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Archäologie, Medien und Unterricht

2014

Hinter diesem Buch steht die Absicht, die archaologische Wissenschaft moglichst vielen Menschen nahezubringen – und dies aus neuen, oft auch ungewohnlichen Blickwinkeln: Wo begegnet uns die Welt des Altertums im heutigen Alltag? Im TV, am Kiosk oder im Internet. Die Autoren haben als Archaologen und Journalisten dort recherchiert, wo unsere moderne Erlebniswelt Schnittmengen mit der Antike hat. An diesen Uberschneidungspunkten arbeiten Menschen, die uns die Welt der Griechen und Romer vermitteln wollen und sie aktiv in unsere Gegenwart holen: Museumsleiter, Comiczeichner, Lehrer, Restauratoren oder Filmemacher und Medienexperten. Diese Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen, aber immer spannenden Perspektiven auf die Archaologie werden vorgestellt und kommen auch selbst zu Wort. Ganz besonders wendet sich diese Publikation an diejenigen, die an den Schulen ihr Wissen uber das Altertum in unterschiedlichsten Fachern an die nachste Generation weitergeben.

Sascha Priester Tobias Bitterer Archäologie, Medien und Unterricht Wo wir im Alltag auf Spartacus & Co. treffen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teil ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfil- mungen und Verarbeitung in elektronischen Systemen sind untersagt. D ie Archäologie mit ihren neu entwickelten Methoden und Copyright © 2014 Dr. Tobias Bitterer, Dr. Sascha Priester Techniken hat in den letzten Jahren zu einer Fülle von überraschenden, teilweise faszinierenden Ergebnissen Umschlaggestaltung und Satz: Dr. Tobias Bitterer geführt, die in vielen Fällen unsere althergebrachten Die Collage auf dem Umschlag basiert auf einem Foto, das Vorstellungen in Frage stellen, bisher wenig beachtete Räume eine der beliebten Kinovorführungen auf dem Münchner historisch erschließen und damit insgesamt zur deutlichen Er- Königsplatz zeigt: www.kinoopenair.de weiterung unseres Horizonts beitragen. Leider ist diese moder- Die Spielfilmszene auf der Leinwand stammt aus ne Archäologie bislang nur unzureichend im Bildungsprogramm Spartacus (1960) mit Kirk Douglas: © 1960 Universal Studios der Schulen verankert, wo sie doch dem Schüler – in durchaus & Bryna Productions Inc. Renewed 1988 Universal Studios. kurzweiliger Form – spannende Erkenntnisse bescheren und ihn Alle Rechte vorbehalten. für die Geschichte begeistern könnte. Aus diesem Grunde ist es sehr zu begrüßen, dass sich die vorliegende Publikation diesem Teilbereich historischer Forschung annimmt und dabei ganz be- Veröffentlichungsort: Open Access LMU sonders die modernen Rezeptionsformen untersucht und ihre http://epub.ub.uni-muenchen.de/17539/ Rolle für die historische Bewusstseinsbildung herausstellt. Beide Aspekte, moderne Archäologie und moderne Zugangsformen, Besuchen Sie die verdienen mehr Aufmerksamkeit und mehr publizistische Ver- Münchner Klassische Archäologie im Internet: breitung. Aus Sicht der Schule wünschte man sich mehr Publika- www.klass-archaeologie.uni-muenchen.de tionen der Art, in der wie hier wissenschaftliche Untersuchungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dr. Peter Lautzas Langjähriger Vorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschland 2 3 dabei orientiert er sich auch an emotionalen Kriterien wie dem Anspruch des Publikums auf Unterhaltung, Spannung oder Sensation. Erfreulicherweise gibt es in letzter Zeit zunehmend Versuche, diese Kluft zu überbrücken und gegenseitige Vorurteile abzubauen: Fach- und Medienvertreter suchen das Gespräch, um ihre jeweiligen Interessen kennenzulernen und gemeinsam nach Wegen einer angemessenen Wissensvermittlung zu fragen. In diese Entwicklung reiht sich nun das von Tobias Bitterer und Sascha Priester vorgelegte Buch ein. Seine Besonderheit liegt darin, dass es aus einer universitären Lehrveranstaltung erwachsen ist. Warum ist das bemerkenswert? Der gängigen Vorstellung zufolge sind bei der Sichtbarmachung von Archäologie drei feste Größen im Spiel: Erstens die Archäologie als (vor allem an Universitäten ansässiger) Wissensproduzent, zweitens die Medienbranche als Vermittlungsstelle und drittens die sogenannte Öffentlichkeit als Adressat. In Wirklichkeit sind diese drei Größen aber keineswegs streng voneinander geschieden, und die Kommunikation verläuft auch nicht nur in eine Richtung. Das zeigt sich vor allem an den Universitäten, die selbst eine wichtige Bühne sind, auf der Vermittlung stattfindet. Wer als Studienanfänger beginnt, sich auf die Klassische Archäologie einzulassen, nähert sich dem Fach von außen und mit Erwartungen, die maßgeblich vom Erscheinungsbild der Archäologie in den Medien geprägt sind. Als Dozent sollte man bemüht sein, diese Erwartun- gen kennenzulernen, um auf sie eingehen zu können. Wenn man seine Aufgabe darin sieht, den Studierenden auch bei ihrer Lebensplanung behilflich zu sein, steht man vor der Heraus- forderung, sie auf einen höchst flexiblen Arbeitsmarkt vorzubereiten: auch im Randbereich D oder gar außerhalb des Faches, einschließlich der vielgestaltigen und sich immer wieder ie Klassische Archäologie erfreut sich eines beachtlichen öffentlichen Interesses. verändernden Medienbranche. Auch als Lehrender profitiert man von einer solchen Erweite- Der Grund liegt darin, dass sie sich mit Artefakten der griechischen und der römi- rung des Blickwinkels. In der Betriebsamkeit des universitären Alltags gerät leicht die wichtige schen Kultur befasst: zweier Kulturen, die in der westlichen Welt als Fundamente Frage aus dem Blick, was denn die Beschäftigung mit den Relikten der antiken Kulturen der eigenen Zivilisation gelten. Daher besitzen die materiellen Reste der Antike ge- eigentlich mit unserer eigenen Lebenswirklichkeit zu tun hat. Das sieht man nur, wenn man genüber den Relikten anderer Kulturen den Vorzug vermeintlicher Nähe, sie scheinen leichter sich auf die Interessenlage außerhalb der Fachwelt einlässt. Ich freue mich, an einem Institut zugänglich zu sein. Das sind sie aber keineswegs. Die erhaltenen Überreste sind ja nur aus beheimatet zu sein, an dem diese Offenheit gegenüber der außeruniversitären Öffentlichkeit ihren einstigen Zusammenhängen gerissene Bruchstücke, die erst mühsam wieder zusam- praktiziert wird. Seit Jahren bieten wir am Münchner Institut für Klassische Archäologie regel- mengesetzt und in ihren Sinnzusammenhängen rekonstruiert werden müssen. mäßig Lehrveranstaltungen an, in denen es um Fragen der Wissensvermittlung geht und bei Dieser Arbeit widmen sich zwei Berufsgruppen: zum einen die Archäologen, zum anderen denen Verlagslektoren, Journalisten und andere Medienvertreter als Partner hinzugezogen die Produzenten von Sachbüchern und Zeitschriften, Fernsehdokumentationen, Spielfilmen werden. oder Internetpräsentationen. Beide Gruppen eint zwar das Ziel, die Antike verständlich zu In besonderem Maße haben sich Tobias Bitterer und Sascha Priester diesem Anliegen ver- machen, doch dabei ziehen sie keineswegs selbstverständlich an einem Strang. Wissen- schrieben und mit großer Hingabe und Begeisterung entsprechende Lehrveranstaltungen schaftler kommunizieren mit ihresgleichen, um wissenschaftlichen Fortschritt zu erzeugen, angeboten. Beide sind hierfür in besonderem Maße qualifiziert. Tobias Bitterer widmet sich wogegen Angehörige der Medienbranche ihre Aufgabe darin sehen, das, was die Fachwelt als Dozent engagiert der Aufgabe, Studienanfänger an die Klassische Archäologie heran- herausbekommen hat, für Außenstehende anschaulich aufzubereiten. Daher haben beide zuführen, und schreibt als Autor für populärwissenschaftliche Zeitschriften. Sascha Priester Gruppen verschiedene Vorstellungen davon, wie weit man bei der Rekonstruktion vergange- arbeitet seit vielen Jahren zugleich als (Wissenschafts-)Journalist und als Lehrbeauftragter ner Welten gehen kann. Der Wissenschaftler versucht nur so weit zu gehen, wie er das für an der Universität, hat also den einzigartigen Vorzug, beide Metiers von innen zu kennen. überprüfbar hält, hat also kein Problem damit zuzugeben, dass die Vergangenheit nur in Spu- renelementen greifbar ist und wir vieles nicht wissen. Der Medienproduzent muss dagegen Ich wünsche diesem Buch, dass es sein Ziel erreicht: die Verständigung zwischen unserem bestrebt sein, die einstigen Welten im Ganzen, ohne Fehlstellen und auch belebt vorzuführen, Fach und der interessierten Außenwelt mit frischen Impulsen zu befördern. Prof. Dr. Stefan Ritter Lehrstuhlinhaber am Institut für Klassische Archäologie der Ludwig-Maxmilians-Universität München 4 5 inhalt Vorwort 09 Antike im TV, Teil II 78 Die historische Serie Rom ‒ Wo die Zeit von Caesar, Pompeius und Archäologie im Zeitalter des Internet 11 Augustus wieder lebendig wird Was hat ein Blog mit Antike zu tun? Antike im TV, Teil III 84 Wissensmagazine und Fachbücher 16 Fernsehmacher zwischen Information, Augustus, Nofretete & Co. Entertainment und Erfolgsdruck – als Coverstars gestern, heute und morgen Antike im comic, Teil I 20 Wissenschaftler, Fantasten oder 92 Asterix und Caesars Gallischer Krieg ‒ Sensationsmacher Fiktion und historische Realität Gibt es wirklich eine „Verbotene Archäologie“? Interview 30 Ausgestellte Archäologie: 108 Was denken zwei Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Asterix-Spezialisten über... Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen der bayerischen Museen Antike im comic, Teil II 32 Frank Millers Bestseller 300 Virtuelle Archäologie 126 und seine umstrittene Version Wie funktionieren 3D-Rekonstruktionen der Perserkriege oder Smartphone-Apps ‒ und wo liegen ihre Grenzen? Antike im TV, Teil I 56 Der Mythos Spartacus – Alte griechen und Römer 140 Blut, Sand und Gladiatoren im Lehrplan Was Antike im Schulunterricht vermitteln kann Interview 76 Was denkt ein TV-Macher über ... Impressum 148 Spartacus? Abbildungsverzeichnis 149 6 7 VORWORT Vorwort „Stimmt das, was da im Fernsehen läuft?“ D iese Frage kennt jeder Archäologe Wir haken dort ein, wo unsere moderne und von Freunden und Bekannten – und alltägliche Erlebniswelt Schnittmengen mit beantwortet sie ebenso selbstver- der Antike hat. An diesen Überschneidungs- ständlich wie gern. Für uns gab ge- punkten engagieren sich Menschen, die nau dieses Interesse den Anstoß, darüber zu uns die Welt der Griechen und Römer vermit- schreiben. teln wollen und sie aktiv in unsere Gegenwart holen: Journalisten, Museumsleiter, Comic- Denn hinter unserem Projekt steht die Ab- Zeichner, Lehrer, Restauratoren oder Filme- sicht, nicht nur privat im persönlichen Ge- macher. Und diese Menschen mit ihren ganz spräch von Archäologie zu erzählen, sondern unterschiedlichen, aber immer spannenden diese unsere Wissenschaft möglichst vielen Perspektiven auf die Archäologie stellen wir Menschen zugänglich zu machen – und dies Ihnen nicht nur vor, sondern lassen sie auch aus neuen Blickwinkeln. selbst im Text zu Wort kommen. Der Ausschnitt aus der Archäologie, den wir Ganz besonders wenden wir uns mit die- hier vorstellen können, deckt natürlich nicht ser Publikation an all diejenigen, die an den alles ab, womit sich Forscher an Universi- Schulen ihr Wissen über das Altertum in un- täten, Museen und anderen Einrichtungen terschiedlichen Fächern an die nächste Ge- täglich beschäftigen. Das gilt sowohl für un- neration weitergeben. Aktive im Lehrdienst ser Fach selbst als auch für die Archäologie haben uns darin bestärkt, dass ein Bedarf im Allgemeinen: Die Klassische Archäologie für die hier vorgestellten Themen besteht. mit ihrer Konzentration auf griechisch-römi- Sie können den Unterricht bereichern oder sche Kunst und Kultur ist nur eine von vie- in Thementage, Projektwochen, Exkursionen len archäologischen Universitätsdisziplinen. und Wandertage einfließen. Direkte, ebenfalls spezialisierte Nachbarfä- cher wie Provinzialrömische oder Vorder- Unterstützt wurden wir bei unserer Arbeit von asiatische Archäologie, die Vor- und Früh- Studierenden der Klassischen Archäologie geschichte, Spätantike und Byzantinische an der Ludwig-Maximilians-Universität Mün- Kunstgeschichte, aber auch die Ägyptologie chen, die sich im Rahmen einer Seminarver- können wir nur am Rand streifen. anstaltung mit vielen der folgenden Themen auseinandersetzten; sie führten Interviews Der Schnitt, den wir bei unserer Themenaus- und arbeiteten redaktionell an den Texten wahl gelegt haben, läuft entlang jener Teile mit. Unser Dank gilt hier vor allem Carina Fit- der griechisch-römischen Vergangenheit, die zek, Clara Gutmann, Marisol Lang Navarro, einem häufig begegnen: im TV, am Kiosk Susanne Poschlod, Julika Rottler, Sandra oder im Internet. Sporer und Simon Steinitz. → 8 9 VORWORT WAS HAT EiN BLOG MiT ANTiKE ZU TUN? ArChäoloGie iM ZeiTAlTer DeS inTerneT Einen grundlegenden Beitrag zu diesem Pro- jekt lieferten Kolleginnen und Kollegen aus (Verband der Geschichtslehrer Deutschland e.V.), Mag. Dr. Christoph Hinker (Österreichi- Was hat ein Blog mit Antike zu tun? der Wissenschaft, die uns mit Rat und Tat zur sches Archäologisches Institut) und Christine Seite standen. Genannt seien an dieser Stel- Gundermann (FU Berlin). Für die Überlas- le Prof. Dr. Stefan Ritter, Prof. Dr. Rolf Micha- sung von Bildmaterial für diese nicht-kom- el Schneider, Apl. Prof. Dr. Michaela Fuchs, merzielle Publikation danken wir besonders: Dr. Oliver Hülden, Dr. Johannes Lipps und DAI Berlin und Rom (Heinz-Jürgen Beste, Dr. des. Thoralf Schröder vom Institut für Claudia Winterstein, Claas von Bargen), Eg- Klassische Archäologie in München sowie mont Ehapa Verlag (Thea Schellakowsky), Dr. Ingeborg Kader (Museum für Abgüsse Universal Pictures Germany (Kathrin Pehle), Klassischer Bildwerke München), Dr. Florian Warner Bros., Grapevine Video (Jason Har- Knauß und Dr. Astrid Fendt (Staatliche Anti- dy), Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung kensammlungen und Glyptothek München), (Aida Garnikyan), Cross-Cult-Verlag (Filipe Apl. Prof. Dr. Rupert Gebhard (Archäologi- »Pippo« Tavares), 7reasons (Günther Wein- sche Staatssammlung München), Prof. Dr. linger), Fotografie Mauer (Manuel Mauer), Hansgeorg Bankel (Hochschule München), Hinz und Franz - Forschung und Visuali- Prof. Dr. Kai Brodersen (Universität Erfurt), sierung München (Dipl.-Ing. Stefan Franz), Prof. Dr. Martin Langner (Universität Göt- Erich von Däniken-Stiftung (Ramon Zürcher), tingen), Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann (Lie- HISTORy (Dr. Andreas Weinek, Sebastian bighaus Skulpturensammlung Frankfurt am Wilhelmi), asisi GmbH (Ulrike Plüschke) und Main), Prof. Dr. Michael Pfanner (Universität Historisches Museum der Pfalz Speyer (Su- Leipzig), Dr. Arnulf Schlüter (Staatliches Mu- sanne Schilz). Herzlich danken wir Leonie seum ägyptischer Kunst), Dr. Peter Lautzas Huf für Lektorat und Schlussredaktion. Wir wünschen viel Vergnügen bei den begegnungen mit der Antike! Wer online nach „Archäologie“ sucht, findet rund 4.600.000 Webseiten zum Thema. Doch wer stellt die Informationen ein, wer ruft sie ab? und ist es heute einfacher als früher, an fundiertes Wissen zu kommen? A rchäologie boomt? Beobachtet öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern. Auch man die aktuelle Entwicklung Privatsender strahlen aufwendig produzierte der Medien, scheint das Interes- Serien wie Spartacus oder Rom aus. Immer se an Geschichte, Archäologie mehr Museen bieten neue Smartphone- und deren Erforschung groß. Überall findet Applikationen (kurz: Apps) an, die als Pro- man Formate, die sich mit archäologischen gramme zum Herunterladen aus dem Internet Themen oder Erd- und Zeitgeschichte be- (engl. download) den Besuchern archäologi- fassen ‒ und das längst nicht mehr nur im sche Inhalte zeitgemäß und interaktiv vermit- Buch- oder Zeitschriftenformat oder bei den teln sollen. → Dr. Tobias bitterer Dr. Sascha Priester 10 11 ARcHäOLOgIe Im ZeITALTeR DeS InTeRneT WAS HAT EiN BLOG MiT ANTiKE ZU TUN? Das Internet revolutioniert auch die Archäologie, Forscher werden zu Wissenschaftsbloggern Kurz zur Definition der verschiedenen Me- Tatsächlich sind hoch qualitätsvolle, kosten- dien: Unter Printmedien versteht man alles, lose Angebote wie etwa die Seite des Deut- was in gedruckter Form vorliegt ‒ Zeitschrif- schen Archäologischen Instituts der breiten ten, Zeitungen, Bücher, Plakate, Flyer oder Öffentlichkeit bisher wenig bekannt; hier wer- Aushänge. Davon grenzen sich die soge- den laufend aktuelle Nachrichten und For- nannten neuen Medien ab, also jegliche schungsergebnisse des Instituts und seiner Form von elektronischen und digitalen Infor- weltweiten Außenstellen präsentiert. Andere mationsmitteln. Die Grenze zwischen diesen Angebote, die archäologische Informationen beiden großen Medienblöcken ist allerdings aufbereiten wie beispielsweise Archäologie KOMMENTATOR: Auf seinem Blog informiert Rainer nicht unbedingt scharf gezogen. So gibt es online, sind selten. Schreg (rechts) über neue archäologische Entdeckungen Mischformen wie das E-Paper oder E-Zine, Eine Mischform sind online wie im TV soge- und über Ausgrabungsstätten in Krisengebieten digitale Varianten der gedruckten Ausgabe nannte Infotainment-Formate – also eine Mi- von Zeitungen oder Magazinen. schung aus Information und Entertainment –, die ein breites Publikum erreichen und unter- reitete und knappe Wissensvideos im Inter- gangsberechtigung oder Einschreibung bei halten wollen, um Wissen an möglichst viele net eine riesige Fangemeinde: Beispielswei- den Fachinstituten, sogar meist kostenlos Wie unterhaltsam darf die Vermittlung weitergeben zu können. Rainer Schreg liegt se bekommt World History Crash Course auf Vorlesungen international renommierter Uni- von Archäologie und geschichte sein? jedoch besonders am Herzen, nicht nur po- dem Videoportal Youtube Hunderttausende versitäten hören. Obendrein bekommt man puläre Themen zu besprechen, die auf eine Klicks und regt zu ausführlichen Diskussio- dazu die Unterlagen auf das eigene mobile Ein Spezialist für die Präsentation archäo- feste Fangemeinde zählen können. „Ich will nen im Netz an. Dabei ist die Teilnehmer- Endgerät geliefert – und das in verschieden- logischer Fakten in sogenannten Blogs im zeigen, dass Archäologie mehr ist als aus- gruppe längst akademischen Zirkeln oder sten Fachbereichen gleichzeitig. Internet ist Dr. Rainer Schreg. Der Archäo- graben und katalogisieren“. Der Archäologe archäologischen Fächern entwachsen. In Befürworter dieser Entwicklung loben, dass loge, der am Römisch-Germanischen Zent- weiter: „Das Bloggen hat meine Art zu arbei- dieser schönen neuen Internetwelt darf jeder damit die Lehre auch über den oft und gern ralmuseum in Mainz arbeitet, betreibt auch ten verändert“. Oft nutze er einen Blog-Ein- mitreden ‒ egal, über welches Wissen er tat- kritisierten, vermeintlichen universitären El- den Archaeologik-Blog, in dem bestimmte trag als Zwischenschritt hin zu einem länge- sächlich verfügt. fenbeinturm hinaus vermittelt werden kann. Themen für ein breiteres Publikum aufbe- ren wissenschaftlichen Artikel. Mit so einem Und soll nicht auch eigentlich jedem die Mög- reitet und diskutiert werden. Blog ist eine online veröffentlichten „Schnellschuss“ fasse lichkeit gegeben werden, Universitäten zu Wortkreuzung aus den Begriffen web und er die ersten Ergebnisse seiner Recherchen universität für alle: Wenn nicht-Studenten besuchen und sich dort aus- und weiterzu- log, also eine Art Internet-Tagebuch. „Zu oft zusammen und mache sie so für die interes- im virtuellen Hörsaal sitzen bilden? Und dies vielleicht sogar ganz losge- werden die neuen Medien im wissenschaft- sierte Öffentlichkeit zugänglich. Das sei ihm löst von Semesterferien und vorlesungsfrei- lichen Kontext als uninteressant oder den besonders wichtig. „Es gibt viel zu wenig ar- Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich en Zeiten? Sehr schnell möchte man nicken, wissenschaftlichen Normen nicht angemes- chäologisches Fachwissen im Internet“, be- auch hinter den einst so hohen Mauern der wenn man hier Schlagwörter wie Effizienz sen abgestempelt“, kritisiert er. Der Blogger dauert er. Das müsse sich ändern. Gerade Universitäten ab. Zündstoff birgt nämlich das und Studienzeitverkürzung scheinbar einge- sieht ein weiteres Problem darin, dass sich weitere Blogs würde er begrüßen. Angebot iTunes U der Firma Apple, das die löst sieht. Dagegen befürchten Kritiker neben wissenschaftliche Themen, wenn sie denn Während die Nutzung neuer Medien offenbar bisherigen, strengen Ausschlusskriterien der der Verletzung alter Universitätsprinzipien via Internet kommuniziert würden, oft nur an in der archäologischen Fachwelt auf ein ge- Universität aushebelt: Mit dem neuen Portal wie der Universalität (also der möglichst um- ein kleines (Fach-)Publikum richteten. teiltes Echo stößt, haben spielerisch aufbe- kann nun jeder, auch ohne Hochschulzu- fassenden Ausbildung) auch, dass sich die 12 13 Archäologie im Zeitalter des Internet was HAT ein Blog mit Antike zu tun? Quo vadis, Archäologie? Die schöne neue Medienwelt birgt Chancen und Risiken Universitätslehre immer mehr in Richtung der Gerda Henkel Stiftung. „Es ist aber ein eines vereinheitlichten Onlinestudiums ent- Trugschluss der meisten Archäologen, da- wickeln wird. Man könne dann nicht mehr auf von auszugehen, dass es ein unendliches die konkreten Probleme und Bedürfnisse des Wachstumspotenzial für die Platzierung ar- einzelnen Studenten eingehen. Das Leitbild chäologischer Themen in der Öffentlichkeit eines umfassenden Präsenzstudiums (ein- gebe – wenn sie denn nur spannend erzählt schließlich realer und wirklich kompetenter seien. Vielmehr zeigt die hohe Attraktivität Ansprechpartner), an dem sich letztlich ja eines ständig wiederkehrenden Themenre- Räumlichkeiten und Lehrpersonal orientie- pertoires, dass es zwar ein grundsätzliches ren, würde zugunsten eines Studiums auf- Interesse an bestimmten archäologischen gegeben, das nur noch aus standardisier- Themen gibt, ganz sicher aber nicht an allen. ten, online abrufbaren Bausteinen besteht Im Internet, wo bloße Klicks immer mehr zum – maximal noch garniert mit Fragechats der Gradmesser für Erfolg avancieren, lässt sich Studierenden. Es wird interessant sein, ob verfolgen: Rein wissenschaftliche Portale überhaupt und in welcher Form darüber eine scheitern regelmäßig.“ Diskussion in den Universitäten und den zu- Zeitgleich wird archäologisches Wissen, ständigen Bundesländern geführt wird. Es aber auch Halbwissen, auf Internetseiten geht um nichts weniger als die Zukunft der vorgestellt und in Blogs wie Foren diskutiert. universitären Lehre und das Selbstverständ- Der Überblick über diese Angebote ist längst nis der Institution Universität an sich. verlorengegangen. Und es gibt bisher keine Einrichtung, welche die in der Wissenschaft KOMMUNIKATOR: Der Archäologe Olver Hülden (Mitte) hat zu seinen Forschungen in der heutigen Türkei selbstverständliche Qualitäts- und Inhalts- die Facebook-Seite Kibyratis-Projekt eingerichtet, um über seine Aktivitäten fortlaufend zu informieren Nicht jedes Thema findet seine Fans ‒ kontrolle übernehmen könnte. Ein Wikipedia- daran ändert auch das Internet nichts Artikel mag ausführlich und gut geschrieben sein, ein anderer jedoch nicht. Der Suchende Schwierig wird es beim Bewerten des Fak- seiner Pauschalität schon immer falsches Grundsätzlich ist eine Frage entscheidend: kann sich dabei aber auf die inhaltliche Qua- tengehalts auch dort, wo historische Realität Klischee zu bedienen – ist im Zeitalter des An welche Öffentlichkeit richten sich eigent- lität oder die Kompetenz des jeweiligen Au- und Fiktion bewusst verschmelzen sollen. Internet ein Auslaufmodell. Die Vermittlung lich Wissenschaft und Wissenschaftler? Und tors nicht verlassen; anders als etwa bei ei- Das gilt für historische TV-Serien, Romane, von Forschungsergebnissen an eine brei- wie können beziehungsweise müssen diese nem redigierten Lexikon, dessen Artikel von Comics oder auch so manchen Zeitschriften- te Öffentlichkeit muss zunehmend zu einer Zielgruppen erreicht werden? In der archäo- Experten geschrieben wurden. Für schnelle artikel. Die Faktengenauigkeit ist hier – wie archäologischen Kernkompetenz werden. logischen Fachwelt ist eine einheitliche Hal- Informationen und bei der ersten Recher- im Internet – oft nur dem Autor überlassen. Allerdings darf der Qualitätsbegriff für die tung dazu noch nicht erkennbar. che sind Angebote wie Wikipedia natürlich Es gibt keine verbindlichen Regeln, wie viel wissenschaftliche Arbeit nicht verwässert „Es ist gewiss an der Zeit, mit der Vermitt- nützlich, solange man sich ihrer Grenzen be- der Fantasie entspringen darf und wie viel werden. Sie zu bewahren ist eine der fun- lung des selbst produzierten Wissens offen- wusst ist. Als vertrauenswürdige Quelle für auf Quellen zurückzuführen sein muss. damentalen Kernkompetenzen des Wissen- siver umzugehen“, so Dr. Oliver Hülden, Schulreferate oder journalistische Texte sind Der nur einsam vor sich hin forschende Wis- schaftlers, gerade in der multimedialen Be- archäologischer Projektleiter und Stipendiat Wikipedia & Co. aber nicht zu empfehlen. senschaftler im Elfenbeinturm – um ein in liebigkeit unserer Tage. • Weblinks zu diesem Kapitel www.archaeologik.blogspot.de • www.dainst.org • www.archaeologie-online.de 14 15 WISSenSmAgAZIne unD FAcHbücHeR AUGUSTUS, NOFRETETE & CO. ALS COVERSTARS WiSSenSMAGAZine UnD FAChBÜCher Augustus, nofretete & Co. als Coverstars schäftsführender Redakteur bei GEO Epo- bestimmte Trendthemen gibt, weist aber che, dazu: „Wir haben eine Grundflughöhe darauf hin, dass „gerade durch diese Trends von Leuten, die das Heft immer kaufen und auch wieder eine Flaute entstehen kann, dann merkt man eben, dass bestimmte The- wenn ein Thema zu oft behandelt wird“. Ak- men über diese Stammleserschaft hinaus tuell sei dies beispielsweise bei den alten sehr populär sind. Das ist einmal generell Römern der Fall, die in den Medien in der die deutsche Geschichte, vom Mittelalter letzten Zeit etwas zu viel Aufmerksamkeit über die Weimarer Republik bis zur Nach- bekommen hätten. Dafür steige gegenwärtig kriegszeit. Dann sind auch ferne Kulturen das Interesse am prähistorischen Menschen Wie im Internet hat der Antikefan auch am Zeitschriftenregal die Qual der Wahl sehr beliebt wie das antike Griechenland und und an der Steinzeit wieder an. Besonders das alte China. Und was äußerst populär ist, gefragt sind laut Annette Nünnerich-Asmus sind Themen rund um den Komplex Religion. auch Cross-Over-Themen, die Altes mit Neu- Unsere Hefte über die Geschichte des Bud- em verbinden: „Um ein Beispiel zu nennen: dhismus oder des Judentums waren sehr ‚Kindheit von der Antike bis heute‘ oder ‚Al- erfolgreich. Und das erfolgreichste Heft, das ter von der Antike bis heute‘. Das Altern wird wir jemals gemacht haben, war das über die bei uns allerdings von manchen Menschen Germanen. Damit haben wir gleich zwei Ziel- eher negativ konnotiert. Wer beschäftigt sich gruppen zufriedengestellt: Die, die an deut- schon gerne mit dem Altern? Aber dann ist Journalisten erzählen für Leser aus allen generationen spannende scher Geschichte interessiert sind, und die, es an uns, aufzuzeigen, dass das Alter in der geschichten zu geschichte und Archäologie. Zeitschriftenmacher und die sich für alte Kulturen begeistern.“ Antike einen viel höheren Stellenwert hatte. buchverleger erklären uns ihr geschäft mit der Wissenschaft Der Alte war gleich der Weise. Das ist heute S ein großes und aktuelles Thema.“ o vielfältig die Medien sind, die sich kommen zeitschrifteneigene geschichtlich Welche Themen aus der Antike sind Aber wer sind eigentlich die Leser, die sich mit Archäologie beschäftigen, so ausgerichtete Ableger dieser Marken wie heute überhaupt noch von Interesse? durch die Biographien und Bauten längst vielfältig ist auch der Printmarkt zu DER SPIEGEL Geschichte, GEO Epoche vergangener Epochen schmökern? Wer ist diesem Themengebiet. Die Feuil- oder Zeitgeschichte. Weitere populäre Titel Einen anderen Bereich des Printmarkts zur die Zielgruppe von populär aufbereiteter Ar- letons und Wissensressorts der Tages- und sind Geschichtsmagazine, beispielsweise Archäologie decken Fachbuchverlage mit chäologie? Nach einer Umfrage der Antike Wochenzeitungen wie auch Zeitschriften P.M. HISTORY, G/Geschichte und Damals. einschlägigen Publikationen ab. Dazu gehört Welt-Redaktion von 2011 ist der Leserstamm (unter anderem Stern, National Geographic, Bei aller Unterschiedlichkeit der Formate: auch Nünnerich-Asmus Verlag & Media, der der Zeitschrift größtenteils männlich und zu DER SPIEGEL, GEO) drucken regelmäßig Einige Themen werden öfter präsentiert als von der Archäologin Dr. Annette nünnerich- mehr als neunzig Prozent über 35 Jahre Artikel über Historie und Archäologie. Dazu andere. cay Rademacher, langjähriger Ge- Asmus geleitet wird. Sie bestätigt, dass es alt. GEO Epoche besitzt laut Cay Radema- 16 17 Wissensmagazine und Fachbücher Augustus, Nofretete & Co. als Coverstars Verkaufszahlen Inhalten: „Je präziser man sich wie eine Der Verkaufserfolg der Geschichtszeit- Insel in diesem weiten Meer der Publikatio- schriften am Kiosk und bei den Abon- nen deutlich macht und diese Nische sauber nenten variiert ebenso wie deren Sei- pflegt, desto mehr Aufmerksamkeit erregt tenumfang und Preis: Für das 2. Quartal man irgendwann. Gerade dieses Fokussie- 2013 meldete die zweimonatlich erschei- ren in dieser Flut von Interessen, die man nende, monothematische GEO Epoche für sich selbst zu selektieren versucht, wird 135.882 verkaufte Exemplare (davon dazu führen, dass special interest sich bei 41.522 Abonnenten), gerechnet ohne den Menschen weiter ausbilden wird.“ Sie Zweitverkauf älterer Ausgaben. DER beschränkt sich in ihrem Verlag nicht nur auf SPIEGEL Geschichte, der auch sechs- die klassischen gedruckten Buchvarianten, mal im Jahr erscheint und jeweils ein hi- sondern bietet darüber hinaus verschieden- storisches Themenfeld aufbereitet, ver- ste Endmedien für Inhalte an – wie Apps, kaufte 118.267 Ausgaben (davon 16.477 Präsentationen auf interaktiven Displays, KREATIVE: Der Redakteur Cay Rademacher (oben) Abonnenten). Die monatlich erscheinen- LED-Wänden und Tablets. arbeitet auch als Roman- und Sachbuchautor, den populärwissenschaftlichen und mul- die Archäologin Annette Nünnerich-Asmus (rechts) leitet Wer sich vielleicht schon zu Schul- und Stu- tithematischen Formate P.M. HISTORY einen altertumswissenschaftlichen Fachverlag dienzeit dafür interessiert, im Printmedien- und G/Geschichte fanden 48.549 Käufer bereich zu arbeiten, sollte bedenken: Abge- (davon 17.280 Abonnenten) bzw. 24.497 sehen von fachspezifischem Wissen ist es Käufer (davon 16.205 Abonnenten). cher einen Leserstamm, der durchschnittlich in der die Informationsdichte vieler Websei- wichtig, die unterschiedliche Arbeitsweise Eine noch spitzere Zielgruppe erreichen ebenfalls über 35 Jahre alt ist – wobei sich ten in direkter Konkurrenz zu Zeitschriften – einerseits im akademischen Betrieb, an- archäologische Fachzeitschriften: So die gesamte Bandbreite der Leserschaft vom steht? Die Hoffnung der Unternehmen sind dererseits in Zeitschriften und Verlagen zu veröffentlicht die Antike Welt, die sechs- Sechzehnjährigen bis zum Rentner erstreckt. kostenpflichtige Inhalte ihrer Geschichts- und verstehen. Genauso wichtig ist eine gute, all- mal im Jahr erscheint, keine Verkaufs- Die Käufergruppe seines Magazins kennt er Archäologie-Marken im Internet – Stichwort: gemein verständliche ‚Schreibe‘, die man in zahlen. Nach eigenen Angaben erscheint als „insgesamt gut ausgebildete, gut verdie- paid content. Viele Verlage betreiben diese Praktika oder Volontariaten bei Verlagen und sie mit rund 12.000 Druckexemplaren, nende Gruppe“. Bei P.M. HISTORY ist laut Angebote für ihre Printmarken bereits natio- Redaktionen erlernen und verbessern kann. die zwischen 20.000 und 30.000 Leser Verlagsangaben rund die Hälfte der Leser nal wie international mit unterschiedlichem Auch wenn die Zeiten für Wissenschafts- erreichen ­– wobei die Leserschaft meist zwischen 20 und 49 Jahre alt und hat Abitur Erfolg; sie versuchen so, die sinkenden Ver- journalismus gegenwärtig alles andere als um ein Mehrfaches höher ist als die tat- oder einen höheren Bildungsabschluss. kaufszahlen am Kiosk und wegbrechende einfach sind, kann nur guter Nachwuchs sächliche Käuferschaft der Printproduk- Anzeigenerlöse zu kompensieren. Ob dieses gewährleisten, dass es auch künftig einen te, weil jede Ausgabe immer von mehre- Wer auf Zukunft setzt, muss im Print und Modell auch für Special-Interest-Zeitschrif- qualitativ hochwertigen Journalismus für die ren Lesern genutzt wird. Zwar sind die mit digitalen Angeboten sichtbar sein ten im archäologisch-historischen Bereich Vermittlung von Archäologie und Geschichte Verkaufszahlen einzelner Geschichts- Früchte tragen wird, muss sich zeigen. geben wird. • zeitschriften hoch, doch insgesamt befin- Wie finanzieren sich die Printmedien in einer Annette Nünnerich-Asmus bekräftigt in die- det sich der Markt aktuell in schwierigem Zeit, in der Informationen im Internet schnell sem Zusammenhang die grundsätzliche Re- Fahrwasser: Beispielsweise haben P.M. und kostenfrei zu haben sind – in einer Zeit, levanz von gut recherchierten und seriösen Weblinks zu diesem Kapitel HISTORY und G/Geschichte innerhalb www.spiegel.de eines Jahres ­– im Vergleich zum zweiten www.pm-magazin.de Quartal 2012 ­– rund 12 beziehungswei- Qualität und Originalität allein sind keine www.nationalgeographic.de www.g-geschichte.de se 17 Prozent ihrer monatlich verkauften Auflage verloren. Titel wie GEO Epoche Garanten für Erfolg im Printjournalismus www.zabern.de/aw www.damals.de oder DER SPIEGEL Geschichte traf es zum 4. Quartal 2013 hart: Innerhalb ei- www.aid-magazin.de nes Jahres büßten sie rund 28 bezie- www.geo.de hungsweise 41 Prozent ihrer verkauften www.zeit.de Auflage ein. (Zahlen laut www.ivw.eu) www.na-verlag.de 18 19 Antike im Comic, Teil I Asterix und Caesars Gallischer Krieg ‒ Fiktion und historische Realität Antike im Comic, Teil I Asterix und Caesars Gallischer Krieg ‒ Seit 50 Jahren sind die Abenteuer der unbesiegbaren Gallier bei Kindern, Fiktion und historische Realität Jugendlichen und Erwachsenen ein Riesenerfolg ‒ und auch ein Medium, das archäologische und geschichtliche Fakten unterhaltsam vermittelt W ir schreiben das Jahr 1959 n. Chr. Das Römische Reich ist längst Geschichte. Das ganze Römische Reich? Ja. Nur ein kleiner Comic-Gallier erblickt das Licht der Welt in dem französischen Jugendmagazin Pilote: Asterix. Die Fortsetzungsgeschichte über den tapferen Krieger, der sich zur Zeit Caesars mit List, Humor und Zaubertrank dem übermächtigen Imperium der Römer widersetzt, entstammt der Feder des Zeich- ners Albert Uderzo (geboren 1927) und dem Wortwitz des Texters René Goscinny (1926‒1977). So erfolgreich war die Serie, dass schon zwei Jahre später das erste von bislang 35 Alben erschien. Nach dem Tod Goscinnys machte Uderzo alleine weiter. Asterix wurde bisher in über hundert Spra- chen und Dialekte übersetzt und verkaufte rund 300 Millionen Exemplare. Eine kleine kulturgeschichtliche Note am Rande: In Deutschland veränderten die Asterix-Comics die Einstellung gegenüber Comics im Allgemeinen drastisch. Früher wurden Comics als ‚Schundliteratur‘ betrach- tet, aber Asterix bewirkte eine intellektuelle Aufwertung des Genres. Weniger bekannt ist: Die erste deutsche, sehr freie Bearbei- tung der Abenteuer übernahm seit 1964 der Comic-Verleger Rolf Kauka (auch bekannt durch die die Figuren Fix und Foxi). Die Deutschen lernten Asterix zunächst unter ei- nem anderen Namen kennen: als „Siggi“, der mit seinem wohlbeleibten Freund „Babarras“ im Germanendorf „Bonhalla“ wohnte. Nach kurzer Zeit entzogen die französischen Ur- 20 21 AnTIKe Im cOmIc, TeIL I ASTERIx UND CAESARS GALLISCHER KRIEG ‒ FiKTiON UND HiSTORiSCHE REALiTäT gallier oder Kelten? Einst waren die Kelten und Gallier tatsächlich Antike griechische Autoren wählten als Bezeichnung für die Stämme, die von der der Angstgegner von Griechen und Römern Mittelmeerküste bis zu den Quellen der Donau siedelten, einen Sammelbegriff: kéltoi. Bei den Kelten handelte es sich also nicht um ein Volk oder eine Nation heber, die auch aufgrund von westdeutschen rühmtes Beispiel aus der Geschichte ist der TROUBADIX ist der feierfreudige im modernen Sinn, sondern um Gruppen, politischen Anspielungen die Werktreue in Gallierfürst Vercingetorix, der Gegenspieler Dorfbarde - den nur die eine ähnliche Kultur hatten. Gefahr sahen, Rolf Kauka die Rechte. Seit- Iulius Caesars im historischen Gallischen leider niemand singen her sind die Gallier auch in der deutschen Krieg (58 – 51/50 v. Chr.), von dessen Brutali- hören möchte Version wieder Gallier. tät so gar nichts in die Leichtigkeit der Comic- Das 35. Album, das im Oktober 2013 er- erzählung einfloss. MIRACULIX genießt schien (Asterix bei den Pikten), ist das erste, Auch der Name Obelix hat einen eigenen als weises Mitglied bei dem Albert Uderzo nicht mehr federfüh- Hintergrund: Er spielt möglicherweise mit der Druidenkaste bei rend war, und das von einem neuen Team dem Begriff „Obelisk“. Schließlich trägt der Galliern und Römern – dem Zeichner Didier Conrad und dem Tex- beleibte und starke Gallier oft einen riesigen höchsten Respekt ter Jean-yves Ferri – geschaffen wurde. Die Hinkelstein, der – in sehr freiem Vergleich Comic-Abenteuer erscheinen im Berliner Eg- – an die monolithischen Obelisken im Alten mont Ehapa Verlag. Ägypten erinnert, die von den alten Griechen Was an den Comics echte historische Rea- durchaus ein wenig ironisch als „Bratspieß- MAJESTIX versucht lität und was erfunden ist, haben namhafte chen“ bezeichnet wurden. Auch kurios: Der sich im Dorf als mächtiger Lokalherr- Altertumswissenschaftler in mehreren, sehr ganz ähnlich klingende Name Obbelexxus scher zu inszenieren, lesenswerten Veröffentlichungen festgehal- ist auf einem antiken südgallischen Votiv- zuhause gehorcht er ten: der Althistoriker Prof. Dr. Kai broder- blech überliefert. Allerdings wissen wir nicht seiner Ehefrau sen (Asterix und seine Zeit. Die große Welt genau, wann und wo das Objekt hergestellt des kleinen Galliers, 2001) und die nieder- wurde. Das Stück hatten die germanischen ländischen Geschichtsforscher René van Alemannen im dritten Jahrhundert n. Chr. auf VERLEIHNIX zeigt Royen und Sunnya van der Vegt (Asterix römischem Gebiet erbeutet – dann aber bei das aufbrausende ZEITZEUGE: König Attalos I. ließ auf der Akropolis – Die ganze Wahrheit, 2007). einem Gegenschlag der Römer während der Temperament, das von Pergamon (Bergama, Türkei) um 225 v. Chr. ein antike Quellen den Siegesmonument errichten. Es war mit Statuen von Besonders lustig wirken für kleine wie große Rheinüberquerung im Fluss verloren. Dieses Kelten zuschreiben Galliern geschmückt – der Volksstamm, gegen den Comicfans die Namen der gezeichneten Gal- „Obbelexxus-Blech“ ist heute im Historischen der Herrscher erbitterte Kämpfe führte. Von diesen lier. Dabei gibt es moderne Wortschöpfungen Museum der Pfalz Speyer ausgestellt. Figuren sind antike römische Kopien erhalten wie der AUTOMATIX ist für sogenannte Sterbende Gallier (Detail oben), der in wie bei dem auf seinen Profit schielenden Apropos Krieg: Tatsächlich trugen auch die die berühmte den Kapitolinischen Museen in Rom ausgestellt ist Fischhändler Verleihnix, bei dem Dorfälte- Gallier der Antike runde, eiserne Helme. Der gallische Waffen- sten Methusalix – in fast ähnlich hohem Al- griechische Geschichtsschreiber Diodor, der und Schmiedekunst ter wie der biblische Methusalem – oder bei im ersten Jahrhundert v. Chr. lebte, berichtet, zuständig Oft wird heute der durch Caesar berühmt dem auf Souveränität bedachten Häuptling dass diese oft mit Hörnern und Tierköpfen gewordene Begriff „Gallier“ gleichbedeu- Majestix. Asterix könnte sich aus dem grie- verziert waren. Ob allerdings auch Federn tend verwendet, wenn man von den kel- chischen „Asterískos“ ableiten und „Stern- oder sogar ganze Flügel wie bei Asterix die tischen Stämmen spricht, die im antiken OBELIX fällt als Kind chen“ bedeuten. Die Endung -rix an sich ist Helme schmückten, ist unbekannt. in den Zaubertrank Gallien lebten ‒ eine Region, die in etwa und ist seitdem der die modernen Staaten Frankreich, Belgi- allerdings tatsächlich keltisch. Dieses Suffix Die antiken wie auch die fiktiven Gallier tei- stärkste Mann im Dorf bedeutet so viel wie „König“ (lat. rex). Ein be- len einen ganz besonderen ‚Helm-Tick‘: In en und Teile der Schweiz umfasste. „Gal- lia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur.“ (De bello Gallico 1,1) 22 23 Antike im Comic, Teil I Asterix und Caesars Gallischer Krieg ‒ Fiktion und historische Realität Comicheld Obelix hatte einen Namensvettern, den wir aus einer antiken Inschrift kennen Asterix als Gladiator behält Obelix von jedem die langen Haare und Schnurrbärte sind römischen Legionär, den er besiegt hat, den historisch überliefert. Der Druide des klei- Helm – um das Stück als Beweis bei einem nen gallischen Dorfes, Miraculix, ist in den Wettbewerb gegen Asterix einzusetzen. Es Asterix-Geschichten häufig auf Bäumen an- geht darum, am Ende des Zweikampfs nach- zutreffen, um Misteln für den Zaubertrank zu weisen zu können, wer von beiden die mei- schneiden und damit seine Gallier unbesieg- sten Legionäre verprügelt hat. Diese amü- bar zu machen. Plinius der Ältere (ca. 24 – sante Episode beruht auf antiker Realität: 79 n. Chr.) überliefert in seinem enzyklopädi- Livius (um 59 v. Chr. – 17 n. Chr.) überliefert schen Werk zu Naturgeschichte und -kunde in seinem Werk Römische Geschichte, dass Naturalis Historia, dass Misteln wirklich zur ARCHÄOLOGISCHER BELEG: die Gallier gerne die Rüstungen und Waffen Herstellung von Arzneien verwendet wurden. Im Historischen Museum der Pfalz ihrer Feinde sammelten, um damit große Er schreibt auch, dass die Druiden weiße Speyer ist ein gallisches Weihge- Stapel auf den Schlachtfeldern zu errichten. Gewänder trugen und sie die Misteln mit gol- schenk zu besichtigen, in das der Diodor verdanken wir auch eine Beschrei- denen Sicheln schnitten – so wie Miraculix im Name Obbelexus eingraviert ist bung gallischer Kleidungsstücke: bunte, Comic! Und der stimmgewaltige, aber eben gestreifte und karierte Hemden, Hosen und nicht besonders talentierte Dorf-Troubadour Mänteln – Informationen, die Albert Uderzo Troubadix – seine Stammeskollegen empfin- etwa bei der Figur des Obelix mit dessen den seinen Gesang als derartige Qual, dass weiß-blau gestreifter Hose umsetzte. Auch er nur selten singen darf – dilettiert an einem EWIGE JUGEND: Asterix ist in den letzten fünf Jahrzehnten nicht gealtert, hat sich seit den ersten Abenteuern aber optisch weiter entwickelt ARCHÄOLOGISCHES ZITAT: Jahrtausende vor dem Gallischen Krieg wurden in Nordfrankreich während der sogenannten Megalith- kultur lange und kolossale Steinreihen und -kreise errichtet. Die Hinkel- steine, die Obelix auch mal gerne verschenkt, spielen auf diese Monumente an 24 25 Antike im Comic, Teil I Asterix und Caesars Gallischer Krieg ‒ Fiktion und historische Realität Was ist ein Comic? Im aktuellen Asterix-Band reisen die Gallier Die Historikerin Christine Gundermann (Foto rechts, Jenseits von Asterix. Comics an die Nordgrenze des Römischen Imperiums im Geschichtsunterricht, 2007) analysiert: „Der Comic ist ein eigenständiges Medium, das durch bildliche oder andere Zeichen durchaus antiken Zupfinstrument: der Leier feren Krieger gefragt haben, wovor sie denn charakterisiert wird, die zu räumlichen beziehungsweise Lyra. Angst haben. Einer antwortete: „Wir fürchten Sequenzen angeordnet sind. Ein Comic Wie sieht es bei Majestix aus, dem Häupt- nichts, als dass uns der Himmel auf den Kopf ist dann als solcher zu bezeichnen, wenn ling des Dorfes, der allen Befehle erteilt, fallen könnte!“ Offenbar hätte Alexander sich er unter diesem Namen publiziert worden selbst aber meist unter dem Pantoffel seiner geschmeichelt gefühlt, wenn die Krieger vor ist und Informationen vermitteln und Gemahlin Gutemine steht? Er gibt in Gefah- ihm Angst gehabt hätten. Doch um ihn nicht ästhetische Wirkungen beim Betrachter rensituationen immer das Bonmot zum Be- zu kränken, fügte der diplomatisch versierte erzeugen soll.“ Weiterhin muss ein Comic sten, dass die Gallier nichts zu befürchten Gallier hinzu, dass sie auf Erden nichts so zu aus Text, Bild und Symbol bestehen. Da haben – außer, dass ihnen „der Himmel auf schätzen wüssten, wie die Freundschaft ei- Comics Massenmedien sind, gibt es sie in den Kopf fallen“ könnte. Diesen Spruch ha- nes Mannes, wie er einer sei. Alexander war verschiedenen Genres und Ausführungen; ben sich jedoch nicht Goscinny und Uderzo zufrieden und beeindruckt. dies gilt auch für Geschichtscomics. In den Zeithistorischen Forschungen er- ausgedacht; die Asterix-Väter zitieren hier Selbstverständlich waren auch die Römer Ausgehend von der Art, wie der jewei- klärte Christine Gundermann jüngst die ein ganz konkretes historisches Ereignis: im Comic ein geeignetes Feld für Forscher, lige Comic mit Geschichte umgeht, hat Rolle von Asterix im Bildungsbereich: Als der makedonische König Alexander der um Fiktion und Realität miteinander zu ver- Christine Gundermann unterschiedliche „Entscheidend für die einzigartige Nutzung Große im Jahre 335 v. Chr. auf keltische gleichen: Der gefährlichste Feind der Gallier Gruppen zusammengestellt. Asterix ge- einer solchen Comicserie in Bildungs- Urahnen von Vercingetorix & Co. traf, soll ist in der Antike wie im Comic Iulius Caesar hört demnach zu mehreren Gruppen angeboten scheinen folgende Merkma- der wissbegierige und sicherlich überdurch- (100–44 v. Chr.). Von ihm erhaltene Porträts zugleich: Zunächst ist er – wie jeder Co- le gewesen zu sein: Erstens ermöglichte schnittlich selbstbewusste Eroberer die tap- vermitteln – wie alle Porträts aus der Antike – mic – ein „Quellencomic“; das bedeutet, es die enorme Popularität bei jugendli- er spiegelt die Zeit wieder, in der er ver- chen Lesern und Leserinnen, den Comic fasst wurde. Außerdem gehört er zu den als Motivationshilfe in Lernsituationen zu „Comic-Geschichtsgrotesken“, die aktu- verwenden. Zweitens ließen die Simulati- elle Lebensumstände an mehr oder we- on von Hochkultur durch die lateinischen niger historischen Schauplätzen ironisch Zitate, Kunstzitate sowie das scheinbar darstellen. Was Asterix zudem zu einer historische Setting und ein damit verbun- „historisierenden Abenteuer-Imagination“ denes komisches, aber konservatives macht: Der Plot spielt auf einer histori- Geschichtsverständnis den Comic ideal schen Bühne, ist aber nicht weiter mit zur Vermittlung historischer und kulturell den Zeitumständen verzahnt; meist ist die anerkannter Inhalte erscheinen. Drittens vordergründige Handlung frei erfunden. entsprach der Comic trotz seines ver- Oft sind die Abenteuer des kleinen Gal- meintlichen Bildungsanspruchs der gängi- liers aber auch ein „Comic-Epochalepos“; gen Vorstellung einer ‚lustigen Geschichte nämlich dann, wenn historische und er- für Kinder‘ sowie dem Klischee, das po- fundene Ereignisse miteinander verbun- pulärkulturferne Schichten von dem Medi- den und Plot sowie Zeitumstände mitein- um hatten, und löste damit wenig Berüh- IN SCHOTTLAND verbünden sich Asterix und Obelix in ihrem 35. Abenteuer, das am 24. Oktober 2013 erschien, mit ander verzahnt sind. rungsängste aus.“ den ebenso unbeugsamen Pikten im Kampf gegen die Römer und vereiteln zugleich eine lokale Stammesintrige 26 27 AnTIKe Im cOmIc, TeIL I ASTERIx UND CAESARS GALLISCHER KRIEG ‒ FiKTiON UND HiSTORiSCHE REALiTäT Die Comic-Fassung lässt leicht vergessen, wie brutal der Gallische Krieg in Wirklichkeit war nur, wie der Dargestellte gezeigt werden aber verdross ihn sehr, war sie doch dankba- wollte, aber nie, wie er wirklich ausgesehen res Objekt für die Witze seiner Widersacher, hat. Auch die Caesarporträts sind deshalb wie er oft erfahren musste. Daher hatte er keine Porträts, die wir wie Fotos als naturge- sich angewöhnt, die spärlichen Haare von treue Abbildung der Realität verstehen dür- dem Scheitel nach vorne zu kämmen.“ (Di- fen ‒ auch wenn einem die in der späten Re- vus Iulius 45, 2) publik und frühen Kaiserzeit geschaffenen, Diese Frisur trägt Caesar auch bei Asterix – energisch-militärisch wirkenden Caesarköp- wo er zwischen Charme und Cholerik pen- fe noch so realistisch erscheinen. Ein ech- delt, vermeintlich geniale Ideen von sich gibt, tes biografisches Detail scheint jedoch das mit Wortwitz besticht, um dann wieder den schüttere, bei den Porträts in Locken nach gnadenlosen Despoten zu geben. vorn gekämmte Haar zu sein. So erzählt Der Comic-Diktator macht durch der Geschichtsschreiber Sueton (um 70 die Leichtigkeit und Vielschich- CAESARS IDEALBILD: Vermutlich noch zu Lebzeiten ‒ 122 n. Chr.), der seine Leser in den tigkeit seiner Figur Lust darauf, entstand dieses Porträt, das Kaiserbiografien auch mit Skandalen mehr über den histo- der Herrscher wohl selbst ab- und Klatschgeschichten unterhalten rischen Caesar zu gesegnet hat. Das schüttere will: „Die Entstellung durch die Glatze erfahren. • Haar, der dünne, faltige Hals und die Alterszüge finden sich auch auf Münzdarstellungen Caesars wieder. Der in Tuscu- lum gefundene Kopf ist heute in Turin ausgestellt PRÜGELKNABEN? Caesars Legionäre waren eine übermächtige CAESARS COMICBILD: Kampfmaschine. Der Feldherr will in der Bei Asterix Asterix-Serie und deren Ver- sind sie filmungen die Gallier mit allen die Ver- Mitteln unterwerfen. Da er lierer aus militärischen Rückschlä- gen lernt, versucht er es mit Intrigen (Streit um Asterix), den Verlockungen der Zivilisation (Die Trabanten- stadt) oder auch mithilfe von Verbündeten (Der Kampf der Häuptlinge). Er hegt aber auch Sympathie für seine widerspenstigen Feinde, die ihm gelegentlich sogar helfen, sich an der Macht zu halten Weblinks zu diesem kapitel www.asterix.de • www.ehapa.de • www.ehapa-comic-collection.de 28 29 Interview Was denken zwei ASTERIX-Spezialisten über... Interview Was denken zwei Asterix-Spezialisten über... ...die Zielgruppe? Prof. Dr. Kai Brodersen Kai Brodersen ist der Überzeugung, dass Asterix mehr als nur eine Zielgruppe an- Professor für Alte Geschichte spricht: „Kinder, die sich über die Kloppereien freuen, ebenso wie gebildete Erwach- und Antike Kultur in Erfurt und sene, die beispielsweise die Text- und Bildzitate verstehen und den Geist der 68er Autor des Buches goutieren“. Dass zwei Zielgruppen zugleich angesprochen werden und „das für die Asterix und seine Zeit. jeweils andere Gedachte einfach ausblenden können“, sei das Geniale dabei. Thea Die große Welt des kleinen Galliers Schellakowsky sieht die Altersspanne „von acht Jahren bis unbegrenzt“. ...die Verkaufszahlen und die neuen Asterix-Zeichner? Nach wie vor gibt es die große Nachfrage nach Asterix. Kai Brodersen bewertet die Comics – „bis auf die ganz neuen Hefte“, die einen „über 50 Jahre alten Gaul“ reiten – als „Klassiker außer Konkurrenz“. Er hält den Erfolg für „unabhängig von neuen Zeich- nern“. Thea Schellakowsky betont, dass das aktuelle Asterix-Album ein „klassisches Reiseabenteuer“ ist, bei dem sie sich „viele neue und ‚alte‘ Fans erhofft“. Außerdem habe Uderzo mit den neuen Autoren „würdige Nachfolger gefunden“ – was den Erfolg der Serie weiterhin sichern werde. ...Chancen und Defizite von Asterix? Eine Chance sei, dass Asterix dazu einlädt, „sich mit der Antike zu beschäftigen“, Thea Schellakowsky meint Kai Brodersen. Defizite finden sich, seiner Einschätzung nach, keine, da die Pressereferentin für die Hefte „bewusst auch mit Anachronismen spielen“. Auch Thea Schellakowsky fällt es deutschen Asterix-Ausgaben schwer, Defizite zu finden. Sie sieht die Aufnahme gerade der Bände in lateinischer (ECC & EMA EGMONT Sprache an Schulen als Chance, mit der „die Kinder spielerischer an eine antike Spra- Verlagsgesellschaften mbH) che herangeführt werden können“. 30 31 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und Im fünften Jahrhundert v. Chr. wehrten die Griechen mehrfach persische seine umstrittene Version der Perserkriege Angriffe ab ‒ ein oft erzähltes Kapitel der Weltgeschichte. Neu ist, dass gerade Jugendliche sich wieder dafür interessieren, dank Comic und Kino D er bunte Strauß von Antike-Co- mics enthält auch eine dunklere Blume. Der US-amerikanische Comiczeichner und Autor Frank Miller (geboren 1957) ist unter anderem für eine 13-bändige Gewaltorgie berühmt-be- rüchtigt, die von 1991 bis 2000 veröffentlicht wurde: Sin City. Der gleichnamige Film aus dem Jahr 2005 – unter der Regie von Robert Rodriguez, Hollywoods Kultfilmer Quentin Tarantino und Frank Miller selbst – rief nicht nur Begeisterung bei Fans von Erwachse- nencomics hervor, sondern auch Kritik an der unmotivierten Brutalität der Handlung und Bilder. Wie für viele Künstler bedeuten auch für Frank Miller die Anschläge vom 11. September 2001 und das Trauma islamisti- schen Terrors ein Ereignis, das ihre Arbeit unmittelbar beeinflusst. Stichworte wie der moderne ‚Kampf der Kulturen‘ verbinden sich bei Frank Miller mit seinem Interesse für einen ganz alten ‚Ost-West-Konflikt‘: die ‚Perserkriege‘. Diese bezeichnen den Kampf der griechischen Stadtstaaten, die sich im fünften Jahrhundert v. Chr. gegen das eigent- lich übermächtige Perserreich zur Wehr setz- ten, um ihre Unabhängigkeit und Freiheit zu verteidigen. Auf dieser Grundlage entstand sein 1998 erschienener Comic 300: Millers Version der Schlacht bei den Thermopylen 480 v. Chr., als der Spartanerkönig Leonidas mit dreihundert Spartanern einen Engpass blockierte, um das nach Zentralgriechenland vorrückende Perserheer aufzuhalten ‒ und dafür bis zum letzten Mann kämpfte. Dieses Drama wird schon seit dem Altertum hero- 32 33 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege AUFTAKT: Im Jahr 480 v. Chr. fordert der persische Großkönig Xerxes die bedingungslose Unterwerfung der griechi- ERDE UND WASSER sollen die Spartaner den persischen Boten übergeben als Zeichen dafür, dass sie von nun an schen Städte. In Sparta treten seine Gesandten bereits als neue Herren auf (Filmszenen aus 300, USA 2006) zum Perserreich gehören. König Leonidas (Gerard Butler) und seine Gattin Gorgo (Lena Headey) sind empört isch verklärt. Laut dem Dichter Simonides kriege hätten ihm viele wohl nicht zugetraut. Diese waren eine Reihe hinter uns und zum – und der Lauf meines kreativen Lebens än- von Keos (557/556 ‒ 468/467 v. Chr.) soll auf In einem Interview für die Online-Plattform Ende des Films fragte ich: ‚Steve, werden die derte sich, weil es plötzlich nicht die Helden dem antiken Gedenkstein für die gefallenen UGO erzählte Frank Miller dem Journali- Guten verlieren?‘ Er: ‚Ich weiß es nicht. Frag‘ waren, die am Ende die Medaille bekommen Verteidiger ein Zweizeiler gestanden haben, sten Daniel Robert Epstein: „Ich habe diese Papa.‘ Also springe ich nach hinten und ich so wie bei Star Wars. Sie sind Leute, die das der in der Übersetzung von Friedrich Schiller Geschichte immer geliebt. Es ist die beste auch in Deutschland bekannt wurde: „Wan- Geschichte, die mir je in die Hände kam. Ich derer, kommst Du nach Sparta, verkündige war ein kleiner Junge, sieben Jahre alt, als Frank Miller macht den antiken Ost-West-Konflikt dorten, Du habest uns hier liegen geseh’n, wie das Gesetz es befahl.“ ich diesen schwerfälligen, alten Kinostreifen der 20th Century Fox sah: The 300 Spartans erst im Comic, dann als Kinofilm populär Frank Millers Faszination für den antiken (Anm. der Red.: In Deutschland lief der Film Kriegerstaat Sparta auf der griechischen Pe- 1962 unter dem Titel Der Löwe von Sparta). setzte mich neben meinen Vater und fragte: Richtige tun – ohne Rücksicht auf Verluste. loponnes geht auf Historienfilme zurück, die Ich saß neben meinem Bruder Steve, der ‚Papa, werden die Guten sterben?‘ ‚Ich für- (…) Ich las dazu immer mehr, dann ging ich er in seiner Kindheit sah. Dieses Faible für zwei Jahre älter ist als ich. (…) Wir waren che ja, mein Junge.‘ Ich setzte mich wieder nach Griechenland. Ich verbrachte dort drei das Altertum und die Schlachten der Perser- zu cool, um neben unseren Eltern zu sitzen. nach vorn und verfolgte das Ende des Films Wochen und studierte das Terrain, alte grie- 34 35 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege DAS IST SPARTA! Mit diesem Schrei tritt Leonidas seine Todfeinde in einen riesigen Brunnen. Im Comic (links) wie in der Filmfassung von Regisseur Zack Snyder (oben) wirkt dieser Schacht wie ein Höllenschlund, der die hinabgestoße- nen Perser verschluckt. Mit diesem historisch nicht belegten Akt endet die kurze Phase der Scheindiplomatie DIREKT IN DIE chische Schlachten, reiste zu den Thermopy- serkriege. Im März 2014 geht die Geschichte UNTERWELT: len – und saugte alles in mir auf. Ich lernte, weiter. Auf der Grundlage von Frank Millers Im Comic lässt Frank dass die Beschäftigung mit der Geschichte Comic Xerxes kommt der zweite Teil von 300 Miller seinen anfangs ein bisschen hart ist und dann zu ei- in die Kinos – unter dem Titel Rise of an Em- Helden Leonidas ner Schatzkiste wird.“ Und so inspirierten ein pire wird dieses Mal das Duell zwischen dem ausrasten. Der alter Sandalenfilm über die 300 Spartaner an athenischen Strategen Themistokles und König ist außer sich vor Zorn, da die Perser ganz selbstver- Der diplomatische Streit zwischen Spartanern ständlich davon ausgehen, dass und Persern entspringt Frank Millers Fantasie sich die Spartaner ergeben werden den Thermopylen Frank Miller zu seiner Ad- dem persischen Großkönig Xerxes rund um ‒ und dies auch aption 300, die im Jahr 2006 unter der Regie die Seeschlacht von Salamis 480 v. Chr. ins noch kampflos. Diese Gering- von Zack Snyder verfilmt wurde. Der Strei- Action-Bild gesetzt. schätzung des fen, mit Gerald Butler als Leonidas in der Kurz zur Handlung und dem Ort des Gesche- Kampfesmuts Hauptrolle, kostete 65 Millionen US-Dollar hens in 300: Xerxes' Streitmacht steht zum sowie die seiner und spielte weltweit über 445 Millionen US- Sturm auf Griechenland bereit, um das Land Kriegerkultur ent- gegengebrachte Dollar ein. 300 gehört damit zu den erfolg- zu einer Provinz seines persischen Imperi- Verachtung reichsten Kinoproduktionen aller Zeiten, al- ums zu machen. Lediglich König Leonidas I. kosten die Boten lein in Deutschland sahen über 1,5 Millionen von Sparta, seine 300 Mann und einige we- das Leben Zuschauer diese moderne Version der Per- nige Schwerbewaffnete (Hopliten) aus den 36 37 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege DVD: Der Film ist ab 16 Jahren freigegeben und wird von Warner Bros. vertrieben COMIC: 300 erschien 1998 in den USA bei Dark Horse Comics, hier 1999 zunächst im schreiber&leser- Verlag, seit 2006 im Cross-Cult-Verlag das noch in den Ohren: „Das ist Sparta!“ Da- Rossi Schreiber, die ehemalige Verlags- bei stößt der König einen Boten des Großkö- leiterin des schreiber&leser-Verlags betont, nigs Xerxes in einen Brunnenschacht – seine dass in Deutschland diese Recherchequali- Antwort auf das ‚Angebot‘ der Perser. Aber tät von großer Bedeutung sei. Fänden sich KRIEGERABSCHIED: Leonidas sieht seine Frau und seinen Sohn Pleistarchos zum letzten Mal, bevor er in die kann dies wirklich so gewesen sein? For- in einem Werk zu grotesk entstellte oder Schlacht zieht. Die Filmszene zitiert ein antikes Motiv, das in zahlreichen Vasenbildern und Grabreliefs überliefert ist. Das bekannteste Vorbild ist der Abschied des Trojaners Hektor vor seinem Zweikampf mit Achill in Homers Epos Ilias scher gehen davon aus, dass weder nach falsche Fakten, könnten auch gute Verkaufs- Athen noch nach Sparta jemals persische zahlen einen deutschen Verlag nicht dazu Boten geschickt wurden, um vor Ausbruch bewegen, für ein solches Werk eine Lizenz der Kämpfe 480 v. Chr. zu verhandeln. Wo- zu erwerben und es zu veröffentlichen. umliegenden griechischen Städten stemmen deren Seite vom Meer. Außerdem verengten mit wir mitten im Dilemma von Comics mit hi- Nicht nur hinsichtlich der Topographie, son- sich der persischen Übermacht entgegen – sich die Thermopylen an drei Stellen – den storischem Kontext stecken: Was kann man dern auch zur spartanischen Kultur scheint allen widrigen Orakelsprüchen, politischen „Toren“ – und waren dort nur zwischen drei Ränkespielchen in der Heimat und Beste- chungsversuchen der Perser zum Trotz. Für und fünfzehn Meter breit. Ein deutlicher Nachteil für ein großes Heer, gerade für die Wie ein zweiter Hektor nimmt Leonidas Abschied den Showdown werfen sie sich den Angrei- Perser, die nicht nur durch ihre schiere Mas- von seiner geliebten Familie ‒ für immer fern an dem einzigen Ort entgegen, den sie se besondere Wirkung erzielten, sondern gegen ein übermächtiges Heer zumindest zudem auf Bogenschützen und den Ein- glauben – und was ist künstlerische Freiheit? Frank Miller wirklich gut recherchiert zu ha- längere Zeit verteidigen können. Sie wählen satz berittener Soldaten spezialisiert waren. Eignen sich historische Comics überhaupt ben. Allerdings ist anzumerken, dass die dafür eine Engstelle in Mittelgriechenland, an Allerdings gab es auch viele kleine Pässe, für den Geschichtsunterricht? antiken historischen Quellen, die er studiert der auch warme Schwefelquellen entsprin- zu zahlreich, um alle abzusichern, was den Selbst Kritiker müssen Frank Miller und sei- hat, aus heutiger Sicht eher ein verklärtes gen, denen der Platz seinen altgriechischen Spartanern noch zum Verhängnis werden nem Werk 300 sicher positiv anrechnen, Idealbild der in Griechenland hoch angese- Namen verdankt: die Thermopylen ­ – die sollte – zumal, wenn ein Verräter aus den ei- dass er sich sehr um historische Korrektheit hen Spartaner darstellten: So ist zwar die „warmen Tore“. genen griechischen Reihen den Persern den bemühte. Nicht nur, dass der Autor Quellen agogé – die ‚Begutachtung‘ und ‚Auslese‘ Heute sieht der Ort ganz anders aus als zur Weg zeigt, die so die Spartaner bis auf den wie die Historien des antiken Geschichts- der Neugeborenen Spartas durch den Älte- Zeit von Leonidas. Damals war der Pass letzten Mann töten konnten… schreibers Herodot (um 490/480 – um 424 stenrat – historisch verbürgt und bei Frank taktisch gut gewählt – auf der einen Seite Wer die Kinoverfilmung von Frank Millers v. Chr.) zurate zog; er beschäftigte sich auch Miller auch so dargestellt. Anders verhält es begrenzt von steilen Abhängen, auf der an- 300 gesehen hat, hat den Schrei des Leoni- intensiv mit dem Alltagsleben der Spartaner. sich dagegen mit der auch von ihm verarbei- 38 39 AnTIKe Im cOmIc, TeIL II FRANK MiLLERS BESTSELLER 300 UND SEINE UMSTRITTENE VERSION DER PERSERKRIEGE durch Fremde war unmöglich, da eine steht also als Sklave auf der untersten Fremdwährung sofort aufgefallen Stufe seiner Gesellschaft und wird von wäre. Im Comic besteht einer der manchem Römer eher dem Vieh als spartanischen Beamten (Ephoren), den Menschen zugeordnet. So den Leonidas für dessen Gunst be- berichtet der römische Autor stechen möchte, darauf, dass der Varro (116 ‒ 27 v. Chr.) in König den schweren Geldbeu- seinen Ausführungen (De re tel weiterhin selbst trägt. Und rustica 1,17), dass es viele in der Filmversion schleppt Römer gibt, die die Werk- Leonidas den Sack mit der zeuge des Ackerbaus in Bestechungssumme auf eine drei Gruppen (instru- Bergspitze, auf der die Epho- menti genus) einteilen – RUND 170 KILOMETER NÖRDLICH VON ATHEN: Die Thermopylen (links im Bild), an denen sich 480 v. Chr. die Spartaner den Persern entgegenwarfen, liegen heute an der Autobahn, die ungefähr der antiken Küstenlinie folgt ren entrückt residieren – und das vocale („stimmhaf- schleudert ihnen die Barren te“), semivocale („mit vor die Füße, um unartikulierter Stimme“) sie für seine und mutum („stumme“): teten ‚Initiation‘: Nur Schriftquellen, die lange nicht etwa einen mündigen, eigenständigen Verteidigungs- „...das genus vocale, zu nach dem Niedergang Spartas entstanden, Staatsbürger in unserem Sinn heranzuzie- strategie zu ge- dem die Sklaven gehören, sprechen davon, dass spartanische Jugend- hen. winnen. Wo könn- das genus semivocale, zu liche für eine bestimmte Zeit alleine in der Einen ganz handfesten Unterschied zu heute te Frank Miller in der dem die Ochsen gehören, und Wildnis überleben mussten. Heute ist man hat Frank Miller bildlich in seinem Comic fest- antiken Literatur auf die idee zu das genus mutum, zu dem die Kar- eher skeptisch, ob es dieses Ritual wirklich gehalten: das Eisenbarrengeld. Denn Spar- dieser Szene gestoßen sein? Wahr- ren gehören.“ Der Sklave sei also je gegeben hat. Unbestreitbar ist, dass das tas Währung bestand aus schweren Eisen- scheinlich ist es nicht nur Zufall, nichts anderes als eine sprechende dass wir in der antiken Literatur noch Sache, die nur aus wirtschaftlichen Für den Comic recherchiert Frank Miller einen anderen Leonidas mit Geldbeu- tel finden. So lässt der römische Ko- Gründen zum Zweck der Profitma- ximierung gut zu behandeln sei... an den Originalschauplätzen in Griechenland mödiendichter Plautus (254 ‒ ca. 184 v. Chr.) in seinem Eselsspiel (Asinaria) Bei Plautus (Asinaria 490) zeigt sich der Grieche Leonidas empört über Leben der Spartaner auf Zusammenhalt, barren. So sollte der Gier der Bürger vorge- einen Kaufmann zögern, einem Sklaven das Misstrauen, die Diskriminierung, Ordnung und Disziplin ausgerichtet war. Vom beugt werden; statt das Geld zu horten, sollte einen Sack Geld anzuvertrauen. Und die ihm entgegenschlägt – er wehrt 7. bis zum 60. Lebensjahr bestand der Le- man es schnell wieder ausgeben. Zudem dieser griechische Sklave trägt bei Plau- sich mit den Worten: „tam ego homo bensinhalt eines spartanischen Vollbürgers waren die Spartaner sehr darauf bedacht, tus ausgerechnet den Namen des Grie- sum quam tu.“ „Ich bin ein Mensch nur aus Ausbildung, körperlicher Ertüchti- unter sich zu bleiben. Es gab Reiseverbo- chen, von dem damals wohl sehr so wie Du.“ – das Argument der gung und Kriegsführung. Ziel des Staates te – und die eigene, unhandliche Währung viele Menschen in der griechisch- Gleichheit aller Menschen er- war es, nur nützliche Tugenden zu fördern – erschwerte den Handel mit anderen Städ- römischen Welt seit Kindesbeinen gehört innert an den philosophischen vornehmlich Ausdauer und Gehorsam – und ten. Ein weiterer Aspekt: Offene Bestechung hatten: Leonidas. Der Komödien-Leonidas Grundsatz, den schon die griechischen ABSEITS DER TOURISTENPFADE: Ein 1968 errichtetes Standbild für König Leonidas im modernen Sparta 40 41 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege KAMPFTECHNIK: Einst sicherten die Spartaner und ihre Verbündeten den Engpass wohl in einer Schlachtreihe. Frank UMSETZUNG IM FILM: Die Szene orientiert sich auf den ersten Blick stark an der Comicvorlage (links), doch die Zahl Miller macht daraus eine vor Lanzen und Schilden strotzende Abwehrformation, die an römische Legionäre erinnert der Kämpfer ist geringer und auch die strenge Ordnung der Lanzen wie Schilde fehlt Sophisten erörterten. Doch Leonidas mag in der „Mensch“ eben eher verschlagen wie ein keit des Menschen knapp auf den Punkt zu seines berühmten Namensvetters, König der Komödie des Plautus noch so sehr dar- Wolf, eine Bestie… bringen. Dabei ist der antike Sinnzusammen- Leonidas I. von Sparta. auf pochen – sein Gegenpart, der Kaufmann, Der englische Mathematiker und Staatstheo- antwortet mit dem berühmt gewordenen Satz (Asinaria 495): „lupus est homo homini, non retiker Thomas Hobbes (1588 ‒ 1679) bezog sich in der Widmung seines Werks Über den Leonidas ist im Comic wie im Film der geniale homo, quom, qualis sit, non novit.“ „Ein Wolf ist ein Mensch dem Menschen, nicht ein Bürger (1642) auf diesen antiken Dialog – und verwendete den Ausdruck „homo homini und tapfere Kopf eines menschlichen Bollwerks Mensch – wenn er nicht weiß, wie beschaf- lupus“, um den Zustand des Menschen zu fen er ist.“ – nur dann könne man einander beschreiben, bevor es Staaten und damit Zi- hang jedoch aus dem allgemeinen Bewusst- Damit zurück zu 300 und Frank Miller: Bei vertrauen, wenn man sein Gegenüber ken- vilisation gab. In dieser knappen, umformu- sein verschwunden – höchste Zeit also, sich seiner Darstellung der spartanischen Kul- ne. Grundsätzlich sei aber das Misstrauen lierten Fassung – „Der Mensch ist dem Men- wieder einmal an den griechischen Sklaven tur springen dem kundigen Betrachter auch angebracht, denn mit dem philosophischen schen ein Wolf“ – wurde der Ausspruch dann Leonidas und sein Schicksal zu erinnern, das Fehler ins Auge. So hat der Comicautor bei- Begriff homo (griech. ánthropos) kann der zu einem geflügelten Wort, das als Zitat bis so viel weniger Glanz und Ruhm in der Nach- spielsweise die für antike (und auch manche Kaufmann nichts anfangen: Prinzipiell sei heute verwendet wird, um die Unmenschlich- welt erfahren hat als das Leben und Sterben modernen) Verhältnisse durchaus bemer- 42 43 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege Außerdem wurden sie in Wirtschaft unter- richtet, da sie als zukünftige Ehefrauen allei- nige Hofherrinnen auf dem Gut ihres Mannes wurden und gut wirtschaften mussten. Nur so waren alle Abgaben und Steuern zu decken; andernfalls hätte die gesamte Familie ihren Vollbürgerstatus verloren. Im Gegensatz zu anderen griechischen Frauen heirate- ten Spartanerinnen erst spät und die Ehe mit mehreren Männern war ihnen gestattet. Frauen waren erbberechtigt und geschäfts- fähig. Verstarben sie im Kindbett, wurden sie öffentlich geehrt, genauso wie ein im Kampf gefallener Spartaner. Auch die Darstellung von Religion und Staatswesen fällt in 300 mehr als dürftig aus. Die Spartaner galten im übrigen Griechen- land als tapfere Kämpfer, aber auch als fei- RICHTIGE KLEIDUNG FÜR DIE SCHLACHT? Das spartanische Outfit der Film-Spartaner ist ebenso eine Mischung ge Krieger. Denn ihnen hing der Ruf nach, aus antiken Idealvorstellungen und moderner Fantasy ist wie die Uniform der vermummten persischen Elitesoldaten zu wichtigen Schlachten gar nicht erst zu erscheinen – wofür dann entweder ein un- heilvoller Orakelspruch oder ein Feiertag als HOSEN-TRÄGER ALS BOGENSCHÜTZEN: Die Perser kenswerte Rolle der Frau im alten Sparta selbstbewusst aufgetreten zu sein. Im Comic Begründung galt. Die Spartaner waren tiefre- und die mythischen Amazonen werden auf griechischen völlig außer Acht gelassen. Genau genom- tritt sie jedoch nur als schmückendes Bei- ligiös. Das ist nicht weiter verwunderlich; Vasen und Reliefs in orientalischer Kleidung abgebildet men treten bei Frank Miller ohnehin nur zwei werk auf, und selbst dieser kurze Auftritt be- ihre Verfassung wurde immerhin durch das Frauen in Erscheinung: ein in Trance tanzen- steht nur aus der Verabschiedung ihres Gat- Orakel von Delphi selbst für gut befunden und der Halbgott Herakles galt als Urvater ten Städten war üblich. Seher und Priester Die orientalischen Gegner erinnern an der Spartaner. Zu ihren wichtigen religiösen Festen, beispielsweise den Karneen zu Eh- genossen in Sparta höchstes Ansehen – was man beim Blick in Millers Comic so nicht ver- Ninja-Krieger und islamistische Kämpfer ren des Gottes Apollon Karneios, war jede Kriegshandlung untersagt, ähnlich wie wäh- muten würde. Vielmehr stellt dort König Leo- nidas seinen Verstand über die alten Götter rend der Olympischen Spiele. Die höchsten und das Orakel. des Orakel und Gorgo, die Gattin des Leoni- ten. Tatsächlich jedoch genossen die Frauen Götter Spartas – Zeus, Herakles, Apollon Der Vergleich des politischen Systems im das. Gerade letztere war dafür bekannt, sich in Sparta eine Sonderstellung. Genau wie bei und Athena – repräsentierten die spartani- Comic mit den historischen Quellen zeigt, bereits als Kind in die Staatsgeschäfte ihres ihren männlichen Mitbürgern wurde ein ho- schen Tugenden, und die Übernahme von dass Frank Miller hier stark vereinfacht und Vaters eingemischt zu haben und immer sehr her Wert auf körperliche Ausbildung gelegt. weiteren geeigneten Gottheiten aus erober- teilweise sogar verfremdet hat. Werden die 44 45 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege Ephoren im Comic als eigene, willkürliche Priesterkaste dargestellt, so waren sie doch in der antiken Wirklichkeit gewählte Vertreter des Volkes, Wächter der Gesetze und ein Gegenpol zum Doppelkönigtum. Auch dass es einen Ältestenrat sowie eine Volksver- sammlung gab, fällt bei Miller unter den Tisch. Da aber nur ein geringer Teil des Comics in Sparta spielt, kann man davon ausgehen, dass dieser Teil der spartanischen Kultur be- wusst übergangen wurde – vor allem da es sich bei der Regierungsstruktur Spartas um ein eher kompliziertes System handelt, das die meisten Leser im Detail auch nicht wirk- lich interessieren dürfte. Auch im Hinblick auf das blutige, aber be- sonders im antiken Sparta eben auch den Alltag bestimmende Kriegshandwerk findet der Leser bei Frank Miller wieder beides vor: SCHMUCK, PIERCINGS, KAHLES HAUPT: Diese antike MANN-FRAU-GOTT: Der Perserkönig Xerxes tritt in Comic und Film (Rodrigo Santoro) wie ein lebendiges Götterbild Dämonendarstellung erinnert an Xerxes aus 300 auf. Der hünenhafte Herrscher will die Unterwerfung des Leonidas mit Versprechungen erkaufen historische Korrektheit und künstlerische Leonidas versus Xerxes: Ein freier Krieger Kunst geübt, mit wenigen Worten möglichst viel zu sagen – die auch in unserem Sprach- bereits ein einziges „mangelhaft“ dazu führte, dass der Auszubildende seinen Vollbürger- unterwirft sich niemals einem Tyrannen gebrauch berühmt gewordene ‚lakonische‘ Ausdrucksweise, benannt nach der antiken status verlor. Zwar war man dann noch ein freier Bürger, aber deutlich eingeschränkt in Landschaft Lakonien im Süden der pelo- seinen Rechten. Freiheit. Im Comic wird beispielsweise die schaften spielten und lernten die Jungen; ponnesischen Halbinsel, auf der auch Sparta Auch die 300 Mann starke Truppe der kór- spartanische Verfassung thematisiert: Spar- sie aßen einfache, aber kräftige Gerichte lag. Die Ziele waren Gehorsam gegenüber oi, eine Art Leibwache von König Leonidas, tas Vollbürgern waren sowohl handwerkliche – wurden aber angeblich auch zum Stehlen den Herrschenden, körperliche Stärke sowie war in der spartanischen Ordnung fest ver- als auch kaufmännische Berufe verboten, angehalten, um sich vor Hunger zu schützen. militärische Ausbildung, um in der Schlacht ankert. Sie setzte sich aus dreihundert 20- so blieb ihnen nur das Kriegshandwerk. Das Wurde man erwischt, folgten schlimmste Be- zu siegen. Es ging um Training, Leistung und bis 30jährigen Soldaten zusammen, die dem Leben eines Spartaners war ab dem siebten strafungen – nicht wegen des Diebstahls, Disziplin. Wie ernst es den Spartanern mit König in Kriegszeiten zur Seite stand. Was Lebensjahr vollständig auf Gemeinschaft und sondern wegen der Erfolglosigkeit des Un- diesen Grundtugenden war, wird deutlich, allerdings die Ausrüstung der Spartaner im nicht auf eine individuelle Erziehung ausge- ternehmens. Schreiben und Lesen galten wenn man bedenkt, dass die Jungen inner- Comic angeht, kann man relativ sicher sein, richtet. In Wohn-, Speise- und Schlafgemein- als weniger wichtig; stattdessen wurde die halb ihrer Gruppen auch benotet wurden und dass sie alles andere als realistisch ist. Frank 46 47 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege ALTE UND NEUE SPARTANER: Die Archäolo- giestudentin Carina Fitzek hat sich von Frank Miller inspirieren lassen. Für die vorliegende Veröffentlichung zeichnete sie, wie ein Spartaner im fünften Jahr- hundert gekämpft haben könnte (links) und wie er in 300 gezeigt wird (rechts) Kein antikes Porträt des Leonidas blieb erhalten, ANTIKE WIRKUNG: Wie griechische Feldherrenporträts in ihrer ursprünglichen Farbigkeit ausgesehen haben könnten, hat der Archäologe Vinzenz Brinkmann auf der Grundlage einer Bronzestatue aus Riace (Italien) rekonstruiert Vergleiche geben uns eine Vorstellung davon Miller lässt die Spartaner bei den Thermopy- Bildnisse. Das darf nicht weiter verwundern. einer Skulptur aus dem fünften Jahrhundert Betrachtet man die Darstellung der Perser in len quasi nackt auftreten: Sie tragen meist Denn Nacktheit und Schultermantel waren v. Chr., die einen behelmten Schwerbewaff- 300 sieht es ganz ähnlich aus: Frank Miller nichts außer ihren roten Schultermantel, typische (künstlerische) Stilmittel der grie- neten zeigt – ziemlich sicher einmal bemalt hält sich einerseits an Beschreibungen bei Helm, Arm- und Beinschienen, sowie even- chischen Heroen- und Kriegerverehrung, war. Leider ist aber nicht bekannt, auf welche Herodot als auch an diverse griechische Va- tuell einen Lendenschurz. Zu ihren Waffen da ein echter Held dem Feind auch nackt Weise – sodass aktuell noch offen bleibt, ob senbilder, die Perser zeigen. Ganz typisch zählen Kurzschwert, Speer und Rundschild. gegenüber getreten wäre. Allerdings wissen die Statue vielleicht ursprünglich einen auf- zeichnet er sie in ihren bunt gemusterten Ge- Geschichtlich verbürgt ist hingegen, dass die wir heute auch, dass die meisten Statuen gemalten Panzer trug oder nicht. Vielleicht wändern, als Reiter und mit Pfeil und Bogen spartanischen Hopliten wie der Rest der grie- einst bemalt waren. Im Interview mit Prof. inspirierten derartige Funde Frank Miller bei bewaffnet. Ganz anders verhält es sich mit chischen Hopliten einen Brustpanzer trugen. Dr. Vinzenz Brinkmann, dem Direktor der der Gestaltung seiner Comic-Spartaner. Viel- dem Gegenspieler des Leonidas: Großkönig Wieso also erlaubte sich Frank Miller an Antikensammlung der Liebighaus Skulp- leicht wollte er aber auch das Wesen dieser Xerxes. Frank Miller inszeniert ihn nicht in dieser Stelle derartige Gestaltungsfreihei- turensammlung in Frankfurt am Main, ließ Krieger unterstreichen. Es ist jedenfalls auf- der klassischen persischen Bildsprache, wie ten? Recherchiert man nach antiken griechi- sich klären, dass die sogenannte Leonidas- fällig, dass das Aussehen seiner Spartaner wir sie beispielsweise aus dem Palast von schen Statuen, so findet man meist nackte Statue im Museum von Sparta – der Torso sehr an moderne Superhelden erinnert. Persepolis (heute Nähe Shiraz, Iran) kennen, 48 49 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege Die harte Erziehung der Kinder in Sparta wird als nackter Kampf ums Überleben dargestellt sondern als Fantasy-Gottkönig mit Piercings schreiber und Geschichtenerzähler, dass Xe- Im Gegensatz zu seiner Xerxes-Figur geht Aber wieso übertrieb Herodot so bei sei- und sonstigem Körperschmuck übersät: ein rxes – in der festen Überzeugung, Herr der Frank Miller wieder sehr historisch korrekt nen Angaben? Herodot war kein neutraler größenwahnsinniger junger Mann als genau- Naturgewalten zu sein – das Meer zur Strafe mit der Streitmacht der Perser um – wie sie Geschichtsschreiber, sondern Grieche aus es Gegenteil zu dem im wahrsten Wortsinn für die Zerstörung einiger Brücken auspeit- in den antiken Schriftquellen überliefert ist. Halikarnassos (heute Bodrum, Türkei) und „spartanisch“ gekleideten König Leonidas. schen ließ. Allerdings spricht das Zeugnis Jedoch muss er sich dabei auch wieder auf dementsprechend auch daran interessiert, Der Comicautor mag hier der antiken grie- des Herodot vor allem für die Voreingenom- die Schilderungen bei Herodot stützen, bei seine Kultur ins rechte Licht zu rücken. Und chischen Einstellung Rechnung getragen ha- menheit der Griechen und nicht dafür, dass dem von einem 5.283.220 Mann starken was könnte die überlegene Kriegskunst der ben, in der Körperschmuck und dessen Dar- dieses Ereignis wirklich so stattgefunden hat. persischen Heer sowie von 1.207 Kriegs- Spartaner besser belegen als die Tatsache, stellung ein Mittel der Abgrenzung, manch- Historisch ist diese Antihaltung nachvollzieh- und Versorgungsschiffen die Rede ist. Lan- dass sich 300 von ihnen mehrere Tage lang mal sogar des Spotts waren. Jedenfalls ist bar, denn dass Xerxes bei seinem Kriegs- ge Zeit auch von Historikern für bare Münze einer über 17.000fachen Übermacht entge- Frank Miller mit seiner Version des Xerxes in zug gegen Hellas auch vieles in Schutt und genommen, gehen moderne Forscher von genstellten und auch nur aufgrund von Verrat bester antiker Gesellschaft: Schon bei Hero- Asche legte sowie zusätzlich noch die Sta- einer deutlich kleineren Streitmacht aus – die letztendlich verloren? Ein weiteres Problem dot wird der junge Xerxes wenig schmeichel- tuengruppe der Tyrannenmörder, eines der jedoch für die griechischen Stadtstaaten im- ist, dass Herodot die Perserkriege nicht per- haft porträtiert. In der berühmt gewordenen wichtigsten politischen Denkmäler Athens, mer noch eine gewaltige Übermacht gewe- sönlich miterlebt hat, sondern erst Jahrzehn- „Geißelung des Meeres“ (Historien 7, 33 als Beute nach Persien entführte, dürfte sen sein muss: etwa 100.000 bis 200.000 te später aus zweiter Hand nacherzählen ‒ 35) erzählt der griechische Geschichts- kaum seinen Ruf verbessert haben. Krieger und maximal 600 Schiffe. konnte. Für die große Übertreibung gibt es VOM JUNGEN ZUM MANN: Frank Miller erzählt in 300 seine Version der abenteuerlichen Geschichten, welchen Här- FILM-PARALLELE: Der düstere Gegner mit Klauen wie Eisen und funkelnden Augen wirkt übermächtig – ein Höllen- ten sich die jungen Spartaner während ihrer Erziehung unterzogen. Der 15jährige Leonidas wird in der Wildnis ausge- hund. Leonidas greift zu einer List: Ganz ähnlich wie später im Kampf gegen die Perser am Engpass der Thermopylen setzt – allein mit seinen physischen Fähigkeiten, seinem Einfallsreichtum und seinem Überlebenswillen. Schneeflocken zieht sich der Spartaner in einen Felsspalt zurück. Hier kann er sich dem Angreifer frontal entgegenstellen. Ihn erfasst umtanzen den fast unbekleideten Jungen, der bei Einbruch der Nacht plötzlich einem riesigen Wolf gegenübersteht. keine Angst, alle seine Sinne und Kräfte sind in Alarmbereitschaft – und er durchbohrt den Wolf mit seinem selbst ge- Leonidas weiß, dass er nur siegreich, als wahrer Spartaner nach Hause zurückkehren kann ‒ oder gar nicht machten Speer. Als König wird Leonidas später einen Wolfszahn um den Hals tragen, als Symbol von Stärke und Härte 50 51 AnTIKe Im cOmIc, TeIL II FRANK MiLLERS BESTSELLER 300 UND SEINE UMSTRITTENE VERSION DER PERSERKRIEGE Mann starke Leibwache des Großkönigs in der ganzen damaligen Welt berühmt. Na- türlich waren diese Krieger nicht unsterb- lich, aber dieser Eindruck könnte dadurch entstanden sein, dass die Truppe immer aus 10.000 Mann bestand: Verwundete und Tote wurden sofort durch neue Kämpfer er- setzt. Ihre Ausrüstung bestand neben Schild, MÄCHTIGE BEAMTE: In der vereinfachten Hierarchie von 300 muss sich Leonidas den Ephoren unterordnen Speer und Bogen aus den typischen buntge- musterten Gewändern der Perser – nicht aus schwarzen Roben und Masken. Auch hier ist aber noch einen weiteren Grund. Nie zuvor in offensichtlich, dass Frank Miller die 10.000 der Geschichte war eine so gewaltige Streit- „Unsterblichen“ als Gegenstück zu den 300 macht aufgestellt worden. Und dies versuch- Leibwächtern von Leonidas designte und te Herodot durch seine vermeintlich präzisen durch das extravagante Outfit das Mysterium und hohen Zahlen zu vermitteln. um diese Truppe unterstrich. Auch Frank Miller lässt bei der Darstel- Doch auch die unterschiedlichen Kriegstakti- lung der Vielfalt und Größe des persischen ken, die Miller in seinem Comic 300 schildert, Spartas Regierungssystem war klar definiert, im Detail allerdings sehr kompliziert KONTROLLIERTE KONTROLLEURE: Die Vernetzung der verschiedenen staatlichen Institutionen – bis hin zu den Göttern als oberster Instanz – führte in der Geschichte Spartas immer wieder zu schweren politischen Krisen Heeres keine Wünsche offen: berittene kommen nicht von ungefähr, denn die Per- Speerkämpfer, persische Bogenschützen, ser waren berühmt für ihre psychologische Kriegselefanten aus Indien und natürlich die Kriegsführung. Herodot berichtet davon, 10.000 „Unsterblichen“, die Eliteleibgarde dass Xerxes versuchte, die Griechen zu de- tärs waren bei den Persern offensichtlich Reichtum, Frauen und einen Posten im per- von König Xerxes persönlich. Allerdings hat moralisieren, indem er ihre Kundschafter im üblich. Derartige Geschichten baut Frank sischen Heer seine eigenen Landsleute ver- sich Miller auch hier im Detail einige künst- Lager herumführte, um ihnen die Überlegen- Miller auch im Comic ein: Xerxes bittet Kö- rät und von Xerxes mit offenen Armen auf- lerische Freiheiten erlaubt. Sowohl im Comic heit seines Heeres zu demonstrieren. Oder nig Leonidas um eine Unterredung, in der genommen wird. In der antiken Realität gab als auch im Film werden die „Unsterblichen“ dass die Perser vor Beginn der Schlacht bei er sowohl auf seine Übermacht hinweist als es einige griechische Generäle und Adlige, in exotisch anmutenden schwarzen Gewän- den Thermopylen abwarteten – in der Hoff- ihm auch Land, Macht und eine hohe militä- die es ihm gleichtaten. Daraus ergab sich die dern und mit silbernen Masken gezeigt – auf nung, dass die Griechen sich ohne Kampf rische Stellung als Preis für dessen Loyalität absurde Situation, dass in der Schlacht bei den ersten Blick könnte man sie eher für ja- geschlagen geben würden. anbietet. Leonidas kann dieser Versuchung den Thermopylen mehr Griechen auf Seiten panische Ninjas als für antike persische Eli- Auch Bestechung und die Aufnahme von bei widerstehen, nicht aber der von den Spar- der Perser kämpften als auf Seiten Griechen- tekrieger halten. Tatsächlich war die 10.000 den Griechen in Ungnade gefallenen Mili- tanern verstoßene Ephialtes, der für Besitz, lands. 52 53 Antike im Comic, Teil II Frank Millers Bestseller 300 und seine umstrittene Version der Perserkriege Frank Miller bemühte sich also um vermeint- erwähnten Eisenbarrengeld zählen hierzu West-Konflikts hineininterpretieren lassen. liche historische Korrektheit, die er vor al- auch der Flötenspieler, der dem marschie- Neue Nahrung erhielt diese Kritik durch sei- lem durch historische Details, enge Arbeit renden Heer den Takt angab, und die wich- nen Comic Holy Terror (2011), in dem islami- an Originaltexten und sogar wörtliche Zitate tige Figur des Geschichtenerzählers, der in stische Terroristen versuchen, eine westliche unterstrich. Prominente Beispiele hierfür sind der spartanischen Kultur hoch angesehen Großstadt zu zerstören. die Antwort von König Leonidas auf die Auf- war, da dieser sich darauf verstand, die Mo- Unabhängig davon, ob diese Vorwürfe wirk- forderung hin, seine Waffen niederzulegen: tivation der Truppen durch geeignete Ge- lich auf einer politischen Haltung Frank Mil- „Kommt und holt sie euch!“ – sowie die knap- schichten zu wecken und Krieger in seinen lers beruhen oder auf bloßer künstlerischer pe Erwiderung des spartanischen Kriegers Geschichten unsterblich zu machen. Von Provokation ‒ ein Autor muss nicht unbedingt Dienekes auf die Drohung eines persischen daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Meinung seiner agierenden Figuren ver- Boten, dass ihre Bogenschützen so zahlreich Dilios, der engste Vertraute des Leonidas, treten. Sicher ist: Frank Miller, dem auch ger- seien, dass deren Pfeile die Sonne verdun- bei Frank Miller eben dieses Amt bekleidet. ne Europafeindlichkeit angelastet wird, stellt keln würden: „Dann kämpfen wir im Schat- Ein weiteres Detail, über das sich manch ein die Griechen in seinem Comic sehr positiv ten!“ Dabei fällt jedoch Folgendes unter den Leser wundern könnte, ist die Tatsache, dass dar. Er orientierte sich in seiner Inszenierung SCHÖPFER: Frank Miller, hier am Filmset von 300, strebt Tisch: Millers Hauptquelle Herodot ist selbst sich im Comic die spartanischen Krieger vor und damit auch Haltung ganz nah an Hero- keine dokumentarische Korrektheit im Sinne historisch- natürlich voreingenommen und bezieht klar der Schlacht die Haare kämmen. Was zu- dot und anderen historischen Quellen. Daher archäologischer Forschung an. Seine spannende und moderne mediale Form der Präsentation machen ihn je- kann man Spekulationen über die persönli- doch auch für die pädagogische Vermittlung von Themen In 300 stecken zahlreiche Details zur Geschichte che Meinung des Autors zwar im Hinterkopf behalten, sollte das Werk aber nicht leichtfer- rund um die Perserkriege zu einer Figur, mit der sich eine Beschäftigung im Unterricht lohnt – vielleicht gerade der Perserkriege und viel künstlerische Freiheit tig als ideologisches Machwerk abstempeln. Letztendlich können historische Comics wie wegen seiner kontroversen Art der Inszenierung für die Griechen Partei. Viele seiner Angaben nächst beinahe lächerlich anmutet, ist eben- 300 natürlich nicht den aktiven Geschichts- bereitet, also als Comic mit lustig überzeich- dienen dazu, die Leistungen der Griechen zu falls geschichtlich verbürgt. So kann man bei unterricht ersetzen; sie könnten aber even- neten, sympathischen Figuren. „Heroic Fan- überhöhen und die der Perser kleinzureden. einigen Historikern nachlesen, dass die Haa- tuell durchaus – vielleicht auch nur in Aus- tasy“, durchaus auch mit historisch verbürg- Damit ist der historische Wert des antiken re der einzige Schmuck der Spartaner waren zügen – genutzt werden, um das Interesse tem Hintergrund, könne sich ebenfalls immer Geschichtsschreibers nicht geringer; seine und deshalb vor jeder Schlacht kunstvoll ge- der Schüler am historischen Stoff zu wecken. einer festen Leserschaft sicher sein. Comics Aussagen sind jedoch, mit diesem Vorwis- kämmt wurden. Alles in allem handelt es sich Ähnlich sieht es auch Rossi Schreiber. Auf als reinem Lernstoff würde die erfahrene sen, mit Vorsicht zu genießen. bei Frank Millers 300 um eine „realgeschicht- die Frage, wie sie den zukünftigen Markt für Verlagsleiterin jedoch keine großen Chancen Gerade der vielen historischen Details wird liche Comicnacherzählung“, wenn man der Comics mit Themen der Antike einschätze, einräumen. 300 ist in dieser Sparte sicher man sich erst bewusst, wenn man sich et- Typisierung der Buchautorin und Historikerin antwortet sie, dass sie solche Comics eher eines der prominentesten und gelungensten was mit der Kultur Spartas auseinander- Christine Gundermann folgt. als ein Spartenprogamm sehe. Es komme Beispiele. Man merkt dem Comic die Mühe gesetzt hat. Zwar weist 300 auch größere Frank Miller ist in den vergangenen Jahren auf die Interpretation der Künstler an. So be- an, die darauf verwendet wurde. Und: Der Unstimmigkeiten auf, umso überraschender immer wieder angefeindet worden, unter arbeiteten die Franzosen oder Belgier immer Comic bietet dem aufmerksamen Leser bei ist dafür aber die extreme Detailverliebtheit anderem wegen angeblich islamfeindlicher die gleichen Themen, wie beispielsweise der Zweitlektüre – nachdem man sich mit des Comics, die sich in hohem Maße der Au- Züge, die sich ‒ je nach Lesart von 300 ‒ „Tempelritter“ oder „Kreuzzüge“. Gerade für der Kultur Spartas auseinandergesetzt hat – thentizität rühmen darf. Neben dem bereits sogar in seine Darstellung des antiken Ost- Kinder werde die Antike oft als „Funny“ auf- noch die eine oder andere Überraschung. • Weblinks zu diesem Kapitel www.warnerbros.de • www.cross-cult.de • www.liebieghaus.de 54 55 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus – Blut, Sand und Gladiatoren Für die Sklavenhaltergesellschaft des alten Rom war der Aufstand des Gladiatoren Spartacus der schlimmste Albtraum. In der antiken Literatur spielten derartige Revolten keine große Rolle – wer wollte damals schon gerne über Ereignisse lesen, die die eigene Welt zum Einsturz bringen könnten? Populär wurde das aus vielerlei Blickwinkeln bemerkenswerte historische Ereignis erst in moderner Zeit, als das Leben des Spartacus durch die Brille zeitgenössischer politischer Ideen betrachtet wurde. Ver- filmungen zu Spartacus, wie jüngst eine gleichnamige US-Serie, avancier- ten im Kino und TV zu Blockbustern, vor allem bei Jugendlichen. Heute ist der Name des Spartacus wieder in aller Munde... E s sind berühmte Sätze wie „Ich bin sonen der Weltgeschichte; er ist auch vielen Spartacus!“, die Leinwandhelden Menschen ein Begriff, die sich ansonsten unserer Zeit unsterblich machen. weniger für Altertum und Archäologie begei- Doch wo begann ihre Reise und wie stern. Grund dafür sind vor allem die moder- kamen sie zu uns ins Fernsehen? nen Filmfassungen seines Lebens: Die Kinos Bereits in den 50er Jahren belebte eine fol- haben ihn geliebt und auch das Fernsehen genreiche Neuerung die Flimmerkiste und liebt ihn. sorgt seitdem für reichlich Spannung in den Im Gegensatz zu anderen historischen Figu- Wohnzimmern: die Fernsehserie (lat. series ren, die uns oft in Film und Fernsehen be- für Reihenfolge oder Kette). Sie lässt den Zu- gegnen (Kleopatra, Augustus, Nero usw.), schauer zunächst in das Leben von US-Mit- wissen wir überhaupt nicht, wie Spartacus telschichtfamilien eintauchen (Father Knows aussah; auch nur sehr wenige Beschrei- Best, 1954), wechselt dann aber bald das bungen seines Charakters sind in antiken Genre und wird zu abenteuerlichen Western- Quellen überliefert. Deshalb wird seine Figur (Gunsmoke, 1952) und Krimiserien (77 Sun- seit jeher von einem neuzeitlichen Helden- set Strip, 1958). Mit The Simpsons (1989) verständnis überlagert, da sie sich wegen eroberte ein gezeichnetes, gesellschaftskriti- der Lücken in der Überlieferung so gut als sches Genre die Bildschirme weltweit. Unser Projektionsfläche moderner Vorstellungen Augenmerk gilt nun allerdings einem Kino- eignet. und TV-Format, in dem eine antike Heldenfi- Die zweite Karriere des Spartacus beginnt gur die Hauptrolle spielt: Spartacus. bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Spartacus (gestorben 71 v. Chr.) ist als An- Theaterstück Gladiator von Robert Montgo- führer eines Sklavenaufstands im Römi- mery Bird (Uraufführung 1831) liefert einen schen Reich wohl eine der populärsten Per- Prototyp unseres Helden, gespielt von Edwin KLASSISCHES DUELL: Kirk Douglas (rechts) spielte in Stanley Kubricks Spartacus (1960) die Rolle seines Lebens. In dieser Szene kämpft er in der Gladiatoren- schule von Capua mit dem Netz- und Dreizackkämpfer Draba, dargestellt von US-Zehnkämpfer Woody Strode 56 57 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren Vom Pummelchen zum Muskelprotz: Spartacus ist der Fleisch gewordene Traum vom Mann Forrest, dessen charakteristisches Ausse- füllig, steht Andy Whitfield mit einem makel- hen uns bis ins 21. Jahrhundert begleiten losen, muskulösen und austrainierten Körper wird. Es folgen italienische Verfilmungen wie für heutige Schönheitsideale. Wir müssen Spartaco (Italien, 1913) von Giovanni Enrico Spartacus also als eine Projektionsfläche der Vidali und der gleichnamige Film von Ricar- Moderne verstehen. Dies gilt aber nicht nur do Freda aus dem Jahr 1953. Hollywood- für sein Aussehen, sondern auch für die nur Rebell Kirk Douglas hat in Spartacus – Rebel vermeintlich antiken Ideale, für die er in den against Rome von Stanley Kubrick (USA, Verfilmungen kämpft. Um dieses Phänomen 1960) die Rolle seines Lebens. besser greifen zu können, lohnt ein Blick in Vom Theater-Spartacus des 19. Jahrhun- die Werke antiker Autoren, die Spartacus aus derts bis zum modernen Spartacus des ihrer Sicht beschreiben. 21. Jahrhunderts, verkörpert durch Andy Whitfield in der TV-Serie Spartacus – Blood and Sand (USA, 2010), muss die Figur des War Spartacus ein Barbar oder ein Helden zwingend Charakterzüge haben, Stratege mit kulturellem Hintergrund? die ihn als den charismatischen Gladiator wiedererkennbar machen: den markant ent- Der historische Spartacus wird lediglich schlossenen Blick oder auch seinen gren- von einigen antiken Geschichtsschreibern zenlosen Mut. Dann gibt es Elemente, in erwähnt, im Zusammenhang mit dem Skla- denen sich die jeweiligen gesellschaftlichen venkrieg (auch als „Spartacus-Aufstand“ be- Normen und der Zeitgeist widerspiegeln. Be- kannt). Appian, der im zweiten Jahrhundert sonders auffällig ist der körperliche Wandel: n. Chr. aktiv ist, berichtet beispielsweise über Wirkt Spartacus für unseren heutigen Ge- die wütenden Bürgerkriege der spätrepubli- schmack zunächst noch robust und etwas kanischen Zeit (Rhomaiká 14,116 – 121). Plutarch, ein griechischer Historiker aus dem ersten Jahrhundert n. Chr., geht in seinen Biographien auf das Leben des römischen GLADIATOR ALS SUPERMODEL: In der italienischen Produktion Spartaco (1913) spielte Mario Guaita-Ausonia Feldherren Crassus (Crassus 8 – 11) ein, die Hauptrolle (links). Kirk Douglas (rechts) war 1960 der gegen Spartacus kämpfte. Beiden Quel- nicht nur Spartacus, sondern auch der Produzent des len ist gemein, dass sie als Schriftsteller für Streifens. Er verpflichtete den damals noch unbekannten das römische Publikum schrieben – also Stanley Kubrick als Regisseur und Dalton Trumbo als Drehbuchautor. Trumbo gehörte zu den ‚Hollywood Ten’, die Gegner des Spartacus, für die jedoch die sich geweigert hatten, über eine etwaige Mitglied- der Sklavenführer (wenn auch als Trauma) schaft in der kommunistischen Partei auszusagen, längst Geschichte war. Obwohl sie auch äl- deswegen seit 1948 Haftstrafen verbüßten und auch tere Quellen für ihre Version der Ereignisse später Anfeindungen ausgesetzt waren verarbeiteten, ist diese Parteilichkeit in der 58 59 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren AUSBRUCH: Die Gladiatorenschule von Capua wird in Spartacus (USA, 1960) als streng bewachte, von hohen Zäunen AUFMARSCH: Regisseur Stanley Kubrick lässt ein Heer von Statisten in Legionärsrüstung antreten. Die Entschei- umgebene Kaserne gezeigt. Als die Gladiatoren fliehen können, riskieren sie gerne ihr Leben – für die Freiheit dungsschlacht zwischen der Sklavenarmee und den Römern gehört zu den aufwendigsten Szenen der Filmgeschichte Bewertung ihrer Aussagen immer mit zu be- Gladiatorenschule im kampanischen Capua. Frau. Sie ist es, die Spartacus‘ Berufung storiker können aufgrund der Schriftquellen denken; aus dem Umfeld des Spartacus und Der griechische Schriftsteller Plutarch liefert voraussieht und bis zum Ende des Krieges die wichtigsten Eckdaten und Etappen des seiner Getreuen sind keine Aufzeichnungen uns hingegen einen mehrschichtigen Bericht. bei ihm bleibt. Der Held wird bei Plutarch so Sklavenaufstands unter Spartacus rekon- erhalten. In seiner Biographie stellt er Spartacus als Der Historiker Appian konzentriert sich auf- Gegenfigur zu dessen militärischem Gegner fallend darauf, Spartacus als aufständischen Crassus dar. Plutarch spricht dem eigentlich David gegen Goliath: Spartacus und die Sklaven Barbaren darzustellen, der als Anführer der Sklavenarmee einen ehrlosen und brutalen am Rand der griechischen Welt aufgewach- senen Sklavenführer ein gewisses Maß an brechen aus – das Imperium schlägt zurück Krieg gegen Rom geführt habe. Er berich- Kultiviertheit zu – er sei „hellenischer als sei- tet hauptsächlich vom Kriegsgeschehen an ne Geburt“; er betont dessen „stolzen Sinn auf einen quasi vorbestimmten griechisch- struieren: Der Thraker – offenbar nomadi- sich, spricht aber weniger von Details zur und dessen Kraft“, aber auch „Verstand und heroischen Sockel gestellt – und somit na- scher Abstammung – wurde als Kämpfer an Person des Spartacus. Wir erfahren ledig- Herzensgüte“. Erstmals bekommt Spartacus türlich auch zu einem würdigen Gegner für die Gladiatorenschule des Batiatus in Capua lich von seiner thrakischen Herkunft, seiner eine familiäre Einbindung: Plutarch erwähnt Crassus inszeniert, der ihn und dessen verkauft. Im Jahr 73 v. Chr. brach er von dort Gefangennahme und der Aufnahme in eine dessen „mit prophetischer Kraft begabte“ „schändlichen“ Aufstand vernichten wird. Hi- mit zahlreichen anderen Gladiatoren aus. 60 61 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren DIE TODGEWEIHTEN GRÜSSEN sollen die Gladiatoren gerufen haben – eine moderne Legende. Szene aus Spartaco (Italien, 1913), bei Grape- vine als DVD erhältlich HEIMKINO: Die DVD Spartacus (USA, 1960) ist bei Universal erschienen Die Zahl seiner Mitkämpfer variiert in den mischen Joch. Inwieweit Spartacus konkrete Quellen; Plutarch beispielsweise spricht von politische Pläne verfolgte und vielleicht sogar 78 Kämpfern. Durch Überfälle und Raubzüge einen eigenen Staat gründen wollte, wissen konnten sich die Gladiatoren bewaffnen und wir nicht. Crassus, der als neuer römischer ausrüsten. Sie wählten Spartacus zu einem Oberbefehlshaber Spartacus schwer zu der drei Anführer der Revolte. Die Aufstän- schaffen machte, führte schließlich die ent- dischen erhielten immer mehr Zulauf: Entflo- scheidende Schlacht gegen die Sklavenar- hene Sklaven schlossen sich an, aber auch mee: das Gefecht, in dem Spartacus fiel. DAS KLEINE KOLOSSEUM: Aufgrund einer Inschrift datieren Archäologen den Bau des Amphitheaters in Capua viele verarmte, landlose Freie, Landarbeiter (heute Santa Maria Capua Vetere, Italien) nach 138 n. Chr. Gut erhalten ist der Bereich des ehemaligen Kampfbodens, der einst mit Sand (lat. harena) bedeckt war. In der Nähe befand sich die Gladiatorenschule der Stadt und Hirten. Nur so – und aufgrund des offen- sichtlich vorhandenen taktischen Geschicks Der Sklavenführer starb wie ein Märtyrer – ist es zu erklären, warum die Armee des am Kreuz ‒ aber nur im Kinofilm Spartacus nicht nur römische Milizen ver- zum Verrat des Judas und zur Hinrichtung seinen Leichnam) identifizieren. Als Sparta- nichtend schlug, sondern auch zwei offizielle Die Sterbeszene, wie sie Appian überliefert, Christi hat: So hockt Spartacus alias Kirk cus aufsteht, um sich für das Leben seiner Heere der Prätoren Clodius und Varinus, die macht Spartacus zu einem mutigen Gladia- Douglas mit seinen überlebenden Anhängern Gefährten zu opfern, erhebt sich ein anderer ihm der Senat entgegensandte. Spartacus tor, der in vorderster Reihe seinen Tod auf nach der Niederlage auf dem Boden. Sie er- und ruft: „Ich bin Spartacus!“. Immer mehr fol- kämpfte sich mit seinem Heer in Richtung heroische Weise findet. Plutarch berichtet warten, bereits in Ketten, welches Urteil die gen seinem Beispiel, schließlich stehen alle. Alpen durch und besiegte bei Mutina (heu- nur ganz lapidar, dass er – während seine te Modena, Italien) sogar eine 10.000 Mann starke römische Armee. Warum Spartacus Gefährten fliehen – am Ende alleine steht und niedergehauen wird. Fakt ist: Tausende Wo Spartacus & Co. kämpften, bauten die nicht den nun freien Weg nach Norden ein- schlug, bleibt ein Geheimnis der Geschichte. Aufständische starben bei dieser Schlacht, viele weitere tausend wurden gefangenge- Römer später eine Arena für 50.000 Zuschauer Er wählte 71 v. Chr. den Weg nach Süden, nommen und gekreuzigt. Für die Macher von siegreichen Römer gefällt haben. Crassus Crassus erkennt seine Ohnmacht gegen die- wollte wohl mithilfe der kilikischen Piraten Spartacus (USA, 1960) war das Wenige, das will Gnade walten und die Rebellen weiter sen Freiheitswillen und diese Solidarität. Er nach Sizilien übersetzen, dort die Sklaven- wir über das Ende des berühmten Rebellen und wieder als Sklaven leben lassen („Skla- lässt alle ans Kreuz schlagen – auch Sparta- aufstände neu entfachen – und vielleicht aus der Antike wissen, zu unspektakulär. Sie ven wart ihr und Sklaven bleibt ihr!“), unter cus, der von keinem seiner Männer verraten auch eine neue Heimat finden, frei vom rö- dachten sich eine Szene aus, die Parallelen einer Bedingung: Sie sollen Spartacus (oder wurde... → 62 63 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren FÜNF OSCARS gewannen Gladiator (USA, 2000) und dessen Regisseur Ridley Scott. Die DVD ist bei Universal erschienen ERKENNTNISSE über die Aufzugssysteme im Unter- geschoss des Kolosseums (oben rechts) brachten die ACTION: Als Ex-Legionskommandant Maximus muss sich der Gladiator (USA, 2000), gespielt von Russell Crowe, im Forschungen des Deut- Kolosseum mit brutalen Gegnern und wilden Tieren herumschlagen, die aus Geheimtüren im Boden springen schen Archäologischen Instituts in Rom unter Leitung von Dr.-Ing. Heinz- Jürgen Beste. Zusammen mit seinem Team konnte er drei verschiedene Sys- Welches Leben führten Spartacus & Co. und Sterben antiker Gladiatoren gewährten teme rekonstruieren, die als Gladiatoren? In einer Gladiatorenkaser- vor wenigen Jahren Forschungsarbeiten dort ab der Errichtungszeit um 80 n. Chr. bis in das ne, einem sogenannten ludus, lebten die der Medizinischen Universität Wien. Bereits vierte Jahrhundert n. Chr. angelegt wurden. In einem Korridor ließen Die berühmteste aller Arenen steht noch heute sich 28 Aufzugskäfige nachweisen; sie dienten im Zentrum der Ewigen Stadt: das Kolosseum dazu, Tiere bis zur Größe einer Raubkatze oder eines Bären in die Arena Gladiatoren tagtäglich mit ihren Schicksals- 1993 hatten Archäologen nahe des römi- zu transportieren (links). Später wurden diese genossen. Es wurde zusammen gegessen, schen Stadions von Ephesos (heute Efes, Käfige durch verlängerte gewaschen, geredet, trainiert – aber auch Türkei) einen Friedhof mit Gladiatorengrab- Rampen ersetzt (rechts) intrigiert, verletzt, gekämpft und gestorben. steinen entdeckt. Seit 2001 wurden die dort Bisher einmalige Einsichten in das Leben geborgenen Skelettreste im Rahmen einer 64 65 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren STOLZ BIS IN DEN TOD: Gladiatorenszenen stammen in Ephesos oft von Grabbauten, die sich die Kämpfer schon zu Lebzeiten errichten ließen. Oben: Das Grabre- lief des Palumbus, gestiftet von seiner Witwe Hymnis im zweiten Jahrhundert n. Chr., zeigt den Gladiator in der Bewaffnung eines murmillo. Der Palmwedel in seiner LUFTBILD EINER KULTURMETROPOLE: Nördlich des ausgegrabenen Stadtzentrums der griechisch-römischen Stadt Hand betont seine Sieghaftigkeit. Rechts: Der Fundzu- Ephesos (heute Efes, Türkei) und des großen Theaters, das auch aus dem Neuen Testament bekannt ist, befanden sammenhang dieser Gladiatorenreliefs ist unklar; sie sich monumentale Sportstätten, unter anderem das Stadion, ein Gymnasion sowie der antike Gladiatorenfriedhof zeigen Duelle eines secutor gegen einen retiarius interdisziplinären Kooperation des Zentrums dazu gedrehte BBC-Dokumentation befeu- Training gereicht wurde. Weniger heldenhaft getarier? Unter dauerndem Psycho-Strom? für Anatomie und Zellbiologie der Medizi- erte die Schlagzeilen. Besonders spannend war eine andere Folge dieser breiigen Ernäh- Und ging auch Spartacus oft zum Zahnarzt? nischen Universität Wien, des Österreichi- sind die Erkenntnisse zur Ernährungsweise rungsweise, die wohl die Knochenbildung Tatsache ist jedenfalls, dass bei den Toten schen Archäologischen Instituts und des der Kämpfer, die man bisher nur aus antiken verstärken sollte: Die Gladiatoren litten unter aus Ephesos keinerlei Anzeichen für eine Instituts für Analytische Chemie und Lebens- Schriftquellen rekonstruieren konnte. So ent- starkem Kariesbefall und müssen überdurch- Mangelernährung festgestellt wurden. Sie mittelchemie der Universität Wien wissen- deckte man, dass sich in den Knochen der schnittlich oft Zahnschmerzen gehabt haben. waren wohlernährte und eher rundliche Män- schaftlich untersucht. Die Forscher konnten Gladiatoren im Vergleich zur Normalbevölke- die sterblichen Überreste von mindestens rung eine doppelt so hohe Konzentration des 67 Individuen identifizieren. Es handelt sich chemischen Elements Strontium angesam- Ein Gladiatorenfriedhof in Ephesos entpuppte – mit einer einzigen Ausnahme – um Män- ner im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Die melt hatte. Daran war wohl auch eine fleisch- arme Gladiatorendiät schuld, die aus Gerste sich als große archäologische Sensation durchschnittliche Körpergröße der Gladiato- und Bohnenbrei bestand. Antike Autoren ren betrug 168 cm (+/-5); dies entsprach in bestätigen diese anthropologische Aussage. Die österreichischen Wissenschaftler ma- ner, die eine ausreichende und proteinreiche etwa auch der durchschnittlichen Körpergrö- Sie überliefern einen römischen Spottna- chen dafür auch eine chronische Speichel- Ernährung genossen. ße der damaligen männlichen ephesischen men für Gladiatoren: den Begriff hordearii reduktion aufgrund von permanentem psy- Die Forschungsergebnisse belegen aber Bevölkerung. Die Forschungsergebnisse (Gerstenfresser). Dazu kam eine Art antiker chischen Stress verantwortlich. Waren die auch, wie gut die Kämpfer medizinisch ver- sorgten für weltweites Interesse; eine eigens Energydrink – ein Aschetrunk, der nach dem römischen Helden der Arena also dicke Ve- sorgt wurden: Mehrere Schädel weisen auf 66 67 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren Österreichische Archäologen und Mediziner rekonstruierten Training und Alltag der Kämpfer gut verheilte Verletzungen hin. Auch sehr kelmann widmete einen großen Teil seines komplizierte Knochenbrüche wurden meist Lebens der Erforschung der Gladiatur. In fachgerecht behandelt – Jahre bevor der Tod seinem im Jahr 2000 veröffentlichten Beitrag kam. Auch diese Ergebnisse werden durch Das Spiel mit dem Tod. So kämpfen Roms antike Schriftquellen bestätigt: Der berühmte- Gladiatoren schildert er ausführlich Waffen- ste Arzt im Römischen Reich, Galen aus Per- gattungen, Kampftaktik, Ablauf der Kämpfe gamon (um 200 n. Chr.), hat nach Angaben und zuletzt: den Tod des Gladiators in der historischer Quellen viele Jahre in einem lu- Arena. Jeder Gladiator war einer Waffen- dus gearbeitet; auch Masseure gab es in den gattung zugeordnet (lat. armaturae), die ein ludi. Die Fürsorge eines lentulus (Besitzer der festes Set an Rüstungsteilen und Angriffs- Gladiatorenschule) war jedoch weniger hu- waffen besaß. Dabei konnte es durchaus manitärer, sondern vor allem ökonomischer passieren, dass ein Gladiator im Laufe der Natur: Nur ein gut ausgebildeter und gesun- Karriere die Waffengattung wechselte. Fest der Gladiator konnte in der Arena höhere vorgegeben war außerdem die Paarkonstel- Preise erzielen – und seinem ludus Ehre ma- lation der Duellierenden. Besonders beliebt chen. Neben diesen vorsorglichen Annehm- war das ‚asymmetrische Duell‘, bei dem ver- lichkeiten bestand der Alltag eines Gladiators schiedene Waffengattungen gegeneinander letzten Endes aber hauptsächlich aus hartem antraten, mit vermeintlich gleichen Chancen: Training und der Ausbildung für den Kampf. Netzkämpfer (lat. retiarius) vs. Verfolger (lat. secutor), ‚Thraker‘ (lat. thraex) vs. Schwerbe- waffneter (lat. murmillo). Die Gladiatoren litten an deformierten Knochen und entzündeten Sehnen Experimentelle Archäologen widerlegen Als Beweis einer starken Muskulatur haben unsere Vorstellungen von den Duellen Forscher an den Skeletten aus Ephesos so- genannte muscle marker an Arm- und Bein- Marcus Junkelmann hat sich auch mit der TRAININGSSPUREN: Auf der Grundlage der Funde VERLETZUNGSSPUREN: Viele Knochenfunde aus knochen gefunden – Muskelansatzspuren, aus dem Friedhof von Ephesos haben österreichische Ephesos weisen Wundmale auf, die durch Waffen Kampftaktik auseinandergesetzt und Kämp- wie sie nur durch ein geregeltes, kontinuier- Forscher am menschlichen Skelett Stellen markiert, verursacht wurden. Die meisten dieser Verletzungen fe nachgespielt – mit detailgetreuen Kopien liches Training entstehen. Wieder ergänzen die sich bei Gladiatoren durch den täglichen Drill an sind mehrfach und an mehreren Skeletten zu sehen. antiker Gladiatorenausrüstung. Ein wichtiges den Knochen und Muskeln verändert haben Für diese Grafik sind sie an einem Körper dargestellt die Aussagen antiker Autoren den archäolo- Ergebnis: Die Kämpfer kreuzten niemals ihre gischen Befund. Sie schreiben, dass die Gla- Klingen wie in den Verfilmungen, denn die diatoren mit Holzwaffen geübt und hölzerne bereitet wurden. In den großen Gladiatoren- Doch wie sah ein Gladiatorenkampf der Schwerter waren viel zu kurz. Und: Es gab Pfähle (lat. pali) als Ziel benutzt haben. Im schulen wie in Rom oder Capua bekamen sie spätrepublikanischen Zeit (2./1. Jahrhundert auch keine Hiebe mit weit ausholenden Be- Allgemeinen wird vermutet, dass sie wie Le- wohl zusätzlich ein speziell auf ihre Waffen- v. Chr.) in der historischen Wirklichkeit aus? wegungen, denn derartige Aktionen hätten gionäre trainierten und auf den Kampf vor- gattung zugeschnittenes Einzeltraining. Der Experimentalarchäologe Marcus Jun- den Gladiator aufgrund seiner schweren Rü- 68 69 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren So starben die Helden der Arena von Ephesos stung viel zu schnell ermüdet und seine Dec- kung zu weit geöffnet. Auch wenn es weniger spektakulär klingen mag: Antike Gladiatoren nutzten dieselbe Taktik wie viele moderne Boxer – durch eine geschickte Abfolge von Deckung und Attacke warteten sie auf den richtigen Moment, um Treffer zu landen. Eine festgesetzte Kampflänge gab es vermutlich nicht, doch der Schiedsrichter konnte Unter- brechungen beispielsweise zur Wundversor- gung veranlassen. Wie endete der Kampf? Es gab mehrere Möglichkeiten: Erstens, wenn das Duell aus welchen Gründen auch immer abgebrochen wurde, kam es zu einem Unentschieden. Zweitens, wenn einer der Kontrahenten im Kampf starb. Oder wenn es drittens einen Sieger gab, der dann den Besiegten töten musste oder am Leben lassen durfte. Unentschiedene Kampfausgänge waren selten. Ebenfalls nicht alltäglich war der Fall, dass ein Gladiator im Kampf tödliche Verletzungen erlitt und sofort starb. Denn er wurde ja nicht nur im Angriff, sondern auch in Ausweichbewegungen trainiert. Im Falle einer Niederlage lag die Urteilsgewalt über sein Leben zwar offiziell beim Ausrichter der Spiele; tatsächlich hat wohl oft die Stimmung des Publikums entschieden. Im Falle einer Hinrichtung gab es genaue Vorgaben: Der Besiegte musste – sofern er noch die Kraft dazu hatte – kniend seinen bloßen Hals darbieten, damit ihm ein Schwert durch die Kehle bis ins Herz getrieben werden konnte. Diese Szene ist auch durch Mosaikdarstel- lungen und Reliefs belegt. War der Todge- RETIARIUS GEGEN SECUTOR: Links sind die Waffen eines Netzkämpfers zu sehen. Ungewöhnlich ist die vierdornige Stichwaffe (quadrens). Damit und mit einem Dreizack wurden secutor-Kämpfer (rechts) schwer verwundet, wie Funde aus Ephesos zeigen 70 71 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren Auf den Knien ereilte sie der Gnadenstoß weihte zu sehr geschwächt, wurde er auch am Boden liegend getötet. Der Sieger erhielt einen Palmzweig, ein Preisgeld und drehte, von Musik und dem Jubel des Publikums be- gleitet, eine Ehrenrunde. Auch der römische Schriftsteller, Philosoph und Politiker Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) begeisterte sich für diesen „heldenhaften“ Tod in der Are- na. Er feierte ihn – in einer seiner warnenden Hasstiraden gegen Marc Anton und den Ver- fall des Staates – in der dritten Philippischen Rede als vorbildhaft für das Sterben an sich: „Ihr kennt die Unverschämtheit des Antonius, kennt seine Freunde, kennt sein gesamtes Geschlecht. Bei genusssüchtigen, frechen, lasterhaften, schamlosen Würfelspielern, Trinkern Knecht zu sein, das ist das höch- ste Elend, vereint mit der höchsten Schande. Wenn also schon – die Götter mögen dieses Vorzeichen abwenden! – das Verderben des Gemeinwesens kommt, was edle Gladiato- ren tun, dass sie ehrenhaft unterliegen, lasst uns tun, als Herren aller Länder und Völker, dass wir lieber mit Würde unterliegen, als in Schande Knechte zu sein.“ (Philippica 3, 35) Es ist eine Ironie der Geschichte, dass hier – nur wenige Jahrzehnte nach dem Tod des Sklavenführers – Cicero fast wie ein Bruder im Geiste des Spartacus klingt… Rund ein Jahrhundert nach Cicero erhob sich eine andere prominente Stimme der rö- mischen Literatur, die allerdings wesentlich kritischer das Treiben in der Arena kommen- tiert und vermutlich auch stellvertretend für die Meinung zahlreicher Römer steht. → THRAEX GEGEN MURMILLO: Originalfunde zur Bewaffnung der beiden Gladiatorentypen aus dem Römischen Reich werden in diesen Darstellungen um Knochenfunde aus Ephesos ergänzt, die Wundmale durch Dolch- und Schwertstiche aufweisen 72 73 Antike im TV, Teil I Der Mythos Spartacus ‒ Blut, Sand und GLadiatoren Die Realität des Tötens in der Arena zeigt uns: Das Alte Rom ist uns ferner als wir oft glauben Sterben als Entertainment war für die er ein Mörder, so hat er sein Schicksal ver- Mehrheit kein moralisches Problem dient. Aber – Unseliger! – was gibt Dir das Recht, dabei zuzuschauen? ,Töte, schlag Der Philosoph Lucius Annaeus Seneca (ca. zu, verbrenne ihn! Warum stürzt er sich so 1 – 65 n. Chr.) prangerte die Beiläufigkeit an, angstvoll gegen das Schwert? Warum haut mit der Menschen im Amphitheater getötet er auf den anderen so zaghaft ein? Warum wurden – als Pausenfüller für Zuschauer, die stirbt er so ungern? Man schlage sie, bis sie durch konstanten Blutrausch abgestumpft sich gegenseitig verwunden! Brust an Brust, und gelangweilt waren. Die geschätzte und nackt die Brust – so sollen sie beide den Kampfkunst spielte bei diesen Massakern Schwertstößen des Gegners sich bieten!‘ keine Rolle mehr: „Durch Zufall geriet ich Aber es ist doch Pause! ,So soll man derwei- in eine Mittagsvorstellung. Ich erwartete len den Menschen die Kehle durchschnei- harmlose Spiele, allerlei Scherze, kurz, eine den, damit wenigstens etwas geschieht!‘“ Erheiterung, die die Menschen nach dem (Epistulae Morales Ad Lucilium 7, 3 ff.). Die- Anblick von Menschenblut wieder beruhigt – se Aussagen von antiken Zeitgenossen, die das Gegenteil trat ein. Alle vorigen Kämpfe Seneca fast im Sinne moderner Tonaufnah- waren dagegen sanfte Barmherzigkeit: kein men präsentiert und kommentiert, beleuch- bisschen Scherz, der reine Menschenmord! ten die menschenverachtende Kehrseite der Nichts, womit sich die Kämpfer schützen Spiele, die man ansonsten allzu leicht nur auf können. Jedem Hieb am ganzen Körper aus- heldenhafte Duelle à la Spartacus vs. Crixos gesetzt, führen sie selbst keinen vergeblich. reduziert. Die von Seneca so schonungslos Das liebt die Masse mehr als die paarweisen, offen geschilderten Hinrichtungen und „Pau- kunstgerechten, sonst immer verlangten Gla- senschlachtereien“ zeigen drastisch, was diatorenkämpfe. Warum auch nicht? Kein eben auch bei ausgebildeten Gladiatoren Helm, kein Schild fängt den Schwertstreich zwingend zum Geschäft gehörte: der Tod. auf. Wozu noch Schutz? Wozu Fechtkunst? Spartacus und seine Getreuen haben sich All das verzögert ja nur den Tod. Morgens diesem Schicksal durch ihren Ausbruch aus wirft man den Löwen und Bären Menschen der Arena-Welt aus eigener Entscheidung für vor, mittags den Zuschauern. Die Mörder einige Zeit entziehen können; sie fanden ei- wünscht man weiteren Mördern vorgeworfen nen anderen, ebenfalls blutigen Tod: in offe- zu sehen, den Sieger spart man auf für neu- ner Schlacht. • es Gemetzel: das Ende der Kämpfer ist im- mer der Tod. Feuer und Schwert regieren. So HELDEN ALS LAMPENSCHMUCK: Ein secutor als Zierde einer Öllampe aus Ephesos. Wie beim Grabre- geht's dort zu, bis die Arena ,leer‘ ist. ,Aber lief des Palumbus ist ein Palmwedel als Zeichen der er hat doch einen Raub begangen, einen Sieghaftigkeit zu sehen. In der Realität bekam der Menschen umgebracht.‘ Gut und schön: Ist abtretende Sieger in der Arena dieses Ehrenzeichen Weblinks zu diesem Kapitel www.oeai.at • www.universal-pictures.de • www.grapevinevideo.com • www.dainst.de • www.amphi-theatrum.de • www.starz.com/originals/Spartacus 74 75 Interview Was denkt ein TV-Macher über ... Spartacus? Interview Was denkt ein TV-Macher über... Spartacus? Wieso glaubte ProSieben daran, dass Wie groß ist der Wunsch beim Zuschau- Hand. Zum anderen auch durch Rome. Mei- noch eine Spartacus-Verfilmung Erfolg er, tatsächlich Archäologie kennenlernen ner Meinung nach besteht zurzeit großes bringen wird? zu wollen? Beispielsweise in Form eines generelles Interesse an der Vergangenheit. Ich denke 300 ist daran schuld, weil es eine Formats wie Galileo, moderiert von einem Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass ich komplett neue Ästhetik von Verfilmungen, Archäologen, der historische Themen Menschen nicht für ältere Filme begeistern die mit dieser Zeit arbeiten, etabliert hat. oder aktuelle Ausgrabungen dem Publi- kann, die vor 2000 gelaufen sind, oder gar Der Film, der 1:1 auf dem Comic von Frank kum spannend vermittelt? schwarz-weiß sind. Aber durch solche neu- Miller basiert, bringt viele moderne und zeit- Ich kann es mir sehr gut vorstellen, dass es en Verfilmungen sieht man, dass die Leute lose Elemente mit sich und dieses neue eine Zuschauerschaft gibt, die sich dafür in- offener sind, sich mit der Vergangenheit zu Genre feiert das Publikum. Durch die mo- teressiert. Bei uns entsteht gerade ein neuer beschäftigen. derne Machart, die 300 etabliert hat, wurde Männersender, wo das gut hinein passen ein komplett neues Publikum angesprochen könnte. Aber auch DMAX könnte so eine Was finden Sie persönlich an der Antike und herangezogen – und darauf baut Spar- Idee unterbringen. Auf jeden Fall eine gute spannend? Sind Sie ein Fan von Sparta- tacus auf. Vor allem jedoch junge männli- Idee. cus oder Rome? che Zuschauer werden dadurch angezogen Rome entspricht eher meinem Geschmack. und deswegen programmiert ProSieben es Es ist interessant, dass Sie den Vor- Es ist jedoch eine eigene Nummer, weil es für den Freitagabend. Der Freitagabend ist schlag gleich mit einem Männersender in viel historischer ist. Es ist fundierter und bei ProSieben komplett auf eine männliche Verbindung bringen. Besteht denn nicht anspruchsvoller und hat eine ganz ande- Kern-Zuschauerschaft ausgerichtet. Deswe- auch die Möglichkeit einer weiblichen Zu- re Zuschauerschaft. Diese sind dann eher gen kommen zu der Zeit immer Action-Filme schauerschaft? Studenten oder Zuschauer, die mehr an der und Blockbuster, die hauptsächlich männlich Normalerweise laufen solche Abenteuer- Geschichte Roms interessiert sind. Aber orientiert sind – danach wurde Spartacus ge- Dokus eher auf Männersendern oder sind für im Grunde sind es dieselben Zutaten; bei- setzt und hat sich genau dieser Zielgruppe Christian Giegerich ein männliches Publikum gedacht. Ich kann de Serien sehen zwar gleich aus, trotzdem bedient. Männliche, junge Zuschauer. Sen- Senior Producer und Writer mir so etwas nicht bei Sendern vorstellen, sind sie grundverschieden. Wenn man eine sations-lustige Zuschauer (lacht). bei ProSiebenSat1 die sich ausschließlich an weibliches Publi- gute Geschichte hat, kann man sie in jeder kum richten, wie z. B. SIXX. Es sei denn, der Epoche erzählen. Es ist ganz egal, ob das Wie erreicht Spartacus die Zuschauer Archäologe sieht verdammt gut aus (lacht). Ding Star Wars oder Herr der Ringe heißt. emotional? Mit Sex und Gewalt? man die Leute an die Serie. Es geht gar nicht Es geht um einen dunklen und weißen Ritter, (Schmunzelt) Ja, genau. Aber ich denke, darum, was die Leute zu tun haben, man Wie sehen Sie die Zukunft des Genres der einen Schwertkampf und ein Monster, das dass das wichtigste Element das Rache- braucht aber eine Verbindung zur Hauptfi- historisch-antiken TV-Serie? am Ende besiegt wird. Die Antike finde ich motiv ist und die ganze emotionale Kiste, gur. Man sieht eine Serie wegen der Figuren Ich glaube, dass dieses Thema an sich wie- spannend, weil es viele Geschichten in die- die das mit sich bringt. Seine Frau wurde und Darsteller. Es ist zweitrangig, was das der ein bisschen attraktiver wird. Zum einen ser Epoche gibt, die genau diese Elemente ermordet und Spartacus will Rache. Er hat Geheimnis der Insel bei Lost ist, weil man in durch Erfolgskracher, wie Game of Thrones liefern. Und es gibt noch viele Geheimnisse einen Grund für sein Handeln. Pure Emoti- erster Linie wissen will, was mit den Leuten und Herr der Ringe sind die Leute jetzt viel in der Vergangenheit, die es wert sind, ent- on eigentlich. Und nur mit Emotion fesselt passiert, die man liebgewonnen hat. offener für Menschen mit Schwertern in der deckt zu werden. • 76 77 AnTIKe Im TV, TeIL II DIE HISTORISCHE SERIE ROM ‒ WO DIE ZEIT VON CAESAR, POMPEIUS UND AUGUSTUS... AnTike iM TV, Teil ii Die historische Serie Rom ‒ Wo die Zeit von Caesar, Pompeius und Augustus wieder lebendig wird rigen ein Stück zurück. Während er jedoch allzu stürmisch vordrang, stolperte er in eine v. Chr.) lagen sogenannte Peristylhäuser bei der römischen Oberschicht besonders im Bodenvertiefung und stürzte. Als die Feinde Trend: Zentraler Teil der Anlage war immer D ihn einkreisten, brachte ihm wiederum Pullo ein säulenumstandener Hof (griech. peristýli- ie TV-Serie Rom wurde von HBO, als bei der Lagerbefestigung aufs härteste Unterstützung, so dass sich beide, nachdem on, zusammengesetzt aus perì „um, herum“ BBC und RAI von 2005 bis 2007 gekämpft wurde: ‚Was zögerst du noch, Vor- sie mehrere Feinde niedergemacht hatten, und stýlos „Säule“). Der römische Architekt produziert. Im Mittelpunkt der zwei enus? Auf welche Gelegenheit wartest du unversehrt und mit höchstem Ruhm bedeckt Vitruv hat in seinem zehnbändigen Lebens- Staffeln stehen Lucius Vorenus noch, deine Tapferkeit zu beweisen? Dieser in die Befestigung zu- rückziehen werk De Architectura Libri Decem seine und Titus Pullo. Beide könnten auf den er- Tag wird unseren Wettstreit entscheiden.‘ Mit konnten. So trieb das Schicksal Idealvorstellung eines solchen Hauses bis sten Blick nicht unterschiedlicher sein und diesen Worten ging er über die Lagerbefesti- mit der heftigen Rivalität ins Detail beschrieben. In der römischen entwickeln sich im Laufe der Zeit dennoch gung und stürzte sich auf den Feind dort, wo der beiden sein Spiel, Welt sind viele Reste derartiger Wohn- zu besten Freunden. Als Helden der Se- er am dichtesten zu stehen schien. Da hielt dass nämlich jeder dem bauten erhalten geblieben; besonders rie, die im ersten Jahrhundert v. Chr. spielt, es auch Vorenus nicht auf dem Lagerwall, Rivalen zu Hilfe kam und anschaulich sind entführen sie den Zuschauer in die Welt er folgte Pullo auf dem Fuß, weil er um sein ihn rettete und dass nicht zu die Häuser (lat. der Plebejer, des einfachen Volkes, und Ansehen bei allen anderen fürchtete. Aus ei- entscheiden war, wen von domus) in Pompeji. In domus in die Welt der Mächtigen. So treten auch ner gewissen Entfernung schleuderte Pullo beiden man als den Tapfere- der Antike (wie auch in die großen Heerführer und Politiker die- seinen Wurfspieß auf die Feinde und durch- ren ansehen musste.“ der TV-Serie) war das Pe- ser Epoche wie Caesar oder Octavian auf. bohrte einen, der gerade aus der feindlichen Die zwei Zenturionen hatten also ristyl meist ein kleiner, lufti- Menge nach vorn stürmte. Als dieser schwer beim Aufstand des Ambiorix 54/53 ger Garten, der mit Statuen und getroffen starb, bedeckten ihn die Feinde mit v. Chr., der Caesar eine schwere Brunnen geschmückt war. An diesem Zwei Legionäre als TV-Protagonisten ihren Schilden, schleuderten alle ihre Wurf- Niederlage einbrachte, besondere Säulenhof lagen immer auch präch- geschosse auf Pullo und machten ihm so ein Verdienste im Kampf erworben. In tige Räume, die sich zum Garten Vorenus und Pullo sind keine Erfindungen weiteres Vorrücken unmöglich. Pullos Schild der TV-Serie wird ihr Verhältnis zu hin öffneten – und die sicher, neben der Fernsehmacher, sondern historische wurde durchbohrt, und ein Wurfgeschoß blieb Caesar zu einer fiktiven Geschichte der Familie, nur von besonders be- Personen, die wir in der antiken Literatur fas- in seinem Wehrgehänge stecken, so dass ausgebaut: Während Lucius Vore- deutenden Besuchern oder engen sen können. Ihre Namen werden in Caesars sich seine Schwertscheide durch den Treffer nus zum engen Vertrauten Caesars Freunden betreten wurden. Bericht über den Gallischen Krieg (De Bel- verschob. Als er versuchte, sein Schwert zu und später Marc Antons aufsteigt, ent- Betrachtet man in der TV-Serie Rom das lo Gallico 5, 44) lobend erwähnt: „In dieser ziehen, war daher seine rechte Hand behin- wickelt sich Titus Pullo zum guten Haus der Atia, der Mutter des Octavi- Legion dienten zwei außerordentlich tapfere dert, sodass er wehrlos war, als die Feinde Freund von dessen Gegenspieler – an, besticht es auf den ersten Blick Zenturionen, die schon vor der Beförderung ihn umzingelten. Da kam ihm sein Feind Vor- des jungen Octavian und späteren durch die Authentizität der Rekon- zum höchsten Rang standen, Titus Pullo und enus zu Hilfe und stand dem Bedrängten bei. Kaisers Augustus. struktion. Die Fernsehkulisse erin- Lucius Vorenus. Diese standen in ständigem Sofort wandte sich daraufhin die feindliche Einen authentischen Charakter er- nert an das pompejanische ‚Haus Streit miteinander, wer den anderen über- Menge von Pullo ab und Vorenus zu, da sie hält die Serie durch zahlreiche De- des Labyrinths‘ mit seinen heute noch treffe. In all jenen Jahren hatten sie als er- glaubten, der Speer habe Pullo durchbohrt. tails. Hauptort vieler Handlungsstränge ist gut erhaltenen Prunk- und Schlafräumen. bitterte Rivalen miteinander um ihren Rang Vorenus kämpfte im Handgemenge mit dem das Innere römischer Häuser. In spätre- Das geschulte Auge bleibt an Details hän- gekämpft. Von diesen beiden sagte Pullo, Schwert, tötete einen Feind und trieb die Üb- publikanischer Zeit (2./1. Jahrhundert gen, bei denen die Fernsehmacher we- SYMBOL DER MACHT ROMS: Um die aquila-Standarte versammelte sich jeweils die erste Kohorte einer Legion. Auf der Spit- ze der Stange thronte der Adler des obersten Gottes Jupiter mit dessen Blitzbündel 78 79 Antike im TV, Teil II Die historische Serie Rom ‒ Wo die Zeit von Caesar, Pompeius und Augustus... Die Serienmacher haben auf Details geachtet, die selbst viele Fachleute nicht kennen niger auf chronologische Genauigkeit geach- tet haben. So zieren in der ersten TV-Staffel, die vor dem Jahr 44 v. Chr. spielt, Malerei- en den Peristylhof des Atia-Anwesens, die durch große rote Flächen und feine Orna- mente gekennzeichnet sind: ein Malereistil, der von Fachleuten heute als „Dritter Pom- pejanischer Stil“ eingeordnet wird – ein Stil, der jedoch erst Jahrzehnte später in Mode kommen sollte. Neben derartigen zeitlichen Ungenauigkeiten gibt es in Rom auch einige inhaltliche Fehler. „Andererseits haben die Serienmacher auf Details geachtet, die selbst der Fachmann nicht immer im Blick hat. So zeigt sich in einer Rom-Folge eine Dame der Mittelschicht, als sie zum ersten Mal das Haus Caesars betritt, unter anderem von den Zimmerdecken mit ihrer reichen Verzierung beeindruckt“, betont Dr. Johannes Lipps, der am Institut für Klassische Archäologie in München zu antiken Palästen und Wohn- häusern forscht. Der Wissenschaftler: „Nur wenige dieser raffiniert angelegten und ge- stalteten Decken aus der Zeit vor Kaiser Au- gustus sind erhalten geblieben. Wir wissen das meiste darüber aus den Schriften antiker Autoren wie Vitruv oder Cicero. Deshalb ist dieses Thema auch in der Archäologie bisher VORBILD FÜR DIE FILMKULISSEN: Das ‚Haus des wenig erforscht. Umso bemerkenswerter ist Labyrinths‛ in Pompeji (heute Pompei, Italien) wurde während des Vesuvausbruchs im Jahr 79 n. Chr. die Filmszene!“ Und noch mehr: Die Figuren verschüttet. Sein guter Erhaltungszustand, die Eingänge, der Serie erklären dem Zuschauer, scheinbar SELTENES EXEMPLAR: Von den Wohnhäusern und öffentlichen Bauten der Römerzeit blieben nur wenige Decken Wohn- und Prunkräume sowie Säulenumgänge machen nebenbei, in ihren Dialogen größere gesell- erhalten. Ein prominentes Beispiel stammt aus einem Baukomplex auf dem Palatinhügel in Rom, der als ‚Haus des das Anwesen zu einem hervorragenden Studienobjekt schaftliche Entwicklungen der späten Repu- Augustus‛ bekannt ist. Das Areal hat sich zu einem beliebten Touristenziel in der Ewigen Stadt entwickelt ‒ falls nicht für Wissenschaftler, die sich mit der Architektur römischer gerade Restaurierungsarbeiten den Besuch verhindern. Ob der Kaiser in diesen Räumen, die aus der späten Republik Wohnhäuser beschäftigen. Für die Paläste der Serie Rom blik. So ereifert sich beispielsweise Atia über stammen, wirklich gelebt hat, darüber diskutieren die Forscher. Unbestritten ist, dass sich hier eine der aufwendigsten, ließ man sich auch von diesem Ambiente inspirieren Malchus, der sich in einer Sänfte habe tragen bisher bekannten Stuckdecken befand. Oben ist eines der beiden zentralen Mittelmotive als Rekonstruktion zu sehen 80 81 AnTIKe Im TV, TeIL II DIE HISTORISCHE SERIE ROM ‒ WO DIE ZEIT VON CAESAR, POMPEIUS UND AUGUSTUS... IN GUTER GESELLSCHAFT: Der Münchner Archäologe Johannes Lipps, der auch zum ‚Haus des Augustus‛ in Rom forscht, steht hier neben dem Abguss eines Augustusporträts (Original in der Glyptothek): Der Kaiser trägt die „Bürgerkrone“ (corona civica), einen Kranz aus KURIOSE HISTORISCHE QUELLE: Martin Langner, der in Göttingen lehrt, hat sich mit figürlichen antiken Graffiti im Eichenlaub. Augustus wird so als Wohn- und Straßenraum beschäftigt. Diese Zeichnungen, vor allem Köpfe oder Büsten, Strichmännchen, Gladiatoren der Retter der Römer aus den (ein Beispiel oben rechts), Tiere oder Schiffe, waren nicht nur spontane Kritzeleien, sondern oft auch ganz bewusst Wirren der Bürgerkriege gefeiert eingeritzte Bilder ohne Kunstanspruch. In der TV-Serie Rom sorgen animierte Graffiti für spektakuläre Effekte lassen ‒ in den Augen der Aristokratin ein Af- Preis mache und wo es guten Wein zu trin- dem sich auch die Kaiserresidenzen befan- Jahr 2006 – und zieht dabei auch eine Par- front des einfachen Bäckers. Diese Szene ken gebe – oder eben auch schlechten. den. Der Graffiti-Forscher geht jedoch da- allele zur fiktiven „ich bin Spartacus“-Szene spiegelt sehr gut den Aufstieg von Nichtade- Einer der Experten auf dem Gebiet der anti- von aus, dass derartige ‚Porträts‘ mit kahlen von 1960: „Diese kann so nicht stattgefunden ligen im ersten Jahrhundert v. Chr. Für die ken Graffiti ist Prof. Dr. martin Langner von Köpfen oder großen Nasen nicht zwingend haben, denn die historischen Quellen über- Erzählkunst der Serienmacher spricht auch, der Georg-August-Universität Göttingen. Der als Verspottung oder gar politische Provo- liefern uns, dass Spartacus in der Schlacht dass die DVD-Ausgabe mit einem zuschalt- Vorspann der Serie sei, so Martin Langner, kation in unserem Sinn interpretiert werden fiel, die der Gefangennahme seiner Sklaven- baren historischen Kommentar versehen ist. „gut gemacht, weil hier die Graffitizeichnun- müssen, sondern nur eine bestimmte Person armee vorangegangen war. Geschichte wird gen lebendig werden und so die populäre wiedererkennbar machen sollten, deren mar- im Film also als ein Ausgangspunkt benutzt Bedeutung von Graffiti gut visualisiert ist.“ kante Züge dafür (über-)betont wurden. – um eine Welt zu erschaffen, die den Zu- geschichte nur als grundlage der Story Doch was wurde konkret geschrieben und Während in der TV-Serie die Graffiti-Zeich- schauer zufriedenstellt. So schafft man ein gezeichnet? In der TV-Serie kommen regel- nungen allesamt im öffentlichen Raum vor- Schauspiel.“ • Eine der raffiniertesten Computeranimatio- mäßig figürliche Graffiti vor, die Prominente kommen, befinden sich mehr als die Hälfte nen der TV-Serie fasziniert den Zuschauer der Antike karikieren. Beispielsweise ist Bru- aller heute noch erhaltenen Zeichnungen im gleich zu Beginn. Antike Ritzzeichnungen, tus zu sehen, wie er Caesar das Messer in privaten Wohnraum. „So etwas kann nicht sogenannte Graffiti (ital. graffito), die an den Rücken stößt, oder Servilia, die mit Cae- ohne Wissen und Duldung durch den Haus- DVD: Von Rom sind Hausmauern und Wände gekritzelt sind, er- sar eine Liebesaffäre hat. in beiden Fällen herrn geschehen sein“, so Martin Langner. verschiedene DVD- wachen zum Leben. Diese street art hatte hat Caesars Nichte und Octavians Mutter, Die Macher der Serie Rom haben darauf Ausgaben im Handel erhältlich. Die meisten im Gegensatz zu heute allerdings keinerlei Atia, die Männer dazu angestiftet, Graffiti an geachtet, ein grundsätzlich authentisch wir- Folgen sind von der künstlerischen Anspruch. Hier verewigte sich die Wände zu kritzeln. Aber gab es solche kendes und stimmungsvolles Bild römischer Freiwilligen Selbstkont- der ganz normale Römer, mit Dingen und Negativkampagnen wirklich? Martin Langner Häuser und Straßen zu zeichnen. Jonathan rolle (FSK) ab 12 bzw. 16 Botschaften des alltäglichen Lebens: wer präzisiert: Zwar seien Graffiti erhalten, die Stamp, der als historischer Berater für die Jahren freigegeben; eine Folge ist erst ab 18. Die doof und wer nett sei, wer gerade gewählt etwa einen verunstalteten Kaiser zeigten – TV-Serie engagiert war, äußerte sich dazu in Serie wird vetrieben von werden wolle, welche Dirne einen guten vorwiegend vom Hügel Palatin in Rom, auf einem interview für die Universität Oxford im Warner Bros. Weblinks zu diesem kapitel www.warnerbros.de • www.hbo.com • www.peplumania.com 82 83 Antike im TV, Teil III Fernsehmacher zwischen Information, Entertainment und Erfolgsdruck... Antike im TV, Teil III Fernsehmacher zwischen Information, Entertainment und Erfolgsdruck – gestern, heute und morgen S tolze 222 Minuten verbringt der Das Sendeformat Terra X des ZDF ist seit durchschnittliche Bundesrepubli- 1982 eine der bekanntesten Sendungen, in kaner heutzutage vor dem Fern- denen auch archäologische Themen auf- sehgerät – jeden Tag. Tendenz bereitet werden. Die Serienauskopplung steigend. Vor zehn Jahren saß man in Schliemanns Erben war in den Neunzigern Deutschland 201 Minuten vor dem TV-Gerät, ein so großer Erfolg, dass sie auch als Buch vor zwanzig Jahren 158 Minuten. So hat es verlegt wurde. Archäologie ist in der Serie die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung weit gefasst: Die Themen reichten von Indien (AGF) ermittelt. über Südamerika bis Russland. Anlässlich Vier Stunden täglich navigiert der Zuschauer des 30. Geburtstags der Doku-Serie zeigte also durch ein immer reichhaltiger werden- sich, dass das Zuschauerinteresse nämlich des Angebot – bereitgestellt von öffentlich- keineswegs nur um antike Themen kreist. Als rechtlichen und privaten Sendern. Die Rolle über die beliebtesten Terra X-Folgen abge- der Archäologie ist dabei unterschiedlich stimmt wurde, waren unter den Top 9 nur drei groß: Die öffentlich-rechtlichen Sender – wie Themen mit Altertumsbezug, wenn man das ARD, ZDF und die dritten Programme – ha- von Platon erwähnte Atlantis dazuzählt. Im MASSENMEDIUM: Fast vier Stunden verbringt der erwachsene Bundesbürger im Schnitt vor dem Fernsehbild- ben ganz offiziell einen Bildungsauftrag, der öffentlich-rechtlichen Fernsehen findet der schirm. Diese Statistik der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) berücksichtigt von 1988 bis 1991 nur die Westdeutschen. Die Zahlen ab 1992 gelten für das gesamte Bundesgebiet es rechtfertigt, dass sie durch verpflichtende Interessierte in seinen täglichen vier Fern- Gebühren finanziert werden. Tatsächlich in- sehstunden also womöglich eine Dokumen- formiert dort aber oft nur ein kleiner Teil des tation über Archäologisches; vermutlich aber Programms über „Kultur und Wissenschaft“: nur, wenn er sie gezielt ansteuert. frei zu empfangen sind und wie die Öffent- sender. Eine hohe Quote bedeutet also eine Bei der ARD zählten im Jahr 2012 beispiels- lich-Rechtlichen zum sogenannten Free-TV hohe Reichweite der Werbung – und macht weise nur 5,4% des Angebots zu dieser Ka- gehören, können damit garantieren, dass die entsprechenden Werbeblöcke für Wer- tegorie, darunter ein Viertel Wiederholungen. Sendungen, die nicht gesehen werden, möglichst viele Menschen die eingespielten betreibende attraktiver und gleichzeitig teu- Etwas anders sieht es beim ZDF aus, das haben nur noch eine kurze Lebensdauer Werbeblöcke sehen. Pro Sende-sekunde rer. Das Ergebnis ist eine Abstimmung mit 10,8% seines Programms „Kultur und Wis- zahlen Firmen hier hohe Preise, um ihre der Fernbedienung: Sendungen, die nicht senschaft“ widmete. Die dritten Programme, Private Fernsehsender wie Sat.1, Pro7, RTL Produkte zu präsentieren. Aus diesen Wer- gesehen werden, haben meistens eine kur- beispielsweise der Bayerische Rundfunk & Co. können auf keine Fernsehgebühren beeinnahmen finanzieren sich die Privat- ze Lebensdauer bei den privaten, nicht ge- mit 17%, boten diesem Themengebiet mehr zugreifen und müssen sich daher auf dem Raum – doch immer noch weniger als der freien Markt bewähren. Konsequenterwei- Kultursender 3sat, der seinem Programm- se orientieren sich diese Sender stärker an Das TV ist immer noch ein Wachstumsmarkt ‒ schwerpunkt „Kultur“ 39% seiner Sendezeit den Wünschen Ihrer Kunden, um hohe Zu- einräumte. schauerzahlen zu erzielen. Privatsender, die welche Rolle spielen archäologische Themen? 84 85 Antike im TV, Teil III Fernsehmacher zwischen Information, Entertainment und Erfolgsdruck... GESCHICHTE ALS BEZAHLFERNSEHEN: Der Pay- TV-Sender HISTORY startete am 15. November 2004 seinen Sendebetrieb in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Als erster TV-Sender im deutschsprachigen Raum strahlte er ausschließlich Dokumentationen zu historischen Geschehnissen aller Epochen aus. Rechts: 2013 schlug die Eigenproduktion Die Legion ein bisher unbekanntes Kapitel deutscher Verwicklungen im Vietnamkrieg auf, als DDR und BRD den Konflikt für ihre eigene Politik im Kalten Krieg nutzten. Für internationales Aufsehen sorgte 2012 die Doku Der elfte Tag, in der die Überlebenden des Attentats auf die israelische Olympia- mannschaft von 1972 zu Wort kamen. Links: HISTORY-Geschäftsführer ist Andreas Weinek Die Geschichte der letzten Jahrzehnte ist heute beliebter beim TV-Publikum als die Antike bührenpflichtigen Fernsehsendern. Bemer- The National Geographic Channel, Discove- dreas Weinek, Chef des Bezahlsenders führen. „Solche Einzelbetrachtungen sind kenswert ist, dass sich bei diesen Sendern ry Channel, SPIEGEL Geschichte und der HISTORY. Weinek dazu: „Die Betrachtungs- inzwischen weitgehend ersetzt durch Serien kaum Sendungen zur Archäologie finden. Geschichtssender HISTORY. Hier schließen weisen haben sich geändert. Heute ist bei- über nicht so lange zurückliegende Zeiten, Allerdings bleibt anzumerken, dass die Quo- Kunden konkrete Abonnements ab und kau- spielsweise die Serie Die Drei vom Pfand- bei der die Zuschauer die Hauptpersonen te selbst nicht unumstritten ist: Das Free-TV fen Fernsehprodukte, statt Werbung anzu- haus eines unserer erfolgreichsten Formate.“ aus der Jetztzeit kennenlernen und deren erreicht rund 35 Millionen Haushalte; doch ist sehen. Die Reichweite der Bezahlsender ist Die Story: Ein Vater und seine zwei Söhne Umgang mit Geschichte verfolgen können“, nicht von allen bekannt, welche Sendungen zwar mit fünf Millionen Haushalten geringer sind Pfandleiher in Las Vegas. Die drei pa- weiß Andreas Weinek. Denn man sieht gerne sie tatsächlich sehen – und wie lange. Le- als beim Free-TV, doch lassen sich einige tenten Typen bekommen die außergewöhn- Menschen, zu denen man bereits eine Ver- diglich 5.000 Haushalte in Deutschland sind Entwicklungen leichter ablesen als nur über lichsten Dinge vor die Nase, kennen sich ex- bindung aufgebaut hat – trotz und vielleicht mit einem Gerät versehen, das ihren gesam- die Einschaltquote. trem gut mit alten Sachen aus und können zu gerade wegen der kleinen Macken, die man ten Fernsehkonsum aufzeichnet. Die Daten jedem Ding eine Geschichte erzählen – und bei einem distanzierten Wissenschaftler nicht werden dann auf die gesamte BRD hochge- sind dabei ein bisschen schrullig. Es werden präsentiert bekommt. Character driven heißt rechnet. Für die TV-Sender sind sie die ein- Klassisch aufbereitete archäologisch- also Geschichten zur Geschichte erzählt. diese Form der Präsentation in der Fach- fachste Möglichkeit, das Zuschauerinteresse historische Themen sind nicht in Mode Weit entfernt von der Archäologie-Doku, in sprache. Andreas Weinek weiter: „Ähnlich zu verstehen. Einfacher ist die Situation bei der einige Forscher alleine in die Kamera verhält es sich mit unserer deutschen Eigen- den Bezahlsendern, dem sogenannten Pay- „Die Zahl archäologischer Sendungen geht sprechen (sogenannte talking heads) und produktion Rost’n’Roll – Kasis Werkstattge- TV, zu ermitteln. Prominente Anbieter sind seit 2004 konsequent zurück“, sagt Dr. An- den Besucher über ihr Forschungsgelände schichten, in der sich drei Berliner eine Werk- 86 87 Antike im TV, Teil III Fernsehmacher zwischen Information, Entertainment und Erfolgsdruck... At que public rentemum ma, vic res volibus ni- mis fors videtium pat, es consciis etisusulis. AUTOMOBIL-ARCHÄOLOGEN: Mit alten Dingen beschäftigen sich Kasi und seine Kumpels Christian und Lars ‒ SCHNÄPPCHENJÄGER: In der Serie Die Drei vom Pfandhaus ‒ ein HISTORY-Import aus den USA (im Original: allerdings nicht als akademische Forscher, sondern als Schrauber und Bastler. In der beliebten HISTORY-Serie Pawn Stars) ‒ lernt der Zuschauer die Familie Harrison kennen. Großvater Richard, Sohn Rick und Enkel Corey Rost'n'Roll ‒ Kasis Werkstattgeschichten wird der Zuschauer in die spannende Welt historischer Fundstücke entführt unterscheiden Ramsch von Raritäten und liefern die oft überraschende Geschichte hinter den Objekten statt und eine Leidenschaft teilen: alte Autos benrolle: Die erfolgreichste Eigenproduktion Präsenz archäologischer Themen als Wel- ihrem direkten Umfeld auseinanderzusetzen. und historische Fundstücke. Sie zeigen, was war Der elfte Tag ‒ die Überlebenden von lenbewegung betrachtet. Aber die Archäolo- Jedes Jahr rufen wir Schulklassen dazu auf, Beichtstühle, einarmige Banditen und andere München 1972, die international Aufsehen gie verschwindet nicht. Das sollte sie auch gerne mit ihren Lehrern, zu einer bestimmten spannende Gegenstände über vergangene erregte – ein Thema der Neuesten Geschich- Zeiten erzählen. Rückblenden veranschauli- te. „Durchaus kann man aber bei geschicht- chen den geschichtlichen Kontext.“ lichen Themen davon ausgehen, dass sie Entertainment mit originellen Charakteren gerne gesehen werden. Wenn dabei auch Geschichten erzählt werden“, meint Weinek. ist das neue Zauberrezept der TV-Branche Erfolgreiche Geschichtssendungen im Die wissenschaftliche Forschung spiele hin- TV müssen eine gute Geschichte haben gegen kaum eine Rolle. Sie sei oft sehr spe- nicht. Es muss die Geschichte für jede Ge- historischen Aufgabenstellung auf Spurensu- ziell, werde meist auch nicht öffentlichkeits- neration neu erzählt werden. Beispielsweise che zu gehen und ihre Ergebnisse als Film- Die Archäologie spielt heute beim Pay-TV- wirksam aufbereitet. „Insgesamt befinden wir unser HISTORY-Award ist eine tolle Möglich- Doku bei uns einzureichen. Der inhaltliche, Sender HISTORY heute nur noch eine Ne- uns gerade in einer Talsohle, wenn man die keit für junge Leute, sich mit Geschichte aus aber auch technische Standard der einge- 88 89 Antike im TV, Teil III Fernsehmacher zwischen Information, Entertainment und Erfolgsdruck... NACHWUCHSFÖRDERUNG: Der TV-Sender schreibt in jedem Jahr den HISTORY-Award aus. Schulklassen aus dem Bundes- gebiet reichen dazu multimedial aufbereitete Projekte ein, die eine bestimmte historische Frage- stellung erarbeiten. Links: Der Gewinner des Jahres 2013 war die Stephanusschule in Krefeld Das zukünftige Geschichtsfernsehen wird Teil eines komplexeren Unterhaltungssystems sein reichten Beiträge ist sehr hoch und reicht an tungssystem zu meistern, bei dem sich der professionelle Produktionen heran. Archäo- Zuschauer über verschiedene Kanäle und logie-Dokus aus den Siebzigern möchte heu- Formate informieren und unterhalten lässt. te niemand mehr sehen. Das ist aber vor al- Diese Tendenz zeigt sich auch beim ZDF: ZU BESUCH IM SENDER: Im Sommer 2013 empfing HISTORY-Geschäftsführer Andreas Weinek (rechts) Archäologie-Studenten der Ludwig-Maximilians-Universität München, um über aktuelle Entwicklungen in lem eine ästhetische Frage: Die Geschichten Schliemanns Erben wird heute millionenfach der TV-Branche und die Präsenz historischer Themen im Fernsehen zu berichten und Botschaften, die dahinterstehen, sind über die Online-Mediathek abgerufen. auch heute noch interessant und wichtig.“ In einer Zeit, in der fast alle Blockbuster ein Drittel ihres Budgets auf Spezialeffekte ver- Wird es sachliches Geschichts-TV spielern, und seine typische kommentierend- aufgegeben: Im Jahr 2011 war für Terra X ein wenden, haben sich die Sehgewohnheiten bald nicht mehr geben? dramaturgische Aufbereitung. Seine Redak- kostümierter Hape Kerkeling „Unterwegs in verändert. Dem muss auch die Archäologie tion, mit der er seit 1978 für historische The- der Weltgeschichte“. Sicherlich bot dieses Rechnung tragen. Die Veränderungen in der Vermittlung von men zuständig war, wurde aufgelöst. Heute auch in den Medien stark beworbene Kon- Andreas Weinek: „Heute sollte man Archäo- Archäologie und Geschichte machen sich finden sich auf der Homepage von ZDF zept, historische Kapitel mit Humor aufzube- logie und Geschichte eher nach großen auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern HISTORY eher Themen der Neuesten Ge- reiten, die Möglichkeit, auch Menschen an übergeordneten Fragestellungen aufberei- deutlich bemerkbar. Im Frühjahr 2013 ver- schichte. Ein Beispiel: Neben den amerika- Kleopatra & Co. heranzuführen, die sonst ten. Man kann fragen: Wie entstanden die abschiedete sich Prof. Dr. Guido Knopp aus nischen Nazi-Jägern der „wahren Inglorious wegschalten würden. Ob aber dieser Kla- Weltreiche? Wie haben sich Europa und dem Programm des ZDF. Berühmt wurde der Basterds“ berichtet das Format unter dem mauk diejenigen Comedyfans für Geschich- Asien im Vergleich zueinander entwickelt?“ Vater von ZDF HISTORY vor allem durch Titel „Rosenkriege – wenn aus Liebe Hass te begeistert, die bis dahin gar nichts damit Nach Weinek sei die nächste Herausforde- das Einspielen von Originalfilmaufnahmen, wird“ über die Trennungsgeschichte von Bo- anfangen konnten, bleibt fraglich – vom wis- rung, den Wandel vom rein linearen Fern- Zeitzeugeninterviews, reenactment, also das ris und Barbara Becker. Doch die ZDF-Tradi- senschaftlichen Neuigkeitswert einmal abge- sehen hin zu einem komplexeren Unterhal- Nachspielen historischer Szenen mit Schau- tion des reenactment wurde nicht vollständig sehen. • Weblinks zu diesem Kapitel www.agf.de • www.history-award.de • www.history.de • www.terra-x.zdf.de 90 91 WISSenScHAFTLeR, FAnTASTen ODeR SenSATIOnSmAcHeR GiBT ES WiRKLiCH EiNE „VERBOTENE ARCHäOLOGiE“? WiSSenSChAFTler, FAnTASTen oDer SenSATionSMACher Gibt es wirklich eine Altertumswissenschaftler betreiben ihre Forschungen nach methodi- schen Prinzipien, die ihre Schlussfolgerungen für jedermann an jedem „Verbotene Archäologie“? Ort nachvollziehbar machen. Doch nicht jeder glaubt, dass dieses bild wirklich stimmt... D ie Archäologie hält absichtlich Be- weise geheim, die niemand je se- hen darf, weil unser Weltbild sonst komplett aus den Fugen geriete – Beweise für urzeitliche Hochtechnologi- en, Beweise für Außerirdische? Wer sich für Theorien dieser Art interessiert, stößt im Internet auch leicht auf Suchergebnisse, die nachdenklich stimmen. Das Stichwort da- bei lautet „Verbotene Archäologie“. Auf dem Buchmarkt ist die Zahl derartiger Veröffent- lichungen groß, der Originalität der Titel sind dabei keine Grenzen gesetzt: Der New yorker Schriftsteller Michael A. Cremo (geboren 1948) und sein Co-Autor Richard L. Thompson (1947–2008) sorgten 1993 mit ihrem Buch Forbidden Archeology für Furore. Sie stellten darin den heute re- konstruierten Ablauf der Evolution und die Entwicklung der Hominiden in Frage: Sie versuchten zu belegen, dass die traditionelle Wissenschaft absichtlich Funde zurückhalte oder ignoriere, die beweisen würden, dass die Menschheit wesentlich älter sei als bisher angenommen. Von prominenten Forschern erhielten sie für ihre Darstellungsweise eine klare inhaltliche wie methodische Absage. So kommentierte der bekannte Paläoanthropologe Richard Leakey (geboren 1944) in einem Brief am 8. November 1993: „Ihr Buch ist purer Humbug und verdient es nicht, ernst genommen zu 92 93 Wissenschaftler, Fantasten oder Sensationsmacher Gibt es wirklich eine „verbotene Archäologie“? Der Hathor-Tempel in Dendera ist ein Pilgerort für Fans und Kritiker der Archäologie werden – es sei denn, man ist ein Dumm- Geschichte der menschlichen Rasse – auf wegen dieser abenteuerlich marktschreie- den Namen Mysteries, sondern auch Autor kopf.“ Besonders kritisiert wurde der Umgang dem Internetkaufportal amazon, dass durch risch klingenden Aussagen, genährt durch von Titeln wie Geheimakte Archäologie: der Autoren mit Knochen- und Werkzeug- das Buch die „Wissenschaftsgilde in basses Verschwörungstheorien, verkauft sich das Unterdrückte Entdeckungen, verschollene funden, die meist schon im 19. Jahrhundert Erstaunen“ versetzt würde. Und weiter heißt Werk sehr gut: und zwar unter der amazon- Schätze, bizarre Funde (1998) oder Lexi- entdeckt und wissenschaftlich noch schlecht es ebenso vollmundig: „Es stellt bislang als Rubrik „Naturwissenschaften & Technik“, in kon der verbotenen Archäologie. Mysteriöse dokumentiert wurden – von den Schriftstel- gesichert geltende archäologische Erkennt- der Sparte „Biologie“, unter den Stichworten Funde von A bis Z (2009). Andere Autoren lern aber für ihre Theorien als genauso aus- nisse praktisch auf den Kopf und zeigt, dass „Allgemein“, „Evolution“ und eben auch „Ar- bieten ähnliche Titel, teils mit völlig identi- sagekräftig wie moderne, präzise Fundbe- die klassische Archäologie massenweise chäologie“... schen Themen: Verbotene Geschichte: Die schreibungen und Analysen herangezogen Fakten über die Entstehungsgeschichte der Als Experte für „kontroverse Phänomene und großen Geheimnisse der Menschheit und wurden. Dem Erfolg der Autoren konnte dies Menschheit unterdrückt. So liefert Verbote- Entdeckungen“ – so die Eigenwerbung – gilt was die Wissenschaft uns verschwiegen allerdings nichts anhaben. So wirbt die Kurz- ne Archäologie reichhaltige Beweise dafür, auch der im Jahr 1970 geborene Schweizer hat (2010), Dinge, die es nicht geben dürf- beschreibung der deutschen Fassung von dass die menschliche Rasse seit Millionen Luc Bürgin. Er ist nicht nur der Herausge- te. Mysteriöse Funde aus aller Welt (2010) 2006 – mit dem Untertitel Die verborgene von Jahren existiert.“ Und trotz oder gerade ber einer Zeitschrift mit dem bezeichnen- oder beispielsweise Glenn Kreisbergs Das HEILIGTUM DER LIEBESGÖTTIN: Hathor zählt zu den ältesten Gottheiten im Niltal. Schon im dritten Jahrtausend v. RUINENFELD: Während der Hathor-Tempel gut erforscht ist, sind von der einstigen Stadt Tentyra nur wenige Spuren zu Chr. wurde sie in Dendera verehrt. Der heute noch hervorragend erhaltene Tempelbau stammt größtenteils aus dem sehen. Dendera ist einer der beliebtesten Touristenplätze, die man als Tagesausflug vom rund 70 km entfernten Luxor ersten Jahrhundert v. Chr. erreichen kann 94 95 Wissenschaftler, Fantasten oder Sensationsmacher Gibt es wirklich eine „verbotene Archäologie“? At que public rentemum ma, vic res volibus ni- mis fors videtium pat, es consciis etisusulis. UNTER DEM TEMPEL VON DENDERA: In den wuchtigen Mauern befinden sich ein Dutzend nur wenige Quadratmeter KULTIGES RELIEF: Darstellungen wie diese an den Kapellenwänden des Hathor-Tempels von Dendera wurden lange große Krypten, weitere sechs dieser Kapellen liegen unterirdisch. Das Foto zeigt den Bestsellerautor Erich von Däniken Zeit von Archäologen und Ägyptologen nicht zufriedenstellend erklärt. Viele Pseudo- und Grenzwissenschaftler wollen bei seinen Buchrecherchen vor Ort noch heute hier eine antike „Glühbirne“ erkennen verschollene Wissen der Vorzeit. Neue Be- in weiten Kreisen respektierten Ansichten glauben, was die traditionelle Wissenschaft/ sen und es zum Wanken bringen könnten.“ trachtungen zu einer verbotenen Archäologie zu einer echten Herausforderung für das Archäologie sagt, sondern gerne auch jene Während mildere Kritiker hier noch unterhalt- (2011). Die eigene Selbstwahrnehmung oder akademische Establishment geworden. Es Aussagen und Thesen hinterfragen und sich same Elemente hervorheben mögen oder -vermarktung der Autoren wird sehr deutlich kracht bereits im Gebälk althergebrachter formuliert, wie beispielsweise die amazon-In- Paradigmen, und eine Anpassung an die formationen zu Kreisbergs Buch demonstrie- neue Denkrichtung scheint unumgänglich...“ Der angebliche „Beweis“ für Strom im Pharao- ren: „Vor unseren Augen ist eine Revolution Anhänger dieser Theorien rund um die „ver- im Gange, ausgelöst durch jahrzehntelange botene Archäologie“ lesen aber nicht mehr nenreich wurde von Ägyptologen widerlegt Forschung und gründlich dokumentierte Be- nur Bücher; im Internet sind sie längst selbst lege von Pionieren alternativer Theorien (...) zu Meinungsmachern und Multiplikatoren eigene Gedanken dazu machen, viel Wis- die Fantasie der Autoren schätzen, sehen In unserer Zeit wissenschaftlichen und histo- geworden. Als beliebiges Beispiel verkündet senswertes und sicher Neues, das fasziniert, diese sich selbst oft als „Grenzwissenschaft- rischen Umdenkens sind diese provokanten, die Website Verbotene Archäologie: „Hier unglaubliche Dinge und Thesen, die nicht in ler“ oder „Parawissenschaftler“ – was bereits innovativen Forscher mit ihren inzwischen erfahren Interessierte, die nicht immer das das heutige wissenschaftliche Weltbild pas- insofern meist richtig ist, als dass sie tatsäch- 96 97 Wissenschaftler, Fantasten oder Sensationsmacher Gibt es wirklich eine „verbotene Archäologie“? NACHBAU: Die 15 Zentimeter große „Batterie von Bagdad“ war offenbar in der Lage, Strom in geringen Mengen zu liefern. Durch die politischen Wirren im Irak ist die Forschung zu diesem Objekt aktuell zum Erliegen gekommen Strom in der alten Welt – keine Erfindung der Grenzwissenschaftler, sondern eine Sensation lich nie eine wissenschaftliche Ausbildung sind. Denn das ist der Grundsatz von Wis- genossen haben. Nun ist die wissenschaftli- senschaftlichkeit: Das bearbeitete Material che Ausbildung allein natürlich nicht die ein- (egal ob real oder gedanklich), muss doku- zige Voraussetzung, um inhaltlich korrekte mentiert vorliegen und offen zugänglich sein. Publikationen mit wissenschaftlichem Wert Die Schlüsse, die dann aus diesem Material zu veröffentlichen. Nimmt man die Definition gezogen werden oder durch Experimente der „Grenzwissenschaft“ ernst, sind damit zustande kommen, müssen reproduzierbar Forscher gemeint, die ihre Publikationen sein, indem man dieselbe Versuchsanord- ausdrücklich oder unausgesprochen mit dem nung benutzt. Kurz gesagt: Material und Anspruch schreiben, dass sie wissenschaft- Interpretation müssen nachvollziehbar im lich überprüf- beziehungsweise belegbar wahrsten Sinne des Wortes sein. Ein Bei- RÄTSEL? Die „Batterie von Bagdad“ wurde 1936 bei Ausgrabungen in einer Siedlung der Parther- und Sassanidenzeit in der Nähe von Bagdad entdeckt. Mit ihrem Gefäß, dem Eisenkern und Kupferzylinder wirft der Apparat noch viele Fragen auf 98 99 Wissenschaftler, Fantasten oder Sensationsmacher Gibt es wirklich eine „verbotene Archäologie“? spiel: Es wäre nicht wissenschaftlich, das an die Zukunft (1968) verfasste der Bestsel- Einsetzen einer Sonnenfinsternis mit dem lerautor das erste Erfolgsbuch, seine Publi- vergeigten Sprung eines Eichhörnchens in kationen wurden in 32 Sprachen übersetzt Zusammenhang zu bringen – weil zwischen und liegen bei einer Gesamtauflage von 62 diesen beiden Phänomenen kein Zusam- Millionen verkauften Exemplaren. Im Jahr menhang besteht, obwohl sie möglicherwei- 2012 erschien sein aktuelles Werk Der Mit- se gemeinsam beobachtet wurden. Würde telmeerraum und seine mysteriöse Vorzeit. also ein Forscher diesen Zusammenhang Rätselhafte Bauten, unglaubliche Fakten und einmal durch ein Experiment ‚beweisen‘, als falsch entlarvte Lehrmeinungen. könnten nachfolgende Experimente unter Seit seiner Schulzeit, die ihn auch mit den denselben Bedingungen zeigen, dass dieses Alten Sprachen in Berührung brachte, be- Ergebnis nicht reproduzierbar – und damit schäftigt sich Erich von Däniken mit The- wissenschaftlich nicht haltbar ist. men wie Weltraumfahrt, Philosophie und Bei einigen der „Grenzwissenschaftler“, die den Genmutationen des Menschen. Seine sich mit ihren Ansätzen an den Rändern der ersten Publikationen trafen den Nerv einer Wissenschaftsdisziplinen bewegen wollen, Zeit, die von den Sputnik-Erdsatelliten (ab sind allerdings mehr oder weniger starke 1957) und Lunik-Mondsonden (ab 1959) der Zweifel angebracht, ob sie diesen selbst ge- Sowjetunion, von der Gründung der NASA stellten Anspruch auch erfüllen. Im positiven (1958) und dem Apollo-Raumfahrtprogramm MODERNE EFFEKTE: Für die Besucher seines JungfrauPark – früher Mystery Park – im schweizerischen Interlaken ließ Fall sind sie „Protowissenschaftler“, also (1961–1972) der USA sowie der bemann- Erich von Däniken die antiken Tongefäße als „Batterien“ nachbauen und kombinierte sie mit „Glühbirnen“, die von den Dendera-Reliefs inspiriert sind Vorreiter auf tatsächlich neuen Wegen der ten Mondlandung am 20. Juli 1969 geprägt Wissenschaft. Im negativen Fall werden sie war. In diesen Jahrzehnten machte die Tech- wissenschaftlichen Standards nicht gerecht nik rasante Fortschritte, befeuert durch den Mit der Möglichkeit, Reisen in den Weltraum Erich von Däniken nicht nur in der Tradition und ihre Theorien damit zu unbewiesenen „Wettlauf ins All“ der Großmächte im Kalten zu unternehmen, erschienen jetzt für vie- von deutlich älteren Science-Fiction-Fantasi- Gedankenspielen. Daher werden sie auch Krieg. Zusammen mit der Faszination für le Menschen Besuche von Außerirdischen en, sondern auch von Thesen zu möglicher oft als „Pseudowissenschaftler“ bezeichnet. die unbekannten Weiten des Alls blühte der nicht mehr unmöglich. Erich von Däniken außerirdischer Intelligenz, die beispielsweise Glaube daran, dass es außerhalb der Erde ging fest davon aus und suchte Beweise der US-Astronom Carl Sagan (1934–1996) intelligentes Leben geben müsse. Die Sich- dafür, dass dies schon in der Vergangenheit bereits in den frühen 1960er Jahren populär Nutzten die alten Ägypter wirklich tung vermeintlicher unbekannter Flugobjekte geschehen sei. Seine Publikationen schlu- gemacht hatte. elektrisches Licht – und was hat von außerirdischen Besuchern wuchs sich gen weltweit ein. Erich von Däniken und andere Vertreter der Erich von Däniken damit zu tun? zu einer regelrechten UFO-Hysterie aus, Sein Konstrukt, es habe vor der modernen „Prä-Astronautik“ – heute oft auch „Paläo-SE- hinter der in der Realität wohl nicht nur die Raumfahrt der Neuzeit eine „Prä-Astronautik“ TI“ (Search for Extra-Terrestrial Intelligence) Der Schweizer Schriftsteller Erich von Dä- Einbildung oder der Erfindungsreichtum von gegeben, besagt, dass die menschliche Zivi- genannt – beziehen sich bei ihren Forschun- niken (geboren 1935) gilt heute zu Recht Erzählern oder Fotografen steckte, sondern lisation in ihrer Frühzeit von außerirdischen gen nicht auf eine bestimmte Kultur, sondern als eine der Kultfiguren jenseits der strengen auch so manches militärische Projekt – das Wesen besucht, beeinflusst oder sogar ge- bauen nahezu jede Kultur in ihre Überlegun- Grenzen der Wissenschaft. Mit Erinnerungen seinen Ursprung auf der Erde hatte. schaffen wurde. Mit diesen Gedanken steht gen ein. Kulturelle Phänomene, die sich äh- 100 101 Wissenschaftler, Fantasten oder Sensationsmacher Gibt es wirklich eine „verbotene Archäologie“? Die Vorgehensweise eines Archäologen soll- Alexanders des Großen am Nil herrschte, te anders sein: Er muss vom Befund ausge- errichteten die heute noch aus dieser Zeit hen, den er erst im zweiten Schritt deutet. Er erhaltene Tempelanlage. Königin Kleopatra analysiert diesen Befund genau und sucht VII., die sich selbst als Verkörperung der Lie- nach ähnlichen Phänomenen, die zeitlich besgöttin Hathor inszenierte und damit Iulius und kulturell nahe an seinem Befund lie- Caesar wie auch Marc Anton um den Finger gen – und versucht, diesen im Vergleich zu wickelte, ließ sich im Relief überlebensgroß den übrigen einzuordnen und dabei auch an den Tempelwänden verewigen. An ver- zeitspezifische kulturelle Unterschiede an- schiedenen Stellen im Tempel selbst – in ei- gemessen zu berücksichtigen. Daraus ergibt ner Seitenkammer des Erdgeschosses und sich für den Archäologen eine Interpreta- an den Wänden der Krypta – fallen mehrere tionsmöglichkeit, die immer nur eine Mög- ungewöhnliche Darstellungen auf, die sich in lichkeit bleibt. Hält die Interpretation der wis- ihren Elementen stark ähneln: Götter in Men- Der Besuch von Außerirdischen auf der Erde – er bleibt eine fantastische Vorstellung senschaftlichen Überprüfung stand, ist der schengestalt stehen vor oder hinter großen Archäologe zu seiner Theorie gelangt. Die kolbenförmigen Gegenständen. Die myste- TRENDSETTER: Erich von Däniken machte erstmals im Jahr 1968 mit Erinnerungen an die Zukunft seine These populär, Überprüfbarkeit und Nachweisbarkeit der Er- riösen Objekte scheinen einer Lotusblüte die moderne Wissenschaft habe zahlreiche Funde bisher nicht schlüssig erklären können. In seinen Veröffentlichungen gebnisse sind das wichtigste Element in der zu entspringen, sind leicht birnenförmig und präsentiert Erich von Däniken eine Mischung aus Reiseerlebnissen und Fragestellungen. Als Interviewpartner geht er Kette der Theorienbildung. Deswegen wird in schräg gekippt dargestellt. In ihrem Inneren kritischen Fragen auch nicht mit 78 Jahren aus dem Weg archäologischen Publikationen auch immer erkennt man eine Wellenlinie – eine Schlan- mit Fußnoten gearbeitet, sodass jeder die ge, die mal vor, mal zurück blickt. Pfeiler mit aufgestellten Thesen überprüfen kann. Armen stützen die Kolben, reichen manch- neln, werden meist pauschal auf einen ge- sie gerne außer Acht. Die „Prä-Astronautiker“ Ein anschauliches Beispiel für diesen unter- mal hinein und wirken, als würden sie die meinsamen Urheber – ihrer Meinung nach beginnen ihre Überlegungen mit einer für sie schiedlichen Umgang mit Befunden ist die Schlange tragen. Unter den Gegenständen Außerirdische – zurückgeführt. Um ihre The- feststehenden Tatsache – auch wenn sie die- „Glühbirne von Dendera“. Das jahrtausen- hocken kleinere Figuren; bei zwei Reliefs be- se zu untermauern, bedienen sie sich auch se oft zunächst als Frage formulieren: Es hat dealte Heiligtum der altägyptischen Göttin reichert ein stehender Pavian, mit Messern archäologischer und naturwissenschaftlicher eine „Prä-Astronautik“ gegeben. Von diesem Hathor in Dendera wurde im fortgeschrit- in den Klauen, das Ensemble. Die gesamte Ergebnisse und Methoden, die sie aber nicht Ergebnis ausgehend, suchen sie weltweit tenen ersten Jahrhundert v. Chr. – kurz vor Szenerie baut jeweils auf einer Papyrusbar- in ihrer ganzen Konsequenz anwenden. Fak- nach verwendbaren Beweisen: In verschie- der Eroberung Ägyptens durch die Römer – ke auf; Hieroglyphentexte stehen daneben. ten und Argumente, die ihre Theorien nicht denen Kulturen, in den unterschiedlichsten prachtvoll ausgebaut. Die letzten Regenten Erich von Däniken deutete diese Darstel- unterstützen oder diese widerlegen, lassen Epochen oder in literarischen Quellen. der Ptolemäer-Dynastie, die seit dem Tod lungen, die man bisher so nur aus Dendera 102 103 Wissenschaftler, Fantasten oder Sensationsmacher Gibt es wirklich eine „verbotene Archäologie“? kennt, als Beweis für altägyptische Hoch- trodenpaar Eisen und Kupfer es bei diesem technologie: Die Blase sei der Kolben einer Apparat bestenfalls auf rund 0,5 Volt ge- Glühbirne, in deren Inneren sich der Glüh- bracht hätte. Zum Vergleich: Eine vom Fahr- faden (die gewellte Linie) befinde und in rad betriebene Glühbirne hat 6 Volt. Doch für einen Sockel übergehe. Die wellenförmige Erich von Däniken und andere ist damit klar: Linie am Ende solle das Kabel darstellen, In der Alten Welt gab es Glühbirnen, wie die durch das die Lampe mit Elektrizität versorgt Darstellung der „Glühbirne von Dendera“ be- würde... Feierten die alten Ägypter also mit lege – und es gab Gefäße, wie die „Batterie diesen Reliefs die Magie des elektrischen von Bagdad“, die diese mit Strom versorgt Lichts, das ihnen ermöglichte, in dunklen haben könnten. Pyramidengängen zu arbeiten und Wandbil- Mit solchen Thesen legt Erich von Däniken der in den tiefen Grabkammern von Theben den Finger in eine Wunde der Wissenschaft anzulegen? Hatten einst Außerirdische die – denn auch die Archäologen hatten und Sind Wissenschaftler und Grenzwissenschaftler wirklich an einem Dialog interessiert? GEFLÜGELTES WESEN: Faravahar in der geflügelten Sonnenscheibe ist das Symbol des Geistes in der alten persisch- zoroastrischen Religion (hier ein Relief aus dem Palast von Persepolis, heute Iran). Anhänger der „Prä-Astronautik“ Menschen mit derartigen Technologien in haben es nicht leicht, diese außergewöhnli- sehen in derartigen Darstellungen Beweise für Außerirdische und ihre Flugmaschinen Kontakt gebracht? Ging dieses Wissen aber chen und einzigartigen Befunde zu erklären. wieder verloren und nur ‚Kultgegenstände‛ Im Fall der „Glühbirne von Dendera“ brachte erinnerten noch daran? erst die Übersetzung der zugehörigen Hiero- Nacht“ oder der „Barken des Tages“ passen ne. Am Beispiel Dendera wird deutlich, dass Aber wo ist die Stromquelle, die diese an- glyphentexte durch Prof. Dr. Wolfgang Wait- somit zu anderen altägyptischen Bootsdar- man archäologische Befunde, so schwierig geblichen antiken Glühbirnen versorgt haben kus, der am ägyptologischen Institut der Uni- stellungen, die im mythologischen Zusam- und singulär sie auch erscheinen mögen, könnte? Hier führt Erich von Däniken einen versität Hamburg forscht, den Durchbruch. menhang den Sonnenmythos im Reich der immer in ihrer Gesamtheit und im damaligen merkwürdigen archäologischen Fund ins Er zeigte, dass sämtliche „Glühbirnen“-Ideen Pharaonen illustrieren. Die „Kolben“ entpup- Kontext analysieren und verstehen muss – in Feld: Im Jahr 1936 wurde bei Ausgrabungen zu Dendera fantasievoll, aber auch wissen- pen sich im Vergleich mit anderen, auch äl- diesem Fall einschließlich der Inschriften. in der parthischen Siedlung Khujut Rabuah schaftlich unhaltbar sind. In vereinfachender teren Darstellungen als der blasenförmige Deutlich weniger zufriedenstellend ist der nahe Bagdad (Irak) ein nur ca. 14 Zentime- Kurzfassung: Die Beischriften erzählen vom Mutterleib der Himmelsgöttin Nut. Auch die Forschungsstand zu den antiken „Batterien“ ter hohes Tongefäß entdeckt. Zusammen mit Mythos der aufgehenden Sonne in Gestalt in den Reliefs gezeigten Begleitfiguren konn- aus dem heutigen Irak. Vielleicht auch ab- ähnlichen Funden aus dem Zweistromland des Schlangengottes Harsomtus, der „aus te der Forscher benennen: die Luftgottheiten geschreckt durch ihre Popularität bei Erich hält sich bis heute die Theorie, dass dieser seiner Lotusblüte hervorkommen und in Den- Schu und Heh. Und der bewaffnete Pavian von Däniken und anderen Autoren scheinen fest verschlossene Behälter mit einem Kup- dera vor den ihn erwartenden Götterkapellen ist – in enger Verbindung zum Mond- und sich nur sehr wenige Archäologen ernsthaft ferzylinder und einem Eisenstab eine antike erscheinen“ soll. Die vor Symbolkraft strot- Zeitgott Thot – ein Beschützer des neuge- mit diesen wirklich sensationellen Funden Batterie war – wobei das galvanische Elek- zenden Schiffsdarstellungen der „Barken der borenen Harsomtus, der aufgehenden Son- beschäftigt zu haben. Diese Lücke in der 104 105 Wissenschaftler, Fantasten oder Sensationsmacher Gibt es wirklich eine „verbotene Archäologie“? Forschung müsste durch eine Begutachtung (2009) in einschlägigen Kreisen einen Na- möglich – das geistige Eigentum anderer For- miteinander verknüpft werden kann. So fas- vor Ort, eine fotografische Dokumentation men gemacht – indem er vermeintliche Be- scher, auf dem auch die Thesen von Erdoğan zinierend die Erzählungen von Dänikens aus und eine wissenschaftliche Auswertung der weise dafür präsentiert, dass die alten Ägyp- Ercivan teilweise aufbauen, erschließt sich den Regenwäldern Mittelamerikas für den Apparate geschlossen werden. Die Situa- ter schon vor Jahrtausenden über Hochtech- für den Leser nicht mehr. Tatsächlich ist der Leser sind, so spannend seine Reiserleb- tion hat sich heute dadurch verschlimmert, nologie verfügt hätten oder dass prominente Verzicht auf Fußnoten ein Problem, dem nisse aus den Mayastädten in Mexico, Gua- dass die Kriegswirren auch nicht vor dem Forscher in Wahrheit Betrüger und Fälscher man bei Forschungen auf dem Gebiet der temala, Belize oder Honduras klingen – es Irakischen Nationalmuseum in Bagdad Halt gewesen seien... Grenzwissenschaft häufig begegnet. Regel- bleibt ein Faktum, dass die Stufenpyramiden machten. Deshalb bleiben bis heute Fragen Erdoğan Ercivan beschäftigt sich ebenfalls mäßig werden auch keine Quellenangaben dort in architektonischer, chronologischer und offen: Handelt es sich überhaupt um Batte- mit „Prä-Astronautik“ und schreibt sehr viel zu antiken Werken gemacht, auf die sich die funktionaler Hinsicht mit ihren Jahrtausende rien im modernen Sinn? Wenn ja, dienten über das Land der Pharaonen. In seinen Forscher in ihren Thesen stützen. Möchte älteren Verwandten am Nil nur sehr wenig zu sie möglicherweise zur elektrochemischen Veröffentlichungen verzichtet er fast vollstän- ein Leser diese nachschlagen, um die Zitate tun haben. Positiv ist sicher, dass in diesen Veredelung von Metallen? Oder wurden sie dig auf Fußnoten, was die Überprüfung sei- in ihren ursprünglichen Textzusammenhang Publikationen viele Menschen mit archäolo- für elektrotherapeutische Zwecke verwen- ner Thesen sehr schwer macht. Auf diesen einzuordnen, die Übersetzung zu überprüfen gischen Stätten und Funden in Berührung oder auch einfach nur im Wortlaut zu kontrol- kommen und sich davon faszinieren lassen; lieren, ist dies nur in wenigen Fällen möglich. sie werden vielleicht dazu angeregt, sich ein- Ein Perspektivenwechsel kann zur Überprüfung gehender zu informieren. Problematisch wird der eigenen Thesen immer von Nutzen sein Was bringt Grenzwissenschaft für es dann, wenn „Grenzwissenschaftler“ in der Rolle auftreten, sich als Vertreter der Wahr- die Archäologie? heit zu sehen – und gleichzeitig Forschungs- det, wie ebenfalls bereits spekuliert wurde? Missstand hingewiesen, antwortet er im In- ergebnisse von Wissenschaftlern ignorieren, Stammen sie wirklich aus der Zeit der Par- terview: „Das Problem begründet sich damit, Die „Prä-Astronautik“ und andere „Grenz-“ verdrehen oder sogar wie im Fall der „Verbo- ther, die in den Jahrhunderten vor und nach dass im deutschsprachigen Raum leider vie- oder „Pseudowissenschaften“ – je nach tenen Archäologie“ verunglimpfen. Christi Geburt zwischen Euphrat und Tigris le Mitforschende Informationen klauen, diese Standpunkt des Betrachters – spielen in der Denn pauschale Vorwürfe und imaginierte herrschten? Oder sind sie einige Jahrhun- in ihren Werken angeben, und so tun, als ob wissenschaftlich betriebenen Archäologie Fronten sind wenig sinnvoll bei der Ausein- derte jünger; etwa aus der Zeit der persi- diese Erkenntnisse auf ihren eigenen Ar- keine Rolle, da ihre Inhalte und Ergebnisse andersetzung mit der Antike. Dazu Erich schen Sassaniden, also aus dem dritten bis beitsergebnissen beruhen. Das ist Diebstahl einer strengen methodischen Überprüfung von Däniken: „Wer die Vergangenheit nicht siebten Jahrhundert n. Chr.? Nur neue Un- geistigen Eigentums, den ich nicht weiter nicht standhalten. Zwar ist zum Beispiel die kennt, ist dazu verurteilt, die Fehler der Ver- tersuchungen werden hier überprüfbare Ant- unterstützen möchte. Ab 2014 fange ich an, Verknüpfung mehrerer Kulturen, die in einem gangenheit zu wiederholen. Archäologie worten geben können. in Englisch zu publizieren, dann werde ich engen Zusammenhang stehen, eine wün- bringt die Geschichte lebendig in unsere auch meine Zitierweise anders wiedergeben schenswerte Herangehensweise – allerdings Realität, in unsere Zeit. Ich kenne viele Ar- Erdoğan Ercivan (geboren 1962), ein deut- und durchaus Fußnoten verwenden.“ Dem wird dies in der wissenschaftlichen For- chäologen, die wirklich brilliante Leute sind. scher Autor türkischer Herkunft, hat sich mit Diebstahl geistigen Eigentums vorzubeugen schung bereits seit Langem praktiziert. Vom Aber ich bin irgendwie auch ganz froh, kein Büchern wie Verbotene Ägyptologie (2001) erscheint ratsam. Allerdings birgt die Vorge- wissenschaftlichen Standpunkt aus ist zu be- Archäologe geworden zu sein. Denn Archäo- und Missing Link der Archäologie.Verheim- hensweise, Fußnoten wegzulassen, andere achten, dass eben nicht jedes vermeintlich logie läuft Gefahr – wie alle Wissenschaften lichte Funde, gefälschte Museumsexpona- Risiken: Denn so ist eine wissenschaftliche ähnliche kulturelle Phänomen, das jedoch in – sich festzufahren. Ich glaube, sie braucht te und als Betrüger entlarvte Archäologen Überprüfung von Thesen und Fakten nicht ganz unterschiedlichen Epochen stattfand, auch den ein oder anderen Spinner!“ • Weblinks zu diesem Kapitel www.sagenhaftezeiten.com • www.daniken.com • www.paleo-seti.com • www.palaeoseti.de • www.mysteries-magazin.com 106 107 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Jahrtausende lang war es ausschließlich ein Privileg der Reichen und Mächtigen, archäologische Schätze zu sammeln und auszustellen. Die Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen Geschichte der modernen, öffentlich zugänglichen Museen ist jung – und gerade im Umbruch der bayerischen Museen D er klassische Weg, Archäolo- gie und antike Geschichte fast zum Greifen nah zu erleben, führt auch im 21. Jahrhundert vor allem in eine Einrichtung: das Museum – auch wenn es hier natürlich um das Ansehen und nicht um das Anfassen der ausgestellten Objekte geht. Die Idee, Altes zur Schau zu stellen, ist keineswegs neu; es gibt sie schon seit Jahrtausenden. Möglicherweise standen die ersten Museen schon in den Städten des Zweistromlan- des. „Ob bereits der letzte Herrscher von Babylon – Nabonid, der 539 v. Chr. sein Reich an den Perserkönig Kyros II. ver- lor ‒ der erste Sammler von Kunstwerken war, ist inzwischen umstritten“, erklärt Dr. Florian Knauß, der seit 2011 Direktor der Staatlichen Antikensammlungen und der Glyptothek in München ist. „Im Bereich der klassischen Antike setzen Sammlungen grie- chischer Kunst im späten Hellenismus ein.“ Der Name „Museum“ leitet sich vom griechi- schen Begriff mouseion ab – einem Ort, an dem man den Schutzgöttinnen der Künste, den Musen, huldigte. In der griechisch-ägyp- tischen Metropole Alexandria befand sich das berühmteste mouseion des Altertums, mit seinen angeschlossenen Bibliotheken. Diese Einrichtung war in den Jahrhunder- ten vor und nach Christus ein Magnet für Forscher und Gelehrte. „Die ursprünglich an einen religiösen oder politischen Kontext gebundenen Objekte wurden schon im Alter- 108 109 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... Ihicaverum tatiusque MONUMENTALE deriptiente firtesse MUSENTEMPEL compopos sestrum IM BAYERISCHEN maxim merferis ISAR-ATHEN: fac te prarbenit, Am Königsplatz citilisum in München ließsinem patilicae der spätere König me etimil das tus consule von den Bauten aufstravestrum teatife der Athener ripicae inspiriert Akropolis hiliam pri,ist. desLinks atursum es adhusa im Foto sind dieduc isq Ihicaverum Staatlichen tatiusque Antikensammlungen zu deriptiente Ludwig firtesse I. (1825 compopos – 1848) schonsestrum maximMuseumsbauten als Kronprinz merferis fac te prarbenit, errichten,citilisum die demsinem patilicae mesein Volk zugänglich etimil tus consule sollten. Die Archi- stravestrum sehen, teatife die vor allemripicae antikehiliam pri,zeigen. Vasen des atursum In deres adhusa Mitte stehtduc dasisq Ihicaverum tatiusque monumentale Eingangstorderiptiente firtesse und der Propyläen compopos rechts sestrumKarl tekten maxim merferisLeo von Fischer, fac te vonprarbenit, citilisum Klenze und Georgsinem patilicae Friedrich me etimil Ziebland schufen tus consule stravestrum ein Ensemble teatife ripicae klassizistischer hiliam Architektur, pri, des atursum präsentiert es Glyptothek sich die adhusa ducihren isq Besuchern, die für ihre griechischen und römischen Skulpturen berühmt ist tum auch wegen ihres ästhetischen Werts In der Zeit der Wiederentdeckung der grie- Kunst zeigen sollte, geht auf den bayeri- pflanzen, um sie daselbst als eine Quelle der geschätzt“, führt Knauß weiter aus. chisch-römischen Antike, der Renaissance, schen Kronprinzen Ludwig zurück, der später edelsten Kunstbildung, jedem frei und unent- Aus der Römerzeit kennen wir einen Kunst- begann man an Orten wie Florenz, Rom, als Ludwig I. regierte. „Unter dem Eindruck geltlich zugänglich zu machen, der aus ihr sammler der anderen Art: Gaius Verres (ca. Venedig oder Mantua die Überreste des seines ersten Italienaufenthalts 1804/05 und schöpfen will‘“, so Knauß zur Geburtsstunde 115 – 43 v. Chr.), den römischen Statthal- untergegangenen Weltreichs wieder als hi- ter von Sizilien. Er missbrauchte sein Amt, um die ihm unterstellte Provinz so arg aus- storische und antiquarische Zeugnisse zu schätzen – und als Vorbilder für eine neue Ein für jeden zugängliches Museum war noch im zuplündern und sich der dortigen antiken Schätze zu bemächtigen, dass die Klagen eigene Kunst. Sammelnde Kardinäle und Ad- lige stellten sich so in die Tradition des römi- 19. Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit der Sizilianer auch in Rom nicht mehr igno- schen Imperiums. riert werden konnten. Der damals noch junge Eine der ersten Sammlungen antiker Skulp- der dort in Augenschein genommenen Anti- der Münchner Glyptothek am Königsplatz. Anwalt Cicero führte den Prozess gegen Ver- tur, die nicht – wie bisher – nur einem kleinen ken, Gemälde, Vasen und Münzsammlungen Im Jahr 1810 war Ludwig überzeugt, man res; seine schriftlich niedergelegten Reden Kreis von Kennern zur intellektuellen Erbau- empfand der 18-jährige Kronprinz nach eige- müsse auch in München haben, was in Rom gegen Verres kennen viele Lateinschüler aus ung diente, sondern der breiten Öffentlich- ner Aussage den Wunsch, ‚diese Schönhei- museo genannt werde. Ludwigs Vater, Maxi- dem Unterricht. keit die Schönheit der griechisch-römischen ten nach seiner nordischen Heimat zu ver- milian I. Joseph, war von den teuren, schön- 110 111 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... Moderne Restaurierungen und Rekonstruktionen Das Bewahren der Stücke beinhaltet manchmal auch Aufgaben, die eher hinter den Kulis- sen ablaufen. „Eine große Herausforderung für uns Restauratoren ist beispielsweise das EINE GÖTTIN FÜR MÜNCHEN: Für die Ausstellung Die Unsterblichen – Götter Griechenlands (2012) schuf der sogenannte Ent-Restaurieren, das seit den 1970er Jahren praktiziert wird. Dabei werden Restaurator Olaf Herzog ein Standbild der Athena, die Ergänzungen wie Nasen oder ganze Arme wieder von den beschädigten antiken Origi- vor dem Eingang zu den Staatlichen Antikensammlungen nalen abgenommen. Im 18. oder 19. Jahrhundert wurden diese Teile ergänzt, also neu wacht. Die Figur entwickelte sich für Passanten zu einem hergestellt, um die Figuren wieder ‚komplett‘ zu machen“, erklärt Olaf Herzog, Restaurator Anziehungspunkt auf dem Königsplatz. Um das Götterbild nachzuempfinden, benutzte der Restaurator eine Büste in der Glyptothek und Antikensammlungen. „Manchmal ergänzen wir auch heute noch. Das der Glyptothek (‚Athena Velletri‛) und weitere Athenastatu- ist eine gute Sache, aber nur wenn man das Ergebnis wissenschaftlich vertreten kann und en in europäischen Museen als Grundlage. Ihr Betrachter nicht nach der Fantasie rekonstruiert.“ Das Ergebnis einer solchen modernen Rekonstruk- kann sich so vorstellen, wie Bronzestatuen im Altertum tion steht auf den Stufen der Antikensammlung: die goldene Athena. ausgesehen und gewirkt haben 112 113 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... inszeniert wurde. Und man begegnet den eine eigene Restaurierungswerkstatt. Die Großen der Geschichte wie Alexander, Au- Sorge um die Objekte ist auch dafür verant- gustus oder Nero ‒ zumindest ihren Porträts. wortlich, dass Dr. Florian Knauß sehr sorg- „Die klassischen Kernaufgaben unseres Mu- sam auswählt, ob und welche Stücke er für seums sind das Sammeln, das Bewahren Ausstellungen an anderen Orten ausleiht. und das Vermitteln. Daneben dienen unse- Thematische Sonderausstellungen speisen re Museen auch als Forschungseinrichtun- sich daher vor allem aus den reichen Schät- gen“, erklärt Florian Knauß. Dabei trete die zen der Dauerausstellung und der Depots. erste Aufgabe, wie der Museumsdirektor im Ein Experte für die museale Vermittlung Interview ausführt, für seine Häuser inzwi- von Archäologie ist auch Prof. Dr. Rupert schen stark in den Hintergrund – und dies Gebhard, der Direktor der Archäologischen nicht allein wegen begrenzter Etats: „Neuer- Staatssammlung in München. Im Interview werbungen sind für ein staatliches Museum erklärt er seine Perspektive: „Unser Haus heute aus ganz unterschiedlichen Gründen steht in der Tradition der heimischen Archäo- schwierig. Der Export von Antiken aus den logie, also der Vor- und Frühgeschichte, der Herkunftsländern ist heute in aller Regel il- mittelalterlichen und neuzeitlichen Archäolo- MUSEUMSMACHER: Der Klassische Archäologe Florian Knauß ist seit 2011 Direktor der Staatlichen Antikensammlun- Nur Stücke präsentieren? Moderne Antiken- gen und der Glyptothek in München. Für Ausstellungen greift er vor allem auf die Objekte der eigenen Museen zurück museen leisten viel mehr für ihre Besucher geistigen Bestrebungen seines Sohnes alles der alten Griechen. Angesicht zu Angesicht legal, mit ganz wenigen Ausnahmen. Und gie. Dadurch, dass wir in den 1970er Jahren andere als begeistert. Denn er glaubte nicht, steht der Besucher den spätarchaisch-früh- für mögliche Ankäufe aus dem Kunsthandel begonnen haben, eine Vergleichssammlung dass es Ludwig gelänge, „aus der ‚Rasse klassischen Figuren aus den Giebelfeldern folgen wir einer ‒ ungeschriebenen ‒ Selbst- mediterraner Archäologie anzulegen, wollen von Bierbäuchen‘, wie Max die Bayern cha- des Aphaia-Tempels von Ägina gegenüber, verpflichtung der Museen, dass man sich bei wir erklären, vor welchem Hintergrund, in wel- rakterisierte, Griechen und Römer zu ma- die uns vom Kampf um Troja erzählen. Vor Antiken, deren Herkunft nicht bis 1970 zu- chem Zusammenhang unsere Archäologie chen“, weiß Dr. Florian Knauß zu berichten. der ‚Aphrodite von Knidos‛ erinnern wir uns rückzuverfolgen ist, zurückhält. Wir wollen ja hier steht. Wir haben also keinen kunsthis- Zweihundert Jahre später gehören die bei- an die Anekdote, dass sich einst ein glühen- nicht den illegalen Raubgrabungen Vorschub torischen, sondern einen kulturhistorischen den Münchner Antikenmuseen am Königs- der Verehrer vor rund 2.400 Jahren so stark leisten und auch nicht den illegalen Handel Ansatz. Es geht uns um die Kulturgeschichte platz zu den bedeutendsten Sammlungen in die Statue der Göttin verliebt hatte, dass er mit Objekten unterstützen, die aus Museen der Antike, weniger um die Kunstgeschich- der Welt: Sie präsentieren die Meisterwerke die Nacht bei ihr im Tempel verbracht habe oder Depots in Krisengebieten gestohlen te.“ Diesen Horizont leuchtet die Archäolo- von Vasenmalern wie Euphronios und Exe- ‒ und dort die Spuren seiner Leidenschaft wurden.“ Um den zweiten Aspekt der Muse- gische Staatssammlung ganz bewusst weit kias ‒ und lassen uns eintauchen in die aben- hinterließ... Der ‚Barberinische Faun‛ entführt umsarbeit ‒ die Stücke möglichst unversehrt aus, weil dies auch die Realität der antiken teuerliche Welt der Sagenhelden Herakles uns dann in die mythologisch-sinnliche Welt auch für die Nachwelt zu bewahren ‒ küm- Beziehungen war. Sie reichten weit über und Theseus, aber auch in die Alltagswelt der wilden Natur, wie sie im Hellenismus mert sich in den Museen am Königsplatz heimische Regionen hinaus, auch in den ge- 114 115 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... Römische Porträts Bei römischen Porträts gilt es zu beachten, dass wir hier nicht Augustus oder Alexan- der vor uns haben, wie sie wirklich aus- gesehen haben – sondern so, wie die Be- treffenden gesehen werden wollten. In der Bildsprache liegen Botschaften versteckt, die für die alten Römer lesbar waren. „Das anschaulichste Beispiel ist wohl, dass sich Augustus noch mit fast 70 Jahren als junger Mann darstellen ließ. Allerdings gab es durchaus Moden bei den Porträtköpfen. Deshalb muss man auch beim Gegenteil vorsichtig sein: Die tiefen Falten alter Män- ner an Porträts aus der späten Republik sind eine Bildformel ‒ für die Anstrengung IDEALER MUSEUMSRAUM? Für den Wiederaufbau ORIGINAL-KAISER IM RÖMERSAAL: Von Kaiser und die Sorge, die man dem römischen der Glyptothek nach dem Zweiten Weltkrieg rückte man Augustus (27 v. Chr. – 14 n. Chr.), blieben viele Porträts die Skulpturen auf schlichten Sockeln in die Mitte der erhalten. Der ‚Augustus mit dem Eichenlaub‛ (unten) Staat gewidmet hat“, weiß Prof. Dr. Mi- reduziert gehaltenen Ausstellungssäle wurde wohl erst nach seinem Tod aus Marmor gemeißelt chaela Fuchs (oben) vom Münchner In- stitut für Klassische Archäologie, die die römische Skulptur aus der Glyptothek als Buch vorgelegt hat. Dr. Thoralf Schröder samten Mittelmeerraum. Leihgaben wie auch (unten), der ebenfalls zum römischen Por- eigene Stücke werden „kontextualisiert, um trät forscht, ergänzt: „Es ist ja auch ganz einen größeren Zusammenhang herzustel- spannend zu sehen, wie man schon in der len. Wir wollen nicht nur ein einzelnes Bild- Antike der Haarmode folgte. So wie sich werk ausstellen, sondern es gleich in einem heute junge Männer an der Frisur eines Tempel ausstellen ‒ beispielsweise mit Hilfe David Beckham oder Justin Bieber orientie- von Projektionen und Rekonstruktionen“, so ren, war damals der Kaiser ein Trendsetter, der Museumsleiter. „Unser Ziel ist eine ganz- den Römer in ihren privaten Porträts nach- heitliche Betrachtungsweise. Wir versuchen, ahmten. Auch wenn das alles schon rund Vergangenheit lebendig werden zu lassen. 2.000 Jahre her ist ‒ hier ist das Altertum Und darauf achten wir auch bei thematischen ganz modern!“ Sonderausstellungen, die wir übernehmen, Wer sich eingehender mit römischen Por- wie im Fall von Die letzten Stunden von Her- träts beschäftigen möchte, findet eine um- culaneum oder Luxus und Dekadenz. Rö- fangreiche Sammlung im Museum für Ab- misches Leben am Golf von Neapel. Oder güsse Klassischer Bildwerke ‒ ganz in der nehmen Sie beispielsweise die Ausstellung Nähe der Glyptothek. Alexander der Große im Lokschuppen Ro- senheim. Im Prinzip zeichnet sie die Biogra- 116 117 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... ALTE MEISTERWERKE: Die Glyptothek zeigt Originale aus der archaischen, klassischen und hellenistischen Zeit BLICKWINKEL: Der Besucher durchwandert in der Glyptothek rund 1000 Jahre antiker Kunstgeschichte. Von Epoche sowie qualitätvolle römische Kopien heute nicht mehr erhaltener griechischer Statuen zu Epoche, von Saal zu Saal steht er in diesem Kunstmuseum direkt vor den Objekten fie Alexanders nach; sie zeigt aber auch als erwachsenen Interessierten, mit oder ohne keineswegs nur Gymnasiasten, sondern Ju- die Jugend an. Wir sehen uns bewusst die kulturell-historischen Kontext die Verbindung fachliches Vorwissen. Kunstfreunde ganz gendliche aus allen Schulformen.“ Lehrpläne an und richten das Angebot der zu den Kulturen, die Alexander auf seinem allgemein kommen bei uns auf ihre Kosten, Feldzug berührt hat.“ Florian Knauß kennt das Publikum von Glyp- aber natürlich auch Wissenschaftler. Und unsere Häuser sind immer auch ein gern Antikenmuseen können Wissen über das Alter- tothek und Staatlichen Antikensammlungen am Königsplatz gut: „Unser Publikum kommt gebuchtes Highlight für Besuche im Rahmen von Kongressen oder Firmenevents. Wichtig tum vermitteln – oder auch reinen Kunstgenuss aus ganz unterschiedlichen Gründen: An sind uns besonders die Schulklassen und speziellen Kindertagen, an denen wir natür- die Lehrer, für die wir, nach Voranmeldung, Auch Rupert Gebhard liegen die Schüle- Sonder- wie auch der Dauerausstellungen lich ein eigenes Programm anbieten, sind eigene Führungen im Haus anbieten. Und rinnen und Schüler als Besucher der Ar- daran aus. Wir betreiben, im Grunde ge- die ganz Kleinen mit ihren Eltern da – die das sind nicht nur Latein- und Griechisch- chäologischen Staatssammlung besonders nommen, Kinder- und Jugendbildung bis wir auch für unsere Sammlungen begei- schüler, sondern auch Klassen der Fächer am Herzen: „Neben dem klassischen Bil- hin zur Erwachsenenbildung ‒ das geht mit stern wollen. Dann haben wir natürlich den Geschichte oder Kunst. Spaß daran haben dungsbürgertum sprechen wir ganz breit Steinzeitprogrammen für die ganz Kleinen 118 119 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... ABSTIEG IN DAS ALTE ÄGYPTEN: Die Ausstellungsräume des neuen Museums Ägyptischer Kunst liegen unter der ANKUNFT IM LICHT: Über eine Freitreppe betritt man kirchenschiffähnliche Räume, die von einem Atrium Tageslicht Erde. Über eine breite Freitreppe erreicht man den Zugang, der an altägyptische Tempeltore oder Gräber erinnert erhalten. Hallen wechseln sich mit kleinen Räumen ab und gewähren Durchblicke auf die Exponate im Kindergarten los.“ Dieses Vermittlungs- arbeitet. Die Fans des Altertums finden hier alten Sammlung gestaltet wurde, ist hier bisherige chronologische Aufstellung, wie konzept wird spürbar angenommen: „Wenn eine Fülle von maßstabs- und detailgetreu- kombiniert mit innovativer Präsentation, raf- wir sie am alten Standort in der Münchner man neue Themen bringt, kommt auch neu- en Gipsabgüssen von Statuen aus der grie- finierter Beleuchtung und einem neuartigen Residenz hatten, ersetzt durch eine nach es Publikum. Durch die Mischung unter- chisch-römischen Welt, deren Originale über Besucherleitsystem. Themen gegliederte Aufstellung. So stehen schiedlicher Themen gelingt es, Menschen die ganze Welt verstreut sind. mit unterschiedlichen Interessen anzuspre- Einen eigenen Weg in der Präsentation von Seit der Eröffnung 2013 wurde das Museum chen“, freut sich Rupert Gebhard. Für das archäologischen Objekten geht auch das Jahr 2014 sind drei Sonderausstellungen ge- Staatliche Museum Ägyptischer Kunst, das Ägyptischer Kunst zum Publikumsmagneten plant: zur Mumie des ‚Ötzi‛, zur ‚Moorleiche seit seiner Neueröffnung im Juni 2013 einen von Dachau‛ und zur Kunst der Kykladen. regelrechten Besucheransturm verzeichnet Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahr- beispielsweise die zwei Haupträume unter Über das Interesse von Lehrern und Schul- und sich zu einem Schmuckstück der Mu- zehnte entwickelte das Staatliche Museum den Überbegriffen „Kunst und Form“ sowie klassen freut sich auch Dr. Ingeborg Kader, seumslandschaft in München gemausert Ägyptischer Kunst ein Konzept, das die tra- „Kunst und Zeit“, erklärt Dr. Arnulf Schlü- die als Hauptkonservatorin am Museum für hat. Modernste Architektur, die bewusst als ditionsreiche Sammlung erfolgreich ins 21. ter, Konservator des Museums. „Denn wir Abgüsse Klassischer Bildwerke in München Rahmen für die auszustellenden Stücke der Jahrhundert getragen hat. „Wir haben die sehen uns zwar als ägyptisches Museum, 120 121 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... In München hat das Museum Ägyptischer Kunst neue Standards für Museen vorgelegt aber eben auch als Kunstmuseum. Als Teil sen unserer Besucher Rechnung zu tragen: findet ‒ und liefert passgenau Informationen nachträglich zu bewegen und nachzujustie- des neu gestalteten Kunstareals im Herzen Unsere ‚Highlights-Führung‘ beispielsweise zu den Stücken in der direkten Nähe. ren. Normalerweise sind Objekte nämlich mit von München sind wir sehr froh, unseren lässt jeden, der nur wenig Zeit im Gepäck Aus archäologischer Sicht ist bei diesem dem Sockel fest und unbeweglich verbunden neuen Standort in der Nähe der anderen gro- hat, die wichtigsten Stücke des Museums in Neubau besonders bemerkenswert, dass – oft durch große Stahlstifte. Die Erfahrung ßen Kunstmuseen zu haben – also der Alten, ganz komprimierter Form kennenlernen. Er hier die Ägyptologen in sehr enger Abstim- hat aber gezeigt, dass – beispielsweise mit Neuen und Modernen Pinakothek sowie der kann sich von einem unserer digitalen Me- mung mit Architekten und Ausstellungsdesi- veränderter Beleuchtung oder neuem Auf- Antikensammlungen und der Glyptothek“, diencenter zum nächsten führen lassen. Je gnern arbeiten konnten. Für die Sockelung stellungsort – Objekte dann manchmal kaum so Arnulf Schlüter. „Zusätzlich zu unserem nach Interesse kann aber selbstverständlich und Installation der meisten Objekte war mehr zu erkennen sind. Diese Probleme Stammpublikum, das wir aus Führungen jede einzelne Station weiter vertieft werden – der Archäologe, Architekt und Restaurator könnte man oft dadurch beheben, indem und vergangenen Veranstaltungen kennen, gerne auch beim nächsten Besuch.“ Ergänzt Dr. Michael Pfanner mit seinem Team ver- man die Ausstellungsstücke auf ihrem Soc- gewinnen wir neue Besucher nun auch un- wird das multimediale Angebot durch Media- antwortlich. Bei der Führung durch das Mu- kel neu ausrichten würde. Das geht jetzt“, ter den Kunstinteressierten, die eines der guides in Form eines Tablet-Computers. Die- seum erklärt er im Interview: „Extra für die- freut sich Michael Pfanner. „Ebenso stolz Museen in der Nähe besuchen. Durch den ser ortet den Besucher per WLAN und zeigt ses Museum haben wir ein neues System sind wir, dass alle Stücke, die wir an den gezielten Einsatz von Medientechnik versu- ein 3D-Modell des aktuellen Museumsbe- entwickelt, das es ermöglicht, bereits auf Wänden befestigt haben, keine für den Be- chen wir zudem, den veränderten Bedürfnis- reichs, in dem sich der Besucher gerade be- einem Sockel befestigte Ausstellungsstücke trachter sichtbaren Aufhängungen haben.“ IM GESPRÄCH MIT EXPERTEN: Der Ägyptologe und Museumsmitarbeiter Arnulf Schlüter und Michael Pfanner, der VOR DEN STÜCKEN erläuterte Michael Pfanner die innovativen Techniken, mit denen Reliefs an der Wand angebracht als Archäologe und Restaurator mit seinem Team die neuen Ausstellungsräume mitgestaltete, führten Studenten der wurden, ohne sichtbare Haken oder Eisenklammern (rechts). Zusätzlich zu den altägyptischen Objekten erwarten den Ludwig-Maximilians-Universität München durch die Sammlung. Dabei stellten sie auch das Konzept des Museums vor Besucher auch multimediale und virtuelle Überraschungen, mit denen man spielerisch lernen kann 122 123 Ausgestellte Archäologie Sammeln, Bewahren und Vermitteln ‒ Geschichte, Erfolge und Zukunftsvisionen... Tipps für Museumsführungen Spezielle Führungen für Schulklas- sen sowie Lehrerfortbildungen in zahlreichen Münchner Museen bie- tet das Museumspädagogische Zen- trum (MPZ) an: www.mpz.bayern.de Führungen und Veranstaltungen im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst werden vom Museum selbst angebo- ten. Interessierte Gruppen können sich direkt an die dortigen Museumspäd- agogen wenden, um eine individuali- STATUEN-FACHFRAU: Die Archäologin und Konser- sierte Führung zu vereinbaren: www. HERR DER ARCHÄOLOGISCHEN STAATSSAMMLUNG in München ist Rupert Gebhard. Dieses Museum in der vatorin Ingeborg Kader leitet das Museum für Abgüsse aegyptisches-museum-muenchen.de Lerchenfeldstraße 2 dokumentiert die Vor- und Frühgeschichte, die Römerzeit wie auch die Frühgeschichte Bayerns Klassischer Bildwerke in München in der Katharina- bis zum Frühmittelalter. Das Publikum schätzt darüber hinaus die regelmäßigen, oft sehr aufwendigen Sonderausstel- von-Bora-Straße 10 – nicht weit von den Museen des lungen, die Fundstücke in größeren inhaltlichen wie geografischen Zusammenhängen zeigen. Die Konzepte orientieren Königsplatzes entfernt sich am Lehrplan der bayerischen Schulen gang mit Land und Ressourcen sowie Wirt- Nicht nur die Exponate selbst, sondern auch satz der Vermittlung von Archäologie bedingt schaftsgeschichte. Ein relativ junges Thema Technik und Inszenierung sind ganz moder- auch, dass man sich mit Naturwissenschaf- sind DNA-Analysen für Aussagen zur Bevöl- ne Themen, um die sich die Museumsmit- ten auseinandersetzt. So betreiben wir bei- kerungsentwicklung.“ Florian Knauß ergänzt: arbeiter kümmern. Das Hier und Jetzt spielt spielsweise ‚Paläoklima-Forschung‘ ‒ und „Sich heute mit der Antike zu beschäftigen Weblinks zu diesem Kapitel in einem Museum immer eine große Rolle. stellen dar, wie die Umwelt vor 3000 Jahren lohnt sich auch deshalb, weil keiner so schö- ne Bilder vom Menschen geschaffen hat wie www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de Jedes Museum hat seine eigene Handschrift die Griechen. Das erschließt sich jedem; und noch in zehntausend Jahren würden selbst www.archaeologie-bayern.de www.aegyptisches-museum-muenchen.de und Aufgabe – und das ist auch gut so die Marsmännchen diese Kunst gut finden. Dasselbe gilt für die antike Gedankenwelt, www.abgussmuseum.de www.mpz.bayern.de sei es Philosophie, Ethik, Geschichte, Politik Heute kann uns die Archäologie oft Fragen aussah oder wie der Mensch darauf Einfluss oder Wirtschaft. Alle entscheidenden Fragen beantworten, die wir zunächst nicht mit der genommen hat. Andere große Themen mit des Lebens sind hier schon griffig und ver- Antike in Verbindung bringen würden. Dazu hohem Aktualitätsbezug sind neben Klima ständlich formuliert ‒ einschließlich mögli- Rupert Gebhard: „Unser ganzheitlicher An- und Klimakatastrophen natürlich der Um- cher Antworten.“ • 124 125 Virtuelle Archäologie Wie funktionieren 3d-Rekonstruktionen oder Smartphone-Apps... Virtuelle Archäologie Wie funktionieren 3D-Rekonstruktionen Längst hat auch in der Rekonstruktion und Vermittlung von archäologi- oder Smartphone-Apps ‒ schen Befunden die Computertechnologie Einzug gehalten. Sie führt zu augenscheinlich oft spektakulären Ergebnissen, nutzt mittlerweile ganz und wo liegen ihre Grenzen? verschiedene Medienmittel und Endgeräte für unterschiedliche Zielgrup- pen. Doch die virtuellen Chancen sind nicht frei von Schönheitsfehlern... V on den antiken Tempeln stehen heute oft nur noch wenige Säu- len. Römische Häuser sind meist nur noch in ihren Grundmauern zu sehen. Aber wie kann man die Ruinen und Funde wieder zum Leben erwecken? Sie wieder zu dem machen, was sie ursprünglich waren? Seit Langem arbeiten Archäologen mit Zeich- nungen und Modellen, um antike Architektur und Städte im Kleinen wiederaufzubauen. Waren es früher Tuschezeichnungen, Kork- oder Holzmodelle, so werden heutzutage die meisten Rekonstruktionen virtuell erstellt. Mit moderner Software können Grafiker am Computer ganze Städte (re-)konstruieren, die so real wie eine Fotografie wirken. We- gen der hohen Suggestivkraft dieser Rekon- struktionen stellt sich die Frage, ob solche hyperrealistischen Nachbauten nicht ein Bild von Antike vermitteln, das mehr über unse- re Vorstellung von Antike aussagt als über die Antike selbst. Anders formuliert: Wie viel echtes archäologisches Wissen steckt in ei- ner solchen Rekonstruktion – was ist Vermu- tung oder sogar reine Spekulation? Stefan Franz, der Architekt und Mitgründer der Münchner Firma Hinz und Franz, die sich auf Bauuntersuchungen historischer Gebäu- de und deren 3D-Visualisierung spezialisiert hat, sagt dazu im Interview, dass dieses Ri- siko bei jeder Art von Visualisierung gegeben 126 127 Virtuelle Archäologie Wie funktionieren 3d-Rekonstruktionen oder Smartphone-Apps... RUNDUMSICHT: Von September 2011 bis Oktober 2012 konnten Besucher auf der Museumsinsel in Berlin bestaunen, EFFEKTVOLLE COLLAGE: Für das 24 mal 103 Meter große Panorama verarbeitete Asisi 50.000 Fotografien, Porträts wie Yadegar Asisi die griechisch-römische Metropole Pergamon als riesiges Panorama inszenierte von Statisten in historischen Kostümen und gezeichnete Elemente sei, unabhängig davon, ob sie digital oder teile, deren genaue Gestalt nicht bekannt ist, sicht des Athena-Tempels von Priene (Tür- seit Jahrzehnten in speziellen Reiseführern analog erstellt werde. Es müssten heute nur transparent angelegt, erklärt Stefan Franz. kei). Von dem Heiligtum, das im vierten Jahr- Fotos von Ruinen betrachten und darüber andere Wege gefunden werden, Fakten ge- In dieser Technik, die dem Betrachter eine hundert v. Chr. gebaut wurde, stehen heute transparente Folien legen, auf denen Rekon- nur noch fünf Säulen aufrecht – die selbst struktionen der zerstörten Partien zu sehen wiederum von Archäologen wiederaufgestellt sind. Durch das Umblättern unternimmt man Der Berliner Künstler Yadegar Asisi und seine wurden. eine Zeitreise vom Einst zum Jetzt – und zurück. Besonders beeindruckend ist die- ganz eigene Wiederauferstehung antiker Welten ser Effekt natürlich, wenn man dabei mitten Pompeji heute und einst: Fotos antiker in Pompeji steht, möglichst mit demselben gen Vermutungen abzugrenzen – und dies Mischung aus erhaltenem Befund, vermu- Ruinen und Folien mit Rekonstruktionen Blickwinkel, den das Foto und die Rekon- im Bild kenntlich zu machen. Bei einer Zeich- teten Ergänzungen und letztlich auch einen struktion vorgeben. Eine andere Variante: nung sei es beispielsweise möglich, Flächen Eindruck vermittelt, der der Antike sehr nahe Diese Methode schließt an eine ältere Tradi- transparente Tafeln, die den antiken Zustand ‚auslaufen‘ zu lassen. So würden Gebäude- kommt, erarbeitete Hinz und Franz eine An- tion an: Besucher von Pompeji können schon simulieren, an Aussichtspunkten zu errich- 128 129 Virtuelle Archäologie Wie funktionieren 3d-Rekonstruktionen oder Smartphone-Apps... ARCHÄOLOGISCHE REALITÄT: Auf der griechischen Insel Ägina wurde der Tempel für die einheimische Göttin Aphaia um 500 v. Chr. neu errichtet. Das Foto zeigt die heute noch gut erhaltene Ostseite des Bauwerks. Die kostbaren Skulpturen, die einst bemalt waren und in den Giebeln über der Ost- und Westseite des Tempels standen, wurden im VIRTUELLE REALITÄT: Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ist der Aphaia-Tempel ein Studienobjekt für Wissenschaft- 19. Jahrhundert nach München gebracht – wo sie bis heute in der Glyptothek ausgestellt und erforscht werden ler. Zuletzt hat sich der Bauforscher Hansgeorg Bankel eingehend mit dem Heiligtum beschäftigt ten. Auch Stefan Franz hält dies nach wie bunt bemalte Statuen und Tempel wieder in Als Beispiel dient hier der noch gut erhalte- Aspekt in diesem neuen Umgang mit der vor für eine sinnvolle Art der Visualisierung Farbe erstrahlen zu lassen. Brinkmann prä- ne Aphaia-Tempel auf der griechischen Insel „bunten alten Welt“ hervor: „Es ist interes- – direkt vor Ort an der Fundstelle. sentiert seine Ergebnisse seit 2003 in Aus- Ägina im Saronischen Golf: Im fünften Jahr- sant, dass das Wissen um die Farbigkeit, Die Anforderung an Rekonstruktionen ist stellungen, die weltweit ein großes Publikum hundert errichtet und für seine Giebelskulp- beispielsweise auch des Parthenon in Athen, jedoch auch durch neue Erkenntnisse ge- begeistern. Sie bereichern die Diskussion turen weltberühmt – die ‚Ägineten‛, die heute in der wissenschaftlichen Welt immer vorhan- stiegen: In den letzten Jahren hat ein For- über unseren Blick auf das Altertum – sicher in der Münchner Glyptothek ausgestellt sind den war – das Bedürfnis nach deren Visua- schungszweig der Archäologie (wieder) an immer noch ein Schock für alle, die sich An- – wurde das Gebäude von dem Bauforscher lisierung aber vielfach ausblieb. Das jetzt so Bedeutung gewonnen, der sich mit der Far- tike nur in strahlend weißem Marmor vorstel- Prof. Dr. Hansgeorg Bankel eingehend stark erwachte Interesse daran – und zwar in bigkeit der antiken Welt beschäftigt. Auch len. Die Fachwelt streitet noch über die Inten- untersucht. Auf dieser Grundlage entwarfen einer breiten Öffentlichkeit – beschreibt nicht mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden sität und die Wirkung dieser Farbigkeit, aber Hinz und Franz eindrucksvolle Ansichten des zuletzt uns selbst, in einer zunehmend auf gelingt es Forschern wie Prof. Dr. Vinzenz nicht mehr über das Faktum an sich. Und so rekonstruierten Tempels in seiner ursprüng- Sinneswahrnehmung abzielenden, auf At- Brinkmann, Leiter der Liebighaus Skulp- müssen sich auch aktuelle Rekonstruktionen lichen Farbigkeit. Der Münchner Archäologe mosphäre bedachten Eventkultur. Befördert turensammlung in Frankfurt am Main, einst diesem neuen Wissensstand anpassen. Johannes Lipps hebt noch einen weiteren wird dieses Interesse natürlich durch noch 130 131 Virtuelle Archäologie Wie funktionieren 3d-Rekonstruktionen oder Smartphone-Apps... und rund 70 historisch kostümierte Statisten eigene Vorstellung von der Antike in das Pro- in den Ruinen ab. Daraus schuf Asisi dann jekt mit ein. Licht- und Soundeffekte beein- am Computer eine Fotomontage aus 50.000 flussen den Betrachter emotional und erzie- Fotografien, die retuschiert und um gezeich- len eine möglichst eindrucksvolle Wirkung. nete Elemente ergänzt wurden. Die Simu- Auch andere moderne Technologien haben lation von Tageszeiten mit Sonnenaufgang selbstverständlich längst Einzug in die Klas- und Sonnenuntergang, eine frei nachemp- sische Archäologie gehalten: Besonders gro- fundene Geräuschkulisse und Hintergrund- ßer Beliebtheit erfreuen sich die sogenann- musik des Filmkomponisten Eric Babak be- ten Apps, auf die man mit Internetzugang gleiten das Panorama. Die verschiedenen jederzeit zugreifen kann. Das Wort App ist Reize erzeugen eine Sinnestäuschung und aus dem Englischen von application soft- geben dem Besucher das Gefühl, auf einer ware abgeleitet und bezeichnet jegliche Art tatsächlichen Aussichtsplattform zu stehen. von Anwendungssoftware für Computer. Im Nach einer zusätzlichen Verlängerung der deutschen Sprachraum ist damit umgangs- Ausstellungszeit haben insgesamt ca. 1,5 sprachlich eine Anwendungssoftware für Millionen Menschen das Kooperationsprojekt Mobilgeräte gemeint. Diese native mobile IN DER RÖMERSTADT CARNUNTUM (heute Bad Deutsch-Altenburg, Österreich) forschte ein internationales Team von Archäologen, Geophysikern und Computerexperten vom Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospek- tion und Virtuelle Archäologie (LBI-ArchPro). Hier kam auch ein neues motorisiertes Multikanal-Bodenradargerät zum Die Spuren jahrtausendealter Besiedlung im Bo- Einsatz, um auffällige Bereiche näher zu untersuchen, die man zuvor mit Luftaufnahmen lokalisiert hatte den: mit modernster Messtechnik sichtbar der Staatlichen Museen und der Asisi GmbH apps sind spezielle Anwendungen für Smart- nie dagewesene technische Möglichkeiten. tober 2012 war es auf der Berliner Museum- besichtigt. Das Metropolitan Museum of Art phones und Tablet-Computer. Eine große Der verführerische Reiz darin liegt, dass der sinsel zu bestaunen, im Ehrenhof des Per- in New York plant 2016 eine Pergamon-Aus- Auswahl an Apps ist zum Teil sogar kosten- Betrachter dieser Rekonstruktionen schein- gamonmuseums. Es handelt sich um eine stellung, bei der auch das Panorama wieder los über Online-Portale beziehbar. Die Band- bar selbst zum historischen Subjekt wird.“ Es 24 mal 103 Meter große Rundumsicht: Dem gezeigt werden soll. breite der Funktionen ist sehr groß; sie reicht wird spannend sein, zu beobachten, wie sich Betrachter wird suggeriert, sich inmitten der Wie wirklichkeitsgetreu die Darstellung der von Spielen bis hin zu umfangreicheren dieser Fokus auf ein look & feel des Alter- griechischen Stadt Pergamon (heute Berga- antiken Stadt ist, steht in diesem Fall weni- Programmpaketen. Es stellt sich daher die tums auf die zukünftige Vermittlung von Anti- ma, Türkei) im Jahre 129 n. Chr. zu befinden. ger im Vordergrund, sondern eher das Er- Frage, inwiefern die Klassische Archäologie ke auswirken wird… Asisi hat einen fiktiven Aussichtspunkt ge- leben einer anderen Welt. Das Panorama dieses moderne Medium nutzen kann. Ein Projekt, das bewusst mit den verschwim- wählt, um einen möglichst vollständigen Blick wurde zwar in Zusammenarbeit mit Archäo- Fast schon alltäglich: Besonders in Museen menden Grenzen zwischen Fakten und über die antike Stadt bieten zu können. Der logen entwickelt, es ist in erster Linie jedoch werden Apps eingesetzt, um Besuchern als Hypothesen in Rekonstruktionen spielt, ist Künstler fotografierte dafür vor Ort unter an- das Werk eines Künstlers und sollte auch so mobile Audioguides zu dienen. Ein Beispiel ein 360°-Panorama des Berliner Künstlers derem von einem 30 Meter hohen Beobach- verstanden werden. Yadegar Asisi selbst legt dafür ist das Archäologische Museum Ham- Yadegar Asisi. Von September 2011 bis Ok- tungsturm; detailliert lichtete er antike Steine Hand an die Landschaft an, er bringt seine burg. Der Besucher kann sich den Führer auf 132 133 Virtuelle Archäologie Wie funktionieren 3d-Rekonstruktionen oder Smartphone-Apps... DAS AMPHITHEATER VON CARNUNTUM, das einst Platz für 13.000 Zuschauer bot, war Schauplatz der Gladiatorenspiele. Dem umliegenden Gelände hatten Archäologen bisher wenig Beachtung geschenkt. Die Luftbilder (links) zeigten Gebäude mit Verkaufsräu- men entlang der römischen Straße, die aus der Stadt zur Arena führte. Westlich des Amphitheaters analysierte das LBI-ArchPro-Team ein Gelände, das Schattenum- risse aufwies. In wenigen Stunden konnten dort – ohne Ausgrabung – die bis heute im Boden erhalten gebliebe- nen Ruinen der römischen Gladiatorenschule (ludus) entdeckt und am Computer sichtbar gemacht werden 134 135 Virtuelle Archäologie Wie funktionieren 3d-Rekonstruktionen oder Smartphone-Apps... 3D-Modelle antiker Bauten, die nie aus- gegraben wurden: Realität oder Fantasie? sein mobiles Endgerät laden oder eines der krakenähnlichen Außerirdischen durch das wendung ortet den Nutzer per GPS-Erken- schule in der Römerstadt Carnuntum (Bad Leihgeräte benutzen – und sogar zwischen Museum führt, wurde zusammen mit einem nung und liefert standortbezogene Informa- Deutsch-Altenburg, Österreich) gibt es heu- einer Version für Erwachsene und für Ju- Illustrator, einem professionellen Drehbuch- tionen zu Bodendenkmälern oder Gebäuden te – zumindest über der Erdoberfläche – nur gendliche wählen. Der Audioguide führt zu- autor und Schauspielern entwickelt. Außer- in seiner Umgebung. noch virtuell. Das römische Militärlager Carn- nächst durch die neun Themenbereiche der dem kann der junge Besucher in einem Aus- Auch die virtuelle Rekonstruktion von antiken untum diente dem Schutz der Grenzregion in Dauerausstellung des Museums und enthält grabungsspiel mit Spaten und Pinsel virtuell Gebäuden ist ein wichtiger Inhalt für Apps. der Provinz Pannonien und entwickelte sich bebilderte Informationen zu den Fundorten aktiv werden. Die App ist auch ohne Besuch Ein augmented reality showcase (frei über- zu einer Metropole. Die Reste der Gladiato- der Objekte. Für Kinder gibt es einen ani- des Museums kostenlos erhältlich. setzt: „Fenster in eine erweiterte Realität“) renschule entdeckte das Ludwig Boltzmann mierten Video-Führer, der in kurzen Kapiteln Vorerst noch Zukunftsmusik: Das Archäolo- ermöglicht es dabei, nicht mehr existente Institut für Archäologische Prospektion und an die Themen „Museum“ und „Archäolo- gische Museum Hamburg entwickelt derzeit Dinge zu visualisieren, also gewissermaßen Virtuelle Archäologie mit Bodenradar-Mes- gie“ heranführt. Der Kurzfilm, in dem ein auf eine weitere App als mobilen Stadtführer das Unsichtbare sichtbar zu machen. Die sungen; der Befund wurde zerstörungsfrei der Erde zurückgelassener Roboter einen durch das archäologische Hamburg. Die An- erst im Jahr 2011 entdeckte Gladiatoren- erfasst – ohne Ausgrabung. → IM DETAIL liefert die virtuelle Rekonstruktion die Ansicht der einst von einer Mauer umgebenen Gladiatorenschule. Die BEFUND, INTERPRETATION ODER SPEKULATION? In den hochauflösenden Radardaten waren für die Wissen- Gebäudetrakte gruppierten sich um einen Innenhof mit kreisrunder Trainingsarena und Zuschauertribünen schaftler auch die notwendige Infrastruktur erkennbar: Abwasserkanäle, Wasserleitungen, Fußbodenheizungen 136 137 Virtuelle Archäologie Wie funktionieren 3d-Rekonstruktionen oder Smartphone-Apps... DAS HERZ DER MILITÄRSTADT: Die Computersimulation vermittelt dem Betrachter einen Eindruck, wie die große Querhalle (basilica) des Stabsgebäudes (principia) von Carnuntum vor rund 1.800 Jahren aussah RUINE, REKONSTRUKTION UND LANDSCHAFT: In Selinus (heute Sekerhane Köskü, Türkei) untersuchen Claudia Winterstein und Claas von Bargen für das Deutsche Archäologische Institut einen römischen Bau, dessen Funktion Wie funktioniert hier die mobile augmented merabild legt. Die Position des Nutzers noch unklar ist. Die Mischung aus Fotografie und Simulation ist das vorläufige Ergebnis der laufenden Forschungen reality-Anwendung? Der Nutzer steht direkt wird mithilfe eines GPS-Systems und eines am Fundort und blickt durch sein mobiles Kompasses berechnet. Läuft er im Gelände Bei aller Begeisterung über die neuen tech- tum zeigt sich ein Grundproblem: Tatsächlich Erweiterte Fotorealitäten zeigen archäologische nischen Möglichkeiten: Die augmented rea- lity showcases können schnell dazu führen, bekannt ist nur der Grundriss der Anlage; Aussagen zur aufgehenden Architektur müs- Befunde und Animationen in einem Bild dass der Nutzer lediglich die Rekonstruktion wahrnimmt und den Befund vergisst. Gerade sen daher hypothetisch bleiben ­– und dies gilt konsequenterweise damit auch für jede im Fall der Gladiatorenschule von Carnun- virtuelle Rekonstruktion. • Endgerät auf die Stelle, an der sich einst herum, passt sich auch das 3D-Modell der die Gladiatorenschule befand. Wie durch Gladiatorenschule seinem Standort an. Der Weblinks zu diesem Kapitel ein Zeitfenster erlebt er nun, wie sich eine Besucher kann sich real in der virtuellen Re- www.amh.de • www.7reasons.at • www.archpro.lbg.ac.at • www.wikitude.com • dainst.de virtuelle Rekonstruktion über das reale Ka- konstruktion bewegen. Die App ist kostenfrei. 138 139 Alte Griechen und Römer im Lehrplan Was Antike im Schulunterricht vermitteln kann Alte Griechen und Römer im Lehrplan Was Antike im Schulunterricht Schon seit Langem gehört die Beschäftigung mit der griechischen und vermitteln kann römischen Kultur und Geschichte zur gymnasialen Ausbildung. Der Unterricht selbst hat sich allerdings in den letzten Jahren stark verändert Wer dem Pädagogen Hans Zeitler heute also die erste Abschlussprüfung der Lehrer.“ Kunst und dann vergab Dr. Bengel noch so begegnet, merkt schnell: Dieser Mann liebt Der junge Hans Zeitler war so begeistert von ein wunderbares Thema – das nahm ich!“ die Erforschung der alten Sprachen, der an- der Klassischen Archäologie, dass diese Fas- Als Lehrkraft stand Hans Zeitler dann vor der tiken Welt – und die Vermittlung seines Wis- zination fast zu beruflichen Konsequenzen Herausforderung, Wissen zu Kunst und Kul- sens darüber an jüngere Generationen. Und geführt hätte: „Ja, das hat mir so gut gefallen, tur der Antike weiterzugeben. Wo und wieviel daran hat sich auch Jahrzehnte nach seiner dass ich beinahe umgesattelt hätte – und das an Archäologie war damals im Unterricht Pensionierung nichts geändert. Hans Zeitler, im 7. Semester! Die Archäologie-Veranstal- möglich? Der Pädagoge fasst zusammen: heute 85 alt, war 35 Jahre als Gymnasialleh- tung war ein ganz klassisches Seminar, kei- „Im Fach ‚Geschichte‘ gab es früher noch – rer tätig: in Regensburg, Passau, Amberg, ne sture Vorlesung. Es wurde viel diskutiert. in der 7. begann es mit der Alten Geschichte Ettal, Bad Reichenhall und Landshut. Seine Als Griechischstudenten waren wir natürlich und in der 10. wurde nochmals vertieft – re- Fächer waren Latein, Griechisch und Ge- auch ein wenig im Vorteil, weil wir uns in der lativ viel Zeit, um auf Archäologie und Antike schichte. griechisch-römischen Mythologie sehr gut einzugehen. Hauptsächlich ging es dabei Im Interview erinnert sich Hans Zeitler an auskannten. Wir waren fit im Mythos.“ Und um griechische Geschichte: minoische und seine eigene Schulzeit – und benennt die er fügt hinzu: „Dann kam dazu, dass es eine mykenische Kunst, geometrische Kunst, die Unterschiede zwischen früher und heu- kleine Gruppe war. Am Ende des Seminars Kunst der Archaik, die wir noch als ‚Über- te: „Beim Abitur in Griechisch wie in Latein waren wir beim Professor und seiner Frau gangszeit‛ klassifizierten, die Klassik und den gab es für uns nur lange Übersetzungstexte zum Imbiss geladen. Aber bevor es Essen Hellenismus. Es war also ein Streifzug durch ohne Fragenteil. Heute ist es so, dass man gab, ging es erst noch einmal um Archäolo- die griechische Kunstgeschichte. „Aber im mit einer schlechten Note in der Überset- gisches – quasi zur Einleitung, als Proömi- Fach Geschichte steht man ja immer vor ENGAGEMENT: Der Pädagoge und Altphilologe Hans zung – beispielsweise einer ‚5‛ – und einer ‚1‛ um, gab es eine archäologische Diskussion dem Problem, dass die griechische und rö- Zeitler (rechts) lebt für die Wissensvermittlung von Kunst im Fragenteil noch eine Gesamtnote ‚4‛ be- zwischen Professor und uns Studenten.“ mische Zeit nur Teilabschnitte der gesamten und Kultur der Griechen und Römer kommt. Es werden jetzt immer mehr Schüle- Auch beim Abschluss seines Studiums war Historie sind. Da blieb für eine komplexere rinnen und Schüler zum Abitur geführt – aber es für Hans Zeitler unerlässlich, sich intensiv Vertiefung keine Zeit.“ es wird, meiner Meinung nach, manchmal mit Fragen der Klassischen Archäologie aus- Anders im Unterrichten der alten Sprachen: Fach zu unterrichten – dabei aber auch einen recht leicht gemacht.“ einanderzusetzen – für ihn bedeutete dies „Im Griechisch- und Lateinunterricht bot sich möglichst breiten Kontext zu präsentieren. Welche Rolle spielten Archäologie und das allerdings mehr eine wahre Freude als eine immer dann die Möglichkeit für die Vermitt- Ein Beispiel: Wir lesen einen Text, in dem die Wissen um die Welt der Griechen und Rö- studientechnische Notwendigkeit: „Um das lung von Archäologie, wenn man Bilder im antike Stadt Ephesos vorkommt. Aber: Was mer für Hans Zeitlers eigene Ausbildung? pädagogische Staatsexamen machen zu Lehrbuch, in den Übungsbüchern hatte – ist Ephesos? Wo liegt es? Warum ist es be- Der Lehrer: „Ab 1952 wurde Archäologie können, musste ich als Referendar eine Ex- Götter, Tempelformen, Säulenordnungen et rühmt? Es geht ja darum, breite Grundlagen nicht mehr im Fach Griechisch geprüft wie amensarbeit machen. Mein Thema lautete: cetera. Das war ein großer Unterschied zu zu vermitteln – und da sprechen wir nicht nur zuvor, sondern es gab eine eigene Prüfung ‚Die griechische Kunst im Geschichtsunter- meiner eigenen Schulzeit – wo es derlei in von Archäologie, sondern auch von Geo- bei einem Archäologieprofessor. Bei mir war richt der VI. Klasse‛. Heute würde das der 10. den Übungsbüchern und in den Geschichts- grafie, Kunst, Philosophie, Theologie, eben das Professor Hans Möbius (1895 – 1977) Klasse entsprechen. Eingereicht wurde die büchern nicht gab.“ Der Lehrer reflektiert da- Geistesgeschichte. Man will den Schülern in Würzburg. Man musste ein Seminar besu- Arbeit beim Alten Gymnasium Regensburg, bei auch, wie er dieses Wissen seinen Schü- ein möglichst breites Allgemeinwissen ver- chen – in diesem Fall ‚Griechische Keramik‛ um dort 1955 die Prüfung abzulegen. Ich lern nahegebracht hat: „Pädagogisch war mitteln. Heute haben wir da eigentlich eine – als Voraussetzung für das Staatsexamen, hatte ja schon diese Liebe zur griechischen mein Ansatz natürlich immer, das jeweilige glückliche Zeit: Es gibt Bücher, es gibt Filme, 140 141 Alte Griechen und Römer im Lehrplan Was Antike im Schulunterricht vermitteln kann das Internet, und es gibt für viele Menschen priller: „Für mich war schon als Kind alles, chen auf die geistesgeschichtlichen Aspekte die Möglichkeit, zu antiken Stätten zu reisen. was alt war, spannend – ein Fenster in die verschiebt. Wenn Latein erst als eine spä- Da muss man heute den Eltern, aber auch Vergangenheit. Während meiner Gymnasial- tere Fremdsprache dazukommt, sind diese den staatlichen Institutionen danken, was da zeit begegnete ich dann den antiken Kulturen Bandbreite und dieser Tiefgang – wenn auch geboten wird.“ ausführlicher. Im Rahmen eines Projekttages gewünscht – meiner Erfahrung nach in der Die „Lehre vom Alten“ – wo sieht Hans Zeit- an unserer Schule, für den Schüler Veran- täglichen Unterrichtspraxis deutlich schwerer ler als erfahrener Pädagoge da eigentlich staltungen organisierten, nahm ich Kontakt umzusetzen.“ Der Pädagoge betont: „Mir ist noch einen konkreten Nutzen? Der Lehrer zum Landesamt für Denkmalpflege auf, um es im Unterricht auch ein besonderes Anlie- betont: „Grundsätzlich gehören antike Ge- bei der Ausgrabung einer Keltensiedlung in gen, die Brücke vom scheinbar Vergangenen schichte und antike Kunst zum Allgemeinwis- der Nähe von Landshut mitzuhelfen. Histo- zum Jetzt zu schlagen. Ein Beispiel: Warum sen. Wenn man sich beispielsweise auf das rie und geistesgeschichtliche Hintergründe heißt eine französische Trägerrakete ‚Ariane‛ Griechische konzentriert: Das ist keine ‚tote wurden im Fach Geschichte, vor allem aber – und was hat das mit der mythologischen Sprache‛, wie man gelegentlich zu hören be- in Latein bis hin zum Abitur sehr ausführlich Ariadne-Figur zu tun? Oder: Wer die Flut kommt. Wir sprechen von Literaturgeschich- vermittelt – und faszinierten mich. Die Er- moderner Ratgeber zum Thema ‚Glück‛ sieht te, von Philosophiegeschichte oder von me- kenntnis, dass wir heutigen Menschen immer und sich, etwa in der 11. Klasse, vertieft mit dizinischen Ausdrücken. Es gehört natürlich in einer Tradition stehen, und der Wunsch, den Gedanken des stoischen Philosophen eine gewisse Liebe dazu, eine Begeisterung mehr darüber zu erfahren und dieses Wissen Seneca beschäftigt, wird sich bewusst: An- – die man nicht in erster Linie am Finanziel- auch weiterzugeben, brachten mich dazu, tike Fragestellungen haben nichts von ihrer len messen sollte. Für einen politisch, künst- selbst Pädagoge zu werden.“ Aktualität und Relevanz eingebüßt, gerade lerisch, philosophisch, archäologisch interes- Der Lateinunterricht des 21. Jahrhunderts: auch für das Leben junger Menschen.“ sierten und gebildeten modernen Staatsbür- Wie sieht er aus? Marcus Oberpriller: „Bei Wann bietet es sich hier an, auch archäo- ger ist das Studium der alten Sprachen und allem Wunsch, den ich natürlich auch teile, logische Inhalte zu vermitteln? „Stadtpläne, der Geschichte ihrer Kulturen ein geistiges die Kinder für die antike Welt insgesamt zu Rekonstruktionen von Thermenanlagen oder Fundament, auf dem man aufbauen kann begeistern und ihre Neugierde zu wecken, Wohnhäusern, Statuen, Vasenbilder, aber – für das Studium, beruflich wie privat. Und dort einzutauchen, steht selbstverständlich auch historische Gemälde in unseren Lehr- dass dieses Fundament gelegt wird, dafür das Erlernen des Lateinischen als Sprache werken sind ja nicht nur eine Illustration zu bietet sich eigentlich nur die Schulausbildung im Zentrum. Es geht um Sprache als System, den Texten – sie vermitteln, bei entsprechen- an, bei der man sich – in jungen Jahren – als Ordnung, in der Elemente stimmig auf- der Erläuterung, einen Einblick in die Arbeit noch stark auf diese Themen konzentrieren einander bezogen werden müssen. Da wir von Archäologen. Damit erhalten die Schüler kann.“ hier Latein als erste Fremdsprache anbieten auch einen Zugang zur Welt der kleinen Leu- können, glaube ich, dass wir im Hinblick auf te, der Normalbürger – die ja meist nicht die An derselben Schule, an der Hans Zeitler das Erlernen anderer Fremdsprachen, aber Helden der lateinischen Literatur sind“, er- wirkte – dem Hans-Carossa-Gymnasium in auch im Hinblick auf das Reflektieren des läutert Marcus Oberpriller. Um diese Welt mit Landshut – unterrichtet heute auch Marcus Deutschen, ein exzellentes Rüstzeug mit auf allen Sinnen auch erlebbar zu machen, orga- Oberpriller. Der 42jährige Oberstudienrat, den Weg geben. Wir haben den humanisti- nisiert das Hans-Carossa-Gymnasium auch der Latein und Französisch lehrt, kennt Hans schen Zweig, für den sich die Eltern, idealer- ganz Praktisches. Der Lateinlehrer: „Für die Zeitler noch persönlich: als seinen eigenen weise zusammen mit ihren Kindern, bewusst 6. Klassen bieten wir zweitägige ‚Römertage‛ Lehrer in den 1980er Jahren. Er erinnert entscheiden. Und so ist es bei uns möglich, an. Wir besuchen römische Ausgrabungs- ENTERTAINMENT UND LEHRE: Marcus Oberpriller sich lebhaft, wie er damals in den Genuss während der gesamten Gymnasialzeit Latein stätten am Limes in Bayern, beispielsweise macht bei einer Schulexkursion an den bayerischen von Caesars Gallischem Krieg und dessen zu lernen – wobei sich im Lauf dieser Zeit das Kastell in Eining. Dort dürfen die Schü- Limes den Spaß mit – und schlüpft dabei für seine Schüler in die Rüstung eines römischen Soldaten sprachlichen Finessen kam. Marcus Ober- natürlich auch der Fokus vom rein Sprachli- ler auch mal den Wurfspieß der Legionäre 142 143 Alte Griechen und Römer im Lehrplan Was Antike im Schulunterricht vermitteln kann mehr über die Welt von Caesar & Co. zu er- Warum diese Faszination? Hannelore Vo- fahren – die uns Pädagogen im Unterricht gelgsang: „Da ist natürlich dieser romanti- sehr entgegenkommt und freut!“ sche Nimbus untergegangener Welten, einer verlorenen Zeit. Aber dann ist da auch das Hannelore Vogelgsang unterrichtet seit Bewusstsein, dass die Geschichte, die man dem Jahr 2000 am Maximilian-von-Mont- sich zu diesem jeweiligen Ort angeeignet gelas-Gymnasium in Vilsbiburg die Fächer und erforscht hat, sich genau hier abgespielt Deutsch, Geschichte und Sozialkunde. Wie hat. Und: Ich will mir natürlich auch selbst kam sie in ihrer Studienzeit mit der Klassi- ein Bild davon machen, wie es hier einst schen Archäologie in Berührung? Die Leh- war – wissend, dass alle Rekonstruktionen rerin: „Als Studentin der Geschichte war ich angesichts der Ruinen und Fragmente auch 1994 gar nicht so begeistert davon, auch Spekulationen sind. In den Ausgrabungsstät- noch einen zusätzlichen Schein in einer ten steht man diesen Resten quasi Angesicht geschichtlichen ‚Hilfswissenschaft‛ machen zu Angesicht gegenüber, kann sie nahezu zu müssen, wie es damals so schön hieß. greifen und auch das antike Handwerk, das Glücklicherweise bot ein Professor der Al- dahinterstand. Ich stelle mir sehr oft die Fra- ten Geschichte ein Seminar an, das als Ar- ge: ‚Wie haben die Griechen und Römer das chäologieveranstaltung angerechnet wurde damals gemacht?’ Und dann kommt die Fra- – und mit einer Exkursion nach Griechenland ge nach dem ‚Warum’ – eine Frage, auf die verbunden war.“ Dafür beschäftigte sich die Historiker Antworten geben wollen.“ Lehramtsanwärterin eingehend mit antiken Von Reiseerlebnissen zurück in den Schul- Hera-Tempeln und führte die Studentengrup- alltag: Wie sehen aktuell die konkreten Vor- pe durch die Ruinen der Heiligtümer von Ar- gaben an die Geschichtslehrerin Vogelgsang gos und Perachora. Hannelore Vogelgsang aus? Was sind die Rahmenbedingungen, LEIDENSCHAFT: Hannelore Vogelgsang erklärt ihren Vilsbiburger Schülern die archaische Kunst an den Statuen von erinnert sich mit einem Schmunzeln: „Der innerhalb derer sie antik-historischen Stoff Kleobis und Biton (um 620 v. Chr.) im Museum von Delphi (Griechenland) Druck, auch bei diesen Führungen vor Ort an Schülerinnen und Schüler vermittelt? Sie gut zu sein, war sehr groß. Die Hälfte des erklärt: „Der Rahmen ist selbstverständlich Seminars waren nämlich Archäologen auf der Lehrplan. Nach wie vor ist der Begriff der schleudern, das pilum. Und wir fahren auch ideale Voraussetzung dafür, später gerade ihrer x-ten Exkursion. Die andere Hälfte be- ‚Archäologie‛ ein Grundwissensbegriff, der in zu einem wieder aufgebauten römischen auch romanische Sprachen wie Französisch stand aus dem Professor, seiner Frau und der 6. Klasse eingeführt wird – in dem Jahr, Gutshof – der villa rustica von Möckenlohe oder Spanisch zu lernen, die sich aus dem wissenschaftlichen Mitarbeitern. Kurz ge- in dem man aktuell mit dem Geschichtsun- – auf dem wir in das Leben der Landbevölke- Lateinischen entwickelt haben. Dabei ist es sagt: Wir Geschichtsstudenten, die ja keine terricht beginnt. Sofern es die Zeit erlaubt, rung vor 1.800 Jahren eintauchen. Aber ge- mir wichtig, zusammen mit den Schülern Ahnung von Archäologie hatten, hatten es besteht dann die Möglichkeit, das Thema zu rade auch die nähere Umgebung von Lands- schon im Lateinunterricht diese aktuellen nicht leicht.“ Diese Exkursion wurde jedoch vertiefen. Ein Beispiel: Die Pyramiden von hut bietet zahlreiche Möglichkeiten, Antike Bezüge herauszuarbeiten, also beispiels- zu einem absoluten Schlüsselerlebnis für die Gizeh und die Ruinen der Vesuvstadt Pom- vor Ort in den Unterricht einzubauen; in der weise die lateinische Herkunft französischer Studentin: „Seitdem bin ich sehr oft auf ar- peji stehen nicht direkt im Lehrplan. Trotzdem Landshuter Residenz nutze ich die Renais- Wörter zu erklären. Aber ich beobachte jedes chäologischen Spuren unterwegs. Das geht ist das berühmte Wandgemälde des Bäckers sance-Fresken zu Ovids Metamorphosen.“ Jahr auch immer wieder, wie sich die Kinder sogar so weit, dass ich mit dem Motorrad bis und seiner Frau von dort in jenem Lehrwerk Welchen Nutzen sieht der Pädagoge ei- schon in der 5. Klasse für die Römer interes- nach Israel gefahren bin – und auch, wenn – und da bietet sich die Chance, vom Bild gentlich darin, heute noch Latein zu lernen? sieren, viele Fragen dazu haben. Und das ist es geht sogar jährlich, immer wieder nach zur Stadt und zu deren Resten überzuleiten.“ Marcus Oberpriller: „Latein ist natürlich eine eine wirklich positive Neugierde – die Lust, Griechenland.“ Wie ist die Reaktion? Die Lehrerin: „Die Kin- 144 145 Alte Griechen und Römer im Lehrplan Was Antike im Schulunterricht vermitteln kann der sind in der 6. Klasse meist sehr begei- werden können. Latein gibt sicher nochmals schäftigen. Und sich klar darüber zu werden, stert von Geschichte. Der Bezug zur Archäo- einen starken Impuls, sich für die Antike zu dass Wikipedia im Internet nur die zweitbe- logie und zur Erforschung der Vergangenheit begeistern.“ ste Lösung ist. Denn bei aller Begeisterung wird spätestens dann ganz handgreiflich, Und wie sieht es mit einer Vertiefung in hö- für neue Medien sollen die Schülerinnen und wenn man ihnen die Frage stellt: ‚Was glaubt heren Klassen aus? Die Pädagogin: „Die An- Schüler den Wert eines einschlägigen Lexi- ihr denn, was von eurem Zimmer in ein paar tike wird auch jetzt nochmals angerissen, in kons oder Fachbuchs zu schätzen wissen!“ hundert Jahren noch übrig sein wird?’ ‚Wer der Q12 – der Qualifikationsphase vor dem Stichwort „Neue Medien“: Wie sieht das Klas- wird es finden – und welche Rückschlüsse Abitur. Hier fließen unter der großen the- senzimmer der Gegenwart im Geschichts- wird er aus euren abgeknabberten Bleistiften matischen Klammer ‚Wurzeln europäischen unterricht aus? Nochmals Hannelore Vo- ziehen?’“ Dabei kommt Hannelore Vogelg- Denkens’ auch philosophische, staatstheo- gelgsang: „PC und Beamer gehören in der sang noch auf eine Vorgabe der anderen Art retische und juristische Gedanken der Grie- Zwischenzeit zur Standardausrüstung eines zu sprechen: „Die Kinder wollen wissen, ob chen und Römer mit ein. Dabei besteht die Klassenzimmers. Schüler halten ihre Refera- denn das stimmt, was sie bei Gladiator oder Herausforderung an uns Lehrer, Zusammen- te via USB-Stick, das heißt ihre Präsentation sogar 300 – oft verbotenerweise – gesehen hänge zu finden. Eine große neue Chance in Bild und teils auch in Text ist gespeichert haben: ‚Hatten die Gladiatoren wirklich sol- für die Antike und die Archäologe besteht und wird über den Beamer auf die Leinwand che Aufzüge, mit denen sie oder wilde Tiere dagegen in der Einrichtung der W-Seminare projiziert. Die Probleme im Umgang mit dem in die Arena fuhren?’ Und dann wäre es ver- – den Wissenschaftsseminaren. Diese Ver- Material sind jedoch die gleichen wie vor die- schenkt, das Kolosseum nicht in den Unter- anstaltungen sind ja Teil der 11. und 12. Klas- ser technischen Neuerung: Bilder werden richt einzubauen!“ se und werden mit einer Seminararbeit ab- oft nur gezeigt und nicht analysiert, Quellen Für die 6. Klasse müssen Geschichtslehrer geschlossen. Hier steht es dem Lehrer frei, nicht interpretiert. Quantität sticht vermeint- in Bayern eine Stofffülle von ‚Ötzi‛ bis Karl ein Thema anzubieten, das an den Lehrplan lich Qualität. Die Beschäftigung mit Archäo- dem Großen, von der Steinzeit bis in das gebunden ist, aber auch weit darüber hin- logie kann Kinder wieder dazu bringen, ge- frühe Mittelalter bewältigen und aufbereiten. ausgehen kann. Ich habe beispielsweise in nauer hinzuschauen und Schritt für Schritt Hier muss auch vieles (leider) auf der Strec- einem W-Seminar zum antiken Griechenland eigene Schlüsse zu ziehen.“ ke bleiben. Hannelore Vogelgsang: „Als Leh- eine Exkursion in das Münchner Institut für rer jammert man ja immer über zu wenig Zeit. Klassische Archäologie und in die Glyptothek Prof. Dr. Rolf Michael Schneider vom Insti- MÜNCHNER ARCHÄOLOGE: Rolf Michael Schneider Aber es ist schon hart, dass Sparta und Cae- unternommen. Und derselbe Jahrgang hatte tut für Klassische Archäologie der LMU Mün- forscht derzeit auch zur antiken Gandhara-Kultur sar offiziell nur noch als Randbemerkungen sogar die Möglichkeit, auch nach Griechen- chen geht noch einen Schritt weiter: vorkommen. Und es gilt ja auch, das vorhan- land zu fahren, wo das theoretische Wissen „Die Kulturen des antiken Griechenland und dene Interesse der Kinder weiter zu wecken auf die Ruinen stieß – und Begeisterung für alten Roms haben – interessanterweise nicht und zu fördern – und das kann man am be- die Archäologie geweckt hat.“ nur in Europa ‒ unglaublich tiefe Spuren in sten mit Geschichten zur Geschichte, für die Was möchte Hannelore Vogelgsang ihren der Ausgestaltung unserer Wertesysteme bleiben. Das können wir uns in Deutschland man jedoch Zeit benötigt. Gleichzeitig sind Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg hinterlassen: In unserem Rechtssystem, nicht leisten. Wenn man die Zukunft mit- die Zusammenfassungen in den Lehrwerken geben, welche Lehre sollen sie aus der Be- unserer Architektur, unserer Bildsprache... gestalten will ‒ und das tut man als junger oft recht verkürzt, sodass heutige Schüler schäftigung mit der Antike ziehen? Die Päd- Selbst wenn Sie beruflich etwas ganz ande- Mensch, braucht man Referenzpunkte. Und Schwierigkeiten haben, sie zu verstehen. agogin: „Sich bewusst machen, dass vieles res machen, stoßen Sie an einem gewissen diese Referenzpunkte findet man in der Ver- Diesen Spagat im Unterricht zu bewältigen, schon einmal gedacht wurde. Erkennen, Punkt immer auf die Antike. Wenn wir das gangenheit, aus der man in der Rückschau ist eine echte Herausforderung. Andererseits dass unser Modernitätsbegriff relativ ist – weil Wissen um die Antike jedoch nicht mehr ver- bestimmte Handlungsaufforderungen und gibt es ja auch die Alten Sprachen wie La- es in der Vergangenheit vieles gibt, was uns mitteln können, verliert die westliche Kultur Warnungen ableiten kann. Deshalb ist der tein – wo im Unterricht auch römische Ge- sehr modern vorkommt. Dazu anspornen, eine Stärke, die es ihr mitermöglicht, gegen- Blick auf die Vergangenheit so wichtig ‒ um richte nachgekocht oder Tuniken anprobiert sich auch mit den eigenen Wurzeln zu be- über anderen Kulturen konkurrenzfähig zu Zukunft gestalten zu können.“ • 146 147 Abbildungsnachweis Die Nummerierung der Abbildungen (a, b, c, ...) auf einer Seite folgt dem Uhrzeigersinn, beginnend links oben. Seite Position Credits 1 a © Kinovorführung auf dem Münchner Königsplatz: kinoopenair.de - TNT Film Open Air auf dem Münchner Königsplatz vom 19. Juli bis 27. Juli 2010; © Spielfilmszene auf Leinwand: 1960 Universal Studios & Bryna Productions Inc. Renewed 1988 Universal Studios Alle Rechte vorbehalten; © Collage: Dr. Tobias Bitterer 3 a © Dr. Peter Lautzas 4 a © Dr. Tobias Bitterer / Dr. Sascha Priester 6 a © Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München, fotografiert von Renate Kühling b © Egmont Ehapa Verlag c © Cross Cult Verlag d © 1960 Universal Studios & Bryna Productions Inc. Renewed 1988 Universal Studios Alle Rechte vorbehalten Impressum 7 a b © Foto Gert Krautbauer für HISTORY © Pyramide: Katja B. / pixelio.de, © Gewitterblitz mit Mond: Günther Gumhold / pixelio.de, © Collage und Bearbeitung: Dr. Tobias Bitterer Chefredaktion und Text: c © Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München, Dr. Sascha Priester, Dr. Tobias Bitterer fotografiert von Renate Kühling d © APC | 7reason Grafische Gestaltung und Layout: 10 a © Belichtungswert München 2013, www.belichtungswert.de b © Dr. Sascha Priester Dr. Tobias Bitterer 11 a © Parthenon: Konstantinos Dafalias / pixelio.de, © Fernsehapparat: Daniela Baack / pixelio.de, Lektorat und Schlussredaktion: © Mädchen vor Laptop: Alexandra H. / pixelio.de, Leonie Huf © Zeitschriften: Rainer Sturm / pixelio.de, © Collage: Dr. Tobias Bitterer Redaktionelle Mitarbeit: 13 a © Dr. Rainer Schreg Carina Fitzek bei „Antike im Comic, Teil II“, b © Dr. Rainer Schreg Clara Gutmann bei „Virtuelle Archäologie“, 15 a © Dr. Oliver Hülden Marisol Lang Navarro bei „Antike im TV, I und 16 a © DER SPIEGEL Geschichte, P.M. HISTORY, National Geographic, G/Geschichte, II“, Susanne Poschlod bei „Antike im Comic, Antike Welt, GEO Epoche Teil I“, Julika Rottler bei „Wissenschaftler, 18 a © Cay Rademacher b © Dr. Annette Nünnerich-Asmus Fantasten oder Sensationsmacher“, Sandra 20/21 a © Egmont Ehapa Verlag Sporer bei „Archäologie im Zeitalter des In- ternet“ und Simon Steinitz bei „Wissensma- 23 a © Egmont Ehapa Verlag b © Egmont Ehapa Verlag gazine und Fachbücher“. 24 a © Egmont Ehapa Verlag 148 149 Seite Position Credits Seite Position Credits 25 a © Egmont Ehapa Verlag 47 a © Cross Cult Verlag b © Historisches Museum der Pfalz / Peter Haag-Kirchner b COPYRIGHT © 2007 WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. ALL RIGHTS 26 a © Christine Gundermann RESERVED. 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Die Autoren haben als Archäologen und Journalisten dort recherchiert, wo unsere moderne Erlebniswelt Schnittmengen mit der Antike hat. An diesen Überschneidungspunkten arbeiten Menschen, die uns die Welt der Griechen und Römer vermitteln wollen und sie aktiv in unsere Gegenwart holen: Museumsleiter, Comiczeichner, Lehrer, Restauratoren oder Filmemacher und Medienexperten. Diese Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen, aber immer spannenden Perspektiven auf die Archäologie werden vorgestellt und kommen auch selbst zu Wort. Ganz besonders wendet sich diese Publikation an diejenigen, die an den Schulen ihr Wissen über das Altertum in unterschiedlichsten Fächern an die nächste Generation weitergeben. Publikation via Open Access LMU http://epub.ub.uni-muenchen.de/17539/