RSV Mille Tuono
RSV Mille Tuono
RSV Mille Tuono
HÄNDE HOCH
Manchmal sind es die kleinen Unterschiede, die
Erstaunliches bewirken. Bei der Aprilia RSV mille
Tuono sind es außer der fehlenden Vollverkleidung
17 Zentimeter, die der Lenker höher angebracht
ist als bei der RSV Mille R.
Von Guido Stüsser; Fotos: Markus Jahn
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Aprilia RSV mille Tuono
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Minus
Antriebsgeräusche bei Lastwechseln unter
3000/min
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Fahrwerkseinstellungen Federbein etwas mehr Druckstufe wün- und der gleich wie die Mille (17 zu 42),
Gabel: 3 Ringe der Federbasisverstellung schenswert. Obwohl die Metzeler Sportec also zu lang, übersetzt ist. Keine glück-
sichtbar, Druckstufe 0,5 von 2,25 Um- M-1 reichlich Haftung bieten, schaffen liche Konfiguration. In engen Ecken fällt
drehungen offen, Zugstufe 1,25 von 2,5 sie es nicht, die Tuono in Verlegenheit zu die Drehzahl unter 3000 Umdrehungen,
Federbein: 9 bis 10 Gewindegänge
bringen. Die Schräglagenfreiheit ist bei- was die Aprilia mit leichtem Kettenschla-
an der Federbasisverstellung sichtbar, nahe grenzenlos. gen quittiert und beim Rausbeschleuni-
Druckstufe 5 von 24 Klicks offen, Spätestens beim Dreh am Gasgriff gen aufgrund geringer Schwungmassen
Zugstufe 18 von 24 merkt man allerdings wieder, dass im mit einem unrunden Motorlauf. Ist diese
Brückenrahmen ein 998 Kubikzentimeter Marke erst einmal überschritten, zieht
großer V2 werkelt, dem es untenrum trotz der Zweizylinder sauber hoch; sein Leis-
zweier Ausgleichswellen an Laufkultur fehlt tungsloch bei 5000 Umdrehungen kann
S O T E S T E T
iele Kriterien bereiten bei der Bewertung wenig Kopfzer- bei höheren Tempi aber weniger stark. Bei der Einschätzung
V brechen. Etwa die Fahrleistungen: Messen, Werte in die
MOTORRAD-Datenbank eingeben, und automatisch erscheint
spielt zudem eine Rolle, wie das Motorrad auf jede Gewichts-
verlagerung des Fahrers reagiert. Wichtige Einflussgrößen
die korrekte Punktzahl. So hat es der Redakteur gern, aber bei sind neben dem Gewicht – der Maschine, nicht des Fahrers –
einigen Kriterien kommt es außerdem auf die subjektive Beno- die Gewichtsverteilung, die Lenkgeometrie, die Schwerpunkt-
tung an, und da gilt es reichlich Testarbeit und Gehirnschmalz lage oder die Kreiselkräfte aller drehenden Teile von der Kur-
zu investieren. Ein solches Kriterium ist die Handlichkeit. Dabei belwelle bis zum Hinterrad. Die berühmte MOTORRAD-Test-
geht es in erster Linie um Lenkkräfte, die zum Einlenken in strecke bietet mit ihren wechselhaften Streckenabschnitten
eine Kurve oder zum Ändern von Schräglage oder Fahrtrich- reichlich Gelegenheit, die Handlichkeit zu überprüfen und zu
tung erforderlich sind. Diese Kräfte können je nach Motorrad bewerten. Zusätzlich müssen alle Top-Test-Maschinen den
in sehr unterschiedlicher Weise von der Geschwindigkeit MOTORRAD-Parcours absolvieren, der neben engen Wende-
abhängen. Manche Maschinen wirken im Stadtverkehr aus- kurven zwei unterschiedlich schnelle Slalomabschnitte um-
gesprochen agil, verhalten sich bei höheren Geschwindigkei- fasst. Breite Lenker sind nicht das Allheilmittel, aber hilfreich,
ten dagegen ziemlich widerspenstig. Andere lassen sich bei wie an der Aprilia Tuono zu erkennen ist. Die erhält vom MO-
Schritttempo nicht sonderlich willig dirigieren an, versteifen sich TORRAD-Testteam immerhin 25 von 30 möglichen Punkten.
im Streetfighter-Outfit
er dennoch nicht verheimlichen. Über triebe gewechselt, um dem Drehzahlbe- sorgt die pneumatisch geregelte Anti-Hop-
6000/min gibt es dann endgültig kein grenzer, vor dem ein einstellbarer Schalt- ping-Kupplung für sorgenfreies Herunter-
Halten mehr, zeigt sich der Vorteil der blitz warnt, bei gut 10 000 Umdrehungen schalten ohne Stempeln oder plötzliches
geringen Schwungmassen. Die Drehfreu- zu entgehen. Apropos Schaltblitz. Das Blockieren des Hinterrads, zum anderen
de scheint kein Ende zu nehmen. Nach Cockpit lässt keine Ausstattungswünsche verzögert die Brembo-Bremsanlage mit
guten drei Sekunden ist die 100er-Marke offen. Vom Laptimer, der bei der Tuono ihren vier Kolben brachial und gut
erreicht, nach knapp zehn Sekunden so- ziemlich überflüssig erscheint, bis hin zur dosierbar. Das aufsteigende Hinterrad
gar die 200er-Marke, und wer nicht genug gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit setzt der Verzögerung zwar Grenzen.
bekommen kann, der wird die Höchst- findet sich alles irgendwie Darstellbare. Trotzdem steht am Ende ein beachtlicher
geschwindigkeit von 245 km/h auskosten. Vorausgesetzt, man hat sich vorher aus- Wert von 10,1 m/s2 im Datenblatt.
Fast zu viel für einen Streetfighter, der, giebig mit der telefonbuchstarken Bedie- Dort wird jedoch auch ein Spritkonsum
obwohl er über einen Lenkungsdämpfer nungsanleitung auseinandergesetzt und von fünfeinhalb Litern bei gemächlicher
verfügt, leichte Pendelneigung bei hohem weiß die fünf Knöpfe der Instrumenten- Landstraßenfahrt notiert. Den Verbrauch
Tempo nicht verleugnen kann. Das liegt einheit in der richtigen Kombination zu der Tuono dürfte Aprilia ruhig noch etwas
aber eher an der Windfang-Sitzposition bedienen. senken. Immerhin haben die Italiener
des Piloten denn am Fahrwerk. Die reine Freude auf der Tuono ist erfreulicherweise den Preis drastisch re-
Schnell werden die Gänge in dem nicht nur der Auf-, sondern auch der Ab- duziert. Anstatt gut 12 000 Euro sind seit
leicht zu schaltenden und präzisen Ge- bau von Bewegungsenergie. Zum einen diesem Jahr für alle Tuonos, egal, ob
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Aprilia RSV mille Tuono
l
tzah
her Tuono Racing; nun ohne Racing-Kit) Ausstattung inklusive U-Kat, jede Menge
o
Punk
14 599 Euro. Technisch ändert sich am Fahrspaß und nicht zu vergessen, die
Tuon
2004er-Basismodell, das nun auf den Möglichkeit, sich noch einmal wie ein
mille
imal
Namen Tuono 1000 R hört, nichts. Es ist Jugendlicher zu fühlen.
RSV a
li
Apri
Max
ANTRIEB Fahrleistungen
FAZIT Höchstgeschwindigkeit 30 22
Beschleunigung 30 24
Die Aprilia Tuono hat was: nämlich die ausgereifte Technik eines Spitzensportlers in Gestalt Durchzug 30 17
eines tollen Fahrwerks sowie eines rassigen, wenngleich etwas ungehobelten V2. Ihn plagt Motor
zwar ein lästiges Leistungsloch, dafür entschädigt er mit enormer Drehfreude. Und dann ist Ansprech-/Lastwechselverhalten 20 11
Leistungsentfaltung 30 18
da noch die entspannte, fast schon aufreizend lässige Sitzposition. Einfach geil! Starten 10 7
Kraftübertragung
Kupplung 10 8
Schaltung 20 15
Getriebeabstufung 10 7
Gesamtübersetzung 10 5
Summe 200 134
FAHRWERK
Geradeauslaufstabilität 30 23
Stabilität in Kurven 40 31
Lenkpräzision 30 25
Handlichkeit 30 25
Die Tuono ist für Fahrwerksabstimmung solo 40 31
jeden Spaß zu haben. Fahrverhalten mit Sozius 30 23
Die coole Sitzposition, Summe 200 158
das tolle Handling SICHERHEIT Bremsen
und der bollernde Verzögerung/Betätigungskraft 30 26
Bremsdosierung 30 24
1000er-Twin verleiten Bremsen mit Sozius 10 8
zu jugendlichem ABS/Verbundbremse 30 0
Übermut Fahrwerk
Schräglagenfreiheit 20 20
Bodenfreiheit 10 7
Lenkerschlagen/Shimmy 20 18
Bremsstabilität 10 8
Aufstellmoment beim Bremsen 10 7
Licht/Sicht
Bremsmessung Die Tuono-Bremse Fern-/Abblendlicht 20 14
glänzt mit feiner Sicht nach vorn/hinten 10 8
Dosierbarkeit und Summe 200 140
brachialer Verzöge- ALLTAGSTAUGLICHKEIT
rung (1), deren Wartungsfreundlichkeit 10 6
Theoretische Reichweite 20 14
Höchstwert von Zuladung 20 9
weit über 10 m/s2 Ausstattung 30 16
wegen des aufstei- Handhabung 20 14
Summe 100 59
genden Hinterrads
nicht durchgehalten KOMFORT
Sitzkomfort Fahrer 40 26
werden kann (2) Sitzkomfort Sozius 20 6
Windschutz 20 5
Laufruhe Motor/Antrieb 20 9
Leistungs 3 - und Gangdiagramm Gut erkennbar Summe 100 46
ist der Einbruch
bei 5000 Um- EIGENSCHAFTSWERTUNG 800 537
drehungen in der
Leistungs- und WIRTSCHAFTLICHKEIT
Drehmomentkurve. UND UMWELT
Verarbeitung 20 16
Das Gangdia- Garantie 30 15
gramm zeigt deut- Verbrauch (Landstraße) 30 17
lich die zu lange Inspektionskosten 30 18
Unterhaltskosten 20 8
Übersetzung. Abgaswerte 30 26
Ein 16er-Ritzel Preis-Leistungs-Verhältnis 40 18
würde helfen Summe 200 118
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