Gauriel - Übersetzung

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Vorbemerkungen

Zur Übersetzung sprach, das je nach Kontext ‘fragte’, ‘rief’, ‘sagte’ u.a.m. meinen kann, weil
Diese Übersetzung des Gauriel und weitere in dieser Reihe zukünftig erschei- sprechen wohl bedeutet: ‘sich - in irgendeiner Art, zu irgendeinem Zweck -
nende richten sich grundsätzlich an studentische Benutzer. Viele Übersetzun- mündlich äußern’); daher kommt es, daß identische mhd. Begriffe nicht immer
gen mhd. Texte schicken die Bemerkung voraus, daß ihr Ziel lediglich eine mit identischen nhd. übersetzt werden können.- Altertümliche Formulierun-
Hinführung zum Verständnis des Originals sei. Das Verständnis des Originals gen werden in Kauf genommen, wenn der Sinn noch erkennbar ist und wenn
umfaßt aber mehr als einen Aspekt - und wie man manchen Übersetzungen dadurch grammatische Formen oder etymologische Zusammenhänge erkennbar
entnehmen kann, ist mit dem Verständnis dort nur der Aspekt des Inhaltlichen werden (z.B. dûhte < dunken übersetzt als 'dünkte', wunne als ‘Wonne’). Auch
gemeint, während das Verständnis grammatischer, rhetorischer, geschichtlicher sonst wird vom mhd. Wortlaut nicht abgewichen, wenn es nicht aus jeweils
usw. Implikationen des Textes zu kurz kommt. Dies liegt vielleicht daran, daß besonderen Gründen notwendig sein sollte: Die Empfehlung, mhd. Wörter
bei der Bestimmung des Zielpublikums durch Verlage, die nicht Fachverlage grundsätzlich durch etwas anderes als durch den nhd. etymologischen Nachfol-
sind, sondern ein breiteres Programm anbieten (müssen), neben Studierenden ger zu übersetzen (Saran/Nagel, S. 3), ist eine gute Empfehlung für den, der
und eventuell Lehrenden im Bereich der Altgermanistik auch noch die Gruppe selbst als Anfänger übersetzen will. Wer aber als Anfänger eine Übersetzung
der ‘interessierten Laien’ ins Auge gefaßt wird. Ich halte diese zwar weitgehend b e n u t z t , wird durch das Resultat eines solchen Verfahrens eher verwirrt.-
für eine Chimäre (vgl. Brandt 1991); aber die Übersetzungen sehen dann tat- Bilder, Vergleiche usw. werden beibehalten, auch wenn sie heute ungebräuch-
sächlich oft so aus, daß auch der interessierte Laie, wenn es ihn denn in nen- lich sind, falls ihre Bedeutung noch erkennbar ist (z.B. 1441f.). Angestrebt ist
nenswerter Zahl noch gibt, das Produkt goutieren kann. Wert gelegt wird an- zeilengetreue Übersetzung; von diesem Prinzip wird aber aus Rücksicht auf
scheinend vor allem auf ‘gutes Deutsch’ - will sagen eine Sprache, die den die neuhochdeutsche Syntax des öfteren abgewichen (zum Fortlaufen der Be-
heutigen Standards angepaßt ist. Dadurch aber kommen die Ansprüche gerade zifferung s.u.: Textgestaltung).- Parataxe wird, um den Stil des Originals spür-
studentischer Benutzer oft gewaltig zu kurz: Der heutige Sprachstandard unter- bar zu machen, meist nicht durch Hypotaxe wiedergegeben (z.B. Vers. 1051-
scheidet sich vom mhd. so gravierend, daß eine ‘gute’ Übersetzung ihre mor- 53). Die Parataxe ist nämlich, wie auf der anderen Seite die oft sehr elaborierten
phologische, syntaktische und semantische Genese fast völlig verstellt und Hypotaxen zeigen (z.B. Vers 1077-83, 1134-39), ein bewußt angewendetes
permanent zu der Frage führt: ‘Wie kommt er/sie denn jetzt d a r a u f ? O- Stilmittel.- Auch dem neuzeitlichen stilistischen Empfinden umständlich er-
berstes Ziel einer Übersetzung für studentische Kreise, deren Sprachkenntnisse scheinende Formulierungen (z.B. 1999f.) werden, so weit möglich, nachge-
noch rudimentär sind, i s t es aber gerade, deutlich zu machen, wie es zu ahmt, um Semantik, Formen und Syntax des Originals einsichtig zu machen.
einer bestimmten Übersetzung gekommen ist. Das bedeutet oft den Verzicht auf Zusätze werden als solche kenntlich gemacht, um den Worlaut des Originaltex-
‘gutes Deutsch’ und bedingt im einzelnen etwa folgende Verfahrensweisen: tes nicht zu verstellen und andererseits immer wieder zu demonstrieren, wie
Wortwiederholungen im Original, die nach ma. Empfinden 'schön' sind, neu- sich sprachliche Möglichkeiten und die dahinterstehenden Vorstellungen ver-
zeitlichem Geschmack aber entgegenstehen, werden in der Übersetzung meist ändert haben.- Die Zeichensetzung der Ausgabe wird für die Übersetzung
nicht durch Variation kaschiert (vgl. das dreimalige hêr/herre in Vers 1665f.); nicht als verbindlich erachtet: Interpunktion ist immer auch schon Interpretati-
das gleiche betrifft die Figur der adnominatio (s. Anm. 131, 1224/26: er sluoc on, und wo die durch den Herausgeber Khull vorgenommene Interpretation
... einen slac; 1636f.: 'die Ritter ritten'. Manche Wortwiederholungen im Mhd. nicht als zwingend betrachtet werden kann, wurde davon abgewichen. Oft ver-
erklären sich allerdings auch dadurch, daß einzelne Wörter eine größere Bedeu- stellt die Interpunktion auch den Stil, z.B. wenn eine Reihe von Hauptsätzen
tungsbreite haben als ihre Nachfolger im Nhd. (vgl. etwa das formelhafte er aufeinander folgt und diese nur durch Komma getrennt werden (s.o. zur Parata-
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xe); sie bleiben zwar syntaktisch auch dann Hauptsätze, es ergibt sich aber der Die Versbezifferung erfolgt schematisch, d.h. Umstellungen in der Überset-
Eindruck größerer Gegliedertheit. zung gegenüber dem Original werden nicht vermerkt.- Zusätze (z.B. Vers 20)
stehen in eckigen Klammern.- Eingerückte Textteile (z.B. nach Vers 8 oder
Aus diesen und anderen Verfahrensweisen resultiert allerdings, daß die optima- 18) gehören noch zum vorhergehenden Vers.- Kreuze (†) vor und hinter einer
le Rezeption der Übersetzung nur im synoptischen Gebrauch mit dem Original Stelle oder einem Wort (z.B. Verse 310, 482) deuten an, daß die Übersetzung
liegen kann. Was in der Übersetzung 'seltsam', weil von Ausdruck, Stilistik, unklar ist. Ich habe keine Scheu offenzulegen, wo eine Stelle für mich schwie-
Syntax her ungewohnt erscheint, sollte Veranlassung sein, das Übersetzte am rig oder problematisch zu übersetzen war; eine Kaschierung solcher Sachver-
Original zu überprüfen und nachzuvollziehen. halte durch eine 'elegante', aber nicht nachvollziehbare Übersetzung würde die
Verantwortung nur den Rezipienten zuschieben. Sinnlos wäre es auch, an ein-
Der Bezugstext zelnen Stellen zugunsten bequemerer Übersetzungsmöglichkeiten auf Varianten
Der vorliegende Text ist eine Übersetzung der Ausgabe Khulls (s. Literaturver- aus dem Apparat der Ausgabe zurückzugreifen. Der Herausgeber hat sich bei
zeichnis s.v. ‘Gauriel’). Dies Ausgabe bringt eine Menge von Problemen mit dem von ihm hergestellten Text etwas gedacht (so steht jedenfalls zu hoffen ...);
sich (s. z.B. die Anmerkungen 67, 100). Die wesentlichsten Einwände finden er hat also seinen Text durchgängig für übersetzbar gehalten; gegebenenfalls
sich schon in der Rezension Steinmeyers (1888) versammelt: Wie die zahlrei- läuft hier die Übersetzungsarbeit also auf die Rekonstruktion des vom Heraus-
chen inhaltlichen Ungereimtheiten des Textes zeigen, war Khulls Methode der geber in den Text hineingelegten Sinns hinaus.
Herstellung des Originals verfehlt: „indem er der äußerlich sorgfältigeren Inns-
brucker hs. (I) im allgemeinen den vorzug vor der Donaueschinger (D) gibt, Zu den Anmerkungen
spricht er nur diejenigen partien, welche beide mss. gemeinschaftlich enthalten, Grundsätzliche, wertvolle Überlegungen zu Funktion und Beschaffenheit von
für das eigentum des dichters an und nimmt sie in seinen Text auf [...].“ (Stein- Kommentaren finden sich bei Tervooren 1989 (zur praktischen Anwendung s.
meyer S. 262) Es handelt sich also um einen durchaus künstlichen Text. Auf Tervooren 1991). Die Anmerkungen zu in dieser Reihe übersetzten Texten
der anderen Seite hat Steinmeyer plausibel zu machen versucht, daß auch nicht haben jedoch nicht den Zweck, einen fortlaufenden und vollständigen Kom-
alle in I und D deckungsgleichen Stellen Bestandteile des Originals oder des mentar zu liefern. Grammatische Erläuterungen sowie literatur-, kultur-, rea-
Archetypus gewesen sein können. Trotzdem habe ich mich entschieden, nur die liengeschichtliche usw. Hinweise erfolgen nicht systematisch, sondern spora-
Khullsche Edition zur Grundlage der Übersetzung zu machen - aus einem ganz disch. Diese Reihe will Übersetzungen zum Eigenstudium oder für die Arbeit in
pragmatischen Grund: Wer im Studium den Gauriel kennenlernt, kann ihn Seminaren zur Verfügung stellen und die Arbeit mit dem speziellen Text nicht
mangels anderer Ausgaben (oder besser - angesichts der Existenz einer Faksi- vorwegnehmen oder lenken; es werden also so gut wie keine interpretatorischen
mile-Ausgabe von Wolf -: mangels einer anderen von Studierenden b e - Hinweise gegeben. Jede neue Textlektüre sollte aber einerseits sprach- und
n u t z b a r e n Ausgabe) nur in dieser Edition kennenlernen. Nachteile für literaturgeschichtliche Grundkenntnisse wieder abrufen und verfestigen, ande-
das Veständnis habe ich ab und an dadurch auszugleichen versucht, daß ich in rerseits natürlich die sprach- und literaturgeschichtlichen Kenntnisse ausbauen;
den Anmerkungen Plusverse aus I oder D zitiert habe; aus leichtverständlichen daher erfolgen auch vereinzelt Hinweise auf Parallelen oder kontroverse Ges-
Gründen konnte dieses Verfahren aber nicht extensiv angewendet werden. taltungen in anderen mittelalterlichen Texten. Beabsichtigt ist, paradigmatisch
Außerdem soll - s.o. - diese Übersetzung ja gerade dazu anhalten, den Apparat auf Schwierigkeiten aus den angesprochenen und anderen Bereichen hin-
zu benutzen, und diesen Umweg nicht ersparen. In den Schlußteil habe ich zuweisen, wo nötig, auch die Übersetzung zu rechtfertigen und so den Blick
(durch Kursivdruck und Einrückung kenntlich gemacht) den Passus der Hs. D dafür zu schärfen, wo ü b e r h a u p t Verständ-nisschwierigkeiten auftau-
eingearbeitet, in dem Konrad von Stoffeln als Autor genannt wird. chen können. Zweck der Anmerkungen ist mithin, auf die grammatische,
sprachliche und 'gehaltliche' I n t e r p r e t a t i o n s - b e d ü r f t i g k e i t
Zur Textgestaltung der Übersetzung dieses (wie jeden) Textes hinzuweisen. Dazu wird auch ab und an auf Varian-
ten, Zusätze oder Auslassungen in anderen Handschriften verwiesen, um zum
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Gebrauch der Apparate von Editionen anzuhalten. Im übrigen soll nicht zuletzt Brandt 1989: Rüdiger Brandt: Wortgeschichts- und Wortbedeutungsstudien.
auch dort, wo Sekundärliteratur einbezogen wird, demonstriert werden, daß geniezen - engelten, wellen, geil. Frankfurt a.M. (u.a.): Lang 1989 (EHS 1,
sich mit deren Hilfe auch nicht alle Probleme lösen lassen (eine Erfahrung, die 1107).
man im Studium gar nicht früh genug machen kann!).- Brandt 1991: Rüdiger Brandt: „’Rezeption der Rezeption’ in Lehre und For-
schung. Textausgaben mittelhochdeutscher Literatur mit Übersetzungen am
Zu den Literaturhinweisen Beispiel der Taschenbuchverlage Reclam und Fischer.“ In: Irene von Burg
Auch Literaturhinweise erfolgen nicht systematisch, sondern nur dort, wo an (u.a., Hg.): Mittelalter-Rezeption IV: Medien, Politik, Ideologie, Ökonomie.
konkreten Stellen auf literarische oder wissenschaftliche Quellen zu verweisen Göppingen: Kümmerle 1991 (GAG 550), S. 259-279.
ist. Das Literaturverzeichnis weist also nur die in den Anmerkungen genann- Braune: Wilhelm Braune: Althochdeutsche Grammatik. Fortgeführt von Karl
ten Textausgaben und Untersuchungen nach, verweist aber angesichts der be- Helm. 12. Aufl. bearb. von Walther Mitzka. Tübingen: Niemeyer 1967 (Samm-
absichtigten (s.o.) ‘Buntheit’ der Anmerkungen auf eine Reihe von Werken, lung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. A. Hauptreihe Nr. 5).
von denen Studierende der germanistischen Mediävistik wissen sollte, daß es Brüggen: Elke Brüggen: Kleidung und Mode in der höfischen Epik des 12. und
sie gibt (Grammatiken, Wörterbücher, Handbücher etc.).- In den Anmerkun- 13. Jahrhunderts. Heidelberg: Winter 1989 (Beihefte zum Euphorion 23).
gen wird auf Literatur nur mit Titel oder Verfassernamen verwiesen; das Litera- Buhle: Edward Buhle: Die musikalischen Instrumente in den Miniaturen des
turverzeichnis ist nach den betr. Lemmata geordnet. frühen Mittelalters. Ein Beitrag zur Geschichte der Musikinstrumente. Bd. 1:
Die Blasinstrumente. Leipzig: Breitkopf und Härtel 1903.
Bumke: Joachim Bumke: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen
Verzeichnis der erwähnten Texte Mittelalter. 2 Bde. München: dtv 1986. (zit. mit römischer Band- und arabi-
und Untersuchungen scher Seitenzahl)
Cram: Cram: Iudicium belli. Zum Rechtscharakter des Krieges im deutschen
Mittelalter. Münster, Köln: Böhlau 1955 (Beihefte zum Archiv für Kulturge-
Arme Heinrich, Der: Hartmann von Aue: Der arme Heinrich. Hrsg. von Her- schichte 5).
mann Paul. 14., neu bearb. Aufl. von Ludwig Wolff. Tübingen: Niemeyer 1972 Daniel: Der Stricker: Daniel von dem Blühenden Tal. Hrsg. von Michael Res-
(ATB 3). ler. Tübingen: Niemeyer 1983 (ATB 92).
Antichrist-Druck: Der Antichrist und die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Duden-Etymologie: Duden. Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen
Gericht. (Faksimile und Kommentarband in einem Band) Hamburg: Wittig Sprache. Bearb. von der Dudenredaktion unter Leitung von Paul Grebe. Mann-
1979. heim: Bibliographisches Institut. Dudenverlag 1963.
Ava: Die Dichtungen der Frau Ava. Hrsg. von Friedrich Maurer. Tübingen: DWB: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 32 Bde. und
Niemeyer 1966 (ATB 66); darin S. 61 - 68: „Das Jüngste Gericht“. Registerband. Nachdruck der Ausgabe 1854-1954. München: dtv 1984.
BMZ [Benecke/Müller/Zarncke]: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Be- Engelen: Ulrich Engelen: Die Edelsteine in der deutschen Dichtung des 12.
nutzung des Nachlasses von Georg [Friedrich] Benecke ausgearbeitet von Wil- und 13. Jahrhunderts. München: Fink 1978 (Münstersche Mittelalter-Schriften
helm Müller und Friedrich Zarncke. 3 Bde. (in 4). 3. Nachdr. d. Ausg. Leipzig: 27).
Hirzel 1854 - 1861. Hildesheim, Zürich, New York: Olms 1986. Erec: Hartmann von Aue: Erec. Hrsg. von Albert Leitzmann. 5. Aufl. bes. von
de Boor: Helmut de Boor: „Der Daniel des Stricker und der Garel des Pleier“. Ludwig Wolff. Tübingen: Niemeyer 1972 (ATB 39).
In: PBB (Tübingen) 79 (1957], S. Fnhd. Grammatik: Oskar Reichmann/Klaus-Peter Wegera (Hg.): Frühneu-
Brandt 1986: Rüdiger Brandt: Kleine Einführung in die mittelalterliche Poetik hochdeutsche Grammatik. Von Robert Peter Ebert, Oskar Reichmann, Hans-
und Rhetorik. Göppingen: Kümmerle (GAG 460). Joachim Solms und Klaus-Peter Wegera. Tübingen: Niemeyer 1993 (Samm-
lung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. A. Hauptreihe Nr. 12).
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Frau Ava: s. Ava Legenda aurea: Jacobi a Voragine Legenda aurea vulgo historia Lombardica
Friedrich von Sonnenburg: Die Sprüche Friedrichs von Sonnenburg. Hrsg. dicta. Ad optimorum librorum fidem recensuit Th[eodor] Graesse. Reproductio
von Achim Masser. Tübingen: Niemeyer 1979 (ATB 86). phototypica ed. tertiae, [Vratislaviae] 1890. Osnabrück: Zeller 1965.- Übers.:
Friess: Gerda Friess: Edelsteine im Mittelalter. Wandel und Kontinuität in ihrer Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übers. von
Bedeutung durch zwölf Jahrhunderte (in Aberglauben, Medizin, Theologie und Richard Benz. 10. Aufl. Heidelberg: Schneider 1984 (Sammlung Weltliteratur.
Goldschmiedekunst). Hildesheim: Gerstenberg 1980. Serie 1).
Gauriel: Gauriel von Muntabel. Eine höfische Erzählung aus dem 13. Jahr- Lexer: Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als
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Habel/Gröbel: Edwin Habel / Friedrich Gröbel (Hg.): Mittellateinisches Glos- 1979.
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Iwein: Hartmann von Aue: Iwein. Text der siebenten Ausgabe von G[eorg] nallegorese vom frühen Christentum bis ins 18.Jahrhundert. München: Fink
F[riedrich] Benecke, K[arl] Lachmann und L[udwig] Wolff. Übers. und Anm. 1977 (Münstersche Mittelalter-Schriften 34/1).
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Jacobus de Voragine: s. Legenda aurea Hugo Moser und Helmut Tervooren. Bd. 1: Texte. Stuttgart: Hirzel 1977.
Konrad, Pfaffe: s. Rolandslied MGG: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der
Konrad von Stoffeln: s. Gauriel Musik. [...] hrsg. von Friedrich Blume. Bd. 11. Kassel (u.a.): Bärenreiter 1963.
Konrad von Würzburg: s. Trojanische Krieg, Der Möller: Dietlind Möller: Untersuchungen zur Symbolik der Musikinstrumente
Laubacher Barlaam: Bischof Otto II. von Freising: Der Laubacher Barlaam. im Narrenschiff des Sebastian Brant. Regensburg: Bosse 1982 (Kölner Beiträge
Hrsg. von Adolf Perdisch. Nachdruck der Ausg. Tübingen 1913. Hildesheim, zur Musikforschung 125).
New York: Olms 1979. Nibelungenlied: Das Nibelungenlied. Nach der Ausgabe von Karl Bartsch.
Lausberg: Heinrich Lausberg: Elemente der literarischen Rhetorik. 4., durch- Hrsg. von Helmut de Boor. 21., revid. und von Roswitha Wisniewski erg. Aufl.
ges. Aufl. München: Hueber 1971. Wiesbaden: Brockhaus 1979 (Deutsche Klassiker des Mittelalters).
Lecouteux: Claude Lecouteux: Les monstres dans la littérature allemande du Panzer: Friedrich Panzer: Vom mittelalterlichen Zitieren. Heidelberg 1950 (SB
moyen âge. Contribution à l’études du merveilleux médiéval. Göppingen: der Heidelberger Ak. d. Wiss., Phil.-Hist. Kl., 35,3).
Kümmerle 1982 (GAG 330).
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Paul: Hermann Paul: Deutsches Wörterbuch. 9., vollst. überarb. Aufl. von Tschirch: Fritz Tschirch: Geschichte der deutschen Sprache. Erster Teil: Die
Helmut Henne und Georg Objartel. Tübingen: Niemeyer 1992. Entfaltung der deutschen Sprachgestalt in der Vor- und Frühzeit. 3., durchges.
Paul/Mitzka: Hermann Paul: Mittelhochdeutsche Grammatik. Fortgeführt von Aufl. von Werner Besch. Berlin: Schmidt 1983 (Grundlagen der Germanistik
Erich Gierach und Ludwig Erich Schmitt. Die Satzlehre von Otto Behagel. 19. 5).
Aufl. bearb. von Walther Mitzka. Tübingen: Niemeyer 1963 (Sammlung kurzer VfL: Christoph Cormeau: Art. ‘Konrad von Stoffeln’. In: Die deutsche Litera-
Grammatiken germanischer Dialekte. A. Hauptreihe Nr. 2). tur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet von Wolfgang Stammler [...].
Paul/Moser/Schröbler: Hermann Paul: Mittelhochdeutsche Grammatik. 21., Zweite, völlig neu bearb. Aufl. [...] hrsg. von Kurt Ruh [...]. Bd. 5. Berlin, New
durchges. Aufl. von Hugo Moser und Ingeborg Schröbler. Tübingen: Niemeyer York: de Gruyter 1985, Sp.254 - 255.
1975 (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. A. Hauptreihe Volmar: Hans Lambel (Hg.): Das Steinbuch. Ein altdeutsches Gedicht von
Nr. 2). Volmar. Heilbron 1877.
Paul/Wiehl/Grosse: Hermann Paul: Mittelhochdeutsche Grammatik. 23. Aufl. Von Edelsteinen: Der Stricker: ‘Von Edelsteinen’. In: Wolfgang Wilfried
neu bearb. von Peter Wiehl und Siegfried Grosse. Tübingen: Neimeyer 1989 Moelleken (u.a., Hg.): Die Kleindichtung des Strickers. Bd. IV. Göppingen:
(Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. A. Hauptreihe Nr. 2) Kümmerle 1977 (GAG 107, IV), S. 206-214.
Pretzel: Ulrich Pretzel: Mittelhochdeutsche Bedeutungskunde. Unter Mitarbeit Walther von der Vogelweide: Die Gedichte Walthers von der Vogelweide.
von Rena Leppin. Heidelberg: Winter 1982 (Germanische Bibliothek, Reihe I). Hrsg. von Karl Lachmann. 13., aufgrund der 10. von Carl von Kraus bearb.
Rolandslied: Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Hrsg. von Carl Wesle. 2. Ausgabe, neu hrsg. von Hugo Kuhn. Berlin: de Gruyter 1965.
Aufl. bes. von Peter Wapnewski. Tübingen: Niemeyer 1967 (ATB 69). Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Hrsg. von Karl Friedrich Wilhelm
König Rother: Rother. Hrsg. von Jan de Vries. 2., unveränd. Aufl. d. Ausgabe Wander. Nachdruck der Ausg. Leipzig 1867. Kettwig: Athenaion 1987.
Heidelberg 1922. Heidelberg: Winter 1974 (Germanische Bibliothek. Reihe 4: Wandhoff: Haiko Wandhoff: „Gemalte Erinnerung. Vergils Aeneis und die
Texte). Troja-Bilddenkmäler in der deutschen Artusepik.“ In: Poetica 28 (1996, H. 1-
Saran/Nagel: Franz Saran: Das Übersetzen aus dem Mittelhochdeutschen. 2, S. 66-96.
Neubearbeitet von Bert Nagel. 5., erg. Aufl. Tübingen: Niemeyer 1967. Wolf: Sammlung kleinerer deutscher Gedichte. Vollständige Faksimile-
von See: Klaus von See: „Probleme der altnordischen Spruchdichtung.“ In: Ausgabe des Codex FB 32001 des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum.
ZfdA 104 (1975), S. 91 - 118. Einführung von Norbert Richard Wolf. Graz: Akademische Druck- und Ver-
Steinmeyer: Elias Steinmeyer: (Rezension zur Gauriel-Ausgabe Khulls). In: langs-Anstalt 1972 (Codices selecti 29).
AfdA 12 (1888), S. 261-265. Zak: Sabine Zak: Musik als ‘Ehr und Zier’ im mittelalterlichen Reich. Studien
Stricker: s. Von Edelsteinen, s. Daniel zur Musik im höfischen Leben, Recht und Zeremoniell. Neuss: Päffgen 1979.
Tervooren 1989: Helmut Tervooren: „Lied und Kommentar. Überlegungen zur
Kommentierung mittelhochdeutscher Liebeslyrik.“ In: DU 1989, H. 1, S. 74-
89.
Tervooren 1991: Helmut Tervooren: Reinmar-Studien. Ein Kommentar zu den
‘unechten’ Liedern Reinmars des Alten. Stuttgart: Hirzel 1991.
Thoss: Dagmar Thoss: Studien zum Locus Amoenus im Mittelalter. Wien:
Braumüller 1972 (Wiener Romanistische Arbeiten 10).
Trojanische Krieg, Der: Der trojanische Krieg von Konrad von Würzburg.
Nach den Vorarbeiten K. Frommanns und F. Roths zum ersten Mal herausge-
geben von Adelbert von Keller. Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1858. Ams-
terdam: Rodopi 1965.
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Text

Eine beklagenswerte Situation hat mich veranlaßt, Deshalb sollen wir nicht [mehr] davon Die Huld dieser Dame
an die Berichte zu denken, sprechen und [stattdessen] davon berichten, 50 verlor er durch eine sehr kleine Schuld;
die man uns von den Alten überliefert, was jeder von ihnen vergessen hat - davon werde ich euch erzählen:
deren Tugend immer noch die Krone trägt. 35 [nämlich] von einem Ritter, der so vortrefflich Es geschah an einem Pfingsttag,
5 Die Tugend der Alten wird so geschildert, war, daß der mutige Ritter
daß mir vor der Jugend sehr oft graust, daß es mich schmerzt, auf âventiure ausritt, [und zwar]
wenn ich hören muß, daß sich niemand an ihn erinnert hat, 55 in der Nähe seiner Burg in einen Wald hinein.
daß vornehme junge Leute sich unvornehm obwohl er doch so manchen in Bedrängnis Dort gab es viele Wege.
aufführen. gebracht hat, der aus tapferer Gesinnung Da kam er auf einen Pfad,
Heute treibt man viel Kurzweil, 40 auf âventiure ausgeritten ist. der ziemlich unbenutzt war,
10 die früher als unziemlich galt, Er hat um der Frauen willen Wundertaten vollbracht; grasbewachsen und schmal.
als triuwe und êre noch die Krone sein Körper war vollkommen. 60 Er mußte nicht lange reiten,
vor allem anderen [Tugenden] trugen. Nun aber ist Eine Königin hatte ihn sich als Geliebten genommen; bis dieser Weg ihn in ein Tal führte.
genug gesagt worden von dieser Sache. der erschien er so lobenswert, Dort hörte er herrliche Musik:
Es fällt schwer, Beispielhaftes 45 daß sie ihn mit Ehrungen und Besitz beschenkte, Geigen, Gesang
15 zu erzählen an Orten, wo man sich davon ihm Ansehen und hohe Gesinnung verlieh, und Harfen [hörte er] klingen,
nicht bessert. Wenden wir uns davon ab ihn mit Kraft und Liebe erfüllte. 65 Rotten2 und Flöten.
und der Geschichte zu, Diese [Königin] war eine Fee1.
um deretwillen ich mit diesem Thema überhaupt
angefangen habe. g e h a l t e n wurden. Diese Auffassung wird be-
1 Die Bedeutung von gotinne ist (zumal 2849 das ein- zeichnet als Euhemerismus (nach dem griech. Philoso-
Der König Artus hielt
20 einst Hof zu Karidol. deutigere veine = Fee verwendet wird) nicht ganz klar; phen Euhemeros, der sie bereits um 300 v.Chr. vertrat).
da ging es so zu, wie ihr ja sicher gehört habt, wegen der in 2825 genannten gote und gotinnen der Ein Beleg für die euhemiristische Position in fiktionaler
daß man zu keinem Ende käme [, wenn man davon minne könnte tatsächlich auch an die Bedeutung ‘Göt- Literatur findet sich etwa in Konrads von Würzburg
erzählen wollte]. tin’ gedacht werden. Mit dieser Bedeutung hat, wie ja Trojanerkrieg, 858ff oder im Laubacher Barlaam,
Wer immer sich da etwas wünschte, etwa auch die Minnegrottenepisode in Gottfrieds Tristan 13608ff. Ob solche Begründungen stets mitgedacht
der fand, was er suchte, oder die distanzlosen Erwähnungen in vielen Antiken- wurden oder ob nicht auch schon das Mittelalter derglei-
25 denn da gab es jede Menge tapferer Kämpfer, romanen zeigen, das Mittelalter kaum Probleme. Die chen einfach als Fiktion goutieren konnte, kann zumin-
die ihr ja aus meisterhafter Literatur Existenz von Göttern und Göttinnen konnte durch zwei dest gefragt werden. Es hat aber historische Situationen
alle gut kennt - verschiedene Verfahren mit der Religion in Überein- gegeben, die eine euhemeristische Auslegung gegenüber
wo immer man einen von ihnen nennt. klang gebracht werden: Entweder sah man sie als in der vorherigen einheimischen Götterwelt nötig machten,
Meister Gotfrit, Herr Hartmann und teuflischem Auftrag agierende Dämonen, oder man z.B. in Skandinavien nach der Christianisierung (vgl.
30 Herr Wolfram von Eschenbach erklärte sie als Menschen mit besonderen Fähigkeiten, von See, S. 97, 100).
die aufgrund dieser von ihren Mitmenschen in noch 2Sowohl bei herphen als auch bei rotten handelt es sich
haben euch damit bekannt gemacht.
nicht christlich ‘aufgeklärten’ Zeiten für Götter um Saiteninstrumente. Mittelalterliche Instrumentenbe-
7

Da ergriff ihn dem Saitenspiel eine Erwiderung bereiten. eine Dame; die setzte in
eine Stimmung, die ihn so köstlich dünkte, 75 In der Mitte entsprang eine schöne Quelle, 110 neben sich und erfreute ihn
daß alle traurigen Gefühle ihn verließen. die kühl durch die Blumen floß. nach bestem Vermögen
Da ritt er fröhlich auf die Stelle zu, Er sah dort, daß man auf dem schmalen Platz lange Zeit mit Gesprächen.
70 [von] wo er diese wunderbare Musik ein prächtiges Zelt aufgeschlagen hatte, Sie erzählte ihm Neuigkeiten und er ihr;
im Wald hörte. in dem Damen saßen. nie haben wir so angenehme Konversation gehört
Viele Vögel 80 Man hatte dort ein Fest mit begrenztem 115 wie die, welche die beiden führten.
hörte er mit Gesang Teilnehmerkreis Beide versprachen,
ohne Männer arrangiert, das Schönste zu erzählen
mit vielen schön gekleideten Damen. zum Thema Liebe, das sie wußten;
zeichnungen sind nie ganz eindeutig - selbst da nicht, Eine mächtige Königin hatte das angeordnet. das entsprach beider Interesse.
wo man über mit Bezeichnungen versehene Abbildun- Das Fest sollte derart sein, 120 Diese gegenseitige Unterhaltung führten sie,
gen in Handschriften verfügt; es gibt im allgemeinen 85 daß kein Mann dort anwesend sein sollte - bis die Dame den
nämlich noch keine verbindlich festgelegte Nomenkla- außer Köchen und Dienern tugendhaften Mann fragte,
tur, und andererseits herrscht bei den einzelnen Instru- für den Fall, daß man essen wollte ob er jemals,
menten ein beachtlicher Formenreichtum. Entsprechend oder Betten aufzuschlagen waren; wenn er ehrlich sei,
verwirrend und z.T. widersprüchlich sind oft die Anga- dann leisteten sie unverzüglich und wohlerzogen 125 irgendwo anders
ben in der Fachliteratur: Im LMA, Bd. 6, Sp. 961 findet ihren Dienst - eine so schöne Dame3 wie [ihre Herrin] hier gesehen
sich zum mittellateinischen rotta, aus dem rotte entstan- 90 aber entfernt von den Damen. habe.
den ist, die Bemerkung, es handele sich bei dem Wort Dorthin kam der Hochgestimmte. Der höfische und schöne Mann
um die in Deutschland übliche Bezeichnung der „Harfe Er glaubte, ihm wäre etwas Gutes geschehen, sagte: „In all den Jahren,
in ihrer frühen Erscheinungsform“; bei Habel/Gröber dort hingelangt zu sein - die ich bis heute gelebt habe,
steht s.v. rotta: „die Rotte, ein gitarrenartiges Musikin- aber er hätte den Ausritt besser unterlassen! 130 habe ich niemals
strument, aus dem unsere Geige hervorgegangen ist“; 95 Er stieg ab auf das Gras, solche Schönheit gesehen wie hier
oder handelt es sich etwa um „ein [...] gezupftes oder blieb aber dort nicht länger, (ich sage Euch die Wahrheit!) -
gestrichenes Saiteninstrument“, das „organologisch zu als bis er sein Pferd angebunden hatte. mit Ausnahme einer Dame, die ich erblickt habe.“
den Leierinstr[umenten] [...] gehört“ und „häufig mit Sofort [danach] ging er zu den Damen Das bereute er später sehr:
dem Bogen gestrichen“ wird? (MGG Bd. 11, Sp. 992, in das schöne Zelt. 135 Er hatte seine Dame verraten -
993) Zeitgenössische Abbildungen von Instrumenten 100 Nun hört, wie man ihn empfing: deswegen mußte ihm Leid widerfahren,
z.B. bei Buhle. Eine beachtliche Sammlung von Origi- Freundlich grüßte ihn und sein Gemüt wurde betrübt.
nalinstrumenten besitzt in Deutschland u.a. das Germa- die mächtige Königin, Aber [seine Worte] konnten nicht zurückgenommen
nische Nationalmuseum Nürnberg; s. Meer.- Die Musik danach [begrüßten ihn] die strahlend schönen werden.
spielt in allen sozialen Schichten des Mittelalters eine Damen, Da wurde er so rot ihm Gesicht,4
große Bedeutung für das gesellschaftliche Leben. In die mit der Königin dorthin gekommen waren.
Klerus und Adel (und später auch in städtischen Füh- 105 Er wußte ihnen dafür zu danken. 3vrowen kann Singular oder Plural sein; s. aber Vers
rungsschichten) hat sie speziell auch eine repräsentative Die Königin forderte ihn auf, sich zu setzen.
Funktion; vgl. Zak. Wegen dieser Bedeutung verwun- 146.
Dem kam er gehorsam nach. 4Wörtlich: ‘von übler Farbe’, ‘entfärbt’; s. aber Vers
dert es nicht, daß Musikinstrumente auch Träger allego- Zur Gesellschaft nahm ihn
rischer Bedeutungen sind. (s. etwa Möller, Giesel). 144.
8

140 daß die Dame bemerkte, gut versehen war. 210 werdet Ihr mir ab jetzt auf ewig ein Fremder sein.
daß er über seine [eigenen] Worte so erschrocken Ausgestattet war es - Ihr wart mir unermeßlich
war. falls meine Quelle nicht lügt - lieb - auch wenn ich Euch jetzt aufgebe.
Das wunderte sie sehr. mit goldenen Balken. Ihr habt uns dessen beraubt.
Sie fragte: „Was ist Euch geschehen? 180 die es umfaßten. Aber ich werde leicht Ersatz für Euch finden -
Ich habe gesehen, daß Ihr schamrot [geworden seid]. In diese Goldumrandung 215 Ihr aber niemals für mich;
145 Ihr sagt, ihr habt eine Frau gesehen, waren viele Hyazinthe5 eingefügt, Der Schaden soll allein Euer sein.“
die schöner ist als meine Herrin. und [auch] viele andere Edelsteine leuchteten dort in Er sprach: „Herrin, wenn der Zorn
Wenn Ihr dafür keinen Beweis habt, der Kemenate. mir gegenüber nicht aufgegeben wird -
dann lassen wir's einfach 185 Sollte ich angemessen wozu sollte mir das Leben noch [nützlich] sein?
gut sein und vertragen uns.“ über das Bettzeug 220 Erinnert Euch, segensreiche Frau,
150 „Meine Dame, wirkungslos ist, und die Bettvorhänge berichten, an Euer edles Wesen und zeigt Gnade.“
was immer Ihr mir als Trost anbieten könnt. würde die Erzählung zu lange dauern; Sie sagte: „Das kann nicht sein,
Ich glaube, ein trauriges Leben geht mit mir zuende - ich unterlasse es nur aus dem Grund, wenn ich nicht meine Überlegenheit verlieren will.
ob ich will oder nicht.“ 190 daß man ja schon viel von prächtigem Bettzeug Mein Stand7 hat große Macht.
Genauso verhielt er sich auch, und ihn bedrückte gehört hat. 225 So lange Ihr meine Existenz verschwiegen hättet,
155 der Jammer, den er erwartete, Aber wer immer auf diesem Bett wäre ich Euch nie versagt geblieben.
den Verlust, den er dadurch erfuhr, lag und nicht redete, Nun aber habt Ihr Euch meiner gerühmt,
daß er seine Dame verspielt hatte, den konnte niemand sehen. deshalb müssen wir geschieden sein.
die ihn vor allen anderen Männern Ich will euch auch wahrheitsgemäß sagen: Allerdings würde es mich sehr kränken, wenn Euch
auf Erden als Geliebten auserwählt hatte. 195 wer müde und schwach in dieses Bett ging, 230 jemals eine andere Frau außer mir
160 Sie hatte ihm bis heute der wurde gesund und frisch. auf Erden liebte.
auch großes Ansehen verschafft - Hört weiter: Ich glaube aber nicht, daß dies jemals geschieht.
entsprechend große Not mußte er später leiden. Der Herr ging in den Hauptsaal [seiner Burg], Gebt gut acht: Wie vollkommen Ihr
Er bat die Dame, Abschied nehmen zu dürfen, wie er es früher viel gemacht hatte, auch immer während Eurer besten Jahre
wie es sich gehörte, 200 und wünschte mit eindringlichen Bitten 235 in bezug auf Euren Körper gewesen seid -
165 und ritt sehr traurig seine Dame herbei. die Schönheit wird Euch jetzt ganz genommen,
und gar nicht [mehr] frohgemut Aber sie ließ ihn merken, und Ihr werdet einen
nach Muntabel auf seine Burg. daß sie seinen Verrat häßlichen und fremdartigen Anblick bieten.
Er hatte ein Gemach aus schlimm bestrafen wollte. Bleiben aber werden Euch
grünen, roten, blauen und gelben Saphiren; 205 Doch kam sie [zunächst] zu ihm dorthin 240 Körperstärke, Verstand
170 dorthin lud er zuchtvoll und sagte: „Wo habt Ihr Euren Verstand gelassen, und Euer mannhafter Charakter.
seine Dame, so oft in daß Ihr mich ohne zwingenden Grund verspielt habt? Sehr, was Euch für [Euer Vergehen] erwartet:
die Liebe zu ihr und seine Gedanken an sie ihn dazu Mich reut, daß ich Euch [jemals] auserwählt habe. In dieser Gestalt werdet Ihr sterben,
trieben. Da ich an Euch nicht das finde, was ich erwartet wenn Ihr keine Gnade erwerbt.“
In dieser Kemenate habe,6
stand ein Bett, 6gebresten an wörtlich ‘mangeln an’.
175 das mit wertvollem Bettzeug 5Hyazinth: 7Wahrscheinlich
Zirkon von roter Farbe. ist ihre Feennatur gemeint.
9

245 Nach diesen Worten verschwand sie Das soll und wird mich nicht verdrießen. auch nur eine Speerlänge zurück.
sofort vor seinen Augen. ich will mein Leben wagen. Ein gutes Jahr war er so unterwegs,
Nun wurde der tugendhafte Mann Um der Ehre meiner Herrin willen daß er ergeben die schmerzliche
sehr krank; will ich mein ganzes Leben lang und schimpfliche Strafe seiner Herrin erduldete.
den großen Schaden, 285 âventiure suchen - 320 Dann schickte sie Boten auf seine heimatliche
250 mit dem er belastet war, oder ich werde wieder schön.“ Burg.
† ertrug er, so gut er es vermochte, Nun hatte er da [auf seiner Burg] Sie wollte ihr Wohlwollen ihm gegenüber
(ungelogen, ich spreche die Wahrheit!) noch nicht ganz vergessen.
mit Anstand †, wie es sich für ihn gehörte.
einen großen und starken Bock aufgezogen, Eines Tages saß er
Nachdem man ihn aufs Krankenbett gelegt hatte, 290 den es nie verdroß, 325 unter einer Linde vor dem Burggraben.
erzählten seine Leute, ohne etwas auszulassen, mit seinem Herrn Da sah er eine junge, stolze Edeldame9
255 wie krank ihr Herr sei; in nahe und entfernte Gegenden zu ziehen im Zeltgang heranreiten.
das wurde im ganzen Land verbreitet. und ihm aus mancher Notlage zu helfen, Auf einem blutroten Pferd
Verwandte und Vasallen kamen in der der Tod ihm schon bestimmt schien. ritt sie über den grasbewachsenen Boden.
und wunderten sich außerordentlich, 295 Auf seinem Waffenrock trug er 330 Er dachte bei sich: „Wer
daß sein Körper sich verunstaltete, einen aus Gold gefertigten Bock, kann diese Jungfrau sein?
260 während sie alle zusehen konnten. ebenso auf seinem Schild. Sie ist über alle Maßen prächtig gekleidet.“
Sein Leid vergrößerte sich, Auf diese Weise änderte sich sein Name, Dann ging er auf die Jungfrau zu
denn Farbe und Sprache indem er nämlich in allen Landen und begrüßte sie höflich.
änderten sich. 300 'der Ritter mit dem Bock' genannt wurde. 335 Sie sprach: „Ich muß Gott danken!
Durch die Strafe seiner Dame, Er machte sich auf den Weg. Ich habe großen Erfolg gehabt,
265 die sie ihm im Zorn mit ihrer Zauberkraft Es war ihm recht, Euch hier zu finden.
auferlegt hatte, wenn jemand mit ihm um die Ehre kämpfen wollte; Laßt es Euch nicht zu schwer werden,
wurde er so häßlich, ihn verlangte nach nichts anderem, wenn Ihr Eure Herrin
daß ich es gar nicht sagen kann - 305 als Ruhm zu erwerben 340 jemals wieder sehen wollt,
so scheußlich wurde er. oder mit Ehren zu sterben. zu leisten, was sie Euch nun
So lag er - das ist wahr - Er hatte aber einen Begleiter dabei, befohlen hat. Was, das steht in diesem Brief.
270 ein gutes halbes Jahr mit seiner Krankheit, der ihm half, Lest ihn persönlich.
ohne etwas tun zu können. manchen Riesen zu Fall zu bringen Wenn Ihr wollt, könnt Ihr noch gerettet werden.
Aber dann faßte er sich. 310 und † Untiere † durch Stöße zu vertreiben, 345 Nun laßt mich Abschied nehmen, mein Herr,
Er dachte: „Ich will nicht durch zu langes Liegen
wilde oder zahme8 - ich kann nicht länger hier sein.“,
verderben.
was immer ihnen feindlich in die Quere kam. sagte die schöne Jungfrau.
Noch habe ich [die Hoffnung auf] Gnade
[Dieser Begleiter] war sein Bock, den er aufgezogen So nahm sie Abschied und ritt [fort].
275 nicht aufgegeben. Denn meine Herrin sagte,
hatte.
als ich sie zuletzt sah,
In keiner Gefahr wichen 9juncvrouwe bedeutet ‘junge und unverheiratete Frau
ich müsse dieses Aussehen immer behalten,
315 Bock oder Herr jemals
wenn ich nicht ihre Verzeihung erlangen könne. von Stand’; das Wort wird aber auch schon zur Be-
Ich will nicht zugrunde gehen, zeichnung für eine im sexuellen Sinn ‘unberührte’ Frau
280 ich will mich um [diese] Verzeihung bemühen. 8Formelhaft für ‘alle’. verwendet.
10

Er aber brach den Brief auf. Aussehen wieder gehören und Eure schöne Frau auch.“ sein Zelt auf.
350 Nun hört, was der Brief sagte: 375 Über diese Botschaft freute er sich; 410 Mit einem seltsamen Zaun ließ er sich umgeben; der
„Eure Herrin hat Euch berichtet, sie gab ihm Mut und Stärke. war aus drei Materialien:
daß sie von den Göttern der Liebe Kaum konnte er es erwarten, aus Stahl, Eisen und Holz.
Erlaubnis [zu folgendem] erhalten hat: sich für den Auszug fertigzumachen Nun hört, wie der stolze Ritter
Die Götter wollen es ihr gestatten in [der Zeit] des Jahres, in welcher der Winter diesen Zaun
355 (und auch die Göttinnen), 380 dem Sommer den Sieg überlassen 415 nach seinen Plänen
Euch wieder zu lieben, und die Sonne wieder fabrizierte:
wenn Ihr eine âventiure im Wald aufgehen würde, Rings herum standen Lanzen.
in diesem Jahr bestehen10 könnt [der dann auch ] ein schönes Dach von grünem Sein Sinn stand nach Tjostieren.13
in Britannien. Laub [trägt]. Da kam Nachricht zu König [Artus],
360 Wenn es schandenlos geschieht, [Als es so weit war,] da sah man die [vorher] dürren 420 daß ein Ritter
daß Gott Euch das Glück schenkt, 385 Wiesen mit Blumen bestickt in sein Reich geritten gekommen sei
daß Ihr den âventiure-Kampf und schön überdeckt auf sehr provozierende Art
ehrenvoll so besteht11 - mit einem prächtigen Kleid, und sich da auf einer Wiese
merkt auf, was Euch [für diesen Fall] zugesagt wird: wie der helle Mai es vor dem Wald mit seinem
365 Ihr sollt sofort angefertigt hatte. [Der hatte auch für] prächtige 425 Zelt niedergelassen habe.
mit Zeugen in ein Land reiten, Musik gesorgt, Man sagte ihm [auch] von dem Zaun,
das Fluratrone heißt; 390 so daß der ganze Wald erschallte den er um sich errichtet hatte.
dort trägt Eure Herrin die Krone. vom Gesang vieler Vogelarten. „Wahrlich, dann ziehe ich den Schluß“,
Seht zu, wer dafür12 Zeuge sein kann. Da wartete der Held sagte der König Artus,
370 Wenn ihr die drei Besten von dem Hof mit dem Bock nicht lange. 430 „daß er hier zu meiner Burg
als Gefangene anbringt, In freudiger Zuversicht hatte er er sich wegen âventiure geritten ist.“
dann ist Euer Leid vorbei. 395 eine âventiure-Fahrt erwählt; die [sollte, so] „Dann wird man ihm auch nicht aus dem Weg
Bringt Ihr's zu Ende, dann wird Euch Euer [altes] wollte [es] der Held, gehen,“
den ganzen Mai über dauern. sagten da ohne Ausnahme
Außergewöhnlich war allerdings, alle.14
10Eigentlich ‘erwerben’. Bestimmte âventiure sind ge- daß sein Bock immer mit ihm zog; 435 Herr Keie,
den vergaß er nie, der Unbesiegte15, antwortete:
mäß dichterischer Konvention vom Schicksal bzw. von
400 wenn er sein Pferd bestieg.
Gott für bestimmte Personen reserviert. Man kann nur
Nun machte er sich von seiner Burg auf
eine âventiure bestehen, die für einen bereitgehalten
zu König Artus
wird; in diesem Sinn fallen hier ‘erwerben’ und ‘beste-
im Reich Britannien. 13tjost(e):
hen’ zusammen. Zweikamp zu Pferd mit Lanzen.
11Für die Wendung âventiure bejagen gilt sinngemäß Auf sehr ritterliche Weise 14Für
405 zog er nach Karidol; ‘alle’ steht im Text formelhaft arme unde rîche.
das Anm. 12 zu âventiure erwerben Gesagte. Vgl. aber rîche heißt ‘mächtig, von hohem Stand’, arme bedeu-
sein Sinn stand nach âventiure.
die Darstellung in 2988ff. tetdas Gegenteil. Dies kann man nicht wörtlich nehmen,
12Bezogen auf die in 357ff. erwähnte siegreich bestan-
Vor einem Wald auf einer Wiese
schlug der häßliche Ritter da im Roman zu einer Tjost nur Leute von gleichem
dene âventiure. Stand gegeneinander antreten.
11

„Herr, soll ich hinreiten, 465 „Madame, das ist ein guter Gedanke.“ „Junge Dame, ich bin nicht aus
um genau in Erfahrung zu bringen, Dann wurde ein schönes Pferd gebracht Bedürftigkeit in dieses Land gekommen;
was sein Geschäft16 ist, für eine junge Hofdame; ich will ihn um nichts bitten.
440 daß er sich so nahe bei Euch die sollte reiten, nachsehen 505 Oft schon ist mir über ihn erzählt worden,
auf dieser Wiese gelagert hat? und in Erfahrung bringen, daß viele unverzagte Ritter
Wenn das aus Vermessenheit geschehen ist 470 wer der Ritter wäre. von seinem Hof ausgeritten sind,
oder um eine âventiure zu bestehen, Einen Pagen von klugem Verstand um im Kampf âventiure zu bestehen.
dann werde ich so gegen ihn tjostieren, schickte die Königin Mich hat nun genau diese Absicht
445 daß es ihn höchstwahrscheinlich verdrießt. zusammen mit der Jungfau auf den Lagerplatz [des 510 von meiner Burg hierher geführt.
Ich zerschlage ihm den Schild, Ritters]. Es ist doch seltsam,
wenn er mir nicht sagt, wer er ist. Als sie das Zelt sahen daß i c h keinen von diesen [âventiure-Rittern] je
Sehr bald werde ich Euch 475 und die Lanzen, die es umgaben, gesehen habe,
Informationen über den Fremden bringen.“ da sagte die lobenswerte Jungfrau: wo man sie doch dauernd
450 Der König sagte: „So eilig „Das muß ein guter Ritter sein, der dort ist. in allen Ländern reiten sieht
soll man sich nicht festlegen. Ein sehr stolzer Sinn 515 auf der Suche nach âventiure.
Warum wollt ihr uns an ihm rächen, hat ihn in unser Land gebracht. Ich habe nun schon viele Tage auf sie
bevor Ihr wißt, ob er 480 Will er mit eigener Hand gewartet und war die ganze Zeit traurig,
guite oder böse Absichten uns gegenüber hat? all diese Lanzen verstechen, daß m i r keiner entgegengeritten ist.
455 Man soll ihn ganz höflich dann werden, † noch bevor die Sache zuende ist †, Da mich also nun die tapfere Schar
empfangen. Ich möchte gerne, hier Lob und Ruhm erworben werden 520 so ganz ignoriert hat
daß man ihm hier alles gewährt, von der Hand eines Mannes.“ und man Euch zu mir geschickt hat,
wonach er begehrt, solange es ehrenvoll ist.“ 485 Dann saß die Schöne und Lobenswerte habe ich ein prächtiges Pfand für eine âventiure
Darauf sprach die freundliche Königin: vor dem Zelt ab in die Hand bekommen: das seid I h r.
460 „Nun hört auch meine Meinung. und sagte, Keine Widerrede - glaubt mir
Ich will eine Jungfrau dorthin senden, als sie den Ritter sah: 525 und seid nicht zornig darüber:
die uns schnell Nachricht bringen wird, „Ritter, hört, was ich begehre Ihr werdet diesen ganzen Mai über
was er hier an unserem Hof will.“ 490 und warum ich hergekommen bin. [meine] Gefangene sei müssen,
Darauf sagte der König Artus: Von König und Königin wenn es nicht geschieht,
sollt Ihr gegrüßt sein. daß mich ein Ritter besiegt,
15Im Text steht unbetwungen leie. leie in der Bedeutung Sie haben mich zu Euch geschickt [, um zu erfahren,] 530 so daß ich tot vor ihm liege,
weshalb ihr in dieses Land oder mich so in Bedrängnis bringt,
‘Felsen’ ist nur als Femininum belegt (vgl. Loreley). daß ich ihn um [mein] Leben bitte.
495 auf so befremdliche Art geritten
Sich über die vom Autor gewünschte Bedeutung von Wen i c h aber besiege,
und nicht an ihren Hof gekommen seid.
leie = Laie, Nichtgeistlicher Gedanken zu machen, lohnt der muß Euch hier bleiben lassen
Ich soll Euch auf die Burg laden.
wahrscheinlich nicht, da die Hauptfunktion der Wort-
Der freundliche König Artus 535 als meine Gefangene - so lange bis
wahl wohl im bequemen Reim auf Keie liegt. Zu denken
hat Euch ausrichten lassen: Was immer Ihr begehrt, ich Euch selbst freilassen werde.“
wäre allenfalls an eine Bedeutung ‘Weltmann’, ‘Höf-
500 das soll Euch gewährt werden.“ Da sagte die liebenswerte Jungfrau:
ling’ - die sich aber nicht durch Parallelen belegen läßt.
16Im Text: ärnde; bei Lexer s.v. ârant.
Da sagte der unbekannte Ritter: „Edler, mutiger Ritter!
12

Es ziemt sich nicht, daß ich Eure Gefangene bin. 570 an dem viele Edelsteine [waren]; Als sie seine Worte vernommen hatte,
540 Daran, daß sich hier âventiure ereignen wird, jeder funkelte nach seiner Art. 585 sagte sie [zum Pagen]: „Geselle, reite fort
18
müßt Ihr keinen Zweifel haben. *** und erzähle, wie man mich dir fortgenommen hat,
Ich sage Euch - und das ist nicht erfunden: Als sie getrunken hatten, sagte die Jungfrau: und daß der Ritter nur hergekommen ist,
Der König Artus hat „Lieber Herr, sagt, um eine âventiure zu erreichen.
so tapfere Ritter an seinem Hof, habe ich jetzt die Erlaubnis zu scheiden?“ Sage außerdem der Königin,
545 daß man Euch mehr âventiure bieten wird, 575 „Nein, das entspricht nicht meiner Absicht. 590 sie möge die guten Ritter antreiben:
als Ihr verlangt. Euer Wille kann nicht geschehen - ich würde hier gerne wieder wegkommen:“
Laßt mich jetzt wieder zurück reiten. erst muß man eine âventiure sehen. Da nahm der [Page] Abschied und machte sich auf
Wie würde es Euch anstehen, wenn die Königin Euren Pagen aber nach Karidol - so stelle ich es mir jedenfalls vor.
über Euch Klage führen würde wegen eines solch sollt Ihr fortschicken; Viele begrüßten ihn mit Fragen.
unpassenden Verhaltens, 580 er soll sagen, daß Ihr gefangen seid - 595 Er trat vor den König.
550 eine Jungfrau gefangengenommen zu haben aber nur zu dem Zweck, einen âventiure-Kampf zu Der sagte zu ihm: „Freund, sagt,
in ihrem eigenen Land, erreichen, - wo habt Ihr die Jungfrau gelassen,
die sie vertrauensvoll und ohne Hintergedanken zu und daß ich nur begehre, die mit Euch zum Wald geritten ist?“
Euch geschickt hat? daß man mir einen solchen gewährt.“ Er sagte: „Herr, ich bedaure,
Verzichtet darauf. 600 daß ich diese Nachricht überbringen muß -
das paßt besser zu Euch.“ sie ist nämlich alles andere als schön.
555 Der Ritter bat sie, Platz zu nehmen. In ainen koph, der was geuar Die, ohne die Ihr mich kommen seht,
Er sagte: „Ihr habt Eure Botschaft [, die man Euch Aller der verab der yemant wurde mir mit Gewalt genommen.“
aufgetragen hat,] Genennen oder erdenckhen chan „Wie? Wer [hat das getan]? Nun sagt schon!“
klug und verständig übermittelt Wie er so manig farb was 605 „Ein einzelner Mann, Herr.“
und keinen Fehler gemacht.“ Daz sag ich ewch als ich es las „Warum?“ „Aus âventiure-Gründen.“
Worauf sie wohl gesessen haben? Goltcz was er inan So wahr Dir Gott helfe -
560 Meine Quelle gibt uns davon Kunde: Aussen was gelegt dar an gib genaue Auskunft: Wo ist er hin?“
[Sie saßen auf] Blumen und Gras, Aller der hant stain
Edell und rain † „Ich habe ihn gerade erst verlassen.“ †
darüber war eine gesteppte Decke 610 „Kannst Du uns den Weg zeigen?“
aus Samt gebreitet. Von den zung ye gesprach
Oder aug ye gesach „Herr, Ihr könnt ganz einfach dorthin kommen.
Daß ich es so ganz unterlasse, Ich zeige Euch den Weg zu der Stelle, wo ihr den
565 von der Pracht zu erzählen, Jegleicher nach seiner art schain
In dem lid lag ain stain Mann mit eigenen Augen sehen könnt.
mit der das Zelt ausgestattet war [, und davon,] Den Ort, wo er sich ganz zu Anfang niedergelassen
wie es beschaffen war [, hat folgenden Grund:] Der Leucht nachtes sam der tag
In welcher chamer er do lag hat,
Die Geschichte würde dadurch nur lang werden. 615 hat er nie gewechselt;
Dann brachte man ihnen zu trinken. Dar in dorft nicht liechtes sein
17 So recht liecht waz sein schein und er will den ganzen Mai dort bleiben
*** (sagt er) und nirgendwo anders.
(s. Gauriel 1885/1969)
18Aufgrund der in Anm. 17 zitierten Beschreibung des Und er möchte gerne sehen,
17Der Hrsg. hat eine Lücke angenommen, da das dar Trinkgefäßes hat der Hrsg. auch hier eine Lücke ange- wer ihm die Jungfrau
ane in Vers 570 beziehungslos dasteht. Hs. I fährt fort: setzt; das ist m.E. nicht zwingend. 620 im Kampf wieder abnimmt.
13

Er hat sie nicht aus Liebe Ein Ritter sagte: „Den kenne ich! Nicht auf Bitten und nicht auf Befehl
gefangengenommen, sondern nur, Er heißt 'der mit dem Bock' kämpfe ich allein gegen ihn.“
damit man ihm Gelegenheit zu einer âventiure 650 und ist der tapferste Mann, Alle sagten,
gewehre.“ von dem ich je Kenntnis erhalten habe. daß er † in bezug auf diese Geschichte
Der König sagte: „Weißt Du, wer es ist?“ Mit ihm zieht ein zahmer Bock, 675 wohl zu pessimistisch sei. †
625 „Herr, seinen Namen weiß ich nicht. der ihn sehr oft gerettet hat Der Ritter antwortete lakonisch:
Aber seid darüber nicht zornig: in gefahrvollen Kämpfen. „Was mein Auge einmal gesehen hat,
Selbst wenn ich ein Jahr bei ihm sein bleiben würde, 655 Selbst große Drachen das kann mir niemand mehr ausreden.
würde er von mir ungefragt bleiben - waren nicht zu schrecklich für ihn; Haltet mich nur für einen Feigling
ich würde mich glücklich preisen, wenn ich [auch es lebt kaum seinesgleichen. 680 und geht selbst zu diesem Mann hin.
ohne eine solche Frage] am Leben bliebe. Er erschlägt Riesen, ohne daß sie sich wehren Wer ihn besiegt,
630 Während meines ganzen Lebens habe ich noch [können]. gegen d e n will i c h dann [mein Leben]
nie von einer solchen Kreatur erzählen gehört - Er allein ist stärker als Zwölf. in die Waagschale werfen, ohne daß man mich bitten
außer, wie ich Euch mitteilen [kann], 660 Ich versichere Euch: muß,
von der, die auf der Waldrodung Er würde eher ein Jahr lang kämpfen und allein gegen ihn antreten;
Herr Iwein und Herr Kalokreant als einen Tag zu ruhen. 685 Nehmt mich bitte beim Wort!“
635 bei den wilden Tieren vorgefunden haben. Herrje, wie der kämpfen kann! Da erhob sich ein großes Getöse.
Wenn der's nicht ist, dann glaube ich, Artus, mächtiger König: Viele tapfere Helden riefen:
daß es sein Bruder sein muß.“ 665 Noch nie ist eine so schwere âventiure „Wo sind Lanze und Schwert?“
„Nun sag', wie sieht sein Schild aus?“ an Euren Hof gekommen. Ich will Rüstung und Pferd,
D a s weiß ich genau. Das ist meine volle Überzeugung.“ 690 um diese âventiure zu gewinnen.“
640 Er ist mit nicht besonders Da sagte Herr Walban: Der Ritter dünkte20 sie alle ein Feigling zu sein -
kostbaren Lasursteinen besetzt; „Wollt Ihr nicht allein gegen ihn kämpfen?“ noch!
die Schildriemen sind Borten; 670 Nein, Herr, bei Gott nicht! Später merkten sie rasch, daß er sie
die Außenränder sind mit keiner erfundenen Geschichte
mit Silberstreifen beschlagen. 695 getäuscht hatte.
645 Ein König könnte den [Schild] mit Ehren tragen. setzt griechisch homoiós, ahd. analîh übersetzt lat. ae- Als allererster schaffte es Herr Segremors,
Im Schild steht ein Tier aus kostbarem Gold, qualis. [...] Unser ähnlich breitet sich erst in der nhd. sein Pferd zu besteigen.
das einem zahmen Bock gleich ist.“19 Sprachperiode vom Ostmittelhochdeutschen her aus, Er ritt fort vom Hof,
durch Luther gefördert; Adam Petris Bibelglossar von und hinter ihm her viele [andere]Männer.
1522 muß es für oberdeutsche Leser der Lutherschen Bi- 700 Sofort nachdem er fertig war,
19Zu g(e)lîche: Die deutsche „mittelalterliche Sprache belübersetzung noch durch Übersetzung mit glich ver- machte er sich auf.
(besaß) kein Wort [...] für den Begriff des Ähnlichen; er ständlich machen, das heute noch in den oberdeutschen Der Ritter mit dem Bock
muß in ihr durch dasselbe Wort ausgedrückt werden, das Mundarten das ihnen fehlende ähnlich übersetzt. Nach
den Begriff der Identität ausdrückt, das Wort ”gleich”. A. GÖTZE wäre der um die Ausbildung einer mathema-
Zwar steht von altersher neben der Bildung gilîh auch tischen Fachsprache allgemein verdiente JOHANNES 20 dûhtes = dûhte si, von dünken/dunken, swv. „Schon
die Bildung anagilîh, aber ohne Unterschied in der Be- KEPLER der erste, der in seinem Österr. Wein-Visier- im Urgerm[anischen] ist der Nasal [hier: n] vor h ge-
deutung, nur daß die zweite Bildung mit ana- viel selte- Büchlein von 1616 gleich als aequalis von enlich als schwunden unter Dehnung des vorhergehenden Vo-
ner begegnet. Gotisch analeiko, nur einmal belegt, über- similis unterscheidet.“ (Panzer, S. 35f.) kals.“ (Paul/Mitzka S. 93)
14

war - er hatte nur seinen Waffenrock an - „Ritter, ich sage Euch Fehde an durch Schild und Arm
an eine Stelle geritten, von der aus er ausspähen wegen der Jungfrau der Königin, stach ihn der Herr des Bocks
konnte. die Ihr gefangengenommen habt, [und warf ihn] so weit vom Pferd hinunter,
705 Da sah er die ganzen Ritter 735 wenn Ihr sie nicht sofort freilaßt.“ 770 daß ihm die Heftigkeit24 [des Sturzes]
in großer Eile durch den Staub reiten. Er antwortete: „Ich denke nicht daran. die Seele aus dem Mund trieb.
Viele Helme funkelten. Ich habe diese Sache in Gang gesetzt, So zeigte der [Ritter mit dem Bock] sein gewohntes
da kehrte er sofort wieder um um herauszubekommen, Verhalten.25
und rief: „Man soll mir meine Rüstung ob man jemanden von Euch dazu provozieren kann, Wer immer ihm entgegenritt,
710 fertigmachen 740 sich an der Tafelrunde den warf er vom Pferd.
und Lanze und Speer. einen Platz zu verdienen 775 Elegant und mühelos26 ritt er unter ihnen hin
Ich sehe Ritter heraneilen - mit ritterlicher Tapferkeit. und her,
die muß ich empfangen.“ Wehrt Euch - Ihr habt mir [ja] Fehde angesagt.“ als ob es nur ein Spaß für ihn wäre.
Er hatte zwölf Knappen dabei; Da waren beide begierig, aufeinanderzutreffen. Viele reiterlose Pferde
715 er befahl sofort, daß 745 Die Lanzen schlugen sie sah man verlassen
sechs mit ihm reiten sollten. energisch unter die Arme ein, auf dem Weg herumlaufen,
Sie sollten aber keine Beute machen mit Schäften, die scharfe Spitzen trugen,23 780 die er frei gemacht hatte.
und kein Pferd21 anrühren, ritten sie gegeneinander an. All das dünkte ihn vorerst noch eher lächerlich.
sondern nur [seine] Lanzen tragen, Das Ergebnis der Tjost war, Als dies alles erledigt war,
720 damit er, wenn er eine verstochen hätte, 750 daß Herr Segremors kamen der König und Herr Walban
eine zweite [zur Hand] hätte. ganz zu liegen kam - und auf ihm sein Pferd. auf den Kampfplatz;
Der Held wurde sorgfältig gerüstet. Danach kam Herr Karidant; 785 mit ihnen ritt eben der Mann,
Was würde es nützen, Details zu erzählen? [auch] den stach er sofort vom Pferd. über den man vorher soviel gespottet hatte.
Seine Rüstung war sehr gut; Danach kam Herr Pontifier; Der sagte: „Mich dünkt, bei diesem Kampf
725 er selbst war hochgestimmt und entschlossen. 755 dessen Pferd †war schnell wie ein wildes Tier.† hat der Ritter mit dem Bock
Die Ritter kamen schnell näher. Er war grimmigen Gemütes helle Waffenröcke
Da nahm er Lanze und Schild zur Hand und immer ernst, 790 auf der Erde schmutzig gemacht.27
und ritt von seinem Zelt aus so daß ihn nie jemand lachen sah -
auf das freie Feld22 dem Ritter entgegen. außer aus zwei Anlässen:
730 Als Herr Segremors ihn sah, 760 wenn man Kirchen verbrannte 24Ich vermute, daß swindel im Text die Bedeutung von
†parierte er sein Pferd durch† und rief: oder Helme so zerschlug, swinde hat; dieses ist allerdings nur als stf. belegt. Lexer
daß das Blut daraus hervorquoll weist jedoch ein stm swinder = „heftigkeit, ungestüm“
21Erg.: und der Mann unter [dem Helm] tot umfiel; nach (Wechsel der Liquida /r/ und /l/ ist ja häufig).
‘eines besiegten Gegners’.
22Mhd. diese beiden Sachen machten ihm Spaß, 25Wohl i.S.v. ‘seine gewöhnliche Stärke/Tapferkeit’.
velt bezeichnet ursprünglich nicht die land-
765 so daß er denn dann auch einmal lachte. 26Ein Versuch, das vielfach konnotationsfähige schône
wirtschaftlich genutzte, sondern die freie Bodenfläche
Aber sein Ernst konnte ihn nicht schützen:
(heute etwa erhalten in der Gegensatzbildung ‘Feld und durch Bezug auf den folgenden Vers zu konkretisieren.
Wald’; vgl. dazu Vers 894 heide und 912 die variierende 27Diese nhd. Übersetzung ist steif. Vers 787ff. beinhal-
Angabe vor dem walde, ferner 917 gras und 919 velt; 23D.h.:nicht mit Turnier- oder Übungslanzen; vgl. dazu tet eine sog. circumscriptio oder Periphrase für: ‘er hat
alle diese Angaben meinen denselben Ort). Vers 767f. viele zu Boden geworfen’.
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Und immer noch reitet er ehrenvoll28. mit vielen heftigen Schlägen. 840 eindringlich, mich reiten zu lassen.“
Nun seht doch, mein Herr Walban, Der Ritter wehrte sich also doch so, „Nein, Gnädigste, Ihr müßt warten
daß ich nicht gelogen habe! daß niemand am Hof es [mehr] hätte wagen können, bis zum Ende des Mais.
Wenn es nicht schandhaft wäre, ihn einen Feigling zu nennen. Von meiner Hand wird hier
795 würde ich ihm gerne aus dem Weg gehen. 820 Aber leider wurde er dabei noch der Schildrand35 manchen [Ritters] zerschlagen.
Da ich ihn nun aber gesehen habe - durch seinen Halsschutz hindurch verwundet [und33] 845 Ich will Herrn Erec schauen;
Gottbefohlen!“ oberhalb der Knieschienen am Bein. den würde ich gern sehen - mir ist so viel
Mit diesen Worten ließ er [sein Pferd] losspringen Große Tapferkeit zeigte sich an ihm: von seiner Tapferkeit erzählt worden.
und verstach29 vor allen anderen derart verwundet kämpfte er da, Herr Iwein und Herr Gâwân werden - nach dem,
800 seine Lanze; ich spare mir bösartige Bemerkungen 825 bis ihnen beiden die Nacht was ich über sie vernommen habe -
darüber, das Licht des Tages mit Finsternis nahm. 850 Euch mit Leichtigkeit36 befreien.
daß er dem Ritter mit dem Bock standhielt.30 Da trennten sich die zwei Männer Allerdings habe ich Grund,
Dieser rief sofort seinen [Knappen31] zu: in beiderseitigem Einvernehmen, und zwar aus Vertrauen in meinen Bock zu setzen, so daß sein
„Neue Lanze her! Ich brauche eine, folgendem Grund: Wenn einer da verlieren würde [= Iweins] Löwe uns nicht in Bedrängnis bringt.37
805 denn die hier habe ich für einen Helden 830 dann würde, wie tapfer dies auch geschehen sein Der [Bock] steht noch angebunden hier
zersplittert. mochte,34 855 und wird solange
Sein Kampfgegner wendete [sein Pferd], es niemand sehen. nicht freigelassen,
wie seine Tapferkeit es ihn lehrte,32 Der Ritter mit dem Bock ritt bis ich auf dem Weg
bis er eine andere Lanze bekommen hatte. nach diesem mühevollen Kampf zu seinem Herrn Iweins Gefährten sehe,
Dann griff er wieder an. bequemen Zelt, um sich auszuruhen. den Löwen. D a n n muß und wird38 mein Bock
810 Jeder [von beiden] verstach in ritterlichem 835 Als die Jungfrau ihn sah, 860 unter Beweis stellen, was ich an ihm schon
Ehrgeiz fünf Lanzen ging sie ihm höflich entgegen, kenne.
auf dem Schild des anderen. empfing ihn wohlerzogen und Obwohl seine Mutter eine Ziege war,
Dann wurden sie des Lanzenkampfs überdrüssig und sagte: „Lieber Herr, traue ich ihm zu, daß er so tapfer kämpft,
griffen zu den Schwertern. ich bitte Euch bei Gott daß er mich vor dem Löwen retten wird.
815 Sie beschenkten sich Bleibt hier und seid guten Mutes -
33Ohne Zusatz dieses ‘und’ würde die Stelle natürlich 865 ich werde Eure Ehre behüten,
widersprüchlich. so daß Euch niemend etwas tut,
28Nämlich unbesiegt. 34ez in Vers 831 meint nicht das Verlieren, sondern die
29Wörtl.: ‘vertat’, ‘brauchte auf’ - indem nämlich die Tapferkeit desjenigen, der den anderen zum Verlierer
Lanze beim Stoß zersplittert. 35Oder als pars pro toto für ‘Schild’.
macht. Wir haben hier eins der zahlreichen Beispiele für
30Wörtlich: ‘Er blieb vor dem Ritter [im Sattel] sitzen’, 36Mhd. wol, das Adverb zu guot, drückt nicht wie nhd.
die Freiheit und Beweglichkeit der mhd. Syntax, die
d.h. er wurde nicht abgeworfen. Bezüge oft nicht durch logisch zwingende Konstruktio- ‘wohl’ eine Abschwächung, sondern eine Verstärkung
31Siehe nämlich Vers 714 - 721. aus.
nen vorgibt, sondern es dem Hörer/Leser überläßt, sol-
32D.h.: Er greift den waffenlos gewordenen Ritter mit 37erdröwen = ‘durch Drohen bewirken; abe erdröwen
che Bezüge selbst aus dem Kontext herzustellen. Es ist
dem Bock nicht weiter an. Die Stelle ist aber etwas ‘un- möglich, daß eine solche Syntax noch durch die vorwie- also wörtl.: jd. etwas ‘abdrohen’.
logisch’, da auch der andere Ritter ja seine Lanze vertân gend mündlichen Kommunikationsstrukturen der mittel- 38müezen kann auch als Hilfsverb zur Bildung des Fu-
hat (s. Vers. 799f.). alterlichen Gesellschaft beeinflußt wird. turs dienen.
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was Euren Sinn betrüben könnte.“ Ich sage Euch auch, was ich weiter vorhabe: viele schöne Frauen sehen,
Zur gleichen Zeit Wenn Ihr alle einverstanden seid, 930 gekleidet in kostbare Gewänder:
ließ König Artus 900 dann soll auch die freundliche Königin feines Seidengewebe und Ziklat,42
870 die Toten und Verwundeten mit Ihren Hofdamen dort anwesend sein - schwarz-weiß gefleckten und grauen Hermelin,
alle an seinen Hof bringen. ob uns Gutes oder Schlimmes widerfährt. glänzenden Zobel43 sah man dort,
Unterwegs jammerten sie. Ich werde nicht mehr an den Hof zurückkehren, viele goldverzierte Kleider -
Die Ritter schworen hoch und heilig, bevor diese âventiure beendet ist, 935 wenn man meiner Quelle44 glaubt,45
entweder würde der [Ritter mit dem Bock] sie alle 905 wenn Ihr alle dazu ratet.“ wird, glaube ich, die Welt vergehen,
töten, Sie sagten: „Es scheint uns rittergemäß und richtig, ohne daß man jemals wieder
875 oder sie würden i h n in Kampfesnot bringen. wenn Ihr das macht.“40 eine so prächtige Schar erblickt
Als König Artus Man befahl den Kämmerern, wie die, mit der die Königin dorthin gekommen war.
mit den Seinen am Hof ankam, sich eifrig 940 Nun waren sie also hier auf das Feld gekommen
war das Essen [schon] fertig. 910 darauf vorzubereiten, mit -[ihrer] Pracht, wie Ihr gehört habt.
Als sie nun an der daß der König morgen früh Man hielt eine Frühmesse für sie ab;
880 Tafel saßen, vor dem Wald essen wolle. alle Ritter drängten hinzu.46
da sah man ihn sich aufführen, Die Köche sputeten sich sehr Nachdem sie den Segen empfangen hatten,
als ob ihm kein Kummer und eilten,
an diesem Tage geschehen wäre; 915 als sie den Tag sahen,41
so gab der Besonnene zum Wald, wie es ihnen befohlen worden war. 42Golddurchwirkter Seidenstoff.
885 dort in guter Stimmung ein Essen.39 Auf der Wiese 43Zobel ist schwarz (vgl. die Adjektive zobelswarz =
Als sie gegessen hatten, wurden viele Hütten und Zelte errichtet; ‘schwarz wie Zobel’ und zobelvar = ‘zobelfarben’ =
ließ er sofort anschließend das Feld wurde verziert ‘schwarz’). Wenn Zobel hier als lieht (hell, strahlend,
die [Mitglieder] der Tafelrunde 920 mit Seide und Gold, glänzend) bezeichnet wird, ist das vielleicht ein Nach-
in eine Kemenate kommen. wie es der König klang der auf älteren Sprachstufen häufigen Gewohn-
890 Dann sagte der mächtige König: und die mächtige Königin wollten, heit, Farben nicht nach ihrer Qualität, sondern nach ihrer
„Ich bitte Euch alle ohne Ausnahme sehr prächtig. I n t e n s i t ä t zu beschreiben (s. Tschirch S. 26f.).
um einen Rat zu folgendem [Plan]: So bereiteten sie sich vor, 44âventiure bedeutet auch ‘Erzählung ü b e r eine
Ich würde gerne morgen früh 925 um die âventiure in Augenschein zu nehmen. âventiure’ und, wenn ein Erzähler sich auf eine âventiu-
Mahlzeit halten auf der Heide, Als der König und viele angesehene re beruft, in diesem Sinn auch ‘Quelle’.
895 wo mir so großes Leid widerfahren ist Ritter auf das Feld kamen, 45Wörtlich: ‘wie die âventiure sagt’; indem der Autor
von einem Mann, da konnte man [auch] seine Angaben durch eine Quelle beglaubigt, schiebt er
wie ihr ja alle genau mitbekommen habt.
dieser aber auch die Verantwortung für die Richtigkeit
40Die Umstellung von Vers 906 und 907 in der Über- seiner Angaben zu.
39Die Wendung spîse geben führt das Substantiv inter- setzung ist notwendig, um kein Mißverständnis auf- 46Die Betonung, daß man sich - beim Fest oder wie hier
essanterweise sozusagen wieder zu seinem Etymon zu- kommen zu lassen: ‘Wenn Ihr das tut, erscheint es uns bei einer Messe - ‘drängte’, ist ein topischer Bestandteil
rück: spîse kommt vom mlat. spensa/spesa, dieses vom richtig“ könnte auch bedeuten, daß die Ritter ihre Be- von Schilderungen entsprechender Ereignisse; betont
mlat. spendere (klassisch-lateinisch: exspendere, bedeu- wertung davon abhängig machen, was der König tut. wird dadurch die Quantität, diese wiederum ist ein Re-
tet also eigentlich ‘das Ausgegebene, Aufgewendete’. 41D.h. sofort bei Tagesanbruch. präsentationsmittel sui generis.
17

945 gingen sie zu Tisch, daß ich mich verabschiede, um die Jungfrau daß Ihr dem König wegen seiner jungen
wo sie sich hinsetzten von dem tapferen Ritter Hofdame Leid zufügt!
und in guter Stimmung aßen. 770 heute zurückfordere, wie es auch ergehen mag - Außerdem habt Ihr ihm gute Ritter
Nachdem das Essen vorbei war, je nachdem, wie die âventiure50 es bestimmt.” verwundet und erschlagen51.
stand der König auf und sprach: Da sagte die freundliche Königin: 1005 Diesen Schaden wird er aber noch verschmerzen,
950 „Ihr Herren alle47, „Gott möge Euer Begleiter sein, wenn Ihr heute die âventiure zu ihrer Bestimmung
man soll die âventiure Herr Walban; Ihr seid es wert [, daß Euer Wunsch erfüllt kommen laßt - [und die ist, wie] ich Euch versichere,
gesittet in Empgang nehmen, wird], daß Ihr Gefangener des Königs
und niemand soll sich übereilen. 975 in bezug auf diese Sache und [überhaupt] bei allem, und der Königin sein werdet.
Wenn Ihr alle zusammen worum Ihr bittet.” 1010 Ich verspreche Euch beider Gnade ohne jede
955 gerüstet und bewaffnet hinreiten wolltet, Dann begab er sich sofort feindselige Gesinnung, wenn Ihr das leistet.“52
dann würde sich das nicht ziemen. Ich will Euch zu seinen Knappen. Da antwortete Herr gauriel:
sagen: Seine Rüstung lag [schon] bereit. „Ich bin um âventiure willen
Wer die âventiure erlangen48 will, Nachdem er sie angelegt hatte, von Muntabel ins Land gezogen.
dem würde es, so dünkt mir, wohl anstehen, 980 bestieg er sein Pferd. 1015 Sollte [Euer] Hof in bezug auf mich dadurch in
daß er erst die Erlaubnis dazu einholt Wenn jemals ein Ritter den Leuten mehr als Schande
960 bei mir und der Königin.“ er imponiert hat, dann weiß ich jedenfalls nichts davon. geraten, daß ich eine solche [âventiure] hier nicht finde,
Alle riefen: „So soll es sein!“ Wie uns die Quelle berichtet, dann ist das für die [Mitglieder] der Tafelrunde
Nachdem diese Aussprache beendet war, zog Herr Walban so nicht gerade ein passendes Verhalten.
stand Herr Walban auf 985 auf das Feld, wie ich es gesagt habe. Und hätte ich gewußt, wo ich irgendwo anders
und trat höflich Als in der Herr des Bocks 1020 noch so viele tapfere Ritter finden könnte,
965 vor die mächtige Königin; von fern heranreiten sah, dann hätte ich mich eher dorthin begeben.
er kreuzte die Arme über der Brust.49 rüstete er sich sorgfältig, Ich werde Euch merken53 lassen,
767 „Mit Eurer freundlichen Erlaubnis, Herrin, gestattet wie ein guter Ritter es muß. daß niemand mir die Jungfrau
mir, 990 Dann setzte er sich auf sein Pferd [nur] durch Reden wegnehmen wird
und ritt ihm [= Walban] 1025 (und zu dieser Absicht stehe ich!) -
die halbe Wegstrecke entgegen. aber auch nicht mit Stichen und Schlägen,
47Siehe Anm. 14 zu Vers 434. Gott möge Ihnen beiden seinen Segen geben! solange ich noch einen Finger krumm machen kann.
48Vgl. Hier reiten zwei tapfere Männer aufeinander los, Wenn Ihr also mit dieser Absicht hergekommen seid -
Anm. 10, 11 zu Vers 358 und 363. Die Situation
995 die begierig sind, zu kämpfen.
ist hier aber anders: es geht hier nicht um die für Gauriel
Als sie sich so nahe gekommen waren,
vorausbestimmte âventiure, die er bestehen m u ß,
daß sie sich hören konnten, 51 Daß ein Ritter zu Tode gekommen ist, wurde bisher
sondern um eine durch Gauriels Ankunft und Verhalten
rief Herr Walban: noch nicht berichtet. erslagen kann aber auch ‘nieder-
herbeigeführte âventiure-Situation, die nun jeder von
„Das ist sehr falsch gehandelt, schlagen’, ‘zerschlagen’ bedeuten.
Artus’ Rittern für sich nutzen will, zunächst also für sich
1000 edler, stolzer Ritter, 52 D.h.: wenn Ihr Euch gefangen gebt.
erjagen i.S.v. ‘erlangen’ muß.
49Wörtl.: ‘legte die Arme vor sich’. Aus bildlichen Dar- 53 Mhd. Bezeichnungen für Sinneswahrnehmungen sind
stellungen weiß man aber, was konkret gemeint ist; es 50 Der âventiure wird also eine eigenständige Hand- oft noch nicht exklusiv (vgl. etwa auch smecken, das
handelt sich um einen traditionellen Bittgestus. lungskraft zugesprochen. sowohl ‘riechen’ als auch ‘schmecken’ bedeuten kann.
18

und so entnehme ich es ja Euren Worten -, bis ihre Pferde umfielen Der eine schlug den anderen oft -
1030 dann muß Euer Ersuchen von mir abschlägig be- und keiner von ihnen mehr was dieser aber nur so lange durchgehen ließ,
schieden werden.” so reiten konnten, wie es nötig gewesen wäre.59 bis der Rand des Kampfplatzes63 erreicht war;
Denkt einmal nach, ob Ihr nicht einen anderen Wunsch 1050 Hei,60 wie da geritten worden war61! [dann] trieb er ihn sofort wieder
habt.” Sie saßen ins Gras ab. 1070 mit Schlägen dieselbe [Strecke] wieder zurück.
Da sagte Herr Walban: Hinter die Schilde duckten sie sich. Ich glaube nicht, daß ein besserer Mann64
„Dann werden wir’s anders zu einem Ende bringen!”54 Zwei scharfe Schwerter zogen sie. den kleinsten Unterschied zwischen den beiden
Er gab dem Pferd die Sporen und Hier liefen zwei tapfere Männer hätte feststellen können.
1035 visierte genau die 1055 grimmig einander an. Sie verteilten auf ritterliche Weise
Schildmitte [seines Gegners] an; Viele Schläge erfolgten, 1075 Schläge und Stiche
beide trafen ihr Ziel so, so daß Feuerblitze in großer Erbitterung.65
daß man die Lanzen in Stücken ihnen über den Helmen aufleuchteten. Sich klug deckend,
in die Luft fliegen sah. Man pries62 sie als die Besten. kämpften sie den ganzen Tag,
1040 Sie waren begierig, [wieder] gegeneinander [zu 1060 Keiner borgte dem anderen etwas, so daß ich, wenn ich die Wahrheit sagen wollte,
reiten]. verweigerte ihm keine Rückzahlung. 1080 nicht feststellen könnte,
„Lanze her! Lanze her!”55 Ingrimmig zahlte er ihm zurück. wer tapferer kämpfte,
Zahllose [Lanzen56] wurden Wenn ihre festen Rüstungen nicht gewesen wären, bis die Sonne sie verließ
von Ihnen beiden auf dem Kampfplatz zerbrochen, so † hätte jeder mit seiner Hand und der Abend anbrach.
bis es Mittagszeit war. 1065 den anderen getötet. † Da sagte Herr Walban:
1045 Nach dem Bericht57 meiner Quelle 1085 „Hier muß sich nun schnell vollziehen,
tjostierten58 sie heftig, was hier nun geschehen kann.”66
59 tohte eigentlich Indikativ.
60 ahî oder - wie im Text - zahî - ist eine Interjektion,
54 verstân hat sehr viele Bedeutungen. Man könnte z.B. die verschiedene Emotionen wiedergeben kann. Inter-
auch übersetzen: ‘Dann werden wir [meinem Ersuchen] jektionen treffend zu übersetzen ist schwierig, weil nicht 63 Der Kampfplatz bei Kämpfen, die nach Regeln ausge-
einen anderen Sinn/eine andere Bedeutung geben’ o.ä. nur die Bedeutung, sondern auch die soziale Ebene des fochten werden, ist begrenzt (wie heute noch beim Rin-
55 Da die Interpunktion vom Herausgeber stammt und
Sprechens ins Kalkül zu ziehen ist. Eine Übersetzung gen usw.). Die imaginäre oder (z.B. durch Ha-
daher nur eine Interpretation darstellt, wäre es auch mit ‘Auweia’ würde zwar die emotionale Intensität bes- sel-zweige) gekennzeichnete Begrenzungslinie ist der
möglich, daß gemeint ist (Walban:) „Lanze her!” (Gau- ser widergeben als das veraltete ‘Hei!’, entspräche aber kreiz - ohne daß der tatsächliche Kampfplatz rund sein
riel:) „Lanze her!” nicht dem konventionalisierten Stil eines höfischen müßte. Wer die Grenze überschreitet, wird zum Verlie-
56 ir ist Genitiv Plural und bezieht sich auf die sper. Epos. rer erklärt oder auch - falls vorhanden - von den
57 Die Form sac ist ungewöhnlich; die Vollform lautet 61 Das Präteritum kann im Mhd. auch dann stehen, wenn Schiedsrichtern (griezwarte).
sage (abhängig von nâch, also Dativ), so normalerweise im Nhd. Perfekt oder Plusquamperfekt erforderlich 64 Besser als ‘ich’ (der Autor)?
auch der Nominativ. Da das /g/ durch Apokope (Ausfall wäre. 65 Vielleicht ist das ritterlîche in Vers 1074 nicht nur ein
eines Lauts oder einer Silbe am Wortende) in den Aus- 62 lobet kann Präteritum sein (Apokope - s. Anm. 57 - topischer Zusatz. Es könnte damit betont werden, daß
laut gerät, tritt die sog. Auslautverhärtung in Kraft. des e aus lobete), aber auch Präsens; Präsens ergäbe die Gegner zwar erbittert sind, aber trotzdem nach den
58 phlegen mit Genitiv stellt oft nur eine Umschreibung ebenfalls einen Sinn (‘man preist sie [erg. heute noch] Regeln kämpfen (höfische Forderung nach Affektkon-
dar. als die Besten). trolle).
19

Er versetzte dem Ritter einen so festen Ich braucht Euch aber auch72 meiner 1125 die nie einen Vorteil von mir hatten!74
Schlag auf den Helm, 1110 als Gefangenen nicht zu schämen.“ Das raubt mir die Freude.
daß Funken aufleuchteten So war ihr Kampf Verborgenen Herzenskummer75
1090 und ihm der Kopf davon dröhnte, da ausgegangen. werde ich immer deswegen haben müssen.“
so daß er kaum einen Sturz vermeiden konnte. Sie banden die Helme ab. Da sagte mein Herr76 Walban:
Da wurde Gauriel67 zornig, Als Herr Walban 1130 „Darüber soll niemand böse sein.
der68 mutige und tapfere Ritter. 1115 seine Kräfte wiedergewonnen hatte, Die âventiure befiehlt77 uns so etwas.
Er zertrümmerte grimmig nahmen sie sich bei den Händen.
1095 Herrn Walbans Helm69 Sie gingen in das Zelt,
mit einem fürchterlichen Schlag, in dem die Jungfrau war,
so daß Walban auf die Erde zu liegen kam, um derentwegen so viele von ihrem Pferd getrennt 74entgelten und vrume gewinnen sind korrespondierende
† und [er] fiel in den Helm. †70 1120 [und] ins Gras [geworfen] worden waren.73 Begriffe. entgelten ist ein Rechtsterminus (wie ja auch
So lag er im Staub. Sie ging ihnen beiden entgegen. ursprünglich ‘büßen’!) und meint s.v.w. ‘einen rechtlich
1100 der Ritter mit dem Bock sagte: Sie sagte: „Weh mir nun, bedingten Nachteil aus etwas erleiden’. Rhetorisch ent-
„Herr, mich dauert, mein Herr, daß Ihr halten die beiden Verse also eine Art Paradox oder O-
daß Ihr hier so liegt. um meinetwillen büßt - [Ihr] und viele Männer, xymoron. Der häufiger gebrauchte Gegenbegriff zu
Sagt, habe ich Euch besiegt? en(t)gelten ist geniezen (dessen Rechtscharakter heute in
Ich werde Euch sehr gern leben lassen, dem Substantiv ‘Nießbrauch’ weiterlebt); vgl. Brandt
1105 wenn Ihr Euch gefangen geben wollt.” 71 sicherheit bedeutet u.a. ‘Gelöbnis’, ‘festes Verspre- 1989.
Mit schwacher Stimme sagte Herr Walban: chen’; die Aufgabeerklärung eines im Kampf Besiegten, 75Viele nhd. Zusammensetzungen werden mhd. noch
„Herr, ich unterwerfe mich. die das Versprechen impliziert, daß der siegreiche Geg- getrennt geschrieben; ähnlich Vers 1126, wo man daz
Es muß sein: sicherheit.71 ner in Zukunft vor ihm s i c h e r sein wird, wird mhd. tuot mich vreuden laere auch übersetzen könnte mit ‘das
benannt als sicherheit geben oder tuon; der Sieger, der macht mich freudenleer’.
dieses Versprechen akzeptiert, ‘nimmt’ (nimet) sicher- 76In einigen Übersetzungen ist es Mode, das mhd. mîn
66 Freier: ‘So oder so - der Kampf muß nun schnell heit.- Die Stelle im Gauriel ist der einzige mir bekannte hêr/herre mit ‘Monsieur’ zu übersetzen. Das gibt einen
beendet werden.’ Beleg für einen möglicherweise zurufartigen Gebrauch schiefen Eindruck ‘Monsieur’ ist im heutigen Frz. eine
67In der Ausgabe von KHULL (s. Gauriel 1885/1969) ist
mit der Bedeutung ‘Ich ergebe mich’; so habe ich es normale Höflichkeitsanrede bzw. ein höflicher Zusatz
dies die erste Stelle, an der der eigentliche Name des oben in der Übersetzung aufgefaßt. Möglich wäre aber zum Namen, wenn über eine Person geredet wird; ur-
‘Ritters mit dem Bock’ genannt wird. Die sog. ‘Heraus- auch, daß sicherheit durch daz wieder aufgenommen sprünglich handelte es sich aber nur um einen Anredeti-
zögerung der Namensnennung’ gehört zum rhetorischen wird (Inkongruenz des Genus); zu übersetzen wäre tel. Wenn jedoch ein Autor eine Figur des von ihm ver-
ornatus. In der Gauriel-Handschrift I wird der Name dann: ‘Jetzt muß es sein, daß ich mich ergebe/ich muß faßten Textes mit mîn hêr tituliert, handelt es sich nicht
aber schon in Vers 43 (s. Apparat der Ausgabe). mich jetzt ergeben.’ um eine Anrede; die Beifügung des Possesivpronomens
68 Mhd. ein kann nicht nur unbestimmter Artikel sein, 72Eine adversative Bedeutung von ouch ist gut belegbar;
zum Titel ‘Herr’ muß also eine ganz andere Funktion
sondern auch den bestimmten Artikel vertreten. die Übersetzung versucht, beide Aspekte zu berücksich- haben (vielleicht die, gegenüber dem Publikum darauf
69 huot für ‘Helm’ ist nicht häufig, aber ausreichend tigen. hinzuweisen, daß die Figur des Textes - auch wenn sie
belegbar. Der Grund für die Erwähnung ist klar: der 73Die mhd. Syntax erlaubt sehr häufig die Zusammen- historisch ist, für historisch gehalten oder als historisch
Reim auf muot. fassung von Vorgängen in einer Konstruktion, die nhd. prätendiert wird - eben (primär, auch, immer noch ...)
70Hs. D hat das Passendere: mit ganzem helm. in zwei getrennte Aspekte zerlegt werden müssen. eine Figur des Autors ist.
20

Man muß Leid ertragen.“ mein Leid erzählen; ihr werdet es sicher ritt er mit Erlaubnis [Gauriels] an den Hof.
Der Ritter mit dem Bock sagte: erfahren, wenn wir beide am Leben bleiben. König und Königin
„Wenn Ihr wüßtet, Herr Walban, Wenn Gott mir die Gnade schenkt, 1165 hießen ihn willkommen
1135 welches verborgene Leid78 ich trage, daß ich mit meiner Hand79 und fragten ihn,
dann würdet Ihr, ich weiß es genau, 1145 die âventiure [so] vollende, wie es ausgegangen sei.
wenn Ihr meinen Zorn sehen würdet wie ich sie bisher † in den Griff bekommen habe †, „Ich habe heute schon geglaubt,
und welches leid ich trage, zugestehen, dann wird mein Kummer sicher vergehen. daß Ihr tot oder verwundet
daß ich allen Grund dazu habe. Mir wäre es aber lieb, wenn Ihr, was ich Euch gesagt 1170 auf der Heide läget.
1140 Mehr werde ich Euch nicht über habe, Nie empfand ich solches Leid.
verschweigen würdet.“ Ich hatte fest vor,
77gebiutet 1150 „Herr,“ sagte Herr Walban, mich an diesem Mann zu
von gebieten. Die Verben einiger Ablautrei- rächen, um meine Ehre wiederherzustellen,
„was ich hier vernommen habe,
hen, darunter eben auch die der Reihe II2, weisen im 1175 und darum will ich mich stetig bemühen.“
bin ich sehr wohl in der Lage zu verschweigen.
Präsens einen Ablaut zwischen Singular und Plural auf Da sagte Herr Walban:
Herr, geruht mir nun zu sagen:
(ich gebiute usw. - wir gebieten usw.).- Wenn man „ich will ihm untertan sein,
soll ich bei Euch bleiben
Walbâns Äußerung nur als speziell auf den âventiure- so lange ich sein Gefangener bin;
1155 oder an den Hof gehen,80
Kampf der Artusritter mit Gauriel bezogen ansieht, das sagen mir Herz und Verstand.
damit man dort sieht, daß ich am Leben bin?
verwirrt der Gebrauch des Präsens; man würde vielleicht 1180 Und ich sage Euch wahrheitsgemäß:
eher erwarten: ‘Die âventiure h a t uns diesen Kampf Ich glaube sicher, daß niemand81 behaupten wird,82
es sei so ausgegangen, Bei allem, was ich bisher durchgekämpft habe,
befohlen (Ihr seid daran unschuldig).’ Einen besseren bin ich nie in solche Bedrängnis geraten;
Sinn gibt das Präsens, wenn man nicht wie der Hrsg. daß Ihr mich gefangen habt
1160 so unverletzt [wie ich bin] ich glaubte [schon], den Tod erwählt zu haben.
nach daz, sondern nach âventiure ein Komma setzt: ‘Die Daß dies nicht geschehen ist, [liegt daran,] ...
âventiure(= jede oder = die personifizierte âventiure, die ohne große Wunden.“
Bereitwillig 1185 daß er es aus seiner Tugend heraus unterlassen
Lenkerin aller einzelnen âventiuren) gebietet uns, Leid
hat, [mich zu töten].“83
zu ertragen (also auch d i e s e , also seid Ihr unschul-
Melianz, der tapfere Mann,
dig).’ Oder freier: âventiuren sind nun einmal leidvoll!’
78verborgen im Text natürlich nicht attributiv zu leides, 79Im Nhd. ist der Umlaut zum Pluralkennzeichen ge- nahm Abschied um der âventiure willen,
worden (die Hand - die Hände); im Mhd. wird auch im um sie morgen
sondern entweder Adverb oder Partizip Präteritum als herauszufordern, wie es [seiner Tugend] entsprach.
Bestandteil des Prädikats (‘Wenn Ihr wüßtet, welches Singular umgelautet; genauso etwa bei want.
80Walbân hat sich Gauriel ja ergeben und muß also tun,
Leid ich [vor Euch/vor der Welt] verborgen habe ...’);
diese Möglichkeit ist allerdings die unwahrscheinliche- was dieser von ihm verlangt. 83In 1184f. liegt nach neuzeitlichem Verständnis ein
81Diese Bedeutung nimmt ieman/iemen nach der Kon-
re, da bisher ja nichts darüber gesagt wurde, daß Gauriel Anakoluth (‘Satzentgleisung’) vor: man beginnt mit ei-
(etwa auf Fragen hin), sein Schicksal bewußt verheim- junktion daz an. Vgl. demgegenüber folgenden be- ner grammatischen Konstruktion, die nicht adäquat
licht hat. In der Übersetzung wurde als hân nicht als kannten Passus aus dem Morungen-Lied MF 13817 (Mo- wieder aufgenommen wird. Da die gleiche Erscheinung
Hilfsverb zur Bildung des Perfekts aufgefaßt, sondern ser/Tervooren XXII), in dem die Konjunktion fehlt: ich aber als Stilmittel empfohlen wird (in der Rhetorik nennt
als Vollverb mit der Bedeutung ‘haben’, ‘besitzen’. waene, n i e m a n lebe, der mînen kumber weine. man sie Aposiopese; Beispiele Brandt 1986, S. 21),
Meist ist es allerdings im Mhd. so, daß für diese Bedeu- 82jehe im Text ist 3. Sgl. K o n j u n k t i v Präs.; kaschiert die Übersetzung den Sachverhalt nicht, son-
tung die unkontrahierten Formen verwendet werden Konjunktiv steht oft nach Verben des Glaubens und dern versucht ihn nachzuahmen.- Zum Anakoluth s.
(hier würde man also erwarten: habe). Meinens (wie hier nach waenen). Paul/Mitzka, S. 285.
21

1190 Der König sagte: „Nun sei Euch gewährt, ziehen, und zwar aus Boshaftigkeit: 1220 stach er ihn vom Pferd,
Herr Melianz, wonach Ihr begehrt. 1215 es hätte ihn geärgert89, wenn jemand mehr Erfolg daß man ihn unten liegen sah.
Und seid gewiß: Wem hier das Glück wiederfährt gehabt hätte90 [als er]. Dann wollte Gauriel wieder in sein Zelt.
[zu siegen], † dessen Namen wird mit mehr Als der Ritter, der dorthin auf âventiure Aber da sah er Meljanz94
Anerkennung genannt werden, gezogen war,91 ihn bemerkte, über das Feld schnell heranreiten.
1195 als sie irgendjemand hier am Hof besitzt, galoppierte92 er zwischen den Zeltschnüren hervor; als 1225 Da mußte er wieder kämpfen.
und außerdem erhält er Lohn aus meiner Hand; Er kehrte also95 zurück auf die Heide.
Strafe93 für Keies ungebührliches Benehmen
dafür sei mein Wort84 Euer aller Pfand.“ Die Helden stellten sich
Ganz früh am Morgen einander entgegen;
bereitete sich Herr Melianz, der Held, Keie den Herrn des Hofes (also Artus) um diese Erlaub- sie waren aufs äußerste
1200 sehr sorgfältig auf [die âventiure] vor. nis gebeten hätte. 1230 zu ritterlichem Tun entschlossen.
Denn er hatte sich für seine Ehre 89muote: 3. Sgl. Präs. Indikativ oder Konjunktiv; bei Sie besaßen Mut und Stärke,
zu einem Kampf entschlossen; schwachen Verben sind im Präteritum die Formen von so daß sie [beim ersten Zusammenprall] fest [im Sattel]
außerdem dauerte ihn sehr Indikativ und Konjunktiv nicht zu unterscheiden. Im sitzenblieben.
das Leid des Königs und der Königin. Nhd. umschreibt man daher mit ‘würde’. Zur Verwen- Sie zielten bei der zweiten Tjost
1205 Deshalb ritt er auf die Heide dung des Präteritums im Mhd. zur Bezeichnung aller mit Zorn und solcher Wucht,
an diesem Tag um die Zeit, drei Vergangenheitsformen s. Anm. 61 zu Vers 1050. 1235 daß beider Lanzen
zu der man einen Kampf beginnen soll. 90Auch tete vom Wurzelverb tuon kann Indikativ oder in Stücken in die Luft flogen.
Aber jetzt zeigte85 wieder Konjunktiv sein, allerdings seltener; die ‘Normal’form Aber Meljanz unterlag,
Keie86 sein Wesen, mit dem er selten87 ist taete. (Bei den drei anderen Wurzelverben - gân/gên,
1210 Lob und Ehre erreicht hatte. stân/stên, sîn - sind die Formen dagegen distinkt: gienc: 93Was auf den ersten Blick unlogisch erscheint - Gauriel
An diesem Morgen hatte er sich, als es tagte, gienge, stuont:stüende, bin:sî.) kann ja nicht wissen, daß Keie ohne Erlaubnis zu ihm
vorgenommen, 91Eine sog. rhetorische circumscriptio (Umschreibung), gekommen ist -, ließe sich erklären durch die gut mittel-
ohne gehörigen Abschied88 ins Feld zu hier natürlich für Gauriel. alterliche Überzeugung, daß Gauriel, gelenkt von höhe-
92sprengen heißt eigentlich ‘springen machen’; zu er- ren Mächten, zum V o l l z u g s o r g a n der von
gänzendes Objekt ist also ors. Im Mhd. haben auch noch diesen Keie zugedachten Strafe wird.
84Diese Bedeutung für triuwe findet sich bei Lexer. 94 Bisher immer Schreibung ‘Melianz’. /i/ und /j/ kön-
eine Reihe anderer transitiver Verben eine andere lautli-
85Der Form nach ist auch Präsens möglich; aus metri- che Form als das entsprechende Intransitivum - wobei nen sich aber gegenseitig vertreten.
schen Gründen ist aber Apokope des End-e in erzeigete das Intransitivum dann ein schwaches, das Transitivum 95Im Zuge fortschreitender sprachlicher Differenzierung
anzunehmen. ein starkes Verb ist (brinnen/brennen, hâhen/hangen sind für mhd. Konjunktionen, die verschiedene Funktio-
861208f.: Enjambement (Verssprung); die Versgrenze
usw.). Noch vor der nhd. Zeit gleichen sich die Infiniti- nen und Bedeutungen haben können, neue geschaffen
zerschneidet das syntaktisch Zusammengehörende (Keie ve und Präsenformen der meisten dieser Verben anein- worden oder zwischen mhd. Konjunktionen, die Bedeu-
- das Subjekt zu erzeiget in 1208 - erscheint erst im ander an (hängen - ich hänge - aber hängte oder hing) tungsüberschneidungen aufweisen, klare Be-
folgenden Vers). bzw. bilden durch Präfixe neue, deutliche Verben (statt deutungszuweisungen erfolgt. In der Übersetzung kom-
87Sog. Litotes (Untertreibung); ironische Umschreibung
mhd. brennen = ‘brennen machen’ nhd. v e r brennen. men also die rhetorische Figur der Anapher (dô am
für ‘nie’. Nur in einigen Fällen ist es bei den ursprünglichen Un- Anfang der Verse 1212, 1216, 1218, 1223, 1225, 1226)
88urloup bedeutet wörtlich ‘Erlaubnis [Abschied neh- terschieden geblieben (mhd. ligen : legen, nhd. liegen : bzw. der Wortwiederholung (dô auch im Innern der
men zu dürfen]’. Die Konvention hätte erfordert, daß legen). Verse 1211, 1228) nicht mehr zur Geltung.
22

weil er durch den Stoß 1265 vier von ihnen wollten Ein großer Auflauf entstand.
wie tot vom Pferd fiel. Herrn Keies Pferd fangen. 1275 Er sagte: „Dieses Geschäft
1240 Danach kam Herr Limual - Sie liefen dorthin, hat mir den [gleichen] großen Schaden gebracht,
den stach er vom Pferd zu Boden. wo er eingesunken den viele hier erlitten haben.
Herr Dodines, der Wilde, und beinahe (schon) ertrunken war. Ich habe teuer bezahlt.103
kam auf das Feld; 1270 Da halfen sie ihm aus dem Sumpf100 Verflucht und geschmäht
er zerbrach seine Lanze an ihm - und setzten ihn auf sein Pferd 1280 sei die Mutter, die ihn getragen hat.104
1245 und damit sah man ihn auch vom Pferd und führten ihn weg, den Unbeliebten101, Ich habe auf ewig genug davon,
auf den Boden fallen. wie eine schmutzige Braut.102 daß er da vor dem Wald lagert.
Das war ihm vorher selten96 passiert. Ach, daß jemals ein stolzer Ritter
Den ganzen Tag über ritt er nun so gegen alle, seine Ehre bei ihm aufs Spiel gesetzt hat!
daß er nicht mit dem Schwert kämpfte, 1285 Mich ärgert sehr,
1250 sondern nur tjostierte.97 bestimmten Kämpfer anzufeuern. Aus Schilderungen in daß er in diesem Land ist.
Durch ein Verhalten zeichnete er sich sehr aus: anderen Epen weiß man aber, daß damit eben auch Wir sind auf immer durch ihn geschändet.“
Wen immer er herabgestochen hatte, Knappen bezeichnet werden, die beim Turnier ihren Nun waren aber die besten
nach dem sah er sich nicht um. Herrn mit neuen Lanzen versorgen (vgl. Gauriel 717ff.), Stützen des Hofes [zu jener Zeit] auf [der Suche nach]
Er ließ ihn liegen oder weggehen Reservepferde bereithalten usw. Natürlich werden sie 1290 âventiure aus dem Land gezogen.
1255 und wollte sich nicht [mehr] um ihn kümmern. dann ihren Herrn auch anfeuert haben - schon weil sie in Sie zogen die ganze Zeit ohne Kampf umher
So ritt er, bis es Abend wurde, der Regel einen Teil der Beute erhielten (s. ebenfalls und fanden damals
seinen ritterlichen Weg; 717ff., wo Gauriel allerdings seinen Knappen das Beu- keine âventiure.
dann hörte er mit Kämpfen auf. temachen ausdrücklich verbietet). Wollt Ihr hören, welche das gewesen sind?105
In dieser Maienzeit 100Daß Keie beim Abwurf durch Gauriel in einen Sumpf 1295 Das waren drei gute Ritter:
1260 fügte er auf der Heide98 gefallen ist, wurde bisher noch nicht berichtet. Hier zeigt Herr Gâwân und Herr Iwein ...
dem König großes Leid zu sich einer der zahlreichen Nachteile der Edition Khulls. und bei dieser Gruppe befand sich auch
an vielen hervorragenden Männern, Immerhin liefert Khull im Apparat die zum Verständnis Erec, der tapfere Ritter.
die dort durch ihn in Schande gerieten. nötigen Informationen z.T. nach, indem er z.B. hier zwei Sie waren alle von gleicher Gesinnung.
Nun liefen dort aber Knappen99 herum; Passagen aus der Hs. D zitiert, die sich nach Vers 1219 1300 Eines Tages lagerten sie morgens
und 1221 finden: auf freiem Feld106

96Vielleichtebenfalls Litotes; vgl. Anm. 87. Nach 1219: Er wolt jn an dem morgen
97D.h. er konnte alle Gegner mit der Lanze abwerfen. Vil gern bejagen
98Die Heide, bisher nur als Kampfplatz zur Geltung ge- 102Spielt an auf ein Ritual der Brautheimholung, bei
Gegen der f e v c h t er da raitt
kommen, wird nun durch die vorherige Erwähnung des Durch kays ungewissenhait dem die Braut eben auf ein Pferd gesetzt und dann
Mais als locus amoenus in Erinnerung gerufen (s. Hielt er ainhalb an das m o s z [vgl. 1270] heimgeleitet wird.
103in bezieht sich auf kouf.
Thoss); dadurch sollte sich vielleicht ein Zug von Ironie ...
oder parodistischer Humoreske herstellen. Nach 1221: Untz er doch i n d e m m o s s gelag 104Im Sinn von: ‘mit ihm schwanger gegangen ist’.
99Ein kroiierer (Lexer s.v. kriierer) ist eigentlich je- Recht als ain voller sack 105Rhetorisch: Anrede (Apostrophe) an das Publikum in
mand, der einen Schlachtruf ausstößt, um die oder einen 101Wörtlich: ‘niemandes Liebling’. Frageform (interrogatio).
23

vor einem Wald, der war groß. hin zu seinen Kameraden. dessen Sinn auf Kampf gerichtet ist.“
Dort floß ein schönes Gewässer. Die Ritter gingen ihr entgegen. Da sprach das schöne Mädchen:
Erec, der mutige Ritter, 1335 Sie empfingen die Jungfrau 1355 „Es wird wohl ein Mann vollenden
1305 ging von ihnen fort in den Wald, mit solch freundlichen Worten, ***113
um nach âventiure Ausschau zu halten. daß durch diese Begrüßung Vater und Mutter sind ihr gestorben,
Da ritt ihm auf einem engen Pfad all ihr Kummer verschwand, dadurch ist sie in große Bedrängnis gekommen.
eine junge Dame entgegen. als sie die Ritter erblickte. Hört nämlich nun von einem großen Unrecht:
Er trat auf die Jungfrau zu. 1340 Da sagte Erec, der treffliche Ritter: Es gibt einen Grafen, genannt
1310 „Gott schütze Euch, schöne Liebenswerte! „Ich glaube109, daß wir mit dem, was wir uns 1360 'vom weißen Fels',
Seid Ihr eine Fee“, wünschen,110 dessen Gebiet an ihr Land stößt.
fragte er, „oder seid Ihr um âventiure willen hier auf erfreuliche Weise ans Ziel gelangt sind. Der richtete seine Gedanken
in die Lande geschickt worden? Diese Jungfrau ist geschickt worden, auf die Liebe zu meiner Herrin,114
Aber wenn Ihr jemandes Hilfe begehrt, um Ritter zu holen. auf daß sie ihn zum Mann nehme.
1315 so wird Euch [diese] von mir gewährt werden.“ 1345 Ich habe also einen guten Vorschlag111 für uns: 1365 Sie [aber] sagte; » Das würde meiner
Die Jungfrau freute sich über diese Worte Wir reiten mit ihr. hohen Stellung schlecht ziemen.
und antwortete ihm folgendermaßen:107 Einen Boten senden wir112 Darauf115 kann ich gerne verzichten.«
„Wenn Ihr dazu stehen wollt,108 nach Britannien in das Land.
dann bietet Euch meine Herrin Uns werden [dann] Ritter
1320 Ihre Ergebenheit, Ihre Huld und Besitz an.“ 1350 der Tafelrunde nachgesendet. 113Der folgende Text unterscheidet sich in den beiden
Er sagte: „Daß wäre ein [Zeichen von] [Zu] uns wird dann in kurzer Zeit Handschriften stark voneinander:
Charakterschwäche, manch auserlesener Ritter kommen, Hs. I:
wenn ich Euch etwas verspräche Der soll ir chempfer sein
und daß nicht wahrmachen würde. Si haisset fraw Saffein
Reitet jetzt mit mir. 109Anders als in Vers 1157 (s. Anm. 81) steht hier nach
Ir vater der hiez Saffian
1325 Hier in der Nähe finden wir waenen nicht der Konjunktiv; dadurch ergibt sich ein Und hat des pesten vill getan
mein Pferd und zwei tapfere Ritter, reiner Reim endet : gesendet. Si ist ein hertzogin reich
deren Sinn bereitwillig 110Nämlich âventiure. Gar schon und lœbleich
auf âventiure gerichtet ist.“ 111Im Mhd. hat, anders als im Nhd (horchen ≠ gehor- Hs. D:
„Hierher hat Gott mich geschickt“, chen), die Vorsilbe ge- oft keine bedeutungsdiffe- Ob uns gott der sälden gan
1330 sagte die lobwürdige Jungfrau. renzierende Funktion (s. Pretzel, S. 187), sondern wird Ich soll nit grosser reis han
Er nahm [ihr Pferd] beim Zaum zum Teil nur aus metrischen Gründen verwendet, um Ich sag euch miner miner frowen nott
und führte das schöne Mädchen eine unbetonte Silbe mehr zur Verfügung zu haben. Ir ist vatter und mutter todt
gerâten hier also = râten. Dadurch ergibt sich ein regel- Der was sicherlich
106unverborgen wurde wohl aus Reimgründen einge- Ain hertzog mächtig und rich
mäßiger Wechsel von betonter und unbetonter Silbe: sô
fügt. kan ich uns gerâten wol (betonte Silben fett gesetzt). Sy ist ain als schöne mait,
107Mhd. alsô leitet noch keine Folgerung ein, sondern 112wir rîten : sende wir (1346f.): Figur des Chiasmus Da von man singt und sait
ist ein verstärktes sô. 114mîner vrowen: Genitivus obiectivus.
(Gegensatz: Parallelismus, z.B. 1192-93: swem ... daz
108Nämlich zu dem vorher gegebenen Versprechen. heil gevelt - dem der beste teil ... stât oder 1694). 115rede hat oft nur umschreibende Funktion.
24

Als ihr Mundschenk116 das hörte, 1385 ich werde das [dann] vor Gericht zu Euren verwundet und gefangengenommen sind.
daß117 die Absicht [des Grafen] ihr unlieb war, Gunsten120 beschwören.« 1395 Diese [âventiure] ist noch nicht vorbei,
1370 da veränderte er seine Gesinnung, In dieser Sache 121 ist nun ein Gerichtstag festgesetzt und wegen dieser Notsituation
wie der Treulose es ja macht, worden, bin ich ohne Gerichtskämpfer125 fortgeritten.“
und nahm vom [Grafen] Geld an dafür, der soll in dieser Woche Erec, der Sohn des Königs Lac,
ihm das zu verraten. zu einem Ergebnis kommen.122 Deshalb wurde ich war ein Verwandter der Herzogin.
Er sagte zu ihm: »Herr, in das Land des Königs Artus geschickt.123 1400 Er sagte darüber [aber] nicht das geringste,126
1375 meine Herrin ist weit davon entfernt zu machen, 1390 Dort [aber] hat gerade jetzt124 ein Ritter als die Jungfrau erzählte,
was wir von ihr wünschen. eine âventiure unternommen wegen welcher Ereignisse
Ich habe mir aber einen guten Plan und ist dabei so verfahren, sie ohne Gerichtskämpfer
ausgedacht mit ihr: daß Ritter totgeblieben, aus Artus' Reich wieder fortgeritten
Herr, wenn Ihr mir folgen wollt, 1405 und wie das gekämpft worden war
1380 dann behauptet, daß sie [schon] Eure Frau ist, und wie der eine Mann den Siegpreis
und sagt, ich sei Zeuge für [die Heirat], 119tädinc, entstanden aus tagedinc, meint ursprünglich über so viele Ritter davongetragen hatte.
und stellt Euch keck ein dinc (Rechtssache), das an einem Tag verhandelt Die Verwandtschaft wurde [von Erec] aus folgendem
vor das ganze Volk118, werden kann, bzw. eine auf einen bestimmten Tag ge- Grund verschwiegen:
um mit ihr darum zu prozessieren119; legte Gerichtsverhandlung (thing, dinc; vgl. ‘Thing’; Er hätte der [Jungfrau] gerne eine Absage erteilt,
vgl. Vers 1386: des ist ein t a c g e s p r o c h e n ), 1410 wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte,
dann auch ‘Rechtfall’, ‘Gerichtsverhandlung’ usw. all- es ohne Schande zu tun.
gemein. Er fragte die Jungfrau: „Meine Dame,
116Hofämter sind oft nur Ehrenämter bzw. die Inhaber
120iu: Dativ (nach der Terminologie der lat. Grammatik: könnte es wohl eine Möglichkeit geben,
der Titel haben herausgehobene Verwaltungsfunktionen dativus commodi). den [Gerichts-]Kampf aufzuschieben?“
und üben, außer bei zeremoniellen Anlässen, die durch 121des: Genitiv der Relation. 1415 Nicht, ohne daß meine Herrin
den Amtsnamen eigentlich bezeichnete Funktion nicht 122Der Gerichtstag hat noch nicht angefangen - man ihre Ehre verlieren würde,“ antwortete die Jungfrau.
mehr aus. kann also, wenn man Mißverständnisse vermeiden will, Er sagte: „Ihr habt uns da etwas erzählt,
117daz - daz in 1368f. macht noch einmal die Herkunft sich enden nicht mit ‘beendet werden’ o.ä. übersetzen. was uns sehr nahegeht.
der Konjunktion daß deutlich. Unser daß ist entstanden Die Übersetzung ‘zu einem Ergebnis kommen’ läßt sich
aus dem Relativpronomen, welches das Demonstrativum rechtfertigen damit, daß ende auch ‘Ziel’ bedeutet. ‘Ziel’ 125Ein Gerichtskämpfer ist jemand, der die Unschuld
daz noch einmal aufnimmt. Diese Entwicklung ist aber eines Prozesses ist es, zu einem Urteil zu gelangen - eines anderen vor Gericht durch Sieg in einem Kampf
schon im Ahd. vollzogen worden. Der sprachhistorische dieses Urteil ist gleichzeitig das Ergebnis des prozesses. (gegen den Prozeßkontrahenten oder dessen kemphe)
Befund könnte diejenigen eines besseren belehren, die 123Ergänze: um einen Helfer zu finden. Dieser Helfer erweist. Dieses Verfahren wurde angewendet, wenn sich
den Untergang des Abendlandes kommen sehen, wenn soll die Funktion des kemphe übernehmen; s. Vers 1397 ein Fall nicht durch ein Geständnis, Zeugenaussagen
sich der Vorschlag durchsetzen würde, die Schreibwei- und Anm. z.St. oder andere (nach heutigem Empfinden) ‘übliche’ Be-
sen das und daß anzugleichen. Im Englischen ist die 124hiure bedeutet eigentlich ‘heute’ (ahd. hiuru; ent- weismethoden lösen ließ. Ein Beweis konnte nach mit-
Schreibweise des Deminstrativpronomens und der Kon- standen aus hiu jaru= in diesem Jahr; vgl. heute < hiu telalterlicher Auffassung der Ausgang eines solchen
junktion ja auch identisch (that). tagu; lat. hodie < hoc die) . Es ist aber nicht klar, ob Kampfes insofern sein, als man davon ausging, daß Gott
118Zur Bedeutung von arme unde rîche s. die Anm. zu Gauriels Kämpfe am gleichen Tag stattfinden wie das der gerechten Sache zum Sieg verhelfen würde.
Vers 434. treffen der Botin mit Erec, Gawan und Iwein. 126Wörtlich: ‘er schwieg darüber sehr still’.
25

Geht mir beide Euren Rat in dieser Sache, 1445 kamen132 Herr Iwein und Herr Gawan Aber mein Herr Walban sagte:
1420 Herr Iwein und Herr Gawan, an den Hof geritten. „Wenn Ihr doch nur so wäret [wie er]!
was ich am besten mache.“ Das wurde dem König gemeldet. 1460 Aber Ihr seid, wie Ihr nun einmal seid:135
Beider Rat fiel so aus: Darüber freute er sich und war darüber froh.133 Man weiß ja genau, daß Ihr immer schon
„Eurer Ehre angemessen ist es [nur], Man empfing sie gerne. auf tapfere Helden neidisch136 gewesen seid.“
Euer Wort zu halten127 1450 Artus berichtete ihnen vollständig, Keie sagte: „Schweigt besser davon,
1425 und mit Ihr durch den Wald zu ziehen.“ was vorgefallen war. mein lieber Herr Walban!
Sie empfahlen sich einander der [Gnade] Gottes. Dann sagte der Truchseß:134 1465 Ihr könnt von Eurem Zorn ablassen,
Zu den Pferden eilten sie sofort. „Wäre er wirklich so, wie man über ihn redet, denn Ihr seid auch nicht so ganz
Sie trennten sich voneinander: so würde meine Ehre mich nicht so frei von Mißerfolg, dessen Ursache e r ist;
Erec und das Mädchen 1455 sehr von Herzen dauern. Ihr könnt also ruhig darüber hinweggehen,
1430 ritten - und dadurch bewahrten sie ihre Ehre - Der Teufel, der ihn hergebracht hat, was ihm von mir geschehen ist.137
in das Land der Herzogin, der soll sich um ihn kümmern.“ 1470 Sie beendeten ihr Streitgespräch.
Herr Gawan und Herr Iwein „Und wenn ich genau wüßte, daß er in allen
kehrten nach Hause zurück an den Hof von Britannien. Kämpfen siegen würde -
Sie ritten Tag und Nacht, 131D.h.: als man sich nach dem Essen die Finger gewa- ich will [trotzdem] nicht länger warten“,
1435 so weit es die Kräfte der Pferde schen hatte - was nötig war, da man noch weitgehend sagte Herr Gawan.
ihnen gestatteten. ohne Besteck aß. Auch vor dem Essen wäscht man sich 1475 „Ich will morgen gegen ihn antreten,
Das † dauerte bis zu der Zeit †,128 natürlich die Hände, wozu ebenfalls an der Tafel Wasser wenn ich die Erlaubnis dazu erhalte.“
als sich im Mai bereitgestellt wird: s. Vers 3980. „Hier hat sich ein Wunder gezeigt,
die âventiure zweiteilen wollte.129 132Im Text steht Singular (kam), so daß sich angesichts von dem ich noch nie gehört habe
1440 Wie ich Euch sage[n kann], kamen sie dorthin, der beiden Subjekte eine sog. Inkongruenz (Nichtüber-
als der Mai von seinen Tagen einstimmung) des Numerus ergibt. Die mhd. Syntax ist,
drei noch nicht verschlissen hatte. wie bereits an anderer Stelle erwähnt (s. Anm. zu 831), 135wan könnte hier auch mit ‘denn’ übersetzt werden;
Da wurde heftig gekämpft.130 ohnehin freier als die nhd.; hier ist aber auch eine Funk- der Satz enthielte dann die Begründung dafür, weshalb
Eines Abends, als man Wasser genommen hatte,131 tion der Inkongruenz erkennbar - der Reim nam - kam. Walban sich einen ‘anderen Keie’ wünscht. Allerdings
133Der Gebrauch etymologisch verwandter Wörter entspricht die Übersetzung mit ‘aber’ besser der (nicht
(‘grammatischer Reim’) gilt der neuzeitlichen Stilistik ganz konkurrenzlosen, aber doch dominierenden) mit-
127Siehe nämlich Vers 1314f. als unschön - der mittelalterlichen gerade nicht. Die telalterlichen Auffassung, daß natürliche Veranlagung
128Der Sinn der Stelle ist mit dieser Übersetzung wohl auch durch Erziehung nicht verändert werden könne.
Rhetorik empfiehlt ihn (Terminus: adnominatio / an-
getroffen. Störend ist aber der unklare Zusammenhang: nominatio). 136Die Grundbedeutung von nît ist ‘feindselige Gesin-
Dauerte der Ritt so lange, bis die âventiure sich zweige- 134truhsaeze ist eine sog. Antonomasie (ein Tropus), die nung’; an manchen Stellen (wie eben auch hier) ist aber
teilt hatte? Die âventiure h a t sich ja schon zweigeteilt. Umschreibung eines Eigennamens (hier des Namens aus dem Kontext auch schon die Bedeutung des durch
Mehr Sinn gibt der Wortlaut von 1438f. in D: Keie). Bei der Anwendung auf Personen sind Antono- Diphthongierung daraus entstandenen nhd. ‘Neid’ anzu-
Das sich die aubentür schied masie und circumlocutio/Periphrase (s. Anm. zu Vers setzen.
Ir hertz mit yn dar riedt. 787ff.) z.T. schwer auseinanderzuhalten; z.B. könnte 137Man würde erwarten: ‘was m i r von i h m ge-
129Nämlich in die Gauriel- und die Erec-âventiure.
‘der Ritter mit dem Bock’ für ‘Gauriel’ unter beide Ka- schehen ist’. Der Sinn dürfte sein: ‘was zwischen uns
130Wörtlich: ‘Da erhob sich großes Fechten.’ tegorien fallen. beiden abgelaufen ist’.
26

(ich fürchte, die Welt geht unter!)138, Ich habe mir die âventiure vor Euch er ließ [eine Messe] singen und frühstückte.
1480 daß hier [nämlich] ein einziger Ritter angeeignet - das will ich rückgängig machen.142 Den Willen seiner Ritter [zu erfüllen], hatte er sich von
Glück und Heil139 so vieler Männer entführt hat, ohne Ihr sollt von Rechts wegen als erster kämpfen. Jugend an alle seine Tage bemüht.
jemand etwas übrig zu lassen,“ Euer Ruhm schwebt so hoch, 1525 Nach dem Bericht unserer Quelle
sagte darauf Herr Iwein. 1500 daß ich Euch diese Ehre bereitete sich, als das Frühstück beendet war,
„Diese âventiure sei uns beiden140 gönne - und auch gönnen muß.“ Herr Gawan so sorgfältig vor,
gestattet, da sie noch andauert Der tugendreiche Iwein wie er es konnte
1485 und Gott uns noch während dieser sagte höchst wohlerzogen: und wie es seiner Ehre angemessen war,
[letzten] drei [Mai-]Tage hierher geschickt hat.“ „Was sollen diese Worte bedeuten? 1530 so wurde er geschmückt
Der König und die Königin 1505 Treibt Ihr Euren Spaß mit mir und schön gekleidet,144
gaben ihnen [ihre] Erlaubnis und ihren Segen oder wollt Ihr mich auf die Probe stellen?“ wie es seinen Prestige geziemend war.
und baten Gott, sich ihrer Ehre anzunehmen; „Davor soll mich der mächtige Gott Der Ritter mit dem Bock
1490 und alle, die sprechen konnten, im Himmel bewahren, kam ihm auf dem Kampfplatz entgegengeritten.
wünschten gleiches. denn es gibt in unserer Zeit niemanden, 1535 Dann wurde an diesem Tag von ihnen
Aber Herr Gawan sprach: 1510 der ein besserer Ritter ist als Ihr [es] seid. so ritterlich gekämpft,
„Ich habe nicht ganz das Richtige gesagt. Das seid Ihr auch immer gewesen - ohne Neid [gestehe dann man seitdem
Da es mir zugefallen ist, ich das]. und bis in unsere Zeit
1495 Herr Iwein, verzichtet ihr.141 Ich gönne Euch auch den Sieg mehr noch davon zu erzählen hat.
als mir selbst; das sollt Ihr wissen.“ 1540 Als sie sich so nahe gekommen waren,
Aber der König und die Königin daß sie sich hören konnten,
138‘Wunderbare’ Vorfälle, vor allem solche, die den Na- 1515 schlichteten ihre Auseinandersetzung sagte Herr Gawan:
turgesetzen zu widersprechen schienen, wurden im Mit- so, daß der edle Gawan „Was hätten145 Euch denn wohl der König
telalter oft als Vorzeichen von Weltende und Jüngstem als erster gegen den Ritter antreten sollte. und die lobwürdige Königin getan
Gericht interpretiert. So kursieren etwa Kataloge von Ihre Ruhe dauerte nicht zu lange. 1545 ...146,
‘Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht’, die man Am Morgen, als der Gesang der Vögel
aus der Bibel kompiliert - wobei sich aber in verschie- 1520 mit Tagesanbruch erschallte,143
denen Katalogen Abweichungen untereinander feststel- wartete der König nicht länger; 144Die Verse 1528f. stehen apo koinou, d.h. sie beziehen
len lassen. (Bekannte mittelalterliche Darstellungen sich sowohl auf den vorhergehenden als auch auf den
finden sich etwa bei Frau Ava, in der Legenda aurea des 141Eine etwas unklare Stelle: Davon, daß Gawan die folgenden Satzteil.
Jacobus de Voragine oder im Straßburger Antichrist- âventiure als erster zugesprochen erhalten hat, war nir- 145In D geht ein Vers voraus, der den Konjunktiv syn-
Druck des 15. Jhs.) Gawans Äußerung ist wohl als eine gendwo die Rede. Man würde also gerne übersetzen: taktisch bedingt:
Art hyperbolischer Vergleich aufzufassen, der nicht ‘ F a l l s mir die âventiure zufällt, m ü ß t e t Ihr Ich west gern, mocht es sein
wörtlich zu verstehen ist, sondern seinem Erstaunen verzichten.’ Aber eine konditionale Bedeutung von sît Ich wüßte gern, wenn es möglich wäre
besonderen Ausdruck geben soll. läßt sich nicht belegen. 146Da sich kein Vers mit einem Reimwort auf lobesam
139Die Doppelübersetzung von mhd. heil versucht, das 142widerkomen mit Genitiv laut Lexer u.a. ‘aufgeben’,
findet, hat der Herausgeber Khull angenommen, daß ein
in Vergessenheit geratene breite Bedeutungsspektrum ‘bessern’, ‘zurückkommen’. Vers fehlt. Syntaktisch sind die Verse aber vollständig.
wenigstens im Ansatz nachzuvollziehen. 143erschalte < erschellen (schwaches Verb mit Rück- Vielleicht liegt ein Dreireim Gâwân - getân - lobesam
140Ihm und Gawan. umlaut). vor; nach den Reimprinzipien der mhd. Klassik würde
27

daß Ihr ihre Hofdame wer gewonnen und wer verloren habe - wollte dem Ritter unbedingt
hier an diesem Ort gefangen haltet?“ so ausgewogen war ihre ritterliche Leistung 1600 das Leben nehmen.
Prompt antwortete er folgendermaßen: in bezug auf gleiches Können und gleiche Stärke. Beiden hatten das gleiche vor
„Ich habe dieses Pfand der âventiure 1570 Nachdem sie viele Lanzen zerbrochen hatten, und dachten an das gleiche.
1550 hier zu dem Zweck zurückbehalten, spielten sie ein anderes Spiel: Deshalb kämpften sie beide
falls jemand sie mit Rittertaten Sie zogen zwei Schwerter und zauderten nicht.
befreien will; [nur] das war immer mein Begehren. von der Seite. Da entwickelte sich 1605 Er150 brachte ihm an der Seite
Wenn Ihr sie befreien wollt - dann los!“ zu Pferd ein harter und gefährlicher Kampf. eine kleine Stichwunde bei.
Da sagte der Herr Gawan: 1575 Sie nahmen sich aber in acht, Im gleichen Moment,
1555 „Allerdings will ich das!“ daß sie die Pferde nicht trafen, als der die Wunde spürte,
Dann sah man Helmschmuck fliegen wie gut ihre Schwerter auch schnitten. schlug er ihm das Schwert aus der Hand.
und zwei Ritter sich sorgfältig Grimmig gingen sie aufeinander los,148 1610 Nachdem er ihn von seinem Schwert getrennt
hinter die Schilde ducken. ihre Hände verteilten hatte,
Jeder spielte das Spiel, 1580 über den Rand der Schilde hinweg zögerte er nicht lange.
1560 in dem er Meister war; viele Schläge und Stiche, Er schlug und stieß heftig zu,
[daß] das [so war,] zeigten sie auch dort deutlich. während sie sich gegenseitig bedrängten.149 aber ohne ein Wort zu reden.
Ihre Tjost wurde so gewaltig, Oft erklangen die Schwerter Er wollte ihm die Wunde bezahlen,
daß Leute von nah und fern147, auf ihren glänzenden Rüstungen, 1615 ohne ihn zu schmähen.
die zusahen und zuhörten, 1585 so daß mich sehr wundert, Gawan parierte mit dem Schild flink [die Schläge].151
1565 einstimmig sagten, wie sie sich dessen [überhaupt] erwehrten. Er befürchtete, hier und jetzt durch den Fremden
niemand könne unterscheiden, Der Luftzug von den [zuschlagenden] Schwertern
streifte oft ihren Mund. 150Man könnte aus dem weiteren Verlauf problemlos
es sich dann beim Reim von kurzem auf langes a um Jeder von [ihnen] lernte dort etwas kennen, rekonstruieren, wer hier und im Folgenden mit ‘er’ ge-
einen vokalisch quantitativ unreinen Reim handeln; da 1590 was er vorher noch von keinem meint ist. Dies würde jedoch den Stil der Darstellung
die Hss. des Gauriel aber dem 15. Jh. entstammen, Mann kennengelernt hatte. nicht treffen: Für die Handlung ist es zunächst völlig
könnte schon eine Dehnung des kurzen a erfolgt sein. Den ganzen langen Tag bis zur Nacht unerheblich, wer was macht; betont werden sollen die
147Ebenfalls eine Umschreibung für ‘alle’. Die Grund- kämpften sie mit der gleichen Kraft, Erbitterung des Kampfes und die Gleichwertigkeit der
mit der sie begonnen hatten. Gegner (die dann die Leistung des Siegers um so mehr
bedeutung von gast ist ‘Fremder’, die kunden sind also
1595Sie spielten beide ein hervortreten läßt, ohne dem Besiegten seinen Nimbus zu
die Einheimischen. Wenn man also über die rhetorische
sehr feindseliges Spiel - nehmen). Möglich ist auch, daß der Autor die Namen
Funktion hinaus in der Doppelformel eine eigenständige
wie ich Euch jetzt erzählen werde: unterdrückt, um Spannung zu erzeugen.
semantische Aussage sehen will, könnte diese folgen-
Der auserlesene Gawan 151schirmen/schermen ist ein Terminus technicus; es
dermaßen aussehen: Die Einheimischen sind am Prestige
des eigenen Hofes interessiert und könnten sich mit impliziert also nicht nur das instinkthafte Abwehren,
148hurt= Stoß, Anprall.
ihrem Lob dem Verdacht der Parteilichkeit ausgesetzt sondern die gezielte, methodische Abwehr. Das schir-
sehen; die Fremden haben ein solches Interesse nicht 149‘bedrängen’ ist eigentlich keine adäquate Überset- men ist Bestandteil der Waffenausbildung des jungen
und geben daher ein neutrales Urteil ab - wenn beide zung, da in diesem nhd. Wort der ursprünglich konkrete Adligen (siehe z.B. Gottfrieds Tristan, Vers 2113); es
Gruppen zum gleichen Urteil kommen, muß es also Gehalt schon verblaßt ist. Treffender wäre ‘während sie erfolgt - wie hier - mit dem Schild, mit dem Schwert
wohl zutreffend sein. im Clinch lagen’ - aber das ist leider nicht seriös genug. oder mit beidem.
28

den Tod zu finden. große Ehre erwiesen: 1655 zogen ihre Rüstungen aus, [ legten sie]161
Er war in ernsthafter Bedrängnis. 1640 Die Jungfrau umarmte ihn mit vollendeter auf162 die Schilde und verbanden
1620 Er sagte: „Wenn Ihr diese âventiure Freundlichkeit.157 Herrn Gauriels Wunde.163
hier in ehrenhafter Absicht initiiert habt152, Sie fragte: „Herr Gawan, wie Nun hatte aber [inzwischen] mein Herr Iwein
dann ist es unziemlich, wenn ich mein Leben konnte das geschehen, seinen Boten zu den beiden geschickt,
durch Euch wie eine schwache153 Frau daß bisher Eure Tapferkeit 1660 einen verständigen Knappen,
ohne [Möglichkeit der] Gegenwehr verlieren werde. für die Leute immer genug war?“158 der sich gut164 aufs Reden verstand.
1625 Das steht Euch nicht unbedingt gut zu 1645 Er antwortete: „Wer wäre der,159
Gesicht.154„ der niemals einen Mißerfolg gehabt hätte?
Er antwortete: „Ihr seid nicht ohne Möglichkeit der Wenn ein Mann ein [ganzes] Land 161Eine Parallele zu 1636f. (s. Anm. 153): schütten
Gegenwehr. mit seiner Tapferkeit ein ganzes Land bezwänge - bedeutet u.a. ‘schwingen, schütteln, erschüttern’ und ist
Es würde mir vollauf genügen, wenn ein ganzes Heer sollte er dann traurig darüber sein,160 ein terminus technicus für das „an- und ablegen der
mir diese Wunde zugefügt hätte, 1650 wenn er irgendwann einmal einen rüstung“ (Lexer); zwei aufeinanderfolgende Tätigkeiten
die Ihr mir ganz allein zugefügt habt. besseren Ritter findet werden also in einem Verb zusammengefaßt.- Die Form
1630 Einen größeren Vorteil könnt Ihr nicht haben. als er [es ist]? Glaubt [mir]: schutten ist die 1. Pl. Ind. P r ä t e r i t u m. Bei schwa-
Erklärt Euch155 jetzt für überwunden, wenn Ihr am ein solches Gefühl der Enttäuschung wäre sonderbar.“ chen Verben, die schon im Infinitiv ein -te- oder -de-
Leben bleiben wollt.“ Die beiden Ritter, [jetzt wieder] in freundlicher haben, spart man sich bei der Bildung des Präteritums
Herr Gawan sagte: „Ich habe Grund, den Kampf Stimmung, eins der beiden Dentalsuffixe. schütten gehört wie ant-
bereitwillig aufzugeben; es ist Zeit dazu.“ würten, nützen, wünschen u.a. zu den schwachen Verben
So nahm er denn Gawans Unterwerfungsgelöbnis an. mit Rückumlaut, die zwischen Präsens und Präteritum
1635 Die stolzen, stattlichen Ritter 157Die Bedeutung ‘freundlich’ für schoene/schône ist einen Wechsel ü - u aufweisen (andere Wechsel: e-a, æ -
ritten friedlich über das Feld belegt, hier aber ohne den o.a. Zusatz nicht ganz tref- â, œ - ô, iu - û, üe - uo).
zum156 Zelt des Ritters. fend: Es geht nicht um eine private, individuelle Be- 162Im Text steht in. Die Raum- und Richtungs-
Dort wurde dem Ritter Gawan kundung eines Gefühls (vgl. nämlich auch die folgende, vorstellungen, die hinter den mhd. Präpositionen stehen,
reichlich ambivalente Frage der Jungfrau), sondern um unterscheiden sich z.T. von denen der nhd. Die Schilde
eine Geste der - wenn auch besonderen - Höflichkeit (s. sind gebogen (um Schläge und Stiche besser abgleiten
152Wörtlich: ‘hierher ge-/verlegt habt’. 1639). zu lassen); die Rüstungen werden also ‘in’ die Innen-
153ænec entweder ‘los’, ‘ledig’ oder = 1einec (‘allein’, 158genüegen bedeutet u.a. ‘zufriedenstellen’ und ‘sätti- wölbung gelegt. Auch im Nhd. können sich vereinzelt
‘alleingelassen’) oder = 2einec (‘irgendein’). gen’. Der Sinn ist hier nicht ganz klar - es fragt sich, wer divergente Perspektiven bei einzelnen Präpositionen
154Litotes (s. Anm. 87) im engeren Sinn: eine Behaup- mit den liuten gemeint ist: Gawans bisherige Gegner ergeben, wenn eine Präposition mehr als einen Kasus
tung o.ä. wird durch Verneinung des Gegenteils ausge- (vgl. nhd. ugs. ‘jemanden sattmachen’) oder die Öffent- regieren kann (vgl. etwa: ‘die Katze legt sich auf d e m
drückt. lichkeit, der Hof usw., die Gawans bisherige Siege mit- Ofen schlafen’ vs. ‘die Katze legt sich auf d e n Ofen
155sichern = ‘sicherheit (s. Anm. 69) leisten, geloben’. erlebt haben. schlafen’).
156Wörtlich: ‘in das Zelt’ - diese Übersetzung würde 159Im Sinn von: ‘wo gäbe es jemanden?’. 163wunde kann stark und schwach flektiert werden; bei
aber den Sinn nicht treffen. Der mhd. Präpositionsge- 160Wörtl.: ‘sollte er s i c h deswegen Leid nehmen?’ der Deklination der schwachen Feminina endet auch der
brauch nimmt ein Ergebnis vorweg, das noch hinter dem (erm = er i m ; der Dativ des Personalpronomens dient Akkusativ Singular auf -n.
durch das Verb ausgedrückten Vorgang liegt (‘sie ritten im Mhd. als Dativ des Reflexivpronomens, während im 164genuoge wird oft zur Bildung der Figur der Litotes
[zum] Zelt und [gingen] hinein’). Nhd. ‘sich’ sowohl Dativ als auch Akkusativ sein kann) (s.o. Anm. 87, 96, 154) verwendet.
29

Als dieser das Zelt betrat, morgen auf dem Feld „Er will aber doch morgen
empfing der 'Haus'herr ihn sehr höflich. gegen Euch und Euren Bock anzutreten.“ kämpfen - mit Euch, wenn Ihr wollt,
Der Knappe bedankte sich und sagte sofort165: 1690 Der Ritter sprach: „Darüber bin ich froh. oder mit wem immer, der es mit ihm
1665 „Herr, mich hat mein Herr, Zieht hin und sagt ihm, versuchen171 will.“
Herr Iwein, aus folgenden Grund hergeschickt: daß ich bereit bin, ihn zu erwarten. 1710 Darüber freute sich Herr Iwein,
Er wüßte gerne, Das wird mir eine ungetrübte168 Herzensfreude sein: der sich ja immer in makelloser Tugend präsentierte.172
wie der Kampf zwischen Euch beiden er und sein Löwe, ich und mein Bock.“ Er ließ sich173 seine Rüstung polieren,
ausgegangen ist.“ 1695 Mit Sicherheit wird helles Haar denn er hatte sich entschlossen
1670 Der Ritter antwortete dem Knappen: rot werden, bevor wir uns hier [wieder] trennen. zu einem Kampf, wie er es oft getan hatte.
„Geselle, ich sage [es] dir wahrheitsgemäß: Nie hörte ich von jemand, nie sah ich jemand, 1715 Als der morgenhelle Tag
Für m i c h ist der Kampf glücklich ausgegangen. mit dem ich, wenn es möglich ist, lieber Berg und Tal mit Licht erfüllte,
Beinahe hätte mir der edle Gawan den morgigen Tag verbringen würde169.“ legte man ihm in der Halle seine Rüstung an.
das Leben genommen. 1700 Damit nahm der Knecht Abschied Man brachte ihm ein gutes Streitroß.
1675 Aber das wollte ich durch nichts anderes und teilte, nachdem er wieder zurückgekommen war, Wäre er in einem Heer zu sehen gewesen -
rächen - was auch daraus werden mag - seinem Herrn mit, 1720 er allein hätte dieses Heer glänzen lassen.
als durch das, was Gott vorherbestimmt hat, daß Gawan So zog er ins Feld.
daß ich ihn nämlich besiegt habe. gefangen, aber ganz unverwundet sei Mit ihm aber zog los
Ich habe Grund, mich dafür 1705 und der Ritter mit dem Bock eine der Löwe, der sein Begleiter geworden war,
1680 zu beglückwünschen.166 leichte Wunde an der Seite habe.170 nachdem Iwein im Wald den Drachen erschlagen
Das Schwert flog im aus der Hand; hatte.174
wäre es ihm geblieben,
wäre ich in Bedrängnis gekommen.“
Der Knappe sprach: „Herr, ich soll 167stât wird hier, mit verschiedenen Bedeutungen, zwei
1685 Euch sagen, wenn Ihr gestattet, Subjekten gleichzeitig zugeordnet. Neben Inkongruenz
was mein Herr Euch ausrichten läßt: des Numerus (vgl. Anm. 132) liegt also auch eine Art 170Man beachte in den folgenden Versen das Stilmittel
Er hat vor - und setzt sein Leben dafür als Pfand -,167 Z e u g m a vor (Bezug eines Prädikats auf mehrere des Wechsels von der indirekten zur direkten Rede.
Subjekte das inhaltlich nur zu einem paßt). Das Zeugma 171suochen mit persönlichem Objekt kann auch bedeu-
wird von der antiken und ma. Rhetorik unter die Figuren ten ‘feindlich aufsuchen’. Lexer gibt ferner an: ein dinc
gezählt; der neuzeitlichen Stilistik gilt es als Fehler. Im an einen suochen = „jmd. für etwas bestrafen“; das paßt
165ze hant könnte auch nur aus Reimgründen hinzuge- Mhd. handelt es sich beim Zeugma in vielen Fällen wohl m.E. nicht, weil hier ja eine Äußerung G a u r i e l s
setzt worden sein. nicht um eine bewußt rhrtorische Gestaltung, sondern referiert wird.
166Die - scheinbar - wörtlichere Übersetzung (‘Ich kann um eine Möglichkeit, die durch die flexibleren mhd. 172der ie in ganzer tugende schein ist eine gängige Flos-
mir dafür Dank sagen’) würde suggerieren, daß Gauriel Syntax zustande kommt. Beispiele aus der mhd. Litera- kel, deren Gebrauch hier einen Reim auf Iwein ermög-
den Sieg prätentiös nur auf die eigene Leistung zurück- tur bei Brandt 1986, S. 20. licht. Nimmt man die Floskel wörtlich, wird damit I-
168gar = ‘ganz’, ‘vollständig’. weins Freude über die Möglichkeit, kämpfen zu können,
führt; dies würde den Tugenden der Höflichkeit und der
Bescheidenheit wiedersprechen. Vgl. auch die folgenden 169vertrîben wohl 1. Sgl. Ind. Präs. Die Endung -en für als Zeichen von Tugend interpretiert - was sich natürlich
Verse, wo Gauriel Gawans Verlust des Schwertes eher diese Person ist im Mitteldeutschen, besonders im Mit- nahtlos der adligen Ethik einfügt.
als für diesen unglücklichen Zufall darstellt. telfränkischen, und im Westalemannischen anzutreffen. 173Zum reflexiven Gebrauch von im(e) s. Anm. 158.
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1725 Sie hatten sich gegenseitig als Helfer erwählt; 1745 Mit Kraft brachten sie die Lanzen Der edle Iwein freute sich darüber,
daher hatte der Löwe ihm später geholfen, gleichzeitig in die Waagerechte, als Gauriel absaß.
manchen gefährlich Kampf [siegreich] zu beenden. weder zu niedrig noch zu hoch. Der Löwe vergaß seine Natur nicht,
Der Ritter mit dem Bock kam Mit ritterlichem Können 1780 er zeigte schnell sein gewöhnliches Verhalten:
ihm grimmig entgegen. trafen sie, wie sie es gewollt hatten, Noch bevor Gauriel vom Pferd absitzen konnte,
1730 Er und sein Bock [waren] zum Kampf bereit. 1745 auf Brusthöhe. schnappte er sich ein gutes Stück
Nun hört, wie diese Gesellschaft175 Wie hätte sich vor ihnen jemand und riß ihm, ohne daß es sich wehrte,
den [ganzen] Tag bis fast zur Nacht im Sattel halten können, der sich [auf diese Kampfart] ein Vorderbein ab.
ingrimmig miteinander kämpfte. nicht verstand oder sie damals dort 1785 Gott möge diese Ritter retten!
Gauriel und Iwein verlangten den Tieren eben erst richtig gelernt hatte? Sie haben im Helfer des jeweils anderen
1735 bei dieser Gelegenheit176 aber 1750 Oft hatten sie keine Lanze mehr einen furchterregenden Gegner.179
einen Waffenstillstand ab, um [ungestört] in den Händen; doch es waren so viele Lanzen, Sie zogen zwei scharfe Schwerter.
tjostieren zu können die sie in kurzer Zeit die waren viel wert.180
Diese wurden also festgebunden an diesem Tag im Kampf verstachen, 1790 Hier entwickelte sich ein Kampf, der war so hart,
von den Knappen der beiden, daß ich davon nicht erzählen will. wie man ihn zu Lebzeiten der Leute,
damit die Tiere die Ritter, 1760 Nun aber hört, was ihnen dann widerfuhr:
1740 so lange diese † sich im Schwertkampf Als der Bock so lange
Perspektive gesehen werden: Für Gauriel wäre es eine
befanden †, seinen Herrn in ritterlichem Kampf gesehen hatte,
Schmach, diesen ungerechtfertigten Vorteil zu nutzen,
in Ruhe ließen. da zerriß er mit großer Kraft
für Iwein wäre es eine Schmach, im Wortsinn ‘von oben
Ritterlich ließen sie die Pferde Kette und Fessel.
herab’ bekämpft zu werden. Gauriel will weder etwas
gegeneinander anrennen. 1765 Daraufhin ließ man auch den Löwen sofort frei.
Schmachvolles tun noch seinem Gegner Schmach zufü-
Die Tjost war kein Schaukampf.177 Aber der Bock beeilte sich
gen.
und brachte sehr wütend 179Wörtlich: ‘Sie haben furchterregende Helfer gegen
mit einem Horn
Herrn Iweins Pferd sich.’ Wie so häufig (vgl. etwa auch Vers 831 und die
174Bezugnahme auf Hartmanns von Aue Iwein (Vers.
1770 am Bein eine große Stichwunde bei. Anm. dazu) ist die mhd. Syntax in der Lage, Aspekte
3828ff.), dessen Kenntnis also beim Publikum vorausge- zusammengefaßt auszudrücken, die man im Nhd. zer-
Da saß Herr Iwein ab.
setzt wird. gliedern muß, um sie logisch wiederzugeben. Das ist
175Die Bedeutungen von schar sind vielfältig, und der Der Ritter mit dem Bock sagte,
als er ihn zu Fuß sah: natürlich keine Sache der Grammatik, sondern Resultat
Kontext gibt hier keine Entscheidungshilfe. Zu denken „Ich zu Pferd und Ihr zu Fuß - von Denk- und Empfindungsstrukturen.
wäre auch - es handelt sich ja nur um zwei Menschen 180Es ist nicht zu entscheiden, ob hier tatsächlich ein
1775 das wäre lächerlich und schmachvoll178. Ich glau-
und zwei Tiere - an eine spaßhafte oder ironische Ver- materieller Wert gemeint ist oder ein immaterieller. Falls
be, ich muß zu Euch hinunter auf die Erde.“
wendung (‘Turnierpartei’, ‘Heer’, ‘Heerhaufen’ o.ä.). letzteres der Fall sein sollte, wäre gelt vielleicht auch im
Vgl. auch 1734f. die Verwendung des in bezug auf Tiere Sinn von ‘adäquater Kompensation’ zu verstehen (‘die
sicher nicht ganz ernst gemeinten terminologischen 177Die bei Lexer unter unvergeben angegebenen Bedeu- Schwerter waren so gut, daß sie es verdienten, auf ein
Begriffs vride. tungen passen nicht; unter vergeben findet sich jedoch gleich gutes zu treffen) oder bildhaft im Sinn von ‘Zins’,
176an den stunden in Vers 1736 könnte nämlich einen „unnütz, vergeblich, [...] nur zum scheine gemacht“. ‘Wiedererstattung’ (diese Metaphorik ist bei Kampf-
Rekurs auf das in 1726f. aus der Vergangenheit Erzählte 178In spot sind beide Aspekte vorhanden; ‘schmachvoll’ schilderungen sehr häufig; vgl. aus dem Gauriel etwa
darstellen. kann außerdem sowohl aus Iweins wie aus Gauriels Vers 1060ff. oder 1614).
31

die man jetzt auf der Welt leben sieht, und unkontrolliert zustoßen. den sie vollbrachten Wundertaten.
wie ich glaube Der Löwe sah Da wurde äußerst heftig gekämpft:
wahrhaftig nicht mehr sieht. mit weit aufgerissenem Mund, Der eine stach, der zweite schlug,
1795 Viele Schläge und Stiche gesträubten Haaren 1850 der dritte stieß zu, der vierte riß.
erfolgten an diesem Tag durch die beiden. 1825 und weit ausgestreckten Klauen Wie schlimm es dem erging,
Mit Kraft schlug mein Herr Iwein die ganze Zeit über183 aus, den er mit seiner Pranke erreichte!
heftig auf den Ritter, als ob er der Teufel wäre - So vergnügten sie sich.
daß Funken aufglühten genauso der Bock Der Löwe griff den Ritter an -
1800 und dieser auf ein Knie fiel. mit seinen Hörnern184 auf der Stirn185. 1855 wodurch dieser in große Bedrängnis geriet -
Das war ihm vorher niemals geschehen. 1830 Sein Spiel war nicht freundlich. und zerrte an seiner Rüstung,
Der Bock hatte das genau gesehen. Seine Klauen186 schnitten scharf daß die Eisenringe
Mit Zorn sprang er heran wie eine geschliffene Streitaxt. ins Gras fielen.
und stieß den edlen Ritter Ungebärdig und hart Der Bock, der Helfer des Ritters,
1805 zu Boden. trat er zu bei diesem Kampf, 1860 stieß daraufhin den Löwen tot.
Nachdem der den Ritter zu Fall gebracht hatte, 1835 wenn er nicht Platz genug hatte, Deswegen wurde meim Herr Iwein
zögerte auch der Löwe nicht länger; die Feinde zu stoßen, vor Kummer [abwechselnd] bleich und rot.
er kämpfte gegen Bock und Mann, wie er es gerne mit ihnen gemacht hätte. Der Abschied [von seinem Löwen]
bis sein Herr wieder aufgestanden war. Wo er aber Platz hatte, schmerzte ihn so sehr188 -
1810 Der beeilte sich zunächst, da konnte ihm nichts standhalten. 1865 er streckte189 den Bock mit einem fürchterlichen
seinem Tier zu helfen, 1840 Weder vorher noch später habe ich mehr Schlag in den Klee,
das er [nämlich] zu verlieren fürchtete. von einem so fürchterlichen Kampf gehört, so daß dieser dort starb.
Schnell kam er also wieder hoch wie diese vier ihn damals [ausfochten]. Nachdem die Tiere tot waren,
und griff wieder in den Kampf ein, Die Ritter und ihre Tiere erhob sich der gefahrvolle Kampf
1815 wie seine Tapferkeit es ihm eingab. waren [alle vier] so schrecklich tapfer, 1870 zwischen den beiden Menschen [von neuem].
Der Löwe freute sich über seinen Herrn; 1845 daß ich Euch Ihre Taten nicht Daß beide überhaupt mit
beide halfen sich gegenseitig. einzeln187 erzählen kann, dem Leben davonkamen,
In großer Wut sah man erstaunte
diese Kampfgefährten181 den König und [alle], die es sahen, sehr.
1820 beißen und Laute ausstoßen182 182limmen = knurren oder heulen - was beides nur zu 1875 Übereinstimmend meinten sie,
einem Löwen, aber nicht zu einem Bock paßt; vgl. die beide müßten sie sterben -
letzte Anmerkung! Vgl. ferner das sach in 1818 - etwas
181Was heute als Stilblüte bezeichnet würde - die Hei- Akustisches ‘sieht’ man ja eigentlich auch nicht. 187Entweder ‘nicht jede einzelne Tat’ oder - wahrschein-
1831822: al die stunde.
terkeit erregende, aus einem unklaren Bezug resultieren- licher - ‘nicht die Taten jedes einzelnen von ihnen’.
184horn hier kollektiv (wie nhd. ‘Gehörn’). 188Wörtl.: ‘das Scheiden zwischen i h n e n beiden
de Möglichkeit der Verwechslung - , ist für den ma.
1851828: dâ vorne. schmerzte ihn ...’; in der mhd. Konstruktion werden also
Autor offgensichtlich kein Problem: Er verläßt sich
darauf (und hat dazu dann eben wohl auch Grund), daß 186So die heute korrekte Bezeichnung für die ‘Füße’ der die Perspektive Iweins und die des Autors syntaktisch
sein Publikum aus mehreren möglichen Bezügen nur Gattung Capra.- vuoz bedeutet landschaftlich auch nicht getrennt.
den richtigen auswählt. ‘Bein’ (z.T. heute noch in Dialekten). 189Wörtl.: ‘fällte’, ‘zu Fall brachte’.
32

so verbissen setzten sie sich ein.190 Da mußte er gegen seinen Willen der edle König [selbst] sei.
Ihre beiden Tiere hatten sie also verloren.191 dem Ritter den Sieg zuerkennen. Er sagte: „Der [König] soll seine Ehre
Jeder von ihnen wollte seinen Zorn Das war ihm vorher noch nie geschehen. 1930 bis zu seinem Ende behalten.
1880 an dem anderen rächen,192 Der sanftmütige194 und gute König Wer sie ihm
Das hätte sie beide 1905 wurde darüber sehr böse. absichtlich und ohne Not nimmt,
das Leben gekostet, Er ließ sich seine Rüstung der soll einen schändlichen Tod
aber Gott wollte nicht, daß das geschah. bringen: „Wie es nun auch ausgehen mag - auf dieser Welt erleiden.
So strengten sie sich an: ich will jetzt selbst sehen, 1935 Ich würde eher das Leben verlieren
1885 Sie warfen jetzt die Schilde hin. was hier vielleicht noch Seltsames geschehen will195, wollen, als gegen den unantastbaren König
Dann nahm mein Herr Iwein 1910 wo doch bis jetzt zu kämpfen. Ich und alle,
das Schwert in beide Hände niemand den Ritter besiegen kann.“ von denen ich je gehört habe,
und verteilte schnelle, schwere Schläge. König Artus wurde sind ein Nichts gegenüber seiner Tugend.
So machte es auch sein Kampfgegner. an seinem eigenen Hof von den 1940 Wenn ich etwas gegen ihn getan habe,
1890 † Sie schlugen erbarmungslos zu. †193 Händen vieler Damen die Rüstung abgelegt. will ich dafür Buße leisten
Wären ihre Leiber nicht [durch die Rüstungen] so 1915 Sie knüpften die Bänder gemäß seinem gnädigen Willen.
gut geschützt gewesen, wären sie beide tot geblieben. und Riemen seiner Rüstung. Er soll die [Buße] selbst festsetzen.
Herr Iwein, der edle Held, Ich glaube nicht, daß Sein Wille ist mein Befehl.196
war so traurig wegen seines Löwen, vor- oder nachher jemand noch einmal 1945 Damit legte er die Rüstung ab.
1895 daß er beinahe Leben und Ehre einen König gesehen hat, der so Seinen Helm band er los.
deswegen verloren hätte. 1920 liebevoll und mit so viel guten Wünschen gerüstet Das Schwert legte er aus der Hand,
Er zielte auf den Helm des Ritters und holte, wurde wie damals Artus von diesen vielen Damen. dazu Schild und Lanze.
um zuzuschlagen, so [weit] aus, Alle seine Gliedmaßen empfahlen sie Er ritt dem König entgegen
daß er auf die Erde fiel dem Schutz Gottes. 1950 ohne Rüstung und mit leerer Hand.
1900 und sein Schwert in Stücke sprang. So zog der mächtige König Er sagte: „Ihr seid Herr über dieses Land
1925 ehrenvoll ins Feld. und habt auch die Fähigkeit dazu.
Dem Ritter wurde gemeldet, Es ist Pflicht, Euch Ehrerbietung zu leisten.
190werben könnte auch als ironische Metapher auf das daß der, der jetzt gegen ihn kämpfen wolle, Darum werde ich mich aufrichtig bemühen.“
Liebeswerben anspielen; neben der Handelsmetaphorik 1955 „Diese [Pflicht] habt Ihr versäumt,“
(s. Anm. 179) ist die Liebesmetaphorik bei Kampfdar- 194Spielt vielleicht auf die in den meisten, besonders den sagte der gute König
stellungen sehr verbreitet. zornig.
frühen Artusromanen eher passive Rolle des Königs an,
191verlorn sîn auch = ‘tot sein’. Weil über den Tod der „Nie ist mir von einem Mann
der im Zentrum des Geschehens steht, aber nicht selbst
Tiere aber bereits berichtet wurde, habe ich versucht, solches Leid widerfahren, wie Ihr mir zugefügt habt.
eingreift. Vergleiche aber das, was im Text folgt! Ein
einen Bezug zu den in den folgenden Versen geschilder- 1960 Den Mitgliedern meines Hofes
weiterer ‘nachklassischer’ Artusroman, in dem Artus
ten persönlichen Reaktionen der Protagonisten herzu- und meiner Ehre genauso
dann tatsächlich selbst kämpft, ist der Daniel vom blü-
stellen. habt Ihr Schaden zugefügt in einem Ausmaß,
henden Tal des Strickers.
192überkomen mit Akk. u.a. ‘überwinden’, ‘verwinden’. 195wellen dient auch zur Umschreibung des Futurs; hier daß ich es wahrlich bis zu meinem Tod
193Der Hrsg. setzt hinter Vers 1890 - sie sluogen âne wird die 3. Singular Konjunktiv Präsens wohl in sog.
guot - ein Fragezeichen. putativer Funktion eingesetzt (vgl. Brandt 1989). 196Wörtl.: ‘Wie er gebietet, so will ich.’
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nicht verschmerzen werde. wenn ich die âventiure preisgegeben hätte. mit der großen Last204 vollkommener Tugend.
1965 Das bringt mich in eine schlimme Lage. 1985 Nun bin ich bereit, Euch Buße zu leisten. Mit dem König ritten der Fremde
Euer Freund kann ich nicht sein. Deswegen bin ich hergekommen. und sein Gefolge.
Jetzt wehrt Euch, wenn Ihr am Leben bleiben wollt.“ Hört aber mein Begehren: Löwe und Bock
Da sagte der ritterliche Held: Setzt Euch für meine Begnadigung ein. 2020 wurden gegenseitig verschmerzt;
„Herr, ich habe mich entschlossen.197 † Ich will mich wegen meiner Schuld man ließ allgemein vom Zorn ab.
1970 nicht mit Euch zu kämpfen. 1990 bemühen. †202 Ich werde leisten, was immer mir So wurde, wie ich Euch erzählt habe,
Eure Ehre ist so unermeßlich. meine Herrin als Buße auferlegt.“ die Jungfrau der Königin
Ich werde hier ohne Gegenwehr stehenbleiben. Da sagte der untadelige König: vom König ohne jeden Kampf befreit
Richtet jetzt wie ein198 Herr, „Ich werde, ohne daß es mir schwerfällt, verzeihen, 2025 Der Ritter hatte sie die [ganze] Zeit über
so, wie es Eurer Gnade beliebt199; das ist mein was mir von Euch geschehen ist. in allen Ehren205 so fürsorglich behandelt,
Begehren. 1995 Auch will ich ohne Einschränkung bekennen: daß ihre guten Wünsche und ihr Segen
1975 Und wißt, Herr, daß ich Ihr seid an Tapferkeit vollkommen. ihm getreulich über diesen Tag hinaus
Euch nicht ohne zwingenden Grund angegriffen200 Ich habe von Euch auch so immerfort galten206.
habe. kluge Worte gehört, 2030 Als der König an den Hof kam
Mir wurde dieses Unternehmen daß ich ohne Zorn Euch gegenüber auf und diesen tapferen Mann
unter Androhung des Todes befohlen,201 ich war also 2000 Lanze und Schwertspitze verzichte. mit an den Hof brachte,
genötigt dazu. Ihr werdet friedlich über mich siegen.“ da eilten viele hinzu,
Ich hätte lieber den Tod wählen wollen, [Weiter] sagte der König zu dem Ritter: die den Ritter sehen wollten,
1980 als es zu unterlassen, „Zieht mit mir, ich werde Euch nach Eurer Mühsal 2035 durch den diese Wunderdinge geschehen waren.
auf âventiure zu ziehen äußerste Bequemlichkeit verschaffen.“ Viele schauten zu,
in Euer Land. Es ist so um mich bestellt, 2005 Er antwortete: „Herr, ich bin bereit als man die junge Hofdame
daß ich niemals wieder froh werden könnte, das zu tun; und was immer Ihr von mir zu verlangen vor die Königin führte.
beliebt, das erfülle ich.“ Die hieß sie willkommen
Damit ritten sie fort
197Oder resultativ: ‘Ich b i n entschlossen’. zum Zelt des fremden, seltsamen203 Mannes.
198Oder: ‘als mein’. 2010 Da wurden sie alle ohne Ausnahme froh; 204Daß Tugend wegen ihres verpflichtenden Charakters
199Nhd. ‘Gnade’ hat fast nur noch die Denotation ‘Ver- sie dachten, daß ihre Erbitterung auf diese Weise als Last bezeichnet wird, ist eine gängige Darstellung
zeihung’. Die genâde eines ma. Herrschers impliziert ein gutes Ende gefunden habe. und paßt außerdem inhaltlich gut zur Tendenz der âven-
aber auch die Machtvollkommenheit, gnädig zu sein Sie wurden gut empfangen tiure-Romane.
oder auch nicht, und hat insofern etwas von Willkür an wegen ihrer hohen Würde, 205Das ambivalente Element der nhd. Formulierung ist
sich. 2015 mit der Gott sie gekleidet hatte, wohl auch für den mhd. Text anzusetzen (vgl. Vers
200Die in den Wbb. angegebenen Bedeutungen für be- 865); offenbar wurde die Situation - eine junge Frau
warn passen hier alle nicht, da sie stets ein Sich- 202Ist gern hier Verb (Infinitiv) oder Adverb (‘gerne’, tagelang allein im Zelt und in der Nähe eines Ritters -
Schützen, Sich-Verteidigen denotieren und insofern ein ‘bereitwillig’)? In beiden Fällen vermißt man eine Er- als ‘erotisch’ empfunden bzw. intendiert.
r e a k t i v e s Element. Gauriel hat aber die Kämpfe gänzung: Was will Gauriel ‘begehren’ bzw. was will er 206phlac < phlegen = ‘sorgen für’, ‘sich kümmern um’
mit den Artusrittern provoziert. ‘bereitwillig’ tun? u.ä. (vgl. Vers 2026; die Korrespondenz ist wohl beab-
201Vgl. nämlich 243f. 203Beide Aspekte sind in vrömde/vremde vorhanden. sichtigt).
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2040 und begrüßte auch noch einmal gesondert den vergehen, wie man sagt. 2085 Herrin, ich bin unterwegs,
Fremden 2065 Ich will nicht mehr von ihm einklagen, um Buße zu leisten für etwas,
(sie blieb immer formvollendet). als daß er mir eine Bitte gewährt das ich anderswo213 verbrochen habe.
„Mit meinem Gruß sei Euch gedankt - für all das, was er mir angetan hat.“ Wenn ich von dieser [Verpflichtung zur] Buße frei
ohne daß dadurch auf mein Recht verzichtet würde.“ Da sagte der tugendhafte Mann: geworden bin, wie ich es wünsche,
Da sagte der brave Ritter „Herrin, was immer ich leisten kann, dann will ich gerne [wieder] hierher kommen.
2045 mit kluger Überlegung: 2070 dazu will ich bereit sein, 2090 Welche Gnade auch immer Ihr mir dann erweist:
„Ich suche Gnade, nicht Recht. um Eurer Ehre zu dienen. wenn ich imstande bin, sie zu verdienen, dann werde
Wenn ich oder irgendeiner meiner Knappen Sagt, was Ihr von mir verlangt. ich sie annehmen.
Eurer Jungfrau207 etwas Böses getan haben, Wenn es möglich ist, sollt Ihr es erhalten.“ Euch, Herr Walban, erinnere ich an das Versprechen,
dann möchte ich, daß nicht länger gewartet wird: „Ich verlange von Euch als Buße nur, das Ihr mir gegeben habt,
2050 befehlt, daß darüber gerichtet wird, 2075 daß Ihr Euch verpflichtet, [uns] Gesellschaft zu [desgleichen Euch,] Herr Gawan und Herr Iwein.
ich werde die Strafe dafür erdulden, ohne ein Pfand zu leisten. 2095 Wenn Ihr Euch zusammen entschließen könnt,
geben.208 Damit ehrt Ihr den König. mit mir fortzuziehen,
Die Jungfrau sagte: „Er hat mich so behandelt, Nehmt nach bestem Brauch bewahrt Ihr mich vor großem Schaden.“
daß ich froh sein werde, ein Jahr lang einen Platz an der Tafelrunde ein. Die Ritter sagten alle drei:
wenn es ihm gut geht und sein Glück sich vergrößert. Das ist es, worum ich Euch bitte211.“ „Wenn Ihr Kummer erduldet und ihn loswerden
2055 Er hat mich so in Obhut gehabt, 2080 Ich würde mich freuen über das, worum Ihr bittet, 2100 könnt dadurch, daß wir mit Euch ziehen,
daß Gott ihm zum Lohn wenn es mir möglich wäre, auf diese Weise dann werden wir das nicht länger aufschieben.
die Krone der [ewigen] Freude geben möge.“ der tugendhaften Gesellschaft [der Tafelrunde] Zusammen mit Euch sind wir bereit
Der König sagte: „Ich habe ihn hierhin beizutreten. und werden leisten, was wir gelobt haben.“
begleitet209 und bin ihm Bürge Aber leider habe ich mich nicht vollständig Der König und die Königin
2060 für Eure durch keine Feindseligkeit vor falschem Verhalten bewahren können.212 2105 sagten: „das kann nicht sein.
eingeschränkte Gnade.
Gewährt ihm die - aus Zuneigung zu mir.“ 210vrouwe bedeutet bekanntlich nicht einfach ‘Frau’, 212Gauriel lehnt also zunächst nicht ab unter Hinweis
Da sagte die sanftmütige Königin: sondern ‘(adlige) Dame’; die sentenzhafte Aussage ist auf konkurrierende Pflichten, sondern wegen seiner
„Weiblicher210 Zorn soll schnell aber offensichtlich geschlechtsspezifisch gemeint. Ein mangelnden Eignung - denn die Mitglieder der Tafel-
identisches proverbium konnte ich nicht nachweisen; runde müssen ja, nach literarischer Konvention, fehler-
Zorn und Frauen werden nur in folgenden Sprichwör- los sein. Man sieht hier, wie trotz aller Idealisierung im
207Die Kombination -age- wird im Mhd. oft zu -ei-; tern thematisiert: ‘Es ist kein Zorn vber Weiber Zorn’; höfischen Roman durchaus die Bereitschaft besteht,
meide also kontrahiert aus magede. Sich den zorn lassen vbergehn, ist weibisch’ (lat.: ‘Mu- Normenkonflikte zu thematisieren. In Wolframs Parzi-
208D.h. entweder: ‘Ich werde persönlich für eine Bestra- liebre est furere in ira’); ‘Zorn ist ein Mann, Sanfftmuth val erscheint im Moment der Aufnahme des Titelhelden
fung zur Verfügung stehen’ oder: ‘Ich werde die (in eine Fraw’ (s. Wander s.v. ‘Zorn’ Nrr. 63, 101. 158). in die Tafelrunde die Gralsbotin Cundrîe und verflucht
diesem Fall zu erwartende) L e i b e s strafe akzeptie- 211bat natürlich Präteritum. Hier ist entspricht die Syn- ihn wegen seines Versäumnisses der ‘Mitleidsfrage’
ren und nicht durch eine materielle Kompensation zu tax des Originals eigentlich sogar mehr den neuzeitli- (Parzival 312,2ff.).
umgehen versuchen.’ chen Anforderungen an ‘Logik’: im dem Moment, als 213al dort = verstärktes dort; mhd. dort ist nicht immer
209Oder terminologisch: ‘Ich habe ihn unter meinem Vers 2079 ausgesprochen wird, ist die Bitte ja tatsäch- auf einen konkreten Ort bezogen, sondern drückt auch
Geleit (d.h. unter meinem Schutz) hergebracht.’ lich schon geäußert worden! ganz allgemein den Gegensatz zu hie aus.
35

Es wäre töricht, Dafür pries und lobte er 2145 über Leute und Land.“
wenn wir Euch so bald den König und die Königin „Herrin, ich kämpfe nicht[,] um Besitz [zu erwerben].
fortreiten ließen. und ihren219 ganzen Hofstaat.220 Mein tagtägliches Bestreben ist es,
Geruht, noch hierzubleiben, 2130 Lassen wir den Ritter ruhen. um hoher Ehre willen223
2110 bis Euch Gelegenheit gegeben wurde, Wollt Ihr aber hören, was Erec machte, allen Damen zur Verfügung zu stehen.
Euch auszuruhen, dann schweigt; 2150 Wo sie mich in einer Notsituation brauchen,
damit niemand214 die Schande sieht, es wird Euch hier erzählt.221 da will ich [ihr] Kämpfer224 sein.“
daß Ihr in so schlechter Verfassung Nachdem die Jungfrau ihn, wie vorgehabt, Für die Nacht wurde er beherbergt.
fortreitet.“ 2135 in [ihr] Land gebracht hatte, Wenn er rechtmäßig
Der Ritter überlegte genau und sagte: wurde er prächtig empfangen. über Rom und alle Reiche geherrscht hätte225 -
2115 Es ist genug, sich nachts auszuruhen.215 Die mächtige Herzogin 2155 wißt, es ist sicher wahr -,
Seid so gnädig und laßt mich ziehen; kam ihm entgegengegangen man hätte ihn
es ist schlecht für mich, wenn ich das noch länger und grüßte ihn wohlerzogen. in dieser Nacht nicht besser versorgen können.
herausschiebe.“ 2140 Sie hieß ihn willkommen Ganz früh am Morgen
Die Erlaubnis wurde ihm rundweg abgeschlagen und sagte: „Wenn Ihr meiner Not bereiteten sie sich vor.
und sein Aufbruch durch Befehl216, [aber] Abhilfe schafft, 2160 Man sang eine Messe für sie.226
2120 mit Müh und Not217 um vier Tage verschoben. werde ich mich dafür tief vor Euch verbeugen, Erec hörte sie, um [Gottes] Segen zu erhalten,
Er versprach [sich daran zu halten] - aber so klagend, und Ihr seid im gleichen Moment Herrscher222 in großer Andacht.227
daß sich alle wunderten,
daß er es so eilig hatte wegzukommen.
Aber dann machte man es ihm so bequem, fung nach ‘in-group’ und ‘out-group’, die einen Rück- 223Gemeint sei kann: ‘Ich kämpfe, um Ehre zu erlangen’
2125 daß dort noch niemals halt findet in den rechtlichen Bestimmungen des Mittel- oder: ‘Ich kämpfe für die Ehre der Damen’ - oder bei-
ein Gast218 besser behandelt worden war. alters. des.
219Im Text sîn! 224Zur terminologischen Bedeutung von kemphe s.
220massenîe/messenîe/mansenîe vom mittelfrz. masnie, Anm. 123.
214Zur Bedeutung von iemen s. Anm. 80. 225D.h. wenn er Kaiser gewesen wäre (sog. Kaisertopos,
maisnie, dieses abgeleitet von maison! Die entsprechen-
215Zur Bedeutung von ein s. Anm. 68. Die Überset- den Begriffe im Mhd. und Mlat. lauten ingesinde bzw. der, in anderem Kontext, besonders im Minnesang sehr
zungsmöglichkeit: ‘Mit einer Nacht Ruhe ist es genug’ familia. häufig ist).
scheidet wohl aus, weil nichts darüber gesagt wurde, daß 221Die Aufforderung ans Publikum zu schweigen ist 226Vgl. 1522.
Gauriel schon eine Nacht am Artushof zugebracht hat, einerseits topisch, andererseits angesichts der oralen 227Für ein neuzeitliches Verständnis hört sich das sehr
und weil er ja, wie aus dem folgenden hervorgeht, tat- Rezeption des vorgelesenen Textes durchaus funktional; utilitaristisch an, und auch im Mittelalter ist diese Hal-
sächlich s o f o r t aufbrechen will. denn das Vorlesen konkurriert bei geselligen Anlässen tung, bei der Erfüllung religiöser Normen auf Begünsti-
216bete
mit anderen Unterhaltungsformen. Wenn, wie hier, diese gung durch Gott zu spekulieren, nach der Lehre der
217kûme Aufforderung an einer Stelle zu finden ist, die einen Kirche höchst bedenklich. Die Orientierung an einem
218Zur Grundbedeutung von gast s. Anm. 145. 2125ff. neuen Handlungsabschnitt einleitet, ist dies möglicher- do-ut-des-Prinzip ist aber damals offensichtlich verbrei-
sind, von der Rhetorik her gesehen, natürlich eine Hy- weise ein Indiz für die Planung von Vortragseinheiten. tet und wohl vor allem deshalb so naheliegend, weil
perbel, müssen also nicht wörtlich genommen werden. 222gebietet kann Imperativ sein, aber auch 2. Plural (mit auch die rechtlichen Prinzipien einer feudalgesellschaft
Nimmt man sie doch wörtlich, ergibt sich eine Abstu- Ellipse des Personalpronomens ir). genau auf dieses Prinzip hin abgestellt sind. Im religiö-
36

Danach wurden ihm Ohne Ausnahme wünschte man dem Fremden stach er auf dessen Schild entzwei.
sein Pferd und seine Rüstung gebracht. alles Gute. Das war für ihn nichts besonderes.234
2165 Geübt, wie er war, 2175 Er dünkte sie so voller Mut und Zuversicht, Auch Erec zerbrach seine Lanze,
hatte er sie schnell angezogen. daß Leid einfach nicht 2185 daß man die Splitter hoch
Sein Sinn war auf Kampf gerichtet. zu ihm zu passen231 schien. in die Luft fliegen sah.
Dann kamen sie in den Kreis228. Der Mundschenk war ein großer Mann. In ritterlichem Überschwang235
Sie brachten sich in eine Position, die einen langen Er ritt mit Mut und Kraft wurde dort trefflich zugestochen
Anritt ermöglichte.229 2180 auf Erec los. und manche Lanze zerbrochen.
2170 Erec war prachtvoll geschmückt. Eine ungewöhnlich232 große und dicke233 Lanze 2190 Erec, die Krone der Ritterschaft,
† Er setzte sich zerbrach gut vierzig Lanzen
fest im Sattel zurecht. †230 bei dieser prächtigen Tjost,
230rot(t)ieren = „in roten [Abteilungen, Rotten] teilen, daß alle, die ihn da reiten sahen,
ordnen, scharen, sammeln tr[ansitiv] u. refl[exiv]“. Auch Freude bei dem Gedanken empfanden,
sen Bereich kann eine solche Einstellung überdies nur in dies gibt, wörtlich genommen, keinen Sinn - ein Einzel- 2195 ihm immer
Zeiten und Gesellschaften als Profanisierung erscheinen, ner kann aus sich selbst keine Abteilungen bilden. Unter bei ritterlicher Betätigung zusehen zu können.
in denen religiöse und weltliche Sphäre strikt getrennt den bei Lexer aufgeführten Belegstellen findet sich zwar Ihm wurde dort uneingeschränktes Lob zugesprochen.
sind und das religiöse dadurch als etwas grundsätzlich eine, in der ebenfalls reflexiver Gebrauch im Singular Er nahm eine starke, dicke236 Lanze.
‘Anderes’ erscheint. Da im Mittelalter aber das Religiö- vorliegt: Auf den Mundschenk ritt er
se in alle Lebensbereiche hineinwirkt, kommt es not- den Kriechen z’eime tratze 2200 mit Kraft und Stärke zu.
wendig und häufig zu Berührungen mit dem Weltlichen, wolt er sich dâ rottieren. Erec brachte den Mundschenk
weshalb solche Berührungen denn auch als normal und in zehen schar teilieren zusammen mit dessen Pferd zu Fall.
unanstößig empfunden werden. daz her begunde er sâ zehant.
228Vgl. Anm. 63; hier handelt es sich zwar um einen (Konrad von Würzburg: Der trojanische Krieg,
233Was genau gemeint ist, läßt sich nicht feststellen.
Gerichtskampf, aber die Prinzipien und Modalitäten sind Vers 29727f.)
Aber er meint angesichts der beschriebenen Einteilung 234 Oder, falls mit er Erec gemeint ist: ‘Das beeindruck-
ähnlich.
229Lexer gibt für puneiz: „stoßendes anrennen auf den des Heeres in zehen schar dieses Heer sinngemäß natür- te ihn überhaupt nicht.’- niht umbe ein ei ist ein Fall von
gegner, von einzelnen oder von vielen; stoss, anprall, lich mit. Im Gauriel liegt vielleicht metaphorische Ver- sog. Negationsumschreibung: Man negiert, indem man
kampf überh[aupt]; haufe anrennender reiter; wegstre- wendung oder eine Art Oxymoron vor: Die Aufteilung mit einer Sache von geringem Wert vergleicht (vgl.
cke, die man punierende [punieren ebd.: „auf den geg- in Rotten dient der Vorbereitung auf den Kampf; wenn heute: ‘für’n Appel und ‘n Ei kaufen’). Andere geläufige
ner stossend anrennen.- tr[ansitiv] anrennen gegen] Erec sich rotieret, sagt das also auch nichts anderes aus Umschreibungen: niht [umbe] ein strô, - brôt, - brâmen,
durchsprengt.“ Das paßt alles nicht, da der Kampf noch als ‘er bereitete sich auf den Kampf vor’, und die Er- - bast, - slêhen, - hâr, - blat, - kerse, - klê, - mücke, -
nicht begonnen hat. Gemeint sein wird also wohl die wähnung des Sattels führt dann zu o.a. Übersetzung. Zu bône, letzteres noch in unserer Zeit gebräuchlich in der
Auswahl einer Strecke, die im Kampf selbst ein genü- bedenken ist auch, daß ein Reim auf gezieret benötigt Form ‘nicht die Bohne!’).
wurde (das Suffix -ieren hat das Mhd. aus dem Frz. 235guft = „lautes rufen, schreien, schall; laute freude,
gend langes Anreiten ermöglicht, um dem Lanzenstoß
Wucht zu verleihen, also wahrscheinlich von gegenüber- übernommen [-ier]). freudiger mut, herrlichkeit; übermut; prahlerei, übertrei-
231ungebære = unangemessen, ungeziemend. bung.“
liegenden Punkten der kreiz-Linie aus, so daß jeder
ungefähr die Länge des Kreishalbmessers zur Verfügung 232ungevüege eigentlich ‘was sich nicht vüeget, nicht 236So die Grundbedeutung von grôz; im Gauriel kann
hat.. paßt’, also außerhalb des Normalen liegt. aber auch schon die Bedeutung ‘groß’ möglich sein.
37

Bevor er sich von d i e s e m Fall erholt hätte, und gab sich240 und den ganzen Besitz „Gott hat Euch mir zur Freude
hätte Erec ihn getötet - in die Verfügungsgewalt der Herzogin. und zur Hilfe hergesandt,
2205 aber aus Rücksicht auf seinen guten Ruf wollte er Er unterstellte sich ihrem Befehl um mich zu erlösen.“244
das lassen. und diente ihr von diesem Tag an. 2260 Er sprach: „Herrin, ich bin bereit
Der edle Erec 2235 Danach kümmerte man sich um Erec zum Dienst für Eure Ehre.
saß ab. so, wie man es ihm gönnte. Davon kann mich niemand abhalten.
Als der Mundschenk wieder zur Besinnung gekommen Nichts, was man ihm an Ehren erweisen konnte, Laßt es uns damit beenden.
war, wurde unterlassen. Ich hätte gerne von Euch die Erlaubnis zum Abschied,
lief er mit [s]einem scharfen Schwert Außerdem wurde er aufgefordert241, 2265 [um zu versuchen,] ob245 ich in Karidol den Mann
2210 auf Erec zu. 2240 als Lohn zu verlangen, finde, über den uns die Jungfrau
Mehr als er wollte was immer er wolle. so schlimme Geschichten erzählt hat.
fand er in Erecs Hand.237 Da sagte der Stolze: Ich bin erstaunt über seine Stärke
Viele Stiche durchbohrten den Schildbuckel, „Habe ich mit meinem Dienst und seine gewaltigen Rittertaten -
viele Schläge trafen die Schildränder. für Euch etwas Gutes geleistet, 2270 er muß begnadet sein.
2215 Keinen von beiden halte ich 2245 dann war das nur meine Pflicht, Wenn er Britannien mit erfolgreich
für einen Feigling: Beider Taten strahlten hervor, denn ich bin ein Verwandter von Euch. abgeschlossener âventiure verläßt,
so daß immer noch davon erzählt wird. Mein Vater hieß König Lac.“ dann hat er sich großen Ruhm erworben.
Der lange Mundschenk schlug Da sagte die Herzogin sofort: Sich einen solchen Ritter anzusehen, hat man alle
immer wieder heftig auf Erecs Schild, „Dann heißt Ihr Erec [und seid der], Veranlassung.“
2220 bis dieser Schild ganz zerhauen war. 2250 der auch die Mabonagrin-âventiure gelöst hat, 2275 Die Herzogin sprach: „Ich will246 Euch sagen,
Erec hatte klug sein Können durch die so vielen Damen er ist ein Mann von hohem Stand247.“
und seine Kraft aufgespart. viel Leid geschah.242 Um Mitternacht zog er los.
Aber jetzt238 zeigte er seine Meisterschaft; Daß es mir bestimmt ist, Euch zu sehen, Er ritt Tag und Nacht,
denn er schlug ihm einen fürchterlichen Schlag239 darüber werde ich ewig froh sein.“
2225 durch den Helm, den er auf dem Kopf trug, 2255 Aus Zuneigung küßte sie ihn
bis hinunter [zu der Stelle], und umarmte ihn gleichzeitig243. gewordene) Ausdruck ist aber oft nur ein bequemer
wo sein Leben saß. metrischer Lückenbüßer ohne eigenen Aussagewert.
Als der Graf das sah, 244Das Perfekt (erlôst hât) weist eigentlich auf einen
wie es seinem Gerichtskämpfer ergangen war, anderen logischen Zusammenhang hin: ‘Daß Ihr mich
2230 resignierte er 240lîp oft Umschreibung für die ganze Person (mîn lîp = erlöst habt, [ist ein Zeichen dafür,] daß Gott Euch ...
ich, dîn lîp = dich usw.). hergesandt hat.’
241Keine der in den Wbb. für ûf tuon angegebenen Be- 245„Die Konjunktion ob wird in zweifacher Weise ge-
237Im Sinn von ‘seine Erwartungen hinsichtlich Erecs deutungen paßt hier. braucht: 1. Wie im Nhd. zur Einleitung abhängiger Fra-
Stärke wurden übertroffen’, ‘er bekam mehr, als ihm 242Vgl. Hartmann von Aue, Erec, Vers 8754-9751, gen. Die Anknüpfung ist öfters eine freiere, so daß ein
lieb war’ o.ä. 9782-9857. Zwischengedanke zu ergänzen ist [...].“ (Paul/Mitzka, S.
238dô hat u.a. temporale und adversative Bedeutung; in 243ze hant = „auf der stelle, sogleich, alsbald; sobald 264)
der Stelle geht beides ineinander über. 246wellen oft auch einfach nur umschreibend.
als“ (vgl. etwa 2248). Der adverbial gebrauchte (und
239Zur Figur der adnominatio s. Anm. 133. durch Zusammenschreibung auch formal zum Adverb 247Oder: ‘von hoher Gesinnung’.
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ohne sich auszuruhen, sein kurzer Kapuzenmantel aus blauem Tuch von dann sagt uns, was Eure Tätigkeit256 ist.
2280 bis er nach Karidol kam. Ypern.251 Der Knappe war freimütig.
Da fand er jenen tapferen Mann 252
Er war ein Knappe von höfischer Art. Er antwortete: „Herr, ich bin ein Mann,
hochgeehrt vor.248 2310 Jeder der Fünf253 grüßte ihn. der sich darauf versteht, sich den Lohn des Adels mit
Die vier249 hatten sich vorbereitet, Er sagte: „Ich frage mich,254 2330 seinen Fähigkeiten257zu verdienen, die ich Euch
um loszureiten. wer Euch wohl in dieses unbekannte Land jetzt nennen werde:
2285 Erec bat sie zu warten, geschickt hat. Ich verstehe mich auf das Auslegen und Loben von
bis seine Pferde sich ausgeruht hatten. An vier Schilden sehe ich, Wappen258
Folgendes begehrte er von Ihnen: 2315 daß Ihr von dem gütigen und bin durch viele Länder gezogen.
„Laßt mich zu Kräften kommen, und mächtigen König Artus kommt. Zahllose von ihnen kenne ich -
dann will ich als Euer Freund An seinem Hof habe ich außer einem, von dem ich gehört habe,
2290 mit Euch in das Land reiten, so viel Ruhm- und Ehrenvolles gesehen, 2335 in das ich aber nie gelangen konnte.
das Fluratrone heißt.“ daß mein Mund ihm in alle Zukunft Das heißt Fluratrone,
Gutwillig warteten sie seinetwegen 2320 Glück und Segen wünschen wird.255 und es ist so darum bestellt,
drei Tage und ritten [dann] An dem fünften [Schild] aber erkenne ich, daß niemand hineinkommen kann
alle Fünf aus [Artus'] Land fort. daß sein Träger von Muntabel kommt (glaubt mir - das ist nicht erfunden!),
2295 Wenn jemand, der sie genau kennen würde, und Gauriel heißt.“ 2340 außer denen, die man freiwillig hineinläßt.
ihre Tugenden vergleichen müßte, Der Ritter mit dem Bock sagte: Es ist zu allen Zeiten bewacht.“
dann könnte der niemals fünf andere auswählen, 2325 Wenn es Euch nichts ausmacht, Der Ritter sprach: „Guter Freund,
deren Herzen ohne Ausnahme berichte uns über die Bewachung,
so mutig wären. wie das Land geschützt ist
2300 So ritten sie durch das Land. 250fritschâl:„ein feines niederländisches tuch gelber od.
Gauriel wußte selbst nicht, grüner farbe (mlat. fritsalum, friscalius).“ (Lexer)
in welche Richtung er ziehen mußte. 251Gent und Ypern waren Zentren der Tuchherstellung. 256ambahte, ambehte, am(b)et, amt: Dienst, Amt, Beruf.
Eines Tages kam ihnen zufällig 252Lexer gibt für garzûn an: „page, edelknabe“. Ange- 257Mhd. kunst meint allgemein Können, Fertigkeit in
ein Knappe entgegen. sichts dessen, was im Folgenden berichtet wird, paßt das einem Wissens- und Tätigkeitsbereich.
2305 Dessen Haar glatt und einfach nicht. 258Das wol kann sich auf die Qualität des sprechen be-
und halb grau. 253Wörtl.: ‘jeder für sich’; damit soll wohl die besondere
ziehen oder auf den Inhalt des über ein Wappen oder
Sein Rock war aus feinem Genter Tuch,250 Höflichkeit ausgedrückt werden. seinen Träger Gesagten (daher die doppelte Überset-
254Mhd. wundern hat, wie heute noch engl. to wonder,
zung). Der Knappe versteht sich also auf die Herolds-
die Bedeutungen ‘sich wundern’ und ‘sich fragen’, ‘wis- kunst. Aufgabe von Herolden ist es, bei Festen, Turnie-
sen wollen’. ren, Hoftagen o.ä. aufgrund ihrer Wappenkenntnisse die
248Sinn wahrscheinlich: Erec weiß von den letzten Er- 255Auch suln dient (wie wellen und - weniger häufig - Wappenträger zu identifizieren, dem Publikum vorzu-
eignissen nichts und wundert sich jetzt, daß derjenige, müezen) als Hilfsverb zur Bildung des Futurs. Man stellen und Lobendes über den Wappenträger zu sagen.
der so viele Artusritter verwundet und getötet hat (vgl. könnte aber auch übersetzen: ‘wünschen m u ß ’ (der Noch bevor er sich vorstellt, hat der garzûn in den Ver-
den Bericht der Jungfrau 1390ff.), am Artushof so ehr- Knappe fühlt sich angesichts von Artus’ überragenden sen 2314-23 bereits eine Probe seines Könnens gegeben.
erbietig behandelt wird. Qualitäten v e r p f l i c h t e t , einem solchen Men- Es handelt sich offensichtlich um einen nicht fest einem
249Gauriel, Walban, Iwein, Gawan; s. 2092ff. schen Segen zu wünschen). bestimmten Hof zugehörigen Lohnherold.
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2345 und womit es verschlossen ist, 2360 Wenn Ihr die besiegt habt, daß ich Euch nicht hinführen würde.
so daß niemand hineinkommen kann. dann., wißt, kann ich Euch 2375 Und wißt, daß ich Euch wirklich
Wir hätten gerne gehört, keinen hilfreichen Hinweis mehr geben, treu und ergeben267 sein werde.“
wer die Leute hineinläßt; wie es Euch innen ergehen wird. Er gab ihm den Lohn;
wenn es eine Straße [dorthin] gibt, Das weiß ich [nämlich] nicht.“ der war sehr froh über den Lohn.268
2350 macht sie uns bekannt. 2365 Gauriel sagte sofort: Er saß auf und ritt,
Dann werde ich Euch sofort so belohnen, „Wenn Ihr uns [nur] den Weg zum Tor zeigen könnt, 2380 um den Lohn zu verdienen,
daß Ihr Euch über den Lohn freuen werdet.“ dann laßt uns davor oder dahinter in Richtung Fluratrone.
Da antwortete er ihm so: geschehen, was Gott will. Er zog mit ihnen269,wie ich Euch erzählen kann,
„Wenn es Euch nützen259 könnte, Wißt, Freund, bis zum fünfzehnten Tag.
2355 wäre ich schon imstande, 2370 ich gebe Euch Pferde262 und Kleider, Dann kamen sie auf einen Berg.
Euch tatsächlich an das Tor des Landes zu führen. die noch nie getragen worden sind,263 2385 [Von] dort sahen sie die Mauer,
Herr, davor liegen und zehn Mark264 roten265 Goldes266.“ mit der das Land umschlossen war.
zwei Drachenschlangen,260 Er sagte: „Der Weg kann gar nicht so eng sein, Die Mauer glänzte wie spiegelndes Glas
die † kämpfen als erste †.261 und war ganz aus grünem Marmor;
daher sah sie sehr270 schön aus.
262Als starkes Neutrum kann die Form ros Singular oder
259Ein Lemma geprîsen fehlt im Lexer; setzt man prîsen Plural sein. Im Nhd. haben sich endungslose Pluralfor-
an, wäre der Sinn etwa: ‘Wenn etwas Ruhmvolles dar- men starker Neutra nur noch bei mehrsilbigen Wörtern
aus für Euch resultieren würde ...’. Das scheint mir nicht gehalten (Becken, Messer, Zeichen). 267Tugenden sind in der Neuzeit von der Semantik her
263Pferde und Kleider werden häufig als Entlohnung
zu passen - denn der garzûn verweigert ja nicht die meist stark emotionalisiert und subjektiviert, während
Auskunft unter Hinweis darauf, daß er den Fünfen damit von Adligen für Boten, Herolde oder Spielleute erwähnt. sie im Mittelalter fast immer einen objektiven, z.T. (wie
keinen Gefallen tun würde o.ä. Hs. D hat gewysen (wei- Die Qualität der Geschenke ist dabei dem Stand der eben triuwe) sogar einen dezidiert rechtlichen Charakter
sen, den Weg zeigen); Übersetzung dann etwa: ‘Wenn Beschenkten angepaßt oder illustriert auch den Grad der besitzen. triuwe sein heißt, nicht gegen die Verpflich-
Euch das als Wegbeschreibung reicht ...’. milte (Freigebigkeit) der Schenkenden. Walther von der tungen zu verstoßen, die man gegenüber einer Person
260Die Bedeutung des ahd. noch gebräuchlichen lint, das Vogelweide betont in einem Rückblick auf sein Leben eingegangen ist. Wenn man so will, besiegelt der garzûn
schon ‘Schlange’, ‘Drache’ bedeutete, war mhd. bereits als ‘Sänger’ stolz: getragene wât ich nie genan (L 63,2) hier das ausgenommene Dienstverhältnis mit einer Art
264marc war ursprünglich eine Gewichtseinheit, benannt Diensteid.
in Vergessenheit geraten und deshalb durch den Zusatz
des annähernd synonymen wurm stabilisiert. Für diesen nach der obrigkeitlichen Prägemarke auf dem Barren. 268In der Hs. steht muet - ein offensichtlicher Verschrei-
Vorgang gibt es eine Reihe von Parallelen, z.B. ‘Wind- 265Rotes Gold galt als besonders wertvoll, hat aber, ber für miet(e).
hund’ (ahd., mhd. wint = Windhund; verdeutlichender anders als Gelb- oder Weißgold, keinen Anteil an Silber, 269Im Text steht im, also Singular; aber der garzûn be-
Zusatz erst seit dem 16. Jh. belegt) oder ‘Maultier’ sondern nur an Kupfer (daher auch die Färbung). gleitet ja die ganze Fünfergruppe. Hs. D hat Er f u -
(ahd., mhd. mûl = Maultier aus lat. mulus).- Zur Be- 266‘roten Goldes’: ungebräuchlich gewordener Genitiv e r t s mit im; das gibt Sinn: fuerts ist kontrahiert aus
gründung der Übersetzung von lintwurm bzw. Später nach Zahl- und Maßangaben (sog. partitiver Genitiv, fuert si (Enklise des unbetonten si an das vorangehende
wurm In diesem text s. die Verse 2428-31 und die Anm. auch ‘Genitiv der Art’, der die übergeordnete Menge betonte Wort unter Verlust des Vokals; vgl. komens =
z.St. bezeichnet, von deren Teil die Rede ist; in Vers 2372: kômen si in Vers 2384); das von mit abhängige im wäre
261sturm kann auch ‘Sturmläuten’ meinen; Übersetzung zehn Mark = Teil der übergeordneten Gesamtmenge dann reflexiv (vgl. Anm. 158). Übersetzung also: ‘Er
dann etwa: ‘die geben Alarm’. ‘Gold’). f ü h r t e s i e mit s i c h .’
40

2390 Der Knappe sagte: „Hört auf mein Wort: Herr Gauriel, der tapfere Mann, hatte er den Stich gezielt.277
Das Tor nach Fluratrone ritt eine gewaltige Tjost Seine Tapferkeit zeigte er:
seht Ihr hier mit [eigenen] Augen. gegen den größeren272 [der beiden] Drachenschlangen. Ganz schnell sprang er vom Pferd,
Gott gebe Euch Glück - so wie ich es Euch gönne! Genau auf die Brust stach er 2425 daß seine Rüstung278 erklang.
Aber ich gehe nicht näher heran, 2410 mit großer Kraft, Kampfbegierig zog er das Schwert;
2395 bis ich sehe, was Euch geschieht. so daß die Lanze die [Drachenschlange] mit Macht dessen Schneide war hart.
damit ich die Nachricht [davon] überall verbreite,271 durchbohrte Die Drachenschlange zerschlug er in zwei Teile.
wohin Gott mich auch führen mag.“ [und] zwei Ellen273 [hinausragte].274 Sie ließ den Ritter, den sie davongetragen hatte, los.
Damit eilten sie Zornig drehte sie sich um. 2430 Das vordere Teil der Drachenschlange hatte sie,
auf das Tor zu. Dann packte er Pferd und Reiter an.275 bevor sie es totschlugen, so in Bedrängnis gebracht,
2400 Herr Gauriel und Erec 2415 Schnell eilte er wieder daß sie noch niemals solchen Schmerz erduldet
setzten sich an die Spitze. auf die Mauer zu. hatten;279
Als die Drachenschlangen sie hörten, Das wäre schlimm für sie276 jeder von ihnen bekannte das.
brachen sie ihre Ruhe ab geworden, wenn Herr Walban nicht gewesen wäre. Herrn Iwein blieb die Gefahr erspart;
und bewegten sich zum Kampf Der griff ihn † von vorne † an 2435 Erec und Herr Gawan
2405 auf das freie Feld. 2420 und stach auf seine Stirn. schlugen die zweite Drachenschlange tot;
Genau auf das Hirn auch sie kamen [dabei] in große Bedrängnis.
270Lexer s.v. sô u.a.: „o h n e od. mit bestimmter be-
ziehung auf ein gesagtes oder im sinne liegendes“ (Her-
272Im Text: grôzen. 277Im
vorh. von mir; R.B.), also etwa wie heute in Formulie- Text: den stich (statt sper) g e n e i g e t . Was
273Eigentlich die Länge vom Ellbogen bis zur Mittelfin-
rungen wie: ‘Das war s o schön!’ - ohne daß vorher vom Bedeutungsinhalt des nhd. ‘neigen’ her wie eine
schon etwas über die Schönheit des beschriebenen Ob- gerspitze, aber auch im Mittelalter natürlich normiert - Art von sog. schema inconvenientiae (eins der schemata
jekts gesagt worden wäre. allerdings nach verschiedenen Systemen. „Die natürli- per accidentia partibus orationis aussieht - „(besteht) in
271Angehörige nicht seßhafter Berufe (wie Spielleute che (Daumen-)E. wurde über ihre Relation zum Erdum- der syntaktischen Fügung syntaktisch-semantisch nicht
oder eben Lohnherolde) fungieren verständlicherweise fang seit babylon. Zeit (metrisch 371,066 mm) normiert zueinander passender Satzteile“ (Lausberg S. 50, §
als personale Nachrichtenmedien in Zeiten, in denen (dum-elne des Sachsenspiegels, natürl. Grundeinheit in 129,6) - erklärt sich einfacher durch das größere Bedeu-
keine anderen überlokalen Medien zur Verfügung ste- Dürers Unterweisung der Messung [...]. Die Vielzahl tungsspektrum von mhd. neigen („allgemeiner: eine
hen. Sie sind sich dieser Funktion bewußt und rekurrie- von E.n zw.[ischen] 371 und 835 mm (bayer. E.) erklärt Richtung geben, richten, wenden“ [Lexer]).
ren, wie etwa besonders die Spruchdichter, auch oft sich aus den Varianten der Näherungsrechnung in der 278 Dieser Rüstungsteil, der nicht nur den Hals, sondern
darauf, um ihr soziales Defizit (Lohnabhängigkeit) zu Feldmessung.“ (LMA III, 1846).- In unserem Text geht auch den Oberkörper schützt, wird oft pars pro toto als
kompensieren - sich selbst, aber vor allem ihrem Publi- es natürlich nicht um eine genaue Längenangabe, son- Bezeichnung für die gesamte Rüstung verwendet.
kum gegenüber; vor diesem gerieren sie sich oft als dern um die Vermittlung eines Eindrucks (‘ein gutes 279 Ganz eindeutig ist die Schilderung nicht, aber im-
überparteiliche Bewertungsinstanz, als Vertreter und Stück’). merhin scheint doch mit dem lintwurm bzw. Wurm nicht
274Die mhd. Syntax faßt wieder zwei Aktionen bzw.
Verkörperung der öffentlichen Meinung (ein Begriff, einfach nur ein Drache gemeint zu sein, wie man ihn aus
den es im Mittelalter ebensowenig gibt wie das Abstrak- Perspektiven zusammen, wodurch sich für uns aller- anderen literarischen Darstellungen kennt, sondern ein
tum ‘Öffentlichkeit’; die Existenz der damit später be- dings ein ‘falscher’ Bezug herstellt. Tier, das mit beiden Enden seines Körpers agieren kann;
275nemen auch: ‘zielen’.
zeichneten Sachvorhalte und ein Bewußtsein davon daher wurde für die Übersetzung der Kunstbegriff ‘Dra-
können aber vielleicht schon vorausgesetzt werden). 276Im Text im; den passenderen Plural in hat Hs. I. chenschlange’ verwendet.
41

Nachdem die Drachenschlangen krepiert280 waren, Daß ich das Land nicht kennenlerne, der in der Nähe im Wald war.
rannten sie eifrig 2460 werde ich immer bedauern müssen. Der rief [Erec an] und lief schnell hinzu.
2440 zum Tor. Das war nicht verschlossen. Mir ist geschehen, was allen Feiglingen [geschieht].“ 2490 Er schrie aber so gewaltig,
Es war vorher nie geschützt gewesen Derart klagend ritt er fort; daß seine Stimme in dem ganzen wilden
außer durch die Verteidigung durch die beiden ich weiß aber nicht mehr, wohin er gekommen ist.285 Wald widerhallte.
Drachenschlangen. Die tapferen Ritter aber ritten Erec eilte [ihm entgegen]288
Selbst wenn ein [ganzes] Heer 2465 gut zwei Meilen lang und fragte, was mit ihm los sei
vor das Tor gekommen wäre, hätten die durch einen schönen Wald. 2495 ...289
[Landesbewohner] nicht damit gerechnet, Bald kamen sie Ob etwa jemand hinter ihm her sei,
2445 daß es die schrecklichen Drachenschlangen an einen breiten Fluß; daß er sein Leid so
hätte besiegen können. das Wasser war stromauf- und stromabwärts ungebärdig beklage?
Aber nun hatten diese vier Männer sie getötet. 2470 unpassierbar.286 Er antwortete: „Ich bin nicht auf der Flucht.
Nachdem sie hineingelangt waren, Von unten hörte man schrecklichen 2500 Ignoriert bitte mein schlechtes Benehmen.290
schloß ein Torwärter hinter ihnen Lärm vom Aneinanderstoßen Ich will Euch wahrheitsgemäß sagen,
2450 das Tor fest281 zu, vieler großer Steine weshalb ich so renne:
um die Fremden Der tapfere Erec Euch war der Tod ganz nah.
zu deren Schande282 2475 sagte mit Rittermut Wäre Euer Vorhaben vollendet worden,
im Land seiner Herrin festzuhalten. zu seinen Gefährten: 2505 hätte Euch das, Herr,
Als der Knappe283 so deutlich gesehen hatte, „Überlegt, wie wir es anstellen, zweifellos das Leben gekostet.
2455 wer dort den Sieg davongetragen hatte, [den Fluß] zu überqueren.“ Wenn Gott Euch nicht Glück schenkt,
da bedauerte er sehr, Seinem Pferd zog er den Sattelgurt fester. könnt Ihr nicht überleben.“
daß er nicht ganz284 mit ihnen geritten war. 2480 Er sagte: „Wenn Ihr einverstanden seid, „Sag, wie kann das sein?“
Er dachte: „Was habe ich nur gemacht! will ich, da wir ja nun Gefährten sind, 2510 Der Torwächter des Landes
für uns alle eine Furt suchen. hat eine Neuigkeit erzählt,
Ich setze auf die Kraft meines Pferdes - die wir alle sehr beklagen,
280 veranten statt verendeten, also ein Rückumlaut, der es wird mir schon helfen, das zu Ende zu bringen.“ daß [nämlich] die Drachenschlangen erschlagen
aber lautgeschichtlich eigentlich nicht ‘berechtigt’ ist 2485 Damit wollte er in worden sind, durch die dieses Land bewacht wurde.
(Paul/Mitzka, S. 162), vielleicht eine Analogiebildung den schrecklichen Fluß hineinreiten.
zu Fällen wie blenden - blante, trennen - trante usw. Das sah ein Jäger287,
darstellt. 288 beginnen hat oft nur umschreibende Funktion.
281 Veste könnte auch adjektivisches Attribut zu phorte 289 Der Herausgeber setzt wieder Versverlust an, weil
sein. 285 Wohl i.S.v. ‘was aus ihm geworden ist.’ ein Vers mit Reim auf waere in 2494 fehlt (vgl. Anm.
282 Gemeint ist: um sie festzuhalten, damit ihnen keine 286 Wörtlich: ‘wo das Wasser aufwärts und abwärts 144). Auch hier ist der Text aber, bezogen auf die Mög-
Flucht mehr möglich ist und sie im Land besiegt werden unpassierbar floß’. lichkeiten des mhd. Satzbaus, syntaktisch vollständig.
können. 287 weideman kann ‘Jäger’ oder ‘Fischer’ bedeuten; da Die nhd. Syntax erlaubt dagegen nicht die Verbindung
283 der hübesche man: Antonomasie (vgl. Anm. 132); ungleichartiger Satzglieder durch oder.
2532 synonym weidenaere verwendet wird und dieses
als hübesche wurde der garzûn in Vers 2309 bezeichnet. nur mit der Bedeutung ‘Jäger’ belegt ist, habe ich ent- 290 Unzuht eigentlich = Zustand der mangelnden Erzo-
284 Siehe nämlich 2394ff. sprechend übersetzt. genheit (zuht).
42

2515 Darüber sind wir alle entsetzt. 2550 und die schneiden an allen Seiten.293 Der Rat des Jägers lautet,
Er kann nicht sagen, wer es [genau] gewesen ist, Gott gebe Euch landfremden daß wir schnell dorthin reiten
nur daß es fünf Männer getan haben. Helden den Sieg! 2565 und an der Brücke kämpfen.“
Die sind in diesen Wald geritten. Es dauert mich294, daß Ihr hergekommen seid.295 Dem folgten sie
Der wird [gerade] in aller Eile umstellt, Ihr seid wahre Ritter - und eilten in Richtung auf den Lärm,
2520 ich habe es zuverlässig erfahren. 2555 darum habe ich Mitleid mit Euch.“ der ihretwegen entstanden war.
Ihr könnt dieses Land Erec wartete nicht länger. Zwei fürchterliche Jüngelchen297
nicht mehr siegreich verlassen. Er ritt zu seinen Kameraden 2570 sahen sie an der Brücke stehen.
Der Weg ist Euch versperrt291 und berichtete ihnen, Die wollten niemanden hinüberlassen.
mit einem festen Schloß, daß in diesem Land Der Ritter mit dem Bock sagte,
2525 das niemand zerbrechen kann.“ 2560 alle gegen sie aufgebracht seien.296 als er die Riesen sah:
Da sagte der Ritter Erec: „Wir halten uns hier zu lange auf! „Da stehen zwei bedrohliche Kindchen,
„Freund, zeige uns den Weg, Eine Brücke führt über den Fluß. 2575 dessen man besser aus dem Weg geht,
auf dem sie herreiten. wenn sie sich erst einmal an die Arbeit machen.298
Da wir nun einmal kämpfen müssen, Sie halten in ihren Händen
2530 wäre es unehrenhaft, 292 Stangen sind die traditionellen Waffen literarischer zwei monströse Zweiglein.299
jetzt abzuwarten.“ Riesen. Die sind recht nützlich für sie.“
Da sagte der Jäger: 293 Sinngemäße Übersetzung: ‘Und diese Stangen kön- 2580 Als die Riesen
„Hört, was ich Euch sage: nen schneiden, weil sie an allen Seiten geschliffen sind.’ die Ritter auf sich zueilen sahen,
Wenn Ihr zu kämpfen bereit seid, 294 dûren/tûren bei Lexer nur mit den Bedeutungen ging der eine vor die Brücke.
2535 dann reitet schnell „dauern, bestand haben, aushalten, stand halten“. Unper- Den anderen ließ er darauf [stehen],
am Fluß entlang ins Tal. sönliches ‘dauern’ i.S.v. ‘bedauern’ ist etymologisch um die Brücke zu sichern
Ihr werdet bald hören, verwandt mit ‘teuer’; ‘Dauern’ i.S.v. ‘andauern’ kommt 2585 und [für] das Heer passierbar zu halten,
wo sie über die Brücke reiten von lat. durare. bis er selbst diese [Fünf] besiegt hätte -
um sich um den Wald zu verteilen. 295 herkunft fehlt bei Lexer. oder wie die Sache auch immer für ihn ausgehen
2540 Kommt ihnen an der Brücke zuvor. 296 Wörtlich: ‘daß in diesem Land großes geschrei über mochte.300
Sich gegen ein großes Heer zu verteidigen
ist an einem Engpaß günstiger sie sei.’ geschrei oder geruofe (geruofte, gerüefte) ist
als im freien Feld. auch ein Rechtsterminus. Gemeint ist die laute (und das
297 knabe hier offensichtlich ironisch.
Wißt aber, edle Herren, heißt: öffentlich vernehmbare) Anklage gegen jemand.
298 Falls mit dem lîp die Gegner der Riesen gemeint
Erst durch eine solche Anklage wird ein Fall ‘gerichts-
2545 daß die Brücke ständig bewacht ist.
notorisch’. Bis zur Ablösung durch das aus dem römi- sind, könnte man auch übersetzen: ‘wenn sie uns gefähr-
Ferner kann ich Euch informieren:
schen Recht stammende Inquisitionsverfahren, das die lich werden’. enblanden: „durch mischung, trübung
Zwei schreckliche Riesen
aktive Verfolgung von Straftaten durch die Obrigkeit ungeniessbar, zuwider machen; ich enblande ez mir,
bewachen sie schon lange
(den Staat) verlangte, galt im germanischen Recht das lasse es mir mühselig werden, mache mir zur arbeit“
mit ihren stählernen Stangen292, (Lexer).
sog. Akkusationsverfahren: ein Vergehen wurde erst
zum Gegenstand gerichtlicher Aktivität, wenn jemand 299 Ironische Deutung ist hier nicht zwingend, da ruote
Anklage erhoben hatte (vgl. das noch bekannte Rechts- auch längliche Gegenstände von größerem Ausmaß
291 Wörtlich: ‘Ihr seid hier eingeschlossen’. sprichwort: ‘Wo kein Kläger, da kein Richter.’). bezeichnen kann, z.B. eine Ruderstange.
43

Das versprach der [auf der Brücke] mit einem Eid - Ihr habt schlecht auf Euch aufgepaßt.“ daß Gauriel ihn aushalten konnte.
und deshalb mußte er es bald erdulden, Da antwortete Herr Gauriel: Er schlug nach der Hand des Riesen,
2590 Trauriges ansehen zu müssen.301 2605 „Ihr schwätzt sinnloses Zeug.304. mit der dieser die Stange hielt.
Herr Gauriel bat seine vier Wenn Ihr uns besiegen wollt, Er durchschlug seinen Ellenbogen,
Begleiter, zu warten. dann muß das durch etwas anderes bewirkt werden - 2635 nachdem der Riese die Stange zum Schlag
Er sagte: „Laßt mich oder hier eben durch einen Kampf. erhoben hatte,
ausprobieren, was der große Mann Jetzt wehrt Euch, wenn Ihr am Leben bleiben wollt.“ so daß die Stange über seinen Rücken nach hinten fiel.
2595 uns gegenüber zu leisten imstande ist.“302 2610 Gleichzeitig mit diesen Worten Ein wahnsinniger Zorn erfaßte den Riesen.
Dann sprengte er auf den Riesen zu. fügte er voller Ingrimm dem Riesen Hastig wollte er den
Wie ich erfahren habe, eine große Stichwunde zu. Ritter an sich ziehen.
sagte der Riese zum ihm: †„Was willst Du von In der linken Schulter 2640 Der fehlerlose Gauriel
mir?Ҡ303 blieb die Lanzenspitze [stecken]. durchtrennte sein Bein,
Welches Geschick hat Euch dazu gebracht, 2615 Das nützte dem erfahrenen [Kämpfer]: so daß er nicht länger stehen konnte.
2600 Euch dieser Gefahr auszusetzen, Er hatte so schnell angegriffen, Er fiel hin wie ein Klotz.307
ohne Geleit daß der schreckliche Riese Er sagte: „Hört, laßt mich leben.
so töricht [durch dieses Land] zu ziehen? zu lange wartete: 2645 Ich werde mich Euch unterwerfen.
er verfehlte305 [Gauriel] mit seiner Stange. Dafür setze ich Euch ein wertvolles Pfand:
2620 Dann saß meine Aufrichtigkeit [, die ich Euch] in die Hand
300 Wörtlich: ‘welchen Erfolg er auch immer’. der Ritter ab. Sofort verspreche.“
301 zog er von der Seite ein Schwert, Als der zweite Riese gesehen hatte,
Wörtlich: ‘ansehendes Leid’ - diesmal (vgl. Anm.
an dem er alles hatte, was seinem Gefährten geschehen war,
274) ein klarer Fall von schema inconvenientiae, und
zwar durch hypallage (oder enallage) adiectivi, „die in was er in Gefahr brauchte. 2650 lief er über die Brücke.
der grammatischen (und damit auch semantischen) Be- 2625 Viele glänzende Rüstungen Sie wäre beinahe von seinen Tritten
ziehungs-Verschiebung eines Adjektivs besteht“ (Laus- färbte er [später] damit dort auf der Brücke rot - in kleine Stücke zersplittert.
berg S. 102, § 315). Auch hier glaube ich allerdings im Zorn und unbeherrscht. Er lief hastig und unbeherrscht
nicht an eine bewußt rhetorische Gestaltung, sondern Der Riese schlug ihn so auf den Schild, und säumte nicht lange.
wiederum an die Folge der freieren und dadurch bezie- daß alle, die den Schlag sahen, 2655 Der Riese wollte mit der Stange
hungsreicheren mhd. Syntax. 2630 darüber staunten,306 den Ritter erschlagen308 -
302 Wörtlich: ‘was er uns abgewinnen kann’; nach nhd. da wird mir heute noch Angst.
Sprachgebrauch müßte man dann aber sagen: ‘ o b er Aber der Herr Gauriel war
uns etwas abgewinnen kann.’ ein kühner und behender Ritter.
303 wiu ist alter Instrumentalis von wer/waz nach einer 304 spel: „(dichterische) erzählung, erdichtung, sage
306 beviln: „ unpers. mit acc. u. gen. zu viel sein, verd-
Präposition - die aber hier fehlt; zu denken ist wahr- fabel, märchen“, daraus dann übertragen „leeres und
scheinlich an ze wiu = ‘weshalb’, ‘wozu’.- haben als albernes gerede“ (Lexer). riessen“ (Lexer); statt des Genitivs steht hier der daz-
Vollverb (vgl. Anm. 77) hat nach Lexer die Bedeutun- 305 vâlte > vaelen/vêlen/vâlen. ern also kontrahiert aus Satz Vers 2631.
307 ran = rone, ron.
gen „halten, festhalten, behaupten; halten, betragen, er in - eine ungewöhnliche Wortstellung im Hauptsatz
befinden [i.S.v. ‘dafürhalten’, ‘meinen’]; inne haben, (zumal metrisch ja auch er vâlten = vâlte in möglich 308 Text: wolde ... hân erslagen. hân/haben hat aber oft
besitzen, haben“. gewesen wäre. nur umschreibende Funktion.
44

2660 Er schlug dem Riesen ein Bein ab. 2690 viele tapfere Männer erschlugen, 2720 in seinem Auftrag314 im Heer des Teufels zu
Da fiel der hin wie ein Stein. eilte ein Ritter kämpfen -
Aber der ungeschlachte Mann nach Friapalatuse. dieser Mann besäße solche Tapferkeit
schlug noch im Liegen [nach] dem Ritter An den Hof der Königin uneingeschränkt.“
[und traf ihn] am Rücken brachte er die Nachricht, Da lachte315 die Königin.
2665 mit seiner Stahlstange. 2695 daß es an der Brücke Sie sagte: „Dann soll der Kampf für
Wäre es im309 Stehen geschehen, einen schrecklichen Kampf gebe. sie ganz schnell zu Ende sein.316
wäre Gauriel der Tod bestimmt gewesen. „Und wißt, Herre, daß dort viele 2725 Für viele löbliche Ritter,
Aber nun zögerte er nicht länger. edle Ritter tot liegen. denen er das Leben genommen hat,
Er trennte den Kopf [des Riesen] Und dieses Leid richten [nur] fünf Männer an, kommt das zu spät.“317
2670 mit dem Schwert vom Körper. 2700 so daß wir alle, die ihre Aufführungsweise Die Königin ging mit
So beschenkte er Feinde.310 gesehen haben, Grund haben zu sagen, ihren jungen Hofdamen
Während er mit dem kämpfte, daß der Teufel sie hergeschickt haben muß. 2730 in eine Kemenate, um zu beraten.
der dann tot blieb, Wer etwas anderes weiß,
Sie sagte: „Nun könnt ihr merken318,
wollte die ganze Menge der mag glauben, was er will.
daß man in allen Reichen
2675 über die Brücke zu ihm. 2705 Sie können nur aus der Hölle kommen -
keinen Ritter finden würde, der dem gleich ist319,
Das verhinderten ganz schnell ihr Verhalten ist so entsetzlich.“
den ich mir [als Geliebten] genommen habe.
die vier [anderen] Ritter. Da sagte sie: „Informiere mich:
2735 Der ist [nun] in unser Land gekommen,
Herr Iwein und Herr Gawan Kannst Du mir sagen,
und er heißt Gauriel.
schickten viele ob sie auf den Schilden etwas haben,
Seit ich mich in Muntabel
2680 tot und verwundet von der Brücke weg, 2710 woran man sie identifizieren kann?“312 „Das kann
mit großem Kummer von im trennte,
die unverletzt hingekommen waren. ich nicht.
hat er viele Mühsale erduldet,
Erec und Herr Walban Aber unter ihnen ist einer -
2740 bevor er hierher gekommen ist.
vollbrachten Wunderdinge. der hat die beiden Riesen niedergeschlagen313 -,
Dann311 eilte Gauriel zu seinen Gefährten. dessen Wappen kann ich genau beschreiben:
Er trägt einen goldenen Bock, 314 Zu kemphe vgl. Anm. 132.
2685 Sein Schwert erklang auf manchem Helm.
Während die Fremden 2715 um den Schildrand aber 315 Das er-Präfix ist hier wohl nur aus metrischen Grün-
so heftig ist eine Borte aus glänzendem Silber befestigt. den verwendet worden.- Mhd. Lachen deckt ein weites
unter dem Heer wüteten Und wenn Gott selbst sich bemüht hätte, Spektrum möglicher Bedeutungen ab, die heute durch
und mit heftiger Gegenwehr einen so mutigen Mann zu schaffen zu dem Zweck, eigene Verben (‘lächeln’) oder Zusätze (‘laut lachen’)
daß dieser ihm dazu diente, ausgedrückt werden müssen.
316 Wörtl.: ‘von ihnen getrennt sein.’
309 312 317 2725-27 wörtlich: ‘Dafür [= für das Ende des Kamp-
im natürlich = Dativ von er. Die wörtliche Überset- Mit diesem Nebensatz wurde versucht, das Adverb
zung ins Nhd. Würde aber einen falschen Bezug sugge- bescheidenlîche sinnvoll zu übersetzen. fes] würde es heute vielen löblichen Rittern [schon]
rieren (‘wäre es ihm stehend passiert’: Gauriel steht ja 313 Der erste Riese hatte sich Gauriel ergeben; er ist von lange die Zeit [= der rechte Zeitpunkt] dünken.’
ohnehin). 318 Vgl. Anm. 53.
ihm nicht ‘erschlagen’ worden; mhd. erslahen/erslân
310 vînde > vînt (vîant).
kann aber eben auch allgemein ‘niederschlagen’ o.ä. 319
311 D.h. nachdem er mit dem zweiten Riesen fertig war. bedeuten.
45

Nun aber bin ich seine Bürgin dafür, daß er wieder 2760 so, daß seine Begleiter sehen zum [Ort des] Kampfes.
in Freuden lebt, und dies auch daheim berichten können, Sie kamen dort [noch] rechtzeitig an.
und ich will ihn freundlich320 für das daß er seine Mühen nicht umsonst 2780 Sie stiegen ab auf den Grasboden.330
entschädigen, was er erlitten hat.“ auf uns verwendet hat.“324 Schnell waren die kämpfenden Parteien
Zu der Jungfrau, Sie gab ihr auch eine Salbe. durch sie friedlich getrennt.
2745 die Gauriel schon kannte,321 sagte sie: 2765 „Bestreiche ihn damit sanft325 Die hochherzige Jungfrau
„Reite schnell dorthin, überall [am] ganzen [Körper]. beendete331 die Kampfesnot.
wo die Ritter kämpfen, Dann verwandelt sich sein Aussehen326, 2785 Sie sagte: „Ich bringe
und trenne den Kampf. und er wird wieder zu dem Menschen, wie ich ihn diesen Landfremden
Es ist höchste Zeit dafür, gesehen habe, sicheres und unverbrüchliches Geleit.“
2750 daß man ihn jetzt trennt. als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe. Nachdem sie [mit ihnen] zu dem Ort gekommen war,
Verheiße den Fremden 2770 Bringe ihnen Badekleidung; wo sie herbergen sollten,
nur Angenehmes, ohne jeden Kummer.322 sage ihnen, daß ich sie ihnen geschickt habe. und ihnen die Rüstung[en] abgenommen hatte,
Und sage ihnen, daß sie nur das Beste Bringe ihnen auch ganz schnell 2790 ließ sie ein Bad zubereiten
in jeder Beziehung erwarten sollen. bestes Leinenzeug,327 und sagte: „Nach Mühsal
2755 Ihnen soll es hier gut gehen.323 mit schwanenweißer Seide tut Bequemlichkeit dem Körper gut.
Führe sie in die Stadt. 2775 genäht;328 das wünsche ich mir für sie.“329 Die werde ich Euch † nach allen Regeln der
Bereite ihnen ein schönes Bad. Damit ritt die schöne Jungfrau Gastfreundschaft und des Anstands †332
Meinen Herren sollst Du selbst baden. mit dem Ritter sofort los bereiten, so gut ich es nur kann.
Entschädige ihn für Mühsal und Opfer 2795 Es wurde mir so befohlen.“
Sie kümmerte sich um den Herren.
324 misseleit < misselegen. Ein Lemma misselegen fehlt Mit der Salbe bestrich sie ihn
320 mit guoten siten steht auch im Gegensatz zu dem in in den Wbb.; legen an = ‘anlegen’, ‘aufwenden’, ‘inves- sofort überall.
202ff. beschriebenen ‘haltlosen’ Zorn. tieren’ (vgl. Hartmanns Der arme Heinrich 18ff.: dar Da verschwand vor ihrer aller Augen333
321 Siehe Vers 326ff. umbe hât er sich genant,/ daz er sîner arbeit,/d i e e r 2800 seine greuliche Gestalt334.
322 liebe und leit sind antithetische Begriffe; mit der d a r a n h â t g e l e i t , /iht âne lôn belîbe ...).
325 Das auch für den Hrsg. Khull rätselhafte ainnerlich
Fügung liebe â n e leit wird zumindest implizit ein
beliebter Topos mittelalterlicher Literatur durchbrochen, in 2766 könnte vielleicht durch Diphthongierung aus
*înnerlich entstanden sein. Mhd. sind allerdings nur 330 Die ‘genauen’ Angaben nider ûf das gras, ûf daz
der das stete Nebeneinander von liebe und leit behauptet
(vgl. MF Dietmar von Eist XIII 2,3: liep âne leit mac innerlîche bzw. innerclîche belegt. lant (2620) usw. nach erbeizen sind nur Versfüller.
326 Im Text: varwe. erbeizen ist ein Fall von Bedeutungsverschiebung; es
niht sîn oder natürlich den Tristan-Prolog bzw. die ge-
327 Als bequeme, leichte Kleidung nach dem Baden; vgl. bedeutet eigentlich ‘das Pferd [Gras] beißen = weiden
samte inhaltliche Struktur von Gottfrieds Epos).
323 Lexer gibt für gelingen an: = „erfolg haben, glü- Brüggen S. 272: Leinwand, Leinen, von weißer Farbe, lassen’.
meist für Untergewänder gebraucht [...].“ 331 Wörtlich: ‘trat dazwischen’.
cken.“. Dies würde aber nur auf Gauriel zutrreffen kön-
328 Siehe Brüggen, S. 289: „Das im Plural gebrauchte 332 Die Übersetzung versucht, zwei in dieser Situation
nen, da er ja als einziger der Fünf in einer bestimmten
Absicht nach Fluratrone gekommen ist. Außerdem wird Substantiv [sîden] bezeichnet meist die für feine Hand- hinsichtlich des sehr komplexen zuht-Begriffs assoziier-
gelingen der Bedeutung nach oft neutraler als sein nhd. arbeiten benötigten Seidenfäden.“ bare speziellere Konnotationen zusammenzufassen.
Nachfolger verwendet (s. Anm. 512). 329 Wörtlich: ‘wie ich es ihnen gönne.’ 333 Wörtlich: ‘vor dem Zusehen aller’.
46

Er veränderte sich die über die edle Minne Wer zum Tode bestimmt war,337 hatte [ohnehin]
und wurde der schönste Mann, in diesen Ländern herrschten sterben müssen.338
von dem man je Kenntnis erlangt hat. und alle Not kannten, Sie gaben ihre Schuldansprüche preis
Seine Gefährten sahen das. 2830 die durch Liebeskummer und huldigten ihm339 alle.
2805 Ihre exzellente Erziehung wurde an ihnen ...335 Ohne Haß und Feindseligkeit
deutlich: Ritter und Damen 2865 währte dieses Fest
Keiner von ihnen sagte ein Wort; konnte man sehen, vierzehn Tage - glaube ich.
sie sahen sich nur gegenseitig an vielerlei Gäste Nach dem Bericht meiner Quelle
und sagten im Herzen Gott Dank dafür, 2835 aus vielen seltsamen Ländern. war die Freude340 in dem
daß sie solchen Erfolg gehabt hatten. Die Königin thronte dort fröhlich, wunderschönen Tal unermeßlich.
2810 Die Nacht über beherbergte die [Jungfrau] sie so aber in großer Würde.
gut, Sie sandte einen Boten zu Elæte,
wie man es mit lieben Gästen sie möge die Gäste zu den Göttern 336 verkiesen ist auch ein Rechtswort und meint, ‘auf
durch zuvorkommende Behandlung machen soll. 2840 bringen, damit sie sehen könnten, einen zustehenden Anspruch offiziell verzichten’; s.
All dies wurde für sie getan. daß ihr Richtspruch erfüllt worden sei, auch 2862. Mit den mâge und man in 2858 sind also
Als die Nacht zu Ende ging der ihm damals auferlegt worden war, wohl die Verwandten usw. der von Gauriel und seinen
2815 und der helle Morgen kam, nachdem sie ihm Gnade versagt hatte. Begleitern im Kampf Getöteten gemeint.- Zur Form
befahl die Königin, Elæte führte die Ritter fort verkorn: Bei den starken Verben gibt es einige Konso-
auf der herrlichen Wiese 2845 an den Hof, wie ich gehört habe. nantenwechsel zwischen den Formen von Präsens und
schöne Sitzgelegenheiten Man empfing sie freundlich. Präteritum (sog. ‘Grammatischer Wechsel’). Es wech-
aus wunderbaren Materialien aufzustellen. Die mächtige Königin seln d-t, h-g, f-b und eben, wie bei verkiesen : verkorn,
2820 Während die Sitzgelegenheiten küßte sie alle, s-r. Der Wechsel ist nicht auf Verben beschränkt, führt
in großer Pracht gefertigt wurden, desgleichen viele Feen, aber bei Substantiven zu Sinndifferenzierungen
hatte die Königin ihre Boten 2850 die mit ihr dorthin (Schneide - Schnitte, dürfen - darben, Wolf - Welpe).
weit ins Land geschickt. auf die schöne Wiese gekommen waren. 337 Dies die Grundbedeutung von veige, daraus erst
Auf ihre Bitte und ihr Gebot hin Götter und Göttinnen durch Bedeutungsverschiebung die Bedeutung, die un-
2825 kamen die Liebesgötter stimmten ihrer Liebe zu; ser ‘feige’ hat.
und Liebesgöttinnen, die [beiden] schlossen die Ehe. 338 Vgl. Rolandslied 8402: hi nerstirbet nimen wan di
2855 Wo wurde jemals die Huld einer Dame uaigen; Nibelungenlied 150,2: dâ sterbent wan die vei-
334 auf so ritterliche Weise erjagt, gen.
„ahd. antlizzi, mhd. antlitze [auch antlüzze, -lütte, - wie man es von dem Ritter berichtet? 339 Nämlich als dem neuen Landesherrn, der er durch
lutze] >Angesicht<. Gemeingerm. Bildung (aengl. Verwandte und Vasallen kamen dorthin.
andwlita, anord. andlit ) aus einer Vorsilbe mit der Bed. seine Heirat geworden ist.
Die Verluste, die man an der Brücke erlitten hatte, 340 Im Text Plural. Es könnte also auch gemeint sein,
>entgegen< (=> Antwort, => ent-) und einer Abl. (vgl.
2860 wurden aufgegeben.336
got. wlits >Aussehen, Gesicht<, ferner lat. vultus >Mie- daß es bei diesem Fest ‘zahllose Vergnügungen’ gab;
ne<) von einem Verb mit der Bed. >blicken< (aengl. auf die Vielfalt höfischer Unterhaltung wird in den Tex-
wlîtan ), also urspr. >das Entgegenblickende<.“ (Paul) 335 Hier fehlen mit Sicherheit ein oder mehrere Verse, ten oft hingewiesen (vgl. etwa Rolandslied, Hoflager-
Vgl. auch die allgemeinere Bedeutung von varwe. in da nicht nur der Reim, sondern auch der Satz unvoll- szene Vers 645-670, Iwein, Vorgeschichte Vers 62-95
2767. ständig bleibt. oder später im Gauriel noch einmal die Verse 4136ff.).
47

2870 Als das Fest zu Ende gegangen war,341 zu der Zeit, und unritterliches Verhalten,
da wären die von der Tafelrunde 2895 als ich Enite wenn ich damals geschieden wäre,
gerne wieder fortgezogen. das erste Mal an meinen Hof gebracht hatte.346 ohne [später] die Schuld wiedergutzumachen, die ich
Da nahmen sie Die Liebe zu ihr 2915 begangen habe, indem ich die Jungfrau
Herrn Gauriel beiseite. beraubte mich männlicher Tapferkeit. gefangennahm.
2875 Sie sagten: „Wir fragen uns,342 Meine Schande war ihr leid, Ich bin bereit, mich einer Buße dafür zu unterziehen,
was Ihr vorhabt. 2900 und gutherzig, wie sie ist, klagte sie darüber. was ich an ihr begangen habe,
Laßt uns das wissen. In meinem Gemütszustand erkannte347 ich das nicht wenn nicht der Tod mich hindert350
Wollt Ihr hierbleiben und fügte ihr großes Leid zu, oder ein rechtlich akzeptierbares Hindernis.“351
bei diesen schönen Frauen bis ich die Treue348 an ihr feststellte, 2920 Dann gingen sie zur Königin:
2880 und um der edlen Liebe derer ich sicher sein wollte: Er sagte: „Herrin, wenn ich doch jetzt
zu343 dieser schönen Fee willen 2905 Sie hatte es aus Liebe zu mir getan.“349 Eurer Huld uneingeschränkt sicher bin -
..., Gauriel antwortete ihnen so: wenn ich mich irgendwie noch einmal falsch verhalte:
dann laßt uns Abschied nehmen.“ „Ich sage Euch, worum ich mich bemühen werde: habe ich sie dann wieder verloren?“
„Herr, denkt an die Gesinnung eines Ritters,“ Wenn ich, ohne Streit zu bekommen, 2925 Sie antwortete: „Alles Böse zwischen uns
2885 sagte Erec, der gute Ritter, die Erlaubnis erhalte, mich zu entfernen, ist aus der Welt geschafft.352
...344 2910 werde ich mit Euch in [Artus’] Reich ziehen. Mit allen meinen Standesgenossen353
„und behaltet Eure ritterliche Gesinnung, Es erschiene mir als übergroße Schande bin ich übereingekommen:
indem Ihr durch die Länder zieht die Aussöhnung ist jetzt uneingeschränkt wirksam.
zu âventiuren, die Euch bekannt werden.345 2930 Ihr sollt immer über mich
2890 Ein Mann soll seine Tapferkeit 346 Vgl. dazu und zum Folgenden Hartmanns Erec, und mein Land herrschen.“
nicht wegen einer Frau 2924ff. Er sagte: „Bei Eurer Gnade, Herrin,
oder eines lieblichen Anblicks verderben lassen. 347 Mhd. kennen auch = ‘erkennen’; enkande: Negati-
Mir wäre es beinah so ergangen onspartikel en- + kande (3. Sgl. Ind. Prät., also Rückum-
350 Ein sogenannte Nebensatz einschränkenden Charak-
laut; /t/ wird nach /n/ oft zu /d/ erweicht).
348 Zu triuwe s. Anm. 265; hier ist also etwa gemeint: ters, erkennbar an der Negationspartikel en/ne und dem
341 Die Stelle illustriert sehr schön den ursprünglichen ‘die Haltung, zu der sie als meine Ehefrau verpflichtet Konjunktiv: en-wende (der Indikativ lautet wendet). Die
Charakter eines Hofes, der eben nicht nur ein Ort ist, ist’ und nicht etwa sexuelle Treue. Negationspartikel kann fehlen (z.B. 528 oder 3393).
sondern sich erst konstituiert durch die zu ihm gehörigen 349 Der Passus 2897ff. liefert eine Interpretation des Andere Möglichkeiten: Benutzung der Konjunktion ob
Personen und den Anlaß, aus dem heraus er zusammen- Erec, über die sich die Hartmann-Forschung seit Gene- (244, 735, 794); einleitungsloser Konditionalsatz (278,
tritt. rationen unklar ist: Umstritten war (und ist), ob Enite 636); wan/wen (1063, 2418).
342 Vgl. Anm. 252. 351 ê, êwe = Recht, Gesetz, êhaft also ‘dem Recht ent-
eine Mitschuld am verligen trägt und ob bei Hartmann
343 der schœnen gotinne könnte auch als Genitivus o- sprechend’. Gemeint ist ein Hinderungsgrund, der von
noch das verdunkelte Motiv eines Untreue-Verdachts
biectivus aufgefaßt werden. vorhanden ist. Die Auffassung des Gauriel-Autors ist dem, der an der Erfüllung einer Pflicht gehindert wird,
344 Der vom Herausgeber hier angesetzte Versverlust ist nicht zu verantworten ist.
sicher nicht für die Erec-Interpretation maßgeblich;
nicht zwingend; es könnte auch ein Dreireim vorliegen. 352 Zum möglichen rechtsterminologischen Gehalt von
immerhin aber hat man es hier mit einem Beleg für ein
345 Der Punkt nach 2888 in der Ausgabe ist offensicht- annähernd zeitgenössisches Verständnis der Erec- verkiesen s.o. Anm. 333.
lich sinnlos; er gehört hinter 2889. Problematik zu tun! 353 D.h. mit den anderen Göttern und Göttinnen.
48

auf die ich fest vertraue: das tut, was seine Ehre und sein Ansehen „Ich will dir, Herr, aus Liebe zu dir,
Ich würde gerne die Erlaubnis haben, mich entfernen in allen Ländern befördert358. 2970 etwas Angenehmes362 verschaffen:
zu dürfen. Da antwortete die hochherzige Königin: Wo immer du heimlich an mich
2935 Ich habe eine Verfehlung begangen. 2960 „Wißt, meine Herren, denkst, da werde ich bei dir sein.
Nachdem die Zeichen meiner Buße sichtbar geworden daß geschehen soll, was359 Ihr wollt.“ Sieh aber zu, daß es maßvoll363 geschieht -
waren,354 Die Gutherzige bat ihn aber360 einmal im Monat
begab ich mich von meinem Wohnsitz in aller Aufrichtigkeit,361 2975 in Anstand und ohne böse Gedanken.“
nach Britannien. er möge nach Ende dieses Jahres Sie gab ihm einen Ring:
Dort wurde mir als Botin 2965 [zurück]kommen. „Du sollst dadurch meiner gedenken.
2940 eine junge Edeldame geschickt, die ich „Niemand kann mich auch nur einen Tag Er ist gegen mancherlei Gefahren gut
gefangennahm über diesen Termin hinaus zurückhalten!“ und † gegen den Tod, wenn er Dir noch nicht
und nicht wieder von mir fort ließ, Sie nahm ihn zur Seite und sagte: bestimmt ist †.364
bevor die âventiure beendet war. 2980 Gift und alle Zauberkünste
Nachdem ich dort Verzeihung [dafür] erlangt hatte, werden durch ihn wirkungslos.
habe ich der edlen, hochherzigen Königin a n r e d e t . Dadurch gewinnt das Wort aber noch nicht Die Macht seines Steins ist sehr groß.
2945 geschworen, daß ich mich, die B e d e u t u n g ‘Ehefrau’. Er gibt Erfolg365 und hohe Gesinnung.“
wenn ich E u r e Verzeihung gewonnen hätte, 358 Wörtlich: ‘preist’. Daß Ehre und Ansehen ‘geprie- Er war ihr lieb - das zeigte sie.
für jene Schuld sen’ werden können, ist heute nicht ohne weiteres nach- 2985 Sie küßte ihn und seine Kameraden.
dort verantworten zuvollziehen, weil die Begriffe ‘Ehre’ und ‘Ansehen’ ja Dann nahmen die fünf Männer
und mit der tugenhaften Schar355 schon Lob implizieren. Nach dem Verständnis des Mit- ehrenvoll Abschied366
2950 ein Jahr an der Tafelrunde bleiben würde. telalters ist es aber so, daß bei êre und wirdikeit (werde-
Wenn ich das geleistet habe, bin ich frei, cheit) lobenswertes Verhalten, die moralische Qualität,
so daß ich niemandem gegenüber [mehr zu etwas] die zu lobenswwertem Verhalten führt, und der dadurch 362 gemach eigentlich „ruhe, wohlbehagen, bequemlich-
verpflichtet bin; erreichte Zustand ineinander übergehen. êre und werde- keit, pflege; ort wo man ruht und sich pflegt“, aus letzte-
dann bin ich würdig, hier zu herrschen.“ cheit sind also gleichzeitig Eigenschaften, T u g e n - rem dann „zimmer, wohnung“ (Lexer); s. etwa Gauriel
Seine Kameraden sagten dazu:356 d e n der Person, die sie besitzen; und diese kann man Vers 2792. Vielleicht ist in 2969 mit gemach auch ge-
2955 „Es ziemt sich, daß eine Dame eben ‘preisen’. meint ‘eine Erleichterung [der Trennung]’.
gegenüber ihrem geliebten Mann357 359 swaz (swer, swâ usw.) ursprünglich ≠ waz, wer, wâ, 363 Oder: ‘nur bei passender Gelegenheit’.
sondern (entstanden aus sô waz usw.) mit verallgemei- 364 Die genaue Bedeutung von unrehte ist unklar. In
nernder Bedeutung: ‘was immer’, ‘alles was’. Ob diese diesem Zusatz ist aber wohl ein Hiwneis darauf zu se-
354 Wörtl.: ‘ich in meiner Buße erschien/sichtbar war’. Bedeutung in 2961 noch angesetzt werden kann, ist hen, daß die Zaubermacht der Fee nicht die von Gott
355 Oder: ‘mit der Schar der Tugendhaften’ fraglich. gesetzten Grenzen überschreiten kann; vielleicht wäre
356 Oder: ‘Unterstützend sagten seine K.’ 360 Zur adversativen Bedeutung von ouch s. Anm. 72. also zu übersetzen ‘gegen unnatürlichen/gewaltsamen
357 amîs eigentlich ‘der Geliebte’. Für die weibliche 361 einvaltic hat im Mhd. noch nicht die negative Bedeu- Tod’.
Form amîe setzt Lexer auch eine Bedeutung „gemahlin“ tung, die heute vorherrschend geworden ist, sondern 365 Die Bedeutung von gelücke ist prinzipiell neutraler
an; das ist irreführend: In den dafür beigebrachten Be- meint überwiegend ‘schlicht’, ‘einfach’, ‘ungekünstelt’. (‘Ausgang’, ‘Geschick’) als die von nhd. ‘Glück’; eine
legstellen handelt es sich durchweg um Fälle wie hier im Auch in nhd. Zeit ist aber noch die positive Bedeutung teilweise Verengung auf den ‘guten’ Ausgang läßt sich
Gauriel, wo nämlich jemand seine Ehefrau als amîe nachweisbar (Paul s.v. ‘Einfalt). aber auch schon im Mhd. nachweisen.
49

und ritten ohne Eile367 ganz in ihre Hände. Es fehlte ihm an keiner Tugend.374
durch die Reiche, 3010 Sie nahmen Abschied und zogen, 3020 Als sie in die Nähe [des Hofes] kamen,375
2990 [um zu sehen,] ob368 sie nicht jetzt wie ich erfahren habe, eilte ein Knappe376
eine âventiure finden könnten. wie es Rittern entspricht,370 zum König und berichtete ihm,
Da führte sie eine ins britannische Reich, daß die Gruppe
wenig benutzte369 Straße in das Land des gütigen371 Königs. [wieder] im Land sei,
in ein unbekanntes Land. 3015 Kein König war so bekannt 3025 die durch die Macht der âventiure
2995 Das hieß Pronias. wegen seines höfischen Wesens. aus dem Land gerufen377 worden war.
Darin waren die Heiden eingedrungen Der Herr der Tafelrunde Er sagte: „Herr, was Euch der Ritter
und trieben schlimme Dinge. war ein fruchtbringender Ast372 mit dem Bock hier an Schaden zugefügt hat,378
Mit Raub und Brand hatten sie uneingeschränkter Freude.373 als die âventiure sich vollzog,
das Land verwüstet 3030 das könnt Ihr zu vergessen bereit sein.
3000 und den dortigen König Ein Wunder ist an ihm geschehen:
mit einem Heer belagert. Eine Dame hatte ihn verflucht.
Da fochten die [Fünf] manchen harten Kampf 370 Falls es sich nicht nur um ein Füllsel handelt, ist Die hat ihn nun aber so behandelt,379
mit den Heiden vielleicht gemeint, daß das Artus-Reich Ziel und Ideal daß er der schönste Mann ist,
und schlugen zahllose von ihnen tot. jedes Ritters sein sollte. Vgl. in diesem Sinn auch die 3035 von dem man je gehört hat.380
3005 Dem König halfen sie aus der Not. Eloge 3015ff. Ich sage Euch - das ist ganz sicher:
Der dankte ihnen sehr 371 milte ist meist als freigebig zu übersetzen; die Tu-
und erwies ihnen große Ehre; gend der milte ist eine zentrale Herrschertugend: Indem 373 „vreude bezeichnete nicht ein subjektives Gefühl,
außerdem gab er Leute und Land er sie praktiziert, demonstriert ein Herrscher Reichtum
sondern den Zustand der festlichen Erregtheit und der
und Macht (repräsentativer Aspekt), zeigt aber auch, daß
Erhobenheit über den Alltag, ein gesteigertes Selbstbe-
er klug genug ist, sich Anhänger zu verschaffen; außer-
366 Gemeint ist wohl entweder, daß man sie ehrenvoll wußtsein, wie es sich im Lärm der Hoffeste bezeugte.“
dem kommt er der christlichen clementia-Forderung
(in aller Form) verabschiedete, oder aber, daß ihr Ab- (Bumke II, S. 427f.)
nach. Da bisher von einer speziellen milte Artus’ im 374 Auch der mittelalterliche Tugend-Begriff ist weiter
schied, da sie ihn erbeten und er ihnen gewährt worden Gauriel noch nicht die Rede war, wurde die o.a. allge-
ist, weder ihre Ehre noch die der Landesherrin tangiert. als der neuzeitliche: tugent / virtus kann alles sein, was
meinere Übersetzung gewählt; allerdings wird das zeit-
367 Dies scheint nicht zu der bisherigen ritterlichen Ak- als positiv gilt, also etwa auch äußere Schönheit.
genössische Publikum den Aspekt der Freigebigkeit bei 375 begunden nâhen: mhd. beginnen ist oft nur um-
tivität zu passen; der Sinn der ‘Langsamkeit’ liegt aber der Verwendung des Begriffs milte sicher mit assoziiert
darin, nicht wegen zu großer Eile eine âventiure zu haben. schreibend.
376 îlte ... gâhen: gâhen wohl Adverb
übersehen. 372 Die Ast-Metapher ist besonders in der Panegyrik
368 Zur elliptischen Konstruktion von Satzgefügen mit 377 Noch heute gibt es die Homonyme 1laden (beladen)
weit verbreitet - so verbreitet, daß Friedrich von Son-
ob(e) s. Anm. 243. nenburg († nach 1275) sie in Spruch 41 benutzt, um und 2laden (einladen). 1laden entspricht mhd. laden stv
369 getriben (< trîben): „vom wege: viel gebraucht, einen Berufskollegen lächerlich zu machen; dieser hatte VI, 2laden laden swv.
378 schadet = schadete.
betreten, geebnet“ (Lexer). Ich sehe ze mâze als Litotes sie in einem Lobgedicht auf einen Adligen verwendet
379 beruochen: „sorgen für [...], sich annehmen; womit
(s. Anm. 87) an; diese Auffassung entspricht auch der und wird von Friedrich als unfähig kritisiert, weil der
tatsache, daß das Land, in das die Straße führt, in 2994 Vergleich mit einem ganzen Tugend b a u m [bedenken]“ (Lexer).
als unkunde bezeichnet wird. angemessener gewesen sei. 380 Wörtl.: ‘von dem man je Kunde gewann’.
50

Ein prächtiges Königreich Das will ich Euch bei meiner Treue [wahrheitsgemäß] und wie der Kampf in Pronias
hat er außerdem erworben. sagen: von ihnen beendet worden war.
Wenn er Die langen Wege 3085 Da kamen mitten während des Berichts
3040 † in seinem vorherigen Zustand †381 gestorben 3065 und viele andere Beschwernisse haben das die Herren bei Hofe angeritten.
wäre, verursacht, Da wurde nicht länger gewartet:
wäre das eine schlimme Sache. die Last schwieriger âventiure, Sie wurden herrlich empfangen.
Sein Vermögen ist so groß, wie man es sich nur an der es uns384 selten385 fehlte.“ Groß und Klein389
vorstellen kann, Viele hörten dem Bericht zu. 3090 lief ihnen ohne Ausnahme
sein Charakter ist vollkommen, „Ich erzähle Euch, wie sie anfingen: entgegen
seine Frau eine Göttin - 3070 Vor dem Tor nach Fluratrone und dankte ihnen dafür,
3045 das ist die vollendete Liebe!“ lagen zwei Drachenschlangen. daß sie so oft Erfolg gehabt hatten.390
Da fragte der König: Die erschlugen sie. Dann sah man, daß der Ritter [Gauriel wieder]
„Ist er dort geblieben Danach kamen sie in Bedrängnis gesund und schön war.
oder kommt er mit ihnen?“ an einer Brücke, wo sich ihnen 3095 Einstimmig mußten
Da sagte die gütige Königin: 3075 ein starkes Heer entgegenstellte. Junge und Alte ihm zugestehen,
3050 „Er hat geschworen, er käme hierhin. Zwei grobschlächtige386 Riesen daß eine vorteilhaftere Verwandlung
Ich weiß genau, daß er das hält.“ erschlug mein Herr Gauriel dort noch nie an einem Mann geschehen sei,
Höflich sagte der Knappe: eigenhändig. den man noch lebend sähe.391
„Ja Herr, meine Königin hat recht. So wurde das Land erobert, 3100 Es war d i e Zeit des Jahres,
Er kommt mit ihnen und will 3080 über das er Herrscher sein soll.387 in der man sich viel die Zeit vertreibt392
3055 hier bleiben, um zu erfüllen382, Man behandelte uns da aufs beste.“388
was der tugendhafte Mann geschworen hat, Er erzählte ihnen von dem Fest
nachdem er Verzeihung erlangt hatte.“ 389 Oder: Hoch und Niedrig.
Über diese Nachrichten wurden die Vornehmsten383 390 Jemanden dafür ‘danken’, daß er Erfolg gehabt hat,
am Hof alle ohne Ausnahme froh 384 Bei dem Knappen, der den Bericht liefert, handelt es erscheint natürlich ungewöhnlich. Entweder hat es also
3060 und fragten ihn weiter: sich offensichtlich, wie erstmals hier an diesem ‘uns’ für danc sagen eine Bedeutung ‘gratulieren’ o.ä. gege-
„Wie kommt es, und dann vor allem an dem folgenden Bericht über die ben (die sich allerdings aus den Wbb. nicht belegen
daß Ihr so lange fortgewesen seid?“ Drachen- und Riesenkämpfe deutlich wird, um den läßt), oder aber der Zusammenhang wäre so zu deuten,
garzûn, der die Fünf nach Fluratrone geführt hatte. daß der Artushof seinen Mitgliedern dafür dankbar ist,
385 Eventuell wieder Litotes.
daß sie durch ihren Erfolg das Prestige des gesamten
381 in solher mâze: Hs. I hat stattdessen in sollicher 386 ungetelle: „ungeschickt, plump, täppisch“. Hofes gesteigert haben.
geschicht. 387 Würde man sol hier als Futurumschreibung auffas- 391 Im Sinn von: ‘jedenfalls an keinem lebenden Mann’
382 zil bedeutet u.a.: „bestimmung, zweck, absicht“ sen, würde die Zeitlogik durcheinander geraten: Wie der (den man also kennen und als Gegenbeweis anführen
(Lexer). Anfang des Berichts zeigt, weiß der garzûn ja auch über könnte).
383 die besten oder der beste teil bezeichnet oft auch die folgenden Ereignisse Bescheid und also auch dar- 392 tagalt: „zeitvertreib, spiel, scherz“ (Lexer). Die Her-
eine qualifizierte Mehrheit, deren Meinung ein besonde- über, daß Gauriel bereits Herrscher von Fluratorne i s t. kunft des Wortes ist umstritten; Lexer verweist auf Wa-
res Gewicht zukommt; auch dies könnte hier mit anklin- 388Hier renommiert der garzûn - denn er ist ja nicht mit ckernagels These einer Entstehung aus tagalitî („litî zu
gen. in Fluratrone gewesen. lîdan, gehen“), bei BMZ wird die ältere These Graffs
51

in Wald und Feld ließ man, wie uns die Quelle berichtet, Der Hof setzte sich jeden Tag
mit Jagdvögeln und Wild. 3125 viele Sperber aus einer idealen, auserlesenen Gästeschar zusammen.
Der König und die Königin in alle Richtungenaufsteigen,397 Nie haben wir anderswo
3105 kamen auch untereinander überein, und man schrie398: „Paß auf,399 wohin [er fliegt]!“ 3140 von Königen gelesen, [daß es bei ihnen so
einen Zeitvertreib zu arrangieren, Während sie in Gesellschaft über die Heide ritten, gewesen wäre,]
indem sie nämlich vor dem Wald drehte man sich oft im Sattel zueinander um wie es dort gewesen ist
eine Beizjagd veranstalten wollten, 3130 und redete400 auf höfische Art über die Liebe - Der weise König Artus
und zwar den Rittern und Damen aber tugendhaft. handelte so, daß die Welt ihn lobte,403
3110 zuliebe. So trieben sie Beizjagd, wie ich erfahren habe.
Die Lagerplätze und manche Herz wurde in allem Anstand 3145 Ich erzähle Euch, wenn ich kann,
ließ man auf zwei Halbinseln393 herrichten. auf Liebe eingestimmt. wie es mit der âventiure weiterging:
Diese lagen ganz dicht beieinander. 3135 Sieben Nächte401 blieben sie Eines Morgens, als man die Sonne
Nur ein mäßig breiter vor dem Wald in allerbester Stimmung.402 durch die Wolken leuchten sah,
3115 Wasserlauf394 trennte sie entfernte sich der Ritter mit dem Bock,
Lautes Hundegebell erhob sich. 3150 um nach âventiure Ausschau zu halten,
Der Ort395 hieß ‘Im Freudental’. [und zog] in den Wald - und mit ihm
Der König wollte auf der einen Seite lagern 397 Wörtl.: ‘wurden viele Sperber hierhin und dorthin zwei Männer, die durch ihr höfisches Wesen dazu
mit den Rittern und die Königin geworfen.’ Um Jagdvögel von der Hand aufsteigen zu veranlaßt wurden.404
3120 auf der anderen mit den Damen. lassen, schwingt man den tragenden Arm hoch. Ein seltsames Ereignis
Sie verbrachten396 die Zeit sehr angenehm. 398 schriren: 3. Pl. Ind. Prät. von schrîen/schrîn, stv I,2; führte für sie zu einer sehr gefährlichen âventiure.405
Als sie vor den Wald kamen eingeschobenes /r/ zur Ausspracheerleichterung (Ver- 3155 Ich verschweige Euch nicht,
mit freudenreicher Kurzweil, meidung des Hiats = des Aufeinandertreffens zweier wer diese beiden [Begleiter] waren:
Vokale). ein Ritter namens Pliamin,
399wartâ: Imperativ zu warten, swv; das /â/ drückt eine der in diesem Land auch ein Fremder war -
angeführt („aus tag und altî zusammengesetzt“). DWB Verstärkung aus. keine Tugend fehlte ihm -,
Bd. 21 ohne Stellungnahme. Beides leuchtet nicht unbe- 400 Wörtl: ‘redete man über die Schulter
dingt ein. Interessant ist aber, daß über die Komponente 401 Die Verwendung von Nächten zur Zeitzählung war
‘Tag’ auf jeden Fall die Vorstellung von Unterhaltung 402 zer: „was man zehrt, mahlzeit; auf-, verzehrung;
in älteren Zeiten häufiger (vgl. aber heute noch engl.
an eine zeitliche Komponente gebunden erscheint - wie fortnight). Da sich dieses Phänomen in einer Reihe in- Lebensunterhalt, nahrung; Kosten, aufwand bes. für
auch in ‘Kurzweil’ oder ‘Zeitvertreib’! dogermanischer Sprachen antreffen läßt, hat man die essen und trinken“ (Lexer). Daß sich die Formulierung
393 ouwe kann auch ‘Insel’ bedeuten; da im folgenden konkret auf das ‘leibliche Wohl’ bezieht, muß nicht
These aufgestellt, daß die Indogermanen (wenn es sie
aber davon die Rede ist, daß die beiden ouwen nur durch denn gegeben hat) aus einer Gegend gestammt haben notwendig der Fall sein.
einen rein getrennt sind, sind wohl Halbinseln gemeint. 403 Oder: ‘bemühte sich mit seinem Handeln, das Lob ...
müssen, in der wegen der großen Tageshitze die Nächte
394 Was genau mit dem rein gemeint ist, ist unklar; da zu erwerben.’
eine größere Bedeutung für die menschlichen Aktivitä-
von zwei ouwen die Rede ist, muß es sich aber um Was- 404 durch ir hübescheit: ‘wegen ihres höfischen Wesens.
ten besessen haben (Tschirch, S. 33f.). In der Gauriel-
ser handeln. Stelle muß nicht unnbedingt an einen traditionellen W o z u dieses höfische Wesen hier veranlaßt (zur
395 Bezogen aus dem dâ in 3116. Begleitung oder zur Suche nach âventiure), ist unklar.
Gebrauch gedacht werden; die Formulierung könnte
396 Wörtlich: ‘verschlissen’. auch bedeuten: ‘Sie übernachteten dort sieben Mal’ o.ä. 405 Wörtl.: ‘fügte ihnen große Mühsal durch âventiure.’
52

3160 und Erec, der Sohn des Königs Lac, Der Alte antwortete: „Glaubt es mir - da nahten sich uns
der über uneingeschränkte Tapferkeit verfügte. wenn Euch meine Worte nicht verdrießen409: Schande und Leid.
Als diese drei Ritter sich Ich jage ein gefährliches Wild Im Wald ritt uns
auf angenehme Art durch ihren Spazierritt 3180 mit großen Sorgen - ein großer Mann auf einem Wisent entgegen.
im Wald die Zeit vertrieben,406 heute [schon] den vierten Tag.“ 3205 Vor unseren Augen nahm er uns
3165 sahen sie Die Herren fragten um Auskunft, das geliebte Kind meines Herrn.
einen alten Mann, was es mit seiner Jagd410 auf sich habe. Deswegen sind er und die Seinen
der einen Spürhund [an der Leine hatte und] „Wenn es in der Hoffnung auf eine âventiure geschieht, voller Leid.
ihm eilig folgte.407 3185 laßt es uns wissen. Laßt es Euch nicht langweilig werden
Als er in ihre Nähe gekommen war, Das kann für Euch von Nutzen sein [, weiter zuzuhören].
3170 grüßten sie ihn freundlich und Euch Vorteile bringen.“ 3210 Er hatte uns also die Jungfrau fortgenommen,
Da sagte der Leidbeladene: „Das ist die größte Hilfe, die Gott mir je geleistet während viele tapfere Ritter
„Euch sei Dank gesagt!“ hat,“411 zuschauen mußten.
„Von wo führt Euch Eure Jagd hierher?“, sagte der Jäger, „wenn ich Euch Nie ist uns derart Kummervolles widerfahren.415
fragte Erec, 3190 meine Not klagen darf. Viele eilten hinterher
3175 „aus welchem Land? Es geschah, daß mein Herr, 3215 (so auch ich),
jagt Ihr [einen] Hirsch oder [andere] Tiere?“408 der Graf von Asterian, jeder416 so schnell er konnte,
wie er es vorher schon oft getan hat, wer immer zur Verfolgung geeignet war,
in den Wald ritt, um zu jagen. er wäre klein oder groß gewesen.
406 baneken („refl[exiv] sich durch bewegung erlusti- 3195 Er hatte viele tapfere Ritter Lautes Hundegebell erhob sich.
gen; Intr. spazieren, gehen (rom[anisch] banicare“ [Le- und viele schöne Damen dabei. 3220 Wir eilten alle hinter ihm her.417
xer]). Das zu diesem Verb gebildete Substantiv bedient Eines Morgens, als wir die Hunde
sich eines Wortbildungssuffixes, das ebenfalls (vgl. [auf die Fährte] eines Hirschs setzen412 sollten -
Anm. 228) aus dem Frz. entlehnt wurde und - nach wir freuten uns nämlich413 darauf, Hirschs, nachdem die Hunde ihn ‘gestellt’ (d.h. aufge-
Diphthongierung zu /ei/ - auch im Nhd. noch aktiv ist 3200 ihn zu stellen414 -, stöbert und zur Flucht unfähig) gemacht haben.
(Schweinerei, Angeberei, Datei usw.). 415 Im Mhd. ein konsekutiver Nebensatz, wobei der
407 3166 - an der selben stunde = genau zu dieser Zeit, logische Bezug etwa derart sein könnte, daß der Vorfall
409 Oder: ‘nicht übertrieben erscheinen’. Zu beviln s.
bei dieser Gelegenheit - ist wohl ein Zeilenfüller (stunde deshalb so besonders schlimm war, weil er sich eben
: leithunde) und wurde deshalb nicht mit übersetzt Anm. 304. ereignete, obwohl so viele tapfere Ritter (die normaler-
410 geverte: „weg, zug, fahrt, reise; reihe; ziel u. zweck
408 Bedeutung und Wortgebrauch von ‘Tier’ sind vom weise ja so gerne Witwen, Waisen und Jungfrauen
Nhd. etwas verschieden. So fallen etwa Vögel oft nicht der vart; [...] art zu varn, aufzug, erscheinung, beneh- schützen ...) dabei anwesend waren und das Gefühl der
unter den Begriff tier, sondern werden gesondert er- men, art und weise [...]“ (Lexer). Hilflosigkeit etc. entsprechend größer war.
411 Zu ob(e) s. Anm. 243, 265. 416 Statt des eher ungewöhnlichen der man hat Hs. D
wähnt (wobei dann aber die Fledermaus nicht zu den
412 Wörtl.: ‘[los]lassen sollten.
‘Tieren’, sondern zu den ‘Vögeln’ gerechnet wird). Was iederman.
413 alse/alsô/als u.a.: „erklärend: das heisst, nämlich“ 417 schuoren wohl von schern: „intr. schnell eilen“ (Le-
hier im Gauriel genau mit tier im Gegensatz zum hirz
gemeint ist, läßt sich nicht feststellen; wegen des Hun- (Lexer). xer). schern ist normalerweise ein starkes Verb der Ab-
des ist jedenfalls auch an Groß- und nicht an Niederwild 414 Im Text: vâhen (‘fangen’). Ziel der Jagd ist aber in lautreihe IV (wie nemen - nam - nâmen), bildet aber sein
zu denken. der Regel nicht das Fangen, sondern das Erlegen des Präteritum z.T. auch entsprechend der VI. Reihe (wie
53

[Aber] er [konnte] tatsächlich die junge Dame Aber nun laßt uns essen gehen.“421 ohne jede Lücke.
entführen. Sie aßen, und dann waren die Rüstungen Niemand war vorher hineingeritten,
Nachdem mir mein Pferd † zusammengebrochen schnell zur Hand. so daß er hätte erfahren können,
war, †418 Sie legten sie an wie es ihm darin erginge.
lief ich zu Fuß weiter. 3235 und zogen mit dem Jäger weiter. 3250 Vor dem Wald stand eine Burg.
So hat mich meine Jagd hierher geführt,“ Herr Gauriel hatte ihm Dort wohnte ein Burgherr, der die Angewohnheit hatte,
3225 sagte der Unverzagte. ein starkes und schnelles Pferd gegeben. daß er Fremde freundlich empfing.
„Ich werde auch nicht aufgeben.419 Nachdem er so gut beritten war, Niemand ließ er weiter[ziehen],
Ich muß sie wiederfinden.“ machte er sich wieder auf die Fährte. ohne ihm Herberge anzubieten.
Die stolzen, mutigen Ritter 3240 Die Ritter ritten mit ihm, 3255 Er war ein Mann, der reich an Ehren war.
sagten: „Wir wollen Euch wie es bei einer âventiure so Brauch ist. Eben dieser Burgherr trat eines Abends,
3230 bei Eurer mühenvollen Suche helfen.420 Sie jagten in großer Eile [dahin und gelangten] als der Tag der Nacht die Herrschaft überließ,
in ein weit entferntes Reich an eine Zinne.423
graben - gruop - gruoben oder heben - huop - huo-ben). vor einen wilden Wald. Hell war der Schein des Mondes.
Die Wendung ûf einen schern ist in den Wbb. nicht 3245 Er war zwei Meilen422 breit, 3260 Da hörte er den Spürhund
belegt; möglicherweise handelt es sich um einen Fach- heranjagen. Er dachte: „Wer
terminus der Jägersprache.- Hs. D hat schurn, Hs. I 421 mag hier zu dieser Zeit [noch] jagen?“
gâ wohl 1. Pers. Imperativ; die Form ohne -n ist aber
schrien al. Steinmeyer (S. 62, Anm. 1) hält Khulls An- Er ließ sich seine Rüstung bringen;
ungewöhnlich.
satz von schuoren für falsch und vermutet schrirn (von 422 Ebenfalls (vgl. Anm. 271 zu elle) natürlich keine schnell hatte er sie an
schrîen; zu den Formen mit /r/ im Plural und Partizip 3265 und ritt hinaus, um zu erfahren,
genaue Maßangabe, sondern nur ein Hinweis darauf,
des Präteritums s. Braune, S. 330; zur Erklärung ebd. S. ob Gott Leute zu ihm geschickt habe,
daß dieser Wald s e h r breit war (wie man auch der
111: „In einigen Fällen ist r einem vokalischen Auslaut die Hilfe suchten.
tatsache entnehmen kann, daß für eine lange Wegstrecke
vor vokalischem Anlaut angefügt [...]. Hier ist r Be- Da hörte er am Gebell des Hundes,
in Vers 3457 ebenfalls die Angabe ‘zwei Meilen’ er-
zeichnung eines zwischen zwei aufeinanderstoßenden daß sie durch ein Tal heranjagten.
folgt).- mîle ist (wie die entsprechenden Worte in ande-
Vokalen sich bildenden Übergangslautes, indem der 3270 Da aber erblickte ihn im Schein des Mondes
ren westgerm. Sprachen) eine frühe Entlehnung aus lat.
Stimmton nicht durch Kehlkopfverschluß unterbrochen, mein höfischer Herr Pliamin.
milia = ‘römische Meile’ (für mille/milia passuum =
sondern undeutlich artikuliert hinübergezogen wird. [...] Er visierte ihn genau an,
‘tausend [Doppel-]Schritte. Im Mittelalter unterschied
vgl. [...] die r in steroz [...] und scrirun [d.i. mhd. gab dem Pferd die Sporen
man grundsätzlich zwischen deutscher und ‘welscher’
schrirn; R.B.].). schrîen û f ist ebenfalls in den Wbb. und sprengte in die Richtung, in der er den Ritter sah.
(frz.) Meile. In Deutschland waren die Meilen „ganzzah-
nicht belegt; es könnte sich aber um eine Umschreibung 32575 Da wurde [zunächst nur] eine halbe Tjost
lige Vielfache von (1000, 2000) Klafter, Faden, Lachter,
für das Erheben des gerüefte handel (s. Anm. 296). geritten.424
Ruten“ (LMA 6, 472); da die Untereinheiten regional,
418 abe gân findet sich in den Wbb. unter keinem der
oft lokal verschieden waren, ergaben sich also auch
beiden Wortbestandteile; möglicherweise hat man es verschiedene Längen für die Meile. Heutige und histori- 423 zinne (zu ahd. zint = ‘Zacke’, ‘Zahn’; s. Paul) meint
auch hier mit einem fachausdruck zu tun. Belegt sind sche Meilen (England, USA, Österreich, Schweiz, See- entrweder die einzelne Zinne oderpars pro toto die ganze
abegênde („abnehmend, alternd“) und abegenge („en- meile usw.) haben eine Länge zwischen 4800 und 7500 aus solchen Zinnen gemauerte Brüstung.
de“); s. Lexer. Metern. Aber auch kürzere Strecken wurden z.T. als 424 Weil nämlich nur Pliamin anreitet. Oder aber der
419 erwinden: ‘aufhören’. Meile bezeichnet (engl. oder Londoner Meile = 5000 Autor spricht von einer ‘halben (= unvollständigen)
420 slîzen: ‘zerschleißen’, ‘zerreißen’. Fuß ≈ 1523 m). Tjost’, weil Pliamin nur anreitet, aber den Gegner nicht
54

Trotzdem ritt [jetzt auch] der Burgherr eine Tjost gegen und bat sie, sein Willkommen entgegenzunehmen. 3330 nachdem er sie heimgebracht hatte!
Pliamin. Da sagte der höfische Pliamin: Zwei schöne junge Mädchen
Er dachte folgendes: 3300 Eins muß ich jetzt fragen: kamen sehr schnell;
„Wer seine Lanze gegen mich versticht, Sagt, Herr, fällt Eure Begrüßung mit ihnen gingen vier weitere
der hat wahrscheinlich einen tapferen Charakter. immer so aus? im gleichen Alter.
3280 Ich will die Sache regeln, ohne [daß jemand zu] Dann soll man sie höher schätzen als 3335 Ich kann ihre Schönheit und ihre guten
Schaden [kommt]. irgendeine andere, von der ich je gehört habe. Eigenschaften428
Ich kann sie dann vielleicht um so eher als Gäste 3305 Weshalb seid Ihr [überhaupt] ins Feld gezogen? mit Worten nicht vollständig wiedergeben;
aufnehmen.“ Oder ist Eure Lanze so zerbrechlich? aber ich kann Euch informieren:
Absichtlich verfehlte425 er ihn auch. Ihr habt sie in drei Tjosten geschont. die zwei [ersten] waren die Töchter des Burgherrn.
Für Pliamin ging die Tjost so aus, Oder kommt das durch einen unglücklichen Zufall?“ Wer jedoch die vier waren, weiß ich nicht.
daß seine Lanze ganz in Stücke ging. Der [Burgherr antwortete]: „Ich sage Euch nichts 3340 Den Unterschied, daß429 sie den Zweien untertan
3285 Sofort danach drehte der Ritter um, anderes waren, bewirkte nur ihr Auftreten
[ritt] hinaus auf die freie Fläche426 und hielt an. 3310 als: Würde ich Besseres können oder vermögen, und mehr noch, daß diese, als man aß,
Erec, der über viele Tugenden verfügte, hätte ich es Euch präsentiert.427 oben an der Tafel saßen.
ärgerte sich darüber und galoppierte heran. Geruht, um der Ritterehre willen Ihre Kleider aber waren gleichartig.430
Seine Lanze zerbrach er an dem Burgherrn, heute nacht bei mir zu bleiben. 3345 Es hat nie einen König gegeben, der so mächtig
3290 während dessen [Lanze] ganz blieb. Bis zum Tag werde ich Euch, so gut ich es nur kann, gewesen wäre, daß er, wenn er sie gesehen hätte,
Der Ritter mit dem Bock 3315 die beste Ruhe[möglichkeit] verschaffen. nicht mit gutem Grund hätte zugeben müssen,
trieb sein Pferd mit heftigen Schlägen an. Wenn Ihr aber länger hier bleibt, daß sie seine Stimmung [noch] verbessert hätten.
Er rief: „Soll denn niemand Euch ins Wanken bringen dann wißt, das mir niemals Gäste Daß mir schon das Reden über sie
können?“ so lieb gewesen sind.“ 3350 so gut tut, daran erkenne ich:
Seine Lanze wurde mit Kraft verstochen - Der Ritter mit dem Bock sagte: wer sie sah, dem ging es besser.
3295 und der Ritter vom Fall verschont. 3320 „Es wäre angemessener, daß wir um das Die Mädchen431 eilten
Dann aber kehrte er schnell zurück, bitten würden, worum ihr bittet. zum Burgherrn und nahmen ihm, wie sie es gewohnt
ließ seine Lanze fallen Ritter, was ihr von uns begehrt, waren, seine Rüstung ab.
das soll Euch alles gewährt sein.“ 3355 „Gebt genau Acht, worum ich [Euch] bitte,“
aus dem Sattel werfen kann. Darauf könnte das alsam in Dann führte er die Herren fort
3282 hindeuten. 3325 zur Burg, wie ich erfahren habe.
425 Das folgende zeigt, was hier mit ‘verfehlen’ gemeint Man verschaffte ihnen alle Bequemlichkeit, 428 Zur Bedeutung von tugent s. Anm. 370.
so daß es Gästen nie besser ging. 429 Mit ob eingeleitete eigentlich konditionale Neben-
ist: der Burgherr trifft Pliamin zwar, aber so, daß dieser
Wie sichtbar wurde das höfische Wesen des Ritters sätze „stehen [oft] Objektsätzen nahe“ (Paul/Mitzlka, S.
nicht zum Sturz gebracht wird - also entweder nicht fest
an vielen Verhaltensweisen, 265); ebd. als Beispiel u.a.: swer mir das verban (miß-
genug oder nicht an einer der richtigen Stellen.
426 sâm(e): „same, samenkorn [...]; männl. same; Nach- gönnt), ob ich si minne ...
427 Nicht übersetzt wurde lîhte: Die Grundbedeutung ist 430 Zur Bedeutung von g(e)lîche s. Anm. 19.
kommenschaft; saat, saatfeld; feld, boden überh[aupt],
bes. der kampfplatz“ (Lexer). Der Sinn ergibt sich wohl ‘leicht’, ‘mit Sicherheit’, aber das Wort bedeutet dann 431 Hier sind mit kint nicht die Töchter gemeint, sondern
daraus, daß der Kampf selbst in dem in Vers 3269 er- auch schon dasselbe wie unser ‘vielleicht’. Beide Über- alle sechs Mädchen; dies geht aus 3367f. hervor, wo
wähnten Tal stattgefunden hat. setzungen würden hier Sinn geben. sich je zwei um einen der drei Ritter kümmern.
55

sagte der Burgherr zu den Töchtern. in eine Kemenate436, werde.438


„Ihr sollt Euch der Herren annehmen 3370 wo die edle Burgherrin saß, Laßt Euch nicht täuschen:
und sie empfangen. die es auch nicht unterließ, Wenn man Euch nicht belügen will,439
Nie habe ich wertvollere432 Ritter gesehen. die Herren so freundlich zu empfangen, dann kann Euch noch keiner gesagt haben,440
3360 Das habe ich heute nacht deutlich gemerkt. daß man ihr und dem Burgherrn 3395 was man darin erjagt -
Sie gehören zur Schar der Tafelrunde.433 Gottes Segen dafür wünschen soll, ob Übles oder Gutes,
Man muß sie den Besten an die Seite stellen.434 3375 daß sie so vollständig nach seinem Gebot437 Kummer oder Freude441,
Sie sind auf Suche nach âventiure.“ in bezug auf ihre Ehre und ihre Würde Kampf442 oder Vergnügen.
Dem Burgherrn wurde sofort gewährt, zu solch passendem Verhalten bereit war.
3365 was er wünschte und worum er gebeten hatte. Der Burgherr, den seine Tugend nie verließ,
Je zwei [Mädchen] nahmen einen435 ging zu den Gästen. 438 Wörtlich: ‘was sie in das Land jagten ... in Richtung
und führten ihn sofort 3380 Er befahl, ihnen zu trinken zu bringen. auf den schlecht beredeten Wald’ (zu versprochen walde
Mit höfischen Gesprächen vgl. 3399). Falls waz Fragepronomen ist, wären wieder
verkürzte er ihnen die Zeit, zwei Richtungsperspektiven in einer grammatischen
432 tiurre: Komparativ zu tiur(e). „[...] im Kom- wie er es aufs Beste verstand, Konstruktion ineinandergeschoben worden (das gejagte,
p[arativ], der in der Regel -ere (ahd. -iro, -ira) zu -er bis das Essen zubereitet war, also vor den Nachjagenden befindliche Objekt führt die
verkürzt, fällt -e- nach r, l, n, wobei dann das sonst ab- 3385 eine Bewirtung, die seiner Gewohnheit entsprach. Jagenden in d a s Land. waz kann aber auch Fragead-
geworfene auslautende -e erhalten bleibt, vgl. lûterre, Man gab ihnen [Fleisch von] wilden und zahmen verb sein (‘weshalb’, ‘wozu’); in diesem Fall zeigt der
tiurre neben tiurer, minre neben minner.“ (Paul/Mitzka [Tieren]. Akkusativ nach in, daß hier im Mhd. eine andere Per-
S. 140). Danach bat der Burgherr darum, sie möchten ihm spektive beachtet wird als in der nhd. Übersetzung.-
433 Falls schar Genitiv ist (sîn mit Genitiv: ‘sich im eine Frage erlauben und ihm sagen, versprechen u.a. ‘übel reden von’.
Besitz von jd. befinden’). Oder aber: ‘Sie sind eine was das Ziel ihrer gefährlichen, eiligen Jagd 439 Im Nhd. müßte eigentlich eine Tempusangleichung
Schar/Gruppe aus der Tafelrunde.’ 3390 in diesem Land sei, die sie in Richtung stattfinden: ‘Wenn man Euch nicht h a t belügen
434 Wörtlich: ‘Man muß sie zu den Besten haben (= auf den Wald führe, über den so Schlimmes gesagt w o l l e n , dann kann Euch noch keiner gesagt haben’.
halten für).’ 440 Wörtl.: ‘dann ist Euch noch gänzlich ungesagt’.
435 Wörtlich: ‘nahmen den ihren’. Auf älteren Sprach- 436 kemenâte < mlat. caminata aus camera caminata = geseit kontrahiert aus gesaget, wie im folgenden Vers
stufen schieben sich zeitliche Perspektiven oft auf eine ‘mit Kamin versehenes Zimmer’. Da zunächst nur die erjeit aus erjaget; vgl. Anm. 204 zu maget/meit.
für uns ‘unlogische’ Weise ineinander. ‘Der ihre’ wird Zimmer der adligen Frauen beheizt waren, oft identisch 441 Der hôhe muot (dazu das Adjektiv hôhgemuot, auch
ein Ritter hier ja erst dadurch, daß er von den Mädchen mit ‘Frauengemach’, „dann auch Bez. eines Gebäudes in getrennter Schreibung) ist ein Zentralbegriff höfischer
zur Betreuung ausgewählt wird. Die Rhetorik hält für im Burgbereich“ (Paul). Dichtung. Er meint „das gesellschaftliche Hochgefühl“
ein solches Verfahren, das die zeitliche ider begriffliche 437 Unklar ist, ob mit sînem der Ehemann oder Gott (Bumke II, 427) - oder besser (vgl. Vers 3478): ein mit
Reihenfolge umkehrt, den Terminus hysteron proteron gemeint ist. Falls letzteres der Fall ist und man ein spe- den Normen der Gesellschaft übereinstimmendes Hoch-
bereit (wörtlich: ‘das Spätere zuerst’). In vielen Fällen zielles göttliches ‘Gebot’ denken will, wäre etwa zu gefühl, eine permanente ‘Hochgestimmtheit’; insofern
wird es sich aber nicht um eine bewußt rhetorische Ges- verweisen auf die den aus Tobit 1,17 und Mt 25,35f. man sich um eine solche Stimmung bemühen soll, gilt
taltung, sondern wieder um eine Folge der Möglichkei- kompilierten sieben geistlichen und sieben leiblichen hôher muot aber auch als Tugend.- In religiösen Kontex-
ten der mhd. Syntax handeln (vgl. Anm. 165 zum ‘Werken der Barmherzigkeit’ entsprechende Aufforde- ten dagegen ist der hôhe muot oft der deutsche Begriff
Zeugma, Anm. 298 zur Hypallage).- Mhd. Beispiele für rung zu verweisen, Hungrigen Essen zu geben und für die Todsünde der superbia und entsprechend negativ
das Hysteron-Proteron bei Brandt 1986, S. 22. Durstige zu tränken. besetzt.
56

Er heißt ‘der verwunschene Wald’. Uns ist nichts anderes bekannt Burgherrn sehr hart.
3400 Keiner von denen, die hineingeritten 3410 von der Not der Jungfrau, 3435 Nachdem er die Ritter mit Worten
oder -gegangen sind, ist jemals wiedergekommen. als daß derjenige, der dem nicht vom Weiterziehen hatte abbringen können,451
Ich rate Euch ganz aufrichtig: Grafen von Asterian diesen Schaden sagte er: „Ich will doch hoffen,452
brecht Euer Unternehmen ab!“443 vor seinen Augen zugefügt hat, daß ihr, wenn Ihr auf Eurem Weg erfolgreich wart,
Sie sagten: „Herr, Euer Rat einen Wisent ritt. wieder beliebt, meine Bewirtung in Anspruch zu
3405 ehrt Euch.444 3415 Wir vertrauen darauf, daß Gott nehmen
[Aber] uns wurde eine Jungfrau geraubt, das wieder in Ordnung bringt und uns 3440 und mir damit eine Ehre zu erweisen,
und sie ist in diesen Wald gekommen. dorthin führt, wo wir sie finden. wenn ihr zurückkommt.“
Das zeigt uns der Hund. Dann muß der [Entführer] sie wiedergeben - Sie versprachen, ihm nicht fernzubleiben,
oder es gilt unser Leben.“445 wenn Gott ihnen ihr Leben erhalte
442 Dies die Grundbedeutung von ‘Ernst’, die noch im Der Burgherr sagte: „Ich kenne ihn genau. und die Frau wiedergebe.
Er ist der Herr des Waldes 3445 Damit nahmen sie Abschied und ritten los.
Frühneuhochdeutschen erhalten ist und sogar heute noch
und von uneingeschränkter Tapferkeit. Als sie auf das freie Feld kamen,
in der Wendung ‘blutiger Ernst’ weiterlebt.
443 Wörtl.: ‘Laßt ein Ende der reise sein!’ Zur Hinzufü- Nah und fern bestätigte453 der Hund mit lautem Gebell
sucht er âventiure. sein Wild.
gung des Pronomens bei der 2. Person Imperativ Singu-
3425 Gott unterstütze Euch Ganz schnell gelangten sie in den
lar oder Plural s. Paul/Mitzka S. 185. Der Form nach
mit seiner Hilfe und seinem Segen. 3450 Wald gelangt, in eine gefährliche Situation,
könnte lât aber auch 2. Pl. Indikativ/Konjunktiv Präsens
[Die Chancen bei] diesem Unternehmen sind ungleich in der ihnen der Tod sehr nah war.
sein. Vers 3403 wäre dann auffaßbar: 1. als von râte
verteilt.“446 Sie waren erst eine kurze Strecke im Wald
abhängiger N e b e n s a t z (Objektsatz) auffaßbar
Dann waren Betten bereit, geritten, als schon viele Tiere und454 Schlangen455
(‘ich rate Euch, daß Ihr ... laßt’; s. Paul/Mitzka S. 250) -
die ihnen nach ihren Mühen
die Wortstellung ir lât ist dabei im Mhd. durchaus mög-
lich; 2. als H a u p t s a t z: „Die logische Abhängigkeit 3430 sehr angenehm dünkten.447
Als der Tag sie beleuchtete,448 449 ‘Reise’ bedeutet ursprünglich ‘Aufbruch’, mhd. (und
eines Satzes von einem anderen bleibt häufig unbe-
zeichnet. Man kann daher viele Sätze, die der Form nach machten sie sich bereit, um weiterzuziehen. nicht, wie bei Paul angegeben, erst fnhd.) oft ‘Kriegs-
Hauptsätze sind, durch Nebensätze wiedergeben. Hier- Das Unternehmen449 dünkte den tugendhaften450 zug’; verwandt mit mhd. rîsen = ‘sich von oben nach
her gehören folgende Fälle: 1. Ein Hauptsatz ist Objekt unten/von unten nach oben bewegen’ (nhd. untergegan-
eines vorhergehenden Satzes, dessen Verb der Ergän- gen; vgl. aber noch engl. to rise).
445 Im Nhd. würde man die Reihenfolge umkehren: 450 Falls nicht nur floskelhaft, könnte die Tugend der
zung bedarf [hier eben das Verb râten]. [...] 2. Der erste
Satz weist durch ein Pronomen [...] auf den folgenden ‘Entweder wir verlieren unser Leben dabei - oder er compassio/erbermde gemeint sein.
muß sie wiedergeben.’ 451 Zur Rechtfertigung des Tempus s. 2402f.
hin [hier: daz].“ (Paul/Mitzka S. 246); der Vers im Gau-
446 ungewegen u.a.: „nicht gewogen, nicht gleich gewo- 452 wellen oft nur umschreibend, vielleicht hier zur Indi-
riel läßt sich m.E. unter beiden Möglichkeiten rubrizie-
ren. gen oder verteilt, ungleich“ (Lexer). zierung einer Vermutung (zum sog. ‘vermutenden’ wel-
444 Wörtl.: ‘Euer Rat ist so, wie es Euren Ehren ent- 447 dûhte statt dûhten (Subjekt ist ja diu = Nominativ len vgl. aber Brandt 1989).
spricht.“ Sinn: Die Ehre des Burgherrn resultiert aus Plural zu daz) wohl wegen des Reims (: belûhte). Zu 453 Eine passende Bedeutung von gerâten oder angerâ-
bestimmten Tugenden - u.a. triuwe, Aufrichtigkeit, Ehr- dunken - dûhte s. Anm. 21. ten liefern die Wbb. nicht; vielleicht handelt es sich also
lichkeit, Selbstlosigkeit etc. -, und sein rat wird diesen 448 belûhte statt belûhtete (s. Anm. 160) von beliuhten wieder um einen jagdkundlichen Spezialbegriff. In der
Tugenden gerecht. (schwaches Verb mit Rückumlaut). heutigen Jägersprache ist ‘bestätigen’ ein solcher.
57

sie angriffen. höher stellen als [all]e Mühsal. Sie stiegen auf das Gras ab
3455 Gefahrvolle Kämpfe Das Vorbild462 [der fünf Ritter] nützt keinem 3490 und ritten [dann wieder] kurze Zeit,468
bestanden sie eine gute Zeit lang im Wald Feigling etwas, bis der Jäger und der Hund
auf einer Strecke von gut zwei Meilen, sondern nur demjenigen, der hochherzig gestimmt die Fährte wieder aufgenommen hatten,469
indem sie in dauernder Kampfbereitschaft ritten ist.463 [die zu verfolgen] sie sich alle zusammen verpflichtet
und sich auf allen Seiten456 verteidigten. Gott ist bereit, dem Gerechten beizustehen.464 hatten.470
3460 Die tapfere Schar erschlug 3480 Das zeigte sich deutlich an d[ies]em Kampf. Sie jagten auf ein schwarzes Moor zu,
viele häßliche Schlangen. Sie schlugen sich den Weg frei,465 3495 in dem Menschen und Pferde
Löwen und Leoparden bis [sie] zu einem wunderschönen erhöhten Stück Land stets Angst hatten.471
brachten sie in Bedrängnis, in einem Moor466 [kamen]; Sie bemerkten etwas Seltsames:
Bären und Wölfe. dort ließen die Tiere sie ganz [in Ruhe]. Wo immer man mit dem Moor in Berührung kam,
3465 Man sagt von Witolf,457 Sie wunderten sich sehr, [fing es an] zu beben und † bewegte sich472
er sei ein furchtbarer Riese gewesen - 3485 daß weder Tiere noch Schlangen 3500 von selbst eine halbe Meile weiter.473 †
daran glaube ich nur so viel, zu ihnen auf die freie Fläche kam,
daß er [dort damals] ganz schnell obwohl es doch im Wald
ohne sich wehren zu können458 468 Der Zusatz erfolgt, um die Übersetzung sinnvoll zu
eine große Menge von ihnen467 gegeben hatte.
3470 von jedem dieser Tiere459 gefressen worden wäre. machen; ansonsten wären die Verse 3489f. widersprüch-
Und wenn Gott sie nicht hätte retten wollen, lich. Hs. D hat das passendere ruoten (‘ruhten’, ‘raste-
462 bîspel eigentlich ‘Bei-Erzählung’, als literarisches ten’).
hätten sie nicht am Leben bleiben können.460
Genre nämlich ursprünglich eine kleine illustrative Er- 469 verrihten u.a.: „in ordnung bringen, in rechter weise
Gott muß denen gnädig sein,
deren461 Herz so mutig ist, zählung zu einer abstrakt formulierten Lehre. Als pars herstellen“, „eine Richtung einschlagen, sich begeben“,
3475 daß sie das Erjagen von Anerkennung durch pro toto dann für einen Text, der aus beidem besteht. „sich zurechtfinden“ (Lexer).- verrihten hier = verrihte-
die Welt Daraus dann unser Wort ‘Beispiel’ - eine Bedeutung, die ten; zur Ersparung des Dentalsuffixes s. Anm. 160.
nach Ausweis der Gauriel-Stelle aber schon mhd. ver- 470 sich verphlihten u.a.: „sich in verbindliche gemein-
einzelt anzusetzen ist. schaft setzen; sich zu etwas verpflichten“ (Lexer).- ver-
454 Zur für uns ungewohnten Abgrenzung zwischenvon 463 Zum hôhen muot s. Anm. 437.
phlihten hier ebenfalls Präteritum (vgl. Anm. 465).
tier s. Anm. 405. 464 Vielleicht ein Bezug auf Bibelstellen wie Ps 14,4; 471 Wieder eine Litotes (s. Anm. 87), diesmal eine im
455 wurm: „wurm, insekt (auch fliegendes); natter,
37,17; 37,25; 37,39; 55,23; 64,11; Sir 11,17; 16,13; Wei engeren Sinn: das Gemeinte wird durch die Negierung
schlange, drache“ (Lexer). 3,1; 10,13; 16,17; Röm 1,17.- dem rehten kann aber seines Gegenteils ausgedrückt. Wörtlich nämlich: ‘in
456 Wörtl.: ‘ganz um den Körper herum’.
auch Dativ Singular des schwachen Neutrums daz rehte dem Menschen und Pferde nie Mut gehabt hatten.’
457 Im ‘Spielmannsepos’ König Rother, Vers 773 u.
sein, das mit reht synonym ist. 472 vuorte < vüeren, swv mit Rückumlaut. Lexer belegt
pass. wird ein Riese W i d o l t erwähnt. 465 wîte: „weite, breite, weiter raum oder umfang, weites
für reflexiven Gebrauch (wie in der Gauriel-Stelle) nur
458 Wörtl.: ‘ohne seinen Dank’ i.S.v. ‘ohne sein Einver-
offenes feld“ (Lexer). „sich benehmen.“ Vielleicht liegt eine Bedeutungsmi-
ständnis’, ‘gegen seinen Willen’. 466 wert: „insel, halbinsel, erhöhtes, wasserfreies land schung vor mit var(e)n, stv VI (varn - vuor wie graben -
459 Wörtl.: ‘von so manchem Tier’; das Bezugswort ‘so’
zwischen sümpfen; ufer“ (Lexer). Die gewählte Über- gruop).
wird nicht aufgegriffen. setzung ergibt sich aus dem ab 3495 erwähnten mos 473 ‘breit’ bedeutet nach Paul „zunächst überhaupt
460 kundens = kunden si. (Sumpf, Moor). >ausgedehnt<, auf eine Fläche bezogen (also nach zwei
461 der = Genitiv Plural von die. 467 ir = Genitiv Plural. Dimensionen), [...] daher tautologisch weit und breit“. In
58

Das wurde mit Zauberkunst bewirkt. Herr des Waldes von der Zinne aus Selbst wenn er den Rhein zusammen mit der Rhone480
In [dem Moor] stand eine Burg. die Herren. um seine Burg geleitet hätte,
Auf der sah man die Zinne Er ließ schnell müßte er uns doch
gleißen und schimmern ein sehr schönes Pferd herbeibringen. diese Jungfrau herausgeben -
3505 von strahlenden Rubinen, 3515 Dann legte er die Rüstung an 3535 oder es geht ihm an sein Leben.“
Karfunkeln und Hyazinthsteinen. 474 und ritt auf dem unwegsamen Boden [los], Er nahm eine lange und dicke Lanze.
Auf diesem engen Landstück475 als ob es sich um einen festen Weg handelte.477 Er ritt auf den Burgherrn
[konnte] man durch die Edelsteine, die auf der [Zinne] Denn seine Satteldecke mit Kraft481 und Zorn zu.
waren, bei Nacht so gut wie am Tag sehen.476 war aus Salamanderhaut;478 Er hatte ihn genau anvisiert.
3510 Aber nun bemerkte der 3520 dadurch konnte er nicht versinken 3540 So schnell stach er [die Lanze] auf ihn,
und im Moor ertrinken. daß man ihn
Er besaß Tapferkeit und Stärke. mitsamt Pferd und allem482 dort liegen sah.
der Duden-Etymologie dagegen: „Es bezeichnete urspr. Dann bewegte er sich auf die Gruppe der Ritter zu. Noch während es krachte und schepperte,
ganz allgemein die Ausdehnung (so noch in ‘weit und Der Ritter mit dem Bock sagte, zwang er ihn, Sicherheit483 zu leisten -
breit’ [...])“. 3525 als er ihn heranreiten sah:
474 Rubin: durchsichtiger roter Korund; Karfunkel: „Wenn er hier auf die freie Fläche kommt,
veraltete Bezeichnung für den roten edlen Granat; Hya- wird er mich zum Kampf herausfordern müssen. se III b (werben - warb - wurben - geworben) [...] zeigt
zinth: hyazinthroter Zirkon. Allgemein zu Edelsteinna- Er wird noch heute die Erfahrung machen, sich bereits im 15. Jh. [die beiden vollständigen Hss.
men, zur Entwicklung der Kenntnisse über Edelsteine † daß eine Maulschelle stammen ja aus dem 15. Jh.; s. Vfl Bd. 5, Sp. 254] in
von der Antike über das Mittelalter bis heute etc. s. 3530 immer schon die Bezahlung für Boten war. †479 Ablautunsicherheiten sowohl des Sg. (u statt a: wurbe)
Lüschen.- Im Mittelalter gehören Edelsteine zu den am als auch des Pl. (a statt u: warben).“ (Fnhd. Grammatik,
häufigsten allegorisierten Bestandteilen der Natur; au- S. 281) Aber das löst das Übersetzungs_ UND Sinn-
ßerdem werden ihnen verschiedene magische und medi- 477 Wörtl.: ‘ritt den Boden wie ...’; zu Verben der Fort- problem nicht. Vorausgesetzt die o.a. Übersetzung
zinische Eigenschaften zugeschrieben. Bedeutungen und bewegung mit Akkusativ vgl. heute noch: ‘er zog seinen stimmt wenigstens wörtlich ungefähr: Wieso wird der
Eigenschaften der Steine wurden in sog. Steinbüchern Weg’. Ritter aus dem Moor mit einem Boten verglichen? Wo
beschrieben. Es gab aber auch im Mittelalter selbst 478 Dem Salamander werden im Volks- und Aberglau- läßt sich das Motiv belegen, daß Boten grundsätzlich mit
schon kritische Stimmen; so erklärt der Stricker, ein ben viele besondere Eigenschaften zugesprochen; vgl. Maulschellen bezahlt werden?
Autor des 13. Jhs., das Renomee der Edelsteine als Er- 480 Rote oder Roten ist also mhd. wie im Frz. ein Mas-
den Artikel ‘Molch’ im HDA, Bd. 6, Sp. 455-460, wo
folg lügnerischer Werbung (‘Von Edelsteinen’ 38ff.) - allerdings die im Gauriel erwähnte Eigenschaft, unsink- kulinum (l e Rhône < lat. Rhodanus).- Geographische
eine Polemik, auf die sein Zeitgenosse Volmar, Verfas- bar zu machen, nicht erwähnt wird. Ganz im Gegenteil Namen finden sich übrigens nicht bei Lexer, sondern
ser eines der o.g. Steinbücher, ebenso polemisch antwor- findet sich im HDA der Hinweis, daß dem nur im BMZ.
tet, indem er (ohne Nennung seines Gegners) dazu auf- Molch/Salamander nachgesagt werde, er locke Men- 481 kraft ist hier die durch die Beschleunigung des An-
fordert, Verächter von Edelsteinen zu erschlagen. Weite- schen in Moräste. reitens hervorgerufene - quasi im physikalischen Sinn
re Literatur: Engelen, Friess, Meier sowie HDA s.v. 479 Die Stelle ist wahrscheinlich verderbt. Hs. D hat in (‘Kraft = Masse x Beschleunigung’).
‘Edelstein’. 3530 gult statt gilt. gelten ist ein starkes Verb der Ab- 482 In mit alle/metalle ist alle der „Rest des Instrumen-
475 Der Schauplatz der Handlung ist enge, weil er rings
lautreihe III b, hat also mhd. im Prät. Singular eigentlich tals“, eines mit wenigen Ausnahmen schon im Ahd.
von Wald umstanden ist /a/ (galt) und erst im Prät. Plurat /u/ (gulten). Aber: „Der verschwundenen Kasus. (Statt mit alle auch bital-
476 Wörtl.: ‘die Nacht wie den Tag’. Ausgleich des Numerusablauts bei der mhd. Ablautklas- le/betalle; bit = mit.)
59

3545 ob er wollte oder nicht.484 Die Göttin Pallas hatte ihn erbaut, 3590 Der Burgherr494 war ein trefflicher495 Mensch,
Nachdem Sicherheit geleistet worden war, welche die Mutter des Burgherrn war. das zeigte sich daran496 sehr deutlich,
ging er zu den [anderen] Herren Man machte es den Herren sehr bequem. er demonstrierte ihnen gegenüber Tugend und erwies
und begrüßte sie alle höflich, Kurze Zeit später ihnen Ehre.497
wie man es mit adligen Herren machen soll, 3570 kam die Jungfrau. Dafür dankten sie sehr.
3550 und führte sie mit sich485 in die Burg. Wie eine Rose im Tau Ganz früh am Morgen
Der gute König Artus leuchtete ihr helles Antlitz, 3595 machten sie sich fertig,
hätte da ehrenvoll wohnen können, denn sie war von idealem Aussehen.490 weil sie [weiter]reiten
wie stolz er auch war - Sie begrüßte die Herren höflich und nicht länger dort warten wollten.
so schön war die [Burg] verziert 3575 (möge Gott [es] ihr immer lohnen!)491 Der Burgherr hatte sich zusammen mit ihnen
3555 und geschmückt und küßte sie alle fertig gemacht [, um mit ihnen zu reiten].
mit Gold und Bildern, 486 und sagte: „Es ist ein Wunder, Er hielt seinen Schwur.498
wie man es nur wünschen konnte. das Gott an Euch bewirkt hat,
Wie Troja zerstört wurde487 - daß ihr ohne alle Furcht
wovon Ihr ja gehört habt -, 3580 in dieses Land gekommen seid
3560 was488 lange vor unserer Zeit geschehen ist, und keinen Schaden genommen habt. figer gebraucht als im Nhd.; statt des Objektgenitivs
als Paris, Achilles und Hektor Aber ich habe immer sagen gehört, wird heute meist der Akkusativ oder eine präpositionale
und viele [andere] Männer ihr Leben verloren daß Gott die Seinen nie verlassen hat.“ Fügung verwendet.
wegen Helena, der schönen Frau: Dann war das Essen bereit. 494 wirt bedeutet auch ‘Gastgeber’, was hier natürlich
das war überall 3585 Wie uns unsere Quelle berichtet, ebenfalls paßt.
3565 in dem schönen Burgsaal489 gemalt. gab man ihnen alles im Überfluß, 495 vrum ist eigentlich etwas, was einen Nutzen hervor-
was man Bewirtung nennt.492 bringt (vgl. ‘zu Nutz und Frommen’).
Sie tranken und aßen. 496 dar an kann sich sowohl auf das vorher Geschilderte
Ihre Mühen vergaßen sie.493 als auch auf das Folgende beziehen.
483 Vgl. Anm. 71. 497 Die Aufspaltung von erbôt in zwei Verben wird
484 Wörtlich: ‘ob es ihm angenehm oder unangenehm dadurch erforderlich, daß die Wendung ‘jd. Tugend
wäre.’ Gebäude des Fürstenhofes [...], daneben der große Emp- erbieten’ nhd. keinen Sinn mehr vermittelt. Dieser Sinn
485 Zum reflexiven Gebrauch von im s. Anm. 160. fangsraum [...].“ (Paul s.v.) liegt in folgendem logischen Zusammenhang: Wenn der
486 gemælde muß nicht unbedingt ein gemaltes Bild 490 ze oder nâch wunsche: ‘wie man es nur wünschen
Gastgeber seine Gäste gemäß den geltenden Normen
meinen; angesichts der folgenden Beschreibung wird konnte.’ behandelt, dann beweist er dadurch ‘Tugend’ - ein ge-
dies hier aber der Fall sein. 491 Vers 3575 bietet natürlich einen bequemen Reim auf
eignetes, passendes, ‘taugliches’ Verhalten (vgl. Anm.
487 Zu dieser und anderen Erwähnungen einer bildlichen schône. Daß für eine höfliche Begrüßung Gottes Lohn 375). Das Verhalten selbst besitzt also ‘Tugend’ in die-
Darstellung des Trojanischen Kriegs s. jetzt unter me- gewünscht wird, verweist aber auch auf den hohen Stel- sem Sinn. Mithin kann man mhd. jemandem Tugend
diengeschichtlichem Aspekt Wandhoff. lenwert, den Begrüßung und Abschied als Bestandteil ‘erbieten’.
488 Der bestimmte Artikel kann auch im Nhd. noch als höfischen Zeremoniells genießen. 498 Impliziert ist also, daß das Sicherheitsgelöbnis in
Relativpronomen fungieren. 492 Im Sinn von: ‘was zur Bewirtung dazugehört.’
Vers 3544 auch das Versprechen enthalten hat, den
489 „Saal bezeichnete urspr. das a[lt]germ. Einraumhaus; 493 leides ist Objektgenitiv (Genitiv, der von einem Verb Adressaten dieses Eids zu begleiten (dies war ja auch
noch im Hoch-MA ist der Saal vielfach ein besonderes abhängt). Im Mhd. wird der Genitiv noch sehr viel häu- 1108ff. der Fall insofern, als der Besiegte sich zum
60

3600 Sie nahmen Abschied499 und ritten fort - Nie habe ich ein größeres Wunder gesehen.“ ritten die Herren über das Schlachtfeld -
hinter ihnen viele gräßliche Drachen -, Da sagte der Ritter Pliamin: [aber diesmal] so, daß die Drachen dort
bis sie alle an die Stelle kamen, „Soll das ein großes Wunder sein, ihnen nicht das geringste taten.
wo der Herr des Waldes die große Menge wenn ein Mann sich gegen den Tod wehrt? Das bewirkte die Macht des Landesherrn.
toter Tiere bemerkte, 3625 Durch Gegenwehr haben sich viele 3645 Aber sie lagen in großer Menge in ihrer Nähe
3605 die da tot in bedrängter Situation gerettet. im Dickicht,
auf dem Weg lagen,500 Wenn jemand einen tapferen Mann töten will, mit trauriger Miene
nachdem die Herren sie mit größter Anstrengung solange der noch unbesiegt dasteht, und ganz so,
erschlagen hatten, um ihr Leben zu retten. dann weiß niemand, wie es ausgeht. als ob sie tot wären.
Auf einem breiten Streifen war 3630 In ungewisser Lage 3650 Als aber der Herr des Landes es ihnen erlaubte,
3610 das ganze Gras soll man immer abwehrbereit sein. da richteten sich508 viele monströse Tiere509
zu beiden Seiten des Weges blutrot - Und glaubt [mir], daß das beste Mittel504 gegen von ihrem Lager auf,
bis hin zu der freien Fläche. schlechte Leute ist, sich gegen sie zu wehren. von denen in diesem Wald eine ganze Menge
Von diesem Kampf werde ich Hier ist kein großes Wunder geschehen. mit Zauberkunst aufgezogen worden war,
bis an mein [Lebens]ende erzählen. 3635 Ein Wunder ist es, wenn Ihr das505 3655 damit sie das Land schützten
3615 „Wie habt Ihr501 Euch gegen diese große so nennen wollt, wenn ein vornehmer, stolzer Ritter vor gewaltsamen Angriffen und davor, daß
Menge wehren können?“, fragte der Herr des Landes. so gegen den Ritterstand verstößt, [jemand] Nachricht [darüber geben
„Selbst wenn der Teufel hier daß er ohne Gegenwehr [jemanden] Gewalt über könnte,] wer darin lebte.
mit seinem ganze Heer durchgezogen502 wäre - sich506 gewinnen läßt wie eine Frau.“ Bis heute war es so geblieben,
es hätte nichts Außergewöhnlicheres geben können 3640 Unter solchen Gesprächen507 daß niemand dort âventiure
3620 als das503, was ihr hier vollbracht habt. 3660 gesucht hatte außer den Dreien.
Auch heute ist das [Land] davon frei -
503 den kann sich nicht auf wunder beziehen ( d a z mag sein Herr noch leben oder tot sein:
Gefangenen erklärte und deshalb im Verfügungsbereich wunder); es handelt sich um eine Nebenform des Kom- ihm blieb die Gefahr erspart,
des Siegers blieb). parationsadverbs danne/denne. daß noch jemand außer den drei unverzagten Rittern
499 Hier ist in urloup natürlich nichts mehr vom ur- 504 list hat mhd. meist noch keine pejorative Bedeutung, 3665 in sein Land auf âventiure ritt,
sprünglichen Sinn ‘Erlaubnis’ enthalten (vgl. Anm. 88) - sondern meint „>erlerntes Wissen<, >gelehrte Kennt- wie man es [früher] immer machte.510
da der Herr des Hofes besiegt worden ist, müssen Gau- nis<, auch >handwerkl.-techn. Können, Kunstfertig-
riel und seine Begleiter niemanden mehr um Erlaubnis keit<“ (Paul). Verwandt ist es mit lernen (grammat.
bitten; allenfalls soll die erhalten gebliebene Konnotati- Wechsel s-r). spräch’ - wobei dieses Wort natürlich tautologisch ist:
on die Höflichkeit der Abschiednehmenden hervorhe- 505 irs = ir es/des, also Genitiv, abhängig von jehen (vgl. für uns impliziert ein Gespräch immer schon wechselnde
ben. Anm. 493). Teilhabe derjenigen, die es führen.
500 lac (3. Sgl. Ind. Prät.) bezieht sich auf unmâze, der 506 Auch lîp wird oft pars pro toto für die ganze Person 508 strouben/strûben: „starren, rauh emporstehn (von
Plural ‘lagen’ in der Übersetzung auf die Tiere. verwendet; aber auch ‘Leben’ ergäbe einen guten Sinn. haaren, federn).- tr.[ansitiv] starr emporrichten, sträu-
501 hende pars pro toto für die ganze Person. 507 Ein Lemma wehselzal findet sich bei Lexer nicht. zal ben.- refl[exiv] mit wider sich widersetzen“ (Lexer).
502 zogen swv: untergegangene Intensivbildung zum stv hat von Anfang an neben der Bedeutung ‘Zahl’ über Keine der angegebenen Bedeutungen paßt also ganz.
ziehen (mit grammatischem Wechsel - s. Anm. 336 - ‘Aufzählung’ diejenige von ‘Bericht’, ‘Rede’, ‘Erzäh- 509 kunder: „lebendes wesen, tier, bes. monstrum (der
h/g). lung’ gewonnen. Eine wehselzal ist also ein ‘Wechselge- helle k. teufel); auch als scheltwort“ (Lexer).
61

Das [ganze] hatte sich bis gegen den 3680 Nun bin ich jemand, † der nie etwas Er rief einen Knecht zu sich.
späten Mittag511 dieses Tages hingezogen. verloren hat. † Er sagte: „Befiehl allen, die auf ein Pferd
Da fragte sich der Burgherr [vor dem Wald], Er blieb so lange stehen, bis er steigen können und für einen bûhurt519 geeignet sind,
3670 wie die Sache wohl für sie ausgegangen sei.512 an der Spitze des Trupps sich fertigzumachen.“
Der edle Ritter den Wisent mit den Hörnern516 sehen konnte 3700 Da waren schnell
stellte sich auf eine Zinne, um Ausschau zu halten. und den Ritter, der ihn ritt. vierzig oder mehr
Da freuten sich sein Herz und seine Sinne, 3685 Er ging wieder zu seinem Bett. prächtige Scharen520 bereit.
als er seine lieben Gäste sah. Er sagte zu seiner Frau: Zu Ehren der Gäste kamen sie alle
3675 „Heute ist der schönste Tag,“513 „Wach auf,517 wenn Du [etwas] sehen willst!“ dort auf den freien Platz.521
sagte er, Sie fragte: „Was sind deine Neuigkeiten?“ 3705 Wie hätte er seine
den ich bisher erlebt habe. „Da kommen meine lieben Gäste. Gäste höfischer empfangen können?
Ich sehe meine lieben Gäste in 3690 Ich habe sie genau erkannt. Ob jemand mit gleichem Besitz wie der
froher Stimmung. Sie haben wohl514 Erfolg gehabt.515 Sie haben gewonnen, nicht verloren. Burgherr sich ehrenvoller hätte verhalten können,
Den518 Ritter, der die Jungfrau gefangengenommen hat, weiß ich nicht. Denn bei keinem Meister
den bringen sie als Gefangenen mit hier[her]. 3710 findet sich etwas darüber.522
Tu mir den Gefallen und mach dich fertig,
510 phlegen auch = ‘etwas zu tun pflegen’, ‘gewohn- 3695 um sie zu begrüßen; das will ich auch [tun].“
heitsmäßig/wiederholt etwas tun’. 519 Der bûhurt (< afrz. bouhourt) ist eigentlich eine
511 undern/untern/undarn/untarn: „eigentlich die zwi- Turnierart, bei der zwei Abteilungen gegeneinander
515 Hier also gelingen eindeutig positiv konnotiert (vgl.
schenzeit“ (Lexer). anreiten (buhurdieren). Daß der Begriff hier nicht nur
512 gelingen, mnd. lingen (letzteres erhalten in ‘mißlin- Anm. 512). metaphorisch verwendet wird (i.S.v. ‘Entgegenreiten
516 Da im Mittelalter noch Wisente als Anschauungsma- zum Zweck der Begrüßung’), zeigen die Verse 3712ff.
gen’) ist zwar von seiner Etymologie her ursprünglich
positiv konnotiert (verwandt mit ‘leicht’; ‘gelingen’ also terial vorhanden waren, der Autor also gewußt haben Es handelt sich also um ein Begrüßungsturnier für die
„leicht oder schnell vonstatten gehen“ [Duden- dürfte, daß diese Gattung zwei Hörner hat, ist horn hier Gäste, in dem sich aber auch auf seiten des Hofes die
Etymologie]); oft zeigt sich aber, daß bei seiner Ver- also wohl kollektiv gemeint (wie nhd. ‘Gehörn’). Freude über dessen Rückkehr ausdrücken soll, mithin
wendung noch kein positiver Ausgang impliziert ist. Da 517 Da in Vers 3668 vom ‘späten Mittag’ die Rede ist, um einen Akt der Repräsentation, der gleichzeitig nach
der Burgherr ja nichts weiß, kann er sich auch nicht hält die Dame des Hauses wohl Siesta ... innen und außen wirken soll.
fragen ‘w i e es ihnen gelungen ist’, sondern nur ‘o b 518 Im Originaltext der: Kasus-Inkongruenz durch sog. 520 baniere pars pro toto für die Abteilung, die sich
es ihnen gelungen ist’ oder welchen Ausgang die Sache Attraktion (‘Heranziehung’): „Das Bezugswort im über- darunter sammelt.
genommen hat. Auf diese neutrale Komponente weisen geordneten Satz und das Pronomen relativum im abhän- 521 Wohl der Platz vor der Burg.
weder die mhd. Wbb. noch die etymologischen Nach- gigen Satz können einander im Kasus beeinflussen, 522 Wörtl.: ‘Denn aller Meister Wort unterläßt es, das zu
schlagewerke hin; m.E. ist sie sogar erhalten geblieben - derart daß entweder (α) der Kasus des Relativums sich berichten.’ meister (< lat. magister mit Kontraktion von
nämlich in der Wunschformel ‘gutes Gelingen’: g u - nach dem Kasus des Bezugswortes richtet (von diesem -agi- zu -ei-; vgl. Anm. 207) ist hier also ehrende Be-
t e s Gelingen zu wünschen wäre überflüssig, wenn ‘attrahiert’ wird) unter Nichtbeachtung der Rektion des zeichnung für Verfasser von Literatur, eine Gewohnheit,
‘gelingen’ immer schon ‘gut ausgehen’ meinen würde. Verbums im abhängigen Satz, oder (β) der Kasus des die besonderes durch entsprechende Verwendung in der
513 Wörtlich etwa: ‘ist der beste Tag für mich Tag
Bezugswortes sich demjenigen des Relativums anpaßt Spruchdichtung gefördert wird und aus Prestigegründen
geworden’. unter Nichtbeachtung der Rektion des Verbums im ü- natürlich besonders für den mit diesem Ehrentitel ange-
514 mugen fungiert hier als Modalverb. bergeordneten Satz“ (Paul/Moser/Schröbler, S. 425). sprochenen Personenkreis von Bedeutung ist.
62

Gott schenke ihm den Schatz der Seligkeit! Das Buhurdieren dauerte bis zum Tor. Was kann ich noch mehr sagen, als daß
Da wurde auf Pferden, Als sie vor diesem abstiegen, 3745 man sie genauso gut, ja noch besser
die schön mit seidenen Decken geschmückt waren, 3730 kam die Hausherrin aufnahm als beim ersten Mal.534
buhurdiert. mit vielen schönen Damen. Sie wollten am nächsten Morgen
3715 Daß Schwerter mit scharfen Schneiden Sie nahm die Jungfrau bei der Hand bei Tagesanbruch schon abreiten.
gezogen wurden, sah man dort nicht. und sagte: „Ihr habt Euer Leid Die kluge Herrin des Hauses
[Zum Turnier] nicht passendes Verhalten ehrenvoll beendet.527 3750 konnte sie kaum mit Bitten dazu bewegen,
unterließ man dort. 3735 Und glaubt [mir], daß ich niemals daß sie abwarteten, bis man gegessen hatte.
Wenn doch jemand da war, der damit523 so liebe528 Gäste gesehen habe. Der Dank, der aus aller Mund kam,
ehrenvoll umging, dann kann man darüber schweigen. Unser Haus529 wird in alle Zukunft Ehre war groß,
3720 So geleitete er sie haben durch diese prächtige âventiure. wie es sich für [Leute von solcher] Ehre535 schickte.
mit rauschender Fahne524 auf die Burg. Gott schenke530 3755 Sie nahmen Abschied und ritten fort.
Der Wisent war das nicht gewohnt. 3740 Euch Glück in dieser Welt Eine Straße führte sie an das Meer.
Oft scheute er deswegen. und dazu einen Anteil an seinem Reich.531 Dort lagen zu dieser Zeit
Er scheute [auch] vor dem Blitzen525 der Gottes Gnade und das Lob der Welt532 - zwei große Heere im Feld,
vielen Schilde. bereit, gegeneinander zu kämpfen.
dieses Glück ist größer als jedes andere.“533
3725 Aber der Herr des Waldes 3760 Der wilde König Geldipant
beherrschte ihn so gut, daß er wollte mit bewaffneter Hand
im Paßgang526 unter ihm ging. dings erst ab dem 16. Jh. mit speziellem Damensattel, die Göttin zwingen,
bei dem die Beine beide zur linken Seite herunterhän- sie durch einen Sieg im Kampf dazu bringen,
gen); die Kutschen haben die Zelter in der Funktion als ihn zum Mann zu nehmen.
523 Falls ir Genitiv Plural Neutrum ist, bezöge es sich Reisepferde dann verdrängt.- Das Verb zelten in der 3765 Dem wollte die edle Göttin
auf diu swert inVers 3715, falls Genitiv Singular Mas- Bedeutung ‘im Paßgang gehen’ findet man heute nicht Juno nicht willfahren.536
kulinum, auf unvuoge in Vers 3717. mehr im Duden, wohl aber das Substantiv ‘Zelter’. Im Sie war froh über die Hilfe der [drei] Herren.
524 Der Singular hier angesichts von Vers 3701 mit übrigen scheint nicht klar zu sein, ob zelten nur den Sie empfing sie so höflich,
kollektivem Sinn. Paßgang bedeutet oder nicht auch den sog. Tölt, eine wie man es bei vornehmen Herren soll.
525 Oder: ‘vor dem Anblick’. ebenfalls ruhigere Viertaktgangart (s. Marzinek-Späth
526 Der Paßgang ist, wie mich meine Tochter belehrt s.v. ‘Zelter’).
527 Wörtlich: ‘gewendet’, ‘rückgängig gemacht’. Aber 533
hat, eine ‘laterale Zweitaktgangart’ von Vierfüßern, bei Wörtl.: ‘ist über allem [anderen] Glück.’
die Befreiung erfolgte ja durch andere. 534 Zu erbôt ist ein Objekt zu ergänzen.
der nicht, wie beim ebenfalls zweitaktigen Trab, die 528 liep ursprünglich = ‘angenehm’ (wie noch heute in 535 ir kann sich auf die Dankenden beziehen (wer Ehre
diagonalen Beinpaare, sondern beide Beine einer Seite
gleichzeitig gehoben und fast gleichzeitig wieder nie- ‘das ist mir lieb’). hat, weiß sich angemessen zu bedanken), aber auch auf
529 hûs muß hier mehr bedeuten als ‘Burg’, nämlich das
dergesetzt werden. Wie Kamele, Hunde, Rehe - bei die drei Ritter (die Ehre, die sie durch ihre Hilfe erwor-
Wisenten bin ich nicht so orientiert ... - besitzen eigent- ‘Haus’ mit den ihm vorstehenden und zu ihm gehören- ben haben, verlangt, daß man sich angemessen bedankt).
lich auch Pferde eine natürliche Paßgangveranlagung, den Personen. 536 Die Wbb. liefern weder unter komen noch unter an
530 stiure u.a.: ‘Hilfe’, ‘Unterstützung’, ‘Gabe’.
die ihnen aber heute meist abdressiert wird. Im Mittelal- eine passende Bedeutung für komen an bzw. an komen;
531 D.h.: ‘er lasse Euch in sein Reich gelangen’.
ter benutzte man Zelter wegen ihrer ruhigeren Gangart vielleicht ist auch an etwas wie ‘entgegenkommen’
vor allem als Reise- und Damenpferde (letztere aller- 532 der werlde: Genitivus subjectivus. gedacht.
63

3770 Sie gab ihnen Silber und Gold Er brachte ihnen [die] erfreuliche Nachricht, und Ziklat545mit dorthin.
und [überhaupt] so herrliche Bezahlung daß ihre Tochter Die Gräfin546 brachte
(glaubt das - es ist keine Erfindung!), 3800 in Britannien sei, dreißig junge Damen,
daß ich es nicht beschreiben kann. und [berichtete,] wie er, † um die Geraubte mit deren Anblick man dort
Dafür halfen sie ihr aus ihrer Notlage. zurückzuholen, †541 3820 uneingeschränkt Ehre einlegen konnte,
3775 Den König erschlugen sie in den Wald geritten war wie es der Stellung der beiden ja auch entsprach.
und unzählige aus seinem Heer. und wie heftig dort diejenigen gekämpft hatten, Als die prächtige Reisegesellschaft
So behaupteten sie das Schlachtfeld.537 3805 die die [Jungfrau] befreit hatten. in Karidol ankam,
Die Mitglieder der Tafelrunde Für den542 baten sie Gott543 um viel Gutes. wurden sie empfangen - [und zwar so, daß]
nahmen, wie ich erfahren habe, Der Graf und die Gräfin 3825 es [heute] noch den, der gern Freudebringendes
3780 Abschied und ritten fort. wendeten alle ihre Gedanken daran sieht,
Hochgemut zogen sie und bemühten sich darum, verlangen würde, zuzuschauen.
nach Britannien, 3810 sich in herrlicher Kleidung aufzumachen Solch vollkommen tugendhaftes Verhalten
wo man um ihre Vorzüglichkeit wußte. und, ohne einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, wird uns leider nicht [mehr] präsentiert.
An einem Morgen zu der Zeit, in prächtigem Aufzug an den Hof Unserer Jugend fehlt [das],
3785 zu der man nach dem Frühstück Wasser reicht,538 des gütigen Königs Artus zu kommen. 3830 was man von den Alten
kamen sie am Hof an. Der Graf brachte dreißig Ritter bis zum Ende der Welt zu berichten hat.
Sie wurden empfangen 3815 in einheitlicher Kleidung aus Seide544 Sie alle hatten viel Kurzweil
ganz wie es sich gehört. bis zu dem Termin,
Die Königin und alle ihre Hofdamen an dem der Herr Gauriel,
3790 kamen ihnen entgegen. 540 botenbrôt: Ursprünglich meint der Begriff wohl 3835 der547 kühne und tapfere Ritter,
Das Mädchen zierte tatsächlich Brot als Belohnung und Verköstigung für Abschied nehmen würde.
und schmückte einen Boten, dann übertragen jede Art von Bewirtung Er hatte es [ursprünglich] für möglich gehalten,
die Schar der Schönen539 wie ein Engel. oder überhaupt einen Botenlohn in irgendeiner Form.- innerhalb der Jahresfrist548 heimkommen zu können,
Zur gleichen Zeit Vgl. den Art. ‘Botenbrot’ im DWB, Bd. 2. wenn ihn kein Kampf
3795 machte sich der Jäger mit dem Hund 541 Mir ist hier weder die Bedeutung von ze phande
wieder in seine Heimat Asterian auf. noch die von nâch klar. Einen Sinn gäbe bei phant si-
[Dort] gewann er Botenlohn:540 544 phellel/phellôl/pheller/phellôr/phelle/phel: „ein fei-
cher die Bedeutung „was zur sicherung der ansprüche
eines anderen dient“ (Lexer); dazu paßt aber dann nâch nes kostbares Seidenzeug, gewand, decke u. dgl. aus
= ‘beinahe’ nicht. ‘Beinahe unter Lebensgefahr’? solchem (mlat. palliolum)“ (Lexer); vgl. Brüggen S.
537 Mit dem behalten des Schlachtfeldes ist ursprünglich 542 Der Singular ist korrekt, da ja nur Gauriel gegen den 274ff.
545 sig(e)lât/ziklât/ciclât/ciclâs/sigilât/sigilôt: „kostbarer,
gemeint, daß sich die Sieger als letzte auf diesem Entführer gekämpft hat; dadurch ergibt sich aber ein
Schlachtfeld aufhalten und dadurch ihren Sieg noch Widerspruch zum Plural in Vers 3805. golddurchwirkter seidenstoff (mlat. cyclas, cyclatum,
einmal symbolisch repräsentieren. Vgl. Cram, S. 166- 543 biten/bitten: ‘bitten’ mit a[kkusativ der] p[erson] afrz. siglaton“ (Lexer); vgl. Brüggen S. 292.
172. 546 dô „oft nur den fortschritt der rede bezeichnend“
(auch d[ativ der] p[erson]) [d.h. der Gebetene steht im
538 Vgl. Anm. 131. (Lexer).
Akk. oder Dat., das, worum man bittet, im Genitiv]; dp.
539 Was Anm. 375 zu tugent gesagt wurde, gilt natürlich 547 Zu ein s. Anm. 68.
eine bitte, ladung vorbringen; für einen bitten (näml.
auch für daraus gebildete Adjektive. gott), wünschen mit gs.; heissen, befehlen“ (Lexer). 548 Siehe Vers 2950.
64

3840 auf seinem Weg aufhalten würde.549 außerdem der schöne Parzival Denn, wie ich Euch sagen soll,
Aber nun war es so weit gekommen,550 und Daniel vom blühenden Tal.555 für alles,was Euch hier an Gutem getan worden ist
daß er kaum [noch rechtzeitig] heimreiten konnte. Diesen Herren legte er ausführlich dar, und in dieser Zeit noch werden wird,
Und wenn er noch etwas mehr wartete, was er vorhatte wird meine Herrin
würde er seiner Frau ein falsches Versprechen 3870 und tun wollte. 3890 dem König und der Königin dankbar sein.
3845 gegeben haben - und das hätte ihm leidgetan. Da kam Elæte556 Aus diesem Grund559 bin ich hierher gesandt worden
Eines Morgens in aller Frühe zu ihrer Versammlung geritten.557 zur Tafelrunde
machte er sich fertig, Froh und erwartungsvoll und zum ganzen Hof.560
um Abschied zu begrüßten er und diejenigen, [deren Namen] ich Dann führten die Herren sie
nehmen, wie er es mußte. 3875 [eben] genannt habe, die schöne Jungfrau. 3895 höflich und langsam561
3850 Nachdem der löbliche Ritter Sie brachte ihm eine angenehme Nachricht: zum König und zur Königin
auf den Burghof geritten war, Seine Frau habe vor sieben Nächten558 in deren Kemenate.
schickte er nach den Besten, ihre Burg verlassen. Da fanden sie die beiden
die es verstanden, Hofangehörige „Und sie will Euch in ungetrübter Stimmung.
und Fremde richtig zu behandeln,551 3880 in Friapalatuse 3900 Sie hatten sich bei den Händen genommen
3855 und bat sie, ihm in folgender Angelegenheit an ihrem eigenen Hof alles Böse ersparen. und waren auf eine Zinne
einen Rat zu geben: er wolle heimziehen. Dafür ist ein Termin festgesetzt: über einem Gewürzgarten gegangen, von der aus
Dies[e Besten] waren mein Herr Iwein, Ihr sollt hier man sehen konnte,
Erec und Herr Gawan, drei Wochen warten [und] was im Hof geschah,
Meljanz und Herr Walban, 3885 während dieser Zeit nirgendwo hinreiten. 3905 um die Vergnügungen zu beobachten,
3860 Wigalais und Tristrant,552 welche die Ritter trieben,
Garel553 und Kalokreant, die nie liegenblieben,
554 Die ganzen Namen stehen apo koinou (s. Anm. 144): um morgens noch zu schlafen.
Lanzelot und Parille
und der wilde Dodines. sie sind abängig von was (3857), aber auch Subjekte zu Man sah sie ganz ungezwungen562
Patriban und Parcinier kâmen (3865). 3910 und gesellig
555 Held des gleichnamigen Epos des Stricker, zu dem spazierengehen und umherstreifen,
3865 kamen in prächtigem Aufzug dorthin,554
der Garel (s. Anm. 554) laut de Boor als ‘Gegenepos’
verfaßt worden ist, um die ‘unkanonische’ Gestaltung
der Artuswelt durch den Stricker zu korrigieren. 559 des = zum Adverb gewordener Genitiv von daz. Die
549 Eine etwas seltsame Bemerkung: Gauriel war ja 556 Siehe Vers 2838. Anknüpfung ist etwas irreführend - gemeint ist: ‘um
gerade ausgezogen, um âventiure zu suchen. 557 zuo dem ringe: Ob hier wirklich noch gemeint ist, Euch dies auszurichten ...’.
550 Wörtlich etwa: ‘war er in einer zeitlichen Situation’. 560 Zu massenîe/messenîe s. Anm. 220.
daß die an der Beratung Teilnehmenden sich in der
551 erbieten: „hinstrecken, darreichen, erweisen mit 561 Das bewußt langsame Gehen als Zeichen ‘gesitteten’
traditionellen ringförmigen Sitzordnung plaziert haben
d[ativ der] p[erson].- refl. sich einstellen, sich erweisen, oder ob die ursprüngliche Bedeutung schon entkonkreti- Verhaltens erwähnt auch Walther von der Vogelweide
darbieten“ (Lexer). siert ist (auch heute kann man ja an langen Tischreihen in seinem Spruch von der Magdeburger Fürstenweih-
552 Die Namensform verweist auf das Tristan-Epos ‘in froher Runde sitzen’), läßt sich nicht mehr feststel- nacht: er trat vil lîse, im was n i h t g â c h /im
Eilharts von Oberge. len. s l e i c h ein hôhgeborniu küneginne nâch (L 19,11f.).
553 Garel vom blühenden Tal, ein Epos des Pleier. 558 Vgl. Anm. 402. 562 unverborgen wohl nur wegen des Reims.
65

ob sie dem Frei- oder dem Dienstadel angehörten, um Euren Hof zu sehen, hier am Hof an Freundlichkeit erwiesen wird.
hier zwei, dort drei, sind schon manche Mühen auf sich genommen worden. 3965 Sie ist eine vornehme Göttin
hier vier, dort acht.563 Wer seinem Verstand folgt - und lebt in Friapalatuse.570
3915 Prahlerischen Lärm wie Ihr es getan habt -, Aus Liebe zu ihr
hörte man nicht, 3945 der hat Grund, bei [diesem] hat mein Herr Gauriel,
[nur] liebliche und züchtige Worte Führer zu bleiben. geboren von Muntabel,
wurden gesprochen. Wer, wenn nicht Gott allein, 3970 viele Mühsale erduldet.
Da sah die Königin die Jungfrau hätte sich so viel Freudevolles Nun hat er alle Kämpfe überstanden.
3920 mit den Herren herankommen. ohne alles Leid ausdenken können, wie er es Sie will ihn selbst hier abholen und ihn
Sie bat den König stehenzubleiben. 3950 Euch geschenkt hat - mehr als in allen für alles Ungemach, daß er je
Dann sagte [anderen] Ländern. um ihretwillen erduldete,
die freundliche, mächtige, Sehr viele,566 denen Ihr unbekannt 3975 entschädigen. Das ist ihre Absicht.“
züchtige, schöne Königin: seid und die Euch nie gesehen haben Der König und die Königin
3925 „Dort kommt eine âventiure. und denen Ihr nie eine Wohltat erwiesen habt, freuten sich darauf.
Wir haben Grund, sie uns bereitwillig anzuschauen. freuen sich über die Ehre, Als man am ganzen Hof vernommen hatte,
Der Herr von Fluratrone 3955 mit der Gott Euch versehen hat. daß eine âventiure gekommen sei,
und eine Schar der besten [Ritter] Ich soll Euch Dank, Lob und Ehre ausrichten 3980 reichte man Wasser und aß.571
führen auf äußerst höfliche Weise und Nachricht567 [überbringen]568 Nun hört, wie man dort die Zeit verbrachte
3930 eine schöne junge Dame - von einer edlen Königin. mit solchen Freuden,
die kommt nicht ohne âventiure.“ Deren Bote zu Euch bin ich. daß es uns noch heute Freude bringt.
Da sagte der vornehme König: 3960 Die will Euch, König Artus, Daraus sollte man lernen,
„Von woher sie auch zu mir kommen mag - selbst hier am Hof sehen 3985 daß es gut für uns ist,
man soll sie prächtig empfangen.“ und will Euch, wenn sie kann, danken für das, von ihrer Tugend zu erzählen und zu hören -
3935 Als sie nahe genug564 herangekommen waren, was569 meinem Herren, ihrem Ehemann daß aber trotzdem niemand die Einstellung
begrüßten die beiden sie auf eine Art,565 erzwingen kann, daß wir ein Leben
daß ein trauriges Herz durch nach ihrem [Vorbild] führen.572
diesen Gruß [wieder] fröhlich geworden wäre. 566 Kasus-Inkongruenz (vgl. Anm. 519): Der Dativ
Dafür dankte ihnen das Jüngferlein. manegem, wohl in Analogie zu dem in 3951 und 3953
3940 Sie sagte: „Herr, Herrin, gebildet, ist Subjekt zu vröwet in 3954. 569 Zur Funktion des Artikels als Relativpronomen vgl.
567 Ich vermute hinter der Form mêre eine Reimanpas- Anm. 489.
570 Friapalatûs: Apokope des /e/ aus Reimgründen.
sung von maere. Hs. D reimt qualitativ unrein mar : er;
563 ehte: umgelautete Form von ahte unter Einfluß eines 571 Vielleicht ein undeutlicher, dem Abschreiber selbst
daß D den umlaut oft nicht bezeichnet, ergibt sich auch
/i/ erst in der zweitfolgenden Silbe (ahd. nämlich ahto- aus dem Reim mar : war (Edition: mære : wære 3876/ nicht mehr ganz verständlicher Anklang an die in eini-
wi); s. Paul/Mitzka S. 68. 77). gen Epen (Wolframs Parzival 309,5ff.; Strickers Daniel
564 Es fehlt ein Passus, der auf sô Bezug nehmen würde. 568 Für die neuzeitliche Stilistik läge hier ein Zeugma Vers 75ff. ) erwähnte Sitte, am Artushof erst dann zu
565 Ein semantischer Bezug auf sô erfolgt diesmal; aber vor (vgl. Anm. 167): nhd. ‘sagen’ paßt nur in unter- essen, wenn sich eine âventiure ereignet hat.
3937f. ist ein Hauptsatz, so daß keine syntaktische An- schiedlichem Maß zu den Objekten ‘Dank’, ‘Gnade’, 572 Nicht ganz klar ist, ob die Maxime vertreten wird,
knüpfung stattfindet (Anakoluth; vgl. Anm. 83). ‘Ehre’. daß trotz guter Vorbilder niemand Tugend e r -
66

Was bringt uns die Untugend denn nur ein,573 daß die Königin [von Fluratrone] trieben sie
3990 daß man so oft die Einstellung zeigt: kommen wollte, 4035 (das wurde am Hof zum Gespräch!)
‘Die Jugend soll den Vortritt haben’? wie Jungfrau Elæte wohl hundert Lasttiere mit sich.
Nachdem das Essen beendet war, 4010 es ihnen berichtet hatte. Nun will ich euch berichten,
traten der Graf und die Gräfin Nun will ich Euch [folgendes] wissen lassen: was diese Lasttiere trugen579
von Asterian Siebzehn Tage575 und weshalb die Schar es so eilig hatte.580
3995 mit einer prächtigen Schar - nachdem die Jungfrau die Botschaft ausgerichtet 4040 Bestes Bettzeug
alle Ritter des Grafen und deren Damen - hatte, verbreitete576 sich die Nachricht: und anderen Hausrat,
vor den König und die Königin. 4015 Der Kämmerer der Königin Trinkgefäße581 und Tischdecken
Nachdem sie nun dagewesen waren und ihr Marschall kamen. aus kostbarem Material,
und wieder Abschied nehmen wollten, Sie verlangten einen Platz zur Beherbergung Schüsseln und schwere Becher.
4000 sagte die edle Königin: und [machten Quartier] auf einer 4045 Man sah kein unbeladenes Lasttier,582
„Gebt meinem Hof die Ehre und grasbewachsenen Insel577 vor einem Wald, so daß dort nichts fehlte.583
bleibt noch eine Weile hier.“ 4020 wie ihre Herrin es ihnen befohlen hatte.
Da sagte der [Graf] von Asterian, Innerhalb von drei Tage wurden
daß er sehr gerne das tun werde, die Unterkünfte von ihnen aufgebaut.
4005 worum die Königin ihn gebeten habe. Wer das [Ergebnis] sah, konnte nicht anders, 399f.), da das Bezugswort schar nicht im gleichen Satz
Die Besten574 freuten sich ohne Ausnahme, als ihnen große Kunstfertigkeit zuzugestehen. erscheint.
4025 Wenn es ein Jahr gedauert hätte 579 Wörtl.: ‘was sie (die Leute der schar) auf ihnen (den

z w i n g e n kann (analog etwa zu Walthers Spruch L und hundert Zimmerleute [beteiligt gewesen wären], Lasttieren) brachten’.
87,1: nieman kann mit gerten / kindes zuht beherten) † wären die beiden immer noch so dabei 580 Vers 4039 ist syntaktisch abhängig von 4038 (vgl.
oder ob sich hier ein pädagogischer Pessimismus äußert weggekommen, † daß in alle Zukunft noch ‘Was hast du vor, daß du dich so beeilst?’); diese Ab-
(‘die Vorbilder sind wirkungslos’). Angesichts der auch über sie zu erzählen wäre. hängigkeit führt aber zu einem ‘unlogischen’ Zusam-
sonst ja nicht seltenen Zeitklagen des Autors halte ich 4030 Früh am Morgen des vierten Tages menhang - denn die Art der mitgeführten Gegenstände
letzteres für wahrscheinlicher. Auf keinen Fall zu ent- sah man eine Abteilung ihres Hofstaates usw. hat mit dem Reisetempo nichts zu tun. Aber auch
scheiden ist natürlich, ob es sich dabei um seine tatsäch- schnell heranreiten. die von mir für 4039 gewählte Übersetzung enthält dann
liche Meinung handelt oder um eine Attitüde; die Zeit- Als sie ankamen,578 noch ein uneingelöstes Versprechen: weshalb die schar
klage,. mit oder ohne laudation temporis acti, gehört ja es so eilig hat, wird überhaupt nicht erklärt. Man könnte
zu den von den rhetorischen Lehrbüchern empfohlenen allenfalls einen Zusammenhang konstruieren: Die schar
Topoi. hat es so eilig, weil sie rechtzeitig den zur Ausstattung
574 Vgl. Anm. 384.
573 geben = gegeben. „Ursprünglich bezeichnete das ge- der Unterkünfte nötigen Hausrat liefern will.
575 Hs. D hat achczehen. In 3883 war von drei Wochen 581 So die ursprüngliche Bedeutung von koph; die späte-
den Abschluß eines Vorganges [...] und ist allmählich,
aber schon in vorahd. Zeit, beim Partizip notwendig die Rede; in Vers 4021 werden die drei Tage genannt, re Bedeutung ‘Kopf’ (abgelöst wird houbet) entsteht
geworden. Noch ohne Vorsilbe erscheinen funden, ko- die die Frist vervollständigen.. also durch metaphorische Verwendung: beim koph han-
576 breiten = breiteten (vgl. Anm. 161).
men, troffen, worden, ferner brâht, oft auch lâzen, zu- delt es sich, im Gegensatz etwa zu dem in 4044 erwähn-
577 Zu ouwe s. Anm. 394. ten becher, um ein r u n d e s Trinkgefäß.
weilen geben, nomen, weil diese Verba an sich immer
einen momentanen Vorgang ausdrücken.“ (Paul/Mitzka 578 Im Text Plural - aber keiner der echten Fälle von 582 ir (Genitiv Plural) bezieht sich wohl auf die soumae-
S. 153) Numerus-Inkongruenz (s. Paul/Moser/Schröbler S. re in Vers 4034.
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Mit gutem Grund584 Viele sonderbare Gestalten mit Unterkünften versehen hatte,
erhoben585 sich dort Freude und Wonne. 4070 bewegten sich in diesem Zug. machten sie es sich bequem.
Das ganze Tafelgeschirr Heute würde es einem entsetzlich vorkommen Viele kamen dorthin,
4050 war aus Silber und Gold. etwas so Ungebärdiges zu sehen, wie man hört, um sie anzusehen.
Während man aß, wenn es dergleichen noch gäbe.588 4095 Das zog sich bis zu dem Tag,
fehlte es dem Truchsessen Man wies ihnen auf der jenseitigen Ebene589 als die Königin in
nie an Geschirr. 4075 einen Platz zu, wo sie sich ausruhen einem bewundernswerten Gefolge erschien.
Dann kam eine Abteilung von Köchen.586 und ihre abgesonderte Unterkunft haben sollten. Die Länge des Zuges schätzte man
4055 Würde ich ihre Zahl nennen, Es waren Monster590 auf eine gute Meile.594
würde Euch dünken, von vielerlei Art. 4100 Wer immer auf der Welt sie sah,
mein Bericht wäre gelogen. Man sah dort viel Seltsames. konnte nichts anderes behaupten,
Dann kam eine Abteilung zu Fuß; 4080 Man sah dort einige als daß er geschworen hätte,
vier lange Riesen, ohne Kopf gehen,591 die Sterne hätten sich in Bewegung gesetzt
4060 die ihre dicken Stahlstangen587 die aber trotzdem Bogen aus Horn trugen. und schwebten auf der Erde,
über der Schulter trugen, † Ich hätte mich von ihnen sehr täuschen lassen. †592 4105 als ob sie lebten.
trieben diese Abteilung grausam an, Sie trafen alles, was sie treffen wollten Der Zug war lang und breit.
indem sie sie 4085 und treffen sollten. [Alle] hatten prächtige Kleider an.595
mit ihren Peitschen schlugen. Man sah dort [auch] viele struppige Männer, ...596
4065 Es war sonderbar, daß die das ganze Jahr über Als die treue Dame
jemand sie überhaupt dazu zwingen konnte, kein anderes Kleidungsstück besaßen auf den Platz geritten
dorthin zu gehen, wohin e r es wollte, als ihr eigenes Haar.593 4110 und abgestiegen war,597
denn sie waren wild. 4090 Nachdem man dem wunderlichen Volk setzten sich König Artus
und die Königin
mit Rittern und Damen von der Burg aus
583 588 Wörtl.: ‘wo sie wären’.
zerrunne: 3. Singular Konj. Prät. von zerrinnen, stv
III,1 (wie gewinnen) 589 ein halp wohl = jenenthalp/jenhalp/jenhalben.
584 Wörtl.: ‘wie es (sein) sollte/mußte’. 590 merwunder: „wunderbares meertier, meermann oder 594 Das Längenmaß ‘Rast’ ist heute nicht mehr ge-
585 hup ist Singular - also eine echte (vgl. Anm. 578) meerweib von halb tierischer gestalt“ (Lexer). Ange- bräuchlich. Gemeint ist die Wegstrecke, die man zwi-
Kasus-Inkongruenz. Paul/Moser/Schröbler (S. 400) ge- sichts der folgenden Beschreibung scheint das Wort hier schen zwei Rasten (Pausen) zurücklegt. Es versteht sich
ben als Möglichkeit nur an: „Das Prädikatsverbum im aber eine allgemeinere Bedeutung zu haben. von selbst, daß auch die rast im Mittelalter ein regional
Sing. ist auf ein n a c h f o l g e n d e s Doppelsub- 591 Wörtl.: ‘man sah dort einige gehen, die nie einen sehr unterschiedliches Längemaß darstellt.
jekt bezogen“ (Hervorh. von mir; R.B.); in der Gauriel- Kopf (bekommen) hatten’. 595 Wörtl.: ‘führten ... Kleider.’
Stelle geht das Doppelsubjekt dem Prädikat aber voran. 592 Sinn vielleicht: ‘Ich hätte gemeint, sie hätten, weil 596 Wegen fehlender Reimzeile Ansatz von Versverlust;
586 koche: Im Nhd. wird wegen der Reduktion der ka- sie keinen Kopf hatten, nicht mit den Bogen schießen Text aber syntaktisch vollständig.
sus- und numerusanzeigenden Endungen der Umlaut können, aber ...’(s. das Folgende). 597 Die Formulierung sich nider lân für Absteigen soll
auch da zum Pluralkennzeichen, wo er sprachgeschicht- 593 Zu den vielfältigen Wundergestalten, welche die wohl dem Absteigen aus dem Damensattel adäquater
lich nicht ‘berechtigt’ ist. deutsche Literatur des Mittelalters bevölkern, s. Lecou- sein als das sonst verwendete erbeizen (95, 2780, 3489,
587 Siehe Anm. 292. teux. 3729).
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in Bewegung, froh, daß man bis zum Jüngsten Gericht und in Reime gefaßt.
um die unbekannten Gäste davon erzählen könnte. Er war ein edler, freiadeliger Mann.
4115 zu empfangen und anzusehen. Vielfältig waren ihre Vergnügungen; Die Quelle [für sein Buch] hat er in
Sie brachten von der Burg man sah sie in hohen Freuden schweben.602 Spanien bekommen.
wohl tausend Ritter oder mehr mit, 4145 Die edle Königin 5165 Nachdem sie in ihr Land gezogen waren,
[als sie] der Königin auf den Klee war darauf bedacht, lebten sie dort in großem Ansehen.
[entgegenzogen]. für ihren Hof Ehre einzulegen Dieses [Ansehen] möge605 Gott
Auch Herr Gauriel war mit dabei. und ihr eigenes Ansehen zu mehren. den Christen auf Erden mehren,
4120 Die liebreizende Frau Sie ließ nämlich alles abladen jedem so, wie er es verdient hat,
küßte und umarmte ihn 5150 von den hundert Lasttieren, 4170 damit, wenn sein Leib aufersteht,
liebevoller, als jemals die wir eben † gewogen †603 haben, seiner Seele geholfen werde.
ein Ritter umarmt worden ist. die [, die] das Tafelgeschirr trugen. a
Viele Ritter, die zusahen, Sie ließ eine unbegrenzte Menge
4125 gelüstete es derart nach einer solchen Umarmung, von Kostbarkeiten verteilen.
daß sein Herz brach. 5155 Das dauerte vierzehn Tage,
Jetzt hört genau zu, mit welchem Aufwand und wie die Quelle berichtet.
welch freundlichen Gefühlen auf beiden Seiten Worum auch immer jemand bat, das erhielt er.
diese beiden Höfe aufeinandertrafen. Dann nahm der Graf von Asterian
4130 Noch prächtiger aber wurde es, als sie sich mit seinem Hofstatt
wieder trennten. 5160 und seiner Tochter Abschied
Man richtete ein großes Festessen aus, und zog frohgemut in seine Heimat.
bei dem es alles im Überfluß gab, Die edle Königin
was man auf Erden nur verlangen kann; zog voller Freude
das wurde ihnen gegeben.598 nach Friapalatuse.
4135 Vieles müssen wir verschweigen.599 So trennte man sich dort [wieder].
Man hörte Lieder und Epenrezitation,600 Meister604 Konrad von Stoffeln
allerlei Saitenspiel hat dieses Buch geschrieben
und viel sonstige Kurzweil.601
Man buhurdierte und tanzte
4140 und war so ungezwungen und uneingeschränkt 602 sweben zur Bezeichnung eines ‘Gefühlstaumels’ ist
auch im Minnesang recht häufig (vgl. z.B. Morungens
In sô hôher swebender wunne, MF IV).
598 Vers 4133 steht apo koinou zu 4132 und 4134. 603 Oder auch ‘in Bewegung gesetzt haben’; beides
599 Als brevitas-Topos gemeint. vielleicht scherzhaft gemeint. gewuogen < gewegen,
600 singen unde sagen muß nicht notwendig so speziell eigentlich ein stv der Ablautreihe V (also gewac - gewâ-
verstanden werden. gen), das aber im Prät. manchmal Formen der Reihe VI
601 kurzewîle als Objekt zu hôrte: Zeugma (s. Anm. (graben - gruop - gruoben) zeigt.
167). 604 Zum Terminus meister s. Anm. 522. 605 Wörtl.: geruhe’

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