Die zuständigen Behörden hätten vor Weihnachten 420 Gäste aus Großbritannien identifiziert, die in Quarantäne mussten. Etwa 50 seien umgehend abgereist, und von den 370 anderen sei heute weniger als ein Dutzend noch da gewesen. Hoteliers hätten das gemerkt, weil vor den Zimmertüren abgestellte Frühstückstabletts nicht angerührt worden seien, sagte Jean-Marc Sandoz, Sprecher der Gemeinde Bagnes, zu der Verbier im Kanton Wallis gehört.
„Wir verstehen ihre Wut“, so Sandoz weiter. Er kritisierte die überstürzt und rückwirkend eingeführten Quarantänepflichten für Anreisende aus Großbritannien scharf. Die Gemeinden hätten keine Hilfe bekommen, um die Bestimmungen umzusetzen. Plötzlich seien Familien mit kleinen Kindern auf 20 Quadratmetern festgesessen, das sei nicht auszuhalten.
Rund ein Fünftel der um diese Zeit rund 50.000 Gäste pro Woche in Verbier kommt traditionell aus Großbritannien, viele Schweizer hätten ihren Urlaub abgesagt, so Sandoz weiter, der nun nicht nur um den Ruf des Orts bangt, sondern auch um die verärgerten Gäste aus Großbritannien. Diese hätten Hoteliers angepöbelt und sich beim Tourismusbüro beschwert. „Wir wissen nicht, ob sie in den kommenden Jahren zurückkehren.“
Flüge aus Großbritannien gestoppt
Die Schweiz hatte am 20. Dezember alle Flüge aus Großbritannien – wie zahlreiche andere Länder, darunter auch Österreich – sowie Südafrika gestoppt, weil in den Ländern neue und mutmaßlich hoch ansteckende Varianten des Coronavirus nachgewiesen worden waren. Sie ordneten am 21. Dezember an, dass alle seit dem 14. Dezember Eingereisten rückwirkend für zehn Tage ab Ankunftsdatum in Quarantäne mussten.
Daraufhin begann Anfang der Woche die fieberhafte Suche nach einigen tausend jüngst angereisten Briten. Nach Angaben der Behörden kamen vom 14. Dezember bis zur Einstellung der Flüge am Sonntagabend 92 Flugzeuge aus Großbritannien an. Allein auf dem Genfer Flughafen waren es am Wochenende etwa 3.500 Passagiere. Die Behörden gingen Anfang der Woche von insgesamt etwa 10.000 Fluggästen aus. Laut Sandoz sollen darunter auch viele heimkehrende Schweizer sein.
Bis zu 10.000 Franken Strafe
Die Gäste aus Großbritannien und Südafrika wurden laut Angaben der Schweizer Behörden per SMS über ihre Quarantänepflicht informiert. Wer sich nicht daran hält, muss mit einer Strafe von bis zu 10.000 Franken (rund 9.250 Euro) rechnen, teilte das Innenministeriun in Bern mit. Die Angeschriebenen seien aufgefordert worden, ihre Hotelzimmer oder Ferienwohnungen nicht zu verlassen und alle Kontakte zu vermeiden.
Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit forderte von den Fluggesellschaften sämtliche Passagierlisten an. Ankommende müssen wegen der Coronavirus-Pandemie seit Langem jeweils ein Formular ausfüllen und ihre Adresse in der Schweiz angeben. Für die Suche nach den Gästen sind die Gesundheitsbehörden der Kantone zuständig, die auch sonst die Kontaktverfolgung bei Infizierten übernehmen.
Verbier geriet Anfang Dezember in die Schlagzeilen, weil Besucher Videos von dichtem Gedränge vor den Skiliften in Sozialen Netzwerken veröffentlicht hatten. Der Direktor des Tourismusbüros, Simon Wiget, versicherte anschließend, dass inzwischen strikte Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt worden seien. Nur wenige Schweizer Kantone haben ihre Skigebiete über die Feiertage geschlossen, trotz verhältnismäßig hoher Infektionszahlen in der Schweiz.
Mutation in vielen Ländern bereits aufgetaucht
Die zuerst in Großbritannien entdeckte Mutation des Coronavirus ist mittlerweile in einigen Ländern weltweit entdeckt worden. Diese ist laut ersten Untersuchungen deutlich ansteckender. Unter anderem in Japan, Kanada, aber auch Deutschland, Italien, Spanien, Schweden und Frankreich sind damit mehrere infizierte Personen registriert worden. Die Fälle stehen laut Angaben jeweils im Zusammenhang mit vorherigen Aufenthalten in Großbritannien. Japan untersagte daraufhin die Einreise von Ausländern bis Ende Jänner komplett.
Die Genfer Virologin Isabella Eckerle zeigte sich über die Entwicklung der Mutation besorgt. Die neue Variante des Virus sei nicht nur laut ersten Untersuchungen viel ansteckender. Sie habe in England auch alle anderen Varianten zurückgedrängt. „Wir wissen allerdings noch nicht, inwiefern diese Entwicklung an der Eigenschaft des Virus liegt oder noch durch andere Faktoren, wie zum Beispiel geringe Maßnahmen in der Region, verstärkt worden ist“, sagte Eckerle in einem Interview mit der Schweizer Zeitung „SonntagsBlick“.
Experten gehen davon aus, dass der inzwischen EU-weit zugelassene Coronavirus-Impfstoff von Biontech und Pfizer auch gegen die neue Virusvariante wirksam ist. Die Medizinerin Ursula Wiedermann-Schmidt zeigte sich am Sonntag überzeugt, dass sowohl der aktuelle als auch die kommenden Impfstoffe gegen die CoV-Mutation wirksam sein werden: „Wir wissen, dass es immer wieder Mutationen gibt. So wie es aussieht, sind die aber nicht von einer so großen Veränderung, dass der Impfstoff nicht wirken sollte.“