François Couperin »le Grand« erlebte einen kulturellen Wandel, den Paul Hazard als »Krise des eur... more François Couperin »le Grand« erlebte einen kulturellen Wandel, den Paul Hazard als »Krise des europäischen Bewusstseins« beschrieben hat. Und er reagierte darauf als Musiker, Pädagoge und Komponist: Stand der Anfang seiner Karriere noch im Zeichen der klassischen Epoche des Sonnenkönigs, so war seine zweite Lebenshälfte geprägt von der galanten Kultur und der beginnenden Aufklärung in der Zeit der Régence und Louis XV. Das Zentrum dieses Buches bildet seine facettenreiche und faszinierende Musik, die im Kontext ihrer Kultur auf neue Weise interpretiert wird. Als Poet der Instrumentalmusik und Meister der Nuancen ist Couperin ein Vorläufer Claude Debussys und Maurice Ravels, die ihren Vorgänger zurecht bewunderten.
Johannes Menkes Lehrbuch Kontrapunkt II behandelt die Kompositionstechnik der Barockzeit und stel... more Johannes Menkes Lehrbuch Kontrapunkt II behandelt die Kompositionstechnik der Barockzeit und stellt damit die Fortsetzung zu Kontrapunkt I dar. Claudio Monteverdi bezeichnete die moderne Musikpraxis seiner Zeit, die wir heute als Beginn des Barock beschreiben, als »Seconda prattica«. Der Band legt daher einen besonderen Schwerpunkt auf das 17. Jahrhundert und erklärt, mit welchen Techniken und Denkweisen Komponisten wie Monteverdi, Purcell, Corelli, Couperin, Händel oder Bach komponiert haben. Dabei stützt sich das Lehrbuch konsequent auf die ganz pragmatische zeitgenössische Satzlehre der Barockzeit und macht in zahlreichen neu gesetzten Beispielen aus historischen Lehrbüchern vergessenes Wissen wieder neu zugänglich.
In diesem kompakten Band über die Kompositionstechnik des 15. und 16. Jahrhunderts – als »Prima p... more In diesem kompakten Band über die Kompositionstechnik des 15. und 16. Jahrhunderts – als »Prima prattica«, »Stile antico« oder »Stylus gravis« bezeichnet – wird erklärt, wie Josquin, di Lasso, Palestrina u.a. komponiert haben und was die zeitgenössischen Musiktheoretiker dazu zu sagen hatten. Dazu zeigt Kontrapunkt I satztechnische Phänomene auf und veranschaulicht sie nicht nur mit zahlreichen berühmten Beispielen aus der Musikgeschichte, sondern auch mit hier erstmals neu gesetzten Exempeln aus historischen Lehrbüchern.
Verschiedene Gründe sprechen trotz der bereits vorliegenden Editionen in Faksimile und Transkript... more Verschiedene Gründe sprechen trotz der bereits vorliegenden Editionen in Faksimile und Transkription für die hier vorgelegte Neuausgabe, die in erster Linie die Fruchtbarmachung der Händelschen »Aufzeichnungen « für den Theorie-, Satzlehre-, Analyse-, Improvisations- und Generalbassunterricht an Musikhochschulen zum Ziel hat. Mit der dieser Neuausgabe von Händels Aufzeichnungen zur Kompositionslehre soll dem Leser erstmals an Hand der Übungen Händels das ganze Panorama der Theorie- und Kompositionsgeschichte eröffnet werden, wie es sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts darstellt. Dessen Wurzeln reichen weit ins 17. Jahrhundert zurück und dessen Auswirkungen lassen sich bis ins 19. Jahrhundert und darüber hinaus verfolgen.
Händels Aufzeichnungen sind kleine Skizzen eines großen Komponisten, die große Themen und Fragen im Kleinen aufscheinen lassen: Dieses Ideal künstlerisch-wissenschaftlichen Arbeitens lässt sich mit ihnen beispielhaft verwirklichen.Das zentrale Anliegen dieser Ausgabe ist eine möglichst umfassende Ausschöpfung des konzentrierten, impliziten pädagogischen und theoretischen Potenzials der Händelschen Übungen. Am Anfang stehen die von Alfred Mann als »Anfangsstudien« bezeichneten zweistimmigen Stücke, die hier erstmals vor dem Hintergrund der Solfeggi-Tradition gelesen und aufbereitet werden, zweistimmige Stücke, mit denen die Prinzipien des Außenstimmensatzes und der Diminution eingeübt werden. Es folgen die »Aufgaben zur Generalbasslehre«, Händels Partimenti, die in dieser Ausgabe zum ersten Mal im Kontext des barocken Triosonatensatzes Corellischer Provenienz gesehen werden. Der Lehrgang kulminiert in den Aufgaben zur Partimento-Fuge. Auch hier wird versucht, durch verschiedene Lösungs- und Arbeitsansätze die Vielseitigkeit dieser Übungen auszuschöpfen. Wie in anderen Bänden dieser Reihe runden ein Glossar und ein Vademecum mit den wichtigsten hier verwendeten Termini und Satzmodellen den Band ab.
Mit dieser Edition werden Paisiellos Regole per bene accompagnare il partimento zum ersten Mal ei... more Mit dieser Edition werden Paisiellos Regole per bene accompagnare il partimento zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Umstände der Entstehung der Regole verdeutlichen auf eindrucksvolle Weise die Unterrichtspraxis und die Aufgaben eines namhaften Hofkomponisten am Ende des 18. Jahrhunderts. Nicht zuletzt sind Paisiellos Partimenti, aus denen sich die verschiedensten Stücke vom einfachen Klavierstück bis zur rauschenden Opernsinfonia gewinnen lassen, Kompositionsentwürfe eines bedeutenden Komponisten. Sie gehen an vielen Stellen über den von barocken Idiomen geprägten, didaktischen Partimento-Stil hinaus und zeigen Elemente des galant klassischen Stils, in denen man auch den Ausdruck eines Personalstils erkennen kann, wie etwa pointierte Rhythmen und abrupte Wechsel der rhythmischen Dichte. In der vorliegenden modernen Ausgabe werden die Partimenti durch Kommentare ergänzt, die Vorschläge zur Realisierung und Hinweise auf satztechnische Besonderheiten enthalten.
"Pax" ist ein zentraler Begriff bei Giacinto Scelsi. In den Tre canti sacri wird das Wort im Rahm... more "Pax" ist ein zentraler Begriff bei Giacinto Scelsi. In den Tre canti sacri wird das Wort im Rahmen des Gloria-Textes eindrücklich vertont, in Konx-Om-Pax kehrt es im Titel wieder. Darüber hinaus steht Pax für eine vermittelnde Haltung, wie sie für Scelsi charakteristisch ist: zwischen Ost und West, zwischen Improvisation und Notation, zwischen Klang und Konstruktion, zwischen Transzendenz und Immanenz.
Im vorliegenden Band wird der Versuch unternommen, die von Scelsi publizierten Partituren der beiden Werke Tre canti sacri und Konx-Om-Pax einer detaillierten Analyse zu unterziehen. Dabei steht im Vordergrund, daß sich Scelsis Beitrag zur Musikgeschichte ganz konkret in der Entwicklung einer eigenen Formkonzeption, Harmonik und Satztechnik manifestiert. Diese Musiksprache und ihre Semantik stehen trotz ihrer Individualität in einem spannungsvollen aber engen Verhältnis zu Geschichte und Gegenwart der abendländischen Kunstmusik.
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Klang und Bedeutung. Diskurse über Musik. Zur Emeritierung von Joseph Willimann, ISBN 978-3-487-15986-7, 2021
Stilmelange und Routine. Analytische Beobachtungen zu Antonio Caldaras Missa St. Francisci – Der ... more Stilmelange und Routine. Analytische Beobachtungen zu Antonio Caldaras Missa St. Francisci – Der Beitrag untersucht die Missa Sancti Francisci von Antonio Caldara unter den Leitbegriffen Routine und Melange. Anhand der Messkomposition, die im Bereich des stilus mediocris zu verorten ist, lässt sich studieren, wie im frühen 18. Jahrhundert alltägliches, routiniertes Komponieren auf einem hohen handwerklichen Niveau stattgefunden hat. Die Arbeit mit kontrapunktischen Kunstgriffen, Satzmodellen, harmonisch expressiven Wendungen und verschiedenen Stilelementen, die im Sinne des stilus mixtus verbunden werden, wird exemplarisch veranschaulicht. Die Missa Sancti Francisci erweist sich damit nicht nur als ein typisches Beispiel von Caldaras Komponieren, sondern auch als ein Werk, das seinem Widmungsträger gerecht wird.
Basler Beiträge zur Historischen Musikpraxis, 2021
To what extent was counterpoint a vocal concept in the golden age of vocal polyphony? The situati... more To what extent was counterpoint a vocal concept in the golden age of vocal polyphony? The situation appears ambivalent: On the one hand theorists assume general cantability; on the other, both theoretically and practically, counterpoint is about more than the human voice. Although singing involves the performance of a text, many theorists largely ignore this aspect. In the discourse on the seconda pratica that arose around 1600, criticism of the old counterpoint was finally voiced; the argument was that it could even hinder successful expression of the text. Nevertheless, the old style established itself as the ideal, without being limited to the human voice alone.
The article is based on an open understanding of Europe: Europe does not have a fixed identity bu... more The article is based on an open understanding of Europe: Europe does not have a fixed identity but is shaped by various influences and a variety of cultural networks. Nevertheless, constants can be identified across time, which are illustrated here with reference to ancient terms and related to music history: interest in the new („in nova fert“, Ovid), interest in non-identical harmony („discors concordia“, Ovid), the agonistic principle of a competition of ideas („Agon“ in the Greek polis) and an ethically based interest in knowledge („sapere aude“, Horace), which also includes its transfer over the centuries.
The young Wagner’s encounter with Italian opera, especially the works of Vincenzo Bellini, played... more The young Wagner’s encounter with Italian opera, especially the works of Vincenzo Bellini, played a decisive part in his compositional development. Starting from reflections on Wagner’s and Bellini’s musical training, the text discusses what influence Bellini’s Norma still may have had on Wagner’s mature works. Here the aria »Meco all’altar di Venere« proves to have been a model for numbers in Wagner’s operas that take a catastrophic turn. In Tannhäuser he deals with the bel canto aria, which in turn relates to the topic of the singing contest, as this would automatically have been associated with the bel canto tradition in the 1840s. Finally, the author compares the melodic shaping in the finales in Norma and Tristan and Isolde in order to discuss the question raised in secondary literature as to whether they are similar, and whether the Bellini may even have acted as a model.
This article examines two movements from François Couperin’s Apothéose de Lully (1725) from the point of view of compositional technique and semantics. In the Accüeil, Corelli, the master of the Italian style admired by Couperin, receives his French colleague Lully in Parnassus. Lully thanks the god Apollo with a Remerciment. In both movements, Couperin juxtaposes the Italian and French styles quite abruptly before attempting to achieve a synthesis in the following movements. In this article, the author analyzes some compositional aspects which Couperin uses as cyphers of the national styles.
In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, satztechnische Charakteristika des während der Regierungszeit von Louis XIV etablierten französischen Kompositionsstils als Satzmodelle zu benennen und dingfest zu machen. Dabei knüpfen die Überlegungen an Robert O. Gjerdingens Konzept von «schemata» an, die nicht nur allgemeine Satztechniken, sondern einen spezifischen Stil repräsentieren. Hierbei konzentriert sich die Darstellung auf Aspekte der Harmonik und des Kontrapunkts, mithin auf vertikale Einzelklänge (accompagnements extraordinaires) und Klangfortschreitungen (progressions). Einige Satzmodelle werden in theoretischen Schriften der Zeit behandelt, andere wurden aus der Musik abgeleitet. Mithilfe der Satzmodelle lassen sich französische Stilmerkmale der Harmonik und des Kontrapunkts analytisch benennen und auch heute improvisatorisch umsetzen.
It is known that George Frederic Handel often reworked own compositions or works of contemporary ... more It is known that George Frederic Handel often reworked own compositions or works of contemporary or earlier composers. In his oratorios, the oldest reworked composition seems to be the final chorus of Giacomo Carissimi’s Jephte from the middle of the 17th century. A well-known work, it was praised by Athanasius Kircher in his Musurgia universalis (1650) as an outstanding example for the „affectus doloris”. Handel reworked it in his Samson as „Hear Jacob’s God”. With his reworking, Handel took recourse to an early period of the genre; he went back to an older style in order to obtain archaic moments with which to characterize the Israelites. He transferred the music of the Roman and Catholic oratorio to the modern English oratorio which was established by him, and that was aimed at a nationally conscious Anglican audience. Handel did not just copy his model. Rather he rearranged Carissmi’s composition, orchestrated it and employed a different text, putting it into a completely different context. He thus transformed not only the musical but the rhetoric, semantic and expressive construction of the chorus.
Never before has so much been written about art as today, and yet never before has it been so unc... more Never before has so much been written about art as today, and yet never before has it been so unclear what a theory of art should achieve at all: Craftsmanship, criticism, Glasperlenspiel? A discussion about hidden theories, compositional mass production and the rule of breaking rules.
Noch nie wurde soviel über Kunst geschrieben wie heute, und doch war wohl noch nie so unklar, was eine Theorie der Kunst überhaupt leisten soll: Handwerkslehre, Kritik, Glasperlenspiel? Eine Diskussion über verborgene Theorien, kompositorische Massenfertigung und die Regel des Regelbrechens.
Music for the 'Iron Era': Rubens, Seneca and Monteverdi's Eighth Book of Madrigals - In the prefa... more Music for the 'Iron Era': Rubens, Seneca and Monteverdi's Eighth Book of Madrigals - In the preface to his Libro ottavo, Monteverdi presents an aesthetic and genre-theoretical concept that involves, on the hand, a new composing style - concitato genere - and, on the other hand, aims for a contrasting and symmetrically organised formal structure in which madrigali guerrieri and madrigali amorosi are placed in opposition. The essay attempts to relate this concept to the work of the contemporaneous painter Peter Paul Rubens and the reception of the Stoic philosopher Seneca. Whereas Rubens thematises war and love in his pictures and adopts a clear pacifist position, Seneca presents a theory of the war-triggering affect of anger, which Monteverdi's concitato genere attempts to portray.
Within the culturally heterogeneous German-speaking countries of the nineteenth century, music th... more Within the culturally heterogeneous German-speaking countries of the nineteenth century, music theory education was still influenced by the Italian tradition of partimento. The middle of this century saw the founding of numerous conservatories, while theorists discussed generally how music education and its relationship with society and art should be organized. The present article discusses two examples in which one may not suspect such an influence of partimento at first sight. Siegfried Dehn, who can be seen as a pioneer of historically informed theory, mentions the partimento tradition in his Theoretisch-praktische Harmonielehre, using Generalbass as "praktische Harmonielehre". He was subsequently criticised for this, however, by Adolph Bernhard Marx, who argued for a progressive theory in his writing Die alte Musiklehre im Streit mit unserer Zeit. On the other hand, the famously progressive composer Richard Wagner was instructed by Theodor Weinlig, who studied in Bologna with Stanislao Mattei and adopted a pedagogy which followed the principles of the old Italian school. CORRIGENDUM Abbildung 5.4: Franz Anton Morgenroth, Exercitia in der Composition während des gemachten Cursus beim Musickmeister Herrn Weinlig, Dresden 1810–1818, S. 10. http://digital.slub-dresden.de/id47953764X/12
Music Theory and Value Judgements: Observations on the History of a Systematic Field – A glance ... more Music Theory and Value Judgements: Observations on the History of a Systematic Field – A glance at music history shows that there have always been struggles to describe musical material and its treatment. Theories can be founded on value judgements, imply them or indeed lead to them. As an applied, practical system of musical texture, music theory virtually trains its purveyors to internalize value judgements in order to make aesthetic compositional decisions. Today, a misguided understanding of plurality that does not permit genuine contradiction can lead to music theory no longer daring to make value judgements. This article argues the case for acknowledging the competition between different theories and productively continuing it.
François Couperin »le Grand« erlebte einen kulturellen Wandel, den Paul Hazard als »Krise des eur... more François Couperin »le Grand« erlebte einen kulturellen Wandel, den Paul Hazard als »Krise des europäischen Bewusstseins« beschrieben hat. Und er reagierte darauf als Musiker, Pädagoge und Komponist: Stand der Anfang seiner Karriere noch im Zeichen der klassischen Epoche des Sonnenkönigs, so war seine zweite Lebenshälfte geprägt von der galanten Kultur und der beginnenden Aufklärung in der Zeit der Régence und Louis XV. Das Zentrum dieses Buches bildet seine facettenreiche und faszinierende Musik, die im Kontext ihrer Kultur auf neue Weise interpretiert wird. Als Poet der Instrumentalmusik und Meister der Nuancen ist Couperin ein Vorläufer Claude Debussys und Maurice Ravels, die ihren Vorgänger zurecht bewunderten.
Johannes Menkes Lehrbuch Kontrapunkt II behandelt die Kompositionstechnik der Barockzeit und stel... more Johannes Menkes Lehrbuch Kontrapunkt II behandelt die Kompositionstechnik der Barockzeit und stellt damit die Fortsetzung zu Kontrapunkt I dar. Claudio Monteverdi bezeichnete die moderne Musikpraxis seiner Zeit, die wir heute als Beginn des Barock beschreiben, als »Seconda prattica«. Der Band legt daher einen besonderen Schwerpunkt auf das 17. Jahrhundert und erklärt, mit welchen Techniken und Denkweisen Komponisten wie Monteverdi, Purcell, Corelli, Couperin, Händel oder Bach komponiert haben. Dabei stützt sich das Lehrbuch konsequent auf die ganz pragmatische zeitgenössische Satzlehre der Barockzeit und macht in zahlreichen neu gesetzten Beispielen aus historischen Lehrbüchern vergessenes Wissen wieder neu zugänglich.
In diesem kompakten Band über die Kompositionstechnik des 15. und 16. Jahrhunderts – als »Prima p... more In diesem kompakten Band über die Kompositionstechnik des 15. und 16. Jahrhunderts – als »Prima prattica«, »Stile antico« oder »Stylus gravis« bezeichnet – wird erklärt, wie Josquin, di Lasso, Palestrina u.a. komponiert haben und was die zeitgenössischen Musiktheoretiker dazu zu sagen hatten. Dazu zeigt Kontrapunkt I satztechnische Phänomene auf und veranschaulicht sie nicht nur mit zahlreichen berühmten Beispielen aus der Musikgeschichte, sondern auch mit hier erstmals neu gesetzten Exempeln aus historischen Lehrbüchern.
Verschiedene Gründe sprechen trotz der bereits vorliegenden Editionen in Faksimile und Transkript... more Verschiedene Gründe sprechen trotz der bereits vorliegenden Editionen in Faksimile und Transkription für die hier vorgelegte Neuausgabe, die in erster Linie die Fruchtbarmachung der Händelschen »Aufzeichnungen « für den Theorie-, Satzlehre-, Analyse-, Improvisations- und Generalbassunterricht an Musikhochschulen zum Ziel hat. Mit der dieser Neuausgabe von Händels Aufzeichnungen zur Kompositionslehre soll dem Leser erstmals an Hand der Übungen Händels das ganze Panorama der Theorie- und Kompositionsgeschichte eröffnet werden, wie es sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts darstellt. Dessen Wurzeln reichen weit ins 17. Jahrhundert zurück und dessen Auswirkungen lassen sich bis ins 19. Jahrhundert und darüber hinaus verfolgen.
Händels Aufzeichnungen sind kleine Skizzen eines großen Komponisten, die große Themen und Fragen im Kleinen aufscheinen lassen: Dieses Ideal künstlerisch-wissenschaftlichen Arbeitens lässt sich mit ihnen beispielhaft verwirklichen.Das zentrale Anliegen dieser Ausgabe ist eine möglichst umfassende Ausschöpfung des konzentrierten, impliziten pädagogischen und theoretischen Potenzials der Händelschen Übungen. Am Anfang stehen die von Alfred Mann als »Anfangsstudien« bezeichneten zweistimmigen Stücke, die hier erstmals vor dem Hintergrund der Solfeggi-Tradition gelesen und aufbereitet werden, zweistimmige Stücke, mit denen die Prinzipien des Außenstimmensatzes und der Diminution eingeübt werden. Es folgen die »Aufgaben zur Generalbasslehre«, Händels Partimenti, die in dieser Ausgabe zum ersten Mal im Kontext des barocken Triosonatensatzes Corellischer Provenienz gesehen werden. Der Lehrgang kulminiert in den Aufgaben zur Partimento-Fuge. Auch hier wird versucht, durch verschiedene Lösungs- und Arbeitsansätze die Vielseitigkeit dieser Übungen auszuschöpfen. Wie in anderen Bänden dieser Reihe runden ein Glossar und ein Vademecum mit den wichtigsten hier verwendeten Termini und Satzmodellen den Band ab.
Mit dieser Edition werden Paisiellos Regole per bene accompagnare il partimento zum ersten Mal ei... more Mit dieser Edition werden Paisiellos Regole per bene accompagnare il partimento zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Umstände der Entstehung der Regole verdeutlichen auf eindrucksvolle Weise die Unterrichtspraxis und die Aufgaben eines namhaften Hofkomponisten am Ende des 18. Jahrhunderts. Nicht zuletzt sind Paisiellos Partimenti, aus denen sich die verschiedensten Stücke vom einfachen Klavierstück bis zur rauschenden Opernsinfonia gewinnen lassen, Kompositionsentwürfe eines bedeutenden Komponisten. Sie gehen an vielen Stellen über den von barocken Idiomen geprägten, didaktischen Partimento-Stil hinaus und zeigen Elemente des galant klassischen Stils, in denen man auch den Ausdruck eines Personalstils erkennen kann, wie etwa pointierte Rhythmen und abrupte Wechsel der rhythmischen Dichte. In der vorliegenden modernen Ausgabe werden die Partimenti durch Kommentare ergänzt, die Vorschläge zur Realisierung und Hinweise auf satztechnische Besonderheiten enthalten.
"Pax" ist ein zentraler Begriff bei Giacinto Scelsi. In den Tre canti sacri wird das Wort im Rahm... more "Pax" ist ein zentraler Begriff bei Giacinto Scelsi. In den Tre canti sacri wird das Wort im Rahmen des Gloria-Textes eindrücklich vertont, in Konx-Om-Pax kehrt es im Titel wieder. Darüber hinaus steht Pax für eine vermittelnde Haltung, wie sie für Scelsi charakteristisch ist: zwischen Ost und West, zwischen Improvisation und Notation, zwischen Klang und Konstruktion, zwischen Transzendenz und Immanenz.
Im vorliegenden Band wird der Versuch unternommen, die von Scelsi publizierten Partituren der beiden Werke Tre canti sacri und Konx-Om-Pax einer detaillierten Analyse zu unterziehen. Dabei steht im Vordergrund, daß sich Scelsis Beitrag zur Musikgeschichte ganz konkret in der Entwicklung einer eigenen Formkonzeption, Harmonik und Satztechnik manifestiert. Diese Musiksprache und ihre Semantik stehen trotz ihrer Individualität in einem spannungsvollen aber engen Verhältnis zu Geschichte und Gegenwart der abendländischen Kunstmusik.
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Klang und Bedeutung. Diskurse über Musik. Zur Emeritierung von Joseph Willimann, ISBN 978-3-487-15986-7, 2021
Stilmelange und Routine. Analytische Beobachtungen zu Antonio Caldaras Missa St. Francisci – Der ... more Stilmelange und Routine. Analytische Beobachtungen zu Antonio Caldaras Missa St. Francisci – Der Beitrag untersucht die Missa Sancti Francisci von Antonio Caldara unter den Leitbegriffen Routine und Melange. Anhand der Messkomposition, die im Bereich des stilus mediocris zu verorten ist, lässt sich studieren, wie im frühen 18. Jahrhundert alltägliches, routiniertes Komponieren auf einem hohen handwerklichen Niveau stattgefunden hat. Die Arbeit mit kontrapunktischen Kunstgriffen, Satzmodellen, harmonisch expressiven Wendungen und verschiedenen Stilelementen, die im Sinne des stilus mixtus verbunden werden, wird exemplarisch veranschaulicht. Die Missa Sancti Francisci erweist sich damit nicht nur als ein typisches Beispiel von Caldaras Komponieren, sondern auch als ein Werk, das seinem Widmungsträger gerecht wird.
Basler Beiträge zur Historischen Musikpraxis, 2021
To what extent was counterpoint a vocal concept in the golden age of vocal polyphony? The situati... more To what extent was counterpoint a vocal concept in the golden age of vocal polyphony? The situation appears ambivalent: On the one hand theorists assume general cantability; on the other, both theoretically and practically, counterpoint is about more than the human voice. Although singing involves the performance of a text, many theorists largely ignore this aspect. In the discourse on the seconda pratica that arose around 1600, criticism of the old counterpoint was finally voiced; the argument was that it could even hinder successful expression of the text. Nevertheless, the old style established itself as the ideal, without being limited to the human voice alone.
The article is based on an open understanding of Europe: Europe does not have a fixed identity bu... more The article is based on an open understanding of Europe: Europe does not have a fixed identity but is shaped by various influences and a variety of cultural networks. Nevertheless, constants can be identified across time, which are illustrated here with reference to ancient terms and related to music history: interest in the new („in nova fert“, Ovid), interest in non-identical harmony („discors concordia“, Ovid), the agonistic principle of a competition of ideas („Agon“ in the Greek polis) and an ethically based interest in knowledge („sapere aude“, Horace), which also includes its transfer over the centuries.
The young Wagner’s encounter with Italian opera, especially the works of Vincenzo Bellini, played... more The young Wagner’s encounter with Italian opera, especially the works of Vincenzo Bellini, played a decisive part in his compositional development. Starting from reflections on Wagner’s and Bellini’s musical training, the text discusses what influence Bellini’s Norma still may have had on Wagner’s mature works. Here the aria »Meco all’altar di Venere« proves to have been a model for numbers in Wagner’s operas that take a catastrophic turn. In Tannhäuser he deals with the bel canto aria, which in turn relates to the topic of the singing contest, as this would automatically have been associated with the bel canto tradition in the 1840s. Finally, the author compares the melodic shaping in the finales in Norma and Tristan and Isolde in order to discuss the question raised in secondary literature as to whether they are similar, and whether the Bellini may even have acted as a model.
This article examines two movements from François Couperin’s Apothéose de Lully (1725) from the point of view of compositional technique and semantics. In the Accüeil, Corelli, the master of the Italian style admired by Couperin, receives his French colleague Lully in Parnassus. Lully thanks the god Apollo with a Remerciment. In both movements, Couperin juxtaposes the Italian and French styles quite abruptly before attempting to achieve a synthesis in the following movements. In this article, the author analyzes some compositional aspects which Couperin uses as cyphers of the national styles.
In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, satztechnische Charakteristika des während der Regierungszeit von Louis XIV etablierten französischen Kompositionsstils als Satzmodelle zu benennen und dingfest zu machen. Dabei knüpfen die Überlegungen an Robert O. Gjerdingens Konzept von «schemata» an, die nicht nur allgemeine Satztechniken, sondern einen spezifischen Stil repräsentieren. Hierbei konzentriert sich die Darstellung auf Aspekte der Harmonik und des Kontrapunkts, mithin auf vertikale Einzelklänge (accompagnements extraordinaires) und Klangfortschreitungen (progressions). Einige Satzmodelle werden in theoretischen Schriften der Zeit behandelt, andere wurden aus der Musik abgeleitet. Mithilfe der Satzmodelle lassen sich französische Stilmerkmale der Harmonik und des Kontrapunkts analytisch benennen und auch heute improvisatorisch umsetzen.
It is known that George Frederic Handel often reworked own compositions or works of contemporary ... more It is known that George Frederic Handel often reworked own compositions or works of contemporary or earlier composers. In his oratorios, the oldest reworked composition seems to be the final chorus of Giacomo Carissimi’s Jephte from the middle of the 17th century. A well-known work, it was praised by Athanasius Kircher in his Musurgia universalis (1650) as an outstanding example for the „affectus doloris”. Handel reworked it in his Samson as „Hear Jacob’s God”. With his reworking, Handel took recourse to an early period of the genre; he went back to an older style in order to obtain archaic moments with which to characterize the Israelites. He transferred the music of the Roman and Catholic oratorio to the modern English oratorio which was established by him, and that was aimed at a nationally conscious Anglican audience. Handel did not just copy his model. Rather he rearranged Carissmi’s composition, orchestrated it and employed a different text, putting it into a completely different context. He thus transformed not only the musical but the rhetoric, semantic and expressive construction of the chorus.
Never before has so much been written about art as today, and yet never before has it been so unc... more Never before has so much been written about art as today, and yet never before has it been so unclear what a theory of art should achieve at all: Craftsmanship, criticism, Glasperlenspiel? A discussion about hidden theories, compositional mass production and the rule of breaking rules.
Noch nie wurde soviel über Kunst geschrieben wie heute, und doch war wohl noch nie so unklar, was eine Theorie der Kunst überhaupt leisten soll: Handwerkslehre, Kritik, Glasperlenspiel? Eine Diskussion über verborgene Theorien, kompositorische Massenfertigung und die Regel des Regelbrechens.
Music for the 'Iron Era': Rubens, Seneca and Monteverdi's Eighth Book of Madrigals - In the prefa... more Music for the 'Iron Era': Rubens, Seneca and Monteverdi's Eighth Book of Madrigals - In the preface to his Libro ottavo, Monteverdi presents an aesthetic and genre-theoretical concept that involves, on the hand, a new composing style - concitato genere - and, on the other hand, aims for a contrasting and symmetrically organised formal structure in which madrigali guerrieri and madrigali amorosi are placed in opposition. The essay attempts to relate this concept to the work of the contemporaneous painter Peter Paul Rubens and the reception of the Stoic philosopher Seneca. Whereas Rubens thematises war and love in his pictures and adopts a clear pacifist position, Seneca presents a theory of the war-triggering affect of anger, which Monteverdi's concitato genere attempts to portray.
Within the culturally heterogeneous German-speaking countries of the nineteenth century, music th... more Within the culturally heterogeneous German-speaking countries of the nineteenth century, music theory education was still influenced by the Italian tradition of partimento. The middle of this century saw the founding of numerous conservatories, while theorists discussed generally how music education and its relationship with society and art should be organized. The present article discusses two examples in which one may not suspect such an influence of partimento at first sight. Siegfried Dehn, who can be seen as a pioneer of historically informed theory, mentions the partimento tradition in his Theoretisch-praktische Harmonielehre, using Generalbass as "praktische Harmonielehre". He was subsequently criticised for this, however, by Adolph Bernhard Marx, who argued for a progressive theory in his writing Die alte Musiklehre im Streit mit unserer Zeit. On the other hand, the famously progressive composer Richard Wagner was instructed by Theodor Weinlig, who studied in Bologna with Stanislao Mattei and adopted a pedagogy which followed the principles of the old Italian school. CORRIGENDUM Abbildung 5.4: Franz Anton Morgenroth, Exercitia in der Composition während des gemachten Cursus beim Musickmeister Herrn Weinlig, Dresden 1810–1818, S. 10. http://digital.slub-dresden.de/id47953764X/12
Music Theory and Value Judgements: Observations on the History of a Systematic Field – A glance ... more Music Theory and Value Judgements: Observations on the History of a Systematic Field – A glance at music history shows that there have always been struggles to describe musical material and its treatment. Theories can be founded on value judgements, imply them or indeed lead to them. As an applied, practical system of musical texture, music theory virtually trains its purveyors to internalize value judgements in order to make aesthetic compositional decisions. Today, a misguided understanding of plurality that does not permit genuine contradiction can lead to music theory no longer daring to make value judgements. This article argues the case for acknowledging the competition between different theories and productively continuing it.
Vortrag auf dem II. Jahreskongress der Gesellschaft für Musiktheorie, 12. 10. 2002 in München. Jo... more Vortrag auf dem II. Jahreskongress der Gesellschaft für Musiktheorie, 12. 10. 2002 in München. Johannes Menke "Die Musik hat ihren Fluchtlinien schon immer freien Lauf gelassen" (Deleuze/Guattari, Rhizom).
Für Arnold Schönberg stand die Bedeutung des Handwerks außer Frage. Im Vorwort zu seiner Harmonie... more Für Arnold Schönberg stand die Bedeutung des Handwerks außer Frage. Im Vorwort zu seiner Harmonielehre hofft er, "den Kompositionsschülern eine schlechte Ästhetik genommen, ihnen dafür aber eine gute Handwerkslehre gegeben" zu haben. 1 Ob es ein Handwerk ohne eine darin enthaltene ästhetische Ausrichtung geben kann, ist indes zu bezweifeln, doch es geht Schönberg gar nicht in erster Linie um die begriffliche Opposition. Vielmehr möchte er die Aufmerksamkeit auf die Tätigkeit des Komponisten richten, die er sich nicht scheut, mit derjenigen eines Tischlers zu vergleichen. Die Haltung, die Schönberg damit einnimmt, ist eine ganz traditionelle, ja geradezu spätmittelalterliche: Komposition ist eine ars, also eine praktische Fähigkeit, etwas zu produzieren, genauso wie andere vorwiegend technisch ausgerichtete artes. Der Komponist ist nicht der Sphäre der musica theorica zugeordnet, sondern der musica practica, dem Bereich der praktischen Musikausübung. Solide Produktion will gelernt sein.
What did Corelli Find in the Ninth?
For Johann Mattheson, Corelli, whose works he „wants to have ... more What did Corelli Find in the Ninth? For Johann Mattheson, Corelli, whose works he „wants to have praised as a splendid model, irrespective of their age” (Vollkommener Capellmeister, Hamburg 1739, 91) was still a paragon in 1739. When Mattheson discussed the ninth in the chapter on dissonances, he again came to speak about Corelli, writing that Corelli had sought and found something in the ninth that neither before nor after him „anybody had done; whoever he might be“ (326). Unfortunately, Mattheson did not explain exactly what was so unique and at the same time exemplary in Corelli’s handling of the ninth. The present text attempts to explore this question both in view of Corelli’s works and in consideration of the contemporary practice and teaching of composition. Although it is focused only on a detail – the ninth – this perspective can nevertheless yield insights regarding Corelli’s personal style: it can show, on the one hand, in what way certain emphatic moments of his music are based on a specific use of the ninth and, on the other hand, how it serves as a characteristic component and syntactical element of his idiom.
The Oriental Traveller and the Tonal Adventurer. New Information About Scelsi and Tosatti –
Stud... more The Oriental Traveller and the Tonal Adventurer. New Information About Scelsi and Tosatti –
Studies and editions from the last ten years make it possible to see the genesis of Scelsi’s
works and his view of himself in a new light. As far as the writing of the music is concerned,
the central figure is Vieri Tosatti, who produced most of the scores. Once it became clear
that both the production of the tape recordings and that of the scores displayed a high degree
of sometimes autonomous constructivity, the question remains of how it was possible for
Tosatti, whose aesthetic views were very different from Scelsi’s, to produce such convincing
and innovative results. Scelsi’s autobiography, published in German in 2013, offers insight
not only into his life, but also his way of thinking. Of particular interest are his statements
about his musical training, his attitude to contemporary music, concern about his works, his
Christianity and the imaginary orient as a place of spiritual longing.
Betrachtet man Musiktheorie nicht als selbstreferentielles System, sondern als reflexive Betracht... more Betrachtet man Musiktheorie nicht als selbstreferentielles System, sondern als reflexive Betrachtung unterschiedlicher musikalischer Gegenstandsbereiche und Sinnfelder (Markus Gabriel), so erfordern unterschiedliche Repertoires ebenso unterschiedliche Herangehensweisen.
Seit je wird das nichtdeutsche Repertoire des mittleren 17. Jahrhunderts von der deutschsprachigen Musiktheorie nur am Rande behandelt. Begriffliche und methodische Instrumente zu dessen Beschreibung sind nur ansatzweise entwickelt. Die Herausforderung wird noch höher, wenn es neu entdecktes Repertoire zu erkunden gilt. Hier gilt es, das Unbekannte, das immer auch ein Anderes ist, wahrzunehmen.
Ich hatte Anfang 2014 die Gelegenheit, mich an einer Tagung zu beteiligen, in der sieben neu entdeckte Kantaten von Alessandro Stradella besprochen und mit René Jacobs einstudiert wurden. Obgleich mit dem Œuvre Stradellas durchaus vertraut, waren alle versammelten Forscher und Interpreten von dem Anderen, was ihnen in den Stücken entgegentrat, überaus fasziniert.
In meinem Vortrag möchte ich einige Einblicke in Stradellas „neue“ Kantaten geben. Die Werke bestechen durch ihre ausgeklügelte Formgebung, polyphone Durchgestaltung, harmonische Avanciertheit, melodische Kraft und vor allem durch ihre lebendige Expressivität. Fragen der Gattungstradition und Aufführungspraxis sind mit der Analyse eng verknüpft. Paradigmatisch vermag deutlich zu werden, worin in der Aufführungspraxis wie in der Analyse die Herausforderung besteht: Im Balanceakt, dem Anderen des Historischen zu begegnen, es verstehen zu wollen und zu eigen zu machen, ohne sein Anderssein zu vergessen.
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Books by Johannes Menke
Händels Aufzeichnungen sind kleine Skizzen eines großen Komponisten, die große Themen und Fragen im Kleinen aufscheinen lassen: Dieses Ideal künstlerisch-wissenschaftlichen Arbeitens lässt sich mit ihnen beispielhaft verwirklichen.Das zentrale Anliegen dieser Ausgabe ist eine möglichst umfassende Ausschöpfung des konzentrierten, impliziten pädagogischen und theoretischen Potenzials der Händelschen Übungen. Am Anfang stehen die von Alfred Mann als »Anfangsstudien« bezeichneten zweistimmigen Stücke, die hier erstmals vor dem Hintergrund der Solfeggi-Tradition gelesen und aufbereitet werden, zweistimmige Stücke, mit denen die Prinzipien des Außenstimmensatzes und der Diminution eingeübt werden. Es folgen die »Aufgaben zur Generalbasslehre«, Händels Partimenti, die in dieser Ausgabe zum ersten Mal im Kontext des barocken Triosonatensatzes Corellischer Provenienz gesehen werden. Der Lehrgang kulminiert in den Aufgaben zur Partimento-Fuge. Auch hier wird versucht, durch verschiedene Lösungs- und Arbeitsansätze die Vielseitigkeit dieser Übungen auszuschöpfen. Wie in anderen Bänden dieser Reihe runden ein Glossar und ein Vademecum mit den wichtigsten hier verwendeten Termini und Satzmodellen den Band ab.
Im vorliegenden Band wird der Versuch unternommen, die von Scelsi publizierten Partituren der beiden Werke Tre canti sacri und Konx-Om-Pax einer detaillierten Analyse zu unterziehen. Dabei steht im Vordergrund, daß sich Scelsis Beitrag zur Musikgeschichte ganz konkret in der Entwicklung einer eigenen Formkonzeption, Harmonik und Satztechnik manifestiert. Diese Musiksprache und ihre Semantik stehen trotz ihrer Individualität in einem spannungsvollen aber engen Verhältnis zu Geschichte und Gegenwart der abendländischen Kunstmusik.
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Papers by Johannes Menke
This article examines two movements from François Couperin’s Apothéose de Lully (1725) from the point of view of compositional technique and semantics. In the Accüeil, Corelli, the master of the Italian style admired by Couperin, receives his French colleague Lully in Parnassus. Lully thanks the god Apollo with a Remerciment. In both movements, Couperin juxtaposes the Italian and French styles quite abruptly before attempting to achieve a synthesis in the following movements. In this article, the author analyzes some compositional aspects which Couperin uses as cyphers of the national styles.
In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, satztechnische Charakteristika des während der Regierungszeit von Louis XIV etablierten französischen Kompositionsstils als Satzmodelle zu benennen und dingfest zu machen. Dabei knüpfen die Überlegungen an Robert O. Gjerdingens Konzept von «schemata» an, die nicht nur allgemeine Satztechniken, sondern einen spezifischen Stil repräsentieren. Hierbei konzentriert sich die Darstellung auf Aspekte der Harmonik und des Kontrapunkts, mithin auf vertikale Einzelklänge (accompagnements extraordinaires) und Klangfortschreitungen (progressions). Einige Satzmodelle werden in theoretischen Schriften der Zeit behandelt, andere wurden aus der Musik abgeleitet. Mithilfe der Satzmodelle lassen sich französische Stilmerkmale der Harmonik und des Kontrapunkts analytisch benennen und auch heute improvisatorisch umsetzen.
With his reworking, Handel took recourse to an early period of the genre; he went back to an older style in order to obtain archaic moments with which to characterize the Israelites. He transferred the music of the Roman and Catholic oratorio to the modern English oratorio which was established by him, and that was aimed at a nationally conscious Anglican audience. Handel did not just copy his model. Rather he rearranged Carissmi’s composition, orchestrated it and employed a different text, putting it into a completely different context. He thus transformed not only the musical but the rhetoric, semantic and expressive construction of the chorus.
Noch nie wurde soviel über Kunst geschrieben wie heute, und doch war wohl noch nie so unklar, was eine Theorie der Kunst überhaupt leisten soll: Handwerkslehre, Kritik, Glasperlenspiel? Eine Diskussion über verborgene Theorien, kompositorische Massenfertigung und die Regel des Regelbrechens.
Händels Aufzeichnungen sind kleine Skizzen eines großen Komponisten, die große Themen und Fragen im Kleinen aufscheinen lassen: Dieses Ideal künstlerisch-wissenschaftlichen Arbeitens lässt sich mit ihnen beispielhaft verwirklichen.Das zentrale Anliegen dieser Ausgabe ist eine möglichst umfassende Ausschöpfung des konzentrierten, impliziten pädagogischen und theoretischen Potenzials der Händelschen Übungen. Am Anfang stehen die von Alfred Mann als »Anfangsstudien« bezeichneten zweistimmigen Stücke, die hier erstmals vor dem Hintergrund der Solfeggi-Tradition gelesen und aufbereitet werden, zweistimmige Stücke, mit denen die Prinzipien des Außenstimmensatzes und der Diminution eingeübt werden. Es folgen die »Aufgaben zur Generalbasslehre«, Händels Partimenti, die in dieser Ausgabe zum ersten Mal im Kontext des barocken Triosonatensatzes Corellischer Provenienz gesehen werden. Der Lehrgang kulminiert in den Aufgaben zur Partimento-Fuge. Auch hier wird versucht, durch verschiedene Lösungs- und Arbeitsansätze die Vielseitigkeit dieser Übungen auszuschöpfen. Wie in anderen Bänden dieser Reihe runden ein Glossar und ein Vademecum mit den wichtigsten hier verwendeten Termini und Satzmodellen den Band ab.
Im vorliegenden Band wird der Versuch unternommen, die von Scelsi publizierten Partituren der beiden Werke Tre canti sacri und Konx-Om-Pax einer detaillierten Analyse zu unterziehen. Dabei steht im Vordergrund, daß sich Scelsis Beitrag zur Musikgeschichte ganz konkret in der Entwicklung einer eigenen Formkonzeption, Harmonik und Satztechnik manifestiert. Diese Musiksprache und ihre Semantik stehen trotz ihrer Individualität in einem spannungsvollen aber engen Verhältnis zu Geschichte und Gegenwart der abendländischen Kunstmusik.
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This article examines two movements from François Couperin’s Apothéose de Lully (1725) from the point of view of compositional technique and semantics. In the Accüeil, Corelli, the master of the Italian style admired by Couperin, receives his French colleague Lully in Parnassus. Lully thanks the god Apollo with a Remerciment. In both movements, Couperin juxtaposes the Italian and French styles quite abruptly before attempting to achieve a synthesis in the following movements. In this article, the author analyzes some compositional aspects which Couperin uses as cyphers of the national styles.
In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, satztechnische Charakteristika des während der Regierungszeit von Louis XIV etablierten französischen Kompositionsstils als Satzmodelle zu benennen und dingfest zu machen. Dabei knüpfen die Überlegungen an Robert O. Gjerdingens Konzept von «schemata» an, die nicht nur allgemeine Satztechniken, sondern einen spezifischen Stil repräsentieren. Hierbei konzentriert sich die Darstellung auf Aspekte der Harmonik und des Kontrapunkts, mithin auf vertikale Einzelklänge (accompagnements extraordinaires) und Klangfortschreitungen (progressions). Einige Satzmodelle werden in theoretischen Schriften der Zeit behandelt, andere wurden aus der Musik abgeleitet. Mithilfe der Satzmodelle lassen sich französische Stilmerkmale der Harmonik und des Kontrapunkts analytisch benennen und auch heute improvisatorisch umsetzen.
With his reworking, Handel took recourse to an early period of the genre; he went back to an older style in order to obtain archaic moments with which to characterize the Israelites. He transferred the music of the Roman and Catholic oratorio to the modern English oratorio which was established by him, and that was aimed at a nationally conscious Anglican audience. Handel did not just copy his model. Rather he rearranged Carissmi’s composition, orchestrated it and employed a different text, putting it into a completely different context. He thus transformed not only the musical but the rhetoric, semantic and expressive construction of the chorus.
Noch nie wurde soviel über Kunst geschrieben wie heute, und doch war wohl noch nie so unklar, was eine Theorie der Kunst überhaupt leisten soll: Handwerkslehre, Kritik, Glasperlenspiel? Eine Diskussion über verborgene Theorien, kompositorische Massenfertigung und die Regel des Regelbrechens.
For Johann Mattheson, Corelli, whose works he „wants to have praised as a splendid model, irrespective of their age” (Vollkommener Capellmeister, Hamburg 1739, 91) was still a paragon in 1739. When Mattheson discussed the ninth in the chapter on dissonances, he again came to speak about Corelli, writing that Corelli had sought and found something in the ninth that neither before nor after him „anybody had done; whoever he might be“ (326). Unfortunately, Mattheson did not explain exactly what was so unique and at the same time exemplary in Corelli’s handling of the ninth. The present text attempts to explore this question both in view of Corelli’s works and in consideration of the contemporary practice and teaching of composition. Although it is focused only on a detail – the ninth – this perspective can nevertheless yield insights regarding Corelli’s personal style: it can show, on the one hand, in what way certain emphatic moments of his music are based on a specific use of the ninth and, on the other hand, how it serves as a characteristic component and syntactical element of his idiom.
Studies and editions from the last ten years make it possible to see the genesis of Scelsi’s
works and his view of himself in a new light. As far as the writing of the music is concerned,
the central figure is Vieri Tosatti, who produced most of the scores. Once it became clear
that both the production of the tape recordings and that of the scores displayed a high degree
of sometimes autonomous constructivity, the question remains of how it was possible for
Tosatti, whose aesthetic views were very different from Scelsi’s, to produce such convincing
and innovative results. Scelsi’s autobiography, published in German in 2013, offers insight
not only into his life, but also his way of thinking. Of particular interest are his statements
about his musical training, his attitude to contemporary music, concern about his works, his
Christianity and the imaginary orient as a place of spiritual longing.
Seit je wird das nichtdeutsche Repertoire des mittleren 17. Jahrhunderts von der deutschsprachigen Musiktheorie nur am Rande behandelt. Begriffliche und methodische Instrumente zu dessen Beschreibung sind nur ansatzweise entwickelt. Die Herausforderung wird noch höher, wenn es neu entdecktes Repertoire zu erkunden gilt. Hier gilt es, das Unbekannte, das immer auch ein Anderes ist, wahrzunehmen.
Ich hatte Anfang 2014 die Gelegenheit, mich an einer Tagung zu beteiligen, in der sieben neu entdeckte Kantaten von Alessandro Stradella besprochen und mit René Jacobs einstudiert wurden. Obgleich mit dem Œuvre Stradellas durchaus vertraut, waren alle versammelten Forscher und Interpreten von dem Anderen, was ihnen in den Stücken entgegentrat, überaus fasziniert.
In meinem Vortrag möchte ich einige Einblicke in Stradellas „neue“ Kantaten geben. Die Werke bestechen durch ihre ausgeklügelte Formgebung, polyphone Durchgestaltung, harmonische Avanciertheit, melodische Kraft und vor allem durch ihre lebendige Expressivität. Fragen der Gattungstradition und Aufführungspraxis sind mit der Analyse eng verknüpft. Paradigmatisch vermag deutlich zu werden, worin in der Aufführungspraxis wie in der Analyse die Herausforderung besteht: Im Balanceakt, dem Anderen des Historischen zu begegnen, es verstehen zu wollen und zu eigen zu machen, ohne sein Anderssein zu vergessen.