彩繪光
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S-L-M
Suermondt-Ludwig-Museum
Aachen
A Deutscher Kunstverlag
München Berlin
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Gemaltes Licht
Die Stilleben von Willem Kalf 1619-1693
Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen
8. März bis 3. Juni 2007
Nllllllllllllllll
E0078855
Für Lucius Grisebach,
dessen bahnbrechende Monographie von
1974 für Ausstellung und Katalog eine
wertvolle Anregung gewesen ist.
Inhalt
Vorwort........................................................................................... 7
Die Bauerninterieurs................................................................... 42
Abbildungsnachweis....................................................................169
Impressum..................................................................................... 170
Übersicht der Leihgeber
Amsterdam, Rijksmuseum
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Stiftung Willem van der Vorm
Sowie Privatsammler
6
Vorwort
Der 1619 in Rotterdam geborene Maier Wil also eigentlich aus drei kleinen Ausstellungen, von Kalf für die Ausstellung auszuleihen be
lem Kalf ist in unserer Kultur zu keinem Be die ein sehr abwechslungsreiches Bild von reit war. Ebenfalls muss hier ein Wort des
griff wie Rembrandt oder Vermeer geworden. Kalf vermitteln. Dankes an das Museo Thyssen-Borncmisza
In seinem Geburtsort gibt es zum Beispiel Die Idee für die Ausstellung wurde vom ausgesprochen werden, das sich bereit erklär
nicht eine nach ihm benannte Straße. Den Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen dem te, beide Glanzstücke aus seinem Besitz für
noch gilt er in Kennerkreisen schon lange Museum Boijmans Van Beuningen vorgelegt, unsere Ausstellung auszuleihen.
als der wichtigste Stillebenmaler des hollän das darauf positiv reagierte. So kam es zu Die Organisation in Rotterdam lag in den
dischen Goldenen Zeitalters. Dass er eine ge einer Zusammenarbeit, die zu dieser Über Händen von Jeroen Giltaij, der von der Pro
wisse Bekanntheit erringen konnte, verdankt sichtsschau und dem vorliegenden Katalog jektleiterin Saskia de Jong vortrefflich unter
er seinen sublimen Prunkstilleben, die er in führte. stützt wurde, in Aachen war Sylvia Böhmer
seiner Amsterdamer Periode, ab 1653, malte. Grundlage für die Zusammenstellung der verantwortlich. Wichtige Beratung erhielten
Diese Werke zeigen atemberaubende Kompo Ausstellung und des Katalogs bildete die wir von dem Stillebenspezialisten Fred G.
sitionen, in denen die Wirkung des Helldun 1974 publizierte Monographie von Dr. Lucius Meijer vom Rijksbureau voor Kunsthistori
kels und erfinderische Reflexionen des Lichts Grisebach, der nach seiner gründlichen Er sche Documentatie in Den Haag.
auf Metall und Glas eine Hauptrolle spielen. forschung des Malers einen anderen Weg Die Autoren des Katalogs haben ein Buch
Äußerst kostbare Objekte sind bisweilen aus in der Kunstgeschichte eingeschlagen hatte. geschrieben, das als wichtige Ergänzung zu
schließlich aufgrund ihres Funkelns sichtbar Selbstredend haben wir ihm unverzüglich Grisebachs Publikation gesehen werden muss.
und die Manier, in der das Licht angedeutet unseren Plan für diese Ausstellung vorgelegt, Verfasst wurden die Texte, der Abfolge des
wurde, erinnert an Vermeer. In dieser Aus doch Herr Grisebach teilte uns mit, dass er Buches entsprechend, von Friso Lammert-
stellung wird aber auch zwei anderen Gemäl das Studium des Malers nicht mehr weiter se und Mickael Szanto, Alexandra Gaba-van
detypen von Kalf Aufmerksamkeit geschenkt. geführt habe. Bei der Zusammenstellung der Dongen, Jeroen Giltaij, Fred G. Meijer, Sylvia
Dabei handelt es sich zum einen um die frü Ausstellung ergab sich, dass hinsichtlich sei Böhmer und Fran<;oise Joulie. Die Koordina
hesten von ihm bekannten Arbeiten, die klei nes Buches nur in einzelnen Fällen eine Än tion des Katalogs fand in Rotterdam statt und
nen, so genannten Bäuerlichen Interieurs, derung vorgeschlagen werden musste, doch lag in den Händen von Sabine Terra.
die ein Rotterdamer Thema sind. Von diesen das eigentliche Gerüst konnte der kritischen Ein Rotterdamer Dankeswort an die Spon
Bildern ist bei der Vorbereitung dieser Aus Verwendung Stand halten. soren richtet sich an den Prins Bernhard Cul-
stellung ein noch in Rotterdam entstandenes Wir danken an erster Stelle den Leihgebern, tuurfonds Zuid-Holland, HAL Investments
Gemälde identifiziert worden. Danach zog die sofort bereit waren ihre häufig kostbaren B.V und Unilever. Aus Aachen geht der Dank
der junge Kalf nach Paris, wo er an seinem und geliebten Werke des großen Meisters der an die Peter & Irene Ludwig Stiftung, ERCO
zweiten Gemäldetyp zu malen begann, den Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Na Nederland, die Sparkasse Aachen und die
französischen Stilleben. Das spektakulärste mentlich muss Franchise Chaserant genannt SNS Bank.
Beispiel hierfür ist das enorme Gemälde aus werden, Direktorin des Museums in Le Mans, Wir hoffen, dass Willem Kalf sowohl in sei
dem Musee de Tesse in Le Mans, das wir in die ihr enormes, in den Niederlanden und ner Geburtsstadt als auch in Aachen die An
der Ausstellung zeigen. Die Übersicht besteht Deutschland fast unbekanntes Meisterwerk erkennung finden wird, die er verdient.
7
1 Jacob Houbrakcn, Porträt von Hendrik Ver-
schuring (oben) und Willem Kalf (unten), Kupfer
stich. Aus: A. Houbrakcn, De Groote Schouburgh
der Nederlantsche Konstschildcrs en Schilderessen,
Teil 2, Amsterdam 1719.
Rotterdam sich dessen auch schuldig gemacht: Er hatte allerdings im Jahr 1625 als der Rechtsstreit
»toursenillen en satijn« geliefert, die unter noch in vollem Gange war.9 Willem Kalf war
Ain 3. November 1619 ließen Jan Jansz. Kalf den Räten unter der Hand verteilt wurden, um zu diesem Zeitpunkt gerade einmal sechs Jah
und seine Frau Machtelt Gerrits (van Proyen) daraus Mäntel und andere Kleidungsstücke re alt. Er wird sich später wohl kaum an sei
ihren neugeborenen Sohn in Rotterdam tau zu fertigen. Das Geld wurde unter »algemene nen Vater erinnert haben. Aufgezogen wurde
fen, vermutlich in der Grote- oder Sint Lau- landsmiddelen« (»allgemeine Landesmittel«) er von seiner Mutter und seinen älteren Ge
renskerk. Sie gaben ihrem Kind den Namen verbucht. Darüber hinaus hatte Kalf einige schwistern. Für einige Zeit wohnte die Familie
Willem. Willem war mindestens das siebte Rechnungen gefälscht, unter anderem unter noch in der Hoogstraat. 1631 verkaufte man
Kind des Ehepaares. Vor ihm wurden seine dem Namen seiner Schwester Annetgen Jans.8 den Besitz und bezog eine Wohnung am Leu-
Geschwister Jan, Catharina, Clara, Cornelia, Die verhängten Strafen variierten zwischen venhaven, auch »Het Comptoir« genannt.10
Gerrit und Maria geboren.2 Willems Eltern Bußgeldern von 200 bis 74.000 Gulden und le Machtelt Gerrits muss den Tuchhandel ihres
stammten beide aus Gouda. Dort wurden sie benslanger Haft. Kalf wurde mit einem hohen Mannes weitergeführt haben. 1634 schuldete
am 14. Januar 1604 auch getraut? Kurz nach Bußgeld von 2.500 Gulden belegt. Er verstarb sie jedenfalls Delfter Kaufleuten Geld für ge-
der Eheschließung verzogen sie nach Rotter
dam, wie viele andere, die ihr Glück versu
2 Balthasar Florisz. van Berckenrode, Stadtplan von Rotterdam, 1626, Kupferstich, 73 x 82 cm. Rotter
chen wollten.
dam, Gemeindearchiv, Inv. Nr. RI 20. Detail mit dem Rathaus (Nr. 1). Gegenüber befand sich das Haus,
Die Bevölkerung von Rotterdam verdrei in dem Kalf geboren wurde und bis zu seinem elften Lebensjahr wohnte. Er wurde wahrscheinlich in der
fachte sich zwischen 1561 und 1622 auf unge Grote- oder Sint Laurenskerk (Nr. 2) getauft.
fähr 20000 Bürger. Nach Amsterdam, Leiden,
Haarlem und Dellt war Rotterdam damit der
Einwohnerzahl nach die fünftgrößte Stadt
Hollands. Dieser Bevölkerungszuwachs er
gab sich fast ausschließlich durch den Zuzug
neuer Bürger, die, wie auch die Eltern Willem
Kalfs, aus anderen Städten der Republik, vor
allem aus den südlichen Niederlanden ge
kommen waren.’
1606 kaufte Jan Jansz. in der Hoogstraat,
der vornehmsten Straße Rotterdams, eine
Wohnung gegenüber dem Rathaus (Abb. 2
u. 3)? Kalf nannte sich in den Dokumenten
vorzugsweise Seidenhändler. Er handelte je
doch auch mit Wollstoffen und Damast und
so manches Mal mit ganz anderen Dingen wie
marmornen Kühlbehältern.6 Materiell muss
Kalf durchaus wohlgestellt gewesen sein. Im
Jahr 1618 wurde er zum Mitglied des Stadt
rats von Rotterdam berufen, eine Funktion die
ausschließlich angesehenen und vermögen
den Bürgern vorbehalten war. Bis zu seinem
Tod im Jahr 1625 sollte er Ratsmitglied blei
ben. 1618 und 1619 war er Schöffe und in den
beiden darauffolgenden Jahren Schatzmeister.
1622 wurde er dann zum Ratsmitglied des
Admiralitätskollegiums von Rotterdam er
nannt (De Maze).7 In dieser Funktion wurde
er noch im selben Jahr in einen weitreichen
den Skandal verwickelt. Einige Mitglieder des
Verwaltungskollegiums der Admiralität wur
den der Rechnungsfälschung und Veruntreu
ung von Waren bezichtigt, die im Namen der
Admiralität gekauft worden waren. Kalf hatte
6 Joost van den Vondel, Raetsel, Gedicht auf Willem Kalf und Cornelia Pluvier, aus: /. v. Vondels Poezy, Teil 2, Amsterdam 1682, S. 397-398. Amsterdam,
Universitätsbibliothek, Inv. Nr. OG 63-40
Das Kalf sehe CEuvre ist eine wahre Fundgru 1. Bäuerliche Interieurs Rotterdam-Paris zahlen 1638, 1644 und 1645 (Kat. Nr. 1 und
be für alle, die sich mit der Geschichte der ma 13). Das früheste datierte Pariser Bauerninte
teriellen Kultur befassen. Die alltäglichen Ge Kalf begann seine Karriere in seiner Geburt- rieur stammt aus dem Jahr 1642, das zuletzt
brauchsgegenstände aus den Bauernstilleben Stadt Rotterdam mit dem Malen von bäuerli datierte aus dem Jahr 1645. Nur schwer ist
Kalfs geben überraschende Informationen chen Interieurs. Er stand damit in einer Bild daher festzustellen, an welchem Ort, Rotter
über einen möglichen Entstehungsort der tradition, die sich ab den 30er Jahren des 17. dam oder Paris, die undatierten Gemälde aus
größtenteils
o undatierten Gemälde: Rotterdam Jahrhundert in Rotterdam unter der Ägide der der Zeit zwischen 1638 und 1646 entstanden
oder Paris? Diese Alltagsgegenstände wurden Maler Herman Saftleven III (1609-1684), des sind. Betrachtet man eingehender die auf die
bis jetzt allerdings noch nicht näher iden sen Bruder Cornelis (1607-1681), Hendrick sen Gemälden dargestellten Gebrauchsgegen
tifiziert. Während seines Aufenthalts in der Martensz. Sorgh (ca. 1611-1670) und Pieter stände, können sie möglicherweise Aufschluss
französischen Hauptstadt (ca. 1640-1645) de Bloot (1601-1658) entwickelt hatte.1 Um über den Entstehungsort geben.3
entwickelte Kalf neben diesen bäuerlichen 1639/40 begab sich der 20-jährige Maler für Bei der Identifizierung der dargestellten
Interieurs auch seine Prunkstilleben, die kost einige Jahre nach Paris.2 Es ist nicht bekannt, Alltagsobjekte ist zuerst festzustellen, dass
bare Objekte und luxuriöse Gebrauchsgegen wann Kalf dort seine ersten Bauernstilleben auf allen Bauerninterieurs eine Anzahl weit
stände zeigen. Was waren das nun genau für schuf. Lediglich vier der 58 Werke dieses Gen verbreiteter Gegenstände erscheint, die im
Objekte, die Kalf in seinem Atelier zur Ver res, die durch Lucius Grisebach 1974 als Ori zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts sowohl
fügung standen und nach denen er seine Ge- ginale Kalfs anerkannt wurden, sind datiert. in den Niederlanden (Rotterdam), als auch in
mälde schuf?” Zwischenzeitlich wurden drei weitere datierte Frankreich (Paris) eine fast identische Form
Gemälde Kalfs entdeckt. Sie tragen die Jahres gebung hatten. So waren die kupfernen Kes
sel, hölzernen (Butter-) Fässer und Bottiche,
metallenen Fettpfannen, geflochtenen Körbe,
schlichte Teller und Schalen aus Zinn oder
Irdenware und die gläsernen Weinflaschen in
1 Schenkkanne und Kochtopf, rote und weiße Irdenware mit Bleiglasur, Niederlande, 1600-1650, Bo
denfunde Rotterdam und Niederlande, Rotterdam, Historisch Museum Rotterdam, Inv. Nr. HM 14603.
ihrer Formgebung sowohl in Holland als auch
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv. Nr. F 9653 in Frankreich verbreitet und sind nur schwer
oder gar nicht voneinander zu unterschei
den. Diese Objekte können uns bei der Suche
nach dem Entstehungsort dieser Gemälde
kaum helfen. Und doch bleibt eine interes
sante Gruppe von Gebrauchsgegenständen,
die Kalf so ausschließlich in Holland oder in
Frankreich finden konnte.
Holländische Irdenware
Normannische Buttertöpfe
Silber (vergoldet)
Exotische Prutikbechcr ist mit einem Exemplar aus dem amerikani bekrönt, auf dem die Figur Neptuns steht. Aus
schen Toledo Museum of Art. 1596 versah dem weit aufgerissenen Maul des Ungeheuers
Ralfs Amsterdamer Stilleben zeigen impo der Utrechter Silberschmied Jan Jacobsz. van flüchtet ein kleines Männchen. Möglicher
sante Trinkpokale aus besonderen Naturalia Royenstein (ca. 1549-1604) das Muschelge weise handelt es sich hier um die Darstellung
wie Muschelgehäusen oder Bütfelhorn, sowie häuse mit einer vergoldeten Silbermontie des Walfisches, aus dessen Maul Jonas an
kostbare Gegenstände aus venezianischem rung (Abb. 10) Der gemalte Nautilusbecher Land gespien wird. Der einzige Unterschied
Kristall oder chinesischem Porzellan. Diese ruht auf einem Fuß in Form eines Meeres. zwischen dem von Kalf gemalten Nautiluspo
vornehmlich aus dem 16. Jahrhundert stam Den Schaft bildet die Figur eines Tritonen, kal und dem realen Stück aus Utrecht besteht
menden Objekte, gefasst in Montierungen aus der die Nautilusmuschel auf seinen Schultern in der Form des Schaftes, der hier einen auf
edelstem Metall, bilden den Mittelpunkt sei trägt. Seitlich zieren zwei weitere Tritonen das einem Delphin reitenden Satyr zeigt. Die Ver
ner Kompositionen. Muschelsehäuse. Mit ihren Armen umfassen zierungen und der Kopf des Seeungeheuers
Willem Kalf malte einen besonderen Nauti sie einen Delphin. Der Nautiluspokal wird sind jedoch identisch.59
luspokal (Kat. Nr. 31), der sehr eng verwandt vom Kopf eines bedrohlichen Seeungeheuers Aus dem Jahr 1565 stammt das beeindru
ckende Trinkhorn der Amsterdamer St. Sebas
tians- oder Handbogenschützengilde. Es war
noch als Gildehorn in Gebrauch, als Kalf es
10 Jan Jacobsz van Royenstein (ca. 1549-1604), Nautilusbecher, Nautilusmuschel und vergoldetes Silber, malte (Kat. Nr. 25). Heute befindet es sich im
1596. Toledo, Toledo Museum of Art, Inv. Nr. 1973.53. Historischen Museum Amsterdam. Das Büf
felhorn ruht in einer silbernen Montierung,
die mit dem Meisterzeichen »Bourgondische
vuurslag« (Abb. 11) versehen ist. Der tragen
de Teil der Montierung stellt das Martyrium
des Hl. Sebastians dar, dem Schutzpatron
der Amsterdamer Gilde der Schützen. In der
Sammlung des Amsterdamer Rijksmuseums
befindet sich ein ähnliches Trinkhorn, das
Prunkstück der Amsterdamer Kloveniersgil-
de. Es entstand im Jahr 1547 und wird Arent
Cornelisz. Coster zugeschrieben. Dieses re
lativ frühe Trinkhorn kann als Vorläufer des
von Kalf abgebildeten Gildehorns gelten.
Auch ein anderes, ganz aus Silber gefertigtes
Exemplar, das 1566 für die St. Jorisgilde ent
stand und dem Silberschmied Frederik Jans
zugeschrieben wird, geht möglicherweise auf
das Trinkhorn der Kloveniersgilde zurück.
Die Anwesenheit des Trinkhorns der St. Se-
bastiansgilde auf gemalten Gruppenporträts,
wie dem 1653 von Bartholomeus van der
Heist geschaffenen Die Vorsteher des Amster
damer Schützenkorps, unterstreicht den zere
moniellen Charakter dieses Gefäßes, aus dem
damals bei Zusammenkünften der Gilde ge
trunken wurde.60
Ein außergewöhnliches Stück ist die von
Kalf gemalte »Holbeinschale« aus Bergkristall
(Kal. Nr. 36 und 37), die in ihrer ursprüngli
chen Gestalt im 14. Jahrhundert in Venedig
entstand und um 1540 eine silberne Mon
tierung nach dem Entwurf Hans Holbeins
d.J. (1497/8-1543) erhielt (Abb. 12). Auf der
gemalten Schale brachte Kalf die Inschrift
»HoLBeen Fe« an. Auf dem Original ist eine
solche Inschrift jedoch nicht zu finden. Ganz
offensichtlich wollte Kalf den Betrachter aut
die außerordentliche Virtuosität dieses be
rühmten deutschen Renaissancekünstlers
hinweisen.61
Jeroen Giltaij
Die Frage nach dem Lehrmeister Govert wurde nun ein städtischer Vormund Vordergrund arrangierten Gegenstände, wes
zur Seite gestellt.1 halb diese Gemälde oft als »Bauernstilleben«
Lange kannte und schätzte man Willem Kalf Die frühesten bis heute von Kalf bekann bezeichnet werden. Personen nehmen darin
als Stillebenmalen der in Amsterdam geboren ten datierten Werke tragen die Jahreszahl lediglich die Rolle von Statisten ein.
wurde und Zeit seines Lebens dort gearbeitet 1642 und sind in Paris entstanden. Dazu ge Die Werke aus Kalfs Pariser Zeit gelang
hat.1 Erst 1941/42 wurde bekannt, dass er am hört auch das Gemälde Bauern im Freien am ten allesamt in französische Sammlungen. In
3. November 1619 in Rotterdam getauft wur Brunnen aus Privatbesitz (Kat. Nr. 4). Typisch Holland blieben sie daher lange Zeit unbe
de und nicht wie vermutet in Amsterdam. für die Pariser Zeit ist das relativ kleine Bild kannt. 1718 gab der Künstlerbiograph Arnold
Im Zusammenhang mit einem anderen Ma- format dieses Werkes. Insgesamt entstanden Houbraken die »Groote Schouburgh« heraus.
ler, dem Flamen Philips Vleughels, fand man mehr als sechzig dieser bäuerlichen Interi Er lobt Kalf dort als begabten Stillebenmaler,
außerdem heraus, dass Kalf sich im Jahr 1642 eurs, von denen nur einige wenige eine Jah der seine Werke besonders detailreich und
in Paris aufgehalten haben muss.2 Vleughels, reszahl tragen, namentlich 1642, 1644 und natürlich auszuführen verstehe und deshalb
der bei seinem Parisbesuch 1642 von mittel 1645. Fast immer stellt der Maler das Innere von Kunstkennern besonders geschätzt werde
losen Jungen überfallen und all seiner Kleider eines Bauernhauses dar. Im Bildvordergrund - ein »Bäuerliches Interieur« erwähnt er aller
beraubt wurde, flüchtete daraufhin in das flä sehen wir auf allen Bauerninterieurs eine Zur dings nicht.5
mische Malerquartier. Hier befand sich auch schaustellung verschiedener Gemüse, Kessel, Houbraken zufolge erhielt Kalf seine Aus
»Calf«, der Vleughels beruhigte und ihm Teller, Vorratstöpfe und anderer Gerätschaf bildung bei Hendrick Pot, einem um 1585 in
Kleidung lieh, um am nächsten Tag wieder ten. Auch Personen fehlen nicht, doch agieren Haarlem geborenen Porträt- und Genrema
auf die Straße gehen zu können.3 sie weitestgehend im Bildhintergrund und ler. Pot begab sich 1632 nach London, kehr
Kalf wuchs also in Rotterdam auf. Sein Vater sind oft nur schemenhaft zu erkennen, wie te 1648 in die Niederlande zurück und lebte
verstarb früh, bereits 1625. Kurze Zeit darauf, beispielsweise die auf vielen Gemälden ge bis zu seinem Tod 1657 in Amsterdam. Ver
1638 starb auch seine Mutter. Den Geschwis zeigte Frau am Feuer. Der Schwerpunkt liegt gleicht man das malerische CEuvre der beiden
tern Willem, Maria und dem jüngeren Bruder hier eindeutig auf der Präsentation der im Künstler, erscheint Houbrakens These haltlos:
es sind keinerlei Übereinstimmungen zu fin
den, die auf einen Kontakt schließen ließen.
Bei der Frage nach dem Lehrmeister fiel das
1 Hendrick Sorgh, Lockere Gesellschaft in einer Herberge, signiert HMSorgh, Öl auf Holz, 56 x 77,8 cm. Augenmerk auch auf den Maler Francois
Worcester, Worcester Art Museum, Inv. Nr. 1913.45. Rijckhals (1609-1647). Er schuf neben bäuer
lichen Interieurs auch Prunkstilleben. Als
Middelburgischer Künstler hat Rijckhals wohl
in Dordrecht gearbeitet, aber nicht in Rotter
dam.6 Es bleibt also fraglich, ob überhaupt ein
Kontakt zwischen ihm und Kalf bestanden
haben kann.7
Meijer zieht in Betracht, dass Houbraken in
seinen Lebensbeschreibungen Hendrick Pot
mit Hendrick Potuyl verwechselt haben könn
te. Von Potuyl sind verschiedene Bauerninte
rieurs bekannt, die nach Meijer durchaus Be
zugspunkte zum Werk Kalfs haben. Überdas
Leben Potuyls ist allerdings nichts bekannt.
Datierte Gemälde von seiner Hand existie
ren lediglich aus dem Jahrzehnt von 1639 bis
1649. Im Frühwerk Potuyls erkennt Meijer
Einflüsse aus dem Rotterdamer Umkreis von
de Bloot, Saftleven und Sorgh, während sei
ne späteren Genreszenen vor allem für Ams
terdam typische Charaktermerkmale tragen.
Zu dem Zeitpunkt als Houbraken über Kalf
schrieb, war der Maler Potuyl wahrscheinlich
längst vergessen. Obwohl Potuyl als mög
licher Lehrmeister Kalfs viel eher in Frage
Willem Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij
36
kommt als Rijckhals, bleibt Meijers Vorschlag am 15. April 1624 in Amsterdam geboren. te Pot jedoch in Haarlem und zum anderen
aufgrund mangelnder biographischer Belege Erstaunlich ist, dass er bereits im Alter von zeigen seine Gemälde keinerlei Ähnlichkeiten
leider eine Hypothese.8 dreizehn Jahren und nach nur kurzer Lehr mit den Bauernstilleben Kalfs. Pot wird von
Um das künstlerische Umfeld zu verstehen, zeit bei Sorgh sein erstes Bild verkaufte. Dies Houbraken kurz erwähnt als Maler des Werkes
in dem Kalf seine Wurzeln hat, muss man bedeutet, dass Sorgh bereits 1637 im Alter Triumphwagen Prinz Willems von Oranien. Es
einen Blick auf das Rotterdam im Jahre 1630 von sechsundzwanzig Jahren einen dreizehn befindet sich heute im Frans-Hals-Museum in
werfen. In dieser Zeit bildete sich dort und in jährigen Lehrling aus Amsterdam in seinen Haarlem.17
anderen Kunstzentren Hollands das Genre Künstlerhaushalt aufgenommen hatte. Für Dass Pot wirklich der Lehrmeister von Kalf
des Bauernstillebens heraus, wie wir es von einen anderen Lehrling Sorghs, Pieter Crijnse gewesen sein soll, ist schwerlich vorstellbar.
Kalf und anderen Künstlern kennen.9 Klin Volmarijn (ca. 1629-1679), sind im Jahr 1648 Hier wird darum die gewagte Annahme geäu
ge-Gross führt auf, in welchen Städten dieses »Lehr- und Kostgeld« verzeichnet.15 ßert, Houbraken habe sich verschrieben: als
Thema dargestellt wurde, und schreibt über Wie oben bereits erwähnt, schrieb Hon er Hendrick Pot notierte, habe er in Wirklich
die verschiedenen Maler, die sich dem neuen braken 1718 über Kalf: »Zyn onderwyzer in keit Hendrick Sorgh gemeint. Der Biograph
Sujet zuwendeten.10 de Konst is geweest Henrik Pot« (Henrik Pot widmet Sorgh in seinen Lebensbeschreibun-
In Haarlem sind es die Brüder Adriaen und unterwies ihn in der Kunst).16 Zum einen leb- gen zwei Seiten und erwähnt darin, dass er ein
Isaack van Ostade, in Leiden Jan Davidsz. de
Heern, Pieter Symonsz. Potter und die Brüder
Steenwijck, in Antwerpen wiederum David
Teniers de Jonge. Wichtige Zentren dieser 2 Willem Kalf, Inneres eines Bauerhauses, Signiert und datiert 1638, Öl auf Holz, 32,2 x 26,2 cm.
neuen Entwicklung waren Rotterdam und New York, Sammlung Evelyne Walborsky.
Middelburgh, wo der oben erwähnte Maler
Rijckhals tätig war.
Charakteristisch für diese Bauerninterieurs
ist die Präsentation von Alltagsutensilien wie
kupferne Kessel, Milcheimer, Steingut, höl
zerne Tonnen und Fässer in Kombination
mit diversem Gemüse, z. B. Kohl, Blumen
kohl oder Zwiebeln, das auf den Behältnissen
liegt oder darum herum verstreut ist. Welcher
Rotterdamer Künstler zuerst mit derartigen
Darstellungen begann, kann aufgrund feh
lender datierter Vorbilder nicht mit Sicher
heit gesagt werden. Vom Alter her könnte es
Pieter de Bloot (1601-1658) sein. Der bereits
erwähnte Maler Francois Rijckhals stammt
nicht aus Rotterdam und darf deshalb eigent
lich nicht dazugezählt werden.” Weiterhin
sind von dem in Gorinchem geborenen, aber
in Rotterdam arbeitenden Cornelis Saftle
ven (1607-1681) bäuerliche Interieurszenen
bekannt.12 Hier sind allerdings die Figuren
von zentraler Bedeutung. Auch sein jüngerer
Bruder Herman Saftleven (1609-1685) malte
einige Bauerninterieurs, von denen drei 1634
datiert sind.13 Herman Saftleven verzog jedoch
bereits 1632 nach Utrecht, weshalb er für die
Entwicklung in Rotterdam keine maßgebli
che Rolle spielte. Der jüngere Maler Hendrick
Sorgh (ca. 1611-1670) war sehr vielseitig. Er
schuf Bauernstilleben, Marktszenen, und Sze
nen aus dem täglichen Leben. Auch biblische
Themen, Seestücke und Porträts zählten zu
seinem Repertoire.14 Er wird sich rasch einen
Namen als Maler und Lehrmeister gemacht
haben. Am 20. Februar 1637 verkaufte Pie
ter Nijs, der zu diesem Zeitpunkt gerade erst
seit sieben Monaten bei »Hendrick Mertens«
(Hendrick Maertensz. Sorgh) in Ausbildung
war, sein erstes Werk für sechs Gulden an
einen unbekannten Liebhaber. Nijs wurde
Willem Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij 37
Schüler des Malers David Teniers gewesen sei, wird durch Schneemann um 1638/40 datiert die ersten künstlerischen Anfänge Willem
zu dessen Werk ebenfalls Bauerninterieurs (Abb. I).19 Willem Kalf hätte als Lehrling das Kalfs nach wie vor im Dunkeln.
zählen.18 Werk also durchaus im Atelier Sorghs sehen Es liegt nahe, dass Kalf direkt damit begann,
Wir wissen nicht nur, dass Sorgh 1637 einen können. Bauernstilleben zu malen. Werfen wir darum
Lehrling hatte und daher bereits einen Meis Der bereits erwähnte Pieter Nijs war also einen näheren Blick auf sein Bäuerliches Inte
tertitel trug, auch seine Gemälde aus dieser 1637 im Alter von dreizehn Jahren bei Sorgh rieur aus Privatbesitz (Kat. Nr. 1 und Abb. 2).
Zeit könnten ein Vorbild für den jungen Kalf in der Lehre und hatte bereits ein eigenes Wie im Katalogtext beschrieben, trägt das Ge
gewesen sein. Das früheste datierte Werk von Werk verkauft. Kalf war zu diesem Zeitpunkt mälde die Signatur »WK« und die Jahreszahl
Sorghs Hand stammt aus dem Jahr 1641, aber achtzehn Jahre alt, ein Alter, in dem er gut und »1638«. Trotzdem hat Grisebach es nicht als
einige andere seiner Werke entstanden noch gerne bereits zahlreiche Gemälde geschaffen Original Kalfs in seiner Monographie aufge
vor dieser Zeit. Die Fröhliche Gesellschaft in haben kann. Da sein frühestes datiertes Werk nommen. Er geht davon aus, dass es sich um
einer Herberge im Worcester Art Museum allerdings aus dem Jahr 1642 stammt, liegen eine Imitation handelt in Anlehnung an das
Bauernstilleben aus der Fondation Custodia,
Paris.20 Das Gemälde sei laut Grisebach der
artig steif in seiner malerischen Ausführung,
dass man mit Sicherheit davon ausgehen kön
3 Willem Kalf, Blick in einen Laden, Öl auf Kupfer, 17,5 x 13,5 cm.
ne, dass die Signatur gefälscht sei.
München, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 5727.
Die Malweise mag vielleicht wirklich nicht
so gewandt sein, doch ist sie auch nicht als
steif zu bezeichnen. In vielerlei Hinsicht sind
Entwurf und malerische Ausführung dieser
Arbeit durchaus mit anderen Werken Kalfs zu
vergleichen. Bet rachtet man beispielsweise das
Gemälde in Berlin (Kat. Nr. 6), sind besonders
der Kupferkessel, das niedrige Tischchen und
die Zwiebeln im Bildvordergrund vergleich
bar. Ein anderes Detail ist hiervon besonderer
Bedeutung: der schräg liegende irdene Koch
topf. Er ist ein typisch holländisches Element,
man könnte sogar sagen, geradezu typisch für
Rotterdam. Daraus lässt sich ableiten, dass
das Gemälde nicht in Paris, sondern noch in
Rotterdam entstanden sein muss. Es besteht
eigentlich kein einziger Grund, an der Au
thentizität von Monogramm und Jahreszahl
»WK 1638« zu zweifeln. Kalf wird das Gemäl
de in jungen Jahren ausgeführt haben. Stimmt
man dem zu, dass es sich um ein frühes Bau
ernstilleben Kalfs handelt, das 1638 noch in
Rotterdam entstand, darf es als Maßstab für
Kalfs allerfrüheste Arbeitsweise gelten.
Vergleicht man dieses Gemälde mit Hendrick
Sorghs Fröhliche Gesellschaft in einer Herberge
aus Worcester (Abb. 1), das zur gleichen Zeit
entstanden ist, dann fällt auf, dass bei Sorgh
die Figuren sehr präsent sind, während jene bei
Kalf fehlen. Die Übereinstimmungen zwischen
beiden Werken beschränken sich vor allem
auf die Stilleben rechts im Bildvordergrund.
Auf beiden Gemälden sieht man eine hölzer
ne Tonne, auf beiden ist ein mit der Öffnung
nach vorn weisender Kupferkessel dargestellt.
Auch die ausgestellten Haushaltsutensilien,
Muscheln und Schuhe sind vergleichbar. Es ist
darum gut möglich, dass die Werke Sorghs ein
Ausgangspunkt für Kalf gewesen sind.
Wenn wir das Gemälde aus Privatbesitz
Kalf zuschreiben und in die Rotterdamer Zeit
datieren, können möglicherweise auch ande
re Arbeiten den ersten künstlerischen Anfän
38 Willem Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij
gen Kalfs zugeordnet werden. Doch zeigen
sämtliche bei Grisebach abgebildeten Bau
erninterieurs typische französische Elemente,
vor allem Gemüsearten, die in holländischen
Interieurs nirgends zu finden sind - was dar
auf hinweist, dass alle diese Werke in Paris
entstanden sein müssen.21 Nun stellt sich die
Frage, wie lange Kalf in Rotterdam wohnte
und wann genau er nach Paris ging.
U illeni Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij 39
befindet sich im Museum De Fundatie in einer Truhe im Musee des Augustins in Tou Kamin (Öl auf Holz, 26x35 cm) in der Uni
Heino (Kat. Nr. 5, Abb. I).26 Nach Grisebach louse (Öl auf Leinwand, 33x41 cm).27 Eine versität von Lund zeigt ebenfalls von Kalf
ist dieses Werk keine eigenhändige Ausfüh zweite, weniger breite Version Öl auf (Lein häufig gewählte Details wie die im Vorder
rung, sondern eine eklektische Imitation oder wand, 31x32 cm) mit knapperem Vorder grund liegende Fettpfanne (Abb.5).31 Ein drit
eine Kopie nach einem verlorenen Original grund befindet sich im Musee des Beaux-Arts tes Gemälde, Interieur mit Karten spielenden
Kalfs. Grisebach schrieb bereits, dass die in Tours.28 Grimm publizierte später eine dritte Soldaten (Öl auf Holz, 30x21 cm), dass sich
Komposition von Tür, Bank und Nische mit Fassung. Dieses auf Kupfer gemalte Werk be nach Angaben Grisebachs in einer Berliner
Kürbis und Holzstapel in gleicher Weise auf findet sich in Privatbesitz (Abb. 4).29 Seine linke Privatsammlung befindet, trägt sogar die Sig
der linken Bildhälfte des Gemäldes im Mu Bildhälfte ist mit dem Gemälde in Toulouse zu natur »W. Kalf«, stammt aber wahrscheinlich
seum Boijmans Van Benningen (Kat. Nr. 5) vergleichen, während die untere Partie jenem ebenso von einem Nachfolger aus dem Kreis
wiederkehrt. Dem mag noch hinzugefügt in Tours ähnelt. Die aktuelle Meinung tendiert von Saint-Germain-des-Pres. 32 Im Bildvor
werden, dass der Zinntopf, der geborstene dazu, diese dritte auf Kupfer ausgeführte Ver dergrund sind einige Objekte zu einem Stil
Vorratstopf, der Kupferkessel und der in der sion als Original Kalfs anzuerkennen und, sich leben zusammengestellt: ein Kupferkessel, ein
Tür sichtbare schräg stehende Geflügelkorb Grisebach anschließend, die beiden anderen typisch französischer Kochtopf, eine Ente und
oeläufioe Motive im CEuvre Kalfs sind. Das Fassungen als Kopien zu betrachten. verschiedenes Gemüse. Vor allem die Zwie
gemauerte Bassin links im Vordergrund und An dieser Stelle sollen noch drei Gemälde beln sind genauso gemalt, wie wir es von Kalfs
das nicht zu deutende Objekt rechts im Bild genannt werden: Im Israel Museum in Jerusa Bauernstilleben kennen. Im Hintergrund sind
sind auch auf einem Gemälde aus Privat lem befindet sich ein Bäuerliches Interieur mit Karten spielende Soldaten um eine Trommel
besitz (Kat. Nr. 8) zu sehen. Vergleicht man Mann am Kamin und Frau, die eine Kiepe tra gruppiert. Meijer geht davon aus, dass es sich
dieses ebenfalls auf Kupfer gemalte Werk von gend zur Tür herein kommt. Das 28,8 x 37,4 cm um ein in Frankreich entstandenes Stilleben
17x13 cm mit dem Gemälde in Heino, sind messende Werk wurde auf einem kupfernen handelt, während die Figuren noch stark nie
die Unterschiede nicht so gravierend, dass Bildträger gemalt. Grisebach geht davon aus, derländisch geprägt sind. Falls Kalf selbst der
man bei letzterem zwangsläufig an eine Kopie dass es von einem französischen Nachfolger Maler dieses Bildes war, ist es eines der ers
denkt. Es wird sich vielmehr um ein Original aus dem Kreis von Saint-Germain-des-Pres ten aus seiner Pariser Zeit. Da noch deutlich
werk Kalfs handeln. stammt.30 Eine Vielzahl typisch Kalfscher niederländische Einflüsse zu erkennen sind,
Zwei Gemälde, die von Grisebach als mög- Elemente kennzeichnet diese Arbeit, bei kann es um 1639/40 datiert werden.
liehe Kopien nach verlorenen Originalen spielsweise die von dem Gemälde in Privatbe Diese drei letztgenannten Werke scheinen
bezeichnet werden, sind anhand der vorhan sitz (Kat. Nr. 4) bekannten Zuckerrüben oder Kalf besonders nah zu stehen. Sind sie nicht
denen kleinen Abbildungen nur schwierig zu die Kiepe auf dem Rücken der Frau. von seiner Hand selbst, so muss Kalf von Be
beurteilen. Es handelt sich um ein Bäuerliches Das zweite Gemälde, ein Bäuerliches In ginn an mit seinen Rotterdamer Bauernstill
Interieur mit Gefäßen und Gemüse auf und vor terieur mit schlafender Frau und Kind beim leben einen enormen Einfluss in Paris gehabt
haben - wie sonst hätten Gemälde von solch
direkter Nachfolge und so geringen Abwei
chungen im Entwurf entstehen können?
5 Willem Kalf (?), Inneres eines Bauerhauses mit schlafender Frau und Kind, Öl auf Holz, 26 x 35 cm. Es stellt sich dann die Frage, welcher Künst
Lund, Lunds Universitets Konstsamling. ler in Paris derartige Kopien angefertigt ha
ben mag.
Einige andere Gemälde, die nicht von Kalf
selbst stammen, stehen seinen Bäuerlichen
Interieurs sehr nahe. Man schreibt diese wohl
Pieter van den Bosch (1604 in Leiden - nach
1649) zu. Gesichert ist diese Zuschreibung
zwar nicht, aber es fehlen jegliche Hinweise
auf andere Künstler.
Unter die hier ausgestellten Exponate wur
de auch ein Bauernstilleben aufgenommen,
dass in der Literatur bisher unbekannt war.
Dieses Gemälde im Museum Boijmans Van
Benningen, Leihgabe Stiftung Willem van der
Vorm, entstand 1645 (Kal. Nr. 13) und belegt,
dass Kalf noch 1645 in Paris tätig war. Datier
te Stilleben, die Kalf in Paris schuf, sind allein
aus den Jahren 1643 und 1644 bekannt und
können daher einen solchen Beweis nicht lie
fern.
Grisebach geht in seiner Studie kurz darauf
ein, inwieweit Kalf von französischen Künst
lern beeinflusst wurde, oder diese von ihm
beeinflusst wurden. In Frankreich malten
die Gebrüder Antoine, Louis und Mathieu
40 Willem Kalf in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij
Le Nain ähnliche Genreszenen aus bäuerli sei.37 Klinge-Gross verwies bei einem Gemäl und Werke, Berlin, New York 1978.
chem Milieu. Um von beiderseitigem Ein de von Teniers auf die ausgebrannte Kerze 13 M. Klinge-Gross, op. eil. Anm. 10; W. Schulz, Her
fluss zu sprechen, ist die Verwandtschaft mit und die Muschelschalen als bekannte Sym man Saftleven 1609-1685, Leben und Werke, Berlin,
New York 1982.
den Bauernstilleben Kalfs jedoch zu gering.33 bole der Vergänglichkeit.38 Im Katalog zur
” Liane T. Schneeman, Hendrick Martensz Sorgh: A
Anders verhält es sich mit dem Maler Sebas- 1999 in Amsterdam und Cleveland gezeigten Painter of Rotterdam, The Pennsylvania State Univer-
tien Bourdon (1616 in Montpellier - 1671 in Stillebenausstellung schrieben die Autoren sity 1982.
Paris). Einige seiner Motive scheint Bourdon Chong und Kloek über verfallene Interieurs. 15 S. Haverkorn van Rijsewijk, »Rotterdamsche
unmittelbar dem Werk Kalfs entlehnt zu ha Sie sehen in dem häufig dargestellten Besen schilders«, Oud Holland 12 (1894), S. 155.
16 Houbraken, op. cit. Anm. 5, Teil 2, S. 218.
ben, beispielsweise das Gemüse, das Fleisch die versteckte Mahnung, »den Unrat der Welt 17 /bid.,Teil 2, S. 123.
und das Kochgeschirr im Bäuerlichen Interi zu beseitigen«. Bäuerliche Interieurs sprechen 18 /bid.» Teil 1, S. 89-90.
eur mit Familie am Tisch aus dem Louvre in in ihren Augen von einem schweren, durch 19 Schneeman, op. cit. Anm. 14, S. 56, Kal. Nr. 4, ca.
Paris (Abb. 1, S. 156).34 Wie aus den Besitz Armut geprägten Dasein.39 1638-40.
inventaren französischer Künstler hervorgeht, 20 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 20, Abb. 19.
Bei den Figuren der Bauerninterieurs kann
21 Zum französischen Küchengerät siehe im vorlie
genossen Kalfs bäuerliche Interieursszenen von Armut jedoch nicht die Rede sein. Meis genden Katalog den Artikel von Alexandra Gaba-van
jedenfalls von Anfang an große Wertschät tens tragen sie überreich gefüllte Körbe oder Dongen.
zung in Frankreich. Szanto schreibt an ande stehen neben üppigen Stilleben mit Gemüse, 22 Grisebach, 1974, S. 16.
rer Stelle ausführlicher darüber. Eiern, Fleisch und Wein. Statt Armut und 23 Grisebach, 1974, Verz. Nr. A 1, Abb. 160. Siehe
auch im vorliegenden Katalog die von Meijer zusam
Verfall soll hier eher das pittoreske Moment
mengestellte Liste von Addenda und Korrigenda zu
betont werden. Bringt die Baufälligkeit der dem von Grisebach verfassten Werkkatalog, Nr. A 4.
Zwei Fragen zum Schluss Szenerie mit ihren brüchigen Möbeln, dem 24 Grisebach, 1974, Verz. Nr. A 2, Abb. 161.
schartigen Mauerwerk und windschief in den 25 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 3, Abb. 164 und Verz.
Zwei ganz unterschiedliche Fragen blieben Angeln hängenden Türen in Kombination mit Nr. B 4, Abb. 165. Zum erstgenannten Werk siehe
auch im vorliegenden Katalog die von Meijer zusam
bis jetzt offen und werden wahrscheinlich der Üppigkeit der zur Schau gestellten Speisen
mengestellte Liste, Verz. Nr. A 5.
auch nie endgültig geklärt werden können. nicht gerade eine Romantisierung des einfa 26 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 5, Abb. 172.
Warum wählte Kalf für sechs seiner Gemälde chen, guten Lebens auf dem Lande zum Aus 27 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 1, /\bb. 173; David
Kupfer als Bildträger und nicht wie gewohnt druck? Kuretsky vertritt in einer Besprechung Fiozzi, Les tableaux hollandais des XV!le et XVIIIe sie-
Holz oder Leinwand? Kupfer war in Europa zu Kalfs Bauernstilleben in Detroit die An cles du musee des Augustins, Toulouse 2004, Nr. 22.
28 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 2, Abb. 174.
besonders in der Zeit von 1575-1650 bei den sicht, dass gerade in der Darstellung verfalle
29 Claus Grimm, Stilleben, Die niederländischen und
Künstlern als Bildträger beliebt. Die glatte ner Objekte eine Vorliebe für das Pittoreske zu deutschen Meister, Stuttgart, Zürich 1988, S. 156-157,
Oberfläche des Kupfers wurde vermutlich erkennen sei. ’0 Die Freude an der Wiedergabe Abb. 100-101; mit Dank an Axel Hemery, Konserva
deshalb als Malgrund bevorzugt, weil sie kei oft außergewöhnlicher Gebrauchsgegenstän tor im Musee des Augustins, der mir den Hinweis auf
nerlei Spuren im Farbauftrag hinterließ.35 Die de in Verbindung mit üppigem, vielfältigem diese Stelle gab.
30 Grisebach, 1974, Verz. Nr. C 7, Abb. 176. Siehe
Idee, Kupfer als Bildträger zu verwenden, hat Gemüse scheint vor allem die pittoresken As
auch Verz. Nr. B 2 in der Liste von Meijer, seiner Mei
Kalf wahrscheinlich aus Holland mit nach Pa pekte des bäuerlichen Lebens zu verkörpern. nung nach nur zu einem Teil von Kalf gemalt.
ris gebracht, denn unter französischen Künst 31 Grisebach, 1974, Verz. Nr. C 8, Abb. 178.
lern war dies scheinbar eine völlig unbekann 32 Grisebach, 1974, Verz. Nr. C 15, keine Abb. Siehe
te Praxis.36 Auf der anderen Seite war es auch auch Nr. B 1. in der Liste von Meijer.
Anmerkungen 33 Vergleiche Ausst. Kat. Les freres Le Nain, Grand Pa
keine für Rotterdam spezifische Erscheinung. 1 Allgemein siehe Grisebach, 1974. lais, Paris 1978-79.
Von Hendrick Sorgh beispielsweise, der hier 2 Van Gelder, 1941, S. 40 und 1942, S. 41. 34 Siehe Jacques Thuillier, im Ausst. Kat. Sebastien
als Lehrmeister Kalfs angenommen wurde, 3 H.E. van Gelder, »Aanteekeningen over Willem Bourdon 1616-1671, Musee Fabre, Montpellier, Les
Kalf en Cornelia Pluvier«, Oud Holland 59 (1942), S. Musees de Strasbourg, Straßburg 2000/2001, S. 197,
existiert kein einziges auf Kupfer ausgeführtes
43 und Grisebach, 1974, S. 197-198. Siehe auch die Kat. Nr. 59.
Gemälde. Kalf experimentierte zwar einige Biographie von Lammertse und Szanto im vorliegen 35 Siehe Edgar Peters Bowron, im Ausst. Kat. Copper
Male mit diesem Material, es schien ihm aber den Katalog. as canvas, Phoenix. Phoenix Art Museum, Kansas
wohl nicht interessant genug, um es in gro 4 Für mehr Details zu dieser Frage siehe die Biogra City, The Nelson-Atkins Museum of Art, Den Haag,
ßem Stil einzusetzen. phie von Lammertse und Szanto. Koninklijk Museum van Schilderijen Mauritshuis,
5 A. Houbraken, De Groole Schouburgh der Neder- 1998-1999, S. 25.
Nun bleibt noch die Frage, ob den Bauern
lantsche Konstschilders en Schilderessen, Amsterdam 3ö Übersicht bei Bowron (ibid.), S. 9-30.
interieurs möglicherweise eine tiefere Bedeu 1718-1719» Teil 2, S. 218-219. 37 James, op. cit. note 9» S. 140.
tung zugrunde liegt. Grisebach geht davon 6 Bergström, 1956, S. 275. 38 M. Klinge-Gross, im Ausst. Kat. Jean Simeon Char
aus, dass die häufig von Kalf dargestellten 7 Grisebach, 1974, S. 36. din, Werk, Herkunft, Wirkung, Staatliche Kunsthalle,
Motive auch eine ikonographische Bedeu 8 Siehe F.G. Meijer, Vie Ashmolean Museum Oxford,
Karlsruhe 1999, S. 304.
Dutch and Flcmish Still-life Paintings, Zwolle 2003, S.
tung haben, die der Autor allerdings selbst 39 Ausst. Kal. Het Nederlandse stilleven 1550-1720,
227, Anm. 2.
nicht vorgeschlagen hat. Im Laufe der Zeit Rijksmuseum, Amsterdam, The Cleveland Museum
9 Das jüngste Essay dazu: Roel James, »Van »boeren-
verstiegen sich die Autoren immer wieder zu of Art, Cleveland 1999/2000, Kat. Nr. 47.
huysem en >stilstaende dinghen««, Ausst. Kat. Rotter-
40 S. D. Kuretsky in Masters of Dutch Painting, Tie
oft gewagten ikonographischen Interpretatio damse meestcrs uit de Gouden Ecuw, Historisch Mu
Detroit Institute of Arts, Detroit 2004, S. 126.
nen zahlreicher Objekte aus den verschiede seum, Rotterdam 1994/1995, S. 133-141.
nen Bauernstilleben. Allerdings sind nirgends 10 M. Klinge-Gross, »Herman Saftleven als Zeichner
und Maler bäuerlicher Interieurs«, Wallraf-Richartz-
literarische oder künstlerische Quellen als Be Jahrbuch 38 (1976), S. 68-91.
leg zu finden. James äußerte, dass der vanitas- " J. H. Buma, Francois Ryckhals 1609-1647, een schil-
Gedanke, der Hinweis auf die Vergänglichkeit dercnde magier uit Middelburg, Goes 1994.
des Lebens, in allen Bauernstilleben greifbar 12 W. Schulz, Cornelis Saftleven 1607-1681 Leben
Willem Kal] in Rotterdam und Paris: die bäuerlichen Interieurs - Jeroen Giltaij 41
1 Bäuerliches Interieur
erschiedenste Objekte häuten sich im Grisebach beschäftigte sich besonders mit der öl auf Holz, 32,2 x 26,2 cm
V Bildvordergrund, in deren Mitte ein Frage, ob Gemälde Kalfs existieren, die bereits Signiert und datiert unten rechts: WK 1638
New York, Sammlung Evelyne Walborsky
großer irdener, brauner Topf zu sehen vor der Pariser Zeit entstanden sind. Zu diesen
ist. Ein kupferner Kessel ist schief darauf gestellt. würde, zumindest der Jahreszahl 1638 nach, Provenienz:
Auf dem Boden davor liegen zwei Zwiebeln und auch das vorliegende Gemälde aus Privatbesitz Galerie Alfred Brod, London; Sammlung
eine Muschelschale. Rechts davon steht ein wei zählen. In der Ausführung der Malweise be Emile E. Wolf, New York.
teres Gefäß, ein Kochtopf von dunkler, grünli zeichnet Grisebach es als »ungelenk«. Im Aufbau
Ausstellungen:
cher Farbe, dessen Inneres in einem gelblichen von Bildmittel- und Bildhintergrund folgt das
Catalogue of paintings by old masters, exhibit-
Farbton gehalten ist. Eine weitere Muschel, eine New Yorker Gemälde seiner Meinung nach dem ed at the Gallery ofAlfred Brod, London, 1956.
Knolle und eine Pfeife liegen verstreut vor dem in Paris entstandenen Bäuerlichen Interieur aus Kat. Nr. 18; Still Life Painters, New York, Finch
Topf, dahinter ein Zwiebelstrang. Nicht mehr der Fondation Custodia, Paris.1 Dies führt ihn College Museum of Art, 1965, Kat. Nr. 59.
genau zu erkennen ist, um welchen Gegenstand zu dem Schluss, dass Signatur und Jahreszahl
Literatur:
es sich etwas weiter rechts handelt. Hinter Koch »WK 1638« gefälscht sein müssten, und dass das
Grisebach, 1974, S.37, 289, Verz. Nr.Cll,
topf und Zwiebelstrang ist ein großes hölzernes Gemälde eigentlich zu einem viel späteren Zeit Abb. 169.
Fass dargestellt, das Monogramm und Jahreszahl punkt in Anlehnung an das Pariser Bauerninte
»WK 1638« trägt. Darauf liegt ein weißes Tuch. rieur entstanden sein müsse.
Eine massive Holzstruktur, wahrscheinlich ein Sind diese Schlussfolgerungen wirklich korrekt?
Balken, ragt dahinter schräg hervor. Ein dicker Ist ein Vergleich mit dem Pariser Bäuerlichen In
Nagel ist dort eingeschlagen, von dem ein Seil terieur nicht etwas weit hergeholt? Lediglich der
herabhängt. Links des großen Topfes im Vorder kupferne Kessel und die Frau am Feuer stimmen
grund steht ein Schuh sowie ein leicht beschä vom Motiv her miteinander überein, wobei das
digter Krug: ein Stück des Ausgusses ist weg New Yorker Gemälde im Unterschied zu jenem in
gebrochen. Wieder findet man Muschelschalen Paris eine sitzende Frau zeigt und keine stehende.
- dieses Mal von ihrer blauen Innenseite gezeigt. Lässt sich schlussendlich die Malweise wirk
Hinter einer Rübe ist auch der zweite Schuh zu lich als »ungelenk« bezeichnen? Vielmehr ist
entdecken. Auf einem vierkantigen Schemel lie doch ein rasch ausgeführter, »flotter« Duktus zu
gen eine Pfeife und Tabak auf einem Stück Pa erkennen, der in den Lichtreflexen auf Steingut
pier, in einer Schale glühen Kohlen. und Kupfer geradezu meisterlich ausgeführt ist.
Hinter diesem Ensemble von Gegenständen Warum wird die Authentizität des Monogramms
erhebt sich eine Mauer aus Backsteinen, die links »WK« angezweifelt? Was spricht dafür, die Jah
oben in einem Bogen ausläuft. Eine Flasche steht reszahl 1638 als Entstehungsjahr zu widerlegen?
rechts in einem Fenster oder einer Nische. Willem Kalf, 1638 gerade erst 19 Jahre alt, wird
Links der Mauer steht ein aus Backstein ge das Gemälde wohl eher vor seinem Umzug nach
fügter Trog mit schiefem Deckel. Darauf liegt Paris noch in Rotterdam gemalt haben. Zwar zeigt
ein auf den Kopf gestellter Kochtopf aus rotem es alle Elemente, die auch in seinen späteren Pa
Steingut. Im Hintergrund links beschäftigt sich riser Bauerninterieurs zu finden sind, jedoch kei
eine Frau mit einem Topf, der über einem hell nen einzigen typisch französischen Gegenstand.
züngelnden Feuer hängt. Sie trägt einen blauen Im Gegenteil, der schief stehende Kochtopf ist ein
Mantel und ein weißes Kopftuch. durch und durch holländisches Motiv.
Das Gemälde zeichnet sich besonders durch Eine ganze Anzahl von Elementen, wie z. B. die
den vielfältigen Einsatz von Lichtreflexen aus, Schuhe, die Muscheln, die Pfeife, die am Rand
die zumeist mit feinen weißen Pinselstrichen beschädigte Kanne, die Tonne und der Kupfer
ausgeführt wurden, wie beispielsweise auf dem kessel findet man auch in dem bäuerlichen Inte
liegenden Krug links, auf dem Rand des großen rieur Fröhliche Gesellschaft in einer Herberge von
stehenden Topfes und auf dem Kessel oder dem Hendrick Sorgh, dem hier als Lehrmeister Kalfs
Kochtopf rechts unten. Entschieden kräftiger ist vorgestellten Maler. Das Werk befindet sich heute
die Farbe jedoch bei den gelblichen Lichtspiege in Worcester (siehe S. 36, Abb. 1).
lungen am Kupferkessel und dem Zwiebelstrang Das New Yorker Gemälde belegt also, dass Kalf
aufgetragen worden. sich bereits in seiner Geburtstadt Rotterdam mit
An der einen oder anderen Stelle wirkt es, als dem Thema beschäftigte, das er später in Paris
schiene roter Bolusgrund hindurch, wie auch so gut auszuführen verstand und das einen so Anmerkungen
auf dem Karlsruher Gemälde (Kat. Nr. 9). großen Anklang finden sollte. JG 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 12, Abb. 19.
42 Die Bauerninterieurs
2 Bäuerliches Interieur mit Frau am Brunnen
as Gemälde ist von außergewöhnlich dann allerdings aus einer anderen Perspektive Öl auf Holz, 42x71,8 cm
Provenienz:
solch breitem Format gearbeitet hat, diese Tafeln Entstehungszeit des Gemäldes aus, ohne aller Kardinal Joseph Fesch (1763-1839), Erzbi
dann allerdings von späteren Besitzern in klei dings eine genaue Datierung zu treffen. Indem er schof von Lyon, Versteigerung Rom, 17. März
1845, Kat. Nr. 116-482; Baron E. de Beurnon-
nere Teilgemälde zerlegt wurden. es in seinem Buch über Kalf als erste Abbildung
ville, Paris, Versteigerung Paris, 9. Mai 1881,
Ein weitläufiger Blick bietet sich hier in das wählt, suggeriert er allerdings eine Entstehung in Kat. Nr. 347; Galerie Ch. Sedelmeyer, Paris;
Innere einer Scheune. Mittelpunkt der Szene ist der frühesten Schaffensphase Kaifs, also um das Alfred Thieme, Leipzig, ab 1896; 1916 aus
eine Frau am Brunnen sowie verschiedenste Ge Jahr 1640. Es stünde dann den Gemälden seines dieser Sammlung erworben.
müse und Gebrauchsgegenstände. hier als Lehrmeister vorgestellten Rotterdamer
Ausstellungen:
Gerade hat die Frau einen Eimer Wasser an Malers Hendrick Sorgh noch immer nahe.
Ausstellung alter Meister aus Leipziger Privat
einem Seil aus dem Brunnen hochgezogen. Vor De Jongh interpretiert das Motiv des Besens besitz, Leipzig, Leipziger Kunstverein, 1914,
ihr hängt ein Stück Fleisch an einem Haken und in Sorghs Werk - oder doch wenigstens die Tä Kat. Nr. 198; Der Bauer und seine Befreiung,
im Vordergrund sieht man einen großen kup tigkeit des Fegens - ikonologisch mit der Be Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, 1975,
fernen Kochkessel, darin eine Zinnschüssel und deutung der »Austreibung des Sündigen und Kat. Nr. 165; Meisterwerke der Renaissance
und des Barocks aus dem Museum der bilden
andere Teller. Dahinter steht ein mit Tierhaut Unreinen«. Der Besen kann seiner Ansicht nach
den Künste Leipzig, Yokohama, Sogo Museum
verschlossener Vorratstopf, Reste einer Glasur sowohl unmittelbar zur Beseitigung des im Bild of Art, Hokkaido, Museum of Modern Art,
zieren noch seine Vorderseite. Links liegt ein vordergrund liegenden Unrats dienen, als auch Hiroshima, Hiroshima Museum of Art, 1985,
dicker Kürbis, davor Porreestangen, langstielige im übertragenen Sinne dazu, »das zur Schau ge S. 87, 171, Kat. Nr. 53, Abb.
Karden und Zwiebeln. Das blumenartige Ge stellte Böse« auszutreiben.5 Eine solche Bedeu
Literatur:
müse, das auf zahlreichen weiteren Gemälden tung kann dem Gemälde Kaifs nicht beigemes
Catalogue des tableaux composant la galerie
Kalis zu sehen ist, kann nicht genau identifiziert sen werden. de feu son Eminence le Cardinal Fesch, Rom,
werden. Auf einem umgestülpten Bottich sitzt Grisebach erwähnt zwei Kopien, eine befand 1841, Nr. 482; W. Bode, »Die Gemäldegale
eine Katze, die von einem Zinnteller frisst. Ein sich vormals im Louvre, ihr heutiger Verbleib ist rie Alfred Thieme in Leipzig«, Zeitschrift für
Besen lehnt schräg an den Holzbohlen eines unbekannt, die andere vormals auf dem Londo bildende Kunst N.F. 11 (1900), S. 144; Grise
bach, 1974, S. 43, 45, 67, 68, Kal. Nr. 5, Abb. 1;
Verschlags. Im schattigen linken Vordergrund ner Kunstmarkt.6
S. Heiland, Museum der bildenden Künste
liegen ein aus Weidenzweigen geflochtener Korb JG Leipzig. Katalog der Gemälde, Leipzig 1979,
und auf einem Fass ein kupferner Milchkessel. 1 Willem Kalf, Inneres eines Bauernhauses nut S. 103, Kat. Nr. 1035; G. Winkler, Museum der
Im Hintergrund führt eine kleine Stiege zu einer einer Frau am Brunnen, Öl auf Holz, 25,5 x 21 cm. bildenden Künste Leipzig, Leipzig 1979, S. 156,
Tür, in der. es ist kaum zu erkennen, eine alte Saint Louis, Saint Louis Art Museum, Inv. Abb. 62; Ter Kuile, 1985, S. 122, Abb. VI-30a;
Nr. 93:47. D. Sander, Museum der bildenden Künste
Frau steht. Rechts im Bildhintergrund sind ei
Leipzig. Katalog der Gemälde, Leipzig 1995,
nige Kühe zu sehen. Ein Mann klettert auf einer S. 93, Abb. 312.
Leiter nach oben.
Verschiedene Elemente sind fast identisch in
anderen Bauernstfieben Kaifs wiederzufinden.
In ganz ähnlicher Weise ist auf einem Gemälde
in Saint Louis das .Motiv einer Frau am Brun
nen dargestellt, auch hier wieder ein Kürbis, eine
Kardenstaude und der schräg angelehnte Besen
(Abb.l).- Eine ganze Motivgruppe kehrt auf
einem Gemälde wieder, das sich im Historischen
Anmerkungen
Museum Rotterdam befindet (Leihgabe ICN): der 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 2, Abb. 2.
zugebundene große Topf mit Glasurrest, rechts 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 6, Abb. 6.
davon der umgekippte kupferne Kochkessel und ' Grisebach, 1974, Kat. Nr. 1, Abb. 4.
der Kürbis.2 Die vom Teller fressende Katze auf ‘ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 10, Abb. 18.
5 E. de Jongh, »De bezem als betekenisdrager:
der Tonne erscheint unter anderem auch auf
een iconologisch vermoeden«, Kwestis van
einem Gemälde Kaifs in privatem Besitz.’ Auch betekenis, Thema en motief in de Nederlandse
der Flechtkorb links unten ist in gleicher Weise schilderkunst van de zeventiende eeuw, Leiden
auf einem Gemälde in Karlsruhe (Kat. Nr. 9) dar- 1995, S. 211-212.
gestellt. Das Korbmotiv griff Kali häufiger auf, 6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 5a u. 5b.
44 Die Bauerninterieurs
3 Alter Mann mit Esel und Gemüse in einem Torbogen
in gemauerter Torbogen rahmt die Szene. Kalf zeigt sich in diesem Gemälde als meister Öl auf Kupfer, 40,1 x 25,4 cm
E Er ist mit verschiedenen Pflanzen und licher Landschaftsmaler, wie übrigens auch auf Signiert rechts auf einem Stein: KALF
Europa, Privatsammlung
Sträuchern bewachsen. Rechts steht ein dem Gemälde unter Kat. Nr. 4 . Sein besonde
Mann, der damit beschäftigt ist, Gemüse von res Talent bei der Darstellung von Tieren wird Provenienz:
einem Esel abzuladen. In seinen Händen hält er an der ausgesprochen gelungenen Ausführung R. Zahn, Versteigerung München, 21. No
ein dickes Bündel Karden. In dem Korb rechts des Eselskopfes deutlich. Auffallend ist auch die vember 1917, Kat. Nr. 26, Abb. 17; M. von An-
im Vordergrund liegen neben einem roten und Wahl des Torbogens als Bildmotiv. Sind das ver drenyi, München, 1971.
einem gelben Kürbis noch Spargel und eine fallene Mauerwerk und das kaputte Wagenrad Literatur:
Artischocke. Davor ist ein großes Bund Porree Sinnbild der Vergänglichkeit allen Irdischens? Grisebach, 1974, S.44, 67, 68, 215-216, Kat.
dargestellt, rechts davon ein paar Zwiebeln, links Dies scheint allerdings nicht sehr wahrschein Nr. 16, Abb. 12.
allem Anschein nach ein Blumenkohl, weiterhin lich - viel eher wird durch dieses Element das
eine Melone, zwei Gurken und ein Körbchen Pittoreske der Szenerie unterstrichen.
mit Möhren. Die große irdene Gießkanne davor Grisebach datiert das Gemälde kurz vor oder
dient vielleicht dazu, das Gemüse nass zu halten. um das Jahr 1642.
Am linken Torbogen lehnt ein Wagenrad, aus IG
dem ein Stück herausgebrochen ist. Hinter dem
Tor erstreckt sich eine weite Landschaft mit ei
nigen Kühen und einer melkenden Bäuerin. Vor
dem Hintergrund zeichnen sich die Spitzen ei
ner Bergkette ab. Fahlgelb leuchten die Wolken
im Licht der untergehenden Sonne.
Das Gemälde ist auf einer Kupferplatte gemalt,
deren Format wohl die doppelte Größe der an
deren von Kalf bekannten auf Kupfer gemalten
Werke hat (siehe auch Kat. Nr. 8 ). Weshalb sich
Kalf bei diesem Werk für Kupfer als Bildträger
entschied, ist nicht bekannt. Offensichtlich er
strebte er für diese Szene einen besonders feinen
und glatten Effekt, für den Kupfer bekannt ist.
Vielleicht handelt es sich bei diesem Bild auch
um ein Experiment, mit dem er den Effekt von
Kupfer als Bildträger ausloten wollte. Aber auch
in anderer Hinsicht handelt es sich hier um eine
besondere Arbeit. Zwar malte Kalf Porreestan
gen, Karden, rote und gelbe Kürbisse, Melonen,
Möhren und Gurken gern und häufig, einzigar
tig sind jedoch das einem Blumenkohl ähnelnde
Gemüse sowie die rote mit grünen Glasurflecken
versehene Kanne.
46 Die Bauerninterieurs
4 Bauern im Freien am Brunnen
(nur in Rotterdam)
u den wohl schönsten Gemälden, die das früheste datierte Werk, das aus seiner Pariser Öl auf Holz, 32 x 24 cm
Z Kalf in der frühen französischen Perio Zeit bekannt ist. Kalf war damals 23 Jahre alt. Signiert und datiert auf dem Trog rechts:
KALF/1642
de schuf, zählt dies signierte und 1642 Mit der Darstellung von Notre Dame hat der
Privatsammlung
datierte Werk. Es zeigt einen Bauern und eine Maler die Szene eindeutig nach Paris verlegt
Bäuerin bei der Arbeit am Brunnen, im Pariser oder wollte zumindest darauf hinweisen, dass es Provenienz:
Auktionskatalog von 1764 übrigens idyllischer sich um die französische Version des Rotterda (Nicht wie Grisebach vermutet: Versteige
Un fardinier & une Jardiniere (ein Gärtner und mer Bauernstillebens handelte. Auffallend sind rung Jean-Fran^ois de Troy (1679-1752), Pa
ris, Remy, 9.-19. April, 2.-5. Mai 1764, Kat.
eine Gärtnerin) genannt. Der Mann hat einen übrigens die großen Bäume, die in keinem an
Nr. 63) Dr. Freiherr von Schwarz-Senborn,
Eimer voll Wasser geschöpft, die Frau sitzt vor deren Werk Kalfs zu finden sind. Wien; Versteigerung Amsterdam, Mensing,
ihm auf einem niedrigen hölzernen Fass. Der Laut Grisebach ist das Tafelbild in seinem 13. Juli 1926, Kat. Nr. 737, Abb.; Versteigerung
hölzerne Galgen, an dem ein Flaschenzug befes- heutigen Zustand beschnitten worden. Er äu Amsterdam, Mensing, 20.-22. Juni 1928, Kat.
tigt ist, ist auf einen Weidenast gestützt. Wie aus ßert sich allerdings nicht dazu, wieviel und an Nr. 29 (/ 2100,- an Goudstikker); Galerie J.
Goudstikker, Amsterdam, 1928; S. Buche
Sicht des Betrachters zu erkennen ist, umgibt welcher Seite etwas fehlt. Seine Theorie basiert
nau, Niendorf (?); Franz Buchenau, Solingen
die Mauer den Brunnen nicht vollständig. Ge- auf der Tatsache, dass zwei ähnliche Gemälde (1934-1946 Leihgabe an das Rijksmuseum,
gen den großen steinernen Trog lehnt eine Kie existieren, seiner Meinung nach Kopien. Auf Amsterdam); Galerie Julius Böhler, München,
pe mit Gemüse, zuoberst liegt ein großer Kohl einem dieser Bilder ist links eine Windmühle zu 1963; Versteigerung Paris, 20. März 1964, Kat.
kopf. Dieser Tragekorb ist in identischer Weise sehen und ein Baum mit breiter Krone, auf dem Nr. 39; Sammlung Dr. H.A. Wetzlar, Amster
dam.
auf dem Gemälde dargestellt, das sich ehemals zweiten Bild ist Raum belassen zwischen dem
in der Sammlung Schloss in Paris befand.1 Auch hängenden Seil und dem Korb.11 Letzteres ist sig Ausstellungen:
der runde Kürbis ist ein häufiges Motiv, bei- niert und trägt ebenfalls das Datum 1642. Gri De kunst van het verzamelen, keuze uit twee
spielsweise auf den Gemälden in Leipzig (Kat. sebach betrachtet es aufgrund der »sklavisch« Nederlandse collecties, Laren, Singer Museum,
Nr. 2) und in Saint Louis.2 Rechts vom Korb liegt ausgeführten Signatur als Kopie. Aber es könnte 1966, Kat. Nr. 28, Abb. 21.
ein großes Bündel Mangold, wie wir es in dersel sich durchaus um eine eigenhändige Wiederho
Literatur:
ben Anordnung in dem Gemälde sehen, das sich lung handeln. Catalogue des nouvelles acquisitions de la Coll
ehemals in der Sammlung Girardet in Kettwig Das Gemälde (oder eine der beiden Wieder ection Goudstikker, Amsterdam, Nr. 35, Okto
befand3, oder auf den Werken in Metz'1 und New holungen) wird erstmals 1764 in einer Verstei ber-November 1928, Kat. Nr. 17; Van Gelder,
York.5 Dasselbe Bündel Mangold ist weiterhin gerung in Paris als ein Werk aus der Sammlung 1941, S.43, Abb. S. 41; A. Heppner, »Rotter
dam as the Centre of a Dutch Teniers Group««,
auf dem Gemälde in Rotterdam (Kat. Nr. 11) zu des französischen Malers Jean-Francois de Troy
Art in America 34 (1946), S. 28, Abb. 13; Gri
finden, ebenso auf den Fassungen in Straßburg (1679-1752) erwähnt. Es wäre interessant gewe sebach, 1974, S.44, 48, 61, 63, 66, 67, 68, 72,
und Karlsruhe6, sowie auf jenem, dass sich vor sen, wenn es sich im Besitz des Malers befun Kal. Nr. 20, Abb. 22; M. Jager, Voorkeurcn. een
mals in der Galerie Van Diemen befand.7 Auf den hätte, doch es gehört zu den Werken, die particidiere collectie, Utrecht 1985, S.40, Abb.
den Gemälden aus der ehemaligen Sammlung in dieser Versteigerung den Gemälden aus der
Schloss (siehe Anm. 1) und in Dijon sieht man Sammlung von De Troy hinzugefügt wurden.12
ebenfalls Mangold, allerdings seitenverkehrt Das Gemälde muss nach seinem Entstehen, also
Anmerkungen
dargestellt/ Die Endivien, die drei Gurken im bis mindestens zum Jahr 1764, in Frankreich 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 18, Abb. 21.
Vordergrund, der Flaschenkürbis und die große verblieben sein. 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 2, Abb. 2, Kat. Nr.5,
Kalebasse kehren ebenfalls auf anderen Werken IG Abb. 5
wieder. Einzigartig ist allerdings das große Bund 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb.20
weißer Rüben im Vordergrund, eine Art Zu 4 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 23, Abb.25
5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 46, Abb. 38
ckerrübe (nieder!.: suikerbiet), die heute nicht 6 Grisebach, 1974, Kat. Nr.48, /\bb.49 u. Kat.
mehr angebaut wird. Nr. 49, Abb. 51.
Links ist in der Ferne der Umriss einer Stadt 7 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 53, Abb. 55.
zu sehen, in der man früher oftmals Brüssel zu * Grisebach, 1974, Kat. Nr. 22, Abb. 24
9 Im Katalog Goudstikker, 1928.
erkennen glaubte.9 Heute geht man davon aus,
10 Im Katalog Goudstikker, 1928.
dass es sich um Paris handelt, da man anhand 11 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 20a, Öl auf Holz,
der dargestellten Türme die Kathedrale von 34,5 x 25,5 cm oder 35,5x27,5 cm, ehemals
Notre Dame erkennen kann. Sammlung Lyndhorst, Brüssel, Kat. Nr. 20b,
Auf dem Trog ganz rechts steht in Kapitalen kein Träger oder Maße, signiert: W. Kalf 1642,
Galerie Edward Speelman, London, 1971.
die Signatur »KALF« und darunter die Jahres Maße, in RKD: 34,9x27,2 cm.
zahl, die früher als 1652 gelesen wurde10, aber 12 Mit Dank an Christophe Leribault (Mittei
wohl eher 1642 sein muss. Das Gemälde ent lung Oktober 2005), Autor der Monographie
stand in den ersten Pariser Jahren Kalfs und ist Jean-Fran^ois de Troy 1679-1752, Paris 2002.
Die Bauerninterieurs
48
5 Bäuerliches Interieur mit Frau am Butterfass
entrales Motiv des Gemäldes ist die hinter ihre Flamme auf der Wand eine schwarze Ruß Öl auf Leinwand, 31 x23,5 cm
Z einem Butterfass stehende Frau. Mit ih spur hinterlassen. Auf dem Gemälde in Metz Signiert links unter der Bank: W. KALF
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beunin-
rer rechten Hand hebt sie den Deckel des (siehe Anm. 2) sind ein ungefähr vergleichbares
gen, Leihgabe Stiftung Willem van der Vorm,
Fasses an. Das Fass steht auf drei hohen Beinen, Tischchen mit Tuch und eine in einer Nische Inv. Nr. vdV 43
ein Fassband ist seitlich verrutscht. Das gleiche stehende Flasche abgebildet. Im Bildhintergrund
Butterfass ist auch auf dem Gemälde aus Privat steht eine Tür halb offen. Darüber befindet sich Provenienz:
besitz (Kat. Nr. 8) abgebildet. Auf dem Interieur, ein rechteckiges Oberlicht und nicht, wie so oft Sammlung Poullain, Paris, 15-21 März 1780,
Kat. Nr. 67 (für 196-1 an De Vouge); Samm
das sich ehemals in der Sammlung Girard be dargestellt, ein halbrundes. lung Hudtwalcker, Hamburg, 1863; Privat
fand, ist es ebenfalls zu finden, dort allerdings Im Hintergrund rechts ist ein Mann zu sehen, besitz Deutschland; am 14. April 1938 von
mit geraden Bändern.1 Im Vordergrund liegt der auf einer Leiter nach oben geklettert ist. Willem van der Vorm erworben von der Ga
ein kupferner Milchkessel mit dazugehörigem Derselbe, auf einer Leiter stehende Mann ist auf lerie Internationale (H. Maas), Den Haag, zu
Deckel. Dieses Motiv findet sich in identischer dem Gemälde in Karlsruhe (Kat. Nr. 9) wieder sammen mit einem Gemälde aus dem Gerard
Dou-Umkreis, VdV 20, für / 5500,-.
Weise auf gut zwölf weiteren Gemälden, wie bei gegeben, allerdings in Rückenansicht. Auf den
spielsweise auf dem Gemälde in Metz.2 Hier ist Dachsparren über ihm liegt ein Korb, von dem Ausstellungen:
sogar die Strauchendivie gleich angeordnet. Der ein Seil herabhängt. Rechts im Hintergrund sitzt Schilderijen, teekeningen en beeldhouwwerken
dahinter liegende große Grünkohlkopf kehrt eine Frau mit dem Rücken zum Betrachter am uit particuliere Nederlandse verzamelingen,
auf dem Gemälde im Louvre (Kat. Nr. 7) sowie Feuer. Vermutlich bereitet sie eine Mahlzeit zu. Rotterdam, Museum Boymans, 1938-1939,
Kat. Nr. 19; Drie en zestig schilderijen uit de
auf zwei Werken in Göteborg wieder.3 Der gro Dieselbe Frau in Rückenansicht ist ein häufig
verzameling Willem van der Vorm, Rotterdam,
ße mit einem Tragestock versehene Korb rechts von Kalf dargestelltes Motiv. Museum Boymans, 1950- 1951, Kat. Nr. 50; Ne
im Vordergrund erscheint in identischer Dar- Grisebach geht davon aus, dass die Ränder derlandse stillevens uit vier eeuwen, Dordrecht,
Stellung auf den Gemälden in Rom ’, Rotterdam der Leinwand später weiter umgeschlagen wur Dordrechts Museum, 1954, Kat. Nr. 60.
(Kat. Nr. 11) und auf dem ehemals in Kasseler den, als dies ursprünglich der Fall war, da das
Literatur:
Privatbesitz5 befindlichen Werk. In gespiegelter Sieb links im Bild heute nur noch halb zu sehen
G. Parthey, Deutscher Bildersaal, Bd. 1, Berlin
Position ist der Korb auf zwei weiteren Arbei ist. Belegt werden kann diese These allerdings 1863, S. 651, Nr. 8; Grisebach, 1974, S. 70,221,
ten in Epinal6 und in Karlsruhe (Kat. Nr. 9) zu nicht. Kat. Nr. 26, Abb. 28; F. Lammertse in Ausst.
sehen. Übrigens konnten auch die von Grisebach ge Kal., De verzameling van de Stichting Willem
Etwas weiter im Bildhintergrund ist allem An- nannten Spuren einer Jahreszahl unterhalb der van der Vorm in het Museum Boymans-van
Benningen, Rotterdam 1994, Kat. Nr. 21.
schein nach Brennholz aufgeschichtet, dahinter Signatur nicht gefunden werden.
befinden sich ein Kürbis und wiederum dahin Aufgrund der Malweise schließt Grisebach Anmerkungen
ter ein Tischchen mit einem herabhängenden auf eine Entstehungszeit vor derjenigen des Ge 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb. 20.
Tuch. Auf dem Tisch stehen zwei Teller und mäldes im Louvre (Kat. Nr. 7), das er zwischen 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 23, Abb. 25.
ein Eierkörbchen. In einer Wandnische steht 1642 und 1643 datiert. 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58 u. Kat.
Nr. 58, Abb. 59.
eine Flasche Wein, links darüber hängt ein Sieb. Dieselbe Bildkomposition mit Türöffnung,
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 19, Abb. 17.
Rechts neben der Wandnische befindet sich eine Teller und Eierkörbchen auf dem Tisch, Brenn 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 51, Abb.54.
heruntergebrannte Kerze. Deutlich sichtbar hat holz und Kürbis entdeckte Grisebach im Muse 6 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 33, Abb.37.
um De Fundatie in Heino in einem auf Kupfer 7 Grisebach, 1974, Verz. Nr. B 5, Abb. 172.
1 Nachfolge von Willem Kalf, Inneres eines Bauern gemalten Werk wieder, welches er folglich als 2 Jacob Cats, Sinne-beeldt. De heymisse en
hau st’5, Öl auf Kupfer, 14,4 x 17,6 cm, Heino, »eklektische Kopie« bezeichnet (Abb. I).7 cygenschap des Christelycken Self-Stryts.
Museum De Fundatie. Auf der Suche nach einer möglichen ikono- Sinnebeeldt Openende de heymcnisse ende
graphischen Deutung soll auf einen Stich in rechten aert des Christelickcn SelJ-Stryts, in
einem Buch Jacob Cats aus dem Jahre 1655 ver Alle de wercken, so oude als nieuwe, Ams
wiesen werden. Der Text lautet dort: »De keerne terdam, 1655, 3. Buch, Zelf-stryt, S. 28-30.
sy de mensch«, das heißt das Butterfass sei der
Mensch. Wie im Butterfass findet im Inneren
des Menschen ein Kampf zwischen dem Gu
5— ^
ttg jll f c
g--- 4
Die Bauerninterieurs
50
6 Bäuerliches Interieur, im Hintergrund Frau am Kamin
n einer Bauerndiele steht rechts ein Tisch. Er Das Gemälde in Detroit zeigt als zentrales Mo Öl auf Holz, 20,2 x 18,5 cm
I ist Zentrum des auf und um ihn drapierten tiv einen alten Schrank mit schief in den Angeln Berlin, Staatliche Museen zu Berlin,
Gemäldegalerie, Kat. Nr. 948H
Stillebens. Im Vordergrund liegen eine große hängenden kaputten Türen. Chong und Kloek
Kallebasse und ein Kürbisschnitz. Rechts vorn erkennen hierin Zeichen eines »von Armut und Provenienz:
liegen zwei Zwiebeln, auf einer Kiste steht ein Elend geprägten Daseins«.2 Die Üppigkeit der Wahrscheinlich J. A. de Silvestre, Versteige
Messgefäß aus Zinn. In dem Korb auf dem Boden zur Schau gestellten Speisen deutet jedoch eher rung Paris, Regnault, 28. Februar - 25. März
vor dem Tisch liegen ein Kohlkopf und zwei Gur auf das Gegenteil hin. Das dem Verfall preisge 1811, Nr. 38 zusammen mit Grisebach, 1974,
Kat. Nr. 29 (fr. 167,- und nicht 1678,-wie Gri
ken. Ein Besen ist an den Tisch gelehnt. gebene Interieur verstärkt vielmehr die Atmo
sebach schreibt); Monsieur Lavallee, General
Auf der Tafel stehen ein hoher schartiger But sphäre des Pittoresken.3 sekretär des Museums, Versteigerung Paris,
tertopf, ein großer kupferner Kochkessel sowie Die Darstellung scheint eher auf eine Roman Paillet, 9. März 1818, Kat. Nr. 8 zusammen
ein Teller mit aufgeschnittener Melone. Links tisierung des einfachen Lebens auf dem Lande mit Gr. Kat. Nr. 29 (fr. 200,-); Versteigerung
erkennt man eine Flasche Rotwein. Vom Tisch zu verweisen, wie sie damals so populär war und Berlin, Lepke, 7. Mai 1895, Kat. Nr. 305 (zu
sammen mit 306); möglicherweise Versteige
fallen die Draperien eines weißen Tuches. An beispielsweise auch im CEuvre des etwas älteren,
rung München, Helbing, 25. April 1904, Kat.
der Wand hängt ein Bündel mit drei Kerzen. Der aus Haarlem stammenden Malers Adriaen van Nr. 60 (Grisebach: Es könnte sich auch um
Stumpf einer an der Wand befestigten Kerze hat Ostade (1610-1685) wieder zu finden ist. Seine Kat. Nr. 29 handeln); 1906 als Geschenk von
eine Rußspur auf dem Mauerwerk hinterlassen. bäuerlichen Interieurs sind ebenso pittoresk wie Wilhelm Bode erworben.
Das Stilleben ist vor einem rundbogenförmi jene Kalfs. Beide Maler wandten sich diesem Su
Ausstellungen:
gen, verfallen wirkenden Durchgang aufgestellt. jet ab den vierziger Jahren des siebzehnten Jahr
Keine.
Es ist nicht auszumachen, was sich dahinter be hunderts verstärkt zu.
findet. Links vorn im Boden ist eine hölzerne JG Literatur:
Falltür mit eisernen Scharnieren zu sehen. Am Grisebach, 1974, S.70, 222, Kat. Nr. 28,
Feuer im Bildhintergrund bereitet eine Frau das Abb. 30.
Essen zu. Sie ist in Rückenansicht dargestellt.
Die meisten dieser Bildelemente begegnen
uns auch in anderen Gemälden Kalfs, die um
dieselbe Zeit entstanden sind - besonders häufig
darunter der Besen, das drapierte weiße Tisch
tuch, der große Kürbis mit Fruchtschnitz, der
Kupferkessel sowie die angeschnittene Melone.
Ein merkwürdiges Detail ist der hohe gebors
tene Buttertopf, der auch auf dem Gemälde im
Louvre wieder zu finden ist (Kat. Nr. 7).
Im 19. Jahrhundert wurde zusammen mit
dem Gemälde aus Berlin ein weiteres Tafelbild
verkauft, das sich heute im Detroit Institute of
Arts befindet, und in Höhe und Breite unge
fähr einen Zentimeter größer ist (Abb. I).1 Ob
Kalf diese beiden Werke wirklich als zueinan
der gehörende Pendants schuf, bleibt fraglich.
Grisebach weist darauf hin, dass dies zeitweise
der Fall gewesen ist, aber ursprünglich so nicht
geplant war. Dagegen sprechen auch die unter
schiedlichen Maße der beiden Bilder.
Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 29, Abb. 31.
2 A. Chong, W. Kloek in Ausst. Kat. Het Ne-
derlandse stilleven 1550-1720, Amsterdam,
Rijksmuseum, Cleveland, The Cleveland Mu
seum of Art 1999-2000, Kat. Nr. 47.
3 S. Donahue Kurelsky, The Detroit Instituteof
Arts, Masters of Dutch Painting, Detroit 2004,
Kal. Nr. 50; Verweis auf W. S. Gibson, Pleasant
Places, Ihe Rustic Landscape front Bruegel to
Ruisdael, California 2000, S. 141-177.
52 Die Bauerninterieurs
7 Bäuerliches Interieur mit Frau in einer Tür,
im Hintergrund Mann und Frau am Kamin
as Gemälde befindet sich seit 1784 im Auch der geborstene Buttertopfmit undefinier öl auf Holz, 40 x 52 cm
D Louvre und wird von Grisebach wegen barem Inhalt sowie das drapierte weiße Tuch ist Paris, Musde du Louvre, Inv. Nr. 1411
seiner Größe und seiner brillanten Mal von einem anderen Werk Kalfs bekannt: von
Provenienz:
weise als Hauptwerk aus der Pariser Zeit Kalfs dem Gemälde in Berlin (Kat. Nr. 6). Eine wei Francois Boucher (1703-1770), Versteigerung
betrachtet wird - sicherlich auch, weil es sich im tere Parallele findet sich zu dem Gemälde in Paris, Musier, 18. Februar - 9. März 1771, Kat.
Besitz des französischen Malers Francois Bou Amiens (siehe Anm. 1): das alte Schränkchen Nr. 21 (livres 600 an Trouard); Louis- Francois
cher (1703-1770) befunden hatte. Es ging dann mit schief in den Angeln hängender Tür. Links Trouard, Versteigerung Paris, 22-27 Februar
1779, Kat. Nr. 122, Comte de Vaudreuil, Ver
in den Besitz von Louis-Francois Trouard über, davon hängt übrigens das schon bekannte Bün
steigerung Paris, J. B. P. Le Brun, 24. Novem
dem Architekten und Bauleiter des französi del Kerzen. Zwei heruntergebrannte Kerzen, ber 1784, Kat. Nr. 54 (livres 801 an PaiJlet)
schen Königs. Später gelangte es in die Samm die rechts neben dem beschädigten Topf an der (Pendant van Bourdon, Kat. Nr. 82 dieses Ka
lung des Comte de Vaudreuil (Falkenjäger von Wand befestigt sind, haben dunkle Rußspuren talogs); auf dieser Versteigerung für 801 livres
Frankreich). 1784 erwarb es Comte d’Angiviller hinterlassen. Das blutige Stück Fleisch auf dem für die Sammlung Ludwig XVI. erworben;
Musee du Louvre.
für die Sammlung König Ludwigs XVI. Bei dem Tisch stellt Kalf anderswo meist an einem Ha
anderen Werk im Besitz Bouchers könnte es ken hängend dar. Links im Hintergrund sitzen Ausstellungen:
sich um ein Gemälde in Amiens1 handeln, das ein Mann und eine dem Betrachter abgewandte Exposition de 700 tableaux de toutes les Ecoles
ihm laut Fran<;oise Joulie als Vorbild für La Belle Frau am Feuer, ein typisches Element aus den ariterieures ä 1800 tires des Reserves du Depar
Villageoise gedient haben soll.2 Dieses Gemälde Bauerninterieurs Kalfs. tement des Peintures, Paris, Louvre, 1960, Kat.
Bouchers befindet sich heute in Privatbesitz. Nr. 423; Le siede de Rembrandt, Tableaux hol-
Das Gemälde ist nicht signiert oder datiert.
landais des collections publiquesfran^aises, Pa
In der Diele links ist ein Steintrog dargestellt, Grisebach vermutet eine Entstehungszeit zwi ris, Musee du Petit Palais, 1970-71, Nr. 119.
wie er auch auf dem Gemälde in Heino (Kat. schen dem 1642 datierten Gemälde aus Privat
Nr. 12) zu finden ist. Ein Eimer mit Seil steht auf besitz (Kat. Nr. 4) und dem seiner Meinung nach Literatur:
dem Trog. Daneben lehnt eine Kiepe mit Kürbis, 1643 gemalten Werk aus Heino (Kat. Nr. 12), Villot, Mus. Kat., 1852, Kat. Nr. 259; L. Viar-
wie schon auf dem Gemälde aus der früheren dot, Les Musees de France. Paris, guide et nie-
dessen Jahreszahl als 1645 zu lesen ist.
mento de l art ist e et du voyageur, Paris 1860,
Sammlung Schloss3, einem Gemälde in Privatbe Dies würde bedeuten, dass das Stilleben im S. 193; G. F. Waagen, Handbuch der deutschen
sitz (Kat. Nr. 4), und als Teilansicht links im Vor hier besprochenen Gemälde von Kalf nach der und niederländischen Malerschulen, Teil 2,
dergrund des Gemäldes in Heino (Kat. Nr. 12). Vorgabe des Gemäldes in Heino (Kat. Nr. 12) Stuttgart 1862, S. 254; Ch. Blanc, Histoire des
Der Korb, den der Mann hier im Hintergrund ausgeführt wurde. Fraglich ist nun, ob sich die peintres de toutes les ecoles, Ecole hollandaise,
auf dem Rücken trägt, ist von anderer Art. Teil 2, Paris 1861, S. 4; F. Engerand, Inventaire
Komposition des Stillebens so ins Gedächtnis
des tableaux commandes et achetes par la Di-
Senkrecht stehende Backsteine bilden den des Künstlers eingebrannt hatte, dass er sie ohne rection des Bätiments du Roi, 1709-1792, Paris
Rand einer im Vordergrund sichtbaren Vertie weiteres »aus dem Kopf« malen konnte, oder 1901, S. 566; Grisebach, 1974, S. 68-71, S.223,
fung, ähnlich in den Gemälden in Dresden1, ob sich das Gemälde aus Heino noch in seinem Kat. Nr. 30, Abb. 32.
Detroit5, Epinal6, Göteborg7 und schließlich in Atelier befand und quasi »abgemalt« wurde.
jenem aus der vormaligen Sammlung Schloss In Karlsruhe befindet sich eine alte Kopie des
(siehe Anm. 3). Werkes, die schon von Lauts als solche erkannt
Rechts davon sind zwei Balken in den Boden wurde; eine weitere Kopie befand sich in der Ga
eingelassen. Eine Falltür mit eisernem Scharnier lerie Mellaart in Maastricht.”
und Zugring ist daran befestigt. Dieses Motiv ist JG
wiederum auf dem Gemälde in Dresden anzu
treffen, hier allerdings in Kombination mit einem Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 31, Abb. 33.
Backsteinmäuerchen (siehe Anm. 4) - ebenso in
2 F. Joulie in Ausst. Kat. Boucher et lespeintres
dem Bild, das sich ehemals in der Sammlung Gi- du Nord, Dijon, Musöe Magnin, London, The
rardet befand (mit Rand)8, in Berlin (Kat. Nr. 6), Wallace Collection 2004-05, S. 75.
im Museum Bredius in Den Haag9 und zuletzt 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 18, Abb. 21.
* Grisebach, 1974, Kat. Nr. 10, Abb. 18.
in Göteborg.10
5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 29, Abb. 31.
Das im Bildvordergrund komponierte Still 6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 33, Abb. 37.
leben aus Grünkohl, Kürbissen, schräg stehen 7 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58.
dem kupfernen Milchkessel mit Deckel, Zinn 8 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb. 20.
teller, Zwiebel und Gurken wiederholt sich auf 9 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 32, Abb. 34.
10 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58 u. Kat.
dem Gemälde in Heino (Kat. Nr. 12). Der an ei
Nr. 58, Abb. 59.
ner Wand lehnende Besen ist ebenso ein häufig 11 J. Lauts, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe.
von Kalf gewähltes Motiv. Katalog Alte Meister bis 1800, Karlsruhe, 1966,
S. 160; Grisebach, 1974. Kat. Nr. 30a u. 30b.
54 Die Bauerninterieurs
8 Bäuerliches Interieur mit Frau am Butterfass
auptmotiv dieses kleinen Gemäldes ist Bilderpaar handelt. Die beiden anderen Kupfer Öl auf Kupfer, 17x13 cm
H eine Frau, die mit einem beidhändig gemälde Frau in einer Tür mit Frau am Kamin Niederlande, Privatbesitz
umfassten Stab im Butterfass rührt. und Mann am Brunnen mit Frau in einer Tür
Provenienz:
Das Fass steht auf hohen Beinen und hat ein ver befinden sich in der St. Petersburger Eremitage Galerie Orleans (Nicht bestätigt durch Casi
rutschtes Band. Ob das Fassband absichtlich so und messen 17 x 13,5 cm.5 mir Stryinski, La galerie ..., 1913), Sammlung
befestigt wurde, oder in seine Position gesackt ist, Jetzt stellt sich die Frage, warum Kalf sich ge Lackmann, Frankfurt am Main; Stefan Carl
wird nicht deutlich (vgl. Kat. Nr. 11). An diesem rade hier für Kupfer als Bildträger entschieden Michel, Mainz, Versteigerung Berlin, Lepke,
Butterfass lehnt ein glänzender kupferner Koch 27.-28. Februar 1917, Kat. Nr.54, Abb.(RM
hat. Die ebene und glatte Oberfläche des Me
7700,-); Privatbesitz, Paris; Versteigerung
kessel, daneben liegt ein Bund Porreestangen. talls wurde von Malern geschätzt, weil sie die Köln, Lempertz, 22.-24. November 1984, Kat.
Dasselbe Motiv finden wir auf einem Gemälde Möglichkeit zu einer besonders feinen Malwei Nr. 85, Abb. 26 (geschätzt auf DM 25000,-);
in Privatbesitz, das Grisebach allein von einem se bot, wie sie in den Werken Gerrit Dous oder Galerie N. Pokutta, München, 1987, gezeigt
Druck bekannt war (Abb. I).1 Unter dem Kes Frans van Mieris zu finden ist. Von einer solch auf der Pictura Maastricht; Versteigerung
sel ragt rechts ein Gegenstand hervor, der aber Berlin, Leo Spik, 9.-11. Dezember 2004, Kat.
verfeinerten malerischen Ausführung kann bei
Nr. 319 (7.000,- Euro), Versteigerung Wien,
nicht näher zu identifizieren ist. An der Mauer Kalf allerdings nicht die Rede sein. Hat Kalf den Dorotheum, 14. April 2005, Kat. Nr. 191.
hinter der Frau hängen ein grüner Durchschlag Gebrauch von Kupfer eventuell bereits in Rot
und drei zusammengebundene Kerzen. Darunter terdam kennengelernt? Während des gesamten Ausstellungen:
ist ein Kerzenstumpf mit schwarzem Docht und 17. Jahrhunderts griffen niederländische Künst Verzeichniss der in der Kunsthalle zu Düssel
Rußspur gemalt. Derartige Kerzen sind häufig in dorf ausgestellten Bilder von älteren Meistern,
ler immer wieder zu Kupfer, während in Paris
Düsseldorf, Kunsthalle 1886, Kat. Nr. 176;
Gemälden Kalfs zu finden. Neben dem Butterfass dieses Material ungebräuchlich war. In einer Verzeichniss der im Stadttheater zu Mainz
steht ein aus rohem Holz gezimmerter Tisch mit jüngeren Ausstellung von Gemälden auf Kupfer ausgestellten Bilder aus Mainzer Privatbesitz,
dicker Platte und schiefen Beinen, wie er schon waren niederländische Werke des 17. Jahrhun Mainz, 1887, Kat. Nr. 110.
von dem Gemälde aus Berlin (Kat. Nr. 6) bekannt derts kaum vertreten. Kalf selbst wurde noch
ist. Auf dem Tisch befinden sich zwei überein Literatur:
nicht einmal namentlich erwähnt?
W. Bode, »Die Ausstellungen alter Gemälde
ander gestapelte Teller mit Speiseresten und ein Es ist eine alte Kopie nach dem hier bespro aus Privatbesitz in Düsseldorf und Brüssel
geknülltes Tuch. Hinter einem geborstenen Topf chenen Gemälde bekannt.7 JG im Herbst 1886«, Repertorium für Kunstwis
wird der Stiel eines Besens sichtbar. An der rück senschaft 10 (1887), S.43; H. Thode, »Die
wärtigen Wand scheint ein Küchensieb zu hän Ausstellung von Gemälden aus Mainzer Pri
gen. Ganz links im Vordergrund zeichnen sich I Willem Kalf, Bäuerliches Interieur mit Frau am vatbesitz in Mainz im Mai 1887«, Repertorium
Butterfass, Öl auf Holz, 32,3x23,6 cm, Privatsamm für Kunstwissenschaft 10(1887), S.415; A. von
die Backsteine einer gemauerten Umfriedung ab,
lung, Niederlande. Wu rzbach, Niederländisches Künstler-Lexi
vielleicht die eines Bassins. Direkt rechts davon kon, Bd. 1, Wien, Leipzig 1906, S. 234; Grise
sieht man einen hölzernen Balken, an dem mit bach, 1974» S. 225, Kat. Nr. 35, Abb. 36.
Scharnieren eine Luke befestigt ist. Ein Backstein-
mäuerchen und ein Balken, die eine an ein oder
zwei Scharnieren befestigte Falltür tragen, sind in
identischer Weise auf dem Bild in Dresden2, dem
aus der vormaligen Sammlung Girardet3 sowie
jenem im Louvre (Kat. Nr. 7) dargestellt.
Wie schon für das Gemälde Alter Mann mit
Esel und Gemüse in einem Torbogen, das aller Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 34, Abb. 35.
dings fast doppelt so groß ist (Kat. Nr. 3), wählte
2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 10, Abb. 18.
Kalf auch hier eine Kupferplatte als Bildträger. 3 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 17, Abb. 20.
Daneben sind noch mindestens vier weitere Ge ‘ Grisebach, 1974, Kal. Nr. 38, Abb. 42 u. Kat.
mälde auf Kupfer bekannt. Merkwürdigerweise Nr. 39, Abb. 43.
werden sie allgemein als Pendants betrachtet. 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr.43, Abb.47 u. Kat.
Nr. 44, Abb. 48.
Der Verbleib der Werke Frau am Brunnen vor 6 Copper as canvas, two centuries of master-
einem Haus und Frau am Fass vor einem Haus piece paintings on copper 1575-1775, Phoe
ist unbekannt, beide messen 11,5 x 16,5 cm.4 In nix, Phoenix Art Museum, Kansas City, The
Entwurf und Komposition gleichen sich diese Nelson-Atkins Museum of Art, Den Haag,
Koninklijk Museum van Schilderijen Mau-
beiden Arbeiten sehr. Da als Gegenstücke ge ritshuis, 1998-1999.
plante Gemälde oft eine spiegelbildliche Kom 7 Versteigerung Stockholm, Bukowski, 5.-8.
position aufweisen, kann man schwerlich davon November 1975, Kat. Nr. 30 (Holz 15,5x
ausgehen, dass es sich in diesem Falle um ein 14 cm, bei Grisebach nicht erwähnt).
56 Die Bauerninterieurs
9 Bäuerliches Interieur mit Frau in einer Tür,
Frau am Kamin und Mann auf einer Leiter
iese bäuerliche Szene wird stark von zig (41,5x72,5 cm; Kat. Nr. 2 ) und im Louvre Öl auf Holz, 50 x 38 cm
D dem Gebäude geprägt. Die Konstruk (40 x 52 cm; Kat. Nr. 7 ) zu den großformatigsten Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Inv. Nr. 360
tion von Mauern, Pfeilern, Balken und Darstellungen bäuerlicher Interieurs. Provenienz:
Dachstuhl ist schwungvoll und mit breiten Pin Auffallend ist die leichte und zarte Pinselfüh Erworben von Markgräfin Karoline Luise von
selstrichen ausgeführt. rung, mit der Kalf das Interieur ausführte. Die Baden-Durlach bei dem Mannheimer Kunst
Vier Personen sind im Raum zu erkennen. se Malweise führte dazu, dass das Gemälde im händler De Vigneux.
Eine Frau, die einen kupfernen Milchkessel 19. Jahrhundert als »unvollendete oder vielmehr
Ausstellungen:
auf dem Kopf trägt, kommt durch die Tür her sehr verdorbene« Arbeit betrachtet wurde.2 Aber
Jean Simeon Chardin 1699-1779, Werk, Her
ein. Auf einer Leiter steigt ein Mann nach oben dieses Urteil ist sicher nicht gerechtfertigt. Kalf kunft, Wirkung, Karlsruhe, Staatliche Kunst
(oder vielleicht gerade wieder nach unten?). Er empfand es offensichtlich als völlig ausreichend, halle, 1999, Kat. Nr. 141.
ist mit dem Rücken zum Betrachter dargestellt. das Gebäude mit seinen Ecken, Durchgängen
Rechts lehnt eine Frau über der halboffenen Tür und Dachkonstruktionen mit raschen Pinsel Literatur:
G. Parthey, Deutscher Bildersaal, Bd. I, Berlin
und schaut herein. Ganz im Bildhintergrund, strichen nur skizzenhaft auszuführen und die
1863, S.651, Nr. 1; P.J. Blök, 1919; S.88; G.
kaum noch zu erkennen, sitzt eine Frau am Figuren darin nur anzudeuten. Allein den Ob Kircher, Karoline Louise von Baden als Kunst
Feuer. Links im Vordergrund lehnt ein großer jekten des Stillebens widmete er mehr Sorgfalt sammlerin, Karlsruhe 1933, S.93, 164, 201,
Korb schräg an einem kupfernen Kochkessel. im Detail. Nr. 168; J. Lauts, Staatliche Kunsthalle Karls
Ein Hahn mit hellrotem Kamm hat sich darauf Grisebach geht davon aus, dass das Karlsruher ruhe, Katalog Alte Meister bis 1800, Karlsruhe
niedergelassen. Rechts davon picken zwei Hüh 1966, S. 160, Kat. Nr.360; Grisebach, 1974,
Gemälde ungefähr zur gleichen Zeit wie jenes in
S.51-52, 57, 63, 70-71, Kat. Nr.37, Abb.41.
ner aus einer Schale. Noch weiter rechts sieht Heino (Kat. Nr. 12 ) entstanden sein muss, nach
man zwei Zinnteller, Porreestangen, zwei Zwie seiner Lesart also 1643. Es ist allerdings die Jah
beln und einen Korb mit Eiern. Dahinter liegt reszahl 1645 auf dem Gemälde in Heino zu le
in einem weiteren Korb ein Kohlkopf. Unter der sen. Der Autor erwähnt zwei Kopien.3
Treppe duckt sich eine Katze. Auf dem großen JG
Fass dahinter ist ein weißes Tuch drapiert, dar
auf steht ein brauner Bartmannkrug. Darüber
hängt an einem Balken ein blutiges Stück Fleisch
und etwas höher ein kupferner Milchkessel.
Die Figuren der Szene gehen ihren eigenen
Tätigkeiten nach und scheinen keine Notiz von
den anderen zu nehmen. Gleich schablonenhaf
ten Modellen hat Kalf sie immer wieder in sei
nen Werken dargestellt. So kommt das Motiv der
sich vor dem Hintergrund abzeichnenden Frau
gleich in sechs weiteren bäuerlichen Interieur
szenen vor, unter anderem in zwei Gemälden in
Rotterdam (Kat. Nr. 11 und 13 ). Übrigens ist hier
auch der große schräg stehende Korb wieder zu
finden. Auf dem Gemälde im Museum Boijmans
Van Beuningen erscheint ebenfalls ein Mann auf
der Leiter, allerdings von der Seite her gesehen
(Kat. Nr. 11 ). Die über die untere Türhälfte in
den Raum blickende Frau kehrt beispielsweise
auf dem Gemälde im Louvre (Kat. Nr. 7 ) wieder.
Wohl auf zehn weiteren Gemälden wiederholt
Kalf das Motiv der das Essen zubereitenden Frau Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58.
am Feuer. Weiterhin sind das Bund Porree und 2 Grisebach, 1974» Kat. Nr. 37: Kat. 1881.
das kunstvoll auf einer Tonne drapierte Tuch oft S.97.
wiederholte Elemente. Der große an einem Bal 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 37a (Privatbesitz
ken hängende kupferne Milchkessel ist ebenso Warschau; Polo RKD) u. Kat. Nr. 37b (signiert
auf dem Kamin: KALF; Öl auf Holz, 49x38
von dem Gemälde in Göteborg bekannt.1
cm; Galerie Georges Heim-Gairac, Paris,
Das Karlsruher Gemälde hat eine Höhe 1973; Kopie aus dem 17. oder 18. Jh.).
von 50 cm und zählt mit den Werken in Leip
Die Bauerninterieurs
10 Bäuerliches Interieur mit Frau am Brunnen
as Gemälde zeigt eine Frau am Brunnen. Mann oder eine Frau beim Wasserschöpfen, das Öl auf Holz, 34 x 24 cm
D Mit ihrer linken Hand hält sie einen heißt wie sie einen Eimer in den Brunnen lassen Reste einer Signatur rechts auf dem Brunnen:
KALF
Eimer, an dem ein über einen Flaschen beziehungsweise diesen gerade wieder hochzie
Aachen, Suermondt-Ludwig-Museum, Inv.
zug laufendes Seil befestigt ist, dessen Ende sie hen. Scheinbar lag ihm dieses Motiv besonders Nr. GK234
in ihrer rechten Hand hält. Die Frau schaut am Herzen. Aber ist es hier wirklich das Haupt
am Betrachter vorbei in die Ferne. In Gesichts motiv des Bildes oder geht es nicht vielmehr um Provenienz:
zügen und Kopftuch ähnelt sie der Frau auf dem die Zurschaustellung von verschiedenen Gefä- Sammlung E. Sano, Paris 1876 (nicht in der
Versteigerung Sano, Paris, 8. Februar 1878;
Gemälde in Rotterdam (Kat. Nr. 5 ). Vor dem ßen und Gemüsen?
Kat. Nr. 73 Kücheninterieur, Flämische Schu
rechteckigen Brunnen steht ein Weidenkorb mit Die Figur am Brunnen steht auf diesen Dar le); Sammlung B. Suermondt, Aachen/Brüs-
Kürbis und Kohl. Auf einem Steintrog davor lie stellungen nie im Bildvordergrund, sondern ist sel, 1876-1882; Stiftung Barthold Suermondt,
gen einige zusammengebundene Porreestangen weiter nach hinten gerückt worden. Man kann Aachen 1882.
- ein auf vielen Gemälden Kalfs wiederkehren daraus schließen, dass sie nicht das zentrale
des Motiv. Links des Trogs steht auf einer flachen Ausstellungen:
Thema des Bildes ist, sondern als charakteris
Seitenwechsel, Gemälderückseiten und ihre
Holzschale ein zur Seite geneigter mit Wasser tisches Element zu einem bäuerlichen Interieur Geheimnisse, Suermondt-Ludwig-Museum,
gefüllter kupferner Kochkessel. Dahinter steht gehört. Trägt sie eine symbolische Bedeutung? Aachen, 2006, S. 78-81, Kat. Nr.III.4, 2 Abb.
ein hohes, mit Tierhaut zugebundenes Vorrats Das tägliche Schöpfen von Wasser verweist auf (Ausst. Kat. von Anna Koopstra)
gefäß, links daneben ein kleines Messgefäß aus den Wert des Wassers als lebensspendendes Ele
Zinn. Dieses Ensemble von Kupferkessel, Holz Literatur:
ment. Wasser lässt Obst und Gemüse wachsen
Suermondt-Museum zu Aachen. Beschreiben
schale und zinnernem Messgefäß ist in identi und gedeihen - Voraussetzung dafür, es über des Verzeichnis der Gemälde, Aachen 1883,
scher Weise auf dem oben genannten Gemälde haupt so prachtvoll präsentieren zu können wie S.41-42, Nr. 78; W. Bode, Die Meister der
in Rotterdam wiedergegeben.1 Ein Besen lehnt hier im Stilleben. Und letztlich ist Wasser auch holländischen und vlämischen Malerschule,
an der rückwärtigen Wand. An der Mauer hinter zum Kochen notwendig, worauf die beiden Leipzig 1917, S. 291; I. M. Schmilz, Städtisches
der Frau hängen eine umgedrehte Korbflasche, Suermondt-Museum Aachen. Gemäldekata
Frauen am Feuer hinweisen, die schemenhaft im
log, Aachen 1932, GK 234; E. G. Grimme,
zwei Kerzen und der Stumpf einer ausgebrann Bildhintergrund zu erkennen sind: ohne Wasser »Das Suermondt-Museum. Eine Auswahl«,
ten Kerze mit Docht. In einer Nische steht eine kein Leben und keine Nahrung. Aachener Kunstblätter 28 (1963), S. 269,
Flasche mit Wein, ein weiteres von Kalf gern JG Nr. 150, Abb.; Grisebach, 1974, S.43, 45, 71,
verwendetes Detail. Wie auf dem Karlsruher Kat. Nr. 40, Abb. 45; J. D. Burke, »Dutch Pain
Gemälde (Kat. Nr. 9) steht im Bildhintergrund ti ngs«, The Saint Louis Art Museum Bulletin
N.S. 15 (1980), Nr. 4, S. 15; T. Fusenig, Suer
eine Frau in der offenen Tür. Sie trägt ein Gefäß mondt-Ludwig-Museum Aachen. Bestands
auf dem Kopf. Über der Tür fällt Licht durch ein katalog der Gemäldegalerie. Niederlande
Rundfenster. Die gleiche Szene malte Kalf in drei von 1550 bis IS00, Aachen, München 2006,
weiteren Werken: in den Bildern aus Rotterdam S. 152-153, farbige Abb.
(Kat. Nr. 11 und 13) und aus Baseler Privatbe
sitz.2
Die Balken der Dachkonstruktion sind nur
schemenhaft sichtbar. Zu einem Großteil basiert
der Entwurf des Aachener Gemäldes auf einer
Zusammenstellung verschiedenster Elemente,
die auch in anderen Werken Kalfs zu finden
sind. Grisebach datiert die Entstehungszeit des
Aachener Gemäldes auf 1643/44, da er es in sti
listischer Hinsicht zwischen einer um 1643 ent
standenen Werkgruppe und zwei Gemälden aus
dem Jahr 1644 ansiedelt. Das von ihm auf 1643
Anmerkungen:
datierte Gemälde aus Heino (Kat. Nr. 12) trägt
1 Grisebach, 1974, S. 232, Kat. Nr. 55, Abb. 57.
die Jahreszahl 1645. Grisebachs Datierung des Dieses Werk wurde unlängst durch Jeroen
Aachener Bildes auf 1643/44 wird dadurch aber Giltaij (Vgl. Fußnoten Kat. Nr. 14) und Fred
nicht in Frage gestellt - sie erscheint nach wie G. Meijer als Kopie identifiziert. Das Grise
bach nicht bekannte Original wurde 1979 in
vor sehr plausibel.
Paris versteigert (Versteigerung Paris, Palais
Immer wieder wählte Kalf für seine Werke d’Orsay, 30. März 1979, Kat. Nr. 13, Willem
das Sujet einer Person am Brunnen. Nicht we Kalf zugeschrieben, öl auf Holz, 28x21 cm).
niger als vierzehn ßauernstilleben zeigen einen 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr.45, Abb. 52.
60 Die Bauerninterieurs
11 Bäuerliches Interieur mit Gemüse putzender Frau
und einem Mann mit Leiter
in Großteil der hier gezeigten Gegen links steigt ein Mann eine Leiter hoch. An einem Öl auf Leinwand, 42,4x42,4 cm (ohne obe
E stände und Gemüse sind von zahlreichen Holzbalken lehnt eine Kiepe. Wie auf dem Ge re und untere Umschlagkante) und 45x42,4
(mit Umschlagkante)
anderen Interieurszenen Kalfs bekannt. mälde in Privatbesitz (Kat. Nr. 4) ist sie mit Stroh
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beunin-
Der rechts im Vordergrund auf einem großen gefüllt. In einer Wandnische steht eine Flasche, gen, Inv. Nr. 1391
Kürbis liegende Strauch, sogenannte Karden, ist darüber hängt, wie im Werk aus Montpellier11,
beispielsweise auch auf dem Gemälde in Epinal an einem Seil ein rohes Stück Fleisch. Durch eine Provenienz:
dargestellt.1 Auf Werken in Rom2 und Göteborg5 halbrunde Türöffnung mit schief in den Angeln Vassal de Saint-Hubert, Versteigerung Paris,
Remy, 17.-21. Januar 1774, Kat. Nr.41 (501
kehrt ebenso der Grünkohl wieder. Der daneben hängendem Türblatt tritt eine Frau in den Raum.
livres an Guesnec); F. J. O. Boymans, Erblass
liegende kupferne Milchkessel ist ein besonders Sie trägt einen Milchkessel auf dem Kopf. Dieses 1847.
beliebtes Motiv, wie auch die Gemälde in Metz’ Motiv begegnet uns auch auf den Gemälden in
und Rotterdam (Kat. Nr. 5) zeigen, oder jenes, Karlsruhe (Kat. Nr.9) und Aachen (Kat. Nr. 10). Ausstellungen:
das sich früher in der Sammlung Goudstikker Oberhalb einer Kiepe hängt ein Bündel mit fünf Holländer des 17. Jahrhunderts, Zürich,
Kunsthaus, 1953, Kat. Nr. 74; Mostra di pit-
befand.5 Dahinter steht ein hölzernes Fass mit Kerzen, darüber eine Form, die sich vielleicht
tura olandese del Seicento, Rom, Palazzo delle
verrutschtem Metallband, darauf ein drapiertes erklären lässt als eine Korbflasche. esposizioni, 1954, Kat. Nr. 72.
Tuch und eine Kanne. Eine Kanne dieser Art ist Im Bildvordergrund links ist ein Hühnerkorb
auf keinem weiteren Gemälde Kalfs zu finden. mit Tragstock schräg an einen kupfernen Koch Literatur:
Vor dem Fass liegen Zwiebeln, links Mangold - kessel gestellt worden, in gleicher Weise auf den Jahresbericht, 1914, S.3; W. Burger, Musees
wie auf den Gemälden aus Saint-Louis6, aus der de la Hollande, Bd. II, Paris 1860, S. 270-271;
Gemälden in Rom (siehe Anm. 2) und aus der
J. Lauts, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Ka
vormaligen Sammlung Girardef, in Privatbesitz ehemaligen Privatsammlung in Kassel.12 Links talog Alte Meister, Karlsruhe 1966, S. 160, zu
(Kat. Nr.4), aus Bonn8, New York und vormalig davon steht ein seltsam geformter hoher fran Nr. 1879; Grisebach, 1974, S. 71, 81, 229, Kat.
in der Galerie Brod.10 Im Korb hinter dem Man zösischer Buttertopf mit breitem Henkel. Er ist Nr. 47, Abb. 50.
gold liegt eine aufgeschnittene Melone. Hinter auch auf den Werken in Dresden13, Schwerin14
der Frau auf dem Stuhl ist ein großes rundes und Rom (siehe Anm. 2) dargestellt.
Element zu erkennen, vielleicht eine hohe Leh Eine kürzlich abgeschlossene Restaurierung
ne oder der Umriss eines Korbes. Rechts an der hat ergeben, dass das Gemälde in einem guten
Wand hängt ein rundes Sieb. Im Hintergrund Zustand war. Bürger schrieb 1860, dass Kalfsich
1 Willem Kalf, Willem Kalf (?), Inneres eines Bauer 2 Willem Kalf, Inneres eines Bauernhauses mit
hauses mit sitzender Frau, Öl auf Leinwand, 40 x 32,5 Küchenstilleben, Öl auf Leinwand, 47,5 x 65 cm,
cm, Straßburg, Musee des Beaux-Arts, Inv. Nr. 1971. Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Inv. Nr. 1879.
62 Die Bauerninterieurs
mit diesem Werk als herausragender Kolorist Eine dritte Fassung in Karlsruhe zeigt links im Anmerkungen
bewiesen hat. Er erwähnt allerdings auch, dass Bild einen Kamin und rechts den Teil eines Stal ’ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 33, Abb. 37.
2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 19, Abb. 17.
das Bild sehr gelitten hatte (»beaucoup souf- les mit einer Kuh (Abb. 2).17 Lauts stellte die Au 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, 58, Abb. 58,
fert«). Dem muss heute widersprochen werden. thentizität dieser Version aufgrund der schlech 59.
1858 wurde das Gemälde in London neu auf teren Ausführung in Frage und bezeichnete das 4 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 23, Abb. 25.
gezogen. 1914 hatte man den nachgedunkelten Karlsruher Gemälde als erweiterte Kopie des 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 27, Abb. 29. Wie
Firnis gesäubert und die Leisten gekürzt, so Rotterdamer Originals. Grisebach stimmt damit zahlreiche andere Gemälde aus dem Besitz
des jüdischen Kunsthändlers Jacques Gouds-
dass später angesetzte Leinwandstücke dahinter überein, dass diese dritte Fassung nicht das glei
tikker ging dieses Werk nach dem zweiten
verschwanden.15 Es scheint tatsächlich so, dass che hohe Niveau des Gemäldes aus Rotterdam Weltkrieg in Niederländischen Staatsbesitz
die ursprünglich umgeschlagenen Ränder der erreichte, es sich aber trotzdem um ein eigen über. Versteigerung Mak van Waay in Ams
Leinwand ausgeklappt und zu einem späteren händiges Werk Kalfs handelte. Es existiert sogar terdam, 4.-7. Oktober 1949, Lot. 52.
Zeitpunkt sogar durch eine Kante vergrößert eine vierte Version, die Grisebach nicht bekannt 6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 2, Abb. 2.
7 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb. 20.
wurden. Was man heute von dem Gemälde im war. Sie ist von ihrer Qualität mit den anderen
8 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 25, Abb. 27.
Rahmen sieht, entspricht dem, was ursprünglich Werken vergleichbar.18 Vielleicht malte Kalf alle 9 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 46, Abb. 38.
vom Bild sichtbar war. vier Fassungen selbst, als kaum voneinander 10 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 52, Abb.40.
In Straßburg befindet sich eine zweite, kleinere verschiedene Variationen desselben Themas. 11 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 24, Abb. 26.
Version des Gemäldes (Abb. I).16 Grisebach be JG 12 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 51, Abb. 54.
zweifelt, dass diese von der Hand Kalfs stammt. 13 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 10, Abb. 18.
14 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 15, Abb. 16.
15 Rechenschaftsbericht des Direktors an die
Kommission, Dezember 1858, Gemeinde
archiv Rotterdam; Jahresbericht 1914, S. 3.
16 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 48, Abb. 49.
17 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 49, Abb. 51.
18 Siehe Addenda und Corrigenda S. 164,
Nr. A10.
Die Bauerninterieurs
12 Frau am Brunnen vor dem Haus
ine Frau mit Kopftuch hat einen Eimer Von diesem Werk existiert eine frühere Fas Öl auf Holz, 32,5 x 24,5 cm
E voll Wasser aus dem Brunnen geschöpft. sung im selben Format. Sie entstand 1644 und Signatur auf dem Steintrog: KALF (links)
1645 (rechts)
Sie zieht an einem Seil, das über die Rolle befand sich vormals in der Galerie Brod in Lon
Heino, Museum De Fundatie, Inv. Nr. 148
eines Flaschenzugs läuft. Da ein Teil der Umfas- don.2 Beide Versionen unterscheiden sich in
sungsmauer fehlt, kann man direkt in den Brun einigen Details voneinander: Der große Kürbis Provenienz:
nen blicken. Vergleichbare Brunnendarstellun auf dem Gemälde von 1644 wurde auf der späte Graf Leon Vandalin Mniszech, Versteigerung
gen befinden sich in Leipzig (Kat. Nr. 2), Mont ren Version mit einem auf dem Kopf stehenden Paris, 9.-11. April 1902, Kat. Nr. 136 (datiert
1645); Alexis Vollon; Francois Heim, Paris;
pellier1 und in Privatbesitz (Kat. Nr. 4). Vor dem Korb vertauscht und der Stein mit Jahreszahl ist
Stiftung Hannema-de Stuers Fundatie, Kas
Brunnen steht ein Steintrog. Er trägt eine Sig einem Korb mit Kürbis gewichen. In der ersten teei Het Nijenhuis, Heino.
natur und die Jahreszahl 1645. Hinter der Frau Fassung scheint ein Teil eines Wagenrades an
befindet sich ein Haus mit einem Fenster im der Mauer hinter dem Brunnen zu lehnen. Literatur:
Eingangsbereich. Eine Flasche steht auf einem Dass Kalf aus der Erinnerung Bildelemen D. Hannema, Beschrijvende catalogus van de
aus diesem Fenster heraushängenden Tuch. Ein schilderijen, beeldhouwwerken, aquarellen en
te in verschiedenen Gemälden wiederholt hat,
tekeningen behorende tot de verzatneling van
Mann, der eine Kiepe auf dem Rücken trägt, ist ist hinlänglich bekannt, dass er allerdings eine de Stichling Hannema-De Stuers Fundatie in
im Begriff ins Haus zu gehen. Die Kiepe ist von vollständige Komposition mit wenigen Variatio het Kasteei ‘t Nijenhuis bij Heino, Overijssel,
derselben Art wie jene auf dem Gemälde in Pri nen ganz neu ausführte, ist nur ein weiteres Mal Rotterdam, 1967, Kat. Nr. 148, Abb. 18; Grise
vatbesitz (Kat. Nr. 4). Sie hat allerdings kein ver geschehen: bei den Gemälden in Rotterdam, bach, 1974, S. 61, 62, 65, 66, 70, 71, 225, Kat.
längertes Rückenteil und ist außerdem nicht mit Nr. 36, Abb. 39.
Straßburg und Karlsruhe (Kat. Nr. 11)?
Öffnungen im Flechtwerk versehen, so dass man Interessant ist, dass Kalf beide Gemälde da
den Inhalt nicht sehen kann. Rechts im Bild tiert hat. Das erste Gemälde vollendete er 1644,
vordergrund ist der Teil eines weiteren Korbes ein Jahr später das zweite. Auf einer Verstei
mit hohem Rückenteil sichtbar. Ein Kürbis liegt gerung in Amsterdam tauchte 2003 sogar eine
darin. Mittelpunkt des Stillebens ist ein schräg dritte Version unter der Zuschreibung »Umge Anmerkungen
stehender kupferner Milchkessel mit nachlässig bung von Willem Kalf« auf (Abb. 1)? Diese Fas 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 24, Abb. 26
darauf gelegtem Deckel. Wie der Kohlkopf, der sung zeigt die meisten Übereinstimmungen zu 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 52, Abb. 40, öl auf
Kürbis, der Zinnteller, die Gurken und die zwei dem Gemälde in Heino. Der Ausbau rechts im Holz, 32 x 25 cm
3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 47, 48 u. 49.
Zwiebeln ist auch er in vielen Werken Kalfs wie Bild mit dem einen Korb tragenden Mann und 4 Versteigerung Amsterdam, Christie’s, 2. Sep
derzufinden. das dahinter liegende Haus haben allerdings ei tember 2003, Kat. Nr. 131 (unter »Kalf-Um-
Die Komposition von Milchkessel, Kohl, ner weiten, sonnigen Landschaft Platz gemacht, gebung«, Öl auf Holz, 31,6x23,4 cm.). Siehe
Zinnteller, Flaschenkürbis und Gurken stimmt die sich unter dem Laubwerk eines Baumes er Addenda und Corrigenda S. 166, Nr. B7
bis ins Detail mit dem Stilleben auf dem Gemäl streckt.
de im Louvre (Kat. Nr. 7) überein. Auf dem Werk Bleibt nun die Frage, ob sich das erste Gemäl 1 Willem Kalf, Bauernhof mit einer
aus Heino befindet sich hinter diesem Ensemble de noch in Kalfs Atelier befand als er die zweite Frau bei einem Brunnen, Öl auf Holz,
ein auf den Kopf gedrehter Korb. Rechts im Vor 31,6x23,4 cm, Verbleib unbekannt.
Version malte, oder ob er diese nach einer alten
dergrund ist ein Spaten dargestellt - ein inter Skizze kopierte oder aber komplett aus dem Ge
essantes Detail, das Kalf so in keinem anderen dächtnis schuf. Vielleicht ist letzteres der Fall,
Gemälde wiederholte. Welche Funktion ihm in auch wenn wir uns heute eine solch enorme vi
dieser Szene zukommt, bleibt unklar, was wohl suelle Gedächtnisleistung kaum noch vorstellen
gleichfalls für einige andere der hier gezeigten können.
Utensilien gilt. JG
Die auf dem Gemälde angebrachte Jahreszahl
ist in der Vergangenheit unterschiedlich gelesen
worden. Als das Bild 1902 versteigert wurde,
vermeinte man die Jahreszahl 1645 zu lesen,
Hannema las sie später als 1643. Seiner Meinung
schloss sich nach verschiedenen Überlegungen
auch Grisebach an. Die neueste Untersuchung
hat ergeben, dass es sich hier um die für das
17. Jahrhundert übliche Schreibung der Zahl
handelt und die Jahreszahl darum unzwei
felhaft 1645 lautet.
Die Bauerninterieurs
13 Bäuerliches Interieur mit einem jungen Mann
mit Gemüsestilleben und Frau in einer Tür
in kniender junger Mann ist damit be Das Gemälde stammt aus dem Jahr 1645, wie Öl auf Leinwand, 28,2 x 40 cm
E schäftigt mit beiden Händen Gemüse zu jenes in Heino (Kat. Nr. 12) - eine spätere Jah Signiert und datiert rechts auf der Mauer:
KALF/1645
sammenzuklauben. Vor ihm liegen ein reszahl findet sich auf keinem von Kalfs bäuer
Rotterdam, Museum Boijmans Van Beunin-
Bund Möhren und ein Strauch Karden (cynara lichen Interieurs. Im Vergleich zu anderen Inte gen, Leihgabe Stiftung Willem van der Vorm,
cardunculus) - wie sie auch von den Gemälden rieurszenen ist es relativ hell beleuchtet und von Inv. Nr. vdV99
aus Amiens1 und Epinal2 bekannt sind und an der kräftiger Farbgebung.
Wand hinter dem jungen Mann lehnt ein Korb Für die Zeit von 1643 bis 1644 beobachtete Provenienz:
Galerie S.Galitch, Nyon, Schweiz, 1994; Ver
mit Gemüse und Kohl, wie er auch auf den Ge Grisebach in der malerischen Entwicklung Kalfs
steigerung London, Sotheby’s, 16. April 1997,
mälden aus der ehemaligen Sammlung Schloss', einen zunehmenden Hang zu Sprödigkeit und Kat. Nr. 113; Galerie P. De Boer, Amsterdam;
in Privatbesitz (Kat. Nr. 4), im Louvre (Kat. Nr. 7) Härte sowie einen »Verlust an malerischem Il erworben von der Stiftung Willem van der
und aus Rotterdam (Kat. Nr. 11) zu finden ist. Der lusionismus« - also einen allgemeinen Quali Vorm, 2006.
Flaschenkürbis und die große gelbe Frucht sind, tätsabfall.9 Man sollte annehmen, dass sich diese
Ausstellungen:
wie die aufgeschnittene Melone, häufig dargestellt Tendenz später noch verstärkt haben müsste,
Keine.
worden, z. B. auf den Werken aus den ehemaligen doch ist auf dem erst 1645 entstandenen Gemäl
Sammlungen Girardet’ und Schloss (siehe Anm. de von einem solchen Einbruch im malerischen Literatur:
3) sowie aus einer Privatsammlung.3 Können Kalfs nichts zu spüren. Vielleicht wur Keine.
Auch der liegende Kupferkessel ist ein belieb de das Gemälde mit einem leichteren, rasche
tes Motiv und wie auf dem Gemälde in Montpel ren Duktus ausgeführt, doch braucht dies nicht
lier6 auf vielen weiteren Werken zu finden. Hinter zwangsläufig mit einem Verlust von Qualität
der Melone ist ein Zinnteller schräg an die Wand einherzugehen.
gestellt, davor liegt ein Messer. Ein vertrautes JG
Motiv ist auch die Kerze an der Wand, die eine
dunkle Rußspur hinterlassen hat. Ebenso wie
auf dem Gemälde aus der Fondation Custodia
in Paris’ steht in einer Fensterluke eine Flasche
mit Rotwein. Das Motiv eines schräg stehenden
Korbes mit einem daraufsitzenden Huhn kennt
man von dem Gemälde in Karlsruhe (Kat. Nr. 9),
ebenso die durch eine Tür hereintretende Frau
mit einem Kessel auf dem Kopf. Häufiger hat
Kalf dieses Türmotiv mit einem darüber befind
lichen Rundfenster kombiniert, beispielsweise
auf den Gemälden in Aachen (Kat. Nr. 10), Rot
terdam (Kat. Nr. 11) und jenem aus ehemals Ba
seler Privatbesitz (siehe Anm. 5). Den an einem
Seil schräg aufgehängten kupfernen Milchkessel
kennen wir bereits von den Gemälden aus Karls
ruhe (Kat. Nr. 9) und Göteborg* sowie aus der
vormaligen Sammlung Girardet (siehe Anm.
4). Im Hintergrund verlässt ein Mann mit roter
Mütze den Raum. Er hat einen Sack über die
Schulter geworfen. Diese Figur ist so in keinem
anderen Werk Kalfs zu finden und ist also ein
völlig neues Motiv.
Anmerkungen
1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 31, Abb. 33.
2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 33, Abb. 37.
3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 18, Abb.21.
4 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 17, Abb. 20.
5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 45, Abb. 52.
6 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 24, Abb. 26.
7 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 12, Abb. 19.
8 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 57, Abb. 58.
9 Grisebach, 1974, S. 66.
68 Die Bauerninterieurs
Willem Kalf in Paris: die frühen Stilleben
Willem Kalf kam vermutlich 1640 (oder wenn Manier fortführte. Im Hinblick auf seine Still wesen sein, was mit ihrer Vermarktung und
wir Szantos Theorie folgen 1642) nach Paris, leben ist die Entwicklung weniger klar, doch den geringen Investitionskosten zu tun gehabt
wo er mindestens bis 1645 blieb. Aus diesem scheint er auch damit bereits in Rotterdam an haben dürfte. Prunkstilleben erforderten ihrer
Jahr stammt sein letztes datiertes bäuerliches gefangen zu haben, selbst wenn wir hier eben- Art entsprechend eine größere Investition des
Interieur. Am 15. Oktober 1646 war er wieder falls höchstens ein Beispiel benennen können, Malers, sowohl wegen des höheren Materials
in Rotterdam, denn an diesem Tag wurde ihm und das auch nur unter gewissem Vorbehalt auch Zeitaufwandes. Daher liegt es nahe, dass
dort Geld ausgezahlt.
o 1 (Kat. Nr. 14). Grisebach behauptete, dass zehn Kalf sich als jeune arrive in Paris erst eines Ab
der zwölf französischen Stilleben aus den satzmarktes versichern musste, bevor er mit
Jahren 1643 und 1644 datieren, und ordnete einer solchen Arbeit anfing. Es ist undenkbar,
Die ersten Stilleben zwei Stilleben der frühen Pariser Zeit zu, ohne dass er - sogar als erfolgreicher Maler - mit
jedoch sagen zu können, ob sie 1641, 1642 der Arbeit an einem in jeder Hinsicht kapita
Aus den Pariser Jahren stammen zwei 1643 oder sogar erst 1643 entstanden sind.3 Dabei len Werk wie dem großen Prunkstilleben aus
datierte Stilleben und ein 1644 datiertes.2 Ins handelt es sich um das Gemälde Kat. Nr. 15 Le Mans (Kat. Nr. 20) begann, ohne sich zuvor
gesamt sind heute 16 Stilleben aus dieser Zeit und um das Stilleben Kat. Nr. 14. Auch dieses eines Käufers sicher zu sein.5
bekannt, darunter eines, das 200 x170 cm letztgenannte ordnete er mit einer gewissen Im Zusammenhang lohnt es, das Stilleben mit
misst (Kat. Nr. 20). Offensichtlich malte Kalf Bestimmtheit Kalfs Pariser Produktion zu.4 Rechaud und Glaskanne (Abb.l) zu betrach
also außer den überwiegend kleinen bäuerli Anscheinend hatte also Kalf in Holland ten,6 das schon immer als frühe Arbeit aus der
chen Interieurs auch diese Prunkstilleben auf nicht nur mit dem Malen bäuerlicher Interi Pariser Periode galt, desen Authentizität Gri
mittelgroßem und großem Format. Es konnte eurs, sondern auch von (Prunk-) Stilleben an sebach jedoch bezweifelte. Aber, so merkte der
inzwischen festgestellt werden, dass Kalf mit gefangen. Beide Themen arbeitete er in Paris Autor an, sollte dieses Bild irgendwann einmal
dem Malen bäuerlicher Interieurs bereits in unter Verwendung französischer Gegenstände mit Sicherheit Kalf zugeschrieben werden kön
Rotterdam begonnen hatte und dass das The weiter aus. Die bäuerlichen Interieurs dürften nen, dann müsse es ganz an den Anfang der
ma ein südholländisches war, das er in eigener hierbei zunächst deutlich in der Überzahl ge Stillebenchronologie gerückt werden. Gegen
eine Zuschreibung sprechen laut Grisebach die
Kargheit der Komposition, die zu gleichmäßige
Beleuchtung sowie die Signatur, die man in die
ser Form nirgendwo sonst antrifft. Für Kalf als
1 Willem Kalf, Stilleben mit Rechaud und Glaskanne, Öl auf Holz, 45,5 x 64 cm. signiert auf dem Tisch Urheber, so Grisebach, sprächen hingegen das
rand: WKalf. ehemals Kunsthandlung P. de Boer, Amsterdam.
Aufbauschema und die verschiedenen Motive.
Das Messer ist auch auf dem Stilleben Kat. Nr.
14 und auf dem Bild in der Sammlung Carter
zu sehen, und Brötchen (mit und ohne Krü
mel) finden sich ebenfalls auf anderen frühen
Stilleben von Kalf. Wenn dieses Gemälde nicht
mit Sicherheit als eigenhändiges Werk gelten
könne, so Grisebach, dann müsse es wohl un
ter dem direkten Einfluss Kalfs in Frankreich
entstanden sein.8
Der Tisch mit dem faltenreichen grünen
Tischtuch, das Brötchen mit den Krümeln,
der Zinnteller mit Zitrone und Messer sind
Motive, die wir auch von den »Haarlemer
Frühstücksbildern« kennen, zum Beispiel
von Willem Claesz. Heda (ca. 1596-1680).
Ein derartiges Rechaud kommt auf mehre
ren Gemälden Kalfs vor9, doch die mit Rot
wein gefüllte Glaskanne, das Trinkglas und
die Muskatreibe sind einzigartig in seinem
CEuvre.10 Auflallend sind der Widerschein des
Feuers auf den Zinntellern und der Glaskanne
wie auch der des Rotweins auf dem Zinntel
ler. In der Wiedergabe dieser Reflexionen war
70 Willem Kalf in Paris: die frühen Stilleben - Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer
Kaifein Meister, und die auf diesem Gemälde
zu sehende Ausführung scheint seiner nicht
unwürdig zu sein. Stärker noch, bei einem
detaillierten Vergleich steht die Behandlung
der Glanzlichter in diesem Bild zwischen der
recht trockenen Malweise von Kat. Nr. 14 und
der etwas fließenderen der Pariser Arbeiten.
Auch in dieser Hinsicht passt also das Ge
mälde in Kalfs Entwicklung. Dass das Still
leben mit Rechaud und Glaskanne schon in
Paris entstand, wenn auch mit holländischen
Kompositionen als Inspirationsquelle, ist of
fensichtlich. Außer dem Messer ist keiner der
gezeigten Gegenstände holländisch. Darüber
hinaus gibt es eine deutliche Beziehung zu
einem frühen Pariser bäuerlichen Interieur
(Abb. 2)11, auf dem wir links auf dem Tisch
ein sehr ähnliches Stilleben mit Rechaud,
einschließlich der halb geschälten Zitrone,
sehen. Auch in seinem Kolorit schließt das
Stilleben mit Rechaud gut an die Pariser bäu
erlichen Interieurs an. All das spricht für Kalf
als Urheber und für eine Anerkennung dieses
Bildes als eines seiner frühesten Pariser Stil
leben, unter der Annahme, dass Kat. Nr. 14
tatsächlich noch in Holland entstand. 2 Willem Kalf, Inneres eines Bauerhauses mit Stilleben auf einem Tisch, Öl auf Leinwand, 24,8 x 32 cm.
monogrammiert (?). Verbleib unbekannt.
Willem KalJ m Pans: die frühen Stilleben - Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer 71
Kat. Nr. 22 und 23). Vermutlich sprach ihn Die Pariser Stilleben ten ist eine Entwicklung zu bemerken, die von
auch die Themenwahl von Sebastian Stos- Kompositionen mit einer breiten Auslage von
kopti (1597-1657) an. Einige seiner Stilleben Das Gemälde Kat. Nr. 15 zeigt kaum noch Gegenständen bis hin zu einer kompakteren
mit Gläsern und Metallgegenständen haben Objekte holländischen Ursprungs, auch wenn Gruppierung reicht, innerhalb derer die Ob
eine Ausstrahlung, die den Werken Kalfs sehr man weiterhin holländische Züge in Gestalt jekte in einem akkurateren und besser durch
nahe kommt (Abb. 3) und zeitgleich mit ih der geschälten Zitrone mit kleinem Messer dachten Verhältnis zu einander angeordnet
nen entstanden. Allerdings war Stoskopfl' auf einem Zinnteller erkennen kann. Glei wurden. Eine klar erkennbare Linie scheint es
bereits von Paris nach Straßburg gezogen. Es ches gilt für das Gemälde Kat. Nr. 16, wo fast in der Entwicklung von Kalfs Pariser Stilleben
wäre aber denkbar, dass Kalf einige Beispiele ausschließlich französische Objekte wieder jedoch ebenso wenig zu geben wie in seinen
bei Linard sah.13 gegeben sind wie die Feldflasche aus Zinn, bäuerlichen Interieurs oder Amsterdamer Ar
Ein weiterer möglicher Einfluss, dem Kalf aber der kleine Teller aus kraak-Porzellan ein beiten.
noch in Holland oder Antwerpen ausgesetzt dagegen eher holländisches Motiv ist. In den Das Funkeln spielt ebenfalls eine wesent
gewesen sein könnte, könnte von Jan Da- darauf folgenden Stilleben spielt vor allem das liche Rolle in einer Komposition, die hier in
vidsz. de Heern (1606-1683/84) gekommen Metall eine vorherrschende Rolle, wie auf dem drei unterschiedlichen Exemplaren gezeigt
sein, dem tonangebenden Stillebenmaler des Gemälde Kat. Nr. 21, wo überwiegend Zinn wird, die zwar die gleiche Komposition zei
17. Jahrhunderts. Dieser malte während der und Gold zu sehen sind. Wahrscheinlich hat gen, jedoch auf verschiedenen Formaten aus
ersten Hälfte der dreißiger Jahre, als er in Lei te sich Kalf für diese Materialien entschieden, geführt sind (Kat. Nr. 17-19).
den wohnte (und danach vielleicht auch eine weil sie optimal und endlos Licht reflektieren Im Fall des Meisterwerkes aus der franzö
kurze Zeit in Amsterdam) mehrere Stilleben können, und gerade diesen Spiegelungen galt sischen Schaffensphase (Kat. Nr. 20) wird das
im Querformat, wo ein sehr flacher Zinnteller sein stets größer werdendes Interesse. Das ist Format plötzlich außergewöhnlich imposant.
mit einer Zitrone mit herabhängender Schale auch an den bäuerlichen Interieurs zu erken Auf diesem 200 x 170 cm messenden Gemälde
eine wichtige Rolle spielt. Angenommen, dass nen. Für Kalfs weitere Entwicklung verwies stellt der Maler nicht nur eine enorme Menge
Kalf über Antwerpen nach Paris reiste, könn Grisebach auf drei mit der Jahreszahl 1643 funkelnder Metallgegenstände aus, sondern
te er dort die ersten Beispiele von De Heems versehene Stilleben: die Gemälde in Le Mans er führt auch einen Spiegel in die Darstellung
großen Prunkstilleben der frühen vierziger (Kat. Nr. 16), Berlin11 und Köln (Kat. Nr. 19), ein und entscheidet sich für ausgesprochen
Jahre gesehen haben, wie das Exemplar von wobei er aber noch nicht wusste, dass das Köl farbenfrohe blaue und rote Stoffe. Im Jahre
ca. 1639, dessen Motive, etwa die große bear ner Gemälde kein eigenhändiges ist. Aus der 1643 war der Maler erst ca. 24 Jahre alt. Es
beitete, vergoldete Silberschale, ihn sicher zu Pariser Zeit stammt noch ein weiteres datier muss als ein Höhepunkt in der Entwicklung
eigenen Darstellungen inspiriert haben könn tes Stilleben von Kalf, das ehemals in Warwick des jungen Malers gesehen werden. Von die
ten (Abb. 4). Castle aufbewahrt wurde.15 In diesen Arbei sem Gemälde gibt es eine zweite Version,
etwas kleiner, doch noch immer mit einem
Format von 153x 165,7 cm. Darüber hinaus
konnte ein sehr viel kleineres Exemplar iden
4 Jan Davidsz. de Heern, Prunkst Hieben mit vergoldetem Silbergeschirr, Öl auf Leinwand, tifiziert werden, das als erstes Modell einem
135,3 x 185,4 cm. monogrammiert. New York, Metropolitan Museum of Art, Inv. Nr. 12.195. Auftraggeber oder potentiellem Kunden ge
zeigt worden sein könnte.16
Es sieht nicht danach aus, dass Kalf von
französischen Malern zu dieser Serie Stilleben
angeregt wurde, klar ist aber, dass, wie schon
Grisebach feststellte, Kalf einen Einfluss auf
französische Maler ausübte, insbesondere auf
Meiffren Conte (ca. 1630 in Marseille - ca.
1705) und auch auf Jacques Hupin (? -1680).17
Da von vielen dieser Stilleben mehrere Ver
sionen existieren, ist anzunehmen, dass sich
nicht nur Kalfs bäuerliche Interieurs in Paris
großer Beliebtheit erfreuten, sondern auch
die Prunkstilleben. Darauf weist auch die
Tatsache hin, dass sich in der Sammlung des
Stillebenmalers Jacques Linard in seinem To
desjahre 1645 neben acht eigenhändigen Ge
mälden von Kalf auch acht Kopien von Wer
ken Kalfs befanden.,K
Zu fragen bleibt, ob er direkt nach seiner
Rückkehr aus Paris um 1646 mit dem Malen
dieses Stillebentyps fortfuhr. Das erste datier
te Gemälde aus der Zeil nach seiner Rück
kehr aus Paris stammt aus dem Jahr 1653, das
einen völlig anderen Charakter als die Pariser
Stilleben hat (Kat. Nr. 24).
Willeni Kalf in Paris: die frühen Stilleben - Jeroen Giltaij und Fred G. Meijer 73
14 Stilleben mit vergoldeter Silberkanne, Porzellanteller mit
kandierten Früchten und ein Zinnteller mit einer Zitrone
(nur in Aachen)
ieses Gemälde ist völlig zu Recht mit Tisch herabhängendes weißes Tuch auf keinem Öl auf Leinwand, 77 x 60 cm
D Willem Kalfs frühen, in Paris gemalten anderen Gemälde zu sehen. Das funkelnde Spiel Signiert, links auf dem Tischrand: W. KALE
Maastricht, Kunsthandel Noortman Master
Stilleben in Zusammenhang gebracht der Glanzlichter, das die Pariser Stilleben kenn
Paintings
worden. Es ist diesen Werken in Komposition zeichnet und später in angepasster Art in den
und Themenwahl verwandt und zeigt die glei Amsterdamer Gemälden gestaltet wurde, ist hier Provenienz:
che Monumentalität. Nicht ohne Grund ordnete nur in beschränktem Maße vorhanden. Sammlung K. Kan-Türk, Amsterdam; Samm
Grisebach es in seinem Katalog ganz an den An Auch die Wahl der Gegenstände weicht von lung J. Schieffer, Bussum (aus dem Nachlass
von Dr. Schieffer, Amsterdam); Sammlung
fang der Gruppe mit den Pariser Stilleben ein, der in dieser Hinsicht konsistenten Gruppe der J. Schullin, Amsterdam; Kunsthandel Curt
wobei er die schon früher angenommene Da Pariser Stilleben ab. Diese zeigen einzelne, häu Benedict, Paris, 1937; Privatsammlung, Nie
tierung in das Jahr 1643 übernahm. Doch den fig größere Objekte französischer Machart, die derlande, 1941; Kunsthandel D. Hoogen-
vielen Ähnlichkeiten mit den Pariser Werken in wechselnden Kombinationen auf mehreren dijk, Amsterdam, vor 1946; Sammlung Dr.
stehen genauso viele Divergenzen gegenüber, Gemälden zu finden sind. Außer dem flachen W. Biooker, Amsterdam, 1948; Kunsthandel
Gebr. Douwes Fine Art, Amsterdam/London,
wozu deutliche Unterschiede in der Malweise Modell des Zinntellers, der in dieser frühen 1977-1980; Privatsammlung, Deutschland;
gehören. Die Farbbehandlung dieses Gemäl Schaffensphase auf den meisten von Kalfs Still Kunsthandel D. Koetser, Zürich, 2005; Kunst
des ist etwas »trockener« als die der (übrigen) leben erscheint und überdies zu wenig speziell handel Robert Noortman, Maastricht.
Pariser Stilleben; die Pinselführung ist dort all ist, gibt es auf diesem Gemälde nur das Messer
gemein etwas lockerer und fließender und der mit hufeisenförmigem Griff,9 das auch auf einem Ausstellungen:
O
Opening exhibition, Gebr. Douwes Fine Arts,
Maler muss hier eine sattere Farbzusammenstel der Pariser Stilleben zu sehen ist.1 Auf einigen
London, 1980, Kat. Nr. 9, mit Farbabb.; Van
lung benutzt haben, also mehr Pigmente mit we von Kalfs Stilleben aus der Pariser Schaffens Jan Steen tot Jan Sluijters. De smaak van Dou
niger Bindungsmittel. Auch die Anordnung der phase findet sich ebenfalls ein Teller aus Wan-li- wes, Fries Museum, Leeuwarden, 1998, Kat.
Gegenstände ist strenger und weniger komplex Porzellan, bei dem es sich jedoch um ein ande Nr. 8, mit Farbabb.
als auf den meisten der anderen frühen Stilleben res Modell als das auf diesem Gemälde gezeigte
Literatur:
Kalfs. Ebenso ist ein solch breites und steif vom handelt. Wir haben es bei diesem kleinen Teller Van Gelder, 1941, S.47, mit Abb.; Bergström,
1956, S. 270-272, Abb. 224; Grisebach, 1974,
S. 96, 97, 234, Kat. Nr. 59, Abb. 66; One Hun-
dred Master Paintings 2005, Noortman Master
1 Cherubino Alberti nach Polidoro da Caravaggio, 2 Jan Davidsz de Heern, Stilleben, Öl auf Holz, ge Paintings, Maastricht 2005, S. 144-147, Kat.
Blatt 8 der Serie Vasa a Polydoro Caravaggio inventa, naue Maße unbekannt. Verbleib unbekannt (ehema Nr. 039, mit Abb. und Detailabb. in Farbe.
Gravierung. Rom 1582. lige Sammlung Lazaro, Madrid, Inv. Nr. 11297).
n diesem frühen Stilleben sind kostbare weinschale, in keinem anderen Werk Kalfs wie Öl auf Leinwand, 57 x 48,5 cm
I Gegenstände kunstvoll auf einer steinernen derkehrt.5 Vor diesem riesigen Schneckenhaus Signiert rechts auf der Seitenkante des Tisches:
KALF
Tischplatte gruppiert. Leicht schräg steht liegt ein Kanten Brot oder Kuchen, aus dem Privatbesitz
links eine silberne Brandweinschale auf einem ein Stück herausgebrochen ist. Das Gemälde ist
sorgsam in Falten gelegten Tuch. Diese Brand mit dem Stilleben aus Le Mans (Kat. Nr. 16) eng Provenienz:
weinschale ist in keinem anderen Werk Kalfs zu verwandt. Grisebach rechnet es deshalb auch zu Galerie Forbes und Paterson, London, 1902;
finden. Rechts davon liegt eine Nautilusmuschel, den frühesten Stilleben Kalfs. Nautilusmuschel, Galerie Kleinberger, Paris; Arthur Kay, Glas
gow; A. de Ridder, Kronberg im Taunus,
deren Öffnung zum Betrachter weist. Kalf stellte Weinkaraffe und Flötglas mit feinem Rippenre
Versteigerung Paris, Petit, 2. Juni 1924, Kat.
sie zwei weitere Male dar - auf den Stilleben in lief an der Kelchunterseite sind charakteristische Nr. 33, Abb. (fr. 19 500,- an Kleijkamp für Be-
Le Mans (Kat. Nr. 16) und in der Gemäldegalerie Motive anderer früher Stilleben aus Kalfs Pariser geer); Galerie Nathan Katz, Dieren und Basel;
Berlin (datiert 1643).1 Vor der Nautilusmuschel Zeit. Vielleicht hatte er diese Gegenstände in Pa Arthur Wiederkehr, Zürich; Privatsamm
steht ein Zinnteller, dessen Rand über die Tisch ris gekauft oder zumindest für sein Atelier ge lung.
kante hinausragt. Auf dem Teller liegen eine liehen. In Entwurf und Bildkomposition folgen
Ausstellungen:
Orange, ein Messer mit edel verziertem Knauf, diese frühen Stilleben allerdings keinem franzö A Collection of Pictures by Dutch Masters of
einige Brotkrümel und eine halbgeschälte Zitro sischen Vorbild, sondern sind vielmehr von hol the XVIlth Century, London, Forbes & Pater
ne, deren Zeste sich kunstvoll um den Tellerrand ländischen Malern wie Willem Heda oder Pieter son, Februar 1902, Kat. Nr. 11; Meisterwerke
ringelt. Solche Zinnteller sind ein äußerst be- Claesz inspiriert. holländischer Malerei, Basel, Kunstmuseum,
1945, Kat. Nr. 42.
liebtes Motiv für Stilleben, meistens in Kombina JG
tion mit erlesenen Früchten, kostbaren Messern Literatur:
oder einem Uhrwerk. Wie auf dem Gemälde W. von Bode, Die Gemäldegalerie des Herrn
aus Le Mans (Kat. Nr. 16) liegt neben dem Teller A. de Ridder in seiner Villa zu Schönberg bei
ein Stück Brot. Ganz im Hintergrund zeichnen Cron berg im Taunus, Berlin 1910, S. 31, Abb.;
Bergström, 1956, S. 268, 315, Anm. 22; Grise
sich die zarten Umrisse eines Flötglases vor der
bach, 1974, S.95, 98, 100, 102, 234-235, Kat.
dunklen Wand ab. Wie auf den Werken in der Nr. 60, Abb. 64; Brunnenkant, 1999, S. 249.
Galerie Noortman (Kat. Nr. 14) und in Berlin
(siehe Anm. 1) ist das Glas nur noch schemen
haft anhand seines Inhalts und der feinen Licht
reflexe zu erkennen. Rechts davon, noch weiter
im Hintergrund, steht ein kaum sichtbarer glä
serner Deckelpokal. Er ist auf dem Gemälde in
Le Mans (Kat. Nr. 16) wesentlich besser zu er
kennen. Das Zentrum des Stillebens bildet eine
prachtvolle Karaffe in Form einer Weintraube.
Ein vergleichbares Exemplar dieser Karaffe,
Fopglas genannt, befindet sich heute im Roy
al Ontario Museum in Toronto.2 Diese Karaffe
kommt weiterhin nur noch auf dem Gemälde
im J. Paul Getty Museum in Los Angeles vor.3
Diese außergewöhnlich geformte Karaffe, deren
Ausguss in einem Schälchen mündet, dient zum
Prüfen von Wein. Beim Ausgießen kann der
Wein direkt von dem Schälchen aufgenommen
werden. Ganz rechts im Bild lehnt das Gehäuse Anmerkungen
einer riesigen Muschel an der Wand. Anfänglich ’ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 63, Abb. 68.
2 J.-A. Page u.a., Beyond Venicc. Glass in Ve-
dachte man, dass es sich um eine strombus gigas, netian Style, 1500-1750, Corning, New York,
eine Riesenflügel- oder Riesenfechterschnecke The Corning Museum of Glass 2004, S. 14,
handle, wie es sie beispielsweise im Werk Wil Abb.
lem Claesz. Heda und von Jan Davidsz. de Heern 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 62, Abb. 67.
‘ C. J. H.M. Tax, »Caspars geschenk, een
gibt/ Es handelt sich aber wohl eher um eine
strombusbeker op een >Aanbidding der Drie
Helmschnecke (cassis cornuta) - eine außerge Köningen««, Anliek 31 (1996), S. 194-204.
wöhnliche Darstellung, die, wie auch die Brand 5 Freundliche Mitteilung von Andrd Slupik,
Natuurhistorisch Museum Rotterdam.
usammen mit dem ebenfalls 1643 datier jekte nicht so kostbar, und doch zeigt sich bereits Öl auf Leinwand, 74 x 58 cm
Z ten Gemälde aus Berlin ist dieses Werk hier seine ausgeprägte Neigung zur Darstellung Signiert und datiert auf der Seitenkante des
Tisches: W. Kalf 1643
das früheste datierte Stilleben Kalfs.’ außergewöhnlicher und kostbarer Dinge. Auch
Le Mans, Musee de Tesse, Inv. Nr. LM 10.89
Der Künstler war zu diesem Zeitpunkt 24 Jah in kompositorischer Hinsicht unterscheidet sich
re alt, als er beschloss, sich nach zahlreichen dieses frühe Stilleben von späteren Arbeiten. Provenienz:
Darstellungen bäuerlicher Interieurszenen nun Noch erscheinen die Objekte wie eine aneinan Unbekannt.
dem Prunkstilleben zuzuwenden. Die steinerne der gereihte Sammlung. Der Präsentation fehlt
Literatur:
Tischplatte ist zur Hälfte von einem grünen Tuch die spätere Ausdruckskraft, die Kalf durch Aus
Louis Gonse, Les chefs-dceuvre des Musees
bedeckt. Im Hintergrund zeichnet sich vage die richtung der Komposition auf ein Zentrum in de France. La peinture, Paris 1900, S. 180; A.
Kontur einer Mauernische ab. Eine Nautilus seinen späteren Stilleben erzielt. Bredius, »Nederlandsche kunst in provinciale
muschel ragt über die Tischkante hinaus in den JG musea van Frankrijk«, Oud Holland 19 (1901),
Bildvordergrund hinein. Es ist dieselbe, die wir S. 13; I. Bergström, 1956, Abb. 220; Grisebach,
schon von dem Gemälde aus Privatbesitz (Kat. 1974, S. 90-92, 95-96, 98, 100-102, 235, Kat.
Nr. 61, Abb. 65; Brunnenkant, 1999, S.249,
Nr. 15) kennen. Rechts davon liegt eine Apfel 267, Abb. 3.
sine mit Stiel, vergleichbar mit dem Stilleben,
das sich ehemals im Londoner Kunsthandel
befand.2 Auch das angebrochene Stück Brot
mit den Krümeln erscheint wieder rechts im
Bild. Ganz links auf dem Tisch scheinen eben
falls Brotstückchen und Krümel zu liegen - wie
schon im Stilleben aus Privatbesitz (Kat. Nr. 15).
Davor liegt ein Messer, dessen elfenbeinernes
Heft über die Tischkante hervorragt. Hinter
dem Messer steht eine Schale aus chinesischem
Porzellan mit dem typischen blauen Dekor. Di
cke, glänzende Oliven liegen in der Schale. Die
gleiche Schale erscheint auf dem Gemälde in der
Galerie Noortman (Kat. Nr. 14), dort allerdings
mit kandierten Früchten. Ebenso findet man sie
auf dem Stilleben in Köln (Kat. Nr. 19) wieder.
Sie liegt dort umgedreht auf einer Zinnschüssel
mit Oliven. Hinter der Schale steht ein gläserner
Deckelpokal - der gleiche wie auf dem Stilleben
in Privatbesitz (Kat. Nr. 15). Rechts davon steht
kopfüber ein prachtvoller Weinkelch aus Nop
penglas. Er ist ein Unikat im CEuvre Kalfs. Da
neben rechts befindet sich ein etwas schlichter
verzierter Kelch mit Rippendekor, wie er auf den
Gemälden in Köln (Kat. Nr. 19), in Los Angeles
im J. Paul Getty Museum3 und in der Samm
Anmerkungen
lung Carter, Los Angeles4 wiederkehrt. Er ist zur 1 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 63, Abb. 68. Laut
Hälfte mit Rotwein gefüllt. Kelch und Apfelsine Segal trägt das frühe Stilleben aus der Samm
spiegeln sich in einer rechts dahinter stehenden lung Carter in Los Angeles die Reste einer
Feldflasche aus Zinn (und nicht Silber, wie Grise Jahreszahl (163.), was seiner Meinung nach
auf eine Datierung in das Jahr 1639 hinweist.
bach schreibt). Diese Feldflasche ist ein bevor
(S. Segal, A Prosperous Past. Vie Suniptuous
zugtes Motiv Kalfs, denn er stellte sie gleich auf Still Life In Vie Netherlands 1600-1700, Delft,
sieben verschiedenen Werken aus der Pariser Stedelijk Museum Hel Prinsenhof, Cam
Zeit dar - auf zwei Gemälden sogar doppelt: auf bridge, Fogg Art Museum, Fort Worth, Kim-
dem Gemälde in New York (Kat. Nr. 21) und je bell Art Museum 1988, S. 184, Abb. 10.1.
2 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 67, Abb. 77.
nem von 1644 in Warwick Castle?
' Grisebach, 1974, Kat. Nr. 62, Abb. 67.
Im Vergleich zu später entstandenen Prunk ‘ Grisebach, 1974, Kat. Nr. 65, Abb. 69.
stilleben Kalfs erscheinen die hier gewählten Ob 5 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 70, Abb. 71.
iese drei Gemälde werden hier gemein ten anderen Werke von Kalf aus diesen Jahren.2 Ö1 auf Leinwand, 132,5x71 cm
D sam behandelt, da sie nahezu das Glei 1989 legte Sam Segal dann endgültig fest, dass Rouen, Mus£e des Beaux-Arts, Inv. Nr. 833-5.
che zeigen und es interessant ist, ihren das Kölner Gemälde - im Widerspruch zu Si Provenienz:
Zusammenhang zu untersuchen. Auf einem gnatur und Datierung - nicht von Kalf sei.3 Es Versteigerung, Paris, 1833 (genaues Datum
Tisch sind einige reich verzierte, vergoldete Ge wurde vorgeschlagen, dass ein zu diesem Zeit unbekannt); an: Rouen, Musee des Beaux-
genstände aus Silber sowie eine Feldflasche aus punkt im Kunsthandel befindliches Gemälde, Arts.
Zinn und eine auf einem Zinnteller liegende das bei der Zusammenstellung von Grisebachs
Ausstellungen:
Uhr angeordnet. Die Feldflasche und ähnliche Monographie noch nicht bekannt war, Kalfs Keine.
Kannen finden wir auch auf anderen Gemälden Original sein müsse (Kat. Nr. 19). Zur Illustra
aus Kalfs Pariser Zeit. Eine weiße Tischdecke tion der Unterschiede wurden beide Gemälde Literatur:
hänot von dem Tisch herab und ist über einem zusammen in Köln und später noch einmal in Pilz-von Stein, 1965, S. 118 Anm 109; Grise
Hocker drapiert, der mit rotem Samt bezogen Madrid ausgestellt.4 bach, 1974, S.237, Kat. Nr. 64b (als Kopie);
F. Bergot, M. Pessiot, G. Grandjean, Musee
und mit Fransen aus Golddraht besetzt ist. Auf Der Vergleich der beiden Gemälde ist in der des Beaux-Arts de Rouen. Guide des collec-
einem Regal über den genannten Gegenständen Tat sehr erhellend. Wie Grisebach anmerkte, ist tions XVIe-XVIIe siecles, Rouen 1992, S. 207,
befinden sich ein schön bearbeiteter Metalltopf, die maltechnische Behandlung des Kölner Bildes mit Abb.; Brunnenkant, 1999, Heft 2, S.278;
ein Stapel Zinnteller, ein kostbares Weinglas und recht hart und wenig spontan. So sind beispiels Meijer, 2003, S. 227 Anm. 4.
ein gläsernes Deckelgefaß. Auf zwei Gemälden weise die unzähligen kleinen Lichter auf den
sehen wir links auf dem Tisch einen zweiten vergoldeten Kannen und auf der Schale pflicht
Zinnteller mit Oliven sowie ein Messer und gemäß gesetzt; sie tragen nicht wirklich zur Mo
einen kleinen umgedrehten Teller aus chinesi dellierung und Raumwirkung der Gegenstände
schem Porzellan. Ein Brötchen und einige Glä bei, was sie sonst bei Kalf immer tun. Aber auch
ser wurden hinter den Metallgefäßen platziert. das weiße Tuch, das über den Hocker im Vorder
In der Nische im Hintergrund sind ein Leuchter grund drapiert ist, wirkt steif und leblos. Vieles
und eine Glasflasche zu erkennen. von dem eben Angesprochenen ist auf dem ande
Über das große Prunkstilleben im Wallraf- ren Gemälde weitaus überzeugender ausgeführt,
Richartz-Museum (Kat. Nr. 19) ist viel geschrie besonders die Metallgegenstände, deren Behand
ben worden. Bereits 1797 notierte Johann Wolf lung Kalfs brillanter Malweise deutlich näher
gang Goethe: «Die Meisterschaft dieses Mannes kommt.5 Doch auch auf diesem Bild ist nicht alles
in diesem Teile der Kunst zeigt sich hier in ihrem so gelungen wiedergegeben.6 So kann beispiels
höchsten Lichte. Man muss dieses Bild sehen um weise die Modellierung des Hockers im Vorder
zu begreifen, in welchem Sinne die Kunst über grund nicht ganz überzeugen und auch das weiße
die Natur sei und was der Geist des Menschen Tischtuch bleibt hier etwas steif. Die Wiedergabe
den Gegenständen leiht, wenn er sie mit schöp des umgedreht liegenden Porzellantellerchens ist
ferischen Augen betrachtet. Bei mir wenigstens auf dem Kölner Gemälde entschieden stärker.
ists keine Frage, wenn ich die goldnen Gefäße Auch die Uhr liegt dort überzeugender auf dem
oder das Bild zu wählen hätte, dass ich das Bild Zinnteller. Im Allgemeinen bleibt die räumliche
wählen würde».1 Goethe war ein großer Kunst Wirkung der gesamten Komposition hinter Kalfs
liebhaber, aber kein Kenner und ganz sicher kein anderen Stilleben zurück, wenn auch bei Kat.
Spezialist auf dem Gebiet der niederländischen Nr. 18 in geringerem Maße als bei Kat. Nr. 19. Auf
Malerei des 17. Jahrhunderts. Es kann ihm da beiden Gemälden ist nicht deutlich zu erkennen,
her nicht angekreidet werden, dass er eine Kopie wie das Messer auf dem Tellerrand ruht, außer
in den Himmel lobte. Doch noch fast zwei Jahr dem gibt es einen kleinen Unterschied in seiner
hunderte lang galt das Kölner Gemälde als ei Positionierung. Darum ist es eher unwahrschein
genhändiges Werk von Kalf, trotz zunehmender lich, dass, wie behauptet wurde, Kat. Nr. 18 das
Kenntnis und Kennerschaft auf diesem Gebiet. Vorbild für Kat. Nr. 19 war.
Erst 1984 wurde definitiv festgestellt, dass das Grisebach nahm in seinen Katalog der Arbei
Bild keine Arbeit von der Hand Willem Kalfs ten Kalfs zwei Gemälde auf, die er als Kopien
sein kann, obwohl Lucius Grisebach bereits in von dem Kölner Bild erkannte, das damals noch
seiner 1974 verfassten Monographie schon bei als Original von Kalf galt. Eines dieser Gemälde
läufig darauf hingewiesen hatte, dass der Malstil befindet sich im Victoria and Albert Museum
härter und weniger spontan sei als der der meis in London.7 Es ist etwa gleich groß wie das Köl-
ner Gemälde und zeigt auch hinsichtlich seiner aufgrund ihrer Detailliertheit mehr nach vorne Öl auf Leinwand, 146x 103 cm
Komposition die stärkste Verwandtschaft. Al drängen. Undeutlich signiert, oder trägt die Signatur
rechts, unter der Tischplatte: W. Kalf...
lerdings fehlt ihm am oberen Rand ein mehrere Die Qualität der Modellierung und das Locke
Privatsammlung
Zentimeter breiter Streifen, wodurch es noch re der Malerei deuten folglich auf ein eigenhän
kompakter und voller erscheint als das Gemälde diges Werk von Kaifund nicht auf eine Kopie. Da Provenienz:
in Köln. In der Tat lässt die Qualität dieser Ar diverse Gegenstände, die auf den anderen Ver Kunsthandel A. van der Meer, Amsterdam
beit keinen Zweifel daran, dass es sich hier um sionen zu sehen sind, hier fehlen, ist es jedoch (siehe Die Weltkunst, 13. März 1974, S.407,
mit Abb.); Kunsthandel Charles Roelofsz,
eine Kopie handelt. Eine Variante der Komposi unwahrscheinlich, dass Kat. Nr. 17 das Vorbild
Amsterdam; Privatsammlung.
tion, ebenfalls von Grisebach erwähnt, stammt für eines der anderen heute bekannten Gemälde
offenkundig von einer späteren, weitaus schwä mit dieser Darstellung war. Es ist anzunehmen, Ausstellungen:
cheren Hand.s dass es eine vollständig, wenn auch nicht ganz A Prospcrous Past. The Sumptuous Still Life in
Ebenfalls als Kopie nahm Grisebach ein Ge so fein ausgearbeitete eigenhändige, heute nicht the Netherlands 1600-1700, Delft, Stedelijk
mälde in Rouen auf (Kat. Nr. 17), das ein anderes Museum Het Prinsenhof/Cambridge, Mass.,
mehr bekannte erste Version gibt (oder gab), die
Fogg Art Museum/Fort Worth, Texas, Kim-
Maßverhältnis besitzt und nicht die Gegenstän als Modell sowohl für das Kölner Gemälde als bell Art Museum, 1988/9, Kat. Nr. 53; Willem
de zeigt, die links auf den anderen Gemälden auch für Kat. Nr. 18 diente. Wahrscheinlich ent Kalf 1619-1693. Original und Wiederholung.
wiedergegeben sind.9 Das Gemälde ist nicht so stand das Gemälde im Wallraf-Richartz-Muse Ein Prunkstilleben des 17. Jahrhunderts, Köln,
hoch wie Kat. Nr. 18, zeigt aber etwas mehr von um etwas später und möglicherweise wurde Kat. Wallraf-Richartz Museum, 1990; Willeni Kalf
dem Hocker im Vordergrund. Auch das Wand- Original y copia, Madrid, Museo Thyssen-
Nr. 18 in Kalfs Atelier gemalt. Es wäre denkbar,
Bornemisza, 1998, Kat. Nr. 1.
bord mit den verschiedenen Gegenständen dar dass der Meister selbst einen Beitrag dazu lie
auf befindet sich in ungefähr der gleichen Höhe ferte. Für ein völlig eigenhändiges Werk zeigt es Literatur:
über der großen Schale wie auf dem Kölner aber zu viele Abweichungen.11 Segal 1988, S. 178 (Farbabb.), 185, 188,
Stilleben. Es fehlen die Gegenstände links der Die vielen Versionen machen deutlich, dass 220 Anm. 11-22, 247, Kat. Nr. 53; Grimm,
Hauptgruppe und dahinter, zum Beispiel die 1988, S. 10-14; E. Mai, Zuschreibungsfragen
diese Komposition beliebt und gewollt war. Das
- »Neue Erkenntnisse zum Werk von Kalf,
gläserne Tazza, der Teller mit den Oliven, das Wappen auf der Schale rechts hat zu Spekulatio Victors, Hoogstraten«, Kölner Museums-Bul
Messer und das Porzellanschälchen, aber auch nen über den Auftraggeber des Bildes geführt.12 letin 2 (1988), S.4-11; Mai, 1990; F.G. Meijer
die Gegenstände in der Nische im Hintergrund. Grisebach kam zu dem Schluss, dass es sich bei in Simiolus 20 (1990/1991), Nr. 1, S.97; P.C.
Die Ausführung des Bildes hat jedoch nur wenig ihm um den Pariser Parfumhändler oder -Pro Sutton, Dutch & Fleniish Seventeenth Centu
von einer Kopie, sie ist dagegen bemerkenswert ry paintings. The Harold Samuel Collection,
duzenten Simon de Vaulx handeln könnte, der
London 1992, S. 103, 104 Anm. 6, 105, Abb.3;
locker, lockerer noch als die so manch eines an eine beachtliche Gemäldesammlung besaß. In S. Segal in Ausst. Kat. Willem Kalf. Originaly
deren Prunkstillebens von Kalf. Originalgetreu dem Inventar dieser Sammlung lässt sich ein copia, Museo Thyssen-Bornernisza, Madrid,
ist jedoch die Modellierung der Gegenstände, derartiges Gemälde von Kalf jedoch nicht fin 1998, S.34-39, Nr. 1; Brunnenkant, 1999,
und die Raumwirkung des Gemäldes überzeugt den. Die gleiche Schale kommt aber auf einem Heft 2, passim; R. Schütte, »Kunstgutachten.
weitaus stärker als die der anderen Versionen. Grenzen des Sachverstandes«, Die Weltkunst,
Stilleben in der Gemäldegalerie in Aschaffen
15. Dezember 2000, S.2546-2547; Meijer,
Indes sind die meisten Details weniger ausge burg vor, auf dem auch ein Zettel mit der Auf 2003, S. 227 Anm. 4.
arbeitet, auch wenn die kleinen Lichter auf dem schrift »A Monsieur/ Monsieur du Vaulx/ officier
Metall in der von Kalf bekannten lockeren Wei du roy en/ sa maison/ a Paris.« abgebildet ist.13
se platziert wurden, gerade ausreichend, um den Dieses Stilleben muss jedoch (einige Jahre) nach
Gegenständen Form und Volumen zu verleihen. 1660 entstanden sein, da es dem Antwerpener
Die weiße Serviette zeigt die natürliche Textur, Stillebenmaler Carstiaen Luyckx zugeschrieben
die sie immer bei Kalf hat, und fällt in überzeu werden kann, der seit etwa 1660 in Frankreich
gender Weise über den Hocker, ohne die Steif gearbeitet haben soll.1 ’ Das Gemälde wurde also
heit, die sie auf den anderen Gemälden aufweist. vermutlich von einem anderen Mitglied der Fa
Anders als auf den anderen Gemälden macht die milie De Vaulx gemalt, der die Schale damals
Sitzfläche des Hockers einen sehr realistischen, in seinem Besitz hatte, was jedoch nicht aus
beinahe benutzten Eindruck.10 Im Gegensatz zu schließt, dass Simon de Vaulx Kalfs Auftragge
Kat. Nr. 18 ist der Männerkopf auf der stehen ber gewesen sein könnte. Vielleicht wurden eine
den Kanne gut zu erkennen. Die Gegenstände oder mehrere Kopien bei der Verteilung seines
auf dem Regal sind hingegen nur flüchtig an Nachlasses angefertigt, so dass die Erben über
gedeutet, was häufig mit dem Beiwerk in Bau jeweils ein Exemplar verfügen konnten.15
ernhofstilleben geschah, und tragen somit stär FGM
ker zur Raumwirkung innerhalb des Gemäldes
bei als ihre Epigonen in anderen Versionen, die
Anmerkungen Öl auf Leinwand, 114,5 x 85,5 cm Dezember 2000, S.2546-2547; P. C. Sutton, Dutch
1 Goethe, Kunst theoretische Schriften und Übersetzun Trägt Signatur und Datierung, rechts, unter der & Flemish Seventeenth-century paintings. The Ha
gen. Schriften zur Bildenden Kunst, Teil I, Berliner Aus Tischplatte: W. KALF 1643 rold Samuel Collection, London 1992, S. 104 Anm.
gabe, Bd. 19, 1985, S. 144. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Cor- 6; E. Gemar-Koeltzsch, Luca Bild-Lexicon. Hollän
2 Grisebach, S. 107: »[...] die Malweise in diesem Bilde boud, Inv. Nr. WRM 2598 dische Stillebenmaler im 17. Jahrhundert, 3 Bde.,
härter und weniger frisch wirkt als in den meisten ande Lingen 1995, Bd. 1, S. 161, Bd.2, S. 554, Nr. 194/2;
ren Stilleben dieser Jahre.« Provenienz: Brunnenkant, 1999, Heft 2, passim; Meijer, 2003,
3 A Prosperous Pust. The Sumptuous Still Life in the Ne- Sammlung Johann Friedrich Städel, Frankfurt a. M.; S. 227 Anm. 4.
therlands 1600-1700, Stedelijk Museum Het Prinsenhof, Städel’sches Kunstinstitut, Frankfurt a. M.; Auktion
Delft/Fogg Art Museum, Cambridge, Mass./Kimbell Art Frankfurt a.M., Bangel, 24./25. April 1923, Kat.
Museum, Fort Worth, Texas, 1988/89 (Kat. von S. Segal; Nr. 150, mit Abb.; Sammlung Königsfeld, Frank
redigiert von W. B. Jordan), S. 178 (Farbabb.), 185, 188, furt a.M. (?); Frankfurt, Freies Deutsches Hochstift
220 (Fußnoten), 247 (Kat. Nr. 53). Segal teilte dem Mu (Goethe-Haus), 1928; Köln, Wallraf-Richartz Mu
seum seine Schlussfolgerungen bereits 1984 mit. seum, Erwerb 1937.
■’ 1990 im Wallraf-Richartz-Museum, Köln und 1998 im
Museum Thyssen-Bornemisza, Madrid, in beiden Fällen Ausstellungen:
mit Katalog: E. Mai, Willem Kalf 1619-1693. Original Meisterwerke der holländischen undflämischen Ma
und Wiederholung. Em Prunkstilleben des 17. Jahrhun lerei aus dem Besitz des Wallraf-Richartz-Museums,
derts, Köln 1990 und Willem Kalf Originaly copia, Mad Köln, Eigelstein Torburg/Aachen, Suermondt-Mu-
rid 1998 (Katalog von S. Segal und U. Sedano). seum, 1946-47, Kat. Nr. 17; Rembrandt und Seine
5 Vgl. unter anderem die Detailabbildungen in E. Mai, Zeit [...], Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen,
ibid., wo im Übrigen die Farbabbildungen von beiden 1949, Kat. Nr. 66; Stilleben. Natura Morta im Wallraf-
Gemälden verwechselt wurden. Richartz-Museuni und im Museum Ludwig, Köln,
6 Wie ich schon in meiner Besprechung des in Anm. Museen der Stadt Köln, 1980, S. 31, 32, 36 (Tafel
3 genannten Katalogs anmerkte, siehe Simiolus 20, IX), 127, 134 (Kat. Nr.38); Willem Kalf 1619-1693.
(1990/1991), Nr. 1,S. 97. Original und Wiederholung. Ein Prunkstilleben des
7 Inv. Nr. P.6-1939, Grisebach, 1974, Kat. Nr. 64a. 17. Jahrhunderts, Köln, Wallraf-Richartz-Museum,
s Kunsthandel Rapp, Stockholm, Katalog Stilleben frän 1990; Willem Kalf. Originaly copia, Madrid, Museo
1600-talet, 1953/54, Kat. Nr. 20, mit Abb. Das Gemäl Thyssen-Bornemisza, 1998, Kat. Nr. 2.
de erschien später in den Versteigerungen London,
Sotheby’s, 6. Dezember 1989, Kat. Nr. 65, mit Farbabb., Literatur:
und 8. Juli 1992, Kat. Nr. 295, mit Farbabb., in beiden als J. W. von Goethe, Zur Erinnnerung des Städtischen
Nachfolger von Willem Kalf. Kabinetts, 1797 (aufgenommen in Goethe, Kunst
9 Segal hat dieses Gemälde nicht in seine diversen Betrach theoretische Schriften und Übersetzungen. Schrif
tungen über Kat. Nr. 18 und Kat. Nr. 19 mit einbezogen. In ten zur Bildenden Kunst, Teil I, Berliner Ausgabe,
Rouen ist es in den (summarischen) Katalogen immer als Bd. 19, 1985, S. 144); R. Hering, »Frankfurt im
eigenhändige Arbeit von Kalf betrachtet worden. Goethe-Schillerschen Gedankenaustausch des
10 Wie Marianne Berardi bei aktuellem Studium des Fo Sommers 1797«, Jahrbuch der Freien Deutschen
tos von dem Gemälde zu Recht anmerkte. Hochstifts, 1930, S. 414, Abb.; Wallraf-Richartz Jahr
11 Kat. Nr. 18 und 19 wurden bereits früher nebeneinan buch 10 (1938), S.267; Van Gelder, 1941, S.45-47;
der untersucht, es wird interessant sein in der Ausstel Van Gelder, 1942, S. 43,44; Bergström, 1956, S. 263,
lung auch in der Realität Kat. Nr. 17 in diesen Vergleich 268, 270, 277, 284, Abb.218; Pilz-von Stein, 1965,
mit einzubeziehen. S. 118 Anm. 109; Grisebach, 1974, S.84, 90 Anm.
12 Siehe Grisebach, 1974, S. 105-106 mit Quellenanga 186, 92-94, 96 Anm. 196, 98, 100-103 Anm.
ben. 212, 105-110, 208, 234, 235, 236, 237, 241, Kat.
13 Öl auf Leinwand, 63x80 cm. Bayerische Staatsge Nr. 64, Abb. 63; I. Bergstrom u.a., Natura in Posa
mäldesammlungen, Inv. Nr. 6436, Grisebach, 1974, - la grande stagione della natura morta Europea,
Abb. 187. Mailand, 1977 (Deutsche Ausgabe 1979), S.68,
N Viele Arbeiten aus Luyckxs französischer Zeit sind zu Abb. 54 und 74; A. Klemm in Aussl. Kat. Stilleben
Unrecht dem relativ obskuren Simon Renard de St. An in Europa, Münster, Westfälisches Landesmuse-
dre zugeschrieben worden, der ein Gemälde signierte, um/Baden-Baden, Kunsthalle 1979/80, S. 576, Kat.
bei dem es sich um die Kopie einer Komposition von Nr. 203; B. Haak, Hollandse schilders in de Gouden
Luyckx handeln muss. Eeuw, Amsterdam 1984, S.493, 494, Abb. 1096;
15 K. Brunnenkant wies in ihrem Artikel aus dem Jahr Segal, 1988, S. 185, 247; Grimm, 1988, S. 10-14;
1999 (siehe Literatur) zu Recht daraufhin, dass auf dem E. Mai, Zuschreibungsfragen - »Neue Erkenntnisse
als Original in den Vordergrund gerückte Gemälde (Kat. zum Werk von Kalf, Victors, Hoogstraten«, Kölner
Nr. 18) das Wappen auf der Schale, im Gegensatz zu der Museums-Bulletin 2 (1988), S.4-11; Mai, 1990;
Kölner Kopie, wenig detailliert und nicht zu erkennen EG. Meijer in Simiolus 20 (1990/1991), Nr. 1, S.97;
ist (siehe ihre Detailabbildungen, Fig. 42 und 43), wes S. Segal in Aussl. Kat. Willem Kalf Original y copia,
halb sie behauptete, dass es Grisebachs Theorie über den Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid, 1998, S. 34,
möglichen Auftraggeber verdiene, erneut in Erwägung 36-43, Kat. Nr. 2; R. Schütte, »Kunstgutachten.
Grenzen des Sachverslandes«, Die Weltkunst, 15.
gezogen zu werden.
ei dem Gemälde aus Le Mans handelt es Grisebach identifizierte die vom Schwert her Öl auf Leinwand, 200 x 170 cm
B sich um das bei weitem größte Werk, das abhängende goldene Medaille als ein Werk Jean Le Mans, Musee de Tesse, Inv. Nr. LM 10.90
von Kalf bekannt ist, und darüber hinaus Varins aus dem Jahr 1643. Es handelt sich um Provenienz:
um das einzige, das Waffen und Rüstzeug zeigt. ein Porträt König Ludwigs XIV Anhand von Möglicherweise Rene II. de Froullay, Comte
Rechts im Vordergrund steht ein mit rotem Samt Vergleichen mit anderen Werken Kalfs datiert de Tesse (gestorben 1659); Rene III. de Froul
bezogener und mit Bordüren aus Golddraht ver Grisebach das Gemälde aus Le Mans um die lay, Comte de Tesse, Marechal de France
sehener Prunksessel. Über die Armlehne ist eine Zeit 1643/44. So ist der Nautiluspokal beispiels (1651-1725), in Besitz dessen Familie bis zur
Französischen Revolution; seit 1790 im Mu
kostbare, reich bestickte Decke gelegt, darauf weise auch auf dem Gemälde in der Sammlung
see de Tesse.
ruht eine glänzend polierte Trompete, die mit Shickman (Kat. Nr. 21) zu sehen ist, und auf
goldfarbener Kordel und zwei Quasten verziert dem Werk in Köln erscheint die gleiche goldene Ausstellungen:
ist. Hinter der Trompete liegt ein mit einer Dra Kanne (Kat. Nr. 19). Ferner beschäftigt er sich Le siede de Rembrandt, Tableatix hollandais
chenfigur verzierter Prunkhelm. mit der Frage nach der Herkunft des Gemäldes. des collections publiques fran^aises, Paris, Mu-
s£e du Petit Palais, 1970-71, Nr. 120 (J. Fou-
Links hinter dem Stuhl steht ein steinerner Heute befindet es sich im Musee de Tesse, das
cart u. J. Vilain); Stilleben in Europa, Münster,
Tisch, auf dem links eine vergoldete Silberkan- aus den Besitztümern des Marschalls von Tesse Westfälisches Landesmuseum für Kunst- und
ne liegt. Im Kölner Gemälde (Kat. Nr. 19) ist hervorging. Sein Name war Rene III de Froullay, Kulturgeschichte, 1979, Kat. Nr. 135.
dieselbe Kanne gleich zweimal zu sehen, ein Comte de Tesse (1648-1725). Möglicherweise
mal liegend, einmal stehend. In verschiedenen hatte dessen Vater Rene II de Froullay (1597- Literatur:
Positionen ist sie auf vier weiteren Gemälden H. Havard, Histoire de la peinture hollandaise,
1659), ebenfalls ein Marschall, das Werk bei Kalf
Paris 1881, S. 269; L. Gonse; Les chefs-d’ceuvre
abgebildet: in Berlin1, in der Sammlung Carter, in Auftrag gegeben.4 Gesicherte Quellen fehlen des niusees de France, La peinture, Paris 1900,
Los Angeles2, in der Sammlung Shickman (Kat. allerdings. S. 180; A. Bredius, »Nederlandse kunst in pro-
Nr. 21) und in Warwick Castle? Das Stilleben mit Nautilusmuschel, Oliven- vinciale musea van Frankrijk«, Oud Holland
Vor der Kanne steht ein Nautiluspokal. In schüsselchen, zinnerner Feldflasche und Gläsern 19 (1901), S. 18; Van Gelder, 1941, S. 47, Anm.
Kalfs Pariser Stilleben erscheint er kein weiteres 2; Bergström, 1956, S. 270, Abb. 221; H. Ger
aus Le Mans (Kat. Nr. 16) und das Gemälde
son, »Le siede de Rembrandt«, Kunstchronik
Mal. Eine prächtige Decke aus blauem Samt mit aus Berlin (siehe Anm. 1) sind die frühesten 24 (1971), S. 145-146; Pilz-von Stein, 1965,
goldenen Tressen ist über die rechte Seite des Ti datierten Stilleben Kalfs. Sie entstanden 1643. S. 118 Anm. 109; Grisebach, 1974, S. 100-101,
sches gelegt. In großzügigen Falten fällt sie bis Direkt danach könnte dieses enorme Gemälde 108-110, 238, Kat. Nr.66, Abb.73-75; Mai,
auf den Boden. Quer über dem Tisch liegt ein entstanden sein. Es erscheint merkwürdig, dass Köln 1990, S. 17, 18, Abb.; Brunnenkant, 1999,
Schwert mit kostbarem Futteral, von dem an S. 249, 278, Abb. 6; F. Chaserant, J. Foucart, I.
der gerade erst 24jährige Maler sich nach den
Cabillic u. L. Calegari, Willem Kalf »Nature
einer Kette eine Medaille herabhängt. Dahin kleinformatigen Bauerninterieurs, die er bisher morte aux armures«, Graulhet 2000.
ter stehen ein vergoldeter Deckelpokal und ein gefertigt hatte, gleich einem so großen Werk
geöffnetes Lederetui mit glänzenden Juwelen. mit einem sehr spezifischem Thema zugewandt
Rechts davon liegen eine kunstvoll drapierte hat. Man muss also wohl davon ausgehen, dass
weiße Schärpe mit silberfarbenen Fransen und es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Mar
ein Brustharnisch. Ganz rechts im Bild lehnt schall de Froullay kannte Kalf von den ersten
ein großer goldener Teller an der Wand. Die in Paris entstandenen Stilleben und wird ihn
ses prachtvoll reliefierte Stück ist auch auf dem wohl als fähig genug erachtet haben, diesen Auf
Stilleben in Köln (Kat. Nr. 19) dargestellt und trag ausführen zu können. Vielleicht handelte
ist der Untersatz der vergoldeten Silberkanne es sich auch um ein Experiment, mit dem Kalf
links auf dem Tisch. Im Hintergrund steht ein sein Können auch auf großformatigen Bildern
Anmerkungen
Spiegel, über dessen obere Kante die Falten ei und mit neuem Sujet unter Beweis stellen woll 1 Grisebach, 1974, Kal. Nr.63, Abb.68.
nes Vorhangs fallen. Deckelpokal und Harnisch te. Es entstanden noch zwei weitere Arbeiten 2 Grisebach, 1974, Kat. Nr.65, Abb.69.
spiegeln sich darin. mit ähnlichem Entwurf. Eine kleinere Arbeit, 3 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 70, Abb.71.
Links auf dem Boden schauen der Kolben 40,5 x 32 cm, wurde 1982 unter der Bezeichnung 4 Schreibweise der Namen und Jahreszahlen
eines Gewehres und eine Halsberge hinter den »aus dem Umkreis des Malers Willem de Poor- nach Chaserant et al., 2000, S. 9.
5 Versteigerung London, Bonham, 22. April
üppigen Falten der blauen Samtdecke hervor. ter« versteigert. Die Zuschreibung an Kalf gilt 1982, Kat. Nr. 107.
Auf der Decke liegen das Armstück eines Har heute jedoch als gesichert.5 Auf diesem Entwurf 6 Mündliche Mitteilung, März 2006.
nischs und, soweit zu sehen, ein Rundschild mit fehlt der große vergoldete Silberteller. Meijer be 7 S. Segal, A Prosperous Past. The Sumptuous
goldfarbenen Tressen, der zu einem Teil von der trachtet dieses Werk als mögliche Vorstudie zu Still Life in the Netherlands 1600-1700, Den
dem großen Gemälde aus Le Mans.6 Daneben Haag 1988, S. 184, Abb. 10.2 (als Privatsamm
weißen Schärpe verdeckt ist. Auf dieser Schärpe
lung, ehemals Galerie Speelman, London).
liegt ein Krummsäbel, der an Griff und Scheide existiert noch eine weitere relativ große Version Versteigerung New York, Sotheby’s, 16. Mai
kostbar dekoriert ist. Der Boden besteht aus gro von 153x 165,7 cm, die auf Leinen gemalt wur 1996, Kat. Nr. 89, und Versteigerung London,
ßen Marmorplatten. de. 1988 wurde sie erstmals von Segal publiziert Sotheby’s, 17. Dezember 1998, Kat. Nr. 10.
88 Diefrühen Stilleben
und 1996 in New York versteigert, ein weiteres Kalfs. Andere Autoren äußerten sich skepti
Mal 1998 in London.7 Der Spiegel im Hinter scher. Wie Van Gelder 1941 schrieb, zweifelten
grund zeigt hier das Porträt eines jungen Man (Willem) Martin und (Frits) Lugt die Autoren
nes, wahrscheinlich ein Selbstporträt des jungen schaft Kalfs an. Ihrer Meinung nach stamme das
Kalf. Der Bildraum erscheint insgesamt gedrun Gemälde eher aus einem italienischen Umfeld.
gener als auf dem Gemälde in Le Mans, da die Noch 1971 schrieb Gerson, dass man dieses
Partie oberhalb des Tellers fehlt und der untere Werk mit größter Zurückhaltung betrachten
Bildteil mit den Stuhlbeinen endet. Nachdem müsse, da es so gar nicht in die Gruppe der an
Meijer das Gemälde anfangs als zeitgenössische deren frühen französischen Stilleben Kalfs pas
französische Kopie betrachtete, revidierte er spä se.
ter diese Ansicht nach einem Gespräch mit mir Betrachtet man jedoch die meisterlich ausge
über eigenhändig von Kalf angefertigte Kopien führten Lichtreflexe, die Kalf so liebte und für
seiner bäuerlichen Interieurs. Wahrscheinlich deren Anbringung die zahlreichen Pretiosen
handelt es sich hier um eine eigenhändige Wie reichliche Möglichkeiten boten, wie beispiels
derholung des großen Gemäldes in Le Mans, in weise die Spiegelung des großen Goldtellers im
die Kalf einige Variationen wie das Selbstbildnis Brustharnisch, muss man sich Bredius’ Meinung
im Spiegel eingefügt hat. anschließen: hier ist Kalf ein Meisterstück ge
Bredius lobte 1901 mit enthusiastischen Wor lungen.
ten Malweise und Farbgebung des Stillebens in Le JG
Mans und bezeichnete es gar als »capo-lavoro«
erschiedenste Metallgegenstände sind Glas reflektierende Licht wahrnehmbar. Es sind Öl auf Leinwand, 98,5x77 cm
V auf diesem Gemälde zu einer kompli diese Lichtreflexe, die dem Gemälde seinen rei Signiert rechts auf der Seitenkante des Tisches:
W. KALF
zierten Komposition zusammengestellt chen Charakter verleihen. Wie Grisebach bereits
New York, Ihe Metropolitan Museum of Art,
worden. Auf dem Tisch liegt ein grünes Tuch, erwähnte, ist das hier besprochene Gemälde eng Privatsammlung
das nur rechts im Bild eine kleine Partie der verwandt mit dem 1644 entstandenen Werk, das
hölzernen Tischplatte freigibt. Hier hat Kalf das sich ehemals in Warwick Castle befand.2 Die Provenienz:
Gemälde signiert. Links auf dem Tisch steht ein meisten Objekte sind dort wiederholt worden: Galerie Matthiesen, London, 1937; Privat
besitz Deutschland (Van Gelder, 1941); Ver
Stövchen aus Metall, in dem Kohlen glühen. Ein die beiden Feldflaschen, die vergoldete Silber
steigerung Amsterdam, Muller, 24.-27. März
Zinnteller wird darauf warm gehalten. Er ist mit kanne, die Platte aus Zinn, der Messerknauf, 1942, Kat. Nr. 68 (an Hermsen); Galerie P.
einem zweiten, umgedrehten Zinnteller zuge das Brötchen, das schlanke Glas, der Zinnteller Drey, New York, 1945; Galerie Hermsen, New
deckt. - Eine damals durchaus gebräuchliche und die Draperien des weißen Tuches. Anstelle York, 1948; Christian Faerber (Direktor der
Form, Speisen zu erhitzen, die man »Kochen des Kohlenbeckens fügte Kalf drei Austern und Matthiesen Gallery, London, Göteborg), Ver
zwischen zwei Schüsseln« nannte.1 steigerung London, Sotheby’s, 6. Juli 1966,
einen Kerzenhalter mit weit heruntergebrannter
Kat. Nr. 121; Privatsammlung, seit 1999 Leih
Rechts hinter dem Kohlebecken liegt ein Kerze hinzu. Aufgrund der vielen Übereinstim gabe an das Metropolitan Museum of Art.
Brötchen. Auf einem Zinnteller davor steht ein mungen zwischen beiden Gemälden muss auch
aufwendig verziertes Glas mit Rotwein. Eine für das Werk aus der Sammlung Shickman eine Ausstellungen:
halbe Apfelsine liegt neben dem Glas. Hinter Entstehungszeit um 1644 angenommen wer Still Life and Flower Paintings, Matthiesen Gal
dem Teller steht ein großes umgedrehtes Glas. lery, London, 1938, Kat. Nr. 32; Still Life Paint
den.
ings 17. to 19. Century, Oberlin, Allen Memo
Rechts schaut der Knauf eines Messers unter Grisebach erwähnt eine Kopie, die seiner Mei rial Art Museum, 1945 (Katalog im Bulletin);
einem kunstvoll drapierten weißen Tuch hervor. nung nach identisch mit diesem Gemälde sein Konslskatter frän Hollands guldalder, Stock
Auf diesem Tuch liegt eine zinnerne Feldflasche, könnte, allerdings einen kleineren Ausschnitt holm, Nationalmuseum, 1959, Kat. Nr. 229;
deren Öffnung rechts in den Bildvordergrund zeigt als das Werk in New York, wobei von der Fra Rembrandt til Vermeer, Nasjonalgalleriet,
ragt. Der neben der Flasche liegende Deckel ist Oslo, 1959, Kat. Nr. 35, Abb.; Exhibition of
Abbildung an Ober- und Unterkante weniger zu
Dutch Seventeenth Century Paintings, New
an einer Kette befestigt. Von einer Öse am Bauch sehen ist.3 Da dieses Gemälde von schwächerer York, H. Shickman Gallery, 1967, Kat. Nr.2,
der Flasche hängt eine sehr breite Kette herun Ausführung ist, muss es sich Meijer zufolge um Abb.
ter. Sie ist mit dem Flaschenhals verbunden und ein anderes Werk und damit um eine wirkliche
dient als Tragegriff. Dahinter stehen eine zwei Kopie handeln. ’ Literatur:
te Feldflasche und ein Nautiluspokal mit Nep The Burlington Magazine 73 (1938), Supple
Eine zweite, etwas größere Variante des New
mentband Dezember, Abb. V; Van Gelder,
tunsfigurine, von dem allerdings nur der obere Yorker Gemäldes, die sich allein durch die Lage 1941, S.42, Abb.; W. Stechow, »Notes on an
Teil sichtbar ist. An die Feldflasche ist eine reich der Kanne von diesem unterscheidet, wurde exhibition of Still life Paintings from the 17.
verzierte goldene Kanne gelehnt. Ein hohes, mit 1960 in Paris versteigert. Der heutige Verbleib to the 19. Century«, Bulletin of the Allen Me
Wein gefülltes Glases ist dahinter zu sehen. Glas ist unbekannt.5 morial Art Museum, Oberlin College 1 (1945),
und Feldflasche spiegeln sich gleich zweimal in S. 10, Abb.S.9; Bergström, 1956, S.270,
JG
Abb. 223; Grisebach, 1974, S.90, 94-95, 98,
einer Platte aus Zinn wieder, die rechts an der 100, 239-240, Kat. Nr.68, Abb.70; Brun-
Wand steht. Im Hintergrund links ist eine rote nenkant, 1999, S. 249.
Gardine durch eine Kordel mit drei Quasten
zusammengerafft. Vor der Gardine hängt eine
Glaskugel, in der sich ein Fenster und Objekte
des Stillebens spiegeln.
Lichtreflexe sind für dieses Gemälde von zen
Anmerkungen
traler Bedeutung. Rechts auf der liegenden Feld 1 J. Witteveen, »Kookboeken over kookgerei,
flasche spiegeln sich die goldene Kanne und das Hel kookgerei van de middeleeuwen tot de
weiße Tuch, links wird (als roter Pinselstrich) twintigste eeuw«, Aussl. Kal. Quintessens, we-
das Glas mit Rotwein reflektiert. Den Wider tenswaardigheden over acht eeuwen kookgerei,
Museum Boymans-van Beuningen, Rotter
schein der brennenden Kohlen auf dem Metall
dam 1992, S. 19.
deuten zwei gelbe Punkte an. Auch die stehende 2 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 70, Abb. 71.
Feldflasche, der Nautiluspokal und das Glas fan 3 Wie Grisebach, 1974, Kat. Nr. 68a, S.240
gen das Licht des Feuers ein. selbst bereits als Möglichkeit nannte (wie
Die verschiedenen Glasobjekte, das Glas mit in der Sammlung James Simon, Berlin, Ver
steigerung Amsterdam, Muller, 25. Oktober
Rotwein, das umgedrehte schlanke Glas im Hin- 1927, Kal. Nr. 24, Abb. (an Curl Benedict).
tergrund und das schlanke Rotweinglas rechts 4 Mitteilung 22. Mai 2006.
hinten, sind eigentlich nur durch das auf dem 5 Grisebach, 1974, Kal. Nr. 69, Abb. 78.
Fred G. Meijer
Rotterdam wäre denkbar, dass er nach seiner Rückkehr fragt, denn es gab keinen einzigen Stille
nach Rotterdam noch einige bäuerliche Inte benmaler von Bedeutung in der Stadt. Die
Im Jahre 1645 oder 1646 verließ Willem KalfPa rieurs schuf; schließlich war dies ein typisches Situation auf dem Rotterdamer Gemälde
ris und ging zurück nach Rotterdam. Fünf Jahre Rotterdamer Thema, das sich angesichts der markt könnte für Kalf ein Grund gewesen
später, zum Zeitpunkt seiner Hochzeit, wohnte Produktion anderer Künstler aus der zweiten sein der Heimatstadt schon bald wieder den
er in Hoorn. Ab 1653 lebte er in Amsterdam. In Hälfte der vierziger Jahre noch immer großer Rücken zuzukehren.
Paris hatte er seine bäuerlichen Interieurs und Beliebtheit erfreute. Doch vielleicht war der
Prunkstilleben ziemlich regelmäßig datiert. Das Markt für diese Darstellungen gesättigt oder
erste, in den nördlichen Niederlanden datier kam Kalfs »französische« Interpretation des Hoorn
te Gemälde stammt jedoch erst aus dem Jahr Themas in Rotterdam nicht an. Sollte er nach
1653, dem Jahr seiner ersten Amsterdamer Er seiner Rückkehr in Rotterdam tatsächlich Unter diesem Gesichtspunkt ist es aber ge
wähnung (Kat. Nr. 24) und acht Jahre nachdem bäuerliche Interieurs gemalt haben, werden es nauso schwer zu erklären, warum er seinen
er sein letztes Pariser Gemälde mit einer Da nicht viele gewesen sein. Es ist bereits darauf Wohnsitz nach Hoorn verlegte.1 Aus dieser
tierung versehen hatte (Kat. Nr. 13). Zwischen hingewiesen worden, dass sie weder in den Stadt kennen wir in diesem Zeitraum vor
den Pariser Prunkstilleben und diesem ersten holländischen Inventaren zu finden sind noch nehmlich Porträtmaler wie Jan Albertz. Roti-
datierten Amsterdamer Werk gibt es deutliche von den holländischen Zeitgenossen und Bio us und Abraham Liedts. Zwar hätte Kalf als
Unterschiede in Stil und Behandlung. Gemälde, graphen erwähnt werden. Stillebenmaler den dortigen Markt fast ganz
die aus dem Blickwinkel einer (hypothetischen) In Rotterdam werden die Prunkstilleben für sich, doch es stellt sich die Frage, ob die
stilistischen Entwicklung in die dazwischen lie Willem Kalfs kaum Beachtung gefunden ha ser Markt überhaupt groß genug war um da
genden Jahre eingeordnet werden können, sind ben, da sich deren Bewohner zur Mitte des von leben zu können. Oben genannter Roti-
nur unter Vorbehalt zu benennen. 17. Jahrhunderts offensichtlich, außer für us malte übrigens auch ab und zu Stilleben,
Man darf sich also fragen, was Kalf in die bäuerliche Interieurs, kaum für Stilleben in wenn auch in einem gänzlich anderen Stil als
ser Übergangsperiode gemalt haben kann. Es teressierten. Die waren wohl eher nicht ge Kalf (Abb. 1).
1 Jan Albertsz. Rotius, Stilleben mit Krabbe, signiert und 2 Jan Jansz. den Uyl, Stilleben mit silberner Tazza,
datiert JRotius 16[..J, Öl auf Holz, 58 x 81,5 cm. signiert mit einer Eule und 1633 datiert, Öl auf Holz,
Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. SK-C-611. 91 x 72 cm. Privatsammlung.
Zwischen 1647 und 1676 arbeitete in Wer könnte Willem Kalf beeinflusst haben? Stilleben, aus dem Jahr 1649, könnte fast als
Hoorn auch der Druckgraphiker Hendrick Schalter zwischen dem Haarlemer »mono
Cornelisz. Pot. Sollte etwa Houbraken tat Während des zweiten Viertels des 17. Jahr chrome banketje« der dreißiger und vierziger
sächlich mit seiner Behauptung Recht ha hunderts arbeiteten mehrere bedeutende Jahre und den Stilleben gelten, die Kalf seit
ben, dass Kalf sich bei diesem Pot als Lehr Stillebenmaler in Amsterdam. Einer der Anfang der fünfziger Jahre malen sollte (Abb.
ling einschrieb um sich in den graphischen wichtigsten unter ihnen war zweifelsohne 3). Dass Kalf die Arbeiten von Treck kannte,
Künsten ausbilden zu lassen? Das würde zum Jan Jansz. den Uyl (1595/96-1639/40). Seine wird unter anderem an einem Gemälde in
Teil die Lücke zwischen den Pariser und den Kompositionen sind denen der so genann Kassel von der Hand Trecks deutlich, auf dem
Amsterdamer Werken erklären können. Da ten »monochrome banketje« (monochrome der orientalische Teppich klar die Hand Kalfs
jedoch nichts über irgendeine Aktivität von Bankettbilder), wie z.B. denen der Haarlemer zeigt (Abb. 4).‘ Kalf hat offensichtlich dieses
Kalf auf druckgraphischem Gebiet bekannt Maler Pieter Claesz (1596/97-1660) und Wil Bild »modernisiert«, nicht zu sagen, ob im
ist, muss es bei dieser äußerst hypotheti lem Claesz. Heda (1596-1680), ziemlich ver Auftrag oder nicht, und ob vielleicht bereits
schen Behauptung bleiben. Darüber hinaus wandt, wirken im Allgemeinen jedoch etwas in den fünfziger Jahren, indem er das origina
geht aus einem bislang unbekannten Doku monumentaler. Darüber hinaus legte Den Uyl le dunkle Tischtuch mit einem orientalischen
ment hervor, dass er 1649 in Hoorn als Maler ein großes Interesse für funkelnde Reflexio Teppich übermalte, den er üblicherweise
erwähnt wird.2 nen auf Glas und Metall an den Tag. Seine an auf seinen eigenen Stilleben wiederzugeben
Wie auch immer, als Kalf 1653 sein Ge spruchsvollsten Kompositionen könnte man pflegte.
mälde schuf (Kat. Nr. 24), hatte er sich einen als Prunkstilleben bezeichnen, viele seiner Jan Jansz. van de Velde III (1619/20-1662
neuen Stil angeeignet, der nur noch zum Teil einfacheren Stilleben besitzen jedoch eben oder später), der aus Haarlem stammte, ließ
seinem Pariser GEuvre ähnelte. In den darauf falls die stille Ausstrahlung von Luxus, die sich Anfang der vierziger Jahre in Amster
folgenden Jahrzehnten sollte er diesen Stil auch so kennzeichnend für die Amsterdamer dam nieder. Dort malte er Stilleben, die zu
nur noch unwesentlich ändern. Da anzuneh Produktion von Kalf ist (Abb. 2).3 Die Arbei nächst denen der Haarlemer Fachkollegen
men ist, dass Kalf bei der Ausbildung dieses ten von den Uyls Schwager und vermutlichem wie Claesz und Heda stark ähnelten, doch die
neuen Stils Einflüsse von außen erfuhr, ist es Schüler Jan Jansz. Treck (1605/06-1652) zeu Hintergründe seiner Bilder waren dunkler.
sinnvoll zu fragen, welches Werk hierbei von gen von dem gleichen Interesse für Lichtrefle Manche seiner Stilleben scheinen den Dar
Bedeutung gewesen sein könnte. Zur Klä xionen, wie wir sie bei Den Uyl sehen. Wie stellungen Kalfs vorauszugehen, zum Beispiel
rung dieser Frage müssen wohl vor allem die später bei Kalf sind in seinen Bildern häufig ein Gemälde im Amsterdamer Rijksmuseum,
Werke der Amsterdamer Meister betrachtet als Bild bestimmende Elemente Porzellan besonders aber ein kleines stimmungsvolles,
werden. schalen zu finden. Eines seiner gelungensten 1649 entstandenes Stilleben (Abb. 5), das in
Basel aufbewahrt wird und an Kat. Nr. 34 er flusst worden sein.6 Dieser war holländischer konzentrierte er sich jedoch auf Stilleben mit
innert.5 Ein solches Werk kennen wir auch Abstammung, jedoch in London geboren. In Gläsern, Metallgegenständen und Porzellan,
von Pieter van den Bosch (1613/14-1663 Amsterdam wurde er erstmals 1649 erwähnt. die er oft auf kleinerem Format ausführte.
oder später), der schon um 1650 Stilleben mit Sein Bruder Isaack Luttichuys war dort be Häufiger noch als Van de Velde, der ihn ge
kostbaren Gegenständen aus Silber vor einem reits im Jahre 1638 tätig und es wäre denkbar, wiss ebenfalls beeinflusste, wählte Luttichuys
dunklen Hintergrund mit aufleuchtenden dass Simon sich schon in den frühen vierziger dunkle, beinahe schwarze Hintergründe, vor
Gläsern malte (Abb. 6). Jahren in Amsterdam niederließ. In der ers denen seine Gläser und Metallgegenstände
Doch stärker als von jedem anderen muss ten Hälfte dieses Jahrzehnts malte er vanitas- zusätzlichen Glanz erhielten und das Porzel
Kalfvon Simon Luttichuys (1610-1661 )beein- Stilleben und ähnliche Kompositionen, später lan sich hell abzeichnete. Gerade die etwas
größeren Kompositionen von Simon Lutti
chuys erinnern hinsichtlich Atmosphäre, Ko
9 Willem Kalf, Stilleben mit Romer und Porzel 10 Simon Luttichuys und (vollendet von) Wil lorit aber auch im Entwurf stark an Werke von
lanschale mit Südfrüchten, signiert und datiert lem Kalf, Stilleben mit silberner Wasserkanne und Kalf. Ein Beispiel hierfür ist das Stilleben mit
W. KALF 1659, Öl auf Leinwand, 58 x 51 cm. dazugehörigem Becken und einer Porzellanschüs einem chinesischen Deckelgefaß aus Porzel
New York, Metropolitan Museum of Art, sel mit Früchten und Gläsern, Öl auf Leinwand, lan aus dem Jahr 1649 (Abb. 7). Vor allem ein
Inv. Nr. 53.111. 86 x 81,5 cm. Französische Privatsammlung. 1651 entstandenes Gemälde (Abb. 8)7 könnte
eine direkte Anregung für ein Stilleben von
Kalf gewesen sein, das etwa acht Jahre später
gemalt wurde (Abb. 9).
Dass Kalf die Arbeiten von Luttichuys ge
kannt und geschätzt haben muss, wird daran
deutlich, dass er - vermutlich kurz nach dem
Tode von Luttichuys im Jahre 1661 - ein un
vollendetes Stilleben von dessen Hand ergänz
te und vollendete (Abb. 10).s Aus dem Inven
tar des Nachlasses von Luttichuys geht hervor,
dass dieser mindestens 31 unvollendete Ge
mälde hinterließ.9 Ob Kalf dieses Gemälde
für sich selbst aus dem Nachlass erwarb um
es dann zu vollenden, oder ob er dies im Auf
trag tat, zum Beispiel für einen Kunsthändler,
werden wir vermutlich nie erfahren. Klar ist
jedoch, dass er sich die nötige Mühe gab das
Gemälde zur Zufriedenheit zu vollenden.
11 Willem Kalf, Stilleben mit Silberschale, Gläsern 12 Willem Kalf, Stilleben mit Silberschale, Gläsern 13 Willem Kalf, Stilleben mit Römer, Deckelglas
und Früchten, signiert und datiert W KALF 1656, und Früchten, signiert und datiert W. KALF 1658, und Orange, signiert und datiert W KALF 1659,
Öl auf Leinwand, 57 x 46 cm. Budapest, Szepmü- Öl auf Leinwand, 53 x 46 cm. Schwerin, Staatli Öl auf Leinwand, 64 x 53 cm. Verbleib unbe
veszeti Muzeum, Inv. Nr. 3832. ches Museum Schwerin, Inv. Nr. G 77. kannt.
14 Willem Kalf, Stilleben mit Römer, Orange und 15 Willem Kalf, Stilleben mit Glaspokal, Römer 16 Willem Kalf, Stilleben mit einem Deckelglas
Zitrone, signiert und datiert W. KALF 1659, Öl auf und Zitrone, signiert und datiert W. KALF. 1660, auf einem vergoldeten Silberfuß und eine Porzel-
Leinwand, 49,9 x 42,2 cm. Den Haag, Koninklijk Öl auf Leinwand, 49 x 43 cm. Verbleib unbe lanschüssel mit Früchten, signiert und datiert W.
Kabinet voor Schilderijen Mauritshuis, Inv. Nr. kannt. KALF 1663, Öl auf Leinwand, 60,3 x 50,2 cm.
927. Cleveland, Cleveland Museum of Art, Leonard C.
Hanna, Jr., Fund, Inv. Nr. 62.292.
100 Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer
19 Jacques Linard zugeschrieben, Stilleben mit Muscheln, Öl auf Holz,
18 x 24,5 cm. Verbleib unbekannt.
Das Amsterdamer (Euvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer 101
22 Willem Kalf zugeschrieben, Stilleben mit 23 Willem Kalf zugeschrieben, Stilleben mit 24 Willem Kalf, Stilleben mit vergoldetem Prunk
Nautiluspokal, Gläsern und Porzellanschüssel mit Trinkhorn und Deckelgefäß aus Porzellan, Feder pokal aus Silber und Porzellanschüssel mit Früch
Früchten, Feder und braune Tinte, 18 x 14,3 cm. und braune Tinte, 18,2 x 14,5 cm. Paris, Fonda- ten, signiert Kalf, Öl auf Leinwand, 105 x 87,5 cm.
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstich- tion Custodia (Sammlung Frits Lugt), St. Petersburg, Eremitage, Inv. Nr. 2822.
kabinett, Inv. Nr. 2851. Inv. Nr. J 100.
Die Bedeutung von Willem Kalf der große Einfluss von Kalfs Arbeiten auf die konnte, insbesondere dem der Amsterdamer
holländische Stillebenmalerei deutlich. Dieser Stillebenmaler, ist bereits oben beschrieben
Wenn wir über das CEuvre von Willem Kalf Einflussnahme Willem Kalfs auf andere Ma worden.
als Einzelfall sprechen, so ist die Frage einer ler ist ein gesondertes Essay in diesem Katalog Auch die Frage, ob Kalf nach den produk
exakten Datierung der einzelnen Gemälde gewidmet. tiven Jahren von 1658 bis einschließlich 1663
eigentlich nicht so wichtig. Nehmen wir die tatsächlich weniger malte und sich nach 1680
etwa achtzig Gemälde aus Kalfs Amsterda vollständig auf den Kunsthandel und eventu
mer Jahren in Augenschein, dann wird schon Was wir nicht wissen elle andere Aktivitäten konzentrierte, bleibt
bald deutlich, dass die Qualität des geliefer ebenfalls offen. Auch in dieser Hinsicht bietet
ten Werkes durchaus hoch ist und die Tech Viele Fragen zum CEuvre von Willem Kalf das heute bekannte CEuvre zu wenig Halt.’6
nik und Themenwahl durchweg als stabil be bleiben noch immer unbeantwortet. Und auch Betrachten wir Kalf als Maler, der seine Stär
zeichnet werden können. Von einer wichtigen die zentrale Frage, ob und was Kalf zwischen ke vor allem in der Variation eines Themas
Entwicklung kann kaum die Rede sein. Qua dem Zeitpunkt seiner Rückkehr aus Paris und sah, dann wäre es denkbar, dass zu einem
litativ gesehen gibt es positive Ausnahmen, dem Jahr 1653 (als er das heute in München gewissen Zeitpunkt die Inspiration dazu er
kaum negative. Kalf war vor allem ein Meister aufbewahrte Gemälde datierte) malte, ist an losch. Eine weitere Rolle bei dem - eventu
in der Variation eines Themas. Seine Suche hand des erhaltenen CEuvres nicht oder kaum ellen - Beschluss mit der Malerei aufzuhören
nach der idealen Wirkung einer bestimmten zu beantworten. Kein einziges Gemälde - au könnte die Tatsache gespielt haben, dass Kalf
Kombination von Gegenständen brachte bis ßer vielleicht den Muschelstilleben - lässt sich inzwischen ein älterer Mann geworden war
weilen kaum voneinander zu unterscheiden mit Sicherheit in diesen Zeitraum von etwa (1679 wurde er sechzig) und vermutlich gut
de Varianten hervor und manchmal brillan sechs oder sieben Jahren einordnen und so mit seiner Kunst verdient hatte.17 Aus der um
te Glanzstücke wie die Gemälde aus Madrid gar das 1653 entstandene Stilleben steht rela fangreichen Nachfolge seines Stils, sicherlich
(Kat. Nr. 31), London (Kat. Nr. 25) oder St. tiv allein da. Möglicherweise beschäftigte sich bis zur Jahrhundertwende, ist jedenfalls zu
Petersburg (Abb. 24). Kalf während dieser Jahre mit dem Kunsthan schlussfolgern, dass er nicht aufgrund eines
Für Kalfs Platz in der Kunstgeschichte und del, eine Branche, in der er später auch aktiv zu geringen Interesses an seinem Werk mit
die Beziehung seiner Stilleben zum Werk an tätig war, oder er hatte zeitweise die Malerei dem Malen aulgehört haben wird. Als Kalf
derer Maler kann eine exakte Datierung aber über und richtete seine Aufmerksamkeit auf am 3. August 1693 begraben wurde, notier
von Bedeutung sein. Entstand zum Beispiel eine andere Fachrichtung, zum Beispiel die te der Schreiber in dem Bestattungsregister:
Kalfs Gemälde mit einem großen Krebs (Kat. Druckgraphik, vielleicht unter der Begleitung »Willem Kalf, Konstschilder« (Willem Kalf,
Nr. 25) schon früher als Simon Luttichuys’ des Hoorner Graphikers Pot? Wenn er tat Kunstmaler). Auch wenn Kalf damals schon
verwandte Komposition aus dem Jahre 16d6 sächlich in jenen Jahren seine Malerutensilien Jahre lang keinen Pinsel mehr angerührt hat
(Abb. 1 auf S. 150)? Solche Fragen zielen vor eingepackt ließ, was war dann der Anlass sie te, war diese Beschreibung seiner würdig.
allem auf die fünfziger Jahre des 17. Jahr 1653 wieder auszupacken? Dass er genügend
hunderts. In den folgenden Jahrzehnten ist Inspiration aus dem Werk anderer schöpfen
102 Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer
Anmerkungen [hier Abb. 24]), das m. E. ebenfalls um 1658 datiert 39 Abb. 17 ist Grisebach, 1974, Kat. Nr. 84, Abb. 102.
1 Wenn er tatsächlich von Rotterdam nach Hoorn werden muss. Für den Pokal vgl. unter anderem Kat. Nr. 26 und Gri
umgezogen ist und nicht erst noch in einer anderen 20 Dieses Gemälde wurde von Grisebach unter der sebach, 1974, Verz. Nr. B 6, siehe dazu Anm. 15 und
Stadt (z. B. in Amsterdam?) gewohnt hat. Verz. Nr. B 6 zu Unrecht als mögliche Kopie eines ver die Addenda und Corrigenda zu Grisebachs Katalog
2 Siehe die Biographie in dieser Publikation. lorenen Originals aufgenommen. Siehe die Addenda an anderer Stelle in dieser Publikation Nr. A 20.
Zuletzt im Kunsthandel Newhouse, New York, 1990. und Corrigenda in dieser Publikation, Nr. A 20. 49 Obwohl das Gemälde ohne diese Draperie noch
4 Ich habe bereits darauf hingewiesen in F. G. Meijer, 21 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 107. Aufgrund des einzig leerer wirken könnte kann man sich fragen, ob sie
»Een stilleven van Simon Luttichuys, >overschildcrt bekannten Fotos von diesem Werk urteilend (auch wohl ein ursprünglicher Teil der Darstellung war,
en vermeerdert< door Willem Kalf. Een bijzonder verwendet für Grisebachs Abb. 110), war der Hinter auch aufgrund der für Kalf ungewöhnlich breiten
aspect van de Hollandsc zeventiende-eeuwse atelier- grund des Gemäldes stark restauriert, wodurch der Manier ihrer Ausführung.
praktijk«, Razprave iz Evropske Unietnosti [Festschrift große Römer eine zu starke Akzentuierung erhielt “ Siehe die Texte bei Kat. Nr. 22 und 23.
für Ksenija Rozman], Ljubljana 1999, S. 102, 104 und und das Deckelgefäß etwas klein wirkt. 42 Siche Ph. Nusbaumer, Jacques Linard 1597-1645.
108. Das Gemälde wurde 1917 in Kassel als Arbeit 22 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 106, Abb. 114. Catalogue de l’CEuvre peint, Le-Pecq-sur-Seine 2006,
von Kalf erworben, später fand man darauf die Datie 25 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 115, Abb. 124 (hier Kat. Kat. Nr. 13 (1638), 17 (1638), 23 (1640), 25 (1640)
rung 1648 und die (schadhafte) Signatur von Treck. Nr. 30), Kat. Nr. 116, Abb. 125 und Kat. Nr. 117, Abb. und 45 (undatiert).
Das Gemälde ist die Kat. Nr. A 18 in der Addenda 128 (hier Kat. Nr. 31). 43 Das kleine Gemälde wurde am 24. Februar 1995
und Corrigenda zu Grisebachs Katalog an anderer 24 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 115, Abb. 124 (hier Kat. bei Christie’s in London versteigert, unter der Kat.
Stelle in dieser Publikation. Nr. 30) und Kat. Nr. 116, Abb. 125. Nr. 138, mit Farbabb. im Katalog, als Jacques Linard
5 Das Gemälde in Amsterdam Stilleben mit Römer, 25 J. C. Weyerman, De Levens-beschrijvingen der Ne- zugeschrieben.
Flötenglas, Steinkrug und Pfeifen, signiert und 1651 derlandse Konst-schilders en Konst-schilderessen, 4 44 Mickael Szanto schrieb das kleine Gemälde Kalf zu
datiert, Leinwand, 69x89,5 cm, Inv. Nr. SK-A-3988. Bde., Den Haag 1729-1769, Bd. 2, S. 266: »dat hy (siehe »Pour Jacques Linard, peintre de natures mor-
6 Segal, 1988, S. 189, wies bereits beiläufig auf diesen een van de konstrijkste Schilders is geweest in het tes (Troyes, 1597 - Paris, 1645)«, Bulletin de la Socicte
Einfluss hin. verbeelden van versehe Limoenen, Oranjeappelen, de l'histoire de Kart fran^ais, 2001 [2003 publiziert],
7 Zuletzt im Kunsthandel Johnny van Haeften, Lon Goude und Zilvere Vaazen und Drinkschaalen, Ag- S. 36, 38 [Abb. 14]), Philippe Nusbaumer schien das
don 1979. aaten- und Paarlemoere koppen, Kristalle kelken und Gemälde nur aus dem Artikel von Szanto zu kennen,
8 Siehe F.G. Meijer, op.cit. Anin. 4, S. 99-109. Das Bokaalen, Zeehoorns und Zeeschulpen.« also als Kalf, denn er nahm es nicht in seinen Katalog
Gemälde ist die Nr. A 22 in der Addenda und Cor 26 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 122, Abb. 129, Kat. Nr. 125, der Werke Linards auf (siehe Anm. 42), weder als Li
rigenda zu Grisebachs Katalog an anderer Stelle in Abb. 133 und Kat. Nr. 126, Abb. 134 (hier Abb. 16). nard, noch als abgeschriebenes Werk.
dieser Publikation. 27 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 122, Abb. 129. 45 Die kleinen Holztafeln, auf die die Stilleben im
9 A. Bredius (Hrsg.), Künstler-Inventare. Urkunden 28 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 141, Abb. 129 (hier Kat. Mauritshuis gemalt wurden, sind eher holländisch
zur Geschichte der holländischen Kunst des XVIten, Nr. 37). als französisch (oder flämisch). Sie sind an der Rück
XVIIten und XVIIIten Jahrhunderts, 8 Bde., Den Haag 29 Innerhalb der datierten Arbeiten von 1662 scheint seite ziemlich grob bearbeitet und ungleichmäßig ab
1915/22, Bd. 4, S. 1288-2191. diese Entwicklung von Grisebachs Kat. Nr. 126 (Cle geschrägt, anders als beispielsweise die gleichmäßig
10 A. Bredius, op. cit. Anin. 9, S. 1292: »overschildert veland), einer Komposition, die noch recht würdig ausgeführten und geweißten Tafeln von De Bout, die
und vermeerdert« und ruhig ist, über Grisebachs Kat. Nr. 125 (Schwerin Kalf in Paris ziemlich regelmäßig verwendete. Eine
" Grisebach, 1974, S. 20 und 190, Dokument 13. G 71), in dem mit der Zitronenschale und den Blät dendrochronologische Untersuchung der Haager
12 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 85, Abb. 92. Die Bemer tern der Orange schon etwas Unruhe erzeugt wird, Täfelchen kann vielleicht irgendwann einmal Auf
kung Segals, dass die Datierung dieses Stillebens bis zu Grisebachs Kat. Nr. 122 (Schwerin G 81) zu schluss über den Zeitpunkt verschaffen, zu dem sie
in Budapest vermutlich als 1658 gelesen werden verlaufen, wo das Auge des Betrachters vergeblich benutzt wurden.
muss, ist unbegründet (Segal, 1988, S. 188 und 220, einen Ruhepunkt sucht. 46 Zum Vergleich kann der Fall von Kalfs Stadtge
Anm. 26). 30 Philadelphia: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 119, Abb. nossen Jacob van Walscapelle (1644-1727) herange
” Grisebach, 1974, S. 135 und 141 (von dem Grise 122; Schwerin: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 122, Abb. zogen werden. Bis vor einigen Jahren nahm man an,
bach die Datierung als schwer entzifferbar aufnahm, 129. dass Van Walscapelle 1685, nachdem er eine Stelle bei
1679 oder 1680, die man jetzt aber mit Sicherheit als 31 Das erste befindet sich als Dauerleihgabe im Ste der Amsterdamer Gilde der Tuchhändler angetreten
1680 lesen kann, siehe Kat. Nr. 37). Die Datierung delijk Museum Het Prinsenhof in Delft, Grisebach, hatte, mit dem Malen seiner Blumen- und Früchte
1678 auf dem Gemälde in Kopenhagen (Kat. Nr. 36) 1974, Kat. Nr. 93, Abb. 101 (hier Abb. 1 bei Kat. Nr. stilleben aufhörte. Vor kurzem sind jedoch einige
kann nach kürzlich erfolgter Reinigung höchstens 35). Seine Komposition ist fast identisch mit der von datierte Gemälde von seiner Hand aus den neunziger
als 167 entziffert werden (Mitteilung J. Giltay, Mai Grisebach, 1974, Kat. Nr. 92 (hier Kat. Nr. 35). Das Jahren aufgetaucht, die das Gegenteil beweisen.
2006). Gemälde in Indianapolis ist Grisebach, 1974, Kat. Nr. 47 Siehe hierzu auch den Text bei Kat. Nr. 37.
14 Zitiert von Grisebach, S. 1974, S. 32. 135, Abb. 145 (hier Abb. 3 bei Kat. Nr. 35).
r* Grisebach, 1974, Kat. Nr. 85 und 91. Die Datierung 32 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 119, Abb. 122.
eines zweiten Gemäldes, das von Grisebach mit der 33 Vgl. Grisebach, 1974, Kat. Nr. 75, Abb. 84, Kat. Nr.
Datierung 1658 aufgenommen wurde, verschwand 76, Abb. 82 und Kat. Nr. 78, Abb. 86 (hier Abb. 1 bei
bei der Reinigung. Für weitere Informationen hierzu Kal. Nr. 25).
siche Kat. Nr. 35. 34 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 85, Abb. 92 (hier Abb. 11),
Grisebach, 1974, Kat. Nr. 86, Abb. 93. Kat. Nr. 91, Abb. 94 (hier Abb. 12) und Kat. Nr. 95,
1 Eine Version mit einem Querformat wurde von Abb. 104 (hier Abb. 13).
Grisebach mit Recht als Kopie aufgenommen (Grise 35 1661: Grisebach, 1974, Nr. 106, Abb. 114 und Nr.
bach, 1974, Kat. Nr. 91a). Onno Ydema, Carpets and 107, Abb. 110; 1662: Grisebach, 1974, Nr. 115, Abb.
their Datings in Nctherlandish Paintings 1540-1700, 124 (hier Kat. Nr. 30), Kat. Nr. 116, Abb. 125 und Kat.
Zutphen 1991, S. 62, 160-162, identifizierte Kalfs Nr. 117, Abb. 128 (hier Kat. Nr. 31).
Tischteppich als persischen Ursprungs und eines 30 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 108, Abb. 111.
Typs, der am häufigsten auf holländischen Gemälden 37 Das erste: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 114, Abb. 126,
vorkommt, von dem es aber heute nur noch wenige die anderen beiden: Grisebach, 1974, Kat. Nr. 139,
Exemplare gibt. Abb. 150 und Kat. Nr. 140, Abb. 151. Letzteres ist üb
18 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 94, Abb. 103, Kat. Nr. 95, rigens dahingehend schwer zu beurteilen, da es nicht
Abb. 104 (hier Abb. 13), Kat. Nr. 96, Abb. 105 und als Original zu Kalfs CEuvre zu gehören scheint. Siehe
Kat. Nr. 97, Abb. 106 (hier Abb. 14). die Addenda und Corrigenda zu Grisebachs Katalog,
19 Eine wichtige Rolle spielt es noch in einem der Nr. B 16, an anderer Stelle in dieser Publikation.
Topstücke Kalfs, in dem Gemälde in der Eremitage, 38 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 135, Abb. 145 (hier Abb. 3
St. Petersburg (Grisebach, 1974, Kat. Nr. 79, Abb. 88 bei Kat. Nr. 35).
Das Amsterdamer CEuvre Willem Kalfs in der Perspektive - Fred G. Meijer 103
22 Stilleben mit Muscheln und einem Kästchen mit Korallen
enn etwas einen Malertraum von nard, dem Kalf in Paris begegnet sein muss.2 Die Öl auf Leinwand, 54 x44 cm
W »Farbe und Licht aus Dunkelheit recht malerische Technik der Muschelstilleben Zürich, Kunsthaus, Ruzicka Stiftung,
Inv. Nr. R 52
geboren« erregen kann, dann wohl Kalfs, die an die seiner bäuerlichen Interieurs
dieses aus fernen Ländern herbeigeschaffte Mär- erinnert, besonders aber die ungewöhnliche Provenienz:
chenout«, schrieb H.E. van Gelder 1941 in sei- Wiedergabe des Perserteppichs, namentlich auf Versteigerung Genf, Moos, 25. Mai 1935, Kat.
nem Aufsatz über Kalf und meinte dabei dieses dem Gemälde in Heino (Kat. Nr. 23), könnten Nr. 75, Taf. 17; Kunsthandel W. Paech, Ams
Gemälde. »Prächtig ist in diesem Fall die sam darauf hinweisen, dass diese Bilder am Anfang terdam, 1935; Kunsthandel Colman, London,
1938, Sammlung Norris, London, 1939; Ver
tige Faktur, wobei der empfindliche Pointillis seiner Amsterdamer Schaffensphase oder sogar steigerung London, Sotheby’s, 11. Juni 1947,
mus, den auch Vermeer verwendete, in hohem kurz davor entstanden. Kat. Nr. 10; Sammlung Prof. Dr. L. Ruzicka,
Maße zu diesem Effekt beitrug.«1 Und tatsäch Kalf malte nur wenige Muschelstilleben. Ge Zürich, 1951; Zürich, Kunstbaus (Schenkung
lich scheint Kalf die Technik für seine Muschel genwärtig sind fünf solcher Darstellungen be Ruzicka).
stilleben dem märchenhaften Charakter seines kannt: das Gemälde in Heino (Kat. Nr. 23), zwei
Ausstellung:
Themas angepasst zu haben. Sogar das Funkeln kleine Pendants im Mauritshuis in Den Haag
Mostra di pittura olandese del Seicento, Palaz
des vergoldeten Silbers auf Kat. Nr. 23 erscheint (Abb. 20 und 21 auf S. 101), das hier beschriebe zo delle Esposizioni, Rom, 1954, Nr. 71.
diffuser als auf seinen anderen Stilleben und ne Gemälde und ein sehr ähnliches Bild, das erst
auch seine Perserteppiche wirken lockerer als nach der Publikation von Grisebachs Monogra Literatur:
sonst irgendwo. Somit lassen sich diese Gemälde phie zum Vorschein kam (Abb. I).3 Van Gelder, 1941, S. 56 (Abb.), 57 (Detailabb.)»
58; Bergström, 1956, S. 283; H. Gerson, De
noch schwerer datieren als das allgemein schon Es stellt sich die Frage, ob Kalf seine Mu
Nederlandse schilderkunst, Bd.2, Amsterdam
bei Kalfs Stilleben der Fall ist. Grisebach nahm schelbilder als Auftragswerke anfertigte oder in 1962, Abb. 177; Grisebach, 1974, Kat. Nr. 142,
die Muschelstilleben gesondert, am Ende seines Eigeninitiative, doch eine gesicherte Antwort Abb. 156; Segal 1988, S. 92, 214 Anm. 46.
CEuvrekatalogs auf und merkte an, dass ihre Da gibt es darauf nicht. Jedenfalls sind einige der
tierung problematisch sei, sie aber vermutlich abgebildeten Muscheln auf mehr als nur einem
an das Ende von Kalfs Malerlaufbahn platziert Gemälde zu sehen. Die auf diesem Zürcher Ge
werden müssten. Ein ergänzendes Argument für mälde gezeigten murex, conus imperialis und ro
eine frühe Datierung ist hingegen die Verwandt ten Korallenzweige sind auch auf dem Gemälde Anmerkungen
schaft mit den Muschelstilleben von Jacques Li- aus Heino wiedergegeben (Kat. Nr. 23), obwohl 1 Van Gelder, 1941, S. 58.
Kalf die bizarr geformte Koralle auf jedem der 2 Siehe hierzu S. 94ff.
1 Willem Kalf, Stilleben mit Muscheln und drei Bilder, auf denen sie abgebildet ist (Zürich, ■' Die beiden kleinen Gemälde im Maurits
Schmuckkästchen, Öl auf Leinwand, 53 x 43 cm. Heino, und Abb. 1), völlig willkürlich modelliert huis (Inv. Nr. 971 und 972; Grisebach, 1974,
Kat. Nr. 144-145, Abb. 158-159) sind auf
Privatsammlung, USA. und sie den Erfordernissen seiner Komposition Holz gemalt, jedes misst 25 x 33 cm und jedes
angepasst zu haben scheint. Die Wiedergabe ist signiert mit: W. KALE Auch die Entschei
dieser Muscheln auf mehreren Stilleben, zudem dung, Holz zu verwenden, könnte für eine
in verschiedenen Positionen, lässt vermuten, frühe Datierung sprechen, da Kalf in seiner
dass der Maler selber eine Muschelsammlung Pariser Zeil für die bäuerlichen Interieurs
häufig Holztafeln verwendete, während aus
besaß oder ihm zumindest eine solche Samm seinen Amsterdamer Jahren nur zwei Werke
lung zugänglich war. Aber warum malte Kalf auf Holz bekannt sind. Bei dem einen handelt
(sofern wir wissen) dann nur so wenige Mu es sich um das früheste datierte Amsterda
schelstilleben und weshalb spielen Muscheln auf mer Stilleben aus dem Jahr 1653 (Kat. Nr. 24),
seinen anderen Stilleben überhaupt keine Rol das andere befindet sich in Portland, Oregon
(Grisebach, 1974, Kal. Nr. 140, Abb. 151). Für
le?1 Hatten diese Darstellungen doch nicht den das Gemälde in Privatbesitz (Abb. 1) siehe
vom Maler beabsichtigten Erfolg? Oder standen auch das Kapitel Addenda und Corrigenda an
ihm etwa die Muscheln nicht mehr zur Verfü anderer Stelle in dieser Publikation, Nr. A 26.
gung? Vielleicht hatte er aber einfach auch das ’ Abgesehen von der Turbo-Muschel auf
einem möglicherweise Kalf zuzuschreiben
Gefühl dieses Thema erschöpfend behandelt zu
den Gemälde, bei dem es sich vermutlich um
haben und wollte sich nun mit anderen Dingen ein Fragment handelt (siehe meine Addden-
beschäftigen. da und Corrigenda zu Grisebachs Katalog,
FGM S. 160JT., Nr. B 15, mit Abb.), und der Muschel
auf der verwandten vermutlichen Kopie Gri
sebach, 1974, Verz. Nr. C 24 (abgebildel bei
Nr. B 15 in meiner Addenda und Corrigen
da), sind beides Werke, die mit Kalfs Pariser
Produktion in Verbindung gebracht werden
können.
ie Muschelstilleben von Willem Kalf der Darstellung zu betonen. Die chinesischen Öl auf Leinwand, 53,5x44,5 cm
D sind vielleicht stärker als seine anderen Lackkistchen, die auf den Gemälden aus Heino Signiert auf der Plinthe, rechts, in Grau: W. KALF
Stilleben ein stilles Zeugnis des hollän und dem Mauritshuis abgebildet sind, verstär Heino, Museum de Fundatie, Inv. Nr. 2131
dischen Handels im 17. Jahrhundert. Der Über ken den exotischen Charakter der Darstellung. Provenienz:
seehandel war für die Republik der Sieben Ver Auf dem Kistchen in dem hier oben erwähn Möglicherweise Versteigerung Berlin, Lepke,
20. März 1900, Kat. Nr. 11; im November 1901
einigten Niederlande Quelle großen Wohlstandes ten Gemälde (Abb. 1, S. 104), das dem Zürcher in Berlin; Kunsthandcl E. Bolton, London,
und brachte eine reiche Auswahl an exotischen Bild verwandt ist, ist noch vage der Schild einer 1924; Versteigerung London, 18. Juni 1924,
Objekten und Naturalien in deren Gebiete. Dies Schildkröte zu erkennen. Auch er hat einem Kal. Nr. 66; Versteigerung Amsterdam. F. Mul
hatte eine wachsende Sammelkultur zur Folge. Es Lebewesen als »Haus« gedient und ist darüber ler & Co., 25. November 1924, Kat. Nr. 50, Abb.;
entstanden unzählige »Kabinette«, in denen eine hinaus ein verhältnismäßig exotisches Objekt. Kunsthandel A. W. Mensing, Amsterdam, 1926;
Versteigerung Amsterdam, F. Muller & Co.,
Auswahl solcher Gegenstände aufbewahrt wurde, Aufgrund seiner Verwendung als Dekor, wurde
10./11. Dezember 1935, Kat. Nr. 919; an Kunst
und ihre Besitzer konnten damit eine gute Figur Schildpatt enorm geschätzt und auch das Perl handel D.A. Hoogendijk, Amsterdam, 1940-
machen und ihre Gelehrsamkeit zeigen. mutt größerer Muscheln fand großen Absatz bei 1949; Sammlung D. Hannema, Schloss Weldam
Dennoch war das Interesse an so exotischen der Produktion vieler Nippes. Stilleben, in denen bei Goor/Schloss Het Nijenhuis, Heino; Muse
Objekten wie fremdländischen Muscheln nicht Muscheln die Hauptrolle spielen, machen einen um de Fundatie, Schloss Het Nijenhuis, Heino.
nach jedermanns Geschmack. Schon 1614 wid kleinen aber wichtigen Teil der holländischen Ausstellungen:
mete Roemer Visscher in seinen Sinnepoppeti Stillebenproduktion aus. Dennoch gibt es nur Nederlandse stillevens uit vijf eeuwen, Den
diesem Umstand ein Emblem. Über der Abbil einige wenige Gemälde mit diesen Darstellun Haag, Gemeentemuseum, 1926, Kat. Nr. 65;
(Jude kunst uit Twents particulier bezit, Almelo,
dung einer (auf dem Strand liegenden) Muschel gen. Bei den Flamen finden wir sie so gut wie Waaggebouw, 1953, Kat. Nr. 24, Abb. 50; Ne
sammlung ließ er den Text »es ist widerlich, wo gar nicht. Die ersten holländischen Muschel derlandse stillevens uit vier eeuwen, Dordrecht,
für ein Narr sein Geld ausgibt« abdrucken - ein stilleben wurden vermutlich von Balthasar van Dordrechts Museum, 1954, Kat. Nr. 61; Kunst
unmissverständlicher Kommentar.1 Dessen der Ast (1593/94-1657) in den dreißiger Jahren schatten uit Nederlandse verzamelingen, Rot
ungeachtet konnte der Holländer des 17. Jahr des 17. Jahrhunderts in Delft gemalt. Der letzte, terdam, Museum Boymans, 1955, Kat. Nr. 81,
Abb. 124; Natures niortes hollandaises 1550-
hunderts ohne weiteres in diesen besonderen der sich auf dieses Thema konzentrierte, scheint 1950, Luxemburg, Musee de l’Etat/Luik, Mu-
Naturalien auch die Hand Gottes erkennen. Der Adriaen Coorte (tätig 1683-1707 oder später) see des Beaux-Arts, 1957, Kal. Nr. 40, Taf.27;
Pfarrer und Muschelsammler Francois Valentijn gewesen zu sein. Er produzierte zwischen 1696 Het Hollandsc stilleven 1550-1950, Eindhoven,
(1656-1727) verteidigte sich seinen Kritikern ge und 1698 eine kleine Anzahl atemberauben Stedelijk Van Abbemuseum, 1957-1958, Kat.
genüber mit der Bemerkung, dass es, wenn Gott der Muschelstilleben. Keines von ihnen, auch Nr. 40; The Age of Rembrandt - Dutch paintings
and drawings of thc 17th Century (Japanischer
sich mit der Schöpfung dieser Dinge beschäftigt nicht die Darstellungen von Van der Ast, scheint Text), Tokio, The National Museum of Western
hatte, doch keine Narretei sein könne sie zu be einen spezifischen Einfluss auf Kalfs Interpreta Arl/Kioto, Municipal Museum, 1967-1968,
wundern und genießen zu wollen.2 tion des Genres gehabt zu haben. So wie Kalfs Kat. Nr. 31, Abb.; El siglo de Rembrandt, Mad
Das Prunkstück auf diesem Gemälde ist eine Stilleben im Allgemeinen zu den elegantesten rid, Museo del Prado, 1985-1986, Kat. Nr.23,
große polierte Muschel (turbo mannoratus), in und vornehmsten Darstellungen dieser Art des Abb.; A prosperous past. The sumptuous still-life
in the Netherlands 1600-1700, Delft, Stedelijk
teils vergoldetem Silber gefasst, mit einer Neptun 17. Jahrhunderts gehören, gilt dies auch für sei Museum Het Prinsenhof/Cambridge (Mass.),
statue im Fuß. Dieses Objekt entstammt vermut ne Muschelstilleben.5 Fogg Art Muscum/Fort Worth, Kimbell Art
lich Kalfs Phantasie, denn im untersten Teil dieses FGM Museum, 1988-89, Kat. Nr. 16.
Fußes ist das entsprechende Stück der Fassung ei Literatur:
nes venezianischen Glases zu erkennen, das auf Bergström, 1956, S. 281, 283, Abb. 232; D. Han
dem 1663 entstandenen Gemälde in Cleveland nema, Kunst in Oude sfeer, oude en moderne
wiedergegeben ist.3 Ein kleiner Putto, der dort kunst in het kasteel Weldam, Twente, Goor 1952,
als Zwischenstück fungiert, ist hier aus themati S. 30, Abb. 14; D. Hannema, Beschrijvende catalo-
gus van de schilderijen, beeldhouwwerken aqua-
schem Grund durch den Gott des Meeres ersetzt Anmerkungen rellen en tekeningen behorende tot de verzameling
worden. Auf der Marmorplatte liegen rund um 1 Roemer Visscher, Sinnepoppen, Amsterdam, 1614, Em van de Stichling Hannema-De Stuers Fundatie
einen Seeigel Muscheln verschiedener Herkunft, blem IV, >Tis misselijck waer een geck zijn gelt aen leijt«. in het Kasteel ’t Nijenhuis bij Heino, Overijssel,
darunter eine conus imperialis, eine conus aulicus 2 Angeführt auf S. 41 in R. van *t Zeifde, »>O seldsaem Rotterdam 1967, S.35, Kal. Nr. 150, Abb. 19; D.
dierken dat so schoon paleys bewoonet!« Exotische Hannema, Supplement 1971 van de catalogus:
und eine murex (alle aus dem indisch-pazifischen schelpen in de Noord- en Zuid-Nederlandse schilder- schilderijen, beeldhouwwerken, aquarellen en
Gebiet stammend) sowie eine Blutkoralle.1 Der kunst van de zestiende en de zeventiende eeuw«, RKD/ tekeningen [...], S.36, Kat. Nr. 150; Grisebach,
Reichtum dieser Auslage wird zusätzlich von dem Standplaats: Acadeniie, Delft/Zwolle 2001, S. 41-76. 1974, S. 160, 177-178, 280-281, Kat. Nr. 143,
schweren orientalischen Tischteppich und der 3 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 126, Abb. 134, siehe auch Abb. 157; I. Bergström et al., Natura in Posa
Abb. 16 auf S. 98. - la gründe stagione della natura morta Euro-
Schmuckkiste aus asiatischer Lackarbeit betont.
4 Als solches identifiziert in Ausst. Kat. A Prosperous pea, Mailand 1977 (Deutschsprachige Ausgabe
In jedem der Muschelstilleben von Kalf ist Past [...], S. 92. 1979), S. 196, Abb.; Segal 1988, S. 92,95,232, Kat.
immer auch ein (Schmuck-) Kästchen zu se 5 Zur Datierung von Kalfs Muschelstilleben, siehe Kat. Nr. 16; F.G. Meijer in Favorieten van Museum de
hen, zweifelsohne um den kostspieligen Aspekt Nr. 22. Fundatie, Zwolle 2005, S.48, mit Farbabb.
as kleine, auf das Jahr 1653 datierte Ta Diesen erlesenen Gebrauchsgegenständen Öl auf Eichenholz, 44,9 x 35,7 cm
D felbild ist der ungewöhnliche Auftakt eines gehobenen Haushaltes werden delikate Bezeichnet unten rechts: W. Kalf.1653
München, Bayerische Staatsgemäldesamm
zu Kalfs Amsterdamer Zeit nach seiner Südfrüchte als gleichwertige Kostbarkeiten bei lungen, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 10763
Rückkehr aus Paris 1646. Die Zäsur zwischen gegeben. Sie wurden aufgrund ihres langwieri
dem letzten datierten Stilleben der vorausge gen Transportes aus fernen Ländern seinerzeit Provenienz:
henden Werkphase, das sich früher in Warwick als besondere Raritäten gehandelt. Die größte Sammlung Baron Henry de Mecklenbourg,
Castle befand, und dem hiervorgestellten könnte Aufmerksamkeit zieht eine in satt leuchtendem versteigert Paris, 1870; Sammlung Berthold
Richter, Berlin; Sammlung Joseph Block, Ber
nicht größer sein.1 So findet sich hier nichts mehr Gelb und mit brillanten Glanzlichtern charakte
lin; für die Bayerischen Staatsgemäldesamm
von der verschwenderisch dicht gedrängten An risierte Zitrone auf sich. Ihre halb abgehobene lungen erworben aus dem Berliner Kunsthan
häufung prunkvoller Edelmetallgegenstände in dicke Schale ist dekorativ über den Rand des del, 1940.
offenen Arrangements wie es allerdings auch Silbertellers gelegt. Während diese Frucht in
noch keinen vorausweisenden Hinweis auf die den Pariser Stilleben Kalfs als Motiv eine eher Ausstellungen:
Ausstellungen von Werken der niederländi
ostentative Zurschaustellung einzelner kostbarer marginale Rolle spielte, erhält sie hier den pro
schen Kunst des 17. Jahrhunderts in Berliner
Sammlungsstücke als Motive der zeitlich nach minenten Platz an der vordersten Bildebene. Ein Privatbesitz, Berlin, 1890, Nr. 151; Ausstellung
folgenden Gemälde gibt. Dass Kalf ein Jahr nach aufgebrochener Granatapfel mit den für ihn ty von Werken alter Kunst aus dem Privatbesitz
der Entstehung dieses Bildes in Amsterdam die pischen unzähligen Fruchtkernen liegt dahinter. von Mitgliedern des Kaiser-Friedrich-Muse-
Position eines angesehenen und bekannten Ma Auf der rechten Tischhälfte leiten zwei kleine, ums-Verems, Kaiser-Friedrich-Museum, Ber
lin, 1906, Kat. Nr. 71; Sammlung Joseph Block,
lers inne hatte, ist ein sicheres Indiz dafür, dass samtige Pfirsiche und der reich ziselierte Knauf
Galerie Dr. A. Gold, Berlin 1928; Exhibition
er mit den, im Vergleich zu Paris unterschiedli eines schräg liegenden Messers den Blick in den of Dutch Art, Royal Academy, London, 1929,
chen Gepflogenheiten des Amsterdamer Kunst unbestimmten Hintergrund. S. 66, Kat. Nr. 240; Galerie Dr. Schaffer, Berlin,
marktes vertraut war. Ein in seinem Werk bis Die Zusammenstellung von Wein und Zitro 1932, Kal. Nr. 57
lang so ungewöhnlich schlichtes Bild wie dieses, ne als benachbarte Bildmotive ist nichts Unge
entstand daher mit großer Wahrscheinlichkeit Literatur:
wöhnliches. Es gehörte zu den Gepflogenheiten
W. von Bode, »Ausstellung von Werken der
unter dem Einfluss der Stillebenmalerei seiner der damaligen Trinkkultur, dem süßen Wein niederländischen Kunst«, II, in Jahrbuch der
neuen Wirkungsstätte.2 die Säure der Zitrone zur Geschmacksverbes kgl.preuß. Kunstsammlungen 11 (1890), S. 299;
In einer von rechts nach links aufsteigenden serung beizugeben. Auch dürfte bei derartigen Warner, 1928, Tafel 56c; W. von Bode, Maler
Komposition ordnet Kalf nur wenige Dinge auf Darstellungen der inhaltliche Verweis auf den schulen, hrsg. v. E. Plietzsch, Leipzig 1953,
einer schweren, kantigen Steinplatte an. Im Un S.385; Bergslröm, 1956, S.280f, Abb.227;
übermäßigen Genuss von Wein und den daraus
Katalog r\lte Pinakothek III, Holländische Ge
terschied zu den meisten Stilleben Kalfs wird die abgeleiteten Appell an das Maßhalten durchaus mälde des 17. Jahrhunderts, bearb. v. E. Broch
bildparallel geführte Platte von den Bildrändern noch mitgeschwungen haben (vgl. Kat. Nr. 34). hagen und B. Knüttel, München 1967, S.39;
überschnitten, ihre Oberfläche ist in diesem Fall Beim Granatapfel tradiert sich seit der Antike Pilz-von Stein, 1965, S. 61-64, 88, 133, Nr.61;
unpoliert und der obligatorische, in Falten zu eine sinnbildhafte Ausdeutung als verführeri Grisebach, 1974, S. 152f., 154, 155, 156, 157,
Kal. Nr. 72, Abb. 83; P. Eikemeier, in Alte Pi
sammen gebauschte orientalische Teppich fehlt. sche Frucht.1 Auch wenn Kalf und die gebildeten
nakothek München. Erläuterungen zu den
Der im diffusen Dunkel gehaltene Hintergrund Käufer seiner Werke Kenntnis von der spezifi ausgestellten Werken, München 1983, S. 268,
wird durch eine andeutungsweise zu erkennende schen Symbolik der dargestellten Früchte besa Abb.; Sega), 1988, S. 188-189, Abb. S. 189; Alte
Nische charakterisiert, ein architektonisches Mo ßen, fiel seine Wahl auf diese Bildmotive wohl Pinakothek. Ein Rundgang durch die Samm
tiv, das Kalf mehrfach verwendet und vermutlich eher aus ästhetischen als aus theoretischen Be lung, hrsg. v. d. Bayerischen Staatsgemäldes
ammlungen, München 1991, S. 237, Abb.; E.
in den meisten seiner Stilleben vorhanden war, weggründen. So scheint Kalf bei den gewählten Gemar-Koellzsch, Holländische Stillebenma-
was heute aufgrund der oft nachgedunkelten Objekten nicht nur von dem Seltenheitswert, ler im 17. Jahrhundert, Bd.2, Lingen 1995,
Hintergründe aber nicht immer verifizierbar ist? sondern auch von der Schönheit ihrer äußeren Nr. 194/195, S. 543-544; R. an der Heiden, Die
Als vertikale Elemente arrangiert Kalf eine ele Erscheinung ausgegangen zu sein. Was späte Alte Pinakothek. Sammlungsgeschichte, Bau
gante chinesische Porzellankanne hinter einen re Kunsttheoretiker wie Gerard de Lai resse als und Bilder, München 1998, S. 519; H. Kretsch
mer, Abenteuer Kunst, München 2001, S.99,
großen, halbgefüllten Römer, der die Mittelachse Mangel bezeichneten, nämlich dass Kalfs Male Farbabb.; S.Grohe, Stillleben. Meisterwerke
des Bildes beherrscht. Das Glas ist auf einem aus rei »keine Rechenschaft geben konnte, warum der holländischen Malerei, München 2004,
ladenden, fast über die gesamte Tischbreite und sie dies oder jenes darstellte«5, macht in diesem S. 1141'., Abb.; Alte Pinakothek, Ausgewählte
die vordere Kante ragenden Silberteller platziert. Fall gerade den besonderen Reiz des kleinen Bil Werke, hrsg. v. d. Bayerischen Staatsgemälde
des aus. Fast scheint es, als hätte Kaifeine unge sammlungen, München/Köln 2005, S. 184,
Mit seinem unregelmäßig vorspringenden Rand
Farbabb. S.185.
stellt der Teller in Kalfs Motivrepertoire ebenso nügende inhaltliche Bedeutung mit den Mitteln
ein Unikat dar, wie die enghalsige, in floralem einer exzellenten Malweise wettmachen wollen.
Blau-Weiß-Dekor bemalte Kanne mit montier In virtuosem Lichterspiel versteht er es, die Ge
ten Silberdeckel und der Römer mit seiner unge genstände aus dem sie umgebenden Dunkel her
wöhnlich breiten Kuppa. aus zu leuchten: Er betont das glänzende Silber
illem Kalt"besaß eine ausgesprochene Gerade das Querformat dieses Gemäldes be Öl auf Leinwand, 86,4 x 102,2 cm
W Vorliebe für Hochformate. Dennoch stimmt auch seine Stärke. Das wird besonders Signiert, links unten: W. Kalf
London, National Gallery, Inv. Nr. 6444
gehören gerade viele der Querforma deutlich, wenn wir es mit der von Kalf gemalten
te zu den Höhepunkten in seinem CEuvre, wobei hochformatigen Variante vergleichen (Abb.l).1 Provenienz:
dieses Gemälde aus London keine Ausnahme Dort hatte sich der Maler dafür entschieden un Möglicherweise in der Sammlung des Wein
darstellt. ter und über dem Stilleben etwas mehr Raum zu händlers Arnout Stevens, Amsterdam (Inven
lassen und dem Teppich einen größeren Anteil tar vom 28. Januar 1706); Versteigerung Ams
Außergewöhnlich ist allerdings das sofort ins
terdam, 31. März 1706, Kat. Nr 1; Sammlung
Auge springende Motiv dieses Stillebens: der in der Komposition einzuräumen. Obwohl das William Newall, London, ca. 1860; Sammlung
enorme, vom Kochen rotgefärbte Hummer. Er noch immer ein sehr eindrucksvolles Gemälde Robert Sterling Newall, 1938; 1978 von die
bestimmt zusammen mit dem ebenso imposan ergibt, ist das Resultat bei weitem nicht so mo sem nach einer langen Zeit als Dauerleihgabe
ten Trinkhorn dahinter das Bild und wird durch numental wie im Fall des hier gezeigten Bildes der National Gallery, London, als Legat ver
die helle gelbe Zitrone zwischen seinen Scheren aus der Londoner National Gallery. macht.
optisch in den Raum gezogen. Die übrigen Ge Einen gekochten Hummer sieht man auf vie- Ausstellungen:
genstände auf dem Gemälde - ein Messer, ein len Stilleben des 17. Jahrhunderts. Er wurde von Exhibition of 17th-century Art in Europe,
auf der bekannten Silberschale stehender Römer, den Malern nicht nur wegen des kräftigen roten London, Royal Academy of Arts, 1938, Kat.
eine weiße Serviette, ein Brötchen, drei kostbare Farbakzents dargestellt, den sie damit in ihre Nr. 191; Art in Seventeenth-century Holland,
venezianische Gläser und ein persischer Tisch Kompositionen einbauen konnten, sondern auch London, National Gallery, 1976, Kat. Nr. 64,
Abb.; A Prosperous Past. The Sumptiious Still
teppich - dienen vor allem der Festlegung von wegen seiner faszinierenden, exotischen Anato Life in the Netherlands 1600-1700, Stedelijk
Bildtiefe und -Stimmung. Der Untersatz des Ti mie. Besonders die Antwerpener Stillebenmaler, Museum Het Prinsenhof, Delft/Fogg Art Mu
sches besteht ebenfalls aus Stein und ist mit ge- allen voran Jan Davidsz. de Heern, setzten den seum, Cambridge (Mass.), Kimbell Art Mu
meißelten Bildwerken versehen. Wirsehen noch Kunstliebhabern gerne Hummer vor. Doch sel seum, Fort Worth (Texas) 1988-1989, S. 179
den Kopf und einen Arm von einem tragenden ten spielte dieses Tier eine so prominente Rolle (Farbabb.), 188-189, 192, 220 Anm. 24-29,
248, Kat. Nr. 54; Het Ncderlandse stilleven
Putto. wie hier bei Kalf. Und obwohl der Maler (und/ 1550-1720, Amsterdam, Rijksmuseum, 1999,
oder seine Käufer) angesichts der Wiederholung Kat. Nr. 49, Farbabb.
des Bildes mit dieser Themenwahl zufrieden
gewesen sein müssen, stellte er nie wieder ein Literatur:
derartiges einzelnes, großes und farbenfrohes G. Hoet, Catalogus of naamlyst van schilde
rten, niet derzclver prysen [...], 2 Bde, Leiden
Motiv in den Mittelpunkt seiner Kompositio 1752, Bd. 1, S.85-87; A. Bredius, »Rembrand-
nen. Es ist anzunehmen, dass die hochformatige tiana«, Oud Holland 42 (1925), S.267-268;
1 Willem Kalf, Stilleben mit Hummer und dem
Version vor dem Londoner Gemälde entstand, Van Gelder, 1941, S. 53 (Abb.), 56, 57; R. van
Trinkhorn der Amsterdamer St. Sebastiangilde, Öl auf
da dieses Format normalerweise von Kalf ver Luttervelt, Kunst van Nederland. Schilders van
Leinwand, 130 x 110 cm. Verbleib unbekannt. het Stilleven, Naarden 1947, S. 57; L. Thys
wendet wurde. Überdies erfüllt der Stuhl links
sen in Ausst. Kal. Gabriel Metsu, Stedelijk
vorne in dem Hochformat eine viel deutlichere Museum De Lakenhai, Leiden 1966, S. 133;
Funktion als Repoussoir, das heißt als ein Ge Grisebach, 1974, S. 119, 120, 122 Anm. 266,
genstand, der Tiefe in die Komposition bringt. 123-124, 155, 156, 157, 167 Anm. 375,
Vielen Betrachtern wird nicht sofort klar sein, 244-245, 278, 279, Kal. Nr. 77, Abb.85; B.
was sie da eigentlich in der linken unteren Ecke Haak, Hollandse schilders in de Gouden Eeinv,
Amsterdam 1984, S. 495, Abb.; N. McLaren &
des Londoner Gemäldes sehen. Ein Weglassen C. Brown, The Dutch School 1600-1900, Lon
der Stuhllehne auf diesem Bild hätte keine dra don 1991, S. 213-214, Taf. 183; Ydema, 1991,
matischen Folgen für die Wirkung der Kompo S. 160, Nr. 439.
sition. Anders im Hochformat, wo es einen ent
scheidenden Eingriff in das Erscheinungsbild
der Darstellung bedeuten würde.
Bei dem großen Trinkliom hinter dem Hum
mer handelt es sich um einen bekannten Gegen
stand. Es wurde um 1565 für die Amsterdamer
Schützengilde angefertigt und zum Zeitpunkt
der Entstehung dieses Gemäldes noch immer
bei den offiziellen Zusammenkünften dieser St.
Sebastians-Schützengilde benutzt. Der Pokal be
steht aus einem in Silber gefassten Büffelhorn.2
Wie andere Trinkhörner, zum Beispiel der 1566
ei diesem Stilleben handelt es sich um Dieser Pokal ist auf mehreren Stilleben Kalfs Öl auf Leinwand, 62 x 56 cm
B eine der ruhigeren Kompositionen im zu finden, wo er manchmal auch mit einem De Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen,
Inv. Nr. 2503
CEuvre Willem Kalfs. Hier gibt es keinen ckel gezeigt wird. Der Bauch des Glases besteht
aufragenden, strahlend glänzenden silbernen aus so genanntem »Eisglas« mit einer künstlich Provenienz:
Gegenstand und keinen funkelnd reflektieren krakelierten Oberfläche. Der Fuß und die als Sammlung Oppler, Hannover; Kunsthandel
den Römer. Obwohl ein kaum beleuchtetes Flö Löwenmasken gestalteten Applikationen sind Dr. N. Beets, Amsterdam, 1929; Sammlung
tenglas die Komposition etwas in die Höhe zieht, vergoldet. Es handelt sich um ein venezianisches D. G. van Beuningen, Vierhoulen, 1958 vom
hat diese dennoch einen weitaus geringeren ver Museum Boymans-van Beuningen, Rotter
Modell aus dem 16. Jahrhundert, doch Kalfs Ex
dam, erworben.
tikalen Charakter als die meisten Stilleben Kalfs. emplar kann genauso gut aus späterer Zeit stam
Obwohl Kalfs Leinwände keine wirklich großen men und in einem Glasatelier in Amsterdam an Ausstellungen:
Differenzen bezüglich ihres Formates aufwei gefertigt worden sein.1 In einer dem Rotterdamer Oude Kunst, Amsterdam, Rijksmuseum, 1929,
sen, scheint der Maler die Arbeit auf Standard Gemälde sehr ähnlichen Komposition in Berlin Kat. Nr. 79, Abb.; Kersttentoonstelling, Rotter
formaten gemieden und die Verhältnisse seiner dam, Museum Boymans, 1929/30, Kat. Nr.6,
(Kat. Nr. 27) fehlt die Porzellanschüssel, wodurch
Abb.; Het Stilleven, Kunsthandel J. Goudstikker,
Leinwände von der beabsichtigten Komposition das Glas eine noch wichtigere Rolle in der Dar Amsterdam, 1933, Kat. Nr. 174; Tcntoonstel-
abhängig gemacht zu haben. stellung erhielt. ling van 115 stillevens, 1480-1933, Rotterdam,
Das wichtigste Element in diesem Stilleben Beide Gemälde sind bisher recht früh in Kalfs Museum Boymans, 1933, Kat. Nr.48; Vermeer,
ist die Porzellanschüssel mit einer halb geschäl Amsterdamer Schaffensphase eingeordnet wor oorsprong en invloed, Rotterdam, Museum
ten Zitrone und zwei Orangen, wovon die eine den, um 16562, doch eine etwas spätere Datie Boymans, 1935, Kat. Nr. 63, Abb. 103; Meester-
werken uit dc verzamcling D.G. van Bennin
noch ein Zweiglein mit Blüten und einer un rung wäre sicherlich auch zu vertreten. So gibt gen, Rotterdam, Museum Boymans, 1949, Kat.
ausgereiften kleinen grünen Orange trägt. Die es eine starke Verwandtschaft mit einem 1659 Nr.52; Chefs deeuvre de la Collection D.G. van
Schüssel ruht relativ schräg auf dem bekannten datierten Werk, auf dem die gleiche Porzellan Beuningen, Pans, Petit Palais, 1952, Kat. Nr. 103,
Perserteppich. Links davon steht auf der harten schüssel abgebildet ist und die Behandlung fast Abb. 39; Kunstschatten uit Nederlandse verza-
steinernen Tischplatte die ebenfalls bekannte melingen, Rotterdam, Museum Boymans, 1955,
aller, in beiden Gemälden zu findenden Motive
Kat. Nr. 82, Abb. 123; Meesterwerken van de
Silberschale, unter der der Achatgriff eines Mes (Teppich, Silberschale, Tischplatte, Messer etc.), Nederlandse schildcrkunst uit de 17de eeuw uit
sers in den Raum ragt. Auf der Silberschale liegt völlig übereinstimmend ist. (Abb. 9, S. 96).3 Museum Boymans-van Beuningen - Rotterdam,
ein Pfirsich, hinter dem der andere Hauptakteur FGM Sophia, National Galier); 1985, Kat. Nr. 2, Abb.;
dieses Stillebens steht, ein Glaspokal mit Fuß, S edevry Zapadnoevropejskoj zivopisi XVI-XIX
verziert mit Applikationen. Das schon erwähnte vekov : iz sobrania muzcä Bojmans-van Beunin
gen, Leningrad, 1986, Kat. Nr. 17, Abb.
Flötenglas komplettiert die Komposition.
Das Spiel von Farbe und Licht in der Schüs Literatur:
sel mit den Früchten zeigt den Maler von sei Van Gelder, 1941, S. 44, 52, 55; N. Ottema, Chi
ner besten Seite. Die spiralförmige, hellgelbe neesche ceramiek, Amsterdam, 1946, Abb. 208;
Zitronenschale leitet den Blick des Betrachters D. Hannema, Catalogue of the D.G. van Beun
ingen Collection, Rotterdam 1949, Kat. Nr. 52;
in das Innere des Gefäßes, wo das Gelb und die Pilz-von Stein, 1965, S. 74, 75, 135, Nr.75; Gri
beiden Orange-Töne perfekt harmonieren. Das sebach, 1974, S. 157, 247, Kat. Nr.82, Abb.90;
dunkle Orange der einen Apfelsine bestimmt Ter Kuile, 1985, S.28; EG. Meijer, Stillevens
genau die Stelle der hellen zweiten sowie der uit de Gouden Eeuw. Eigen collectie / Still Life
gelben Zitrone in dem Raum davor. Der Zweig Paintings front the Golden Age. Own Collection,
Museum Boymans-Van Beuningen, Rotterdam,
der vorderen Orange spielt bei der räumlichen Rotterdam 1989, S.29 (Farbabb.), 90, 91, Kat.
Suggestion ebenfalls eine wichtige Rolle. Das Nr.21; Ydema, 1991, S. 161, Nr.441
Blau und Weiß der Schüssel ergänzen die war
men Farbtöne der Früchte. Das Licht auf dem Anmerkungen
Porzellan ist ein prachtvolles Beispiel für Kalfs 1 Fürdieals venezianisch identifizierten Exem
Beobachtungsvermögen. Er zeigt uns, wie das plare siehe G. Weiss, Antiek Glas, oudheid tot
helle Licht durch das dünne, nahezu transparen en niet Jugendstil (Elseviers Antiekbiliotheek),
Amsterdam/Brüssel 1968, S.85, Abb. 50 und
te Porzellan zu brechen versucht und der scharfe O. Wilkinson, Old Glass. Manufacture Styles
Rand der Schüssel hell aufleuchtet. Das Licht auf Uses, London/Toronlo 1968, Tal. 41.
der Unterseite der Schüssel ist das Resultat der 2 Grisebach, 1974, S. 157 und laut der Ord
Reflexion des Lichtes durch die Silberschale. Die nung seines Katalogs (vor den datierten Wer
ken von 1656). Ich übernahm diese Datierung
gleichen Reflexionen lassen auch die Unterseite
in meinem Katalog der Stilleben im Museum
des Pfirsichs aufleuchten und sind Teil der Prä Boijmans Van Beuningen von 1989.
sentation des Glaspokals. ' Grisebach, 1974, cat. nr. 94, alb. 103.
ie wenigen Gegenstände dieses Stil der Verlauf der breiten, hoch gebauschten Falte Öl auf Leinwand, 65 x 56 cm
D lebens aus den Anfangsjahren von Kalfs bis in den Bildhintergrund sichtbar, wo der Tep Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemälde
galerie, Kat. Nr.948D
Amsterdamer Zeit sind auf einer schwe pich den Tellerrand umrahmt. Beim Silberteller
ren, scharfkantigen Tischplatte angeordnet. Die akzentuiert Kalf den barocken Ohrmuschelstil Provenienz:
se ist in ihrer gesamten Tiefe bis in den Hinter durch subtil auf den Rand gesetzte Lichtreflexe. Sammlung Sir Julius Wernher, London; Ge
grund des Bildes sichtbar und deutet eine größe Der Teller stammt vermutlich aus dem Kreis der schenk Wernher 1893; Kaiser-Friedrich-Mu
re Räumlichkeit an, als bei Kalfs Kompositionen Amsterdamer Goldschmiedfamilie Van Vianen, seum, Berlin.
sonst üblich. So kann man unter der Tischplatte deren kostbaren Erzeugnisse sich großer Be
Ausstellungen:
auch die Kontur des geschwungenen Steinso wunderung erfreuten und entsprechend begehrt Central Collecting Point, Wiesbaden, 1949,
ckels wahrnehmen. Zur Hälfte ist der Tisch mit waren. Kalfs explizite Darstellung von Messer Kat. Nr. 90; Meesterwerken uit de Musea van
einem schweren, orientalischen Teppich be griffen aus Achat wurde dagegen von Arnold Berlijn, Brüssel, 1950, Kal. Nr. 60; Chefs-
deckt, der sich zum linken Bildrand hin in brei Houbraken ausdrücklich gelobt.’ dceuvre des Musees de Berlin, Musee du Petit
Palais, Paris, 1951, Kat. Nr. 94, Abb.
ten Falten bauscht. Auf der Tischplatte steht ein Auch wenn Pfirsich und Orange aus heutiger
silbergetriebener Teller. Mit seinem Rand ragt Sicht zu den eher alltäglichen Dingen zählen, Literatur:
er leicht über die vordere Tischkante hinaus, erfuhren sie zu Kalfs Zeiten eine hohe Wert Königliche Museen zu Berlin, Die Gemälde
während er seitlich von einer hoch gebauschten schätzung aufgrund ihrer weit entfernten Ur galerie des Kaiser-Friedrich-Museums, Zweite
Teppichfalte bedeckt wird. Auf diesem wird ein sprungsländer. Dementsprechend ostentativ Abteilung: Die Germanischen Länder, Ber
bauchiger Glaspokal präsentiert, davor liegend lin 1911, S.245, Abb.S.244; Warner. 1928,
werden hier die beiden Früchte in den optischen
Taf. 55b; E. H. Gombrich, Die Geschichte der
ein Pfirsich und eine große Orange, zwischen wie räumlichen Mittelpunkt des Bildes platziert. Kunst, Köln/Berlin 1952, Abb. 269; A. Lieder
denen der Achatgrift' eines Messers hervorragt. Pfirsiche (nialum persicum) erreichten über die wald, Niederländische Glasformen des 17. Jahr
Aus der Mitte des dunklen Hintergrundes tritt Handelsschiffe Holland, wo sie als Untergattung hunderts, Phil. Diss. Freiburg i. Brsg. 1964,
als weiteres Glas eine Flöte hervor. Nur durch der Äpfel verstanden wurden. In zahlreichen S. 154; R. Klessmann, Holländische Malerei
einen zarten Lichtreflex ist ihr oberer Rand des 17. Jahrhunderts, Berlin 1969, Taf. VIII;
Stilleben der Zeit werden sie daher mit deren
E. Hubala, Die Kunst des 17. Jahrhunderts
noch zu erkennen und ihre eigentliche Höhe Symbolik belegt. Auch wenn in diesem Bild ein (Propyläen Kunstgeschichte Bd.9), Berlin
abschätzbar. Abseits dieser Gruppe sind auf der inhaltlicher Verweis unwahrscheinlich ist, könn 1970, Taf. 181b; Grisebach 1974, S. 117, 123,
unbedeckten Tischplatte gleichsam als »Stilleben te Kalf ihre Funktion als therapeutisches Mittel 156-157, Kat. Nr. 83, Abb. 91; Gemäldegale
im Stilleben« eine ausgelöste Orangenspalte, ein gegen Trunkenheit durch übermäßigen Wein rie Berlin, Katalog der ausgestellten Gemälde
einzelner Fruchtkern und in gefährlich labiler des 13.-18. Jahrhunderts, Berlin 1975, S. 211,
genuss gekannt haben.5 Am Beispiel der Orange
Abb.; F. G. Meijer, St Hievens uit de Gouden
Position der Deckel des Pokals zu sehen. Kalf führt der Maler uns alle Stadien der Fruchlent- Eeuw. Eigen collectie / Still Life Paintings front
lässt den Objekten viel Raum, so dass sie ein wicklung vor Augen: vom einzelnen Kern an der the Golden Agc. Own Collection, Museum
ander kaum berühren. So wird im Stiel des Flö vorderen rechten Tischecke über die am Zweig Boymans-Van Benningen, Rotterdam, Rotter
tenglases die Gestaltung in der Fa^on de Venise sichtbare Blüte und den ersten Fruchtansatz bis dam 1989, S.90, Abb. 21.1; Gemäldegalerie
wahrnehmbar, wie auch beim Glaspokal, dessen Berlin, Gesanitverzeichnis/Staatliche Museen
zur prallen Form der ausgereiften Frucht selbst,
zu Berlin, Bearb. v. H. Bock, Berlin 1996, S. 65,
schöne Form in vollem Umfang zu erkennen ist. und weist damit auf die botanische Besonderheit Abb. S. 354» Nr. 1387.
Zwischen den bei Kalf zahlreich anzutreffenden des Orangenbaums hin, der gleichzeitig Blüten
Gläsern muss er als Einzelstück betrachtet wer und Früchte tragen kann. Den Blick in die in
den.1 Seine Charakteristika sind die bauchige nere Beschaffenheit der kostbaren Südfrucht
Kuppa mit hohem Rand auf balusterförmigem ermöglicht die einzelne, an der vorderen Tisch
Stiel mit ausladendem, gewelltem Fuß. Der De kante liegende Spalte.
ckel besitzt einen aus Tropfenformen gebildeten Meisterhaft setzt Kalf Licht und Schatten ein,
Knauf. Seine Bezeichnung als so genanntes »Eis aus denen sich die Körperlichkeit der Gegen
glas« rührt von der körnigen Struktur der Ober stände erst entwickeln kann. Neben Glanzlich
fläche her2, deren Extravaganz Kalf mit unzäh tern sind es vor allem die Schattenpartien, die
ligen, winzigen Glanzlichtern zur Anschauung den Dingen eine haptische Existenz verleihen,
bringt. Mit Hilfe der Lichtführung lenkt Kalf die so zum Beispiel beim Schattenwurf des Pfirsichs
Aufmerksamkeit auch auf den Teppich und den auf die Orange oder der der Orangenspalte auf
Silberteller, zwei Objekte, die sonst eher eine un die Tischkante. Vor der gedämpften Tonigkeit
tergeordnete, »tragende« Rolle spielen. So wird des Hintergrundes leuchten die wie von innen
nicht nur das kunstvolle, in warmen Beige-, glühenden Farben der voll vom Licht getroffenen
Braun- und Rottönen gewirkte Muster des um Früchte, die roten Flecken des Pfirsichs wie das
1600 in Ostpersien angefertigten, so genannten kräftige Gelbrot der Orange, das in der Flüssig
»Herat« zur Geltung gebracht3, sondern auch keit des Glases reflektiert wird. Mit den Mitteln
tillebenmaler des 17. Jahrhunderts gaben Gemälde diese Kanne zusammen mit einer ver Öl auf Leinwand, 71,5 x 62 cm
S oft sehr moderne Gegenstände auf ihren goldeten Römerschraube aus Silber wieder, die Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr.SK-A-199
Gemälden wieder, doch Willem Kalf muss einen Putto in ihrem Stamm zeigt und einen mit Provenienz:
wohl nicht so großen Wert darauf gelegt haben. Weißwein gefüllten Römer trägt. Rechts vorne Sammlung des Stillebenmalers Albertus Jo
So stammen viele seiner Porzellanschalen aus liegt eine Uhr mit geöffnetem Deckel in einem nas Brandt; Versteigerung Sammlung Brandt,
dem frühen 17. Jahrhundert, aus der Regie goldenen Kästchen. Da der Perserteppich - ein Amsterdam, 29. Oktober 1821, Kat. Nr. 96, an
rungszeit des Ming Kaisers Wan-li (1573-1619). wichtiges Standardmotiv bei Kalf - hier fehlt, das Rijksmuseum, Amsterdam.
Die Schale auf diesem Gemälde wurde vermut wird die gesamte Aufmerksamkeit auf die Ge
Ausstellungen:
lich etwas später angefertigt, war aber sicher genstände in dem Stilleben gelenkt, wobei die De Hollandsche schilderkunst van Jeroen Bosch
keine Novität. Bei Kalf zählte allein die Qualität; Zitronen und Orangen mit ihren farbenfrohen tot Rembrandt, Brüssel, Paleis voor Schone
die allgemein üblichen Wan-li-Schälchen und Schalen das vornehme Silber und Porzellan zu Künsten, 1946, Kat. Nr. 56; Holländer des 17.
Schüsseln, die zu Tausenden von der Vereinig übertrumpfen versuchen. Jahrhunderts, Zürich, Kunsthaus, 1953, Kal.
Nr. 70; Mostra di pittura olandese del Seicen-
ten Ost-Indischen Compagnie eingeführt wor Es ist sehr interessant dieses Stilleben von
to, Rom, Palazzo delle Esposizioni, 1954, Kat.
den waren und mannigfaltig auf den Gemälden Kalf mit einem 1659 entstandenen Gemälde von Nr. 69; Natures mortes hollandaises 1550-1950,
vieler anderer Stillebenmaler zu sehen sind, Willem van Aelst zu vergleichen, das hinsicht Luxemburg, Musee de 1’Etat/Lültich, iMusee
kommen bei ihm fast nicht vor.1 lich seiner Motive große Verwandtschaft zeigt des Beaux-Arts, 1957, Kat. Nr. 39, Abb. 26;
Auch die hier wiedergegebene Silberkanne (Abb. I).3 Van Aelst war 1656 nach einem etwa Het Hollandse stilleven 1550-1950, Eindho
ven, Stedelijk Van /Xbbemuseum, 1957-1958,
war keineswegs neu, aber ein besonderes Ob zehnjährigen Auslandsaufenthalt nach Amster Kat. Nr. 39, Abb; Zeldzaani zilver uit de Gou-
jekt. Sie wurde vermutlich um 1632 von dem dam gekommen. Zunächst hatte er einige Jahre den Eeuw. De Utrechtse edelsnteden Van Via
einflussreichen Utrechter Silberschmied Chris- in Paris gearbeitet, wo er 1645 Kalf noch getrof nen, Utrecht, Centraal Museum, 1984-1985,
tiaen van Vianen angefertigt. Der Entwurf für fen haben könnte. Danach war er als Hofmaler Kat. Nr. 116, Abb. 18; Still Lifes: Techniques
dieses Gefäß geht allerdings auf ein Modell aus für den Erzherzog Ferdinand II. de’ Medici in and Style. An Examination of Paintings front
the Rijksmuseum, Amsterdam, Rijksmuseum,
dem Jahre 1619 zurück, das von seinem Vater Florenz tätig. Während seiner Florentiner Zeit 1999, Kat. Nr. 10, Farbabb.; Still-Life Paintings
Adam van Vianen stammt.2 Kalf gibt in seinem hatte Van Aelst einen äußerst verfeinerten höfi front the Netherlands 1550-1720, Cleveland,
schen Stil entwickelt. Stolz auf seine italienische The Cleveland Museum of Art, 2000, Kat.
Vergangenheit, signierte er seine Gemälde ab Nr. 49, Farbabb.
1659 ausschließlich mit »Guill(er)mo van Aelst«.
1 Willem van Aelst, Stillebcn mit Silberkamie, Literatur:
Romerschraube, Früchten und einer Muschel, signiert
Mit seiner Niederlassung in Amsterdam muss er G. Rathgeber, Niederländische Gemälde und
und datiert 1659, Öl auf Leinwand, 84 x 70 cm. zu einem der wichtigsten Kollegen und Konkur Kupferstiche des Herzogi. Museums zu Gotha
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, renten von Kalf geworden sein. Viele besondere aus den Jahren MDC bis MDCLXIV, Gotha
Kal. Nr. 975, seit 2006 als Dauerleihgabe im Suer- Objekte wie die Van-Vianen-Kanne sind auf den 1840, S. 163; Warner, 1928, S. 122, 123, Abb;
mondt-Ludwig-Museum, Aachen. Stilleben beider Künstler zu finden, doch man A. P. A. Vorenkamp, Bijdrage tot de geschiede-
nis van het Hollandsch stilleven in de zeven-
hat den Eindruck, sie hätten untereinander ab tiende eeuw, Leiden 1933, S.51; Van Gelder,
gesprochen, dass der persische Tischteppich in 1941, S. 55 Anm. 2; R. van Lutterveld, Kunst
Kalfs Zuständigkeitsbereich und das Tischtuch van Nederland. Schilders van het Stilleven,
aus Satin in den von Van Aelst fallen sollte. Das Naarden 1947, S.50, 56, Abb. 27; Bergström,
einzige Mal, wo Van Aelst ein orientalisches 1956, S. 278, Abb. 229; M.H. Gans u. Th.M.
Duyvene de Wit-Klinkhamer, Dutch silver,
Tischtuch wiedergab, ähnelt dieses in seinem
London 1961, S. 18, Taf. 19; Pilz-von Stein,
Faltenwurf verdächtig stark dem von Kalt? 1965, S.90, 138, Nr. 106; Grisebach, 1974,
Doch zurück zu unserem Vergleich: wie bei S. 124-125, 156-157, 242, 246, 248, 279, Kat.
Kalf, scheinen auch bei Van Aelst die Früchte Nr. 80. Abb. 89; P. J. J. van Thiel et al.. Alle schil
(und die Muschel) die Aufmerksamkeit des Be derten van het Rijksmuseum te Amsterdam.
Volledig geillustreerde catalogus, Amsterdam/
trachters von den kostbaren Artefakten ablenken
Maarssen, 1976, S. 310, Nr.A 199, Abb.; Ter
zu wollen. Die Van-Vianen-Kanne nimmt bei Kuile, 1985, S.49, Abb. 32, 124; Segal, 1988,
ihm Genüge mit einem bescheidenen Platz auf S. 193, 194, Abb. 10.6; Brunnenkant, 1999,
dem zweiten Rang, die Römerschraube mit dem Heft 2, S. 278-279 (auch angeführt in etlichen
Römer ragt jedoch triumphierend überden Rest allgemeinen Kunslhandbüchern und Über
sichtswerken).
hinaus. Soweit zu den Übereinstimmungen. Van
Aelst hält weitaus größeren Abstand zu seinem
Thema als Kalf, was eine vornehme, höfische
Distanz und eine gewisse Monumentalität des
Bildes zur Folge hat, obwohl sein Gemälde nicht
uf einer von rechts ins Bild ragenden unterhalb der Schüssel, das gefährlich weit über Ö1 auf Leinwand, 66 x 55,6 cm
A polierten Steinplatte arrangiert Kalf ei die Tischkante hinaus in den Raum des Betrach Signiert links unten: W KALF (nur schwer
erkennbar)
nige wenige Gegenstände, die in den ters ragt. Mit diesem seinerzeit unter Stilleben
Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum,
Stilleben seiner Amsterdamer Zeit häufig anzu malern angesehenen Kunstgriff, setzt es zu der Landesgalerie, Inv. Nr. PAM 803
treffen sind: So ist in der Mittelachse des Bildes instabilen Position der Schüssel einen weiteren
Provenienz:
ein kunstvoll gearbeiteter Prunkpokal platziert, Akzent hinzu. Als kleinste Gegenstände sind auf Nachlass Franz Ernst von Wallmoden, Han
dessen Deckel abgenommen und davor gelegt der freiliegenden Tischplatte links noch einzelne nover, 1779; Sammlung Christian Ludwig von
ist. Begleitet wird er von einem hohen, mit Rot Fruchtkerne verstreut. Hake, Hannover; Sammlung Bernhard Haus
wein gefüllten Flötenglas, das nur noch andeu Dass Kalf einen winzigen Zitronenkern sich mann, Hannover, 1822; Königlich-Hannover
tungsweise aus dem dunklen Bildhintergrund in seiner glatten Unterlage spiegeln lässt, er scher Besitz, 1857; Fidei-Commiss-Galerie des
Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg im Pro-
heraus tritt, und einem rechts vor dem Pokal weist den Maler einmal mehr als Meister einer vinzial-Museum Hannover, 1893; Erworben
stehenden Römer mit Weißwein. Halb auf der virtuosen Lichtregie. Wie alle Gegenstände ist durch Niedersächsische Landesgalerie, 1925.
blanken Tischplatte, halb auf dem nach rechts der Kern aus der ihn umgebenden Dunkelheit
Ausstellungen:
zusammen geschobenen orientalischen Teppich des Raums wirkungsvoll herausgeleuchtet. Be A Fruitful Pasl. A survey of the fruit still lifes
liegt im Vordergrund ein silberner Präsentiertel sonders auf dem Prunkpokal mit den vielfälti of the northern and Southern Netherlands front
ler, der mit seinem ornamentierten Rand leicht gen Ausbuchtungen seines Ornaments entfaltet Brueghel till Van Gogh, Gallery P. de Boer Ams
über die profilierte Tischkante hinausragt. Er sich das von oben einfallende Licht mit zahlrei terdam, Herzog Anton-Ulrich-Museum Braun
schweig, 1983, S. 78, 126, Kat. Nr. 51, Abb.
trägt eine weite chinesische Porzellanschüssel, chen Reflexen, während es bei dem weiter vorne
die auf den Falten des Teppichs liegend, leicht stehenden Römer direkt am oberen Kelchrand Literatur:
zur Mitte hin geneigt ist und verschiedene auftrifft, um sich dann in der Flüssigkeit zu bre Verzeichnis der Gemälde,welche sich in der
Sammlung des verstorbenen Herrn Kammer
Früchte darbietet: eine Orange mit Blütenzweig, chen. Der vollständig gezeigten, von keinem an herren von Wallmoden in Hannover befinden,
einen aufgebrochenen Granatapfel, einen Pfir deren Gegenstand im Bild überschnittenen oder nebst beygefügter Nachricht von ihren Inhalten,
sich und eine halbgeschälte Zitrone, deren Scha- verschütteten Schüssel fällt innerhalb dieses Ar Leipzig 1779; Handschriftlicher Katalog der von
le in kunstvollen Spiralen über den Schüsselrand rangements eine besondere Rolle zu. Gänzlich Hakeschen Sammlung Nr. 14’, G. Rathgeber,
und die Tischkante herab fällt. Auf dem Teller vom direkten Licht getroffen, hebt sie sich mit Niederländische Gemälde und Kupferstiche des
Herzoglichen Museums zu Gotha aus den Jah
verbleiben einige Haselnüsse und ein Messer Nachdruck von den gedämpften Tönen von Glä ren MDC bis MDCLX1V, Gotha 1840, S. 163;
sern, Pokal und Teppich ab. G. Parthey, Deutscher Bildersaal, Verzeichnis
1 Willem Kalf, Stilleben mit vergoldetem Prunk Die aus besonders dünnen und hart gebrann der in Deutschland vorhandenen Ölbilder ver
pokal aus Silber, Gläsern und Porzellanschüssel mit storbener Maler aller Schulen, 2 Bde.» Berlin
ten Porzellan hergestellte Schüssel mit dem
Früchten, Öl auf Leinwand, 65 x 54 cm. Oxford, 1863, Bd. 1, S. 652, Nr. 18; G. Ebe, Der deut
Ashmolean Museum, Daisy Linda Ward Bequest,
diagonal verlaufenden Muster ist charakteris
sche Cicerone. Führer durch die Kunstschätze
Inv. Nr. A 563. tisch für die Zeit des Ming Herrschers Wan-li, der Lander deutscher Zunge, Bd. IV, Leipzig
die 1620 endete. In Holland bekannt als kraak- 1901, S. 506; H. Schneider, in Thieme-Becker,
Porzellan, wurden die blau-weißen Schüsseln Bd. 19, S. 465; Jahrbuch des Provinzialmuseums
in China für den Transport hergestellt und mit zu Hannover, 1927, S. 89, Abb. 13; A. Dörner,
Meisterwerke aus dem Provinzial-Museum
den Handelsreisen der 1602 gegründeten Ost-
in Hannover, Hannover 1927, S.26, Taf.40;
Indischen Kompanie nach Holland gebracht. K.T. Parker, Paintings in the Asmolean Muse
Da der Import des chinesischen Porzellans in um, Ausst. Kat. Oxford 1961, S. 80, W 39; Gri
den 1640er Jahren einbrach, war sie zum Ent sebach, 1974, S. 115-116, 131, 138, 141, Kat.
stehungszeitpunkt des Gemäldes bereits alt und Nr. 105, Abb. 115; E. Benezit, Dictionnaire cri-
tique et documentaire des Pein tres, Sculpteurs,
entsprechend wertvoll. Daher wurde sie ein be
Dessineurset Graveurs, Nouvelle Edition, Bd.6,
sonders häufig »porträtiertes« Objekt der Stille Paris 1976, S. 148; Niedersächsisches Landes
benmalerei. museum Hannover, Schriftenreihe museum,
Das Licht, das bei Kalf die unterschiedlichen Braunschweig 1984, S.94, Abb.S.91; Elemente
Stofflichkeiten charakterisiert wie beispielsweise künstlerischer Gestaltung, hrsg. von W. Ner-
dinger, München 1986, S. 117 f., Abb.; Grimm,
die Glätte von Metall und Glas oder der feuchte
1988, S.221, 223, Detailfarbabb. 153, S.244;
Schimmer des Fruchtfleisches im Kontrast zur M. Trudzinski, Verzeichnis der ausgestellten
rauen Schale der Früchte und dem stumpfen Gemälde in der Niedersächsischen Landesga
Flor des Teppichs, scheint hier die Materialität lerie Hannover, Hannover 1989, S. 68, Abb. 71;
des Gegenstandes fast aufzulösen: Das zartwan U. Wegener, Die holländischen und flämischen
Gemälde des 17. Jahrhunderts, Niedersäch
dige chinesische Porzellan mit seinem dünnen,
sisches Landesmuseum/Landesgalerie, Han
weiß aufleuchtenden Rand wird als besonders nover 2000, S. 230-231, Kat. Nr. 107, Farbtafel
zerbrechliches Material erfahrbar. Wie varia- XL; Meijer, 2003, S. 227 Anm. 6
m Holland des 17. Jahrhunderts war die Fas aufgesetzt, die in paarweise Anordnung die acht öl auf Leinwand, 64 x 53 cm
punkt des von Seitenlicht erfüllten Raumes steht blau-weiße Bemalung mit Landschaftselementen Provenienz:
eine chinesische Porzellandose mit plastisch setzt sich auf dem leicht zur Seite geschobenen Museum Straßburg, erworben in Pariser Kunst
aufgesetztem Figurenschmuck. Ihre besondere handel, 1899; Erworben 1899 von Straßburg,
Deckel fort. Als metallener Knauf dient ihm das
im Austausch gegen ein anderes Stilleben von
Wertschätzung wird durch die Begleitung wei buddhistische Motiv eines/u-Hundes. Die spezi Willem Kalf (Grisebach, 1974, Kat. Nr. 110)
terer erlesener Gegenstände aus Glas und Edel elle Symbolik des Dekors lässt darauf schließen,
metall unterstrichen. Aus dunklem Hintergrund dass derartige Deckeldosen nicht in erster Linie Ausstellungen:
treten - kaum sichtbar - Gläser unterschiedli für den europäischen Markt gefertigt wurden, in Central Collecting Point, Wiesbaden, 1949,
chen Typs hervor. Nur zarte Lichtreflexe ver Kat. Nr. 91; Meesterwerken uit de Musea van
Holland waren sie nur in wenigen Exemplaren
Berlijn, Brüssel 1950, Kat. Nr. 59, Abb. 98;
mitteln einen Eindruck ihrer Form und Größe: bekannt und als Sammlerstücke entsprechend Chefs-dceuvre des Musces de Berlin, Musee du
das hintere, ein mit Rotwein gefülltes Flötenglas, gesucht. Zwischen ihrer Herstellung in China Petit Palais, Paris, 1951, Kat. Nr. 93, Abb.; A
bildet zugleich die vertikale Mittelachse der und der Entstehung des Gemäldes liegen meh Fruitful Past. A survey of the fruit still lifes of
Komposition und die Spitze des pyramidialen rere Jahrzehnte, so dass die Porzellandose neben the northern and Southern Netherlands front
Brueghel till Van Gogh, Gallery P. de Boer
Aufbaus. Im linken, venezianischen Glas ist nur ihrer »exotischen« Besonderheit auch aufgrund
Amsterdam, Herzog Anton Ulrich-Museum
noch wenig Wein enthalten. Rechts steht ein ihres Alters an Wert gewann. Den prominenten Braunschweig 1983, S. 78, 126, Nr. 50, Abb
großer, halbgefüllter Römer in Nachbarschaft Platz innerhalb des Motivensembles nimmt sie
zur Deckeldose. Mit Zitrone und Orange plat aufgrund ihrer ästhetischen Qualitäten wie auch Literatur:
ziert Kalf im Vordergrund zwei Zitrusfrüchte in als Dokument einer kunsthandwerklichen Kost Königliche Museen zu Berlin, Die Gemälde
galerie des Kaiser-Friedrich-Museums, Zweite
leuchtenden Gelb- und Orangetönen. Zwischen barkeit ein, deren Aussehen man im Bild fest
Abteilung: Die Germanischen Länder, Berlin
die Früchte ist ein Messer gesteckt, dessen po halten wollte und die gemaltes Zeugnis von den 1911, S. 246, Abb; W. v. Bode, Die Meister der
lierter Achatgriff im Schein des einfallenden weit reichenden Handelsbeziehungen der Nie holländischen und vlämischen Malerschulen,
Lichtes glänzt und die Reihe der weiß blitzen derlande in deren Goldenem Zeitalter war (vgl. Leipzig 1917» S. 292, Abb. S. 293; Warner, 1936,
den Glanzlichter auf dem Rand des Silbertellers Abb. 13, S. 32). S.20, Abb. 90; W. Bernt, Die niederländischen
Maler des 17. Jahrhunderts, Bd. 2, München
fortführt. Der Präsentierteller, vermutlich ein Ob Dosen dieser Art tatsächlich zur Aufbe
1948» Nr. 438, Abb.; W. v. Bode, Malerschulen,
zeitgenössisches Stück aus einer Amsterdamer wahrung von Zucker dienten, der dem Wein zur hrsg. v. E. Plietzsch, 1953, Farbtafel S.383,
Goldschmiedewerkstatt, stellt ein in Kalfs Still Verbesserung des Geschmacks zugefügt wurde, Abb. S. 393; D. Hannema, A. v. Schendel jr.»
leben häufig anzutreffendes Motiv dar. Ein nach lässt sich nicht zufriedenstellend beantworten? Noord- en Zuid-nederlandsche schilderkunst der
rechts zurück geschobener, ostpersischer Herat- In Verbindung mit der Säure der Zitrusfrüchte XVIle eeuw, Amsterdam 1955, S. 27, Taf. 103;
W. v. Bode, Die Meister der holländischen und
Teppich (vgl. z. B. Kat. Nr. 27) bedeckt den Mar könnte in diesem Fall ein symbolischer Bezug vlämischen Malerschulen, 8. Aufl., Leipzig
mortisch, auf dem die Gegenstände arrangiert als Mahnung zur temperantia, der Mäßigung, 1956, S. 383, Abb. S. 384, 393; E. Redslob, Ge
sind. Auf seiner freien Fläche schließt eine auf angedeutet sein. Anders als in zahlreichen Still mäldegalerie Berlin-Dahlem, ehemals Kaiser-
geklappte Taschenuhr das Objektensemble nach leben seiner Zeitgenossen spielen bei Kalf mora Friedrich-Museum, Baden-Baden 1964, S. 260,
links hin ab. Ihr Uhrenschlüssel hängt an einem lische Verweise dieser Art aber eine eher unter Abb. 153 u. 155 (Farbdetail); G. Lindemann,
Das goldene Zeitalterder niederländischen Ma
hauchdünnen blauen Band über die Tischkante geordnete Rolle.
lerei, Braunschweig 1965» S. 112-113, Farbtaf.
herab und belebt die dunkle Partie, in der sich Zweifellos schenkt Kalf neben der Deckeldose S. 120; Pilz-von Stein, Intentionen der hollän
als »Schlüssel zum Bild« auch die Signatur Kalfs als materiell wertvollstem Gegenstand der Dar dischen Stillebenmalerei zwischen 1640 und
befindet. Gleichzeitig lenkt dieses kleine Detail stellung der Zitrone besondere Aufmerksam 1680: Inaugural-Dissertation [...] München,
den Blick auf die schöne Marmorierung der keit. In kunstvoll abgelösten Spiralen hängt die München 1965.S.77,135,Nr.80;Spriggs, 1967,
S. 78, Anm. 37; R. Oertel, Gemäldegalerie Ber
Steinplatte. Schale über die Tischkante herunter. Sie ist ein
lin, Berlin 1969, Farbtaf. 76; Grisebach, 1974,
In dem von Seitenlicht erhellten Dunkel des »Markenzeichen« des Malers und ein in ver S.116, 117, 132, 140, 151, 265-266, 267, 269,
Raumes ist zweifellos die chinesische Deckel schiedenen Versionen von ihm oft wiederholtes 278, 279, Kat. Nr. 115, Abb. 124; Gemäldega
dose als bedeutsamstes Objekt hervor geho Motiv. Hier reicht sie, in vorderster Bildebene, lerie Berlin, Katalog der ausgestellten Gemälde
ben. Es handelt sich um ein Porzellan der Ti- weit in den Raum des Betrachters hinein und des 13.-18. Jahrhunderts, Berlin 1975, S. 211 f»
anqi-Periode (1621-1627) der Ming-Dynastie, bildet mit ihrer hell beleuchteten Schale eine Abb.; Gemäldegalerie Berlin, Gesamtverzeich
nis/Staatliche Museen zu Berlin, Bearb. v. H.
das Kalf wohl aufgrund seines außergewöhnli optische Verlängerung der vom Flötenglas aus Bock, Berlin 1996, S. 65, ?\bb.S.354, Nr. 1388;
chen Dekors mehrfach dargestellt hat (vgl. Kat. gehenden Mittelachse. Gemäldegalerie Berlin/Staatliche Museen zu
Nr.31).1 Als Hauptdekorationselement sind auf In malerisch höchster Finesse stellt Kalf die Berlin, 200 Meisterwerke, verf. v. H. Bock, Ber
der Wandung vollplastisch modellierte Figuren transparente Feuchtigkeit des aufgeschnittenen lin 1998, S. 298, Abb. S. 299.
ehrfach mit den malerischen Qualitä Wie der Römer rechts verbleibt der weiter Öl auf Leinwand, 79,4 x 67,3 cm
M ten Rembrandts verglichen, ist dieses hinten stehende Glaspokal im Halbdunkel des (Originalleinwand 78,5 x 66,8 cm)
Signiert oben links: W KALF Fecit;
1662 datierte Gemälde eines der pro Raumes. Das schräg einfallende Licht hebt ein
datiert oben rechts: Ao 1662
minentesten Werke der holländischen Stilleben zelne Details des opulenten Deckelaufsatzes und Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza,
malerei. Das mit »W KALF Fecit« bezeichnete des reichen ornamentierten Stiels aus diesem Inv. Nr. 1962.10
Bild zählt ohne Frage zu seinen gelungensten Dunkel hervor. Mit wenigen, pointiert gesetz
Schöpfungen. Der Künstler beschränkt sich hier ten Lichtpunkten gelingt es Kalf, die spezifische Provenienz:
Evtl. Auktion Sammlung Pieter van den Bo-
nicht nur auf die Darstellung eines originären Form der Gläser anzudeuten, die beim mit Rot
gaerde, Amsterdam, 1778; evtl. Comte Alexis
und herausragenden Objekts, sondern auf ein wein gefüllten Flügelglas wohl auf venezianische Orlov-Denisov, St. Petersburg; Sammlung Mi
Ensemble von Gegenständen, die alle auserle Vorbilder zurückgeht. chel van Gelder, Uccle/Brüssel, 1911; Kunst
sene Erzeugnisse von beträchtlichem Wert dar Das sicherlich ungewöhnlichste Objekt der handel Daniel Katz, Dieren, 1936; Sammlung
stellen. So stehen ein Meisterwerk der Natur wie Komposition ist ein Nautiluspokal in auf H. E. len Cale, de Lutte/Oldenzaal, 1938; er
auch von Menschenhand geschaffene Kunst worben für die Sammlung Thyssen-Borne
wendiger Goldmontierung. Er vertritt neben
misza, Caslagnola-Lugano, 1962.
stücke nebeneinander. In einem annähernd als den artificialia als vom Menschen gefertigten
Dreieckskomposition aufgebauten Arrangement Kunststücken mit den naturalia ein Zeugnis Ausstellungen:
zeigt Kalf auf einem Marmortisch mit locker zu der göttlichen Schöpfung. Der Nautilus ist das Importants tableaux anciens de lecole hollan-
sammen geschobenem Teppich eine chinesische seltene Exemplar eines Tintenfischs mit Schale, dais, Frederik Muller & Cie., Amsterdam
Deckeldose, einen Nautiluspokal und ein hohes 1911, Kat. Nr. 7; Dutch Art 1450-1900, Royal
der nur im Pazifik beheimatet ist. Im Unter
Academy of Arts, London, 1929, S. 142, Kat.
Flügelglas nach venezianischer Art.' Wie in an schied zu denen anderer Meeresschnecken rollt Nr. 299; >Het Stilleven< len bäte van de Ver-
deren seiner Stilleben begleiten auch hier eine sich die Schale beim Nautilus in ungewöhnli eeniging »Rembrandt*, Kunsthandel J. Goud-
Reihe »gebräuchlicher« Dinge, wie die halbge cher Form ein und besticht so mit großer Ele stikker, Amsterdam, 1933, Kat. Nr. 172,
schälte Zitrone auf dem Silberteller, ein Messer ganz.2 Zu Kalfs Zeiten mitgebracht von den Abb. 41; 115 stillevens, Museum Boymans,
mit Achatgriff, eine Orange in den Falten des Rotterdam, 1933, Kat. Nr. 46, Abb. 7; Cinq
überseeischen Handelsreisen, wurde er rasch
siecles dart, I. Peintures, Art ancien Bruxcllois
Teppichs platziert, und ein dahinter stehender zum kuriosen Sammelobjekt. Die angemessene et Sections Etrangercs, Exposition Universelle
kleiner Römer die Gruppe der »extravaganten« Form auf dieses Wunder der Natur zu reagieren, et Internationale, Brüssel, 1935, S. 173, Kat.
Objekte. Auch wird die Komposition wie meis war die kunstvolle Einfassung durch Gold- und Nr. 739; Otide kirnst uit het bezit van den in
tens von links oben aus dem Dunkel des Raumes Silberschmiede. Zuvor aber wurde die Schale ternationalen handel, Rijksmuseum, Amster
herausgeleuchtet, wobei das Licht seine größte dam, 1936, S. 21, Kat. Nr. 84, Abb. 84; Tentoon-
gescheuert, um die Silbertönung des Perlmutts
stelling van 16e en 17e ceuwsche Hollandschc,
Intensität auf der Deckeldose entfaltet, bevor es frei zu legen. In dem von Kalf gemalten Beispiel Vlaanische en Italiaansche schilderijen uit de
in abgemilderter Form die anderen Gegenstän wurde die Öffnung der Schale in den Kopf ei Collectic der Finna D. Katz tc Dieren, Stedelijk
de erreicht. nes Meeresungeheuers mit weit aufgerissenem van Abbemuseum, Eindhoven, 1936-37,S. 14,
Die chinesische Dose aus der späten Ming- Rachen umgestaltet, der eine kleine, laufende Kat. Nr. 32; Belangrijke 16e en 17e ceuwsche
Dynastie war ein kostbares Sammlerstück (vgl. Hollandschc schilderijen, Kunsthandel Da
Figur auszuspeien scheint. Eine weitere Figu
niel Katz, Dieren, 1937, S. 13-14, Kat. Nr.41;
Kat. Nr. 30), und der Maler nahm die Gelegen rine mit Dreizack auf dem Kopf des Ungeheu Meesterwcrken uit vier eeuwen, Bd. I, Museum
heit wahr, es mehrfach darzustellen, so lange er ers stellt vermutlich Neptun dar, während ein Boymans Van Beuningen, Rotterdam, 1938,
offensichtlich Zugang dazu hatte. Das Stilleben karyathidenähnlicher Triton als Pokalhals die S.24, Kat. Nr.92, Tafel II, S.79, Abb. 125;
mit chinesischer Porzellandose, Gläsern und Schale trägt. Grisebach erkannte in der kleinen Dutch Paintings in the Seventcenth Century,
Rhode Island School of Design, Providence
Früchten in Berlin (Kat. Nr. 30) datiert aus dem Gestalt Jonas, der um sein Leben rennt, und in
(RI), 1938, Kal. Nr. 24, Tafel 24 (Katalog von
gleichen Jahr. Das Madrider Bild zeigt das Gefäß terpretierte in entsprechenden ikonologischen W. Stechow); Dutch Pamting: Seventeen Mas-
aus leicht geänderter Perspektive. Der Deckel Bezügen? In einem sehr ähnlich gefassten Nau terpieces of the Seventcenth Century, Schaeffer
ist abgenommen und schräg gestellt, so dass ein tiluspokal von Pieter Claesz, ist die Jonasfigur Galleries, New York, 1939, Kat. Nr. 7; Master
Blick auf den inneren Rand möglich wird, an in Zusammenhang mit van/tas-Darstellungen pieces of Art, World’s Fair, New York, 1939,
Kat. Nr. 206 (Katalog von G. H. McCall/W. R.
den ein Löffel angelehnt ist. Auf dem Blau-Weiß- gebracht. Kalf stellte den Nautiluspokal ein wei
Valentiner); Masterpieces of Art front Foreign
Porzellan sind paarweise vollplastische Figuren teres Mal ohne Jonasfigur dar, was die Vermu Collections: European Paintings front the Two
appliziert, die die acht Unsterblichen des Tao tung nahe legt, in diesem speziellen Beispiel hier World’s Fairs, Institute of Arls Delroit, 1939,
ismus verkörpern (vgl. Kat. Nr. 30), den Deckel tatsächlich einen inhaltlichen Verweis sehen zu S. 10, Kat. Nr.26 (Kalalog von F.W. Robin
ziert als Knauf ein vergoldeter /«-Löwe (oder können. Als Modell für Kalfs Nautiluspokal son); Seven Centurics of Painting, California
Palace ofl he Legion of Honor and the M. H.
-Hund). Im Vergleich mit dem Berliner Gemäl wird eine Arbeit des Utrechter Silberschmiedes De Young Memorial Museum, San Francisco,
de hebt Kalf hier die Figuren in ihrer Plastizität Jan Jacobsz. van Royesteyn vom Ende des 16. 1939-40, S.38, Kal. Nr.L-68, Abb.; Master
und Farbgebung in warmen Tönen deutlicher Jahrhunderts herangezogen, von dem sich ein pieces of Art front European and American
hervor, so dass sie ein von der Wandung unab ähnliches, 1596 datiertes Stück heute im Toledo Collections: European Paintings front the Two
Museum of Art befindet (Abb. 10, S. 30)? World’s Fairs of 1939, Institute of Arts, Detroit,
hängiges Eigenleben zu führen scheinen.
ässt man das Werk Willem Kalfs aus sei die hellsten Stellen der Komposition bilden. Das öl auf Leinwand, 111 x 84 cm
L nen Amsterdamer Jahren Revue passieren, Licht scheint die rechte Wandung der Schüssel Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza,
Inv. Nr. 1981.77
so zeigt sich, dass er nicht nur ein Meister zu durchdringen und macht so auf die Zartheit
brillanter Lichtführung, sondern auch der Wie und Zerbrechlichkeit des Porzellans aufmerk Provenienz:
derholung ist. Er variiert eine überschaubare sam. In bereits abgemilderter Form trifft es auf 1700 verkauft in /Amsterdam durch Philips
Anzahl von Objekten in immer neuen Gruppie die Schale des Nautilus auf. In ihrem Glanz spie de Flines (?); 1906 Sammlung Oscar Huld-
rungen. Größtenteils gleichen sich diese Dinge, gelt sich der Rand der davor liegenden Schüssel. schinsky; 1928 P. Cassirer und H. Helbing,
Karl Haberstock, Berlin; 1928 erworben von
Gläser, Pokale, Silberteller, Porzellanschüsseln Kleine Glanzlichter führen das Ornament des Baron Heinrich Thyssen-Bornemisza (gcst.
etc. so sehr, dass man im Einzelnen von jeweils Silbertellers vor Augen, wie sie auch das Aus 1947); vererbt an Baroness Adolphe Bentinck
identischen Gegenständen ausgehen kann. Gri kristallisieren der Früchte in der Schüssel veran (geb. Baronin Gabriele Thyssen-Bornemisza);
sebach hat das veranlasst, Kalfs Werk in Still schaulichen. 1966 und 1972-74 als Leihgabe an das Kunst
lebentypen mit bestimmten Objektgruppen zu Vor allem in den Größenverhältnissen der museum Bern, 1970-71 an das Kunstmuseum
Düsseldorf, 1981 an das Kunstmuseum Basel;
kategorisieren.1 Das hier vorgestellte Stilleben Objekte zueinander manifestiert sich die beson 1982 von der Sammlung Thyssen-Bornemisza
aus der Sammlung Museo Thyssen-Bornemisza dere Wertschätzung der Hauptmotive. In Rela in Lugano erworben.
lässt sich in keine dieser Objektkategorien ein tion zu den »genormten« Größen von Messer,
ordnen. Weder die chinesische Porzellankanne Taschenuhr, Silberteller und Früchten besitzen Ausstellungen:
noch diese Art Schüssel sind in einem anderen Schüssel und Kanne eine weitaus höhere Promi Werke alter Kirnst aus dem Privatbesitz der
Mitglieder des Kaiser-Friedrich-Museums-
Werk Kalfs dargestellt. nenz als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Ihre Vereins, Gräflich Redern’sches Palais, Berlin,
Vor dem diffusen Dunkel des Hintergrundes Überdimensionierung erklärt auch das verloren 1906, S.23, Kat. Nr. 72; Dutch Art 1450-1900,
sind die Gegenstände auf einem orientalischen wirkende Erscheinungsbild der Zitrone, die hier Royal Academy of Arts, London, 1929, S. 136,
Teppich arrangiert, der fast die gesamte Fläche in Bezug auf Platzierung und Farbwirkung eine Kat. Nr. 286; Sammlung Schloss Rohoncz,
des Marmortisches bedeckt und in großen Fal periphere Rolle spielt. Im Zusammenspiel mit Neue Pinakothek, München, 1930, S. 50, Kat.
Nr. 167, Tafel 71; Holländer des 17. Jahrhun
ten zum rechten Bildrand hin zurück geschoben den beiden Bild beherrschenden Gegenständen derts, Kunsthaus, Zürich, 1953, Kat. Nr. 71;
ist. Die größte Aufmerksamkeit zieht eine gro erscheint selbst der sonst Aufmerksamkeit ein Pittura olandese del Seicento, Palazzo delle
ße, bauchige Porzellankanne mit hohem Fuß auf fordernde Nautiluspokal vergleichsweise weni Esposizioni, Rom/Palazzo Reale, Mailand,
sich. Sie ist im chinesischen Blau-Weiß-Dekor ger imposant. Kalf hat diesen Nautilus kein wei 1954, S. 48, Kat. Nr. 77; The Age of Rembrandt,
bemalt und mit einer vergoldeten Silbermontie teres mal dargestellt. Möglicherweise handelt es California Palace of the Legion of Honor, San
Francisco/Museum of Art, Toledo/Museum of
rung eingefasst. Ihr zur Seite befinden sich eine sich auch generell um ein kleineres Exemplar Fine Arts, Boston, 1966/1967, S. 153, Nr. 105
große, halb auf den Falten des Teppichs auflie der Gattung.2 Das Muster mit den Halbmonden (Abb.); Choix de la Collection Bentinck, Insti
gende und sich zur Mitte hin neigende Porzel auf der Rückenwölbung des Nautilus folgt einer tut Neerlandais, Paris, 1970, Kat. Nr. 30» Tafel
lanschüssel, ebenfalls mit aufwendiger Einfas so regelmäßigen Anordnung, dass man von ei 17; Die Sammlung Bentinck-Thyssen, Kunst
sung. Verschiedenartige Früchte, von denen eine ner nachträglichen Bemalung ausgehen könnte, museum, Düsseldorf, 1970-71, Kat. Nr. 28,
Abb.; Shedevrui Zapadnoevropeiskoi Zhivopisi
kleine Zitrone erkennbar ist, die anderen sich statt von einer natürlichen Einlagerung in der XIV-XVIH w. iz Sobraniya Tissen-Borneniisa,
aber nicht mit Bestimmtheit identifizieren las Perlmuttschale. Dass Kalfs Wahl gerade auf die Pushkin Museum, Moskau/Hermitage, Lenin
sen, liegen darin. Zurückversetzt zwischen den sen seltenen Typus fiel oder er einen bekannten grad, 1987, S.72, 107, Kat. Nr. 32, Abb. S. 73;
beiden Porzellangefäßen erscheint ein Nautilus dahin gehend veränderte, mag in dessen spezifi Maestros Antiguos de la Coleccion Thyssen-
pokal. Er wird flankiert von einem zarten Glas scher hellblauer Färbung eine Erklärung finden, Bornemisza, Real Academia de Bellas Artes
de San Fernando, Madrid, 1987/1988, S.78,
pokal venezianischer Art zur rechten und einem mit der er dem kühlen Farbklang von Schüssel Kat. Nr. 21, Abb. S. 79; Willem Kalf. Original
in der Mittelachse des Bildes positionierten, ho und Kanne einen weiteren Akkord zu einem ycopia, Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid,
hen Flötenglas, dessen Kontur im dunklen Hin harmonischen Gesamtbild hinzufügte. 1998» S.62-65, Kat. Nr. 6, Farbabb. S.63.
tergrund versinkt. Diesen kostbaren Gegenstän Die Nautilus-Montierung wird bekrönt von
den beigegeben sind eine Reihe von Objekten, einer goldenen Neptun-Figur, die mit einem Literatur:
H. Schneider; W.G. Constable, Commcmora-
die aus anderen Werken Kalfs bekannt sind: ein Dreizack bewaffnet ist. Ursprünglich chinesi tivc Catalogue of the Exhibition of Dutch Art
Messer mit Achatgriff, eine Taschenuhr, einige scher Herkunft wurden auch Kanne und Schüs held in the Galleries of the Royal Academy,
auf und neben einem Silberteller verstreute Nüs sel mit in Europa entstandenen Montierungen Burlington House, London, 1929, London
se und Kerne, schließlich im Flintergrund links versehen. Als Bekrönung des Kannendeckels 1930, S.67; Katalog Slg. Thyssen-Bornemisza
in die Teppichfalten eingebettet zwei Pfirsiche fungiert ein Hirsch, der Ausguss wird von einem 1937, Bd.I, S.79, Kat. Nr. 213, Abb. 11, Tafel
146; Van Gelder, 1941, S.53, Abb. 52; Van
mit Blütenzweig, sowie als weitere Frucht ver Hundekopf gefasst, während den Henkel ein
Gelder, 1942 S. 45, Abb. 3; N. Ottema, Chi
mutlich eine Melone. bärtiges Gesicht ziert und das ganze Gefäß auf neesche ceramiek, 2. Aull, Amsterdam 1946,
Kalf konzentriert die LichXfuprung auf die er- einem aufwendigen Standring ruht. Eine kunst S. 184; Bergström, 1956, S. 282; K.-H. Hering,
lesendsten Objekte des Arrangements, in dem volle Einfassung durch Meisterwerke der Gold Silberschmiedegefäße auf niederländischen
der Bauch der Kanne untf•”däsjßchüsselinnere oder Silbeschmiedekunst war die angemessene Stilleben des 17. Jahrhunderts, Diss. Freie
uch wenn sie, wie im Falle Kalfs, große ne Deckel eines Streuers, dessen Korpus, kaum Ö1 auf Leinwand, 55 x 68 cm
A Anerkennung erfuhren, wurde im 17. noch sichtbar, zwischen die beiden Porzellange Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum,
Landesgalerie, Leihgabe aus Privatbesitz
Jahrhundert den Werken der Stilleben fäße gekippt ist.
maler von der Kunsttheorie ein vergleichsweise Ein schräg liegendes Messer verbindet optisch Provenienz:
niedrig stehender Platz in der Hierarchie der Schale und Silberteller und weist mit seinem Vermutlich Auktion Amsterdam, 8. Februar
Gattungen zugesprochen. Als Argument dien Achatknauf ebenso über die Tischkante hinaus 1773, Kat. Nr. 72: »Een Stil Leven; natuurlyk
te das Fehlen eines »höheren« Inhaltes, wie er wie die zum linken Bildrand die Komposition op Doek geschilderd, door Kalf, h. 21 !4, b.27
duim (Öl auf Leinwand, 55x69 cm); Samm
beispielsweise in der Historienmalerei gegeben abschließende aufgeklappte Taschenuhr. In for
lung Dr. Hewlett Johnson, Dekan von Can
war.1 Kalf - wie auch viele seiner Künstlerkolle maler Entsprechung zu den Teppichfransen terbury; Auktion Londen, Sotheby’s, 16. Juli
gen - konnte dieser Einschätzung durch beson hängt deren Schlüsselband von der Tischkante 1980, Kat. Nr. 203, mit Abb.; Privatsammlung,
dere Virtuosität in der Ausführung entgegen herab. Deutschland seit 1980; 1999 Leihgabe aus
wirken, indem er seine malerischen Fähigkeiten Am Beispiel des Römers manifestiert sich ein deutschem Privatbesitz an das Niedersäch
sische Landesmuseum in Hannover.
zu ungeahnter Perfektion entwickelte. In diesem mal mehr die für den Maler konstatierte Virtu
Stilleben beweist Kalf einmal mehr seine unbe osität in der Behandlung des Lichtes. Wie es das Ausstellungen:
strittene Meisterschaft in dieser Hinsicht. Aber weingefüllte Glas durchdringt und mit einem Keine.
auch die Darstellung eines Gegenstandes von goldenen Schimmer dann auf der Wandung des
besonderer »Noblesse« bedeutete eine Aufwer Topfes, im hellen Teil seines Dekors, auftrifft, Literatur:
Segal, 1988, S. 221 Anm. 50; E. Gemar-
tung der Gattung. In einigen Fällen malte Kalf ist meisterhaft dargestellt. Seine größte Inten Koellzsch, Luca-Bild-Lexikon. Holländische
hochgeschätzte und identifizierbare Unikate wie sität erfährt es im kleinen Porzellanschälchen Stillebenmaler int 17. Jahrhundert, hrsg. v. K.
z. B. die »Holbeinschale« (Kat. Nr. 36-37) oder des Vordergrundes. Als einziger der zentralen Ertz und C. Nitze-Ertz, Lingen 1995, Band
das Trinkhorn der Sebastiansgilde (Kat. Nr. 25)? Bildgegenstände ist dieses Gefäß vollständig zu 1: Texte und Farbtafeln, S. 164, Farbtafel 56,
Selbst wenn er einzelne Objekte mehrfach dar sehen, während die anderen Dinge einander Bd 2, S. 555, Kal. 194/38; C. Bottermann, in:
TausendSchön. Neue Schätze im Niedersächsi
stellte, besaßen diese immer noch einen beson überschneiden. Kalf setzt eine Reihe weiterer
schen Landesinuseum Hannover (1992-2005)
deren Wert. Auf dem damaligen Kunstmarkt Kunstgriffe ein, die dem Gemälde trotz dichter Die CD, hrsg. v. H. Grape-Albers, CD-rom,
waren die Gemälde auch von hoch gehandelten Motivanhäufung den Eindruck einer Komposi Hannover 2005.
Malern, häufig preiswerter als die Gegenstände, tion von großer Ausgewogenheit und Harmonie
die darauf dargestellt waren? verleihen. In motivischer Hinsicht wird bei
In diesem für Kalfs Werk seltenen Querformat spielsweise mit den Orangenblättern, dem Ran
ist der große, bauchige Porzellantopf mit blau kenornament des Topfes und dem Blattmuster
weißer Glasur der tonangebende Gegenstand im des Teppichs ein kompositorischer Bogen ge
Motivensemble ausgesuchter Objekte. Um ihn schlagen. Eine wohldurchdachte Farbsetzung
herum sind diese auf einer polierten Steinplatte leitet den Blick des Betrachters von Objekt zu
mit zurück geschobenem Orientteppich in dich Objekt. Als Hauptmotiv des Bildes wird der kühl
ter Anordnung präsentiert. Das Porzellangefäß glänzende Porzellantopf von warmen Rottönen
wird in der Raumtiefe zur Linken von einem ho »gerahmt« und akzentuiert, während durch
hen Flötglas mit Rotwein und rechts, kaum noch Orange- und Gelbtöne die Früchte miteinander
sichtbar, von einem Glas mit weiter Kuppa und in Kommunikation treten.
gewelltem Rand hinterfangen. Als drittes Glas Das für den heutigen Betrachter vermutlich
ist ihm ein halbgefüllter Römer voran gestellt. merkwürdig erscheinende Eintauchen der ge
Zu der darin liegenden Zitrone mit dekorativ schälten Zitrone in den Wein war zu Kalfs Zei
sich über den Glasrand hinab windender Schale ten eine weit verbreitete Praxis, um den süßli
gesellen sich als weitere Südfrüchte eine Orange chen Geschmack des Getränks durch die Säure
mit Blütenstengel und leicht eingerissener Schale der Zitrusfrucht abzumildern.
sowie eine Melone, in deren Anschnitt das gelbe In vielen seiner Stilleben kombiniert Kalf den
Fruchtfleisch leuchtet. Halb auf den Falten des weingefüllten Römer in Nachbarschaft mit davor
zur Seite geschobenen Teppichs, halb auf einem liegenden Zitronen, bei einer Reihe von in ihrer
silbernen Präsentierteller mit Haselnüssen an Komposition sehr ähnlichen Stilleben, zeigt er
gelehnt, zieht im hell beleuchteten Vordergrund wie hier die im Glas liegende Zitrone.1
eine zarte kleine Porzellanschale mit geweiltem Die häufig anzulreflende Bezeichnung des
Rand und chinesischen Blatt- und Tierdekor die bauchigen Porzellangefäßes als »Ingwertopf«
Aufmerksamkeit auf sich. In ihr liegt die Schale deutet auf seine Funktion zur Aufbewahrung
der abgegessenen Melonenspalte und der silber der aus den Tropen stammenden Gewürzpflan-
uffallend bei diesem Bild ist die Redu stand man die süße Orange und die saure Zitro Öl auf Leinwand, 36,5 x 30,8 cm
A zierung auf nur wenige Bildelemente. ne auch als sich ergänzende Säfte, die ein durch Bezeichnet links neben der Tischplatte:
W.KALF
Vor dem dunklen Hintergrund einer Ernährung notwendiges Gleichgewicht im Kör Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle,
nur vage zu erkennenden Nische steht im Zen per herstellen sollten.1 Inv. Nr. 2585
trum des Bildes ein halb mit Wein gefüllter Rö Für die nachfolgende Generation verloren
mer. Neben und hinter ihm liegen drei Orangen, sich offensichtlich derartige Bezüge im Stilleben, Provenienz:
davor an der Kante des Tisches eine Zitrone. so dass ein in der Komposition so schlicht aus Sammlung Jonkheer Victor de Stuers, Den
Deren abgelöste Schale liegt mit ihrem Ende an Haag und Paris, 1881; Sammlung Frau A.
geführtes Stilleben wie dieses Gerard de Lairesse
Gatacre De Stuers, De Wiersse; Kunsthan
der Tischecke auf, so dass sie den »Rahmen« zu der Kritik an Kalf veranlasst haben könnte, del Sem Nystad, Den Haag, 1966 und ande
für einen kleinen, nahe der Kante zu sehenden dass er »keine Rechenschaft geben konnte, wa re Händler; Kunsthalle Karlsruhe, erworben
Zitronenkern bildet. Unter die Schale ist ein rum sie dies oder jenes darstellte, sondern nur 1969.
Messer geschoben, das mit seinem polierten das, was ihm eben einfiel, ausbildete, ohne je
Ausstellungen:
Achatgriff über den Tischrand hinaus in den darüber nachzudenken, etwas Bedeutendes Ausstellung Sammlung Victor de Stuers, Den
Raum des Betrachters ragt (vgl. dazu auch Kat. mit einem tieferen Sinn zu machen«.2 Trotz der Haag, 1881, Kat. Nr. 171; Jean Simeon Chardin
Nr. 31 und 37). Anders als in den meisten Bil Geringschätzung des Stillebens von Seiten der 1699-1779. Werk, Herkunft, Wirkung, Staat
dern Kalfs, in denen die Zitronenschale in de Kunsttheorie im Allgemeinen und Kalfs im Be liche Kunsthalle, Karlsruhe, 1999, S. 299-300,
korativ-spiraligem Fall die senkrechte Bildachse sonderen, war die Nachfrage nach derartigen Kat. Nr. 136, Farbabb. (Katalogtext Siegmar
Holsten).
beherrscht, bildet sie hier ein kompositorisches Bildschöpfungen aber offensichtlich groß. Grise
Pendant zu den Blättern des Orangenzweiges, bachs Zusammenstellung zeigt, dass Kalf diese Literatur:
mit dem Kalf die strenge Axialität der übrigen und andere Bildtypen in mehreren Varianten G. Lafenestre u. E. Richtenberger, La Hollande,
Anordnung durchbricht. Die Komposition ist durchspielte3 und die Zitrone, deren Schalen, Paris 1898, S. 142; J. Lauts, Stilleben alter Meis
betont einfach. Bei der Auswahl der Motive ver kunstvoll abgelöst, in Windungen herabhängt, ter, /. Niederländer und Deutsche (Bildhefte
der Staatlichen Kunsthalle, Nr. 6), Karlsruhe
zichtet Kalf auf den sonst häufig anzutreffenden zu einer Art Markenzeichen ausbildete, an dem 1969, S.32-34, Abb. 22, 2. Auf!., 1983, S.28,
repräsentativen Teppich oder den ornamentier er unter anderem seine malerischen Fähigkeiten Abb. S. 29; J. Lauts, Staatliche Kunsthalle Karls
ten Silberteller, auf welche die Gegenstände nor beweisen konnte. Zu recht sagt Svetlana Alpers ruhe. Neuerwerbungen alter Meister 1966-
malerweise gebettet sind. darüber: »Niemals zuvor hat man eine Zitrone 1972, Karlsruhe 1973, S.86-87, Nr. 2585,
Die Beschränkung auf nur wenige Objekte so gesehen. Sie unterliegt nicht dem Verfall der Farbabb.; Grisebach, 1974, S. 117, 159 Anm.
353, 354, S.273, Kat. Nr. 129, Abb. 139; Stil
lenkt den Blick mit größerer Aufmerksamkeit Zeit, wie heutzutage behauptet wird, sondern leben aus vier Jahrhunderten. Aus dem Besitz
auf Details, wie beispielsweise die Steinarbeiten. der Kontrolle der Augen.«’ Zu der Aufmerksam der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, hrsg. v. d.
Die profilierte Tischplatte zeigt eine besonders keit, die die Künstler des 17. Jahrhunderts dem Landesbildstelle Baden-Baden und der Staat
kräftige Marmorierung, die optisch mit den hell Objekt entgegenbrachten, gehörte es auch, die lichen Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe 1985,
leuchtenden Einschlüssen im Achat korrespon Zitrone aufzuschneiden, um ihre innere Struk S.31, Abb. 11; Grimm, 1988, S. 223, Abb.155
(Detail); Norbert Schneider, Stilleben. Realität
diert. Mit der von Kalf so meisterhaft beherrsch tur bloß zu legen. Da zu Kalfs Zeiten längs nicht und Symbolik der Dinge, Köln 1989, S. 111,
ten Wiedergabe verschiedenartiger Oberflächen jedermann Zugang zu den damals noch seltenen Farbabb.; E. Gemar-Koeltzsch, Holländische
werden hier in unmittelbarer Nachbarschaft die Südfrüchten hatte, war die Darstellung einer Stillebenmaler im 17. Jahrhundert, Bd.2, Lin
Glätte des polierten Marmors, die feuchte Trans aufgeschnittenen Frucht auch eine Art Zur gen 1995, Nr. 194/25, Abb. S. 552; C. Gröschel
parenz des Zitronenanschnitts und die stumpfe schaustellung botanischer Kenntnisse, an denen in Ausst. Kat. »Oranien-Orangen-Oranien-
baum«, hrsg. v. Vorstand der Kulturstiftung
Grobporigkeit der Zitrusfruchtschalen vorge ein Maler wie Kalf seine ganze Virtuosität und
Dessau Wörlitz, Dresden 1997, S. 144-145,
führt. Doch kann man vermuten, dass Kalf die ein Sammler seine Bildung und Weltläufigkeit Abb. S. 145.
Zitrusfrüchte nicht nur wegen ihrer äußerst ge demonstrieren konnten. Der gelehrte Betrachter
gensätzlichen Beschaffenheit im Inneren und an schätzte die Fähigkeiten der Maler, bestimmte
der äußeren Oberfläche auswählte. Oberflächenstrukturen und die Wirkung des
Zitrone und Orange in ihrer Kombination Lichts auf unterschiedlichen Gegenständen dar
sind ein für den damaligen Betrachter durchaus zustellen, da diese zu den schwierigsten Auf
geläufiges Symbol für die temperantia gewesen. gaben der Malerei überhaupt gehörten. Nicht
Der moralische Appell an die Mäßigung bezog notwendigerweise an eine gewisse Opulenz
sich konkret auf den übermäßigen Genuss von oder größere Anzahl der gemalten Gegenstände
Wein, der bei Kalf hier im Römer dargebo gebunden, wird Kalfs brillante Lichtführung in
ten wird, im übertragenen Sinne aber auch als der hier vorgestellten kleinen Bildform ebenso
Aufforderung, jeglichem übermäßigen Genuss deutlich wie in den größeren Kompositionen:
zu entsagen. Aus Sicht der im 17. Jahrhundert in den Spiegelungen auf den glatten Flächen wie
populären humoralmedizinischen Theorie ver beim Achat des Messerknaufs beispielsweise,
ieses stimmungsvolle Stilleben aus in derartigen Tütchen Tabak, doch Tabak und Öl auf Leinwand, 101,5x82,8 cm
D Amiens gehört zu den größeren For Rauchgerät fehlen völlig auf Kalfs Gemälden. Amiens, Musee de Picardie,
Inv. Nr.MP Lav. 1894-20
maten in Willem Kalfs CEuvre. Darüber Das könnte etwas damit zu tun haben, dass man
hinaus ist es eines jener Gemälde, von denen es das Rauchen im Allgemeinen für eine nur we- Provenienz:
ein zweites, nahezu identisches Exemplar gibt, nig vornehme Angelegenheit hielt und dass eine Sammlung Gebrüder Lavalard, Roye und Pa
das sich in Delft befindet (Abb. 1). solche Assoziation gewiss das letzte gewesen ris, 1890 als Legat an Amiens, Musee de Picar
Die Aufmerksamkeit für die - wie immer sein dürfte, was Kalf mit diesem Stillebentyp er die (1894 übertragen).
- kostbaren Objekte ist in dem Stilleben aus reichen wollte. Blumen und Früchte spielen bei Ausstellungen:
Amiens gleichmäßig verteilt. Jeder Gegenstand Kalf selten eine wichtige Rolle, abgesehen von Le siede de Rembrandt, Paris, Petit Palais,
spielt seine Rolle mit einer eigenen spezifischen der häufig vorkommenden halb geschälten Zi 1970/1971, Kat. Nr. 121, Abb.; Hollandse Schil
Eigenschaft und Textur. Im Mittelpunkt steht ein trone sowie den Orangen und Pfirsichen, womit derijen uit Franse Musea, Amsterdam, Rijks
Römer auf einer teilweise vergoldeten silbernen vor allem ein Bild von Luxus vermittelt werden museum, Kat. Nr. 40, Abb.; La nature morte
de Brueghel ä Soutine, Bordeaux, Galerie des
Römerschraube, die ein anregendes Spiel von sollte. Demnach handelt es sich bei der hier zu
Beaux-Arts, 1978, Kat. Nr. 43; Couleurs du
Schatten, Lichtreflexionen und durchschim sehenden Rose und der aufgeschnittenen Melo Nord. Peintures Flaniands et Hollandaises des
merndem Licht auf dem rechts zu sehendem ne um abweichende Motive, die diese Kompo musees d'Aniiens, Amiens, Musee de Picardie,
großen Deckelgefäß aus chinesischem Porzellan sition von Kalf stärker noch als andere in einen 1999, S. 24.
bewirkt. Im Vordergrund ist Kalfs »Stammgast« Zusammenhang mit den Arbeiten von Zeitge
Literatur:
zu sehen, eine getriebene Silberschale, auf der nossen wie Jan Davidsz. de Heern rücken, bei
Catalogue des tableaux composant la collection
ein seltenes weißes Porzellanschälchen mit einer dem gerade die Blumen und Früchte die wich Lavalard Freres de Roye au Musede Picardie,
feinen, dünnen blauen Verzierung steht. In die tigen Motive sind (Abb. 2). Auch ein Brötchen Amiens 1894, S.8, Kat. Nr. 20; A. Bredius,
sem Schälchen liegt ein zu einer Tüte gerolltes ist von Kalf selten so prominent wie auf diesem »Nederlandse kunst in provinciale musea van
Blatt Papier, vielleicht eine Seite aus einem Al Bild wiedergegeben worden. Im Stamm der Frankrijk«, Oud Holland 19 (1901), S. 8; Grise
bach, 1974, S. 128-129, 144-146, 252-253,
manach, das vermutlich Pfeffer enthält. Auf vie Römerschraube erscheint dieses Mal nicht ein 276, Kat. Nr. 92, Abb. 100; J. Foucart, Les Fre
len Stilleben des 17. Jahrhunderts befindet sich Putto, sondern ein weiblicher Akt, der rittlings res Lavalard de Roye, niecenes du Musee de
illem Kalf gab auf seinen Stilleben nach einem Entwurf von Hans Holbein verse Öl auf Leinwand, 68 x 56 cm
W häufig besonders kostbare Gegen hen. Auf diesem Stilleben ist auf der Schale die Signiert und datiert, links unten:
W. KALF 167.
stände wieder, wie den Hornpokal Inschrift »HoLBeen Fe« zu sehen, die jedoch auf Kopenhagen, Statens Museum for Kunst,
auf Kat. Nr. 25 oder die Van-Vianen-Kanne auf dem realen, in München aufbewahrten Gegen Inv. Nr. 1531
Kat. Nr. 28. Ein einzigartiger Gegenstand, den stand fehlt. Es scheint sich also bei dieser Inschrift
Provenienz:
Kalf in seine Stilleben aufnahm, ist wohl die so um einen von Kalf vorgenommenen Hinweis für Sammlung Bodendick, Kopenhagen; Samm
genannte »Holbeinschale« (Abb. 12, S. 31), die den Betrachter zu handeln. Die Schale war ur lung Dänisches Königshaus, Schloss Fredens-
außer auf diesem Bild auch auf einer etwas grö sprünglich Teil der Sammlung Heinrichs VIII. borg; Kopenhagen, Statensmuseum for Kunst,
ßeren Arbeit zu sehen ist, auf dem 1680 entstan von England und wurde nach dem Fall König Erwerb 1896
denen Gemälde in Weimar (Kat. Nr. 37). Auf Karls I. im Jahre 1649 von der neuen Regierung Ausstellungen:
dem hier gezeigten Stilleben aus Kopenhagen zu Geld gemacht. Erst 1711 tauchte sie wieder Kunstforeninmgen t Kobenhavn, Kopenhagen,
wird die Schale, die auf Kalfs unvermeidlicher in der Sammlung von Kurfürst Johann Wilhelm 1896, Kat. Nr. 67
Silberschale steht, von einer Porzellanschüssel in Düsseldorf auf. Es liegt nahe, dass dieser Ge Literatur:
mit zwei Pfirsichen flankiert, hinter der sich ein genstand über den holländischen Kunst- und Catalogue dune Collection de Tableaux [Samm
reich ornamentierter Nautiluspokal befindet. Antiquitätenhandel dorthin gelangte, denn der lung Bodendick], Kopenhagen, 1784, Kat.
Nr. 53; H. Weinrich, Fortegnelse over den
Dahinter sind einige kleine Lichter zu erkennen, Kurfürst verfügte über viele Kontakte in die Nie Bodendickse Malerisamling, Kopenhagen, 1825,
die einen Glaspokal andeuten. Die profilier derlande. Ob Kalf die Schale selbst als Händler in S.2, Nr. 1; K. Madsen, in Tilskneren, 14 (1897),
te Marmortischplatte ist zum größten Teil mit seinem Besitz hatte, ist nicht zu sagen, vielleicht S. 133f., Abb.S. 133; H. Vollmer, »Die alte Ge
einem Perserteppich bedeckt, dessen Fransen sah er sie auch bei einem Händlerkollegen. Ange mäldegalerie in Kopenhagen«, Monatschrift
jedoch ausnahmsweise recht prominent wieder sichts seiner Vorliebe für glänzende Gegenstände für Kunstwissenschaft 2 (1909), S. 558; P. Hertz,
Kunstmuscets Aarsskrift 8-10 (1921-1923),
gegeben wurden. Unter der Silberschale steckt wird eine solche Kuriosität gewiss nicht seiner S.384; K.-H. Hering, Silberschmiedegefäße,
erneut ein Messer mit Achatgriff und auf ihrem Aufmerksamkeit entgangen sein. Theoretisch Berlin o.J. [1953], S.81 f.; Bergström, 1956,
Rand liegt eine Uhr mit geöffnetem Deckel. Der könnte eines der beiden Stilleben mit der Dar S.280, Abb. 231, 282; J.F. Hayward, »A Rock-
an einem Band hängende kleine Uhrenschlüssel stellung dieser Schale auf Wunsch eines Besitzers crystal bowl from the Treasure of Henry VIII«,
baumelt gerade so über dem Bildrand. gemalt worden sein, doch aufgrund der Hinzufü Burlington Magazine 100 (1958), S. 120-124;
J. F. Hayward, »The Mannerist Goldsmiths, IV«,
Die »Holbeinschale« aus Bergkristall soll aus gung anderer prominenter Kostbarkeiten ist dies Connoisscur 159 (1965), Nr. 640, S.82-84; P.
dem 14. Jahrhundert stammen. Sie wurde im 16. eher unwahrscheinlich. Der Nautiluspokal ist Gammelbo, Dutch Still-Lifc Painting from the
Jahrhundert mit dem vergoldeten Silberbeschlag mit seiner reichen Fassung auf keinem anderen 16th to the ISth Centuries in Danish Collections,
Stilleben zu sehen. Bei dieser Fassung handelt es Kopenhagen/Leigh-on-Sea/Amslerdam 1960,
1 Willem Kalf, Stilleben mit Prunkgeschirr und sich möglicherweise um ein Produkt von Kalfs Kat. Nr. HO; Pilz-von Stein, 1965, S.90,91, 138,
Porzellanschüssel mit Früchten, Öl auf Leinwand, Nr. 108; Grisebach, 1974, S. 126-127, 160-161,
Phantasie. Die Form der Muschel ist der von an 245, 272» 277-278, 279, Kat. Nr. 138, Abb. 146-
121 x 105 cm. Philadelphia, Philadelphia Museum of deren Nautiluspokalen sehr ähnlich (Abb. I).1 147; Segal, 1988, S. 195, 196, 221 Abb. 10.9; Yde-
Art, John G. Johnson Collection, Inv. Nr. J634. Kalfs Datierungen haben offensichtlich die ma, 1991, S. 163, Nr. 489; E. Gemar-Koeltzsch,
Neigung zu verschwinden und auch die Jah Luca Bild-Lexicon. Holländische Stillebenmaler
reszahl 1678 auf diesem Werk ist laut aktueller im 17. Jahrhundert, 3 Bde., Lingen 1995, Bd.2,
S.551 (Abb.), 522, Nr. 194/19 (immer als 1678
Angabe des Museums nicht mehr zu erkennen. datiert); R. Botho, U. Hausmann, Ausst. Kal.
Andere konnten darauf jedoch noch »167.« ent Goethes »Bildergalerie«, Kunstsammlungen zu
ziffern.2 Die Variante in Weimar (Kat. Nr. 37) Weimar 2002, S. 150.
wurde von Grisebach auf »1680 oder 1679 [?]«
Anmerkungen
vom Museum aber heute eindeutig auf 1680 da 1 Grisebach, 1974» Kat. Nr. 119, Abb. 122. Je
tiert. Zweifellos sind beide Gemälde am Ende nes Gemälde soll 1662 datiert sein, aber diese
der siebziger Jahre entstanden, womit auch der Datierung ist, wie auch die Signatur, schon seit
Verbleib der »Holbeinschale« in Amsterdam do langem nicht mehr darauf zu erkennen; sie
kumentiert wäre. wurde jedoch von Grisebach akzeptiert. Viel
leicht muss das Gemälde aber angesichts der
FGM starken Ähnlichkeit mit diesem Bild aus Ko
penhagen in den gleichen Zeitraum, d.h. die
späten siebziger Jahre eingeordnet werden.
2 Mit Dank an Jeroen Gillaij für die Mitteilung,
dass Friso Lammerlse und Annetje Roorda
Boersma bei der kürzlich erfolgten Besichti
gung des Gemäldes diese Ziffer noch erkennen
konnten. Während der Ausstellung wird die
Probe aufs Exempel gemacht werden können.
illem Kalf versah dieses Stilleben mit diesen Gegenständen. Vielleicht waren diese Stu Öl auf Leinwand, 82,5 x 71,8 cm
W der Jahreszahl [ 16]80.’ Damit handelt dien nicht besonders genau, denn die Details der Signiert und datiert, links unten:
W. KALF ..80
es sich um das letzte datierte Gemäl hier gezeigten Silberkanne weichen beträchtlich
Weimar, Staatliche Kunstsammlungen Weimar,
de, das wir von Ihm kennen. Der Maler starb erst von ihrer Wiedergabe auf dem Amsterdamer Schlossmuseum, Inv. Nr. G 169
dreizehn Jahre später, doch der Konsens in der Gemälde ab. Dabei fällt außerdem auf, dass die
Provenienz:
Literatur lautet, dass er während dieser letzten Ausführung sowohl der Kanne als auch des Gla Zum ersten Mal im Katalog von 1824 der
Lebensjahre nicht oder nur noch selten malte. ses auf den anderen Gemälden weitaus subtiler, Weimarer Sammlung erwähnt (als anonymes
Als er dieses Gemälde anfertigte, war er unge kräftiger und auch virtuoser ist. Doch auch die Werk).
fähr einundsechzig Jahre alt. Möglicherweise Darstellung der »Holbeinschale«, die Kalf noch Ausstellungen:
nahmen sein Sehvermögen und die Sicherheit nicht allzu lange Zeit vorher auf dem Gemälde Goethes »Bildergalerie«, Kunstsammlungen zu
seiner Hand ab, vielleicht konnte er aber auch aus Kopenhagen abgebildet hatte (Kat. Nr.36), Weimar, 2002-2003, Kat. Nr. 59, mit Farbabb.
nichts mehr mit dem Thema anfangen, das er in bleibt hinsichtlich der Stärke in der Modellierung Literatur:
den drei vorangegangenen Jahrzehnten in im und hinsichtlich der Brillanz hinter diesem frü Verzeichnis Meyer, 1824, S. 9 (als unbekannt);
mer neuen Variationen dargestellt hatte, nämlich hen Stilleben zurück. Die »Holbeinschale« wirkt Kal. Weimar 1869, Kat. Nr. 26; Pilz-von Stein,
einen teilweise mit einem orientalischen Teppich hier übrigens größer als auf Kat. Nr. 36 (vgl. das 1965, S.90, 91, 92, 138, Nr. 107; Grisebach,
1974, S. 158, 162, 246, 278, 279, Kal. Nr. 141,
bedeckten Marmortisch, auf dem eine Anord Verhältnis bezüglich der getriebenen Silberscha
Abb. 152 (als 1680 oder 1679); Segal, 1988,
nung kostbarer Gegenstände zu sehen ist. le), aber auch das Gemälde selbst hat ein größeres S. 194, 196, 221; Ydema, 1991, S. 163, Nr. 492;
Es fällt jedenfalls auf, dass er auf den letzten Format als das Kopenhagener Bild und ist sogar J. Kelch in R. Bothe u. a., Kunstsammlungen
beiden, uns bekannten, datierten Arbeiten, wo größer als das Gemälde mit der Silberkanne aus zu Weimar. Schloßmuseum Gemäldegalerie,
bei es sich um das hier zu behandelnde Gemälde Amsterdam (Kat. Nr. 28). München 1994, S.74, 75 (Farbabb.); E. Ge-
und das 1678 entstandene Bild in Kopenhagen mar-Koeltzsch, Luca Bild-Lexicon. Hollän
Obwohl man in Kalfs CEuvre keine Gemälde
dische Stillebenmaler im 17. Jahrhundert, 3
(Kat. Nr. 36) handelt, einem sehr außergewöhn benennen kann, die mit Sicherheit nach diesem Bdc., Lingen 1995, Bd.2, S.552, Nr. 194/20,
lichen Kunstobjekt die Hauptrolle zudachte, um Stilleben aus Weimar entstanden sein müssen, mit Abb. (als 1679/1680); R. Bothe, U. Haus
so mehr, da das letzte, diesen Werken vorange bleibt unklar, ob Kalf nach 1680 noch gemalt mann, Goethes »Bildergalerie«, Kunstsamm
hende, datierte Gemälde etwa zehn Jahre vor hat. Viel wird es jedenfalls nicht gewesen sein.3 lungen zu Weimar 2002, S. 150, Kal. Nr. 59.
her, also 1669 gemalt wurde.2 Dieses besondere Von diesem Stilleben gibt es übrigens eine Ko Anmerkungen
Objekt, die bereits unter Kat. Nr. 36 besproche pie, auf der einige Änderungen in der Komposi 1 Grisebach, 1974, erwähnte die Datierung
ne »Holbeinschale«, wird hier zusammen mit tion vorgenommen wurden (Abb. B 17, S. 167).’ als »1680 oder 1679 [?]«. Inzwischen wird
einem anderen seltenen Stück aus Kalfs Reper diese mit Sicherheit als ..80 gelesen.
So liegt ein Rosenzweig an der Stelle des Mes
2 Das Gemälde in Indianapolis, Grisebach,
toire gezeigt, der silbernen Van-Vianen-Kan- sers und der rechten Uhr und die linke Uhr, 1974, Kat. Nr. 135, Abb. 145, siehe hier auch
ne, das piece de resistmice auf dem Stilleben aus die nun an anderer Stelle platziert ist, wird mit Abb. 3, S. 144.
dem Amsterdamer Rijksmuseum (Kat. Nr. 28). geöffnetem Deckel gezeigt. Die Ausführung der 3 Siehe auch mein Essay, bes. S. 102.
Das Deckelglas ä lafa^on de Venise, Kalfs allge Kopie steht der Arbeit Kalfs sehr nahe, weshalb ’ Das Gemälde befand sich der Sammlung von
genwärtige getriebene Silberschale (auf der die Fritz Frey, Bürgenstock (Katalog 1967, S.94,
man darin vielleicht doch eine etwas spätere ei
95) und wurde als Arbeit von Kalf (zu Unrecht
»Holbeinschale« platziert ist) und einige kleine genhändige Variante sehen könnte. Wenn sei mit Erwähnung der Bestätigung der Zuschrei
re Gegenstände wie ein Messer mit Achatgriff ne Fähigkeiten tatsächlich ab 1680 abnahmen, bung durch meine Person) aufgenommen in
und zwei Uhren, die linke mit geschlossenem könnte dies die Schwächen in diesem Gemälde dem Versteigerungskatalog London, Sotheby’s,
und die rechte mit geöffnetem Deckel, sind auf erklären, aufgrund derer das Bild zu einer Kopie 11. Dezember 1996, Kat. Nr. 75, mit Farbabb.,
diesem Gemälde aus Weimar sekundär. abgestempelt wurde.5 jedoch vor der Versteigerung wieder zurück
gezogen. Im Hintergrund standen ursprüng
Bemerkenswerterweise scheint Kalf bei diesem FGM lich eine Weinflasche mit silbernem Stöpsel an
Gemälde hinsichtlich der Auswahl seiner Objek einer Kelle und ein Römer, der jedoch später
te zu einem wesentlichen Teil auf frühere Arbei von laienhafter Hand mit einer Porzellankan
ten zurückgegriffen zu haben. Das Deckelglas ne bzw. einer Kanne aus »Delfter Blau« über
malt wurde, die zum Zeitpunkt der Versteige
ähnelt sehr dem Exemplar, das wir auf Gemälden
rung im Jahre 1996 teilweise entfernt wurde;
sahen, die noch in die fünfziger Jahre zu datieren dabei wurde die Stöpselkelte der Weinflasche,
sind, darunter auch das Gemälde aus der Londo links davon, wieder einigermaßen sichtbar.
ner National Gallery (Kat. Nr.25), während die Das Ornament oben auf dem Deckelglas ist
Van-Vianen-Kanne auf drei anderen Gemälden auf dem allen, hier abgebildeten Foto nicht zu
erkennen und vermutlich eine Erfindung des
Kalfs wiedergegeben ist (darunter Kat. Nr. 28),
»Restaurators«, der es nach dieser Zeit (um
die ebenfalls vor 1660 entstanden. Vermutlich 1930?) in Arbeit hatte.
verwendete er beim Malen des Weimarer Still 5 Deshalb erfolgte die Aufnahme in die Ad
lebens in seinem Besitz befindliche Studien von denda und Corrigenda, S. 167, Nr. B. 17.
Einleitung: Kaifund seine Amsterdamer bedeutet jedoch nicht zwingend, dass beide später), Luttichuys’ Krebs als direktes Zitat in
Zeitgenossen Künstler in Kontakt miteinander standen. eine seiner eigenen Kompositionen aufnahm
Vielleicht verkehrten sie beide bei dem glei (Abb. 2).3 Gillis war der Sohn des erfolgrei
Kalf fügte sich mit seinen Stilleben nahtlos chen Antiquitätenhändler oder Sammler, der chen Antwerpener Stillebenmalers Jacob
in das künstlerische Klima Amsterdams der ihnen diese Objekte zur Verfügung stellte. Si van Hulsdonck (1582-1647). Nach dem Tod
fünfziger Jahre des 17. Jahrhunderts ein. Er cherlich werden sie mit Interesse das Werk des seines Vaters kam er nach Amsterdam, wo
muss mit Interesse das Werk früherer Still jeweils anderen betrachtet haben. Obwohl die er sich einen rein holländischen Stil zulegte.
lebenmaler wie Jan Jansz. den Uyl und Jan Auswahl ihrer Themen bis zu einem gewissen Leider datierte er keines seiner Stilleben, so
Jansz. Treck betrachtet haben, wie auch das Grad übereinstimmt, stellten sie diese in einer dass weder eine Chronologie noch spezifische
der damals schon in Amsterdam tätigen Zeit ganz persönlichen Ausdrucksweise dar. Verbindungen, wie die mit dem Gemälde von
genossen Pieter van den Bosch und Simon In einigen Fällen, wie bei Luttichuys und Luttichuys, klarer dargestellt werden können.
Luttichuys. Nachdem Kalf um 1653 seinen Pieter van den Bosch, ist bei den undatierten Aus dem gleichen Jahr wie Kalfs frühestes da
eigenen Stil entwickelt und gefestigt hatte, Gemälden nicht oder kaum festzustellen, ob tiertes Amsterdamer Gemälde (1653) stammt
scheint er sich kaum noch beeinflusst haben man von einem Einfluss von oder auf Kalfspre das einzige von Abraham van den Hecken (ca.
zu lassen. Im Gegenteil, seine Arbeiten wur chen kann. Die geringe Anzahl von datierten 1615-1655/69) bekannte Stilleben.'1 Es zeigt
den nun für andere zu einer Quelle der An Arbeiten Kalfs, die vor 1658 entstanden, trägt viele der bei Kalf zu sehenden Motive: einen
regung. Über persönliche Kontakte von Kalf mit dazu bei. Luttichuys’ 1656 entstandenes Perserteppich, eine getriebene Silberschale,
zu seinen Künstlerkollegen ist nichts bekannt, Stilleben mit einem großen roten Krebs kam einen Römer, eine halb geschälte Zitrone und
auch wenn er angesichts der Expertisen, die er bereits zur Sprache (Abb. I).2 Möglicherwei eine Orange; das Ganze vor einem recht dunk
einige Male zusammen mit anderen Malern se wurde er zu dieser Darstellung von einem len Hintergrund wiedergegeben (Abb. 3). Da
vornahm, gut in das Amsterdamer Künstler Gemälde Kalfs angeregt, das sich heute in der schon damals in den Gemälden Van den He
milieu eingeführt gewesen sein muss.1 Es fällt Londoner National Gallery befindet (Kat. ckens Perserteppiche seit Jahren eine wichtige
auf, dass einige der kostbaren Gegenstände, Nr. 25), mit Sicherheit ist dies jedoch nicht Rolle spielten, wäre es denkbar, dass Kalf in ge
die Kalf in seinen Stilleben darstellte, auch zu sagen. Es ist aber offensichtlich, dass ein wissem Maße davon beeinflusst wurde.5
auf Gemälden von Willem van Aelst zu sehen anderer Maler, der als Nachfolger Kalfs gelten Auch der Amsterdamer Gerard van Berle-
sind (vgl. Kat. Nr. 28 und dort Abb. 1). Das kann, Gillis van Hulsdonck (1625-1669 oder borch (tätig vor 1649-1658 oder später)
1 Simon Luttichuys, Stilleben mit Hummer, 2 Gillis van Hulsdonck, Stilleben mit Hummer, 3 Abraham van den Hecken, Stilleben auf
signiert und 1656 datiert, Öl auf Leinwand, signiert, Öl auf Holz, 64 x 52 cm. Stockholm, Perserteppich, signiert und 1653 datiert, Öl auf
58,3 x 67,6 cm. Verbleib unbekannt. Nationalmuseum, Inv. Nr. NM 1390. Leinwand, 60 x 54,5 cm. London, Sammlung
Hohenbuchau.
scheint in einem 1650 entstandenen Stilleben Direkte Nachfolger in Amsterdam kam und dort - möglicherweise sogar von
hinsichtlich seiner Themenwahl Kalf voraus Kalf - ausgebildet wurde. Ein frühes Gemälde
zugehen (Abb. 4).6 Ob wir in einem 1655 ent Zweifellos stark von Kalf beeinflusst ist der von seiner Hand, auf dem die Datierung ..54
standenen, kompositorisch viel anspruchsvol aus s-Hertogenbosch stammende Stilleben zu erkennen ist (Abb. 6), zeigt jedenfalls Kalfs
leren Werk von seiner Hand (Abb. 5) schon maler Christiaen Striep (1633/34—1673), der Einfluss und erinnert ein wenig an eine ähn
den Einfluss von Kalf erkennen können, sei 1656 in Amsterdam das Bürgerrecht erhielt, liche Komposition des Meisters in Weimar.8
dahingestellt.7 aber vermutlich schon früher in die Stadt Die späteren Bilder Strieps sind mehrheitlich
7 Christiaen Striep, Stilleben mit Prunkpokal, 8 Abraham de Heusch, Stilleben mit Rosen und 9 Jurriaen van Streek, Stilleben mit Porzellan
signiert, Öl auf Leinwand, 99 x 81 cm. Oxford, Porzellanschale mit Früchten, signiert, Öl auf und Südfrüchten, signiert, Öl auf Leinwand,
Ashmolean Museum, Daisy Linda Ward Bequest, Leinwand, genaue Maße unbekannt. Verbleib 86 x 70 cm. Verbleib unbekannt.
Inv. Nr. A 603. unbekannt.
etwas monumentaler und breiter gemalt als so exakt, dass ihre Gemälde bisweilen kaum fest, wie der Wan-li-Schale aus dem frühen 17.
dieses Beispiel, bleiben jedoch Kalfs Darstel voneinander zu unterscheiden sind. Doch Jahrhundert und dem mit einer Fortunafigur
lungen verbunden. Offensichtlich war Striep Hendrick gelang es nur selten seine Kompo bekrönten Nautiluspokal, doch ein Gemälde
technisch nicht so beschlagen wie Kalf, oder sitionen mit einer wirklichen Spannung zu wie das hier abgebildete von 1664 (Abb. 12)
aber er verwendete anfälligere Materialien, versehen und in diesem Mangel zeigt er sich zeigt mit seinem Orientteppich, der Orange
denn seine dunklen Hintergründe leuchten deutlich eine ganze Generation von Kalf ent und den Zitronen eindeutig den Einfluss von
oft stark durch die obersten Farbschichten, fernt (Abb. 10).“ Kalf auf Heda.
was die Wirkung seiner Gemälde etwas be Pieter Janssens, genannt Elinga (1623-1682 In Kalfs ehemaligem Wohnort Hoorn ließ
einträchtigt. Das ist auch der Fall bei einem oder früher) malte Stilleben und Genre sich Jan Alberlz. Rotius von Willem Kalf zum
charakteristischen Beispiel aus seinem reife darstellungen. In Brügge geboren, arbeitete Malen einiger Stilleben in dessen Stil verlei
ren Werk, das sich in Oxford befindet (Abb. Elinga eine Zeit lang in Rotterdam und kam ten. Zumindest kann ein Exemplar aus dem
7). Einer der Lehrlinge von Striep war Abra 1653 nach Amsterdam. Seine Genrebilder Jahre 1662 nicht ohne die Kenntnis von Kalfs
ham de Heusch (tätig ca. 1665-1690?), der in wurden wesentlich von den Werken Pieter de Arbeiten aus den vorangegangenen Jahren
mindestens einem Stilleben die Faszination Hoochs (1629—1683/84) beeinflusst. In seinen entstanden sein, auch wenn dafür keines der
seines Lehrmeisters für die Arbeiten Kalfs an Stilleben sind verschiedene Einflüsse auszu Stilleben Kalfs als direktes Vorbild gedient
klingen ließ (Abb. 8).9 machen, worunter der von Kalf nicht unwich haben wird (Abb. 13).13 Aus dem vorherge
Ein anderer Künstler, dessen Name immer tig ist. Ein Gemälde wie das der Abbildung 11 henden Jahr, 1661, stammt ein Stilleben des
dann fällt, wenn über die Nachfolger von ist zwar etwas schlichter im Entwurf als die Goudaer Malers Adriaen van der Spell (ca.
Willem Kalf gesprochen wird, ist Jurriaen van Kompositionen von Kalf, erinnert jedoch un 1630-1673), das an die gleiche Thematik an
Streek (1632-1687). Vor allem seine Themen mittelbar an diese.12 schließt (Abb. 14). Es führt vermutlich zu weil
wahl erinnert an Kalf: Porzellan, farbenfrohe für diesen Stillebentyp die Arbeiten Kalfs als
Zitronen und Orangen und Perserteppiche. unmittelbares und einziges Vorbild zu sehen.
All das ist bei van Streek in großer Zahl zu Der allgemeine Einfluss Willem Kalfs Es wird wohl eher so gewesen sein, dass diese
sehen. Van Streeks Malstil ist jedoch weniger Maler sich einem allgemeinen Interesse des
raffiniert als der von Kalf und dessen Spiel Dass Kalf auch Einfluss auf die Arbeiten äl kaufenden Publikums fügten, ein Interesse,
mit (Glanz-) Licht(ern) interessiert ihn offen terer Zeitgenossen hatte, sogar außerhalb dessen sich auch die Arbeiten Kalfs erfreuten.
sichtlich weitaus weniger als die von Kalf ge Amsterdams, wird an den späten Stilleben des Zweifelsohne kann man hier von einem kom
wählte Thematik. Dennoch nähert sich Van Haarlemer Nestors Willem Claesz. Heda (ca. plexen, mehrdimensionalen künstlerischen
Streek in seinen besten Arbeiten dem Vorbild 1596-1680) deutlich. Dieser wählte seit den Zusammenhang sprechen, der sich auf eine
recht gut, auch wenn seine Darstellungen sel späten fünfziger Jahren regelmäßig dunkle gewisse Marktwirkung bezog. Dieser Zusam
ten die gleiche Ruhe ausstrahlen (Abb. 9).10 Hintergründe und nahm orientalische Teppi menhang lässt sich nur schwer im Detail fas
Sein Sohn Hendrick van Streek (1659-1720 che in seine Stilleben auf. Zum Teil hielt er an sen, könnte aber vielleicht unter dem Schirm
oder später) übernahm den Stil seines Vater seinen traditionellen Motiven und Attributen des Zeitgeistes eingefangen werden. Das gilt
genauso für das Werk des seit 1683 ebenfalls In wiefern der Maler C. van Dielaert (tätig Orientteppiche und Fruchtschalen aus Por
in Hoorn tätigen, aber möglicherweise in vor 1665-1671 oder später) unter dem Ein zellan wieder näher bei den Arbeiten Kalfs.
Amsterdam ausgebildeten Pieter Gallis, der flussbereich Kalfs gesehen werden muss, ist Aufgrund des im »Kalf-Stil« gemalten Perser
für das hier abgebildete Stilleben (Abb. 15) sicher diskussionswürdig. Die wenigen Still teppichs auf dem Stilleben des etwas rätselhaf
außer auf Kalf auch auf Luttichuys und sogar leben von Pieter Forbes (1637/38 [1617/18?]- ten F. Sant-Acker (um 1669 tätig, Abb. 16), ist
auf das späte Werk von Heda geschaut haben 1663 oder später), die Dielaerts Arbeiten anzunehmen, dass dieser sich vermutlich direkt
muss.” leicht verwandt sind, stehen angesichts ihrer von Kalfs CEuvre anregen ließ. Auch der Leide-
16 F. Sant-Acker, Stilleben mit Nautiluspokal, 17 Jan Potheuck, Früchtestilleben auf einem 18 Claes Bergoijs, Stilleben mit einer Feldflasche
signiert, Öl auf Leinwand, 66 x 56,6 cm. orientalischen Tischtuch, signiert und 1667 und einem Perserteppich, signiert und 166[.)
Amsterdam, Rijksmuseum, Inv. Nr. SK-A-2655. datiert, Öl auf Leinwand, 67 x 60 cm. datiert, Öl auf Leinwand, 73,2 x 60 cm.
Verbleib unbekannt. Verbleib unbekannt.
20 Barent van der Meer, Stilleben mit Prunkpokal 21 Hubert van Westhoven, Prunkstilleben 22 Georg Hinz, Prunkstilleben mit Nautiluspokal,
und Deckelgefäß aus Porzellan, signiert und 1686 mit Hummer, signiert, Öl auf Leinwand monogrammiert, Öl auf Leinwand
datiert, Öl auf Leinwand, 89,5 x 73,3 cm. 120 x 102,2 cm. Verbleib unbekannt. 118 x 93 cm. Verbleib unbekannt.
Verbleib unbekannt.
Franfoise Joulie
Als der Sachverständige Pierre Remy 1771 im sehr begehrt und fanden sich in allen Pari ausgezeichneten Stil und exquisite Farben.«
Palast des Herzogs von Luynes in der Pariser ser Sammlungen. Boucher war verrückt nach Das Werk wurde vom Hofbaumeister Lou
Rue Saint-Dominique die Sammlung des Fürs Werken von Kalf. Künstler werden Bilder die is-Francois Trouard, dem die Inspektion aller
ten begutachtete, fand er das Werk Die schöne ses Meisters weiterhin ob ihrer vornehmen königlichen Gebäude unterstand, für die be
Dorfbewohnerin von Francois Boucher vor. den Farben und Harmonie sehr schätzen.«2 trächtliche Summe von sechshundert Pfund
Laut Remy sei dieses zwischen 1730 und 1740 Ohne Zweifel bezogo sich Lebrun bei sei- erworben.3 Am 22. Februar 1779 wurde das
vom Vater des Herzogs erworbene Gemäl ner Erwähnung der besonderen Leidenschaft Gemälde mit dem Nachlass von Trouard un
de unter den Werken der nordeuropäischen Bouchers für Kalf auf das Bäuerliche Interieur ter der Positionsnummer 122 erneut verkauft,
Künstler einzureihen, denn »der Hintergrund (Kat. Nr. 7), ein herausragendes Werk, das zu und vom Sachverständigen Paillet mit der Po
und das Gemüse wurden von Kalf gemalt«1. sammen mit der Sammlung des Grafen von sitionsnummer 13 (Bäuerliches Interieur mit
Diese Äußerung ist widersprüchlich, denn Vaudreuil verkauft wurde. Denn bei der Ver Familie am Tisch, einem Werk von Sebastien
Kalf starb noch vor der Geburt Bouchers. Sie steigerung der Sammlung des französischen Bourdon, Abb. 1) verglichen. Es gibt keinen
unterstreicht jedoch den Einfluss des nieder Hofmalers in seiner Wohnung im Louvre- Hinweis darauf, dass dieses Gemälde von
ländischen Meisters auf den französischen Palast im Februar 1771 wurde dasselbe Ge Bourdon sich in der Sammlung von Francois
Maler. Der Kunsthändler Jean-Baptiste Pierre mälde von Remy unter der Positionsnummer Boucher befand. Eindeutig zu identifizieren
Lebrun beschrieb 1792 ein ihm gehörendes 21 folgendermaßen beschrieben: »Haushalts ist in der Sammlung Bouchers nur Maria mit
Gemälde Willem Kalfs mit dem Titel Innenan geräte, Gemüse und Wurzelgemüse in einer dem Kind und dem Heiligen Johannes (Musee
sicht einer Küche (Paris, Institut Neerlandais, Küche. Rechts im Bild steht eine Frau neben d’Epinal, Leihgabe des Musee du Louvre).'1
Inv. Nr. 2493) folgendermaßen: »Alle Werke einer Tür. Neben ihr befindet sich ein Huhn Im 18. Jahrhundert wurden also Kalf und
des Holländers zeichnen sich durch prächtige auf einem Bretterzaun. Links im Hintergrund Bourdon wie selbstverständlich miteinander
Farben und einen ausdrucksstarken Stil aus. wärmen sich ein Mann und eine Frau neben in Verbindung gebracht. In der Beschreibung
[...] Gemälde dieses Meisters waren damals dem Feuer. Dieses Gemälde auf Holz von Wil des Werkes von Sebastien Bourdon wird »die
bei allen Künstlern und Kunstliebhabern lem Kalf zeigt zahlreiche Details sowie einen Ähnlichkeit mit der Malweise des Gemäldes
von Kalf Nr. 122« sowie die Tatsache, dass
beide Werke gleiche Maße haben und als
Pendant betrachtet werden können, unterstri
chen. Der damalige Hoffalkenmeister, Graf
von Vaudreuil, kaufte die beiden Pendantbil
1 Sebastien Bourdon, Bäuerliches Interieur nut Familie am Tisch, Eiche, 32 x 34 cm. Paris, Musee du der. Bei der Auflösung seiner Sammlung ab
Louvre, Jnv. Nr. MI 1027.
dem 24. November 1784 konnte der Graf von
Angiviller im Auftrag Königs Ludwig XVI.
die zwei Gemälde sowie 35 weitere Werke
nordeuropäischer Künstler erwerben. Das
Gemälde Willem Kalfs wurde zu dieser Zeil
als »eines der schönsten Werke des Künst
lers« gepriesen. »Es vereint einen Hauch Spiri
tualität mit einer verführerischen Harmonie«,
schrieb Lebrun weiter. Das Werk von Bour
don sei, so fahrt er fort, »durch äußerst feine
Farben« gekennzeichnet und »durch manche
Details als Pendant des Bildes von Kalf Nr. 54
zu betrachten«.
Sebastien Bourdon und Willem Kalf lern
ten sich persönlich kennen. Nach seiner
Rückkehr aus Rom 1637-38 verkehrte der
junge Bourdon im Kreise der nordeuropäi
schen Künstler von Sainl-Germain-des-Pres.
Er begleitete sogar Philippe Vleughels dort
hin, als dieser Neuankömmling Kontakt mit
»geschickten Malern wie Nicasius, Vanboui-
le, Fouquiers und Calf« aufnehmen wollte.5
Guillet de Saint-Georges, der Biograph von
156 Der Einfluss Willem Kalfs auf diefranzösischen Künstler und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert - Franfoise Joulie
Sebastien Bourdon, beschreibt den Maler mit zeigen eindeutig, dass dieser von dem hollän Stile von Kalf auf dem von Boucher um 1728
folgenden Worten: »Ein Genie des Feuers, mit dischen Künstler stark beeinflusst wurde. Die in Rom gemalten Werk Die Mahlzeit erschei
lebhafter Fantasie, weitreichendem Gedächt oben erwähnte Schöne Dorfbewohnerin bei nen, obwohl die Vorskizze solche Elemente
nis und großer Kunstfertigkeit. Ein Mann, der spielsweise entstand um 1735, als der Einfluss nicht enthielt, ist mit Sicherheit kein Zufall.12
ohne Anstrengung alles nachahmen konn Kalfs auf Boucher und die französische Schule Im Paris des 17. Jahrhunderts waren die
te, was er einmal gesehen hatte.« Nachdem besonders ausgeprägt war. Außer religiösen Werke Willem Kalfs mehr noch von Malern
Bourdon in Rom von der Gruppe der Bam- und mythologischen Werken malte Boucher als von Kunstliebhabern begehrt. Claude Vi-
boccianti beeinflusst wurde, nahm er in den damals auch kleine Genrebilder, in welchen gnon und Jacques Blanchard waren unter den
Jahren 1640-1650 Kalf als Vorbild. Bekannt ebenfalls Elemente von Vleughels und Wat ersten Sammlern der Gemälde des niederlän
wurde er mit Bauernszenen, welche den Wer teau wiederzufinden sind. Die Tatsache, dass dischen Meisters. Obwohl Antoine Coypel
ken nordeuropäischer Maler so sehr ähnelten, selbst Watteau Kalf nachahmte, wird unter seinerseits die »Niedrigkeit der Motive und
dass er laut Arnold Houbraken sogar den Hol anderem durch das im Straßburger Musee des die geringe Zeichnungsbegabung der nordi
länder Theodoor van der Schuer (1634-1707) Beaux-Arts aufbewahrte Gemälde Die Kup- schen Maler« anprangerte, wusste er die Tech
zu seinen Schülern zählte. fertopfputzerin bestätigt.9 Außerdem wurde nik von Willem Kalf zu schätzen, als er sagte:
Ebenso wie die Gemälde Willem Kalfs zei schon nachgewiesen, dass Francois Boucher »Meines Erachtens sprechen die Stilleben von
gen auch frühe Interieurbilder von Sebastien hauptsächlich von Antoine Watteau ausgebil Kalf eine gleichwertige Kunstsprache wie die
Bourdon verstreutes Küchengerät und Gemü det wurde.10 Auch Nicolas Vleughels hat den Werke von Giorgione und Tizian«13 Darüber
se, wobei Werke von Le Nain und Michelin jungen Boucher beeinflusst, und zwar zuerst hinaus demonstrierten im 18. Jahrhundert
ebenfalls solche Elemente enthalten.6 Nach in Paris und später auch in Rom, nachdem der die Sammlungen der Künstler das beständige
dem Kalf Paris 1645 beziehungsweise 1646 Niederländer dort zum Leiter der Academie Interesse der damaligen Maler an Originalbil
verlassen hatte, gab Bourdon diese trivialen de France ernannt worden war, wie Beverly dern und Kopien des niederländischen Meis
Motive jedoch allmählich auf und bevorzugte Schreiber Jacoby als Erste nachweisen konnte.'1 ters. So besaß beispielsweise Michel Francois
- wie auch der in die Niederlanden zurück Zum Schluss sollte die Verbindung zwischen Dandre-Bardon, ein Freund Bouchers, eine
gekehrte Kalf- Goldschmiedegeschirr. Werke Willem Kalf und Philippe Vleughels noch er Kopie auf Holz der Innenansicht einer Kü
mit historischem Inhalt wie Der Tod Didons wähnt werden. Dass Gemüse und Früchte im che (Nr. 17 seiner Nachlassversteigerung),
und Martyrium des Heiligeti Johannes sind
hier perfekte Beispiele dieser parallelen Ent
wicklung.o7
Darüber hinaus wirkte der Einfluss Kalfs
auf Philippe Vleughels, später auch auf dessen
2 Willem Kalf, Bäuerliches Interieur, Mann mit Korb und Frau am Kamin, Eiche, 22 x 26 cm. Dijon,
Sohn Nicolas. Das im Louvre-Museum aufbe Musee des Beaux-Arts, Inv. Nr. CA 140.
wahrte Bild mit dem Titel Alte Frau sich nach
Rechts drehend (Inv. Nr. 35092) weist starke
Ähnlichkeiten mit der Stute von Meister Pe
ter auf. Dieses Bauerninterieur wurde zuerst
Kalf, dann Bourdon, und schließlich von Lu
cius Grisebach einem französischen Nachah
mer Willem Kalfs zugeschrieben.
In der Sammlung von Francois Boucher
befand sich ein zweites Werk Willem Kalfs.
Dieses wird unter der Positionsnummer 22
als »ähnlich wie das Andere« beschrieben.
Es dürfte sich also um ein weiteres bäuerli
ches Interieur handeln - das bevorzugte Mo
tiv Kalfs während seiner Zeit in Frankreich
zwischen 1640 und 1646. Das Bild wurde auf
ein 6 Zoll hohes und 8 Zoll breites Holzbrett
gemalt, und ebenfalls von Trouard zu einem
nichtbekannten Preis erworben. Es könn
te sich um das im Musee des Beaux-Arts de
Dijon aufbewahrte Bäuerliches Interieur (Inv.
Nr. C A 140, Abb. 2) handeln, denn das Motiv,
die Technik und die Maße beider Werke äh
neln sich sehr.8 Dieses Gemälde wird in zwei
weiteren Verkaufskatalogen (Prince de Conti,
1779, Kat. Nr. 305 und Marquis de Menars,
1782, Kat. Nr. 48) beschrieben.
Bouchers Sammelleidenschaft für die Inte
rieurs von Kalf ist keinesfalls überraschend,
denn die früheren Gemälde des Franzosen
Der Einfluss Willem Kalfs auf die französischen Künstler und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert - Franfoise Joulie 157
während Jean-Francois de Troy ein ländliches (Abb. 4), das zur gleichen Zeit entstand, ver lichen Bilder eines Teniers orientierte. Um
Genrebild mit einem Bauernpaar (Nr. 63 sei herrlicht die häuslichen Tugenden der jungen 1737-1738 jedoch wandte sich Boucher von
ner Nachlassversteigerung) besaß. Mütter. Wie oben erwähnt, wurde das Werk den einfachen Kücheninterieurs ab und malte
In den 1730er Jahren hingegen sammelten 1771 als »teilweise von Kalf« beschrieben, da Hirtenszenen, welche dem Geschmack sei
nur wenige Pariser Kunstliebhaber Werke die Komposition das Gemälde Interieur mit ner Auftraggeber mehr entsprachen und sein
von Willem Kalf. Um 1734-35 war Boucher Küchengerät, Gemüse und einem Menschen persönliches Interesse für Musik und Theater
in Kontakt mit einem dieser Kunstliebhaber: auf einer Leiter des holländischen Meisters widerspiegelten. Das Gemälde Bouchers Frau
Chevalier de la Roque, Herausgeber der Zeit (Abb. 5)15 eindeutig zitiert. Grisebach vermu mit Strohhut und einem Kind auf dem Schoß,
schrift Mercure de France, der drei Gemälde tete, das sich dieses Bild 1794 in der Samm das 1737 im Auftrag des Königs im Schloss
des Meisters besaß. Eines dieser Bilder wurde lung des Niederländers Joan Fredrik Molte16 Fontainebleau entstand, dokumentiert die
1745 beim Tode des Sammler von Kardinal befunden haben könnte. Dies ist allerdings se Entwicklung eindeutig: Der mit Trauben
de Bernis erworben (heute im City Art Mu aus zweierlei Gründen höchst unwahrschein überfüllte Fruchtkorb ist vielmehr dem Stil
seum of Saint Louis, Missouri, Inv. Nr. 93/47), lich: Erstens hat Boucher das Werk 1735 in von Snijders oder Fijt als demjenigen von Kalf
während die zwei anderen der Sammlung von Paris gesehen; Zweitens befand es sich 1863 verpflichtet.18
Crozat de Thiers, dem Neffen des berühmten in der Viardot-Sammlung, das heißt immer 1762 schrieb der Kunstkritiker Dazellier
Kunstliebhabers Pierre Crozat, hinzugefügt noch in Frankreich. Unseres Erachtens be d’Argenville: »Die Flamen haben wahrhaftig
wurden (heute in der Eremitage, Sankt Pe fand sich damals Die schöne Dorfbewohnerin nur einfache Motive gemalt. Ihre Helden sind
tersburg, Inv. Nr. 945 und 946). 1735 gab auch in der Sammlung des Herzogs von Chevreuse, Bauern, ihre Bühnen ein Chemielabor, eine
Chevalier de la Roque ein Werk bei Boucher denn das Werk wurde 1748 in seinem Haus Küche, eine Volksfest.«19 Mit anderen Worten:
in Auftrag14, als dieser schon mit mehreren unter dem Titel Frau in ihrem Haushalt be Ihre Gemälde entsprachen nicht dem franzö
Bildern im Stile von Kalf beschäftigt war, dar schrieben.17 sischen Geschmack. Boucher hatte dies ver
unter Köchin und junger Mann, Ländliches Zwischen 1730 und 1740 war Francois Bou standen und adaptierte seine Arbeit dement
Glück, Ruhende Bauern, Der Maler in seiner cher weitaus mehr von Willem Kalf beein sprechend. Eine ähnliche Entwicklung fand
Werkstatt und vor allem Das schöne Küchen flusst als andere Maler derselben Generation. auch bei den Kunstliebhabern statt, als sie von
mädchen (Abb. 3) - Ein Werk, das im April Von den Genrebildern des holländischen Malern eine Überarbeitung bestimmter Bil
1735 als Vorlage für einen Kupferstich dien Meisters übernahm Boucher das realistische der verlangten. So beispielsweise Chevalier de
te und heute im Pariser Musee Cognacq-Jay Dekor und die zurückhaltende Sinnlichkeit, la Roque, der Nicolas Lancret aufforderte, ein
aufbewahrt wird. während ein Maler wie Jean Simeon Char Interieurbild von Kalf zu verändern. Lancret,
Das Bild Die liebenswürdige Hausfrau din sich mehr an der Gelassenheit der alltäg der zu dieser Zeit neben Francois Boucher im
3 Francois Boucher, Das schöne Küchenmädchen, 4 P. Duverbret, Die liebenswürdige Hausfrau, Stich 5 Willem Kalf, Bäuerliches Interieur, ini Hinter
Eiche, 55,5 x 43,2 cm. Paris, Musee Cognacq-Jay, nach dem Gemälde von Francois Boucher, Die grund Frau am Kamin und Mann auf Leiter, Lein
Inv. Nr. 13. Dorfsschöne im Norton Simon Museum in Pasa- wand, 33,7 x 26,5 cm. Amiens, Musee de Picardie,
dena. Paris, Musee du Louvre, Departement des Inv. Nr. 1894-19.
Arts Graphiques, Sammlung Rothschild,
Inv. Nr. 18561 L.R.
158 Der Einfluss Willem Kalfs auf die französischen Künstler und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert - Fran^oise Jouhe
Schloss Fontainebleau arbeitete und ein ent Anmerkungen 10 F. Joulie, Formation et culture de Francois Bou
1 Th. de Luynes, B. Pons, Lc Faubourg Saint-Germain, cher - De qui est-il donc le disciple?, Paris, Ecole des
zückendes Hochzeitsmahl malte, musste seine Beaux-arts 2003, S. 76-87 und Francois Boucher,
Arbeit unterbrechen, und auf einem Gemäl la nie Saint-Dominique, Hotels et Amateurs, Paris,
musee Rodin, 1984, S. 56-62. eleve d’Antoine Watteau, Actes du Colloque Watteau,
de Kalfs eine über einen Brunnen gebückte 2 J. B. P. Lebrun, Galerie des peintres flaniands, hol- 2005-2006, Valenciennes 2007.
Bäuerin durch ein sich lebhaft unterhaltendes landais et allemands - Ouvrage enrichi de deux Cent 11 B. Schreiber Jacoby, Francois Bouchers Early De
Paar in eleganten Kleidern ersetzen.20 planches gravees dapres les meilleurs tableaux de ces velopment as a Draughtman, 1720-1734, New York
Obwohl er sich in seiner weiteren Laufbahn maitres, par les plus habiles artistes de France, de Hol- 1986, S. 64-80.
lande et d’Allemagne, Paris-Amsterdam 1792-1796, 12 Das Werk dient als Abbildung in A. Laing, Fran
nicht mehr an Willem Kalf orientierte, war cois Boucher 1703-1770, Paris 1986, S. 120, Abb.
Bd 2, S. 70.
Francois Boucher bis zu seinem Lebensende 3 Im 18. Jahrhundert stieg der Preis der Gemälde 86. Das Original befindet sich in Ottawa, National
»verrückt« nach den Gemälden des nieder Willem Kalfs kontinuierlich. Bei der Auflösung der Gallery of Canada, Inv. Nr. 4444.0.65. S. Couturier,
ländischen Meisters, und zwar wegen ihrer Sammlungen La Roque und Julienne (1745 bzw. Dessins fran^ais du Musee des beaux-arts du Canada,
außergewöhnlichen technischen Qualität. 1767) wurden Werke Kalfs für 100 bis 200 Pfund ver Ottawa, National Museum of Canada 2004, Kat. Nr.
kauft. Bei der Auflösung der Sammlung Randon de 35. Bezüglich der Datierung des Gemäldes nach der
Der Kunstkritiker La Font de Saint-Yenne Zeichnung siehe F. Joulie, Boucher et les peintres du
Boisset (1777) fanden Werke des holländischen Meis
meinte 1746, dass »diese Bilder voller Ma ters für 400 bis 600 Pfund einen Abnehmer. Das Bild Nord, Dijon, Musle Magnin, Londres, The Wallace
gie, Lieblichkeit und Harmlosigkeit in jene Kucheninterieur, das heute im Louvre aufbewahrt Collection 2004, S. 35. Grisebach, 1974, Kat. Nr. 19
verzauberten Paläste, welche die bildenden wird, wurde 1784 vom König von Frankreich für 800 bezieht sich auf ein Interieurbild von Kalf, das sich im
Künste hochschätzen« - das heißt in die Pri Pfund gekauft. 1794 meinte Lebrun, ein Meisterwerk 18. Jahrhundert in Rom befand.
von Willem Kalf könne für 1000 bis 1200 Pfund ver ” A. Merot, Les Conferences de l’Academie royale de
vatsammlungen - unbedingt Einzug halten peinture et de sculpture au XVII* siede, Paris 1996,
kauft werden.
müßten.21 Demnach ist es keinesfalls überra 4 J. Thuillier, Sebastien Bourdon, Montpellier, Musee S.414.
schend, dass ein Meisterwerk Willem Kalfs Fabre, 2000-2001, Nr. 125. 11 A. Ananoff, D. Wildenstein, Francois Boucher,
sich in der Sammlung von Francois Boucher, 5 B. Hercenberg, Nicolas Vleughels - Peintre et direc- Bd. I., Paris-Lausanne 1976, Nr. 226.
einer der schönsten Pariser Kunstsammlun teur de l’Acadtmie de France ä Rome, 1668-1737, Pa 15 Interieur mit Küchengerät, Gemüse und einem
ris 1975, S. 194-195. Mensch auf einer Leiter, Amiens, Musle de Picardie,
gen des späten 18. Jahrhunderts, befand. Inv. MP. 1894-19.
6 D. Bakhuys, Peintres hollandais a Paris au XVII'sie
de - Premier acte d’une reception differee, in Imagin- 16 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 31.
aire et creation artistique ä Paris sous l’Ancien Regime 17 Th. de Luynes, B. Pons, Le Faubourg Saint-Germain,
(XVIF-XVIIFsiecles), Annales du centre Ledoux, Bd. la nie Saint-Dominique, Hotels et Amateurs, Paris,
2, 1998, S. 15-21, M. Szanto, Linard, »Stoskopff et Musee Rodin 1984, S. 57.
Kalf«, Bulletin de la Societe d'histoire de lart fran^ais, 18 E Joulie, Boucher et les peintres du Nord, Dijon, Mu
2001-2002, S. 25-62. see Magnin, London, The Wallace Collection 2004,
7 J. Thuillier, Sebastien Bourdon, Montpellier, musee Abb. 27, S. 68. Siehe F. Ribemont, de Boysson, Les
Fabre, 2000-2001, Nr. 78-80. raisins du silence, Bordeaux, Musee des Beaux-arts
8 Laut L. Grisebach wurde das Werk nachträglich ver 1999-2005.
ändert. Die Maße des Werkes waren damals 19x22 19 A. J. Dezallier d’Argenville, Abrege de la vie des plus
cm, das heißt ungefähr diejenigen des Werkes von fameux peintres, 1762, Bd. 3, Vorwort.
Boucher (circa 15,20x20,30 cm). In Katalogen aus 20 Grisebach, 1974, Kat. Nr. 2, Abb. 2 und 3.
dem 19. Jahrhundert werden allerdings als Maße 21 £. de La Font de Saint-Yen ne, Reßexions sur quel-
22x26 cm angegeben. Grisebach, 1974, S. 19-20, ques causes de l'Etat present de la peinture en France
Kat. Nr. 22, Abb. 24. avec un examen des principaux ouvrages exposes au
9 G. Glorieux, Watteau et le Nord - Lespeintres defetes Louvre, 1746, Neuauflage, Paris 2001.
galantes, Valenciennes, Musee des Beaux-arts, 2004,
S. 45-56.
Der Einfluss Willem Kalfs auf die französischen Künstler und Kunstliebhaber im 17. und 18. Jahrhundert - Francoise Joulie 159
Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs
Katalog der Werke von Willem Kalf
Fred G. Meijer
Seit dem Erscheinen von Lucius Grisebachs Unter den B-Nummern sind Gemälde auf A. Eigenhändige Gemälde
Monographie über Willem Kalf im Jahre 1974 geführt, die von Grisebach noch als eigenhän
sind viele Gemälde von Willem Kalf zum Vor dige Arbeiten aufgenommen wurden, heute A 1 (Grisebach Kat. Nr. 1
schein gekommen, andere wurden restauriert aber abgeschrieben werden. Außerdem wer Verz. Nr. C 11, Abb. 169)
und (oder erneut) untersucht. Auch von je den hier Gemälde aufgeführt, die seit Grise Bäuerliches Interieur
nen Arbeiten, die Grisebach nur von Fotogra bachs Publikation ans Tageslicht kamen. Für Monogrammiert und datiert, rechts unten:
fien oder Abbildungen kannte, konnten in diese letztgenannten Gemälde wird eine Zu WK1638
zwischen mehrere näher untersucht werden. schreibung an Kalf erwogen, die jedoch nicht Holz, 32,2 x 26,2 cm
Die hier präsentierte Liste ist als Ergänzung mit Sicherheit bestätigt werden kann. Dar New York, Privatsammlung
zu Grisebachs Katalog zu verstehen und ihre über hinaus finden sich unter den B-Num Das Gemälde wurde von Grisebach als Nach
Ordnung folgt so gut wie möglich der von mern Gemälde, die bisher als Werke von Kalf ahmung abgetan, ist aber als frühe Arbeit von
Grisebachs Publikation. Ergänzenden Infor publiziert wurden, deren Zuschreibung aber Kalf aus seiner Lehrzeit in Rotterdam zu ver
mationen zu den bestehenden Grisebach- zurückzuweisen ist. teidigen. Siehe weiter Kat. Nr. 1.
Nummern werden unter den entsprechenden Teilweise wird für nähere Informationen auf
Grisebach-Nummern aufgeführt. Unter den Texte an anderer Stelle in diesem Katalog ver
A-Nummern wurden neu entdeckte Arbeiten wiesen. Literatur und Provenienzen sind hier
aufgenommen sowie auch einige Werke, die nicht vollständig aufgeführt, obwohl versucht
von Grisebach abgeschrieben wurden, nun wurde, die wichtigsten Referenzen wieder
aber als eigenhändige Arbeiten von Kalf ak zugeben (sofern dies nicht schon an anderer
zeptiert werden können. Stelle in dieser Publikation geschieht).
A 2 Bauernhof mit einem Mann bei einem Brun A 3 Bäuerliches Interieur, im Hintergrund ein A 6 Bäuerliches Interieur mit einer alten Frau und
nen und Aussicht auf Pans, signiert in der Mitte Mann und eine Frau am Kamin, unten rechts einem Gcmüsestilleben, signiert und datiert oben
unten: KALF, Öl auf Kupfer, 51 x 34,5 cm. Privat signiert W. CALF, Öl auf Holz, 35,6 x 29,2 cm. links: KALF 1644, Öl auf Kupfer, 16 x 13 cm.
sammlung. Verbleib unbekannt. Zürich, David Koetscr Gallery.
160 Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer
A2 Abb.
Bauernhof mit einem Mann bei einem Brun
nen und Aussicht auf Paris
Signiert, in der Mitte unten: KALF
Kupfer, 51 x34,5 cm
Privatsammlung
Provenienz: Versteigerung London, Sotheby’s,
9. Dezember 1992, Kat. Nr. 171, mit Abb.;
Kunsthandel P. de Boer, Amsterdam; Kunst
handel Hoogsteder & Hoogsteder, Den Haag.
Literatur: The Hoogsteder Journal 3 (1997)
S. 8, mit Farbabb.
Grisebach Kat. Nr. 6: siehe B 3. A 7 Bauernhaus mit zwei Figuren, signiert, Öl auf A 8 Bäuerliches Interieur mit einer Frau mit
Grisebach Kat. Nr. 15: siehe B 4. Kupfer, 13x17 cm. Verbleib unbekannt. Besen und einem Mann beim Feuer, Öl auf Kupfer,
13,2 x 17 cm. Privatsammlung, Schweden.
A3 Abb.
Bäuerliches Interieur, im Hintergrund ein
Mann und eine Frau am Kamin Zustand und es gehört mit Sicherheit nicht zu A7 Abb.
Signiert, rechts unten W. CALF den gelungensten Kompositionen Kalfs. Bauernhaus mit zwei Figuren
Holz, 35,6x29,2 cm Signiert, rechts unten: KALF
Verbleib unbekannt Grisebach Kat. Nr. 34 Abb. 1, S. 56 Kupfer, 13 x 17 cm
Provenienz: Kunsthandel F. Mont, New York, Bäuerliches Interieur mit Frau am Butterfass Verbleib unbekannt
1949. Holz, 32,3x23,6 cm Provenienz: Versteigerung Stockholm, Bu
Dieses Gemälde wurde von Grisebach zu Un Alte Inschrift in Verso: Calphe kowski, 5./8. November 1975, Kat. Nr. 25, mit
recht als identisch zu seiner Kat. Nr. 17 aufge Niederlande, Privatsammlung Abb.; 1980 aus einer Privatsammlung in Reck
nommen. Die Ausführung ist jedoch weitaus Provenienz: Privatsammlung, Frankreich; linghausen gestohlen (siehe Die Weltkunst, 15.
besser. Außerdem ist dieses Gemälde signiert. Versteigerung London, Sotheby’s, 5. April Dezember 1980, S. 3705, mit Abb.)
Obwohl es eigentlich von Grisebach unter der 1995, Nr. 54, als Nachfolger von W. Kalf.
Kat. Nr. 17 aufgenommen wurde, wird es hier Grisebach kannte dieses Gemälde nur von ei A8 Abb.
unter einer neuen (A) Nummer aufgefuhrt. Sie ner druckgraphischen Reproduktion von Ba- Bäuerliches Interieur mit einer Frau mit
he B 6, weiter unten, für das Gemälde, das sich san (seine Abb. 35), die es spiegelbildlich wie- Besen und einem Mann beim Feuer
zuvor in der Sammlung Girardet befand (Grise dergibt. Das Gemälde passt tatsächlich gut in Kupfer, 13,2 x 17 cm
bach Kat. Nr. 17, Abb. 20 und Farbabb aufS.2). das CEuvre. Grisebach platzierte es zwischen Privatsammlung, Schweden
die 1643 entstandenen Arbeiten, vielleicht ist Provenienz: Versteigerung London, Sotheby’s,
A 4 (Grisebach Verz. Nr. A 1) Abb. 3, S. 38 aber eine Datierung in das Jahr 1644 genauer. 1. November 2001, Nr. 61, mit Farbabb.
Blick in einen Laden Wenn es, wie von Grisebach vorgeschlagen,
Kupfer, 17,5x 13,5 cm identisch ist mit dem Gemälde in der Verstei A 9 (Grisebach Kat. Nr. 42a) Abb.
München, Bayerische Staatgemäldesammlun gerung Paris, 9.-19. April und 2.-5. Mai 1764, Bäuerliches Interieur mit einer Frau am
gen, Inv. Nr. 5727 Nr. 62, sind die Maße dort (14 zu 10 Vi pouces Brunnen
Grisebachs Zweifel an der Zuschreibung = ca. 38 x 28 cm) abweichend angegeben wor Signiert, rechts unten: KALF
scheinen unbegründet zu sein. Das abwei den (vielleicht inklusive Rahmen?). Holz, 33x26,5 cm
chende Motiv ist kein stichhaltiges Argument Verbleib unbekannt
für eine Abschreibung. Vermutlich 1642 oder Grisebach Kat. Nr. 36 Kat. Nr. 12 Provenienz: (vermutlich) Sammlung M.F.
1643 zu datieren. Frau am Brunnen vor dem Haus Lindemeyer-Christ, Basel; Galerie Heine
Holz, 32,5x24,5 cm mann, München; Versteigerung London,
A 5 (Grisebach Verz. Nr. B 3, Abb. 164) Heino, Museum De Fundatie, Inv. Nr. 148 Sotheby’s, 8. Juli 1999, Nr. 167, mit Farbabb.
Bäuerliches Interieur mit Frau am Brunnen Die Datierung des Gemäldes erweist sich bei Das Gemälde ist vermutlich identisch mit
Holz, 34,2x26,3 cm wiederholtem Lesen als 1645 und nicht als Grisebach 42a, dort als Kopie. Es ist etwas
Verbleib unbekannt 1643. verschlissen, doch, anhand des Gemäldes ur
Provenienz: Kunsthandel P. de Boer, Amster teilend, muss an der Eigenhändigkeit nicht
dam, 1937-1938; Sammlung Mr. W. Russell, A6 Abb. gezweifelt werden.
Amsterdam; Versteigerung London, Christie’s, Bäuerliches Interieur mit einer alten Frau
12. Dezember 1990, Kat. Nr. 202, mit Abb. und einem Gemüsestilleben
Von Grisebach als vermeintliche Kopie von Signiert und datiert, links oben: KALF 1644
einem verlorenen Original aufgenommen. Kupfer, 16 x 13 cm
Bei näherer Betrachtung des Gemäldes wird Kunsthandel David Koetser Gallery, Zürich
jedoch deutlich, dass darin mit ziemlich gro Provenienz: Privatsammlung, Niederlande;
ßer Sicherheit die Hand Kalfs zu erkennen ist. Kunsthandel Robert Noortman, London, 1981,
Das Gemälde ist aber in keinem optimalen Kat. Nr. 9, mit Farbabb.; Privatsammlung, USA.
Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer 161
A 10 Bäuerliches Interieur mit einer Gemüse put A 12 Kücheninterieur mit einer Frau beim Kamin,
zenden Frau und einem Mann mit einer Leiter, Öl unter in die Mitte »signiert« mit einer Zeichnung
auf Holz, 35,8 x 54,6 cm. Verbleib unbekannt. von einem Kalb, Öl auf Kupfer, 30,5 x 40 cm.
Privatsammlung.
Grisebach Kat. Nr. 55: siehe B 9. die von dem Autor zu Recht als vermutliche
Kopien von einem (damals noch) unbekann
A 9 Bäuerliches Interieur mit einer Frau am Brun A 12 Abb. ten Original aufgenommen wurden.
nen, signiert unten rechts »RALF«, Öl auf Holz, Kücheninterieur mit einer Frau beim Kamin
33 x 26,5 cm. Verbleib unbekannt.
In der Mitte oben »signiert« mit einer Zeich- A 13 Kat. Nr. 13
nung von einem Kalb Bäuerliches Interieur mit einem Jungen mit
Kupfer, 30,5 x 40 cm Gemüse und einer Frau in der Türöffnung
Privatsammlung Signiert, rechts oben: KALF/ 1645
A 10 Abb. Provenienz: Kunsthandel Charles Roelofsz, Leinwand, 28,2 x 40 cm.
Bäuerliches Interieur mit einer Gemüse Amsterdam, 1986. Rotterdam, Museum Boijmans Van Beunin
putzenden Frau und einem Mann mit Literatur: C. Grimm, Stilleben. Die niederlän gen, Leihgabe Stiftung Willem van der Vorm.
einer Leiter dischen und deutschen Meister, Stuttgart/Zü- Provenienz: Privatsammlung (Deutschland?);
Holz, 35,8 x 54,6 cm rich 1988, S. 156-157, mit Abb. und Detail- Versteigerung London, 16. April 1997, Nr. 113,
Verbleib unbekannt abb. in Farbe. mit Farbabb.; Kunsthandel Johnny van Haef-
Provenienz: Sammlung Rigaud (?); Sammlung Zweifelsohne handelt es sich hierbei um das ten, London, 1998; Kunsthandel P. de Boer,
Edaurd Fabre, Les Ormeaux (laut Inschrift Vorbild für Grisebach Verz. Nr. Bl und B2, Amsterdam.
auf der Rückseite); Versteigerung London,
Christie’s, 10. April 1987, Kat. Nr. 6, mit Farb- Grisebach Kat. Nr. 56: siehe B 10.
abb.; Versteigerung London, Christie’s, 18. A 11 Bäuerliches Interieur mit Figuren im Hinter
grund, Öl auf Holz, 28 x 21 cm. Verbleib unbe
Dezember 1987, Kat. Nr. 162, mit Abb.; Ver A 14 (Grisebach Verz. Nr. A 3) Abb. 1, S. 70
kannt.
steigerung London, Christie’s, 16. Dezember Stilleben mit Rechaud und Glaskanne
1988, Kat. Nr. 112, mit Abb.; Kunsthandel Ca- Holz, 45,5 x 64 cm
retto, Turin, 1989, Kat. Nr. 36, mit Farbabb. Signiert, rechts unten: WKALF (»WK« ligierl)
Zweifelsohne handelt es sich hierbei um eine Verbleib unbekannt
eigenhändige Version/Variante der Grisebach Das Bild wurde nach Grisebachs Publikation
Kat. Nr. 47, 48 und 49. noch vom Kunsthandel P. de Boer in Amster
dam gezeigt, auf der Oude Kunst- en Antiek-
A 11 Abb. beurs, Prinsenhof, Delft, 1983 (mit Abb. im
Bäuerliches Interieur mit Figuren im Hinter Führer, S. 19).
grund Die nähere Analyse der frühen Arbeiten Kalfs
Holz, 28x21 cm plädiert für die Aufnahme dieses Bildes als
Verbleib unbekannt eigenhändiges Werk, das kurz nach der An
Provenienz: Versteigerung Paris, Palais d’Or kunft Kalfs in Paris entstanden sein muss. Sie
say, 30. März 1979, Kat. Nr. 13, mit Abb, als he weiter den Essay auf S. 70.
Willem Kalf zugeschrieben.
Das Bild zeigt die gleiche Komposition wie
Grisebach Kat. Nr. 55 (Museum Boijmans Van
Beuningen), ist jedoch weitaus überzeugender
in der Ausführung, weshalb die Grisebach Kat.
Nr. 55 heute als Kopie oder höchstens als Wie
derholung aus der direkten Umgebung von
Kaifeinzuordnen ist (siehe B 9, weiter unten).
162 Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer
A 15 (Grisebach Kat. Nr. 64b) Kat. Nr. 17 lands 1600-1700, Den Haag 1988, S. 184 (Fig.
Stilleben mit Feldflasche aus Zinn, stehenden 10.2), 185, 220 (Anm. 9).
und liegenden vergoldeten Schenkkannen und Vgl. Kat. Nr. 20.
großer getriebener und vergoldeter Silberschale.
Leinwand, 132,5x71 cm Grisebach Kat. Nr.93 Abb. I, S.142
Rouen, Musee des Beaux-Arts, Inv. Nr. 833-5 Die Jahreszahl 1658 ist von diesem Gemälde
Aufgrund der Qualität der Ausführung han verschwunden.
delt es sich hierbei um eine eigenhändige,
vielleicht erste Version von dieser Komposi A 18 Abb. 4, S. 95
tion. Siehe weiter Kat. Nr. 17. Stilleben mit Zinnkrug und Deckelpokal
(J. Jz. Treck, übermalt von Willem Kalf)
Grisebach Kat. Nr. 65, Abb. 69 Signiert und datiert, links unten: 1648/ J...
Dieses Gemälde ist signiert. reck
Sammlung Mr. and Mrs. Edward William Holz, 83 x 60 cm
Carter, Los Angeles Kassel,Staatliche Kunstsammlungen,Gemälde
Provenienz: Kunsthandel Hoogsteder-Nau- galerie, Inv. Nr.GK 876
mann Ltd., New York, 1983. Provenienz: Kassel, Staatliche Kunstsamm
S. Segal (siehe Ausst. Kat. A Prosperous Past. lungen, Gemäldegalerie, Erwerb 1917, als W.
The Sumptuous Still Life in the Netherlands Kalf, Inv. Nr.GK 876.
1600-1700, Stedelijk Museum Het Prinsen- Literatur: G. Gronau, »Erwebungen der Cas
hof, Delft/Fogg Art Museum, Cambridge, seler Galerie 1912-1922«, Berliner Museen 44 A 16 Slilleben mit Teilen eines Harnischs, Waffen
Mass./Kimbell Art Museum, Fort Worth, (1923), S. 67, als: W. Kalf?; A. Polak, »Glass in und Prunkgegenständen und mit dem Spiegelbild
Texas 1988/9 [Kat. von S.Segal; redigiert von Dutch Painting«, The Conoisseur 193 (1976), des Künstlers, Öl auf Holz, 40,5 x 32 cm. Verbleib
W.B. Jordan], S. 184-185) meinte daraufeine Nr. 776, S. 119f., mit Abb., als J.Treck; N. R. A. unbekannt.
Datierung 163(9) lesen zu können, doch C. Vroom, A Modest Message as Intimated by the
Schneider und J. Walsh (A mirror of nature: Painters of the »monochrome banketje«, Schie-
Dutch paintings front the collection of Mr. and dam 1980, Bd. 1, S.211 (Abb. 286), 213, Bd. 2,
Mrs. Edward William Carter, New York 1992, S. 126, Nr. 648; G.J.M. Weber, Stilleben alter van Dedem gift«, Mauritshuis in focus 15
S. 124-127, Kat. Nr.31) fanden keine Spur Meister in der Kasseler Gemäldegalerie, Staat (2002), Nr.2, S. 19-21, Nr. 11; Q. Buvelot und
einer Datierung und schlugen zu Recht vor liche Kunstsammlungen Kassel, Kassel 1989, C. Vermeeren, Royal Picture Gallery Mau
die von Grisebach empfohlene Datierung um Kat. Nr. 15, mit Abb., als J. Treck; F.G. Meijer, ritshuis. A Summary Catalogue, Den Haag/
1643 zu handhaben. »Een stilleven van Simon Luttichuys, >over- Zwolle 2005, S. 172-173, Abb.
schildert en vermeerdert< door Willem Kalf. Grisebachs Zweifel an der Zuschreibung er
A 16 Abb. Een bijzonder aspect van de Hollandse ze- wiesen sich als unbegründet. Obwohl das Ge
Stilleben mit Teilen eines Harnischs, Waffen ventiende-eeuwse atelierpraktijk«, Razprave mälde sicher nicht zu den stärksten Arbeiten
und Prunkgegenständen und mit dem iz Evropske Unietnosti [Festschrift für Ksenija Kalfs gehört, in keinem optimalen Zustand ist
Spiegelbild des Künstlers Rozman], Ljubljana 1999, S. 102,108 (Abb. 5), und zumindest in den weißen Lichtern und
Holz, 40,5 x 32 cm als J. Jz. Treck, vollendet von W. Kalf. in der Oberfläche der Orange Retuschen auf
Verbleib unbekannt weist, ist Kalfs Hand in diesem Stilleben deut
Provenienz: Versteigerung London, Bonhams, A 19 (Grisebach Verz. Nr. A 5, Abb. 163) lich zu erkennen.
22. April 1982, Kat. Nr. 107, mit Abbildung, Stilleben mit Südfrüchten und Gläsern
als Nachfolger von Willem de Poorter. Signiert, links oben: kalf
A 17 Stilleben nut Teilen eines Harnischs, Waffen
Das Bild wurde vermutlich als »modello« Leinwand, 49,3 x 42,9 cm
und Prunkgegenständen und mit dem Spiegelbild
für das Gemälde in Le Mans (Grisebach Kat. Mauritshuis, Den Haag, Inv. Nr. 1126 des Künstlers, Öl auf Leinwand, 153 x 165,7 cm.
Nr. 66) und die Version hier unten (A 17) ge Provenienz: Sammlung 5. Graf Spencer, 1892; Verbleib unbekannt.
malt. Siehe auch Kat. Nr. 20. Sammlung 8. Graf Spencer, Althorp, North-
hamptonshire; Kunsthandel Robert Noortman,
z\ 17 Abb. Maastricht; Sammlung Diethelm Doll, Bad Go
Stilleben mit Teilen eines Harnischs, Waffen desberg; Versteigerung London, Christie’s, 8.
und Prunkgegenständen und mit dem Dezember 1995, Nr. 42, mit Farbabb.; nach der
Spiegelbild des Künstlers Versteigerung von Willem, Baron van Dedem,
Leinwand, 153x 165,7 cm gekauft; von diesem 2002 der Stichting Vrien-
Verbleib unbekannt den van het Mauritshuis, Den Haag, geschenkt.
Provenienz: Edward Speelman Gallery, Lon Ausstellung: London, Thomas Agnew and
don, 1979; Versteigerung New York, Sotheby’s, Sons, Althorp Collection, 1946, Kat. Nr. 3.
16. Mai 1996, Kat. Nr. 89, mit Farbabb. und Literatur: Grisebach, 1974, S.284, Verz. Nr.
Versteigerung London, Sotheby’s, 17. Dezem A5, Abb. 163; P.C. Sutton, Dutch & Flemish
ber 1998, Kat. Nr. 10, mit Farbabb. Paintings: The collection of Willem Baron van
Literatur: S. Segal in Ausst. Kat. A Prosperous Dedem, London 2002, S. 144-147, Kat. Nr. 29,
Past. The Sumptuous Still Life in the Nether mit Farbabb.; Q. Buvelot, »Catalogue Baron
Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer 163
A 20 (Grisebach Abb. 15, S. 98 Grisebach Kat. Nr. 114, Abb. 126
Verz. Nr. B 6, Abb. 166 Stilleben mit Schüssel aus chinesischem Por
Stilleben mit Glaspokal, Römer und Zitrone zellan mit Figuren, Südfrüchten, Deckelglas
Signiert und datiert, links unten: W. KALF. und weiteren Gläsern
1660 Signiert, rechts unten: W. KALF (und mög
Leinwand, 49 x 43 cm licherweise Reste einer Datierung, zu lesen
Verbleib unbekannt als 1662, laut freundlicher Mitteilung von
Provenienz: Sammlung Wolff, Kassel; Kunst Richard Charlton Jones, Sotheby’s London,
handel J. Böhler, München, 1920; Versteigerung der das Gemälde 1995 untersuchte)
London, Sotheby’s, 17. Mai 1961, Kat. Nr. 144; Leinwand, 58,5 x 48,5 cm
Kunsthandel Duits, London, 1961; Versteige Privatsammlung, Europa
rung London, Sotheby’s, 14. Dezember 2000, Das Bild wurde von Grisebach zu Unrecht für
Kat. Nr.31, mit Farbabb.; Privatsammlung. identisch mit dem Gemälde bei M. Knoedler
Das Bild wurde von Grisebach zusammen mit & Co, New York, 1952 (später versteigert bei
A 21 (siehe unten) für die Kopie eines verlo Christie’s, New York, 31. Mai 1991, Kat. Nr. 65,
renen Originals gehalten. Bei der Entfernung mit Farbabb., richtig als Umkreis von W. Kalf)
der Übermalungen und der Restaurierung gehalten.
zeigte sich jedoch die eigenhändige Qualität.
Überdies kamen die verschwundene Signatur A23 Kat. Nr. 33
und die Datierung wieder zum Vorschein. Stilleben mit Deckelgefäß aus Porzellan, ei
A 21 Stilleben mit Glaspokal, Romer und Zitrone, nem Schälchen, Gläsern und Früchten
links unten signiert: W. KALF, Öl auf Leinwand, A 21 (Grisebach Verz. Nr. B 7) Abb. Leinwand, 55 x 68 cm
44,6 x 35,2 cm. Europäische Privatsammlung. Stilleben mit Glaspokal, Römer und Zitrone Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum
Signiert,
o links unten: »W. KALF« Provenienz: Sammlung Dr. Hewlett John
Leinwand, 44,6 x 35,2 cm son, Dekan von Canterbury; Versteigerung
Privatsammlung, Europa London, Sotheby’s, 16. Juli 1980, Nr. 203, mit
Provenienz: Kunsthandel J. Goudstikker, Abb.; Privatsammlung, Deutschland, 1999;
Amsterdam; Kunsthandel Dowdeswell, Lon (nach Reinigung und Restaurierung) als Leih
don; Versteigerung London, Sotheby’s, 9. Juli gabe im Niedersächsischen Landesmuseum,
1998, Verz. Nr. 260, mit Farbabb. Hannover.
Das Bild wurde von Grisebach zusammen mit Grisebach Kat. Nr. 137, Abb. 149 (Paris, Lou
A 19 (siehe oben) für die Kopie eines verlo vre, Inv. Nr. R. F. 796) kann noch immer als
renen Originals gehalten. Bei der Entfernung erste Version dieser Komposition gelten. Seit
der Übermalungen und der Restaurierung
zeigte sich jedoch die eigenhändige Qualität.
Überdies kam die verschwundene Signatur
wieder zum Vorschein. A 25 Stilleben mit silbernen Geräten, Porzellan
Bei dieser Arbeit handelt es sich sicher um topfund Gläsern, Öl auf Leinwand, 107 x 85 cm.
A 24 Stilleben mit Prunkpokal, Fruchtschale und eine eigenhändige, wenn auch nicht optimal Aachen, Suermondt-Ludwig Museum,
Gläsern, Öl auf Leinwand, 71 x 59 cm. Verbleib erhaltene Version von A 20. Inv. Nr. GK 1194.
unbekannt.
A22 Abb. 10 auf S. 96
Stilleben mit silberner Wasserkanne und
dazugehörigem Becken und einer Porzellan
schüssel mit Früchten und Gläsern
(Begonnen von Simon Luttichuys, vollendet
von Kalf)
Leinwand, 86 x 81,5 cm
Privatsammlung, Frankreich
Provenienz: Privatsammlung, Frankreich, 1990.
Literatur: F. G. Meijer, »Een stilleven van
Simon Luttichuys, >overschildert en vermeer
derb door Willem Kalf. Een bijzonder aspect
van de Hollandse zeventiende-eeuwse atelier-
praktijk«, Razprave iz Evropske Umelnosti
[Festschrift für Ksenija Rozman], Ljubljana
1999, S. 99-109, mit Farbabb.
164 Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf Fred G. Meijer
der Entdeckung von A 23 galt dieses Gemälde Dieses Gemälde ist in jeder Hinsicht verwandt
als Kopie, doch die Ausführung ist komplexer, mit Grisebachs Kat. Nr. 143 (hier Kat. Nr. 23)
subtiler und raffinierter als die Version in und besonders mit der Kat. Nr. 142 (hier Kat.
Hannover, auch wenn sich auf dem Stück aus Nr. 22) und wird ungefähr zur gleichen Zeit
dem Louvre diverse Retuschen finden (u.a. mit dem letzteren entstanden sein. Gegen die
auf dem Flötenglas, dem Glas rechts hinten Meinung, bei den beiden Gemälden könn
und auf dem Deckelgefäß). Vermutlich han te es sich um Pendants handeln, sprechen in
delt es sich bei dem Gemälde in Hannover um gewisser Weise ihre recht abweichenden Ab
eine eigenhändige zweite Version. messungen, vor allem aber die Tatsache, dass
sie beinahe exakt das Gleiche wiedergeben.
A 24 (Grisebach Kat. Nr. 100a) Abb.
Stilleben mit Prunkpokal, Fruchtschale
und Gläsern B. Unsichere Zuschreibungen/
Leinwand, 71 x 59 cm abgeschriebene Werke
Verbleib unbekannt
Provenienz: Den Haag, Koninklijk Kabinet B 1 (Grisebach Verz. Nr. C 15) Abb.
voor Schilderijen Het Mauritshuis, Inv. Nr. 666 Interieur mit Karten spielenden Soldaten
(Erwerb 1902, verkauft 1962); Kunsthandel Signiert, links unten: »W. KALF«
S. Nystad, Den Haag, 1962; Privatsammlung, Holz, 30x21 cm
England; Versteigerung London, Christie’s, Verbleib unbekannt
12. November 2001, Kat. Nr. 55, mit Farbabb. Nach der Akzeptanz von Al, siehe oben, als
Das Bild ist von Grisebach zu Unrecht als Ko eigenhändige Arbeit von Kalf wäre es nun
pie seiner Kat. Nr. 100 aufgenommen worden. vorstellbar, dass auch dieses Gemälde zu dem
Die Komposition weicht jedoch beträchtlich frühen CEuvre von Kalf, vor 1640, gezählt
davon ab und die Qualität der Ausführung werden kann. Die Kombination von hollän B 1 (Grisebach C 15) Interieur nut Karten spielen
ist derart, dass man die Arbeit ohne jeglichen dischen und französischen Motiven scheint den Soldaten, signiert unten links: W. KALE Öl auf
Zweifel Kalf zuschreiben kann. Die Datierung es jedenfalls damit in Verbindung zu bringen. Holz, 30 x 21 cm. Verbleib unbekannt.
ist vermutlich später als die von Grisebach Eine Untersuchung des Gemäldes und insbe
vorgeschlagene anzusetzen, d. h. ans Ende der sondere der Authentizität der Signatur wird
sechziger Jahre. hoffentlich irgendwann einmal Aufschluss
darüber geben können.
A 25 (Grisebach Verz. Nr. C 25) Abb. B 4 (Grisebach Kat. Nr. 15, Abb. 16)
Stilleben mit silbernen Geräten, B 2 (Grisebach Verz. Nr. C 7, Abb. 176) Bäuerliches Interieur mit schlafender Frau
Porzellan topf und Gläsern Bäuerliches Interieur mit einer Figur, die Holz, 26,5x38,5 cm
Leinwand, 107 x85 cm einen Korb auf dem Rücken trägt Museum Boijmans Van Beuningen, Rotter
Aachen, Suermondt-Ludwig Museum, Inv. Kupfer, 28,8 x 37,4 cm dam, Inv. Nr. 2504
Nr.GK 1194 Jerusalem, Israel Museum, Ergänzende Literatur: F. Lammertse, Neder-
Literatur: T. Fusenig, Suermondt-Ludwig-Mu- Inv. Nr. M74-4-65 landse genreschilderijen uit de zeventiende
seum Aachen. Bestandskatalog der Gemälde Dieses Gemälde steht besonders aufgrund des eeuw. Eigen Collectie Museum Boijmans Van
galerie. Niederlande von 1550 bis 1800, Aachen, zentral dargestellten Stillebens sehr nahe bei Benningen, Rotterdam, Rotterdam, 1998, Kat.
München 2006, S. 154-156, mit Farbabb. den Arbeiten von Kalf, vergleiche zum Bei Nr. 31, als Kopie nach Willem Kalf.
Obwohl die Komposition unüblich ist, scheinen spiel A 12, weiter oben. Andere Partien wei Die technische Untersuchung des Bildes er
Zweifel an der Eigenhändigkeit dieses Werkes chen jedoch ab oder erscheinen zu schwach wies, dass dies ein Werk späteren Datums ist.
überflüssig zu sein. Laut aktueller technischer für Kalf als Schöpfer. Das Bild ist jedenfalls Auch die Qualität der Ausführung deutet auf
Untersuchung ist das Gemälde wahrscheinlich nicht mit völliger Sicherheit aus dem CEuvre eine Kopie hin (nach Grisebachs Kat. Nr. 14,
durch Brand beschädigt worden, möglicherwei auszuschließen. Vielleicht handelt es sich da Abb. 15).
se als es sich während der Bombardements im bei um eine Zusammenarbeit mit einem nicht
Zweiten Weltkrieg in Aachener Privatbesitz be näher identifizierbaren Pariser Künstler. B5
fand. Danach ist das Bild verkleinert worden. Bäuerliches Interieur mit ruhender Frau
B 3 (Grisebach Kat. Nr. 6, Abb. 6) Holz, 59 x 49 cm
A 26 Abb. 1,S. 104 Bäuerliches Interieur mit Gemüse und Verbleib unbekannt
Stilleben mit Muscheln und Gefässen Provenienz: Versteigerung New York, Sothe
Schmuckkästchen Holz, 28,5 x 43 cm by’s, 15. Januar 1987, Kat. Nr. 135, mit Farb
Leinwand, 53x43 cm Instituut Collectie Nederland, Amsterdam/ abb., als Willem Kalf.
Privatsammlung, USA Rijswijk, Inv. Nr.NK 1743 Die Motive des Stillebens sowie das Interieur
Provenienz: Sammlung Paul Cornet (1892— Diese Arbeit kann nicht länger als eigenhän entsprechen ganz und gar denen von Kalf,
1977), Ort unbekannt, seit ca. 1953; Verstei diges Werk von Kalf akzeptiert werden. Die doch die Ausführung stammt sicher von einer
gerung London, Sotheby’s 12. Juli 2001, Kat. Ausführung ist zu steif und leblos für Kalf. anderen Hand. Vermutlich handelt es sich um
Nr. 310, mit Farbabb., als Umkreis W. Kalf; Vielleicht handelt es sich um eine Kopie oder die Arbeit eines französischen Künstlers aus
Privatsammlung, Monte Carlo. Nachahmung. Kalfs Umgebung.
Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer 165
B7 Abb. 1, S. 66 der Kessel und der Kohl, erscheinen schwach
Bauernhof mit einer Frau bei einem Brunnen und nicht verstanden. Das Bild gilt vermut
Holz, 31,6 x 23,4 cm lich zu Unrecht als Pendant von Grisebachs
Verbleib unbekannt Kat. Nr. 58, die weitaus stärker in der Aus
Provenienz: Versteigerung Amsterdam, Chris führung ist, denn nichts in den Darstellungen
tie’s, 2. September 2003, Kat. Nr. 131, mit weist darauf hin, dass beide Holztafeln ur
Farbabb. sprünglich zueinander gehörten. Interessant
Die Komposition dieses Gemäldes ist eng ver ist aber, dass beide Tafeln (auf der Rückseite)
wandt mit Grisebachs Kat. Nr. 36 und 52. Es nahezu identisch sind und von dem Antwer
zeigt einige Schwächen in der Ausführung, pener Holztafelhersteller Melchior de Bout zu
doch eine Eigenhändigkeit ist nicht vollstän stammen scheinen, dessen Produkte Kalf mit
dig auszuschließen. ziemlicher Regelmäßigkeit für seine Bauern
interieurs verwendete.
B8 Abb. Das Gemälde in Amiens, das Grisebach als
Bäuerliches Interieur mit Frau beim Feuer Kopie (Kat. Nr. 58a) aufnahm, ist in keinem
Holz, 43 x 32,5 cm guten Zustand, aber gewiss nicht weniger gut
Verbleib unbekannt in der Qualität der Ausführung als B 11. Die
Provenienz: Versteigerung Christie’s, London, Eigenhändigkeit dieser Version ist nicht im
2. November 2001, Kat. Nr. 30, mit Farbabb. Voraus auszuschließen, aber aufgrund des Er
Vieles in der Ausführung dieses Gemäldes er haltungszustandes nicht mehr mit Sicherheit
B 8 Bäuerliches Interieur mit Frau beim Feuer, scheint zu schwach für Kalf als Schöpfer, oder festzustellen. Auffällig ist, dass auch dieses
Öl auf Holz, 43 x 32,5 cm. Verbleib unbekannt.
weicht von seiner Arbeitsweise ab. Dennoch kleine Interieur auf eine Tafel von De Bout
stehen manche Details, zum Beispiel der Fett gemalt wurde.
fänger, die Zwiebeln oder die Frau beim Feuer, Ergänzende Literatur: M. Pinette, Couleurs
dem eigenhändigen Werk sehr nahe. Wenn es d’Italie, couleurs du Nord. Peintures etrangeres
sich nicht (im Entwurf) um eine Arbeit von des musees dAmiens, Amiens 2001, S. 263, mit
B 6 (Grisebach Kat. Nr. 17, Abb. 20 und Kalf handelt, dann ist es vermutlich das Werk kleiner Farbabb., als W. Kalf (eine große Abb. ist
Farbabb. auf S. 2) eines Pariser Malers aus Kalfs Umgebung. auf der Internetseite des Museums zu finden).
Bäuerliches Interieur, im Hintergrund ein
Mann und eine Frau beim Kamin B 9 (Grisebach Kat. Nr. 55, Abb. 57) B 12 (Grisebach Kat. Nr. 64) Kat. Nr. 19
Holz, 32 x 25,5 cm Bäuerliches Interieur mit Figuren im Stilleben mit Feldflasche aus Zinn, stehenden
Verbleib unbekannt Hintergrund und liegenden vergoldeten Schenkkannen
Das Bild wurde von Grisebach zu Unrecht mit Holz 28,5x22 cm und großer getriebener und vergoldeter
A 3 (siehe oben) identifiziert. Ein detaillierter Museum Boijmans Van Beuningen, Rotter Silberschale
Vergleich machte jedoch deutlich, dass es sich dam, Inv. Nr. 3386 Signiert und datiert, rechts unter der Tisch
dabei um eine Kopie oder höchstens um eine Nach dem Vergleich mit All, siehe oben, ist platte: W. KALF 1643
(Atelier?) Wiederholung von A3 handelt. das Bild als Kopie einzuordnen oder höchs Leinwand, 114,5 x 85,5 cm
tens als eine Wiederholung aus Kalfs direkter Köln, Wallraf-Richartz-Museum,
Umgebung. Inv. Nr.WRM 2598
Seit Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahr
B 10 (Grisebach Kat. Nr. 56, Abb. 62) hunderts wird dieses Bild nicht mehr zu den
Bäuerliches Interieur mit einer Frau in der eigenhändigen Werken von Willem Kalf ge
Türöffnung und einer Frau beim Herd zählt. Siehe weiter Kat. Nr. 19
Holz, 26 x 33 cm
St-Lö, Musee de la Ville (Leihgabe des franzö Grisebach C24 Stilleben mit Kokosnusspokal, Por
B 15 Stilleben mit Muschel, Metallgefäßen und sischen Staates, Inv. Nr. MI 1293) zellanvase, Branntweinschale und Silberpokal, öl
einer Zitrone auf einem Zinnteller, Öl auf Lein Das Bild ist zu schwach in der Ausführung, um auf Leinwand, 77 x 94 cm. Verbleib unbekannt.
wand, 39,5 x 53,5 cm. Deutsche Privatsammlung. von Kalfs Hand zu stammen. Genau wie Grise
bachs Kat. Nr. 56a handelt es sich hierbei ver
mutlich um die Kopie oder Nachahmung eines
unbekannten oder verlorenen Originals.
Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer
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B 13 Kat. Nr. 18 B 16 (Grisebach Kat. Nr. 140, Abb. 151)
St Hieben mit Feldßasche aus Zinn, stehenden Stilleben mit Schale aus chinesischem Porzel
und liegenden vergoldeten Schenkkannen lan, verziert mit Figuren, sowie mit Muschel
und großer getriebener und vergoldeter Sil pokal und Südfrüchten
berschale Leinwand, 66 x 50 cm
Leinwand, 146x 103 cm. Verbleib unbekannt
Undeutlich signiert: W. Kalf [...] Das Bild ist von Grisebach als möglicherweise
Niederlande, Privatsammlung stark übermaltes, schwaches spätes Werk
In der Literatur ist das Bild nicht ganz über aufgenommen worden, zusammen mit Grise
zeugend als Original für Grisebach Kat. Nr. 64 bach Kat. Nr. 140a (Sammlung Robert Smith,
(B 12, siehe oben) vorgeschlagen worden. Washington) als Kopie. Kat. Nr. 140a ist je
Siehe weiter Kat. Nr. 18. doch in vielerlei Hinsicht detaillierter als Kat.
Nr. 140, aber tatsächlich zu schwach für ein
B 14 (Grisebach Kat. Nr. 67a) Original. Sowohl Grisebachs Kat. Nr. 140 als
Stilleben mit liegender Feldßasche, silbernem auch 140a sind sehr wahrscheinlich Kopien
Leuchter, Porzellanßasche und Gläsern eines verschwundenen oder verlorenen Ori
Signiert, links unten: Kalf 1645 (oder 1675) ginals von Kalf.
Leinwand, 68 x 60 cm
Rouen, Musee des Beaux-Arts B 17 (Grisebach Kat. Nr. 141a) Abb.
Die Qualität der Ausführung bleibt hinter der Stilleben mit Holbein-Schale und Silberkanne
von Grisebach Kat. Nr. 67 zurück, ist jedoch Leinwand, 84x69,8 cm (laut Sotheby’s, 1996. B 17 Willem Kalf oder nach Willem Kalf, Stilleben
im Großen und Ganzen zu hoch, um das Ge Grisebach: 86,5 x 70,5 cm) mit Holbeinschale und Silberkanne, Öl auf Lein
mälde einfach als Kopie abzutun. Wie bereits Verbleib unbekannt wand, 84 x 69,8 cm. Verbleib unbekannt. Zustand
Grisebach anmerkte, könnte die Datierung, Provenienz: Kunsthandel D. Katz, Dieren vor Übermalung, um 1930.
die vom Museum mit 1675 angegeben wird, (Zeitpunkt unbekannt); Kunsthandel J. Böh
wenn sie als 1645 gelesen werden würde, eine ler, München, 1934; Kunsthandel A.G., Lu
Indikation für die Datierung seiner Kat. Nr. 67 zern; Versteigerung Luzern, Fischer, 21./25.
sein und außerdem mit Kalfs letztem Jahr in Oktober 1947, Kat. Nr. 3008; Sammlung Grisebach Nr. C 26
Paris zusammenfallen. Fritz Frey, Bürgenstock, 1967; Versteigerung Stilleben mit elefantenköpfigem Porzellan
London, Sothebys, 11. Dezember 1996, Kat. gefäß (Kendi)
B 15 Abb. Nr. 75, mit Farbabb. (Teil Sammlung E Frey Monogrammiert, links unten: W. K.
Stilleben mit Muschel, Metallgefäßen und vor der Versteigerung zurückgezogen), im Leinwand, 69x61 cm
einer Zitrone auf einem Zinnteller mer als Willem Kalf. Weimar, Kunstsammlungen zu Weimar,
Leinwand, 39,5 x 53,5 cm Literatur: F. Frey, The Bürgenstock, art, history, Schlossmuseum, Inv. Nr.G 1158
Deutschland, Privatsammlung tradition, hotel village, 1967, S. 94, 95, als W. Das Bild wird hier nur deshalb aufgeführt,
Provenienz: Versteigerung London, Sotheby’s, Kalf; Grisebach, 1974, S.279, Kat. Nr. 141a da es von dem heutigen Autor als Vergleich
7. Juli 1999, Kat. Nr. 427, mit Farbabb., als (Kopie von Kat. Nr. 141). und als Arbeit von Kalf in F.G. Meijer, Ashmo-
Haarlemer Schule, Mitte 17. Jahrhundert; Die Tatsache, dass es hinsichtlich Grisebachs lean Museum, Oxford. Catalogue of the Col
Versteigerung Amsterdam, Christie’s, 7. No Kat. Nr. 141 kleine, aber bedeutende Abwei lection of Paintings. The Collection of Dutch
vember 2001, Kat. Nr. 19, mit Farbabb., als chungen in der Komposition gibt (wie die and Fleniish Still-Life Paintings Bequeathed
Nachfolger von W. Kalf; Privatsammlung, Rosen, die Uhr links, die Stelle des Deckelge by Daisy Linda Ward, Oxford/Zwolle 2003,
Deutschland, als W. Kalf. fäßes) und die Tatsache, dass die Ausführung S. 295, Abb. 79.1 aufgenommen wurde. Grise
Dieses Gemälde befindet sich in keinem guten in vielen Details, darunter der orientalische bachs Schlußfolgerung, dass dieses Gemälde
Erhaltungszustand und viele der breiten wei Teppich und die Holbein-Schale, der des Wei kein eigenhändiges Werk von Kalf ist, war je
ßen Lichter sind später hinzugefügt worden. marer Gemäldes besonders nahe steht, sug doch richtig.
Dennoch ist es aufgrund der Qualität in der gerieren, dass es sich hierbei vielleicht doch
Ausführung der Zitrone und des metallenen um eine etwas spätere Variante von diesem
Gegenstandes rechts nicht völlig als eigen eigenhändigen Gemälde Kalfs handelt. Der
händige Arbeit auszuschließen. Vermutlich nicht besonders gute Erhaltungszustand des
handelt es sich um ein Fragment; die Kom Bildes erschwert zudem die Beurteilung der
position stimmt in großen Zügen mit der lin Eigenhändigkeit.
ken Hälfte von Grisebach C 24 (Abb.) über
ein. Grisebach halte mit Recht seine C 24 in
einen Zusammenhang mit seiner Kat. Nr. 60
gebracht und schlussfolgerte richtigerweise,
dass es nicht von Kalf gemalt worden sein
könnte.
Addenda und Corrigenda zu Lucius Grisebachs Katalog der Werke von Willem Kalf- Fred G. Meijer 167
Abgekürzte Literatur
Mai, 1990
E. Mai, Willem Kalf 1619-1693. Origi
nal und Wiederholung. Ein Prunkstil
leben des 17. Jahrhunderts, Köln 1990
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Abbildungsnachweis
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Impressum
Der Katalog erscheint aus Anlass der Ausstellung KATALOG AUSSTELLUNG SUERMONDT-
Willem Kalf (1619-1693) vom 25. November 2006 LUDWIG-MUSEUM AACHEN
Konzeption
bis 18. Februar 2007 in Rotterdam, Museum Boij
mans Van Benningen, und der Ausstellung Gemal Jeroen Giltaij Ausstellungsleitung
tes Licht. Die Stilleben von Willem Kalf (1619-1693) Redaktion Sylvia Böhmer und Peter van den Brink
vom 8. März bis 3. Juni 2007 in Aachen, Suer- Peter van den Brink Projektkoordinierung
mondt-Ludwig-Museum. Fred G. Meijer Anna Koopstra
Sylvia Böhmer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Autoren Anna Koopstra und Evelin Wölk
Katalog und Ausstellung wurden unterstützt von: Sylvia Böhmer
Alexandra Gaba-van Dongen Marketing
SNS Bank Renate Fassbender und Frank Heidemann
Jeroen Giltaij
Peter und Irene Ludwig Stiftung Franchise Joulie Ausstellungsarchiteklur
Sparkasse Aachen Friso Lammertse Uwe Eichholz
Fred G. Meijer
ERCO Nederland Michael Szanto
Museum Boijmans Van Beuningen
Übersetzung Museumpark 18/20
Wera Homeyer (Niederländisch-Deutsch) 3015 CX Rotterdam
Susanne Karau (Niederländisch-Deutsch) Niederlande
Marcel Sache (Französisch-Deutsch) T +31 (0)10 4419400
Fotoredaktion F +31 (0)10 4360500
Jeroen Giltaij [email protected]
www.boijmans.nl
Koordination
Sabine Terra
Suermondt-Ludwig-Museum
Gestaltung und Herstellung Wilhelmstrasse 18
Rüdiger Kern, Berlin 52070 Aachen
Deutschland
Lektorat
T +49 (0)241 479800
Martin Steinbrück
F+49 (0)241 37075
Reproduktionen [email protected]
LVD Gesellschaft für Datenverarbeitung mbH, www.suermondt-ludwig-museum.de
Berlin
Druck und Bindung
Printer Trento S.r.L, Trento-Gardolo
Bibliographische Informationen
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek;
detaillierte bibliographische Daten sind im Inter
net unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
2. Auflage 2007
© 2007 Deutscher Kunstverlag München Berlin
Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam
Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen
Autoren und Fotografen
illem Kalf nutzte beim Malen stets das Licht als Leitfaden.
W Auf den prunkvollen Stilleben funkelt auf den reich
dekorierten Tischen seltenes Porzellan neben Glas, Tellern und
Pokalen aus Gold und Silber. Aber auch seine Bauernszenen be
zaubern durch das Spiel von Hell und Dunkel und die Effekte
von Licht und Farbe. Der Katalog zeigt die Meisterwerke des
Künstlers aus berühmten Sammlungen in aller Welt.
»Die Stilleben des Willem Kalf sind ein Fest für die Augen.«
Jutta Göricke, Süddeutsche Zeitung
»Nichts hat den Maler Willem Kalf so sehr beschäftigt wie die
Gesetze und Grenzen des Wahrnehmens, wie das Reich und die
Kraft und die Herrlichkeit des Lebens. Davon erzählen alle vier
zig Bilder der Ausstellung, die man getrost eine der schönsten
des Jahres nennen darf.«
Benedikt Erenz, Die Zeit