensweise der Anbieter beeinflusst werden. Dies haben Klein/ Leffler(1981) für Produktmärkte gezeigt, bei denen die Anbieter endogen ihre produzierte Qualität festlegen können. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 13 - greifen40. Das Verhalten der „politischen Zitronen“ ist nicht mehr exogen vorbestimmt. Wenn es für sie ökonomisch vorteilhaft erscheint, können sie sich regelkonform verhalten, ihre niedrigen moralischen Kosten erlauben es ihnen jedoch auch, bestehende Gesetze zu übertreten41. Nehmen wir an, die Bürger garantieren dem Delegierten einen Lohn von wψz unabhängig davon, wie er sich im Amt verhält. Darüber hinaus stellen sie dem Politiker eine Bonusbzw. Prämienzahlung B in Aussicht für den Fall, dass dem Politiker keine illegalen Handlungen nachgewiesen werden. Welche Anreizwirkungen hat ein solcher Mindestlohn in Verbindung mit einer Bonuszahlung auf das Verhalten der Vertreter der betrachteten Bürgergruppen? Wir hatten angenommen, dass die Bürger mit hohen moralischen Kosten einen Mindestlohn wg fordern, der zumindest dem Lohn entspricht, den sie in anderen Anstellungen erzielen können wg ≥ c . Sie werden ihre Bereitschaft signalisieren, ein politisches Amt zu übernehmen, wenn der sichere Lohn, den sie am Anfang der Periode bekommen, zuzüglich dem Bonus am Ende der Periode dieser Mindestlohnforderung wg entspricht. Diesen Bonus erhalten sie mit Sicherheit, da Vertreter dieser Gruppe im Amt keine illegalen Handlungen ausüben. (9) ψ wg = w z + B ≥ c Wie stellt sich die Entscheidungssituation der „politischen Zitronen“ dar? Wenn am Ende der Amtsperiode der erzielbare Bonus eine bestimmte Höhe aufweist, dann sind die „politischen Zitronen“ bei einer bestimmten Höhe der Bonuszahlung B * indifferent zwischen der Annahme des sicheren Einkommens, welches sie ohne illegale Handlungen erzielen können, und dem erwarteten Einkommen durch Korruption. (10) * * ψ ψ ψ wz + B = ψ ⋅ wz + (1 − ψ ) ⋅ ( x ⋅ σ korr + wz + B ) (11)  1 −ψ  B * =   ⋅ x ⋅ σ korr  ψ  Sind die Bürger bereit, den Lohn wψz am Anfang der Amtsperiode zu zahlen und am Ende der Periode einen Bonus B * , so besteht für die „politischen Zitronen“ kein ökonomischer Anreiz mehr, ihr Amt unter Übertretung bestehender Gesetze auszunutzen. Eingedenk dieser Anreizbedingungen verliert die Entscheidung der Bürger, ob sie den hohen oder den niedrigen Lohn setzen, an Bedeutung. Sie zahlen den hohen Lohn – allerdings gesplittet in einen Betrag wψz am Anfang und einen Bonus B * am Ende der Periode. Die Summe der beiden Lohnbestandteile muss dabei zumindest den Opportunitätskosten entsprechen w ψz + B * ≥ c . Reduzieren 40 Es werden im folgenden risikoneutrale Agenten unterstellt. 41 Die nachfolgende formale Darstellung lehnt sich an die Ausführungen von Becker/ Stigler (1974) S. 6 f an. Becker/ Stigler (1974) gehen in ihrem Modell zwar nicht von einem Agenten der legislativen Gewalt (Politiker) aus, sondern von einen Agenten der exekutiven Gewalt. Sie betonen aber selbst „Our analysis of malfeasance is applicable not only to enforcers but to all public and private employees who must be “trusted”.” Becker/ Stigler (1974) S. 11. Die grundlegenden Überlegungen lassen sich insofern auch auf das hier diskutierte Problem übertragen. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 14 - die Bürger ihre Ressourcenaufwendungen so weit, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit gegen Null tendiert (ψ → 0 ), so muss der Bonus gegen unendlich streben ( B* → ∞) . Durch die Teilung der Entlohnung in eine sichere Komponente und eine verhaltensabhängige Bonuszahlung, können die Bürger den hohen Bruttonutzen aus der Delegation erzielen, obwohl durch die ex ante Qualitätsunkenntnis der Bürger auch Kandidaten mit niedrigen moralischen Kosten politische Ämter bekleiden können. 3.3. Signalingstrategien der Kandidaten - Pfandhinterlegung Die Realität zeigt, dass auf vielen Märkten neben Screeningstrategien der Nachfrager auch Signalingstrategien der Anbieter dazu beitragen können, die Ungleichheit des Informationszugangs und die damit verbundenen Probleme zu lösen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie wirksam das Signalisieren guter Qualität auf dem Markt für Politiker ist. Im Prinzip haben die Vertreter beider Gruppen die Möglichkeit, über ihre wahren moralischen Kosten zu informieren. Da die „politischen Zitronen“ allerdings aus dem Informationsnachteil der Bürger einen Vorteil ziehen, haben sie keinen Anreiz ihre wahre moralische Qualität zu offenbaren. Einzig die moralischen Bürger, die ein politisches Amt bekleiden wollen, haben einen Anreiz über ihre wahre Qualität zu informieren. Das Signalisieren ihrer guten Qualität ist dann erfolgsversprechend im Hinblick auf den Abbau der Informationsasymmetrie, wenn hierdurch die Wähler vor der Wahl unterscheiden können, welcher Gruppe der betreffende Kandidat für ein politisches Amt zuzurechnen ist. Welche Möglichkeiten bieten sich den Bewerbern für ein politisches Amt, ihre Qualität zu signalisieren? Auf normalen Arbeitsmärkten mit asymmetrischer Informationsverteilung kann die Investition in Bildung42 durch die produktiveren Arbeiter dazu beitragen, ihre höhere Produktivität zu signalisieren. Der Erwerb dieses Bildungssignals fällt ihnen leichter als den weniger produktiven Arbeitern, was die Homogenität der Arbeiter aufhebt und diese für den Arbeitgeber unterscheidbar macht. Da alle Bürger annahmegemäß in unserem Modell die gleiche fachliche Qualifikation bzw. Produktivität besitzen, tragen Bildungsinvestitionen nicht zur Unterscheidbarkeit der Kandidaten bei, da der Erwerb von Bildung für alle Bürger in unserem Modell mit den gleichen Kosten verbunden ist. Im dargestellten Beispiel müssten die Bürger, die sich zur Wahl stellen, nicht ihre unterschiedliche Produktivität, sondern ihre unterschiedlichen moralischen Kosten signalisieren. Diese Möglichkeit wird den Kandidaten durch die Hinterlegung eines Pfands P gegeben. Nehmen wir an, der Kandidat für ein politisches Amt hinterlegt vor der Wahl einen Pfand, welcher im Falle der Aufdeckung von illegalen Handlungen dem Staat bzw. den Bürgern anheim fällt und er selbst den Anspruch auf Zurückerlangung dieses Pfands verliert43. Die Wahl eines Delegierten vollzieht sich in zwei Schritten. Im ersten Schritt legen die einzelnen Kandidaten die Höhe ihres Pfands P j , den sie zu zahlen bereit sind, fest und daran anschlie42 Vgl. Spence (1973) S. 355 ff. und für einen kurzen Überblick Varian (1994) S. 474 ff. 43 Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass es keinen monetären Unterschied zwischen dem Wert von Zahlungen am Anfang und am Ende einer Periode gibt. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 15 - ßend entscheiden die Bürger, welchen Kandidaten sie wählen bzw. welchen Lohn sie zahlen werden. K Pj wg n B wz n Wenden wir uns den Handlungsmöglichkeiten der Vertreter der beiden Bürgergruppen zu. Kann die Zahlung eines Pfandes dazu beitragen, die Homogenität der Kandidaten aufzuheben und einen Pfand in welcher Höhe werden die Kandidaten hinterlegen44? Da die Bürger mit hohen moralischen Kosten keine Regeln übertreten, können Sie im Prinzip einen Pfand P g in beliebiger Höhe hinterlegen, und nach Ablauf der Amtsperiode diesen hinterlegten Pfand sicher wiedererlangen. Wie stellt sich aber die Situation bei einem Vertreter der „politischen Zitronen“ dar? Kann auch er einen Pfand in unbegrenzter Höhe hinterlegen? Ein solcher Kandidat unterliegt folgendem Entscheidungskalkül: Mit Sicherheit kann eine „politische Zitrone“ in einer alternativen Beschäftigung das Einkommen von c erzielen. Sind seine Entscheidungen im Amt durch Gesetzesübertritte charakterisiert, so sind zwei mögliche Zustände zu unterscheiden. Im für ihn schlechten Fall, bei Entdeckung seiner Handlungen, verliert er den Pfand P z und wird nur entsprechend der Höhe seiner Mindestlohnforderung wPz entlohnt , d.h. mit der Wahrscheinlichkeit ψ erhält er wPz − P . Tritt der für ihn gute Zustand der Welt ein, und seine Aktivitäten werden nicht entdeckt, erhält er den Lohn - entsprechend seiner Lohnforderung wPz - und das Zusatzeinkommen x ⋅ σ korr . Ist der Erwartungswert bei illegalen Handlungen mindestens so hoch wie das Einkommen bei alternativer Beschäftigung, so wird der Kandidat versuchen, in das politische Amt zu gelangen. Der Erwartungswert korrupter Handlungen hängt jedoch von der Lohnforderung und der offerierten Höhe des Pfandes ab. (12) (13) c ≤ ψ ⋅ ( wPz − P z ) + (1 − ψ ) ⋅ ( x ⋅ σ korr + wPz ) P wz − c  1 − ψ +  Pz ≤ ψ  ψ   ⋅ x ⋅ σ korr .  Nehmen wir an, jene Bewerber für ein politisches Amt, die sich in der Ausübung des Dienstes nicht bestechen lassen, bieten einen Pfand in der Höhe von (14) 44  1 −ψ P * =   ψ   ⋅ x ⋅ σ korr  Wir nehmen an, dass alle Kandidaten die finanziellen Möglichkeiten zur Aufbringung eines solchen Pfands besitzen. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 16 - vor der Wahl an, der höher liegt als das erwartete Einkommen aus Korruption ( P* > (1 − ψ ) ⋅ x ⋅ σ korr ). Wollen die „politischen Zitronen“ einen eben so hohen Pfand anbieten, müssen sie ihre Lohnforderung wPz entsprechend anpassen. Setzen wir nun P z = P* so folgt aus Gleichung (13), dass die „politischen Zitronen“ nur zu einem Lohn bereit sind ein politisches Amt auszuüben, der zumindest ihren Opportunitätskosten entspricht. wz − c + * * P P ≤ ψ P (15) (16) 0 ≤ wPz − c bzw. P wz ≥ c Die Zahlung des Pfandes P* bewirkt, dass die „politischen Zitronen“ indifferent zwischen der Annahme des sicheren Einkommens c , welches sie ohne illegale Handlungen erzielen können, und dem erwarteten Einkommen durch Korruption sind. Aus ökonomischer Sicht, verschwindet durch die Zahlung von P* der Anreiz die diskretionären Verhaltensspielräume durch Regelüberschreitungen auszunutzen, da korrupte Handlungen mit keinen Einkommenszuwachs verbunden sind. Hinterlegen Kandidaten einen kleineren Pfand als P j < P* , so besteht für sie nach der Amtübernahme ein ökonomischer Anreiz, sich korrupt zu verhalten. Über die unterschiedliche Höhe des hinterlegten Pfands können die Kandidaten den Wählern insoweit signalisieren, wie sie sich in Ausübung des Amtes verhalten werden. Für die Wähler werden die Kandidaten für ein politisches Amt anhand der Aussage, welchen Pfand sie zu hinterlegen bereit sind, unterscheidbar. Hinterlegen die Kandidaten einen Betrag in größerer Höhe als P j ≥ P* , signalisieren sie dadurch vor der Wahl glaubwürdig, dass sie mit der Ausübung des Amtes verbundene diskretionäre Entscheidungsspielräume nicht unter Verletzung von Gesetzen ausnutzen werden. K Pj Pj<P* wz n Pj ≥ P* wg n B Den Kandidaten, die einen kleineren Pfand als P * setzen, werden die Bürger nur den Lohn wz zahlen, jenen Bewerbern um ein politisches Amt, die einen Pfand in der Höhe von P * (oder höher) anbieten, sind sie bereit den hohen Lohn wg zu zahlen. Da die Bürger antizipieren, dass ein Kandidat der einen kleineren Pfand als P * offeriert, einen Anreiz hat sich korrupt zu verhalten, werden sie ihn nicht nur durch die Zahlung des niedrigeren Lohns bestrafen, sondern – sofern Alternativen vorhanden – ihn nicht zu ihrem Vertreter wählen, da sie in diesem Fall nur den niedrigen Nettonutzen aus der Delegation erzielen können. Eingedenk dieses Wahlverhaltens der Bürger sind die Kandidaten, die ein politisches Amt anstreben, gezwungen einen Pfand der Höhe P * hinterlegen45, um Chancen der Wahl zu haben. 45 Ausser in dem Fall, dass alle Kandidaten der Bürgergruppe der „politischen Zitronen“ angehören, d.h. π = 1. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 17 - Blickt man in die Realität, so zeigt sich, dass Politiker in den seltensten Fällen einen geldwerten Pfand hinterlegen. Man kann – mit gewisser Abstraktion – hingegen den „guten Ruf“ einer Partei bzw. eines Politikers als einen solchen Pfand ansehen, der im Falle einer Aufdeckung verloren geht. Verlässt der gewählte Politiker den Weg der Legalität, so gefährdet er hierdurch seinen Ruf und seine zukünftigen Wahlchancen. Der einzelne Mandatsträger kann gerade in den letzten Amtsperioden einer Ruinierung seines Rufes eher gelassen entgegensehen, da die Drohung der Nichtwiederwahl den Schrecken verliert. Dieser unter Umständen kurzfristigen Orientierung der Politiker vermag die Mitgliedschaft in einer Partei entgegenwirken. Parteiorganisationen – verstanden als Firmen, die auf das politische Geschäft spezialisiert sind – haben einen längeren Zeithorizont46 und sind stärker an der Etablierung und Aufrechterhaltung eines Reputationssignals interessiert als der einzelne Politiker. Im intertemporalen Zusammenhang periodischer Wahlen kann die Mitgliedschaft in einer Partei oder auch die Herkunft aus einer bestimmten sozialen Schicht demzufolge auch Hinweise auf das Verhalten von Kandidaten im Amt geben. Sind innerhalb einer Partei nicht nur die geschäftlichen Kontakte der Mitglieder, sondern auch die sozialen Beziehungen stark47, so kann auch der Verlust dieser sozialen Beziehungen als Pfand angesehen werden, der bei regelabweichendem Verhalten verloren geht. „Es dürfte viele Wege geben auf denen Politiker von hinreichend hoher Qualität gewonnen werden können. Bis jetzt scheint immerhin die Erfahrung zu lehren, daß die einzig wirksame Gewähr in der Existenz einer sozialen Schicht liegt, die – selbst das Produkt eines strengen Auswahlprozesses – sich der Politik als einer Selbstverständlichkeit zuwendet.“ Schumpeter (1950/ 1993) S. 462. Nimmt eine Partei einen Bürger in ihre Reihen auf, so bürgt sie indirekt für das Verhalten des jeweiligen Bürgers im Falle einer Amtsübernahme. Die Partei überträgt einen Teil ihres Reputationskapitals auf das einzelne Mitglied48. Für den einzelnen Kandidaten ist die Mitgliedschaft in einer Partei49 insofern von Vorteil, da seine Wahlchancen steigen, denn die Partei mit ihrer über Jahre angesammelten Reputation bürgt für ihn – genauer: für seine hohen moralischen Kosten. 46 Vgl. Barro (1973) S. 41. 47 So wird oft von Parteifreunden gesprochen. 48 Um sich gegen den Verlust oder den Missbrauch dieser Bürgschaft abzusichern, können die Parteien unterschiedliche Instrumente einsetzen, um die „moralische Qualität“ des einzelnen Mitglieds zu erkennen und gegebenenfalls zu sanktionieren. So können sie den Nachweis bestimmter „moralischer Mindeststandards“ z.B. durch Vorlage des polizeilichen Führungszeugnisses von ihren Mitgliedern fordern. Wird jenen Bürgern, welche die geforderten Voraussetzungen nicht erfüllen, der Zugang zu einer Partei verwehrt, bewirkt dies, das den Nachfragern eine gewisse „moralische Mindestqualität“ bei Parteimitgliedern garantiert wird. 49 Die Wahlchancen eines Kandidaten steigen nur dann, wenn die Reputation der Partei, welcher der Kandidat beitritt höher ist als seine individuelle Reputation. In einigen Ländern stehen auch Parteien für Korruption und unabhängige Kandidaten besitzen eben durch ihre Nichtmitgliedschaft einen Reputationsvorsprung gegenüber Parteikandidaten. - Der Markt für „politische Zitronen“ - 4. - 18 - Politischer und ökonomischer Wettbewerb - einige Übertragungsprobleme Eingangs hatten wir – der Sichtweise der Neuen Politischen Ökonomie folgend – unterstellt, dass Erkenntnisse des ökonomischen Wettbewerbs auch Anwendung auf den politischen Wettbewerb finden können. Gleichwohl diese Übertragung naheliegend erscheint, bestehen grundlegende Unterschiede zwischen dem ökonomischen und politischen Wettbewerb. Nicht nur die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen auf dem Markt unterscheiden sich von denen der Politik, sondern auch die ökonomischen Eigenschaften der getauschten Güter zeigen nur wenige Gemeinsamkeiten. Auf einige Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem dargestellten Modell stellen, soll im folgenden kurz eingegangen werden. 4.1. Ist der informierte Bürger der eigentlich Dumme? Wir hatten angenommen, dass durch die Aufwendung von Ressourcen korrupte Handlungen eines Politikers mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ψ entdeckt werden können. Es stellt sich gleichwohl die Frage, wer diese Ressourcen aufwendet und wie die Informationen im einzelnen erlangt werden können. In der ökonomischen Theorie der Informationssuche, die zuvorderst durch den Beitrag von Stigler (1961) angestoßen wurde, erfolgt eine rationale Abwägung zwischen den Kosten und Nutzen einer weiteren Suche nach Informationen. In dem Beispiel von Stigler (1961) suchen die Konsumenten nach möglichst niedrigen Preisen für ein homogenes Gut. Diese Preissuchstrategie wird so lange verfolgt, bis der erwartete Nutzenzuwachs weiterer Qualitätsinformationen kleiner ist als die zusätzlich einzusetzenden Suchkosten50. Der Nutzen, den der Nachfrager aus einem niedrigen Preis zieht, ist rein privater Natur. Die Vorteile durch die Zahlung des günstigen Preises fließen nur dem jeweiligen Konsumenten zu, ebenso wie auch er die Kosten der Informationssuche selbst tragen muss. Wie stellt sich die Situation aber in unserem Modell dar? Die Bürger können – wenn der Delegierte sich regelkonform verhält - den hohen Delegationsnutzen erzielen, anderenfalls nur den niedrigen Delegationsnutzen. Wir hatten gezeigt, dass die Nachfrager über eine gesplittete Lohnzahlung und die Anbieter durch die Hinterlegung eines Pfands illegales Verhalten in Ausübung des Amtes verhindern können. Damit die dargestellten Instrumente gleichwohl Wirksamkeit entfalten können, muss die Entdeckungswahrscheinlichkeit von Null verschieden und positiv sein. Vermindern die Bürger ihren Informationsaufwand auf Null, so dass korrupte Handlungen nicht aufgedeckt werden, dann läuft sowohl die verhaltensabhängige Lohnzahlung als auch die Hinterlegung eines Pfands ins Leere51. Gerade diese notwendige Informationsbeschaffung ist aber mit Problemen verbunden. Warum sollte sich der einzelne Bürger darüber informieren, wie sich der Politiker im Amt verhalten hat? Eine solche Informationsbeschaffung ist für ihn mit Kosten verbunden. Führt die Infor50 Vgl. Stigler (1961) S. 213 ff. Auch Nelson (1970) geht davon aus, dass die Vorzüge guter Qualität nur dem einzelnen Akteur zufließen, er aber auch die Suchkosten bzw. Testkosten trägt. 51 Wenn Regelübertritte unbemerkt bleiben, dann besteht für die politischen Zitronen der Anreiz sich korrupt zu verhalten, um am Ende der Periode trotzdem sicher den Bonus ausgezahlt zu bekommen bzw. den Pfand zurückzuerlangen. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 19 - mationsbeschaffung dazu, dass dem Delegierten illegale Handlungen nachgewiesen werden, so profitieren jedoch alle Bürger durch die Einbehaltung des Pfands bzw. die Nichtauszahlung des Bonus. Die individuelle Informationssuche verbindet sich insofern mit den typischen Anreizproblemen eines öffentlichen Gutes. Der Nutzen im Entdeckungsfall kommt allen Bürgern zu gleichen Teilen52 zugute, den Informationsaufwand und die Informationskosten trägt jedoch der einzelne Bürger. Die Nutzengewinne individueller Informationsbeschaffung werden sozialisiert und fließen auch den Bürgern und Wählern zu, die keine Informationssuchkosten aufgewendet haben. Die Gesamtsituation stellt sich insofern als die eines Gefangenendilemmas dar. Die individuell rationale Strategie, sich nicht zu informieren, läuft der kollektiv rationalen Strategie zuwider. Das individuell rationale Trittbrettfahren der einzelnen Wähler unterminiert die Wirksamkeit der vorgestellten Instrumente und kann zu einer Verschärfung des Negativausleseproblems beitragen. Die Selbstinformation der Bürger verbindet sich nicht nur mit einem Trittbrettfahrerproblem, sondern wird auch durch die zum Teil hohen fachlichen Anforderungen für eine Feststellung und Überprüfung von Regelübertritten bei der politischen Amtsausübung verteuert. Entscheidungen werden ja auch aus dem Grund delegiert, da hierdurch die Vorteile der Arbeitsteilung und Spezialisierung genutzt werden können. Gerade aber dieser Informationsvorsprung des gewählten Vertreters durch die Spezialisierung erschwert die Überprüfung seiner Aktivitäten durch die Bürger. Um das dargestellte Problem der Informationsextraktion durch die Bürger zu lösen, bedarf es einerseits Institutionen die zur Senkung der Informationskosten beitragen, als auch solcher, die das individuell rationale Trittbrettfahren erschweren. So können z.B. unabhängige Medien oder aus Steuern finanzierte Institutionen wie Rechnungshöfe oder Untersuchungsausschüsse dazu beitragen, wichtige transaktionsrelevante Informationen über die Amtsführung von Politikern zu erlangen und diese den Bürgern kostengünstig zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus generiert auch der Wettbewerb um politische Ämter (z.B. durch Oppositionsarbeit) ein Entdeckungsverfahren, welches nicht nur zur Auffindung neuer Handlungsoptionen, sondern auch zur kritischen Überwachung aktueller und vergangener Handlungen beiträgt. 4.2. Die glaubhafte Absicherung – ein Problem? Damit das Problem des Marktversagens mittels der vorgestellten Strategien begrenzt werden kann, müssen die zwischen den Bürgern und dem Delegierten geschlossenen Verträge auch durchsetzbar sein. So muss vereinbart werden, welche Entscheidungen der Politiker den Bürgern für welche Zeitdauer abnehmen soll, als auch, wo die Grenzen seiner Entscheidungsgewalt liegen. Darüber hinaus muss der Politiker darauf vertrauen können, dass er - bei regelkonformen Verhalten - nach Ablauf der Amtsperiode den von den Bürgern zugesicherten Bonus erhält bzw. seinen Pfand zurückerlangt. Ebenso dürfen die Bürger erwarten, dass korrupte Handlungen bei Aufdeckung zu einem sicheren Verlust des hinterlegten Pfandes für den Politiker führen. Um den Vertragspartnern das nötige Vertrauen in die Glaubwürdigkeit und 52 Wir hatten angenommen, dass alle Bürger aus der Delegation den gleichen Nutzen ziehen. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 20 - Durchsetzbarkeit der geschlossenen Verträge zu verleihen, bedarf es geeigneter Regeln und einer externen Instanz, die Verletzungen jener Regeln sanktioniert53. Als vergleichsweise problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang der Umstand, dass im hier betrachteten Fall Regeln gefordert sind, die die legislative Gewalt betreffen. Da ein gewählter Vertreter der Legislative Kraft seines Amtes einfache Gesetze verändern kann, müssen die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen für den Wettbewerb um politische Ämter auf einer höheren Ebene verankert werden54. Sonst wäre es möglich, dass beispielsweise Politiker ihre Amtsperioden verlängern oder andere Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten verändern. Um die wechselseitigen Verpflichtungen zwischen den Bürgern und dem Politiker glaubhaft abzusichern, bedarf es deshalb institutioneller Arrangements, die wiederum nicht durch den Delegierten nach der Wahl verändert werden können. Diesem Anspruch genügen Regeln auf der konstitutionellen Ebene, die eine Änderung der Rahmenbedingungen durch die Repräsentanten in bestimmten Bereichen einschränken. Zu diesen konstitutionellen Regeln zählen unter anderem: in der Verfassung verankerte, unabänderliche individuelle Grundrechte, die Prinzipien der Gewaltenteilung und des Rechtsstaates55 sowie die Rechtswegegarantie56. Bestünden keine Regeln, die dem Verhalten der Delegierten Grenzen auferlegen, oder sind diese durch Vertreter manipulierbar, stände den Delegierten ein umfangreiches Reservoir an Aktivitäten zur Verfügung, welches sie zur individuellen Bereicherung nutzen könnten. „Democracy may become its own Leviathan unless constitutional limits are imposed and enforced.“ Buchanan (1975) S. 161. Das Korruptionseinkommen ist im Fall unbeschränkter Macht hoch und macht die Ausübung eines politischen Amtes insbesondere für jene Personen attraktiv, die weniger Skrupel bei der individuellen Bereicherung unter Nutzung eines politischen Amtes verspüren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Instrumente der Nachfrager bzw. Anbieter dem geschilderten Problem der Negativauslese begegnen können, das Funktionieren dieser Instrumente gleichwohl von der Existenz weiterer Regeln auf der konstitutionellen Ebene und deren glaubwürdiger Sanktionierung abhängt. 53 Existiert eine solche externe Sanktionsinstanz oder entsprechende Rahmenbedingungen nicht, leidet die Pfandhinterlegung als auch die Offerte eines Bonus nach Abschluss der Amtsperiode an Selbstbindungsproblemen. Wie Schelling (1976) gezeigt hat, ist die Selbstbindung durch interne Sanktionierung (z.B. schlechtes Gewissen) wenig glaubhaft und kann oft nur durch externe Sanktionierung d.h. eine dritte Instanz umgangen werden. Vgl. auch Richter/ Furubotn (1999) S. 300 ff. 54 Insbesondere vor dem Hintergrund, dass unter den Kandidaten - als auch später in politischen Ämtern - sich Bürger mit niedrigen moralischen Kosten befinden, ist die Umsetzung von Maßnahmen, die der Negativauslese auf dem Markt für Politiker begegnen können auf der legislativen Ebene nicht problemfrei. Da die „politischen Zitronen“ sicherlich der Einführung von Instrumenten nicht zustimmen werden, die zu ihrer Aufdeckung führen und ihre Korruptionsrente schmälern, ist die Implementierung einiger Maßnahmen durch Gesetzesänderungen, die aus der Sicht der Bürger wünschenswert erscheinen, ab einem bestimmten Anteil von politischen Zitronen in politischen Entscheidungsgremien fraglich. 55 Das Rechtsstaatsprinzip besagt, dass alle Bürger eines Staates sich den Regeln eben dieses Staates unterwerfen müssen – also auch die Vertreter des Volkes. Im Grundgesetz ist dieses Prinzip im Artikel 20 des GG verankert. Dieser (und der Artikel 1) können selbst mit 2/3 Mehrheit nicht geändert werden. 56 Vgl. Richter/ Furubotn (1999) S. 301, Homann (1987) S. 57, Nienhaus (1987) S. 138. - Der Markt für „politische Zitronen“ - - 21 - 5. Ausblick und abschließende Überlegungen Die Nutzung eines indirekten Demokratiemechanismus kann zu einem Delegationsproblem führen, denn es besteht die Möglichkeit, dass gewählte Politiker ihren Handlungs- und Entscheidungsspielraum eigennutzorientiert und zum Teil unter Verletzung bestehender Gesetze niesbrauchen. Eine solche Handlungsweise schmälert die Vorteile aus der Delegation für die Bürger. Unter der Bedingung, dass die Bürger bei der Wahl ihres Vertreters einem Mangel an spezifischen Informationen unterliegen und die Unterschiede der Kandidaten hinsichtlich deren moralischer Qualität nicht feststellen können, kann eine Verdrängung der Politiker mit hohen moralischen Kosten durch „politische Zitronen“ stattfinden. In diesem Fall werden nicht nur einige wenige Politiker ihre diskretionären Handlungsspielräume missbrauchen, sondern vor allem jene Bürger Entscheidungspositionen besetzen, die schon vor der Wahl mit dem Zusatzeinkommen aus Korruptionszahlungen rechnen. Die eingangs getroffenen Annahmen sind zum Teil restriktiv, da verschiedene Instrumente existieren, die der angenommenen Homogenität der Kandidaten als auch dem sicheren Korruptionseinkommen entgegenwirken. So können verschiedene Instrumente der Nachfrager und Anbieter auf den Abbau der Informationsasymmetrien hinwirken. Damit die vorgestellten Instrumente ihre Wirkung entfalten können, bedarf es jedoch entsprechender ordnungspolitischer Rahmenbedingungen auf der konstitutionellen Ebene. Literaturverzeichnis Akerlof, George A. (1970): The Market for „Lemons“: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quaterly Lournal of Economics, LXXXIV, S. 488- 500. Alchian, A. 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Nr. 7 Kallfass, Hermann H.: Konzepte und Indikatoren zur Abgrenzung räumlicher Märkte in der europäischen Zusammenschlusskontrolle, November 1996. Erschienen in: Jörn Kruse, Kurt Stockmann, Lothar Vollmer (Hrsg.), Wettbewerbspolitik im Spannungsfeld nationaler und internationaler Kartellrechtsordnungen. Festschrift für Ingo Schmidt zum 65. Geburtstag, Nomos Verlagsgesellschaft, BadenBaden 1997, S. 111 – 129. Nr. 8 Sideras, Jörn: Eigentumsrechtliche Dezentralisierung und institutioneller Wettbewerb, Mai 1997. Nr. 9 Kroll, Bernhard: Die Zusammenführung wirtschaftlich-materieller und informationell-institutioneller Sichtweisen der Evolution von Wirtschaftssystemen - eine Herausforderung für die Evolutorische Ökonomik, Juni 1997. Nr. 10 Rissiek, Jörg Wirtschaftswachstum und Strukturwandel als Einflußfaktoren auf das individuelle Humankapitalinvestitionskalkül, Juni 1997. Nr. 11 Voigt, Eva: Technische Universität als regionales Innovationspotential - Auswertung einer Unternehmensbefragung in der Region Ilmenau, September 1997. In veränderten Fassungen erschienen als: “Regionale Wissens-Spillovers Technischer Hochschulen. Untersuchungen zur Region Ilmenau und ihrer Universität”, in: Raumforschung und Raumordnung, 56. Jahrgang, Heft 1.1998, S. 27-35. “Indikatoren der Wirksamkeit regionaler Innovationsaktivitäten - Eine Analyse zur Rolle der TU Ilmenau”, in: Fritsch, M., Meyer-Krahmer, F., Pleschak, F. (Hrsg.): Innovation in Ostdeutschland, Potentiale und Probleme in Technik, Wirtschaft und Politik, Bd. 34, Schriftenreihe des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Physica-Verlag, Heidelberg 1998, S. 281-292. Nr. 12 Knorr, Andreas: Modell Neuseeland? Reformen und Reformergebnisse im Überblick, September 1997. 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