Ausgehend von der mittelalterlichen Erzahlung Der Rosendorn wird das Verhaltnis von Sexualitat un... more Ausgehend von der mittelalterlichen Erzahlung Der Rosendorn wird das Verhaltnis von Sexualitat und Asthetik psychoanalytisch betrachtet. Dabei wird aufgezeigt, wie wir Prozesse der Aneignung und Integration von Geschlecht zur Bildung der eigenen Geschlechtsidentitat alternativ zu popularen Gendertheorien begreifen konnen.
Auf ihrer Suche nach dem Grund zur Homosexualitat formulierte die Zurcher Psychoanalytikerin Judi... more Auf ihrer Suche nach dem Grund zur Homosexualitat formulierte die Zurcher Psychoanalytikerin Judith Le Soldat (1947-2008) Grundlagen zum Verstandnis spezifischer Konflikte im Bereich der Homo- und Heterosexualitat. Eine Essenz ihrer Analyse lautet, dass die Homosexualitat im Sinne einer sexuellen Orientierung eine »normale, eigengesetzliche und konsequente Entwicklung«1 darstellt. Le Soldat knupft an Sigmund Freuds Triebtheorie an und eroffnet damit ein radikal neues Verstandnis von Sexualitat und sexuellen Phantasien. Die Psychoanalytikerin Monika Gsell ist mit dem Nachlass der 2008 verstorbenen Le Soldat betraut und gibt aktuell die Werkausgabe in funf Banden im frommann-holzboog Verlag heraus.2 Gsell war an der Einrichtung des Lehrstuhls fur Gender Studies an der Universitat Zurich beteiligt und ist dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschaftigt. Als praktizierende Psychoanalytikerin arbeitet sie klinisch u. a. mit den Ansatzen Le Soldats. In ihrer Wohnung mit einem wunderschonen Blick uber Zurich berichtete sie von ihrer Zusammenarbeit mit Le Soldat und gab einen Einblick in das umfangreiche theoretische Werk. Patrick Henze und Monika Gsell kennen sich aus gemeinsamer Arbeit; fur die Dokumentation dieses Gesprachs, das am 9. Juni 2018 stattfand, ist die Du-Form beibehalten worden.
Aggression wurde in der Geschlechterforschung bisher meist nicht nur unter negativen Vorzeichen –... more Aggression wurde in der Geschlechterforschung bisher meist nicht nur unter negativen Vorzeichen – namlich als zerstorerische und fehlgeleitete Kraft – thematisiert und mit Gewalt in eins gesetzt, sondern daruberhinaus fast ausschlieslich mit Mannlichkeit konnotiert. Nur langsam setzt sich demgegenuber die Einsicht durch, dass Aggression zunachst einmal eine grundsatzlich positive Kraft ist, derer es zur Subjektivierung und Erlangung von Selbstbestimmung bedarf. Damit scheint nun auch eine fruchtbare Auseinandersetzung mit Weiblichkeit und Aggression moglich geworden zu sein. Ein lehrreicher Beitrag dazu ist Roxana Hidalgos Medea-Studie, gerade weil sie die eigentlich heiklen Fragen weder stellt noch beantwortet.
Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, physische Gewalttatigkeit bei adoleszenten Madchen als... more Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, physische Gewalttatigkeit bei adoleszenten Madchen als Ausdruck von inneren Konflikten zu verstehen. Die Arbeit scheitert an fehlenden theoretischen und methodischen Voraussetzungen.
Die Psychoanalytikerin Ilka Quindeau prasentiert in ihrer Monographie das Modell einer „geschlech... more Die Psychoanalytikerin Ilka Quindeau prasentiert in ihrer Monographie das Modell einer „geschlechtsubergreifenden menschlichen Sexualitat“ (S. 299). Dieses Modell versteht sie als Gegenentwurf zu bisherigen Theorien, denen zufolge die Entwicklung von Geschlechtsidentitat durch Abgrenzung von andersgeschlechtlichen Aspekten und durch deren Abwertung entsteht. Sie beansprucht mit ihrem Modell, Geschlecht als gesellschaftliche Ordnungsstruktur in Frage zu stellen und damit zu einem entspannteren Geschlechterverhaltnis beizutragen.
Judith Le Soldat leistet mit ihrem posthum erschienenen Werk Grund zur Homosexualität einen Beitr... more Judith Le Soldat leistet mit ihrem posthum erschienenen Werk Grund zur Homosexualität einen Beitrag zum Verständnis einer Variante der psychosexuellen Entwicklung. Diese Entwicklungsvariante findet kurz nach Abschluss der ödipalen Phase, im Alter von ungefähr sieben Jahren statt und ist ausschliesslich bei einem Teil von später manifest homosexuellen Männern und Frauen zu beobachten. Der folgende Beitrag versucht, einige theoretische Voraussetzungen zum Verständnis dieses komplexen Werkes zu klären und damit den Einstieg in dessen Lektüre zu erleichtern.
Genauso wie Aggression und Gewalt bis heute fast ausschlieslich als spezifisch mannliches Phanome... more Genauso wie Aggression und Gewalt bis heute fast ausschlieslich als spezifisch mannliches Phanomen behandelt werden, wurde im klinischen Kontext auch die sexuelle Perversion lange Zeit als Pathologie verstanden, von der ausschlieslich Manner betroffen sind. Welldons Studie offnet uns den Blick fur die spezifisch weiblichen Formen von Perversion. Der augenfalligste Unterschied zwischen der weiblichen und der mannlichen Perversion liegt in der Richtung des aggressiven Impulses: Wahrend der Mann die Aggression nach ausen wendet, wendet die Frau sie gegen den eigenen Korper – und dessen Produkte, die Kinder. Konkret: Frauen hungern sich zu Tode, fugen sich selbst Verletzungen zu oder suchen sich dazu gewalttatige Partner, lassen sich schwangern, um den Fotus (als Teil ihrer selbst) abzutreiben, oder behandeln ihre geborenen Kinder genau so wie ihren Korper: als leblosen, entmenschlichten Gegenstand. Weshalb das so ist, vermag uns Welldon leider nicht uberzeugend zu erklaren.
Welch ein lebendiger, vielfältiger, reichhaltiger Sammelband! Ausgangspunkt der hier publizierten... more Welch ein lebendiger, vielfältiger, reichhaltiger Sammelband! Ausgangspunkt der hier publizierten Beiträge ist das Symposium «Psychoanalyse und lesbische Sexualität», das im Januar 2020 an der Internationalen Psychoanalytischen Uni versität Berlin (IPU), stattfand. 1 Das Buch versammelt aber nicht nur die (meisten) der an der Tagung präsentierten Beiträge, sondern geht weit darüber hinaus und leistet damit etwas, was man sonst bei vergleichbaren Sammelbänden vermisst. Das ist zum einen die Beschreibung und Reflexion der eigenartigen Dynamik, die die Tagung prägte: Ein Eröffnungsvortrag, der einen Sturm der Entrüstung auslöste, der für den Rest der Tagung anhalten und dafür sorgen sollte, dass kein einziges Referat auch nur an satzweise sachlich-inhaltlich angemessen diskutiert werden konnte. Diese Dyna mik wird in einer ganzen Reihe von Beiträgen und Kommentaren aufgegriffen. So etwa spricht Caroline Sosat in ihrem Kommentar von einem «tiefe(n) Graben zwischen feministischen und homosexuellen PsychoanalytikerInnen einerseits und politisch-aktivistischen Lesben» andererseits (S. 223), von einem nahezu un überbrückbaren «Konflikt zwischen der psychoanalytisch-wissenschaftlichen und der politisch-aktivistischen Perspektive» (S. 226). Ihre Rekapitulation der Vorwürfe, die einige Stimmen aus dem Publikum an die ReferentInnen adressierten, erinnerten mich an meinen eigenen Eindruck als Teilnehmerin und Referentin, dass man es niemandem recht machen konnte: Entweder man betonte und zeigte auf, dass Lesbisch-Sein per se keine Pathologie ist, dass aber lesbische Frauen selbstverständlich auch unter inneren Konflikten und äusseren Belastungen leiden können wie alle anderen Menschen-dann beklagten sich Stimmen aus dem Publikum darüber, dass man sich als Lesbe wieder einmal nicht gesehen fühlte. Lag der Fokus im Gegenteil darauf, spezifisch lesbische Konfliktlagen und Belastungen herauszuarbeiten, beklagten sich dieselben Stimmen aus dem Publikum über Pathologisierung.
Berichtet wird über einen psychoanalytischen Workshop, in dessen Zentrum fünf Fallvorstellungen z... more Berichtet wird über einen psychoanalytischen Workshop, in dessen Zentrum fünf Fallvorstellungen zu Patientinnen standen, bei denen der Wunsch nach kosmetischer Genitalchirurgie ein Thema war oder die sich einem entsprechenden Eingriff bereits unterzogen hatten. Der Workshop-Bericht fasst die fünf Fallvorstellungen zusammen und formuliert erste Hypothesen zu der für die Praxis wichtigen Frage, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen entsprechende Eingriffe das Potenzial haben, das psychische Wohlbefinden der Patientinnen nachhaltig zu verbessern und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen dies eher nicht zu erwarten ist.
Ausgehend von der mittelalterlichen Erzahlung Der Rosendorn wird das Verhaltnis von Sexualitat un... more Ausgehend von der mittelalterlichen Erzahlung Der Rosendorn wird das Verhaltnis von Sexualitat und Asthetik psychoanalytisch betrachtet. Dabei wird aufgezeigt, wie wir Prozesse der Aneignung und Integration von Geschlecht zur Bildung der eigenen Geschlechtsidentitat alternativ zu popularen Gendertheorien begreifen konnen.
Auf ihrer Suche nach dem Grund zur Homosexualitat formulierte die Zurcher Psychoanalytikerin Judi... more Auf ihrer Suche nach dem Grund zur Homosexualitat formulierte die Zurcher Psychoanalytikerin Judith Le Soldat (1947-2008) Grundlagen zum Verstandnis spezifischer Konflikte im Bereich der Homo- und Heterosexualitat. Eine Essenz ihrer Analyse lautet, dass die Homosexualitat im Sinne einer sexuellen Orientierung eine »normale, eigengesetzliche und konsequente Entwicklung«1 darstellt. Le Soldat knupft an Sigmund Freuds Triebtheorie an und eroffnet damit ein radikal neues Verstandnis von Sexualitat und sexuellen Phantasien. Die Psychoanalytikerin Monika Gsell ist mit dem Nachlass der 2008 verstorbenen Le Soldat betraut und gibt aktuell die Werkausgabe in funf Banden im frommann-holzboog Verlag heraus.2 Gsell war an der Einrichtung des Lehrstuhls fur Gender Studies an der Universitat Zurich beteiligt und ist dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschaftigt. Als praktizierende Psychoanalytikerin arbeitet sie klinisch u. a. mit den Ansatzen Le Soldats. In ihrer Wohnung mit einem wunderschonen Blick uber Zurich berichtete sie von ihrer Zusammenarbeit mit Le Soldat und gab einen Einblick in das umfangreiche theoretische Werk. Patrick Henze und Monika Gsell kennen sich aus gemeinsamer Arbeit; fur die Dokumentation dieses Gesprachs, das am 9. Juni 2018 stattfand, ist die Du-Form beibehalten worden.
Aggression wurde in der Geschlechterforschung bisher meist nicht nur unter negativen Vorzeichen –... more Aggression wurde in der Geschlechterforschung bisher meist nicht nur unter negativen Vorzeichen – namlich als zerstorerische und fehlgeleitete Kraft – thematisiert und mit Gewalt in eins gesetzt, sondern daruberhinaus fast ausschlieslich mit Mannlichkeit konnotiert. Nur langsam setzt sich demgegenuber die Einsicht durch, dass Aggression zunachst einmal eine grundsatzlich positive Kraft ist, derer es zur Subjektivierung und Erlangung von Selbstbestimmung bedarf. Damit scheint nun auch eine fruchtbare Auseinandersetzung mit Weiblichkeit und Aggression moglich geworden zu sein. Ein lehrreicher Beitrag dazu ist Roxana Hidalgos Medea-Studie, gerade weil sie die eigentlich heiklen Fragen weder stellt noch beantwortet.
Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, physische Gewalttatigkeit bei adoleszenten Madchen als... more Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, physische Gewalttatigkeit bei adoleszenten Madchen als Ausdruck von inneren Konflikten zu verstehen. Die Arbeit scheitert an fehlenden theoretischen und methodischen Voraussetzungen.
Die Psychoanalytikerin Ilka Quindeau prasentiert in ihrer Monographie das Modell einer „geschlech... more Die Psychoanalytikerin Ilka Quindeau prasentiert in ihrer Monographie das Modell einer „geschlechtsubergreifenden menschlichen Sexualitat“ (S. 299). Dieses Modell versteht sie als Gegenentwurf zu bisherigen Theorien, denen zufolge die Entwicklung von Geschlechtsidentitat durch Abgrenzung von andersgeschlechtlichen Aspekten und durch deren Abwertung entsteht. Sie beansprucht mit ihrem Modell, Geschlecht als gesellschaftliche Ordnungsstruktur in Frage zu stellen und damit zu einem entspannteren Geschlechterverhaltnis beizutragen.
Judith Le Soldat leistet mit ihrem posthum erschienenen Werk Grund zur Homosexualität einen Beitr... more Judith Le Soldat leistet mit ihrem posthum erschienenen Werk Grund zur Homosexualität einen Beitrag zum Verständnis einer Variante der psychosexuellen Entwicklung. Diese Entwicklungsvariante findet kurz nach Abschluss der ödipalen Phase, im Alter von ungefähr sieben Jahren statt und ist ausschliesslich bei einem Teil von später manifest homosexuellen Männern und Frauen zu beobachten. Der folgende Beitrag versucht, einige theoretische Voraussetzungen zum Verständnis dieses komplexen Werkes zu klären und damit den Einstieg in dessen Lektüre zu erleichtern.
Genauso wie Aggression und Gewalt bis heute fast ausschlieslich als spezifisch mannliches Phanome... more Genauso wie Aggression und Gewalt bis heute fast ausschlieslich als spezifisch mannliches Phanomen behandelt werden, wurde im klinischen Kontext auch die sexuelle Perversion lange Zeit als Pathologie verstanden, von der ausschlieslich Manner betroffen sind. Welldons Studie offnet uns den Blick fur die spezifisch weiblichen Formen von Perversion. Der augenfalligste Unterschied zwischen der weiblichen und der mannlichen Perversion liegt in der Richtung des aggressiven Impulses: Wahrend der Mann die Aggression nach ausen wendet, wendet die Frau sie gegen den eigenen Korper – und dessen Produkte, die Kinder. Konkret: Frauen hungern sich zu Tode, fugen sich selbst Verletzungen zu oder suchen sich dazu gewalttatige Partner, lassen sich schwangern, um den Fotus (als Teil ihrer selbst) abzutreiben, oder behandeln ihre geborenen Kinder genau so wie ihren Korper: als leblosen, entmenschlichten Gegenstand. Weshalb das so ist, vermag uns Welldon leider nicht uberzeugend zu erklaren.
Welch ein lebendiger, vielfältiger, reichhaltiger Sammelband! Ausgangspunkt der hier publizierten... more Welch ein lebendiger, vielfältiger, reichhaltiger Sammelband! Ausgangspunkt der hier publizierten Beiträge ist das Symposium «Psychoanalyse und lesbische Sexualität», das im Januar 2020 an der Internationalen Psychoanalytischen Uni versität Berlin (IPU), stattfand. 1 Das Buch versammelt aber nicht nur die (meisten) der an der Tagung präsentierten Beiträge, sondern geht weit darüber hinaus und leistet damit etwas, was man sonst bei vergleichbaren Sammelbänden vermisst. Das ist zum einen die Beschreibung und Reflexion der eigenartigen Dynamik, die die Tagung prägte: Ein Eröffnungsvortrag, der einen Sturm der Entrüstung auslöste, der für den Rest der Tagung anhalten und dafür sorgen sollte, dass kein einziges Referat auch nur an satzweise sachlich-inhaltlich angemessen diskutiert werden konnte. Diese Dyna mik wird in einer ganzen Reihe von Beiträgen und Kommentaren aufgegriffen. So etwa spricht Caroline Sosat in ihrem Kommentar von einem «tiefe(n) Graben zwischen feministischen und homosexuellen PsychoanalytikerInnen einerseits und politisch-aktivistischen Lesben» andererseits (S. 223), von einem nahezu un überbrückbaren «Konflikt zwischen der psychoanalytisch-wissenschaftlichen und der politisch-aktivistischen Perspektive» (S. 226). Ihre Rekapitulation der Vorwürfe, die einige Stimmen aus dem Publikum an die ReferentInnen adressierten, erinnerten mich an meinen eigenen Eindruck als Teilnehmerin und Referentin, dass man es niemandem recht machen konnte: Entweder man betonte und zeigte auf, dass Lesbisch-Sein per se keine Pathologie ist, dass aber lesbische Frauen selbstverständlich auch unter inneren Konflikten und äusseren Belastungen leiden können wie alle anderen Menschen-dann beklagten sich Stimmen aus dem Publikum darüber, dass man sich als Lesbe wieder einmal nicht gesehen fühlte. Lag der Fokus im Gegenteil darauf, spezifisch lesbische Konfliktlagen und Belastungen herauszuarbeiten, beklagten sich dieselben Stimmen aus dem Publikum über Pathologisierung.
Berichtet wird über einen psychoanalytischen Workshop, in dessen Zentrum fünf Fallvorstellungen z... more Berichtet wird über einen psychoanalytischen Workshop, in dessen Zentrum fünf Fallvorstellungen zu Patientinnen standen, bei denen der Wunsch nach kosmetischer Genitalchirurgie ein Thema war oder die sich einem entsprechenden Eingriff bereits unterzogen hatten. Der Workshop-Bericht fasst die fünf Fallvorstellungen zusammen und formuliert erste Hypothesen zu der für die Praxis wichtigen Frage, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen entsprechende Eingriffe das Potenzial haben, das psychische Wohlbefinden der Patientinnen nachhaltig zu verbessern und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen dies eher nicht zu erwarten ist.
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