Schweißtuch der Veronika
Das Schweißtuch der Veronika (lateinisch Sudarium Christi) ist ein Gegenstand der christlichen Überlieferung. Dieser zufolge reichte die heilige Veronika ihr Tuch Jesus Christus auf seinem Weg nach Golgota, um Schweiß und Blut von seinem Gesicht abzuwischen. Dabei soll sich das Gesicht Jesu auf wundersame Weise auf dem Schweißtuch als sogenanntes Veronikabild eingeprägt haben.
Ursprung der Legende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den Evangelien (Neues Testament) wird bei Mk 5,25 und Mt 9,20 ff über eine blutflüssige Frau berichtet, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt und das Gewand Jesu von hinten berührte: „Sofort hörte die Blutung auf und sie spürte deutlich, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.“ (Mk 5,29 EU)
In den apokryphen Acta Pilati, die auch Nikodemusevangelium genannt werden, trägt die blutflüssige Frau den Namen Berenike. Dessen lateinische Übertragung Veronika wurde später in der westlichen Darstellung als eine Zusammensetzung aus lateinisch vera. „wahr“ und griechisch Εικών ikon. „Bild“, in „wahres Bild“, umgedeutet.
Weiterentwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Da das Tuch zusammengelegt gewesen sei, so seien, heißt es, drei gleiche Abdrücke des Gesichts entstanden, von denen einer in Jerusalem geblieben, die anderen nach Rom und Jaén in Spanien gekommen seien. Aber noch etwa zehn andere Städte erheben Anspruch, solche Abdrücke zu besitzen.[1]
In einer spätantiken koptischen Version der Acta Pilati aus dem 6. Jahrhundert heilte das Schweißtuch den schwerkranken Kaiser Tiberius, indem der Anblick des Gesichtes Christi auf dem Tuch, das Veronika dem Tiberius reichte, die Heilung vom Aussatz bewirkte. Die byzantinische Legende – in Verbindung mit der Abgarlegende – erzählt, dass Jesus noch zu Lebzeiten dem König Abgar V. von Edessa – dem heutigen Şanlıurfa in der Türkei – ein wunderkräftiges Tuch mit dem Abbild seines Antlitzes zugesandt habe,[2] das dieser am Stadttor von Edessa anbringen ließ; dort habe sich das Bild als Ziegelabdruck erhalten. Jüngere Fassungen dieser Legende berichten, dass nicht Abgar, sondern seine Tochter Berenike das Tuch erhalten habe. Kaiser Konstantin VII. ließ demnach 944 den Abdruck in seine Palastkapelle bringen; nach der Eroberung von Konstantinopel – dem heutigen İstanbul – 1204 durch die Kreuzfahrer verlor sich seine Spur.
Die Überlieferung, nach der Veronika ihr Tuch Jesus auf dem Weg nach Golgota gereicht habe, ist seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesen. Ebenfalls seit dem 12. Jahrhundert ist in Rom ein Bild der hl. Veronika mit dem Schweißtuch bekannt, und in dieser Form fand die Überlieferung im Mittelalter weite Verbreitung. Im Kreuzweg ist diese Szene als sechste Station dargestellt.[3]
Reliquien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine lange als das echte Schweißtuch verehrte Kopie wurde 1721 dem Habsburger-Kaiser Karl VI. geschenkt und ist heute in der Schatzkammer der Wiener Hofburg öffentlich zugänglich. Das Wiener Schweißtuch ist mutmaßlich eine von fünf bekannten Kopien, die im Jahre 1616 vom damaligen vatikanischen Schweißtuch angefertigt wurden.
Sonstiges
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im spanischen Stierkampf gibt es die Figur der „Veronica“, bei der der Matador seine muleta ähnlich hält wie Veronika das Schweißtuch in der Ikonographie.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Turiner Grabtuch
- Acheiropoieton
- Abgar-Bild
- Lukasbild
- Blutwunder von Walldürn
- Schleier von Manoppello
Literatur (chronologisch)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Joseph Sauer: Die ältesten Christusbilder. Wasmuth, Berlin 1920.
- Alfred Schindler: Das Schweißtuch der Veronika. In: Apokryphen zum Alten und Neuen Testament. 4. Auflage. Manesse, Zürich 1990, ISBN 3-7175-1756-2, S. 555–557.
- Gerhard Wolf: Schleier und Spiegel. Traditionen des Christusbildes und die Bildkonzepte der Renaissance. Fink, München 2002, ISBN 3-7705-3632-0 (Zugleich: Berlin, Freie Univ., Habil.-Schr., 1995: Vera icon und verum corpus.).
- Michael Hesemann: Die stummen Zeugen von Golgatha. Die faszinierende Geschichte der Passionsreliquien Christi. Hugendubel, München 2000, ISBN 3-7205-2139-7.
- Heinrich W. Pfeiffer: Die römische Veronika. In: Grenzgebiete der Wissenschaft. 49, 2000, 3, ISSN 1021-8130, S. 225–240.
- Daniel Spanke: Das Mandylion. Ikonographie, Legenden und Bildtheorie der „Nicht-von-Menschenhand-gemachten Christusbilder“. Ikonen-Museum, Recklinghausen 2000, ISBN 3-929040-48-4 (Monographien des Ikonen-Museums Recklinghausen 5).
- Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. Beck, München 1990, ISBN 3-406-34367-8 (6. Auflage. München 2004, ISBN 3-406-37768-8).
- Ist ER es? Dossier. In: Die Zeit. Nr. 52 vom 21. Dezember 2005, ISSN 0044-2070, S. 15f.
- Paul Badde: Das Göttliche Gesicht. Die abenteuerliche Suche nach dem wahren Antlitz Jesu. Pattloch, München 2006, ISBN 3-629-02149-2.
- Tristan Weddigen: Weaving the Face of Christ: On the Textile Origins of the Christian Image. In: Henri de Riedmatten u. a. (Hrsg.): Senses of Sight. Towards a Multisensorial Approach of the Image. 'L'Erma' di Bretschneider, Rom 2015, S. 83–110, doi:10.5167/uzh-113276.
- Barbara Stühlmeyer: Sein Angesicht suchen. Eine etwas andere Geschichte der heiligen Veronika. In: Heinrichsblatt, Wochenzeitung für das Erzbistum Bamberg Nr. 5, Februar 2019.
- Veronika Maria Seifert, Das Schweißtuch der Veronika im Petersdom und der Volto Santo von Manoppello. Versuch einer Neukontextualisierung zweier römischer Christusacheiropoíeta, in Collectanea Franciscana 92, hrsg. v. Istituto Storico dei Cappuccini, Roma 2022, S. 613–666, ISSN 0010-0749.
- Veronika Maria Seifert, Il sudario della Veronica e il Volto Santo. Storia e devozione, Gorle (Bg), Editrice Velar, 2024, ISBN 979-1-255-08124-1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Art. Schweißtuch. In: Pierer’s Universal-Lexikon. Band 15. Altenburg 1862, S. 618 (online bei zeno.org).
- ↑ http://www.heiligenlexikon.de/BiographienV/Veronika.htm
- ↑ Alfred Schindler: Das Schweißtuch der Veronika. In: Apokryphen zum Alten und Neuen Testament. 4. Auflage. Manesse, Zürich 1990, ISBN 3-7175-1756-2, S. 555–557