Kapitalisierungszins
Der Kapitalisierungszins ist in der Betriebswirtschaftslehre und insbesondere in der Immobilien- und Unternehmensbewertung ein Zinssatz, mit dem künftig erwartete Erträge oder Gewinne abgezinst werden, um den gegenwärtigen Barwert oder Ertragswert ermitteln zu können.
Allgemeines
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Kapitalisierung wird allgemein die Berechnung des Bar- oder Ertragswertes eines Vermögensgegenstands (Erbbaurecht, Immobilie, Rente oder Unternehmen) aufgrund der künftig zu erwartenden Erträge oder Gewinne verstanden, die auf den Berechnungszeitpunkt abgezinst werden (kapitalisierter Ertragswert).[1] Der Kapitalisierungszins gibt die Rendite einer hinsichtlich Fristigkeit, Finanzrisiko und Besteuerung vergleichbaren Alternativanlage wieder[2] und gilt daher auch als Opportunitätskosten.
Berechnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ausgangspunkt ist der Kapitalmarktzins , der sich aus einem risikofreien Zinssatz und einer Risikoprämie zusammensetzt:[3]
- .
Die Risikoprämie ist umso höher, je mehr Unsicherheit über die künftige Rentabilität des Vermögensgegenstands besteht.
Kapitalisierungszinssätze werden als Rechtsbegriff gesetzlich festgelegt. Das Bewertungsgesetz (BewG) nennt ihren Kehrwert „Vervielfältiger“.[4] Nach § 36 Abs. 3 BewG ist bei Agrarflächen der Ertragswert das Achtzehnfache des Reinertrags, was einem Kapitalisierungszins von 5,5 % entspricht.[5] Für Mietwohngrundstücke sind die Vervielfältiger in Anlage 3 BewG (zwischen 4,5 und 10,2) und Anlage 6 BewG für Geschäftsgrundstücke (zwischen 5,7 und 9,6) angegeben.
Kapitalisierungsvorschriften enthalten auch die §§ 28 ImmoWertV und § 29 ImmoWertV für das Ertragswertverfahren, wobei nach § 34 ImmoWertV der Kapitalisierung und der Abzinsung Barwertfaktoren auf der Grundlage der Restnutzungsdauer und des objektspezifisch angepassten Liegenschaftszinssatzes zugrunde zu legen sind. Dabei wird der Kapitalisierungsfaktor wie folgt ermittelt:
- .
Hierin sind die Restnutzungsdauer der Immobilie und der Liegenschaftszinssatz ; für beide gilt .
Der Gutachterausschuss ermittelt nach § 193 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB unter anderem Kapitalisierungszinssätze, mit denen die Verkehrswerte von Grundstücken im Durchschnitt marktüblich verzinst werden (Liegenschaftszinssätze).
Beispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wird aus einer Immobilie ein jährlicher Reinertrag von 25.000 Euro erzielt, so ergibt sich bei einem Kapitalisierungszins von 5 % ein Ertragswert von 500.000 Euro,[6][7] Dieser Ertragswert kann sowohl als Verhandlungsbasis für den Kaufpreis der Immobilie als auch bei deren Beleihung durch Kreditinstitute als Beleihungswert zugrunde gelegt werden.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur über Kapitalisierungszins im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Christina Bark, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, Springer Fachmedien, 2011.
- Andreas Dörschell/Lars Franken/Jörn Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung: praxisgerechte Ableitung unter Verwendung von Kapitalmarktdaten, IDW-Verlag, 2009.
- Volker Metz, Der Kapitalisierungszinssatz bei der Unternehmensbewertung, Springer Fachmedien, 2007.
- Michael J. Munkert, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, Duv, 2005.
- Günter Siepe, Kapitalisierungszinssatz und Unternehmensbewertung, in: Die Wirtschaftsprüfung, 1998, S. 325–338.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Wolfgang Grill, Gabler Bank Lexikon, 1995, S. 911
- ↑ Kurt-Dieter Koschmieder, Ertragswertmethode, in: Carl-Christian Freidank (Hrsg.), Vahlens großes Auditing-Lexikon, 2007, S. 436
- ↑ Joachim Krag/Rainer Kasperzak, Grundzüge der Unternehmensbewertung, 2000, S. 56 f.; ISBN 978-3-8006-2416-4
- ↑ Der Vervielfältiger aus dem Kapitalisierungszins ergibt sich aus .
- ↑ Wolfgang Lück, Lexikon der Rechnungslegung und Abschlussprüfung, 1998, S. 122
- ↑ Günter Wierichs/Stefan Smets, Gabler Kompakt-Lexikon Bank und Börse, 2001, S. 28
- ↑ Wolfgang Grill, Gabler Bank-Lexikon, 1995, S. 557