Brandkatastrophe im Nachtclub Kiss
Die Brandkatastrophe im Nachtclub Kiss ereignete sich in der Nacht vom 26. auf den 27. Januar 2013 gegen 2:30 Uhr in der Stadt Santa Maria im südlichsten Bundesstaat Brasiliens, Rio Grande do Sul. Dabei starben 242 Menschen,[1] mehr als 600 weitere wurden zum Teil schwer verletzt.[2] Das Feuer gilt, gemessen an der Anzahl der Todesopfer, nach dem Zirkusbrand von Niterói (1961) mit ca. 500 Toten als die zweitschwerste Brandkatastrophe in der Geschichte Brasiliens.
Brandursache und Situation im Nachtclub
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ursache für das Feuer war ein bei einem Auftritt der Band Gurizada Fandangueira benutzter Feuerwerkseffekt, der vom Hersteller nur zur Verwendung im Freien genehmigt ist.[3] Funken einer Leuchtfackel setzten das Dämmmaterial der Decke des Veranstaltungsraums in Brand.[4]
Der Nachtclub Kiss befindet sich im Zentrum der Stadt in der Rua dos Andradas 1955. Der Veranstaltungsraum des Clubs hatte eine Kapazität von 2000 Personen.[5] Nach Angaben mancher brasilianischer Medien war er aber nur für maximal 1000 Personen ausgelegt.[5] Zum Zeitpunkt des Unglücks waren nach Polizeiangaben rund 900 Menschen im Nachtclub.[6]
Es gab neben dem Haupteingang nur einen Notausgang, zudem sollen die Sicherheitskräfte nach Augenzeugenberichten mit der Situation überfordert gewesen sein.[3] Der Versuch eines Sicherheitsmannes, den Brand zu löschen, soll gescheitert sein, weil der verwendete Feuerlöscher nicht funktionierte.[7] Die Sicherheitsleute öffneten den Haupteingang erst, als sie sicher waren, dass Feuer ausgebrochen war.[7] Da es in Brasilien üblich ist, den Eintrittspreis und die Getränke erst beim Verlassen von Clubs und Musikkneipen zu bezahlen, fürchteten sie, Besucher könnten die Zeche prellen.[4] Aus demselben Grund war der einzige Ausgang auch durch Gitter verengt.[8][7] Die Verengung der zwei Meter breiten Eingangs- und Ausgangstür und fluchterschwerende Eisengitter im Außenbereich haben zur Tragödie beigetragen.[7] Die Sicherheitsgenehmigung für den Nachtclub seitens der Feuerwehr von Santa Maria war nach eigenen Angaben im August 2012 abgelaufen.[9]
Verlauf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Opfer der Katastrophe waren zumeist junge Studenten der Universidade Federal de Santa Maria, da an dem Abend eine Universitätsparty in dem Nachtclub stattgefunden hatte.[10] Das Feuer breitete sich in Sekunden an der Decke aus, in welcher Schaumstoffplatten als Schallschutz verarbeitet waren, welche beim Brand Blausäure und andere giftige Brandgase freisetzten.[11][5] Im dichten, schwarzen und hochgiftigen Rauch verloren die Nachtclubbesucher die Orientierung, viele wurden sofort Opfer der toxischen Rauchgase.[5][4] Zahlreiche Besucher wurden zu Boden getreten und verloren das Bewusstsein.[5] Andere starben in den beiden Toiletten an Rauchvergiftung.[3]
Reaktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Staatspräsidentin Brasiliens, Dilma Rousseff, brach aufgrund der Katastrophe ihre Teilnahme an der CELAC-EU-Konferenz in Santiago de Chile vorzeitig ab.[12]
- Der Präfekt von Santa Maria, Cezar Schirmer, verkündete eine Trauer von 30 Tagen.
- Die Fußballliga des Bundesstaats Rio Grande Sul beschloss für einen Spieltag zu pausieren.[13]
- In Brasília wurde eine für den 28. Januar geplante Feier zur kommenden Fußball-Weltmeisterschaft abgesagt.[14]
Juristische Aufarbeitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Dezember 2021 wurden die beiden Betreiber des Nachtclubs zu Freiheitsstrafen von 19 Jahren und 6 Monaten bzw. 22 Jahren und 6 Monaten, zwei Musiker zu je 18 Jahren verurteilt.[15] Während des zehntägigen Prozesses in Porto Alegre wurden 14 Überlebende und 19 Zeugen angehört.[16]
Im August 2022 hob ein Gericht im Bundesstaat Rio Grande do Sul, das sich aus drei Richtern zusammensetzt, die Urteile mit zwei zu eins Stimmen auf, da es bei der Auswahl der Geschworenen zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. Die Staatsanwälte erklärten, dass sie gegen die Entscheidung Berufung einlegen wollen. Die Freilassung der vier Gefangenen wurde bereits angeordnet.[17]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jule Lutteroth: Mehr als 200 Tote bei Disco-Brand: "Es war wie in einem Horrorfilm" In: Spiegel Online, 27. Januar 2013.
- Brandkatastrophe in Disco: Brasilien trauert In: Spiegel Online, 28. Januar 2013.
- Jens Glüsing: Discobrand in Brasilien: Eine vorhersehbare Katastrophe. In: Spiegel Online, 28. Januar 2013.
- Brandkatastrophe in Brasilien: "Wir tolerieren Dinge, die unerträglich sind". In: Spiegel Online, 31. Januar 2013.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Morte de jovem aumenta para 242 número de vítimas de incêndio na boate Kiss. Globo 1, Mundo, 19. Mai 2013, abgerufen am 4. Juli 2013.
- ↑ Manifestantes fazem protesto na Câmara de Vereadores de Santa Maria. Globo 1, Bom Dia Brasil, 27. Juni 2013, abgerufen am 4. Juli 2013.
- ↑ a b c Fogo teria tomado conta da boate em três minutos. Zero Hora, 27. Januar 2013, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 30. Januar 2013; abgerufen am 27. Januar 2013.
- ↑ a b c Brandkatastrophe in Disco: Brasilien trauert. In: Spiegel Online, Stand: 28. Januar 2013/09:04 Uhr, abgerufen am 28. Januar 2013.
- ↑ a b c d e Jule Lutteroth: Mehr als 200 Tote bei Disco-Brand: "Es war wie in einem Horrorfilm". In: Spiegel Online, (mit Material der Agenturen). Stand: 27. Januar 2013/16:17 Uhr, abgerufen am 27. Januar 2013.
- ↑ Feuerhölle in Diskothek. ( vom 4. März 2016 im Internet Archive) In: Sächsische Zeitung Online, Stand: 27. Januar 2013, abgerufen am 30. Januar 2013.
- ↑ a b c d Jens Glüsing: Discobrand in Brasilien: Eine vorhersehbare Katastrophe. In: Spiegel Online, Stand: 28. Januar 2013/17:18 Uhr, abgerufen am 28. Januar 2013.
- ↑ Espuma era muito comum. Zero Hora, página acessada em 7 de março de 2013.
- ↑ Mariana Riscala: Comandante dos Bombeiros diz que alvará da boate que pegou fogo estava vencido. Jovempan.uol.com.br, 27. Januar 2013, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 4. Dezember 2013; abgerufen am 27. Januar 2013.
- ↑ Festa que acabou em tragédia reunia universitários em Santa Maria. Globo 1, Rio Grande do Sul, 27. Januar 2013, abgerufen am 27. Januar 2013.
- ↑ Prefeitura de Santa Maria decreta luto oficial de 30 dias após tragédia. Globo 1, Rio Grande do Sul, 27. Januar 2013, abgerufen am 27. Januar 2013.
- ↑ Sylvia Colombo: Dilma chora e diz que todos estão juntos com Santa Maria. Folha de São Paulo, 27. Januar 2013, abgerufen am 27. Januar 2013.
- ↑ Tragédia em boate no Rio Grande do Sul suspende rodada do Estadual. Globoesporte.com.br, 27. Januar 2013, abgerufen am 27. Januar 2013.
- ↑ Julio Segador: Brasilien nach Brandkatastrophe unter Schock. tagesschau.de, 28. Januar 2013, archiviert vom am 31. Januar 2013; abgerufen am 28. Januar 2013.
- ↑ tagesschau.de: Brandkatastrophe: Lange Haft für brasilianische Diskobetreiber. Abgerufen am 11. Dezember 2021.
- ↑ Lange Haftstrafen in Prozess nach Disco-Brand mit 242 Toten, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Dezember 2021.
- ↑ Michael Unsleber: Leid und kein Ende: Acht Jahre nach der Tragödie im Nachtclub „Kiss“ – Update. In: Latina Press. 6. August 2022, abgerufen am 25. Januar 2023.
Koordinaten: 29° 41′ 3,3″ S, 53° 48′ 25,4″ W