Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, daß in der modernen Linguistik, besonders in der generativen und in den von ihr abgeleiteten Richtungen, das Simplizitätsprinzip (SP) als Entscheidungskriterium zwischen konkurrierenden Grammatiken weitgehend akzeptiert wird. Damit soll zunächst nur gesagt sein, daß es theoretisch akzeptiert wird; darüber, ob es auch praktisch angewandt wird, und wie, ist damit nichts gesagt. In den sprachwissenschaftlichen Richtungen, die mit dem SP arbeiten, sieht die Sprachbeschreibung folgendermaßen aus: empirisch gegeben sind zunächst gewisse Daten phonischer Natur: Sätze. Sie bilden das Explanandum der Theorie. Zu diesen Daten muß der Linguist die Regelmäßigkeiten finden, konstante Gesetzmäßigkeiten, aus denen das Explanandum logisch hervorgeht. Die Gesamtheit der gefundenen Gesetze zu einem Explanandum ist, mit gewissen Antezedenzbedingungen zusammen, das Explanans. Findet nun ein Forscher zu seinen gegebenen Daten mehr als ein Explanans, und läßt sich aus den ihm vorliegenden Daten keines falsifizieren, so entscheidet er sich für die einfachere Lösung. Der Grundsatz, in solchen Fällen nach der Einfachheit zu entscheiden, gilt seit langem in der Naturwissenschaft. Daß er in die Sprachwissenschaft Eingang gefunden hat, ist bezeichnend für den starken Trend, die Grenzen zwischen der Geistes-(mindestens der Sprach-) Wissenschaft' und den Naturwissenschaften aufzuheben und die Objekte beider methodisch gleich zu behandeln. Zwar scheint fraglich, ob das berechtigt ist. Was von naturwissenschaftlichen Theorien gesagt werden kann, trifft auf geisteswissenschaftliche Theorien nicht immer zu: naturwissenschaftliche Theorien sind Hypothesen, die höchstens falsifiziert, nie verifiziert werden können; das gilt z.B. für die Geschichtswissenschaft nicht: eine Theorie ist gerade oft nicht falsifizierbar, läßt sich aber verifizieren. Nehmen wir die These, die Römer seien auf ihren Kriegszügen bis zu einem bestimmten Punkt Afrikas gekommen. Das läßt sich nicht falsifizieren; sichere Ausgrabungen dagegen könnten die Theorie auf positivem Weg bestätigen. Aber nicht die Unterschiede zwischen den großen Disziplinen und die Einordnung der Sprachwissenschaft sollen hier behandelt werden. Sondern: es
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