Valentin Radecke
Valentin Radecke (auch: Bálint Radecke, Walenty Radecke, latinisiert: Valentinus Radecius; * um 1550 in Danzig; † 18. August 1632 in Klausenburg, Fürstentum Siebenbürgen) war ein deutsch-polnischer Theologe, der im 17. Jahrhundert in der Nachfolge von Máté Toroczkai die Leitung der Unitarischen Kirche Siebenbürgens übernommen hatte.
Leben und Wirken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Radecke wurde um 1550 in Danzig geboren. Sein Vater Matthäus Radecke war Schreiber des Danziger Stadtrates. Unter ihm konvertierte die Familie Ende des 16. Jahrhunderts von den Danziger Mennoniten zu den unitarischen Polnischen Brüdern[1]. Valentins Bruder Matthäus wand sich später wieder der lutherischen Kirche zu[2]. Die Studienzeiten Radeckes sind nicht überliefert. Während seines Wirkens als Schulleiter in der bei Krakau gelegenen Ortschaft Luklavic, kam er Anfang des 17. Jahrhunderts mit Pál Göcs in Kontakt, der zuvor vor den bis 1605 andauernden politischen Unruhen in Siebenbürgen nach Polen geflohen war. Auf seine Initiative übernahm Radecke im Oktober 1605 eine Dozentenstelle am Unitarischen Kolleg in Klausenburg sowie die Pfarrstelle der deutschsprachigen unitarischen Gemeinde der Stadt. Erst im gleichen Jahr hatten die Unitarier die in den Jahren zuvor unter Giorgio Basta konfiszierten Kirchen- und Schulgebäude vom neuen reformierten Fürsten Stephan Bocskai zurückerhalten. Das Land war noch stark von den politisch-konfessionellen Unruhen der Vorjahre geprägt. Die Jahre nach 1605 waren für Radecke somit vor allem vom Wiederaufbau der unitarischen Institutionen geprägt. Nach dem Tod von Máté Toroczkai übernahm Radecke 1616 schließlich die Leitung der siebenbürgischen Unitarischen Kirche, die Amtseinführung wurde zweisprachig (ungarisch und deutsch) durchgeführt. Bei seiner Wahl spielten vermutlich seine in Danzig und Polen gesammelten Erfahrungen, divergierende Ansichten auszugleichen, eine Rolle. Ebenfalls eine Rolle gespielt haben könnten Überlegungen, die ungarisch-siebenbürgischen Unitarier stärker an die Schwesterkirche in Polen-Litauen zu führen und dass bereits sein Vater in Polen nonadorantistische Schriften publiziert hatte. Damals war die siebenbürgische Kirche noch stark von den Gegensätzen zwischen dem Sozinianismus (vor allem in Klausenburg verbreitet), Nonadorantismus und Sabbatarismus (letzteres vor allem im Szeklerland verbreitet) geprägt. Radecke selbst verstand sich als Sozinianer und stand dem Nonadorantismus ablehnend gegenüber. Zudem stand die Kirche unter starkem politischem Druck durch den 1613 mit türkischer Unterstützung an die Macht gekommenen calvinistisch geprägten Fürsten Gabriel Bethlen. Radecke war also bemüht die Kirche institutionell zu festigen und ihr Fortbestehen in einer kirchenpolitisch heiklen Zeit zu sichern. Er glaubte mit der Übernahme der Theologie Fausto Sozzinis das Überleben und die Verbreitung des Unitarismus in Siebenbürgen sichern zu können. Dies lässt sich u. a. an seiner 1626 erstmals publizierten Schrift Disciplina ecclesiastica ablesen. Auch war er einer der Autoren, die den unitarischen Standpunkt unter den von Bethlen einberufenen Glaubensdisputationen zwischen Calvinisten und Unitariern in der Schrift Apologia formulierten. 1620 publizierte Radecke einen unitarischen Kinderkatechismus in deutscher Sprache, der vermutlich auf einem zuvor von Hieronymus Moskorzowski und Johann Völkel verfassten deutsch-polnischen Kinderkatechismus aufbaute. Auch ein deutschsprachiges Gesangbuch geht auf Radecke zurück (Geistliche Gesänge). Interessant ist, dass zwei der in das Gesangbuch aufgenommenen Gebete sich an Jesus Christus wenden[3], was seinen adorantistischen Standpunkt erkennen lässt. Nachdem 1622 der erste Klausenburger Pfarrer Pál Göcs (wie viele andere im gleichen Jahr) an den Folgen der Pest gestorben war, trat Radecke seine Nachfolge an, so dass er nun sowohl die Leitung als auch die erste (und bedeutendste) Pfarrstelle der Unitarischen Kirche in sich vereinigte. Ambitionen zum ersten unitarischen Stadtpfarrer hatte auch sein Schwiegersohn, Matthias Rhaw (Szörös), der zuvor in Altdorf und Rakau studiert hatte[4]. 1629 verfassten die inzwischen weitgehend sozinianisch geprägten polnischen Unitarier einen Brief an die ungarisch-siebenbürgischen Unitarier mit dem Vorschlag einer Kirchenunion auf sozinianischer Grundlage. Zudem wurde Siebenbürgern angeboten, in Rakau statt im italienischen Padua zu studieren[5]. Im gleichen Jahr wurde die Disciplina Ecclesiastica (evtl. als Reaktion auf den Brief der Polnischen Brüder) noch um 15 weitere Kapitel ergänzt, die deutlich den sozinianischen Standpunkt zum Beispiel hinsichtlich der Anrufung Christi oder der Taufe erkennen lassen. Radecke starb schließlich 1632 in Klausenburg. Seine Hoffnung, die Kirche stärker am (polnischen) Sozinianismus auszurichten zu können, erfüllte sich nicht. Sein Nachfolger in der Kirchenleitung wurde Pál Csanádi.
Werke (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Apologia edversus criminationem eorum, qui Religionem Ecclesiarum in Transsylvania de uno Deo Patre, et Filio ejus unigenito Jesu Christo, consententium, Turciuam esse affirmant
- Der kleine Katechismus
- Geistliche Gesänge, 1620
- Disciplina Ecclesiastica. In usum Ecclesiarum Unitariarum in Transylvania dispersarum conscripta, 1626
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Dávid Molnár: Valentin Radecke, In: Keresztény Magvető 2015, S. 155–191
- Dávid Molnár.: Three letters from the early period of Walenty. Radecke's activity in Transylvania, In: Odrodzenie i. Reformacja w Polsce, 2015, S. 189–202
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Der Danziger Stadtschreiber Matthäus Radecke (auch: Matthias oder polonisiert Mateusz) stand von August 1584 in brieflichem Austausch mit Fausto Sozzini betreffend einer möglichen Kirchengemeinschaft zwischen den Mennoniten und den unitarischen Polnischen Brüdern. Der Briefwechsel mündete in den Übertritt Radeckes zu den Unitariern 1592. Aufgrund dessen verlor er noch im gleichen Jahr seine Stelle und übersiedelte in die großpolnische und nahe der schlesischen Grenze gelegene Ortschaft Schmiegel (poln. Śmigiel), damals eines der sozinianischen Zentren des Landes, wo er als unitarischer Pfarrer wirken und mit Valentin Schmalz zusammentreffen sollte. 1594 wechselte er an die Pfarrstelle nach Buschkau (poln. Buszkowy) bei Danzig. 1603 siedelte er schließlich nach Rakau (poln. Raków) über, wo er ebenfalls als Prediger wirkte. Sein Nachfolger in Buschkau wurde 1605 der aus Goslar stammende frühere Pfarrer von Schmiegel, Christoph Ostorodt. Matthäus Radecke starb 1612. Die Danziger Unitarier hatten im Vergleich zu den übrigen Gemeinden der Polnischen Brüder in Klein- und Großpolen und in Litauen eine eigenständige Entwicklung genommen, die sich auch durch nonadorantische Ansätze auszeichnete. Neben der Gemeinde in Buschkau (poln. Buszkowy) entstand nach 1625 noch eine weitere im nahegelegenen Straschin (poln. Straszyn). In beiden Gemeinden konnten sich Unitarier aus Danzig ungehindert versammeln, da sie hier nicht der städtischen Gerichtsbarkeit unterstanden. siehe hierzu auch: Siegfried Wolfgast: Zum Sozinianismus in Danzig, In: Sabine Beckmann und Klaus Garber (Hrsg.): Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils in der Frühen Neuzeit, Band 103, Reihe Frühe Neuzeit, S 268 f. und Kęstutis Daugirdas: Die Anfänge des Sozinianismus - Genese und Eindringen des historisch-ethischen Religionsmodells in den universitären Diskurs der Evangelischen in Europa, Reihe: Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Band 240, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-10142-1, S. 136 f.
- ↑ Theodor Wotschke: Wittenberg und die Unitarier Polens I, In: Archiv für Reformationsgeschichte, 1918, S. 132 (52)
- ↑ Gizella Keserú: Klausenburger sächsische Unitarier. In: Ulrich A. Wien, Julia Brandt und András F. Balogh (Hrsg.): Radikale Reformation - Die Unitarier in Siebenbürgen. Studia Transylvanica Band 44, Köln Weimar Wien 2013, ISBN 978-3-412-21073-1, S. 164 f.
- ↑ Gizella Keserú: Klausenburger sächsische Unitarier. In: Ulrich A. Wien, Julia Brandt und András F. Balogh (Hrsg.): Radikale Reformation - Die Unitarier in Siebenbürgen. Studia Transylvanica Band 44, Köln Weimar Wien 2013, ISBN 978-3-412-21073-1, S. 172
- ↑ Kazimierz Bem u. Bruce Gordon: Antitrinitarianism and Unitarianism in the Early Modern World, 2024, ISBN 978-3-031-69657-2, S. 150
Personendaten | |
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NAME | Radecke, Valentin |
ALTERNATIVNAMEN | Radecke, Bálint; Radecke, Walenty; Radecius, Valentinus |
KURZBESCHREIBUNG | Theologe und Leiter der Unitarischen Kirche in Siebenbürgen |
GEBURTSDATUM | um 1550 |
GEBURTSORT | Danzig |
STERBEDATUM | 18. August 1632 |
STERBEORT | Klausenburg, Fürstentum Siebenbürgen |