Monatsschrift
Kinderheilkunde
Originalien
Monatsschr Kinderheilkd
https://doi.org/10.1007/s00112-020-01050-3
Eingegangen: 17. Juli 2020
Angenommen: 6. Oktober 2020
© Der/die Autor(en) 2020
Redaktion
B. Koletzko, München
T. Lücke, Bochum
E. Mayatepek, Düsseldorf
N. Wagner, Aachen
S. Wirth, Wuppertal
F. Zepp, Mainz
Silke Schwarz1 · Ekkehart Jenetzky1,2 · Hanno Krafft1 · Tobias Maurer1 ·
Christian Steuber3 · Till Reckert4 · Thomas Fischbach4 · David Martin1,5
Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin, Universität Witten/Herdecke,
Witten, Deutschland
2
Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Unimedizin Mainz, Mainz, Deutschland
3
Praxis für Kinder und Jugendliche, ARCHE, Freiburg, Deutschland
4
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, Köln, Deutschland
5
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland
1
Corona bei Kindern: Die Co-Ki
Studie
Relevanz von SARS-CoV-2 in der ambulanten
pädiatrischen Versorgung in Deutschland
Hintergrund
Die aktuelle Studienlage deutet darauf
hin, dass Kinder und Jugendliche eine
geringere Rate symptomatischer SARSCoV-2-Infektionen (COVID-19) aufweisen als Erwachsene und mehrheitlich
keine oder nur milde Symptome entwickeln [1–3]. Zu schweren Verläufen
kommt es bei Kindern selten, und in
diesen Fällen handelt es sich gehäuft um
Kinder mit Vorerkrankungen und Beeinträchtigungen des Immunsystems [4,
5]. Gemäß dem Lagebericht des Robert
Koch-Institutes (RKI) vom 01.09.2020
gab es in Deutschland insgesamt 243.599
gemeldete Infektionen, von denen 8617
(3,5 % der Gemeldeten) unter 10 Jahre
alt waren, und 16.193 (6,7 % der Gemeldeten) zwischen 10 und 19 Jahre alt
waren [6]. Diese beiden Altersgruppen
repräsentieren jedoch jeweils 9,2 % der
Bevölkerung. Deshalb stellen sich die
Fragen, ob nicht alle Kinder erfasst wurden, die eine Infektion durchgemacht
haben [7], oder ob Kinder und Jugendliche im Verhältnis seltener durch eine
Infektion betroffen sind. Darüber hinaus ist leider nicht bekannt, wie viele
der vom RKI erfassten Kinder symptomatisch waren, und ob ihre etwaigen
Symptome auf SARS-CoV-2 zurückzuführen sind. Todesfälle durch COVID19 sind bei Kindern und Jugendlichen
extrem selten. Bis zum 01.09.2020 wur-
den deutschlandweit 3 Todesfälle mit
möglichem Zusammenhang mit SARSCoV-2 bei Menschen zwischen 0 und
19 Jahren festgestellt. Diese hatten jeweils Vorerkrankungen [6]. Ob Kinder
grundsätzlich eine geringere Infektionsprävalenz für eine SARS-CoV-2Infektion haben, ist aufgrund fehlender
Referenztestungen unklar [8–11]. Häufig
werden Kinder- und Jugendärztinnen
und -ärzte (KJÄ) mit den Konsequenzen
der eingreifenden Maßnahmen, wie z. B.
Kindergarten- und Schulschließungen,
und deren sozialpädiatrischen Folgen
konfrontiert. Weiterhin stellen sie sich
die Frage nach der gesundheitlichen
Relevanz der SARS-CoV-2-Infektion
und COVID-19-Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Die vorliegende
Erhebung stellt die Pandemiesituation
bei Kindern aus Sicht der ambulantpädiatrischen Regelversorgung dar: Sie
bietet eine ambulante Ergänzung zu der
laufenden Untersuchung zur stationären
Behandlung der Deutschen Gesellschaft
für Pädiatrische Infektiologie (DGPI)
dar und erfolgte in Absprache mit dieser
[4].
Methode
In Deutschland werden über 80 % der
Kinder und Jugendlichen von niedergelassenen KJÄ betreut. Diese Berufsgruppe hat eine fortlaufende Onlineerfassung
von Fallzahlen, individuellen Fallbeschreibungen und Fachmeinungen zu
der Infektion mit SARS-CoV-2 und der
COVID-19-Erkrankung initiiert. Ein
positives Ethikvotum der Universität
Witten/Herdecke liegt dazu vor. Für die
Erfassung wurden alle im Berufsverband
der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) aktiven und per E-Mail erreichbaren KJÄ
(n = 5600) in Deutschland am 08.05.2020
und 15.06.2020 durch den Präsidenten
des BVKJ und den Letztautor per E-Mail
zur Teilnahme am Online-Survey www.
co-ki.de eingeladen. Die Aufforderung
zur Teilnahme erfolgte explizit auch
für die Situation, dass keine Fälle von
COVID-19- oder SARS-CoV-2-Positivität in der eigenen Praxis vorliegen. Diese
Publikation stellt eine deskriptive Zwischenauswertung dar. Der verwendete
Fragebogen ist in . Tab. 1 dargestellt.
Abkürzungen
COVID-19
„Corona virus disease 2019“
Co-Ki
Corona-bei-Kindern-Studie
PCR
Polymerase-Kettenreaktion
RKI
Robert Koch-Institut
SARS-CoV-2 „Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ (schweres
akutes Atemwegssyndrom-Coronavirus 2)
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Tab. 1 Items der Co-Ki-Registerstudie (Fallzahlerfassung durch Kinder- und Jugendärzte)
Alle Fragen beziehen sich auf Ihre Zahlen seit Ihrer letzten Eingabe
1. Bitte tragen Sie hier die ersten drei Ziffern der Postleitzahl Ihres Praxisortes ein
2. Wie viele Kinder mit V. a. SARS-CoV-2-Infektion (Verdacht durch Eltern oder Kontakt mit SARSCoV-2-Infizierten) wurden in Ihrer eigenen Sprechstunde vorgestellt?
3. Bei wie vielen dieser Kinder hatten Sie ebenfalls den Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion?
4. Wie viele Kinder wurden in Ihrer Sprechstunde auf SARS-CoV-2-Viren (PCR, Nasen-/
Rachenabstrich) getestet?
5. Wie viele dieser Kinder hatten ein positives Testergebnis (PCR, Nasen-/Rachenabstrich)?
6. Wie viele Kinder in Ihrer Sprechstunde wurden auf SARS-CoV-2-Antikörper (Blut/Serum) getestet?
7. Wenn Sie es wissen, können Sie hier eintragen, welche Tests (Labor oder Schnelltest, Hersteller) verwendet wurden
8. Bei wie vielen dieser Kinder gab es ein positives Testergebnis mit SARS-CoV-2-Antikörpern
(Blut/Serum)?
9. Wie viele Kinder hatten Sie, die PCR (Nasen/Rachen-Abstrich) positiv, aber mindestens 2 Wochen danach AK (Blut/Serum) negativ waren?
10. Wie viele der positiv (PCR oder AK) Getesteten hatten zu irgendeinem Zeitpunkt Symptome?
11. Wie viele der positiv Getesteten (PCR/AK) hatten keine Symptome?
12. Wie viele Kinder mit SARS-CoV-2-Infektionen mussten ins Krankenhaus?
13. Wir freuen uns über eine detaillierte Schilderung Ihrer medizinischen Beobachtungen. Insbesondere interessiert uns die Frage, welche Kinder andere Menschen anstecken und welche
nicht. Auch Ihre Gedanken und Wahrnehmungen der Gesamtsituation, und was es für die Kinder
bedeutet, interessiert uns. Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie besonders interessante Fälle zu
besprechen haben
Ergebnisse
An der Fallzahlerfassung beteiligten sich
bisher 557 KJÄ (Stand 01.09.2020). Diese KJÄ meldeten insgesamt 9803 Kinder und Jugendliche, die aufgrund eines
Verdachts der Eltern oder eines Kontaktes mit einem SARS-CoV-2-Infizierten in der Sprechstunde vorgestellt wurden. Die KJÄ ihrerseits hatten den klinischen Verdacht auf eine SARS-CoV-2Infektion bei 3654 Kindern, wobei einzelne KJÄ mehr eigene Verdachtsfälle
als Vorstellungen mit Verdacht meldeten, und das Wort „ebenfalls“ in Frage 4 wohl ignorierten, weshalb die 3654
nicht eine reine Teilmenge von den 9803
sind. Bei 7707 Kindern und Jugendlichen wurden durch 443 KJÄ PCR-Testungen mittels Nasen-/Rachenabstrichen
durchgeführt. Es wurden mehr Kinder
getestet als die, bei denen ein Verdachtsgrund bestand (Wunsch der Eltern, amtliche Anordnung etc.). Davon waren 198
Abstriche (2,6 %) bei 93 Ärzten positiv. Die berichtenden KJÄ führten an,
dass in vielen Fällen trotz Infektionsverdacht aus verschiedenen Gründen nicht
getestetwurde: z. B. fehlendes TestmateriMonatsschrift Kinderheilkunde
al oder Einschätzung fehlender Notwendigkeit, da bei mildem Verlauf und positiv getestetem Familienmitglied ohnehin
eine Quarantäne angezeigt war. Kinderund Jugendärztinnen und -ärzte aus allen 10 Postleitzahlregionen nahmen teil.
Der Anteil an positiven PCR-Tests zu
der Gesamtzahl an PCR-Tests war höher
im Südwesten und Nordwesten Deutschlands (. Abb. 1).
In 731 Fällen wurden durch 157
KJÄ eine Antikörpertestung durchgeführt, wovon 82 (11,2 %) positiv ausfielen (. Abb. 2). Von den 140 KJÄ, die
angegeben haben, welchen Test sie verwendeten, schickten 101 ihre Proben in
Labore. Schnelltests wurden von 39 KJÄ
genannt: entweder IgG alleine (Euroimmun (33 %), Diasorin (5 %), Microgen
(2,5 %)), oder mit IgM (Roche (13 %),
Cleartest (5 %), Nadal (2,5 %)) oder mit
IgA (Euroimmun 10 %). Trotz initial
positivem PCR-Test hatten 47 Kinder
mindestens 2 Wochen danach einen negativen Antikörpertest. Neunundzwanzig Kinder mit V. a. COVID-19 wurden
stationär aufgenommen. Allerdings lag
bei 16 dieser 29 Fälle kein positiver
Virusnachweis vor. Im Rahmen der In-
dividualfallerfassung wurde bei 5 Fällen,
die stationär aufgenommen wurden,
ein dem Kawasaki-Syndrom ähnliches
Krankheitsbild dokumentiert. Diese 5
Fälle hatten einen negativen Nasen-/
Rachenabstrich für SARS-CoV-2, waren
also möglicherweise keine COVID-19Patienten. Weitere Informationen hierzu
erfassten die Kliniken in der DGPIUmfrage [7].
Die KJÄ wurden außerdem gebeten,
mutmaßliche Ansteckungsketten qualitativ zu schildern: So wurden mehrere
Beispiele von Großfamilien beschrieben,
in denen ein Kind außerfamiliär angesteckt wurde und die Infektion trotz intensivem, körpernahem Kontakt innerhalb der Familie nicht weitergab. 99,8 %
der KJÄ äußerten, keinen Fall gesehen zu
haben, in dem ein Erwachsener durch ein
Kind infiziert wurde. Es gab nur einen
mutmaßlichen Verdachtsfall einer Übertragung der SARS-CoV-2-Infektion von
einem Kind auf einen Erwachsenen. Dabei handelte es sich um ein 2-jähriges
Mädchen, welches einen Tag lang Fieber
hatte und nicht getestet wurde. Es hatte in der Kita Kontakt zu einem Kind,
dessen Familie einen fraglichen Kontakt
mit COVID-19 hatte. Die Eltern hatten
5 Tage später leichte Hals- und Kopfschmerzen. Die Mutter wurde PCR-positiv getestet. Der Vater wurde nicht PCRgetestet, wurde aber später antikörpernegativ getestet. Wir konnten durch den
eintragendenKJA die Mutterdes obengenannten Verdachtspatienten (die Tochter
des eingebenden KJA) telefonisch kontaktieren und erfuhren, dass bei dem fast
3-jährigen Kind weder PCR- noch Antikörpertestungen durchgeführt wurden.
Außerdem waren beide Eltern berufstätig und einkaufend unterwegs gewesen.
Somit bleibt fraglich, ob sich die Mutter
beim Kind angesteckt hat.
Zusätzlich zu den quantitativen Angaben gab es viele Spontanbeschreibungen über Familien, in denen eben keine
Ansteckung von PCR-positiven Kindern
auf Erwachsene stattfand. Im Folgenden
sind einige Fallbeispiele aufgeführt; bei
den ersten beiden Fällen haben sich die
Kinder möglicherweise bei anderen Kindern angesteckt:
1. Junge, 7 Jahre alt. Vorstellungsgrund
Husten. Nach 4 Tagen erneute Vor-
Zusammenfassung · Abstract
2.
3.
4.
5.
6.
7.
stellung wegen Fieber bei Belastung
und persistierendem Husten. Testung
wegen Verdachtsfall auf Coronainfektion in der Schulklasse. Ergebnis:
PCR-positiv. Vollständige Genesung
nach einer Woche. Die Abstriche, die
vom Gesundheitsamt von den Eltern
und Geschwistern entnommen wurden, sind verloren gegangen. Klinisch
erkrankte niemand aus der Familie.
Mädchen, 10 Monate alt. Vorstellungsgrund: Fieber, Abgeschlagenheit, Weinerlichkeit, Trinkverweigerung. Fünf Tage vor Erkrankungsbeginn von fremdem Kind angehustet
worden. PCR-positiv. Stationärer
Aufenthalt mit Infusionstherapie.
Entlassung nach 5 Tagen mit hohem
Fieber. Anschließend morbiliformer
Hautausschlag, fast am gesamten
Integument (Arme, Beine, Rumpf),
nach 12 Tagen abblassend. Weder
Schwester (Schnuller ausgetauscht)
noch Eltern angesteckt.
Kind, 1 Jahr alt. Hohes Fieber, PCRpositiv. Keine der 10 Kontaktpersonen positiv getestet, auch nicht die
Großeltern des Kindes, die besucht
wurden.
Kind, 4 Jahre alt. Produktiver Husten,
mäßiges Fieber, PCR-positiv. Hat weder Vater, Mutter noch die 1-jährige
Schwester angesteckt.
Junge, 4 Jahre alt. Erkältung ohne
Fieber. PCR-positiv. Keine weiteren
angesteckten Familienmitglieder.
Zwei Geschwisterkinder, nächtliches
Fieber und Husten für 1 Woche,
nicht schwer erkrankt. Anamnestisch
rezidivierende Bronchitiden. Nach
10 Tagen keine Symptome mehr.
Eltern symptomlos.
Mädchen, 8 Jahre alt. PCR-positiv.
Intensivmedizinische Betreuung
bei schwerer Pneumonie. Außer
Adipositas keine Risikofaktoren/
Vorerkrankungen. Eltern und Bruder
ohne Krankheitszeichen, kein Erregernachweis bei Mutter trotz engem
Kontakt.
Kind mit respiratorischen Symptomen und Durchfall, hatte sich in
der Schule angesteckt. PCR-positiv.
Die 5-köpfige Familie ist mehrfach
getestet worden und war negativ.
Monatsschr Kinderheilkd https://doi.org/10.1007/s00112-020-01050-3
© Der/die Autor(en) 2020
S. Schwarz · E. Jenetzky · H. Krafft · T. Maurer · C. Steuber · T. Reckert · T. Fischbach · D. Martin
Corona bei Kindern: Die Co-Ki Studie. Relevanz von SARS-CoV-2 in
der ambulanten pädiatrischen Versorgung in Deutschland
Zusammenfassung
Hintergrund. In Deutschland werden über
80 % der Kinder und Jugendlichen von niedergelassenen Kinder- und Jugendärztinnen
und -ärzten (KJÄ) betreut. Diese haben eine
spezifische Perspektive auf die COVID-19Pandemie.
Methode. Zentrale Onlineerfassung von
Fallzahlen, individuellen Fallbeschreibungen
und Beobachtungen zu Infektion und
Erkrankung mit SARS-CoV-2 (www.co-ki.de).
Ergebnisse. An der Fallzahlerfassung beteiligten sich bisher 557 KJÄ. Diese betreuen
ca. 670.000 Kinder. Sie meldeten 9803 Kinder,
die als Verdachtsfälle vorgestellt wurden.
Die KJÄ selber hatten einen klinischen
Verdacht auf SARS-CoV-2-Infektion bei 3654
Kindern. Bei 7707 Kindern wurden PCRTestungen mittels Nasen-/Rachenabstrich
durchgeführt, von denen 198 Abstriche
(2,6 %) positiv ausfielen. Zudem wurden
731 Kinder auf SARS-CoV-2-Antikörper
getestet, mit einem Nachweis in 82 Fällen
(11,2 %). Trotz initial positivem PCR-Test
hatten 47 Kinder mindestens 2 Wochen
danach einen negativen Antikörpertest. Die
Abfrage nach Ansteckung eines Erwachsenen
durch ein Kind ergab nur einen einzigen
mutmaßlichen, nach telefonischer Rückfrage
unwahrscheinlichen, Verdachtsfall.
Diskussion. Aus ambulant-pädiatrischer Sicht
sind COVID-19-Erkrankungen bei Kindern
sehr selten. In unserem Kollektiv fand sich
kein überzeugender Hinweis, dass Kinder
eine relevante Infektionsquelle für SARSCoV-2 darstellen oder dass Kinder relevant
gefährdet wären.
Schlüsselwörter
COVID-19 · Pandemie · Kinder- und
Jugendärzte · Versorgungsforschung ·
Epidemiologie
Corona in Children: the Co-Ki Study. Relevance of SARS-CoV-2 in
outpatient pediatric services in Germany
Abstract
Background. In Germany over 80% of children
and adolescents are in the ambulatory care of
registered pediatricians. These have a specific
perspective on the COVID-19 pandemic.
Methods. For this reason, this professional
group initiated a central recording of case
numbers, individual case descriptions and
observations on infections and illnesses with
SARS-CoV-2 (www.co-ki.de).
Results. So far 557 pediatricians have
participated. Together they care for ca.
670,000 children. They reported 9803 children
who presented as suspected cases. The
pediatricians themselves had a clinical
suspicion of SARS-CoV-2 infections in
3654 children. In 7707 children PCR tests
were carried out using nose/throat swabs of
8. Mädchen, 11 Jahre alt. Erhöhte Temperaturen und leichte Kopfschmerzen. Vom Vater angesteckt, der sich
wiederum bei einem italienischen
Kollegen angesteckt hatte. Vater und
Mädchen PRC-positiv. Das Mädchen
kuschelt gerne mit Mutter, Stiefvater
which 198 (2.6%) were positive. In addition,
731 children were tested for SARS-CoV-2
antibodies with detection in 82 cases (11.2%).
Despite initially positive PCR tests, 47 children
had a negative antibody test at least 2 weeks
later. Our query as to infections of adults
by children yielded only one case, which
a telephone enquiry revealed as unlikely.
Discussion. From an outpatient pediatric
perspective COVID-19 is rare. There was
no convincing evidence that children are
a relevant source of infection for SARS-CoV-2
nor that they are relevantly at risk.
Keywords
COVID-19 · Pandemic · Family medicine ·
Public health · Epidemiology
und einjährigem Bruder, hat dennoch
keinen von ihnen angesteckt.
Diskussion
Diese Versorgungsstudie stellt die Versorgungsrealität von 557 niedergelassenen KJÄ in der gegenwärtigen Pandemie
Monatsschrift Kinderheilkunde
Originalien
Region 2:
60 Ärzte
565 PCR Tests
3,0 % Positiv
Region 4:
64 Ärzte
634 PCR Tests
2,9 % Positiv
Region 1:
48 Ärzte
551 PCR Tests
0,5 % Positiv
Region 3:
43 Ärzte
558 PCR Tests
2,0 % Positiv
Region 0:
38 Ärzte
1249 PCR Tests
0,4 % Positiv
Region 5:
69 Ärzte
1265 PCR Tests
1,0 % Positiv
Region 6:
61 Ärzte
469 PCR Tests
3,6 % Positiv
Region 7:
75 Ärzte
985 PCR Tests
5,6 % Positiv
Region 9:
37 Ärzte
285 PCR Tests
2,8 % Positiv
Region 8:
59 Ärzte
1144 PCR Tests
4,4 % Positiv
Abb. 1 8 Verteilung der 557 teilnehmenden Kinder- und Jugendärzte nach Postleitzahlenregion. Insgesamt 7707 Tests, davon 198 (2,6 %) positiv. Lediglich 3 Kollegen mit insgesamt 12 Testungen, davon
1 positiver Test, gaben die ersten 3 Ziffern ihrer Postleitzahl nicht an
dar. Bei durchschnittlich 1200 Kindern
und Jugendlichen pro Praxis betreuen
diese 557 KJÄ ca. 0,67 Mio. Kinder und
Jugendliche.
Die meldenden KJÄ hatten im Durchschnitt ca. 18 Verdachtsfälle, wobei berücksichtigt werden muss, dass viele KJÄ
gar keinen Verdachtsfall in der Praxis
hatten und deshalb auch keine Meldung
durchführten.
Von den 7707 Nasen-/Rachenabstrichen (PCR) waren 2,6 % und von 731
Antikörpertesten waren 11,2 % positiv.
Die höhere Rate an Antikörperpositivität hängt mit der Tatsache zusammen,
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dass mehr Kinder getestet wurden, die
zuvor Symptome und/oder einen positiven PCR-Test hatten. Die Tatsache, dass
bei 47 Kindern trotz positivem PCR-Test
nach mehr als 2 Wochen keine Antikörper nachgewiesen werden konnten, wirft
die Frage auf, ob die Sensitivität der Antikörpertests zu gering war, oder ob diese Kinder (noch) keine oder zu wenig
Antikörper bildeten. Aktuelle Untersuchungsergebnisse ergaben, dass es bis zur
Antikörperbildung bis zu 19 Tage dauern
kann [8]. Während IgG oft alleine getestet
wurde, gaben keine KJÄ an, nur IgA oder
IgM getestet zu haben, was angesichts
der niedrigen, zeitabhängigen Sensitivität von IgA und IgM bei SARS-CoV-2
durchaus sinnvoll erscheint.
Viele KJÄ äußern sich erstaunt über
die niedrige Inzidenz von SARS-CoV-2.
Eine Herausforderung stellte in der
Anfangszeit die fehlende Verfügbarkeit
von Tests dar. Das spiegelt sich in der
geringen Anzahl durchgeführter Tests
bei symptomatischen Kindern wider.
Das RKI gibt 0,18 % [6] laborbestätigte
SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern
und Jugendlichen an, kalkuliert auf dem
Hintergrund einer Grundgesamtheit
von 13,5 Mio. Kindern in Deutschland
(Stand 01.09.2020). Insgesamt ist die
Rate der nachweislich infizierten Kinder
und Jugendlichen, in der vorliegenden
Studie bislang, ähnlich derjenigen des
RKI, niedrig.
Fünf der 29 stationären Fälle wurden
im Zusammenhang mit den weltweit
gemeldeten Kawasaki-ähnlichen Krankheitsverläufen bei Kindern gesehen. Auf
diesem Hintergrund ist festzustellen,
dass die durchschnittliche KawasakiInzidenz in Deutschland 9/100.000 Kinder beträgt, und dass das KawasakiSyndrom auch vor der Pandemie mit
anderen Coronaviren assoziiert war [12,
13]. Die Tatsache, dass alle 5 Fälle negativ für SARS-CoV-2 in der PCR getestet
wurden, schließt nicht aus, dass sie mit
SARS-CoV-2 assoziiert waren, da das
Kawasaki-ähnliche Syndrom eine Späterscheinung zu sein scheint, also zu
einem Zeitpunkt auftritt, bei dem die
Antigene oft nicht mehr nachweisbar
sind [12].
Auf die explizite Frage, ob Hinweise für Ansteckungen von Erwachsenen
durch Kinder vorlagen, wurde nur ein
mutmaßlicher Verdachtsfall gemeldet.
Hingegen wurde spontan über viele
Familien berichtet, in denen Kinder
Mitmenschen trotz engen Kontaktes
nicht ansteckten. Die Schilderung aus
der ambulanten Pädiatrie, dass die meisten Kinder sich bei den Eltern angesteckt
haben, deckt sich mit den Erhebungen
des COVID-19-Krankenhausregisters
der DGPI [4]. In unserem Kollektiv
fand sich kein überzeugender Hinweis
dafür, dass Kinder eine relevante Infektionsquelle darstellen. Bisherige Vermutungen zur Rolle von Kindern in der
SARS-COV-2 PCR im
Nasopharyngealabstrich (n = 7.707)
SARS-CoV-2 Antikörper im Serum
(n = 731)
Test positiv
2,6%
Test
positiv
11%
Dynamik der Pandemie sind aus Influenzapandemien übertragen worden.
Sie können aufgrund der vorliegenden
Daten dieser ambulanten und der stationären [4] Erfassung in Deutschland
zur SARS-CoV-2-Pandemie nicht bestätigt werden. Die (erstaunlich) wenigen,
bisher durchgeführten Untersuchungen
zu diesem Thema zeigen eine sehr niedrige Ansteckungsrate durch Kindern
[14]. Womöglich schützen Kinder ältere
Menschen sogar vor einem schweren
COVID-19-Verlauf [15].
Die aktuelle Pandemie mit SARSCoV-2 ist komplex, die unsichere Datenlage eine große Herausforderung.
Diese erste Auswertung der ambulanten
Pädiatrie weist naturgemäß Limitationen auf, da die Beteiligung zwar bei
ca. 10 % liegt, sich aber ein „reporting
bias“ hin zur Dokumentation positiver
und/oder symptomatischer Fälle mutmaßen lässt. Dies liegt vermutlich daran,
dass KJÄ ohne Fälle sich seltener an der
Datenerhebung beteiligten.
Eine Vielzahl der SARS-CoV-2-Abstriche wurde nicht in Kinder- und
Jugendarztpraxen, sondern in Gesundheitsämtern, Kliniken und durch andere
ärztliche Fachrichtungen vorgenommen.
Diese Studie stellt die direkte Wahrnehmung der niedergelassenen Pädiater dar.
Daher können die Ergebnisse dieser Studie nicht ohne Weiteres verallgemeinert
werden.
Abb. 2 9 Testergebnisse
der eingebenden Kinderund Jugendärztinnen und
-ärzte (KJÄ), die einen Test
auf SARS-CoV-2-RNA (PCR;
n = 443 KJÄ) oder auf SARSCoV-2-Antiköper im Blut
(n = 157 KJÄ) durchführten
Test
negativ
88,8%
Test
negativ
97,4%
Die Autoren sind weiterhin sehr interessiert daran, Berichte von Ansteckungsketten durch Kinder hin zu Erwachsenen und umgekehrt zu erhalten. Im Hinblick auf Kindergarten- und Schulöffnungen und die damit einhergehenden,
sich bisher eher nicht bestätigenden [16]
Befürchtungen ist eine multiperspektivische Erfassung der Situation der Kinder
von großer Bedeutung, weshalb dieses
Register eine Ergänzung zum stationären
Register und den Daten der Gesundheitsämter darstellt.
Fazit für die Praxis
Weiterhin sind alle KJÄ zur Teilnahme
an www.co-ki.de eingeladen, sowohl
bei SARS-CoV-2-Verdacht als auch bei
COVID-19-Erkrankung und bei fehlenden Fällen in der Praxis.
Korrespondenzadresse
Univ.-Prof. Dr. med. David Martin
Lehrstuhl für Medizintheorie, Integrative
und Anthroposophische Medizin, Universität
Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Straße 50, 58448 Witten,
Deutschland
[email protected]
Förderung. Für diese Studie wurde keine Finanzierung beantragt.
Funding. Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. S. Schwarz, E. Jenetzky, H. Krafft,
T. Maurer, C. Steuber, T. Reckert, T. Fischbach und
D. Martin geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Auswertungen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im
Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der
Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen,
überarbeiteten Fassung) durchgeführt.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative
Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung,
Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die
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einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der
Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/
licenses/by/4.0/deed.de.
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der DGKH, der DGPI, der DAKJ, der GHUP und dem
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Lee P-I, Hu Y-L, Chen P-Y, Huang Y-C, Hsueh P-R
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