Das Grummeln in der ersten Reihe des dunklen Mannschaftsbusses wird immer lauter. Über Zeckes Gesicht flackern die Reflektionen des Laptops, der auf seinem Schoß heißläuft. "Is dit nen Quatsch", flüstert er mehr zu sich als zu Sitznachbar Pal.
Das Videostudium läuft bereits auf Hochtouren, Zecke quält sich durch die bleiernen ersten 35 Minuten des Gastspiels beim VfB Stuttgart und hasst jede Sekunde. Als Matteo Guendouzi das Umschaltspiel zum dritten Mal ohne Not verschleppt, reicht es ihm.
"Rutsch ma, Dicka, muss ma kurz wohin", raunt er Pal an und macht sich mit dem Laptop in der Hand auf den Weg durch den schmalen Mittelgang. In den Zweiersitzreihen links und rechts wird entweder geschlafen, per Facetime telefoniert oder auf die Instagram-App eingeprügelt.
Früher ham wa uns nach na ersten Halbzeit wie heute im Bus noch gegenseitig die Leviten jelesen, denkt Zecke, heute immer schön WhatsApp-Gruppe, kann ick leiden sowat. Matteo macht große Augen, als Zecke abrupt vor ihm zum Halten kommen.
"Sach ma, Kolleje, wer hat'n dirt den Mumm ausn Locken jezogen? Beamtenfußballer jeworden, oder wat? Na bei unserem Senat haste da uff Dauer keen Spaß, dit kannste mir globen, mon frère", rappelt es von Zecke runter auf Matteo, dessen hilfesuchende Blicke keinen Abnehmer finden.
"Trau dich ma wat, Junge! Trau dich! Hier, Dings: Avoir Courage! Weeßte?". Weiter geht's den Gang runter, auf nach Paraguay. "Na, wie jeht's denn meiner Lieblings-Omar?", sagt Zecke und schaut in ein fragendes Gesicht.
"Kiek ma, Keule: Schöner Fußball, ja, geil. Wollten wa hier immer schon, hatten wa aber noch nie, vermisst also keener. Heißt: Schieb och ma ne ruhige Kugel. Harter Fuß, klare Idee, Flugkurve immer kurz über der Grasnarbe. Jut? Kannste doch, mach halt mal, Junge", sagt Zecke
, dessen Fistbump Omar Alderete zögernd erwidert. Also, Rückmarsch durch den Mittelgang, kurzer Zwischenstopp bei Luca Netz. Der nimmt seine Noise-Cancelling-Kopfhörer ab, aus denen wummert Musik. "Hörst'n da, Junge", fragt Zecke.
"Äh, Luciano heißt der. Ist ein Rapper, macht coole Musik", sagt Luca höflich. "Ah, HipHop meinste, ja? Haick früher och immer jehört. Hier, Sido und Harris und so. Och Bushido, ick war sogar im "Sonnenbank Flavour"-Video. Geilet Teil, kennste? Feierste? Is jut, wa?".
"Äh, ja, aber ich glaube da bin ich etwas zu jun...", "So, kommen wa mal zur Sache", schrofft Zecke. "Du machst dit jut, Luca. Kannst'n Großer werden, jetzt einfach weiter ackern, ja? Dann ist die zehnte Hütte nur noch ne Fraje der Zeit, ja?", sagt Zecke.
"Alles klar, Trainer, ich werde mein Bestes geben und weiter hart arbeiten, das ist wirklich eine spannende Aufgabe", sagt Luca. Stille. Ein paar Sekunden lang. "Sach ma, Junge. Hab ick hier'n Mikro inna Hand oder haste schon mit 17 nen Hunni fürs Phrasenschwein über oder wat?"
Wieder Stille. "Jut, weitermachen", sagt Zecke und tigert zurück auf seinen Platz. Er lässt sich neben Pal in seinen Sitz fallen und atmet lautstark aus. "Wie siehts aus bei den Jungs?", fragt Pal, seine Augen werden von einer Schlafmaske bedeckt.
"Ach, weeßte doch. Talentierte Strebertruppe, alle höflich und nett. Kotzt mich an", blafft Zecke. Unter Pals Schlafmaske formt sich ein breites Lächeln. "Geduld, Zecke. Die bekommen wir auch noch hin", sagt Pal.
Zecke klappt den Laptop wieder auf, Dodi verstolpert auf dem Flügel im Eins-gegen-Eins den Ball. "Blödes Känguru", raunt Zecke. "Fettes Kampfschwein wär mir zurzeit lieber, sach ich dir." Pal schmunzelt. "Gute Nacht, mach du auch mal Pause."
200 Kilometer sind es noch nach Berlin und Zecke ist hellwach. Also, Laptop auf, Scouting-Feed laufen lassen. Radonjic wird auch im dritten Zweikampf nach seiner Einwechslung abgekocht. Zeckes Seufzer hallt durch den ganzen Bus. #hahohe#VfBBSC
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Pal knurrt am Frühstückstisch. "Carsten, was ist? Haben unsere fünf Telefonate gestern Abend nicht ausgereicht?", fragt Herthas Rekordspieler den neuen CEO. "Du, Pal, Sorry. Aber die Lage ist ernst. Wir machen das jetzt Also: Willst du? Weil: Du darfst wieder!"
Pal stößt einen lauten Atemzug aus. Monika lässt die Zeitung ein wenig sinken und guckt über den Brillenrand hinweg ihren Mann an. "Carsten, ich rufe gleich zurück", sagt Pal und erstickt das "Aber, warte! Pal! Wir brauchen die Entscheid..." per Knopfdruck.
Pal legt den Kopf in die Hände, sein Frühstück hat er noch gar nicht angerührt. "Du musst das nicht machen, Pal", sagt Monika. "Du muss gar nichts!". Pal nickt, gleichzeitig aber ahnend, dass er eventuell einfach will. Der Ur-Herthaner in ihm, er musste in den zuletzt leiden.