„Führer“ – Versionsunterschied

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* In der [[Republik Venedig]] und anderen norditalienischen Stadtrepubliken wurden die Staatsoberhäupter mit dem norditalienischen Dialektwort ''[[Doge]]'' für „Führer“ benannt.
* In der [[Republik Venedig]] und anderen norditalienischen Stadtrepubliken wurden die Staatsoberhäupter mit dem norditalienischen Dialektwort ''[[Doge]]'' für „Führer“ benannt.
* Der [[Oberster Rechtsgelehrter|Oberste Rechtsgelehrte]] als höchsten Repräsentant der Islamischen Republik Iran wird als {{faS|ولی فقیه}} ''wali-e faqih'' oder {{fa|رهبر}} ''rahbar'', „Oberster Führer“, „Wegweiser“, bezeichnet.
* Der [[Oberster Rechtsgelehrter|Oberste Rechtsgelehrte]] als höchsten Repräsentant der Islamischen Republik Iran wird als {{faS|ولی فقیه}} ''wali-e faqih'' oder {{fa|رهبر}} ''rahbar'', „Oberster Führer“, „Wegweiser“, bezeichnet.

== Soziologie ==
Der Soziologe [[Theodor Geiger]] machte Führertum zum Gegenstand einer soziologischen Untersuchung und fasste folgende Merkmale zusammen:
„Der Führer führt die Gruppe, nicht eine Herde Menschen; seine Macht als Führer erstreckt sich auch nicht auf den Menschen, welcher der Gruppe zugehört, im ganzen, sondern auf ihn nur insoweit, als er seelisch von der Gruppe erfaßt ist, also nur auf eine Partie seines Wesens. Er ist das Organ des von einer ihn selbst einschließenden Menschenmehrzahl getragenen Wir in der sichtbaren Welt.“<ref>Theodor Geiger: Führer und Genie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1926/27 (6. Jg.), S. 233-247, S. 235</ref>


== Der Begriff in Zusammenhang mit Adolf Hitler ==
== Der Begriff in Zusammenhang mit Adolf Hitler ==
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== Andere „Führer“ genannte Persönlichkeiten ==
== Andere „Führer“ genannte Persönlichkeiten ==
Weitere [[Diktatur|Diktatoren]], die sich im Zuge eines übersteigerten Personenkultes in ihrer jeweiligen Landessprache selbst als „Führer“ bezeichnet haben oder noch so bezeichnet werden, waren oder sind:
Weitere Personen, die sich in ihrer jeweiligen Landessprache selbst als „Führer“ bezeichnet haben oder noch so bezeichnet werden, waren oder sind:


* [[Benito Mussolini]] als ehemaliger Diktator des damals [[Faschismus|faschistischen]] [[Italien]]s (''Duce'').
* [[Benito Mussolini]] als ehemaliger Diktator des damals [[Faschismus|faschistischen]] [[Italien]]s (''Duce'').
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* [[Nursultan Nasarbajew]], seit 1991 Präsident [[Kasachstan]]s, wurde im Juni 2010 durch Parlamentsbeschluss der Titel ''Führer der Nation'' ({{KkS|''Ұлт Лидері/Ult Lideri''}}) zuerkannt.
* [[Nursultan Nasarbajew]], seit 1991 Präsident [[Kasachstan]]s, wurde im Juni 2010 durch Parlamentsbeschluss der Titel ''Führer der Nation'' ({{KkS|''Ұлт Лидері/Ult Lideri''}}) zuerkannt.
* [[Muammar al-Gaddafi]], 1969 bis 1979 Präsident von [[Libyen]], seitdem ''Revolutionsführer''
* [[Muammar al-Gaddafi]], 1969 bis 1979 Präsident von [[Libyen]], seitdem ''Revolutionsführer''
* [[Recep Tayyip Erdoğan]], türkischer Ministerpräsident, kündigte sich vor seiner Deutschlandreise 2008 auf Plakaten als Führer der Türken an („Türkiye'nin Lideri Almanya'da!“).


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Version vom 16. April 2011, 15:17 Uhr

Der Begriff Führer wurde und wird für mehrere Politiker – insbesondere für durch Ausübung von Gewalt unumschränkt regierende Staatsoberhäupter – gebraucht. Ursprünglich eine rein pragmatische Bezeichnung, repräsentiert das Wort heute meist einen Personenkult.

Wortherkunft

Für zeitgenössische Ohren selbstverständlich war die Bezeichnung eines Herrschers als „Führer“ in der Antike, im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, häufig unter Verwendung des lateinischen Wortes dux (lat. „Führer“) als dem jeweiligen Herrschernamen nachgestellter Ehrentitel, beispielsweise Robert, dux Francorum, also „Robert, Führer der Franken“. Übersetzung ist das sprachlich äquivalente deutsche Wort Fürst „Führer“. Außerdem wurden die Oberbefehlshaber von Armeen als Heerführer (lat. dux belli, „Kriegsherr“, mhd. hervüerer)[1] bezeichnet, das entspricht dem deutschen Herzog aus ahd. herizogo, „der vor dem Heer zieht“.

Das Wort selbst, ahd. fôrari ist nach Grimm „nachweislich nur in dem sinne von lohnträger, lastträger, bajolus[2], und erst mhd. füerære, vüerære, füerer, vüerer in der Bedeutung „einer der führt“ erhalten[3], und erweitert sich erst neuzeitlich auf das heutige Bedeutungsfeld einschließlich „der ein Tier führt“, insbesondere „Fuhrmann[4] und „der eine Waffe, eine Insignie“ und ähnliches „führt“.

Die analoge Wortverwendung findet auch in anderen Sprachen statt, dann aber auch ohne den militärischen Kontext, im Sinne „Leiter“[5] mit „Führer“ ins Deutsche übersetzt:

  • In der Republik Venedig und anderen norditalienischen Stadtrepubliken wurden die Staatsoberhäupter mit dem norditalienischen Dialektwort Doge für „Führer“ benannt.
  • Der Oberste Rechtsgelehrte als höchsten Repräsentant der Islamischen Republik Iran wird als persisch ولی فقیه wali-e faqih oder رهبر rahbar, „Oberster Führer“, „Wegweiser“, bezeichnet.

Soziologie

Der Soziologe Theodor Geiger machte Führertum zum Gegenstand einer soziologischen Untersuchung und fasste folgende Merkmale zusammen: „Der Führer führt die Gruppe, nicht eine Herde Menschen; seine Macht als Führer erstreckt sich auch nicht auf den Menschen, welcher der Gruppe zugehört, im ganzen, sondern auf ihn nur insoweit, als er seelisch von der Gruppe erfaßt ist, also nur auf eine Partie seines Wesens. Er ist das Organ des von einer ihn selbst einschließenden Menschenmehrzahl getragenen Wir in der sichtbaren Welt.“[6]

Der Begriff in Zusammenhang mit Adolf Hitler

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Diktator Adolf Hitler als „Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches oder auch einfach nur kurz als „Der Führer“ oder „Unser Führer“ bezeichnet (siehe auch: Führererlass). Ursprünglich hatte sich auch der protofaschistische österreichische Politiker Georg von Schönerer zu jener Zeit als „Führer“ bezeichnen lassen. Viele weitere hohe Amtsträger im nationalsozialistischen Deutschland trugen das Wort „Führer“ ebenfalls in ihrem Titel, so etwa der „Reichsführer-SS“ und der „Reichsjugendführer“, daneben auch die höheren Dienstgrade der SS. Grundlage dieser Bezeichnungen war das Führerprinzip und Bezug auf mittelalterlich-feudalistische Hierarchien mutmaßlich „urgermanischer“ Herkunft (Lehnswesen).

Heute wird deswegen im deutschen Sprachraum die Verwendung des Wortes Führer vermieden, sofern im jeweiligen Kontext die Gefahr besteht, dass ein Zusammenhang mit Hitler und dem Nationalsozialismus hergestellt werden könnte. Dies gilt vor allem für die Verwendung des Wortes Führer ohne weitere Attribute oder Zusätze. Oft wird es durch andere Wörter, wie beispielsweise Leiter, Chef, Manager oder das englische Führer-Äquivalent leader, ersetzt. Einige Kritiker erheben in diesem Zusammenhang den Vorwurf „übertriebener Politischer Korrektheit“. Trotzdem ist im Deutschen ohne jede Konnotation in diesem Sinne nicht unüblich, Parteichefs im allgemeinen als Parteiführer oder Oppositionsführer zu bezeichnen; es ist auch im polizeilichen und militärischen Gebrauch (Polizeiführer, Abteilungsführer, Hundertschaftsführer, Zugführer, Gruppenführer, Truppführer, aber: Führungsperson) zu verwenden. Im Sprachgebrauch des Italienischen hat nach der historischen Zeit des Faschismus das englische Fremdwort leader das ursprüngliche Wort duce heute weitestgehend ersetzt.

Das deutsche Wort „Führer“ hat in diesem Zusammenhang als Lehnwort auch Eingang in andere Sprachen gefunden. In Ermangelung von Umlauten in vielen Zeichensätzen wird es dort oft „Fuehrer“ oder auch fälschlicherweise „Fuhrer“ geschrieben.[7][8]

Andere „Führer“ genannte Persönlichkeiten

Weitere Personen, die sich in ihrer jeweiligen Landessprache selbst als „Führer“ bezeichnet haben oder noch so bezeichnet werden, waren oder sind:

  • Benito Mussolini als ehemaliger Diktator des damals faschistischen Italiens (Duce).
  • Josef Stalin, sowjetischer Diktator (Generalissimus), ließ sich seit seinem fünfzigsten Geburtstag 1929 offiziell als „Führer“ (russisch: вождь, Vožd oder Woschd) bezeichnen.[9]
  • Francisco Franco als Diktator Spaniens ließ sich Caudillo nennen, was ursprünglich ein Ehrentitel für einen Heerführer war. Durch das Staatsorgangesetz von 1967 und die Neufassung der bisherigen Verfassungsgesetze im gleichen Jahr erlangte der Titel die Bedeutung „Führer“. General Franco war demnach Staatschef auf Lebenszeit sowie Oberbefehlshaber und Haupt des Movimiento Nacional.
  • Ion Antonescu und Nicolae Ceaușescu, ehemalige Staatschefs Rumäniens (Conducător).
  • Der sozialistische Ex-Präsident Kubas, Fidel Castro (Máximo Líder, also „Größter Führer“). In offiziellen Dokumenten wird er zudem als Comandante en Jefe bezeichnet.
  • Kim Il-sung, der 1994 verstorbene Staatsgründer von Nordkorea wird bis heute als 위대한 수령 widaehan suryŏng, „Großer Führer“, bezeichnet.
  • Kim Jong-il, sein Sohn, wurde nach Amtsantritt 친애하는 지도자 ch'inaehanŭn chidoja, etwa „Geliebter Führer“ genannt, jetzt „Großer Führer“ wie sein Vater.
  • Ante Pavelić nannte sich als Diktator des Unabhängigen Staates Kroatien Poglavnik, was so viel wie Oberhaupt oder Führer bedeutet.
  • Nursultan Nasarbajew, seit 1991 Präsident Kasachstans, wurde im Juni 2010 durch Parlamentsbeschluss der Titel Führer der Nation (kasachisch Ұлт Лидері/Ult Lideri) zuerkannt.
  • Muammar al-Gaddafi, 1969 bis 1979 Präsident von Libyen, seitdem Revolutionsführer
  • Recep Tayyip Erdoğan, türkischer Ministerpräsident, kündigte sich vor seiner Deutschlandreise 2008 auf Plakaten als Führer der Türken an („Türkiye'nin Lideri Almanya'da!“).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Eintrag HEERFÜHRER, m. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1854–1960 (dwb.uni-trier.de)
  2. Eintrag FUHRER [furer], FÜHRER [fürer], m. In: Grimm: Deutsches Wörterbuch. (dwb.uni-trier.de)
  3. Eintrag FÜHRER [fürer], m. In: Grimm: Deutsches Wörterbuch. (dwb.uni-trier.de)
  4. Grimm: FÜHRER 4) und 6)
  5. Grimm: FÜHRER 2)
  6. Theodor Geiger: Führer und Genie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1926/27 (6. Jg.), S. 233-247, S. 235
  7. GermanEnglishWords.com
  8. DE Deutschland, l’Allemagne, Germany
  9. Manfred Hildermeier, Die Sowjetunion 1917–1991 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte), Oldenbourg Verlag, München 2007, S. 53